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Aus meinen Notizb�chern: Heft XV
Heft XV
Aus meinen Notizb�chern Heft I
II
III
IV
V
VI VII
VIII
IX
X XI
XII XIII
XIV
XV XVI
begonnen am 15.01.1982
Vorbemerkung:
Den
folgenden Text aus meinen Notizb�chern habe ich eigentlich nicht für die
Ver�ffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine eigenen Gedanken
festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorl�ufigen Charakter,
insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T. grundlegender
überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als andere
Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die
für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und
für die Ethik allgemein von Interesse sein können.
Wo ich heute anderer
Ansicht bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt
und begr�ndet.
*XV-1*
Wie kann man das Dilemma bei
verfahrensm��ig
richtig zustandegekommenen aber inhaltlich falschen Normen aufl�sen? Besteht man
auf Befolgung der Norm, so werden die schlimmsten Sachen m�glich. Gesteht man
dem Individuum das Recht auf Verweigerung zu, so leidet die Rechtssicherheit.
Man kann versuchen, die Faktoren zu diskutieren, die die Gr��e des Schadens im
einen oder im anderen Fall beeinflussen. Zum Beispiel: Je klarer und
intersubjektiv nachvollziehbarer die inhaltliche Kritik an der Norm ist, desto
unproblematischer ist ein Recht auf Widerstand; und umso st�rker die Individuen
moralisch motiviert sind und je intelligenter und informierter sie sind, desto
geringer sind die Gefahren eines moralischen Widerstandsrechts bzw. seines
Missbrauchs durch schlecht informierte oder eigeninteressierte Individuen.
Ein anderer Faktor ist die Qualit�t der Normsetzungsverfahren. Je besser diese
sind, desto geringer ist die zu erwartende Abweichung, desto geringer ist der
angerichtete Schaden. Ich muss weitere Gesichtspunkte finden, die eine Abw�gung
zwischen der inhaltlichen Wahrheit und der verfahrensm��igen, formalen
G�ltigkeit erleichtern können.
*XV-2*
Die Notwendigkeit von
Normsetzungsverfahren begr�nden. Warum reicht der Diskurs nicht? Weil kein
faktischer Konsens garantiert werden kann. Deshalb muss vom Fortbestand
unterschiedlicher normativer überzeugungen ausgegangen werden.
*XV-3*
PETERS gibt in "Ethik und Erziehung" eine der Diskurstheorie verwandte
Begr�ndung für ethische Prinzipien, u.a. das Prinzip der formalen Gerechtigkeit,
das Prinzip der Interessenber�cksichtigung und das Prinzip der
(Diskussions-)Freiheit. (S.101 f. und S.109) Einmal untersuchen, in welcher
logischen Beziehung diese Prinzipien zu meinem Intersubjektivit�tsprinzip und
zum Solidarit�tsprinzip stehen.
*XV-4*
Was ist ein Argument f � r eine
bestimmte These?
Ein gewaltfrei von jedermann nachvollziehbarer Beweggrund
für die Anerkennung der betreffenden These.
*XV-5*
Mit dem
Intersubjektivit�tsprinzip ist implizit die Forderung nach Sachlichkeit und
Objektivit�t gegeben.
*XV-6*
Der Utilitarist, für den die
individuellen Interessen die einzig relevanten Daten sind, betrachtet die vom
Individuum bereits internalisierten normativen überzeugungen, die
"Ideale", als
etwas Abgeleitetes. Sie z�hlen nicht mit.
*XV-7*
Polarisierung: Es
gibt Strukturen der Alternativen, bei denen keine "mittleren" Alternativen
vorkommen. Vielen entschiedenen Befürwortern einer Alternative x stehen dann
viele entschiedene Gegner dieser Alternative x gegenüber. Wann ist das Auftreten
solcher Strukturen wahrscheinlich? (Dazu DAHL "Preface" und DOWNS)
*XV-8*
Je ähnlicher die Interessen der Individuen sind, desto weniger klaffen die
Antworten auf die zwei Fragen: "Was ist in meinem Interesse?" und "Was ist im
Gesamtinteresse?" auseinander. Vorteil der Gleichheit.
*XV-9*
Warum
ist wissenschaftliche Wahrheit nicht definitiv? Warum ist der m�gliche Konsens
nicht Faktum? Warum sind manche Unterschiede der überzeugungen nicht aufl�sbar?
Ein Fortbestehen von subjektiven Unterschieden, die sich der argumentativen
Erfassung oder Beeinflussung entziehen.
*XV-10*
Die m�glichen
Hindernisse für einen Konsens klassifizieren und deren überwindbarkeit
untersuchen:
- das affektiv gest�tzte Vorurteil,
- die mangelnde
Bereitschaft, überhaupt intersubjektiv nachvollziehbar zu argumentieren,
-
die mangelnde F�higkeit, den andern zu verstehen und dessen logische Operationen
nachzuvollziehen,
- das Festhalten an lieb gewordenen oder den eigenen
Interessen entgegenkommenden überzeugungen,
- das eigene Verhalten
rechtfertigende bzw. hoch bewertende überzeugungen,
- überzeugungen, deren
Teilung mit anderen die eigenen Interessen fürdert,
- mangelnde Zeit zum
Diskutieren der überzeugungen u.a.m.
*XV-11*
Man m�sste unterscheiden
zwischen konsensst�renden Faktoren, die in den Personen der Diskutanten liegen,
und solchen, die in der Art der Behauptungen liegen. Bestimmte Behauptungen
werfen spezifische Probleme ihrer intersubjektiven Begr�ndung auf. Von
besonderem Gewicht sind verallgemeinernde oder pauschale Behauptungen, da sie um
der Vereinfachung und Erwartungsstabilisierung willen gesucht werden. Sie
stimmen aber dafür oft auch nicht. Keine Regel ohne Ausnahme. Keine allgemeine
Theorie, die mit allen Ph�nomenen ihres Bereiches vereinbar ist.
*XV-12*
Weiter herausarbeiten, welche Ergebnisse Argumentationen haben können:
1. Die infrage stehende Behauptung wird als wahr angesehen (relativ zum jetzigen
Diskussionsstand, das hei�t in Bezug auf die aktuell zug�nglichen Argumente, so
dass mit dem Auftauchen neuer Argumente die Wahrheitsfrage neu gestellt
werden muss),
2. die infrage stehende Behauptung wird als falsch angesehen
(ebenfalls relativ zum aktuellen Argumentationsstand),
3. die infrage
stehende Behauptung bleibt offen bzw. strittig, es gibt entweder keine Argumente
dafür oder dagegen oder es gibt sowohl Argumente dafür und dagegen, ohne dass
über diese aber schl�ssig entschieden werden k�nnte.
*XV-13*
Unterscheiden: Was sind partiell st�tzende und was sind partiell angreifende
Argumente in Bezug auf eine Behauptung? Was sind Argumente, die den
Geltungsanspruch total infrage stellen?
*XV-14*
In den
Naturwissenschaften gibt es ein manchmal ein "experimentum crucis" zur
Entscheidung zwischen zwei Theorien.
*XV-15*
Der jetzige Zustand der
Diskurstheorie ist noch recht unbefriedigend.
*XV-16*
Zwischen
"Wahrheit" und "Wahrheitsanspruch" unterscheiden. Bei positiven Behauptungen ist
das Kriterium der Wahrheit die übereinstimmung des Satzes mit der Realit�t: "Der
Satz 'p ist q' ist wahr, wenn tats�chlich p ein q ist". (Tarski in: Ideale
Sprache?)
*XV-17*
Wie ist das bei normativen Behauptungen? "Die Norm
'p soll sein' ist wahr, wenn p tats�chlich sein soll (bzw. wenn p dem
Gesamtinteresse entspricht"). Dabei muss man dann zus�tzlich Aussagen darüber
machen, wie man die Realit�t bzw. das Gesamtinteresse bestimmen kann.
*XV-18*
Bei mehrstufigen Repr�sentationsverfahren stellt sich das Problem,
dass nicht die Mehrheit der Betroffenen, sondern die Mehrheit der Mehrheiten
entscheidet. Dies Problem einmal an einem Beispiel klarmachen. Demonstrieren,
warum die Mehrheitsalternative nicht auch bei mehrstufigen Verfahren resultiert.
Ein Beispiel:
Es gibt 3 Wahlkreise mit je 7 W�hlern, die entweder
Anh�nger von A oder von B sind.
Die Verteilung auf die Wahlkreise sieht so
aus:
Wahlkreis I (AAAA+BBB), Wahlkreis II (A+BBBBBB), Wahlkreis III
(AAAA+BBB).
In I siegt A, in II siegt B, in III siegt wieder A.
Bei der
zweiten Stufe der Abstimmung durch die Vertreter der 3 Wahlkreise siegt A mit
2:1, obwohl B mit 12 Anh�ngern mehr Stimmen hatte als A mit 9 Stimmen.
*XV-19*
Der ethische Hedonismus ersparte den fr�hen Utilitaristen manche
theoretischen Probleme. Der Hedonismus legte nahe, die Nutzenmessung sei im
Prinzip mit den Methoden der empirischen Psychologie l�sbar. Ethische,
antimoralische und eigenbezogene Interessen brauchten deshalb nicht
differenziert zu werden. Ein "Sich-hineinversetzen-in-die-Lage-des-anderen" war
unn�tig.
*XV-20*
Nach der Wahl sagen die gew�hlten Politiker h�ufig,
dass sie Vertreter des ganzen Volkes seien wollen, und nicht nur Vertreter
derer, die sie gew�hlt haben. Das spricht gegen die Interpretation von Wahlen
als Interessenaggregationen. Oder ist das nur das Bewusstsein, dass jedes
Aggregationsverfahren ethisch nicht vollkommen sein kann?
*XV-21*
Die
politischen Grundfreiheiten sind in der Demokratie nicht nur deshalb notwendig,
damit sich die Individuen über ihr Eigeninteresse aufklären können, sondern auch
deswegen, weil die Demokratie der Korrektur durch den Diskurs bedarf. Die
Demokratie bedarf des Diskurses, um sie als Verfahren überhaupt begr�nden zu
können und sie bedarf des Diskurses, um ihre Resultate einer inhaltlichen Kritik
unterziehen zu können.
*XV-22*
Ein Utilitarist kann die Annahme des
psychologischen Hedonismus (oder Egoismus) nicht strikt durchhalten, denn sonst
m�sste er zugestehen, dass er selber den Utilitarismus auch nur zur fürderung
seiner eigenen Interessen vertritt.
*XV-23*
Man kann in der Regel
verschiedene Gewissheitsgrade für die eigenen Urteile angeben. Man kann etwas
vermuten, ahnen, (steif und felsenfest) behaupten, sch�tzen, raten, sich einer
Sache sicher (gewiss) sein, glauben, zweifeln, von etwas fest überzeugt sein,
über etwas in Zweifel sein. usw.
*XV-24*
So wie der einzelne mit
seinen Zweifeln leben muss, so die Gesellschaft mit strittigen Meinungen. Welche
Ersatzl�sung für fehlendes Wissen gibt es auf beiden Ebenen?
*XV-25*
Der Konsens, der über Wahrheitsfragen entscheidet, beinhaltet nicht nur den
Konsens über die strittige Behauptung sondern zus�tzlich über die st�tzenden
Argumente, also die Begr�ndung. Wenn verschiedene Individuen aus verschiedenen
miteinander unvereinbaren Gr�nden derselben Behauptung zustimmen, so ist das
nicht der angestrebte Konsens. Er rechtfertigt nicht den Anspruch auf
Allgemeing�ltigkeit. Diesen Aspekt noch weiter ausarbeiten. Einen solcher
Konsens ist nur zuf�llig und bricht zusammen, wenn der Widerspruch in den zwei
Begr�ndungen beseitigt wird.
Auch beim vertraglichen Konsens findet die
Zustimmung der Parteien aus unterschiedlichen Gr�nden der Beteiligten statt (den
jeweiligen Eigeninteressen).
*XV-26*
Eine m�gliche
Habilitationsschrift:
Arbeitstitel:
Normsetzungsverfahren und
inhaltliche Richtigkeit von Normen
Teil I: Systematischer Problemaufriss
Wahrheit in normativen Fragen: Diskurstheorie, Grenzen des Diskurses,
Notwendigkeit von Normsetzungsverfahren. Kognition und Dezision im Bereich
normativer Fragen. Parallelen im positiven Bereich. Entwicklung der
Fragestellung und der Begriffsraster.
Teil II: Theoriegeschichtlicher
Teil
Wie haben verschiedene Theoretiker das Problem der m�glichen Divergenz
von Normsetzungsverfahren und inhaltlicher Wahrheit von Normen gel�st?
Machen sie überhaupt eine entsprechende Unterscheidung? L�sen Sie das Problem zu
Gunsten nur einer Seite? Welche L�sung gibt es für Konfliktf�lle?
Welche
Auffassung der Wahrheitssuche und -findung wird vertreten? Welche Kriterien gibt
es für Normsetzungsverfahren? Welche Verbindung beider Elemente � diskursiver
und dezisionistischer Art? Verhältnis Moral � Recht:
dezisionistische
Positionen: Hobbes, Kelsen, Luhmann, Vertragstheoretiker, Schmitt etc.
kognitive Positionen: Habermas, Naturrechtstheorien, Utilitaristen
Verbindungen beider Richtungen: Regelutilitarismus, Radbruch Rechtsphilosophie,
Rousseau, Bentham
Wahrscheinlich lassen sich keine sinnvollen Gruppen
bilden. Stattdessen m��te man einzelne Theoretiker bzw. Richtungen der Ethik,
der politischen Philosophie oder der Rechtstheorie untersuchen, unter Umst�nden
nur chronologisch geordnet, eventuell auch eine Gruppe von denen bilden, die
herausfallen, weil sie das Problem umgangen haben: zum Beispiel Hegel
Teil II: Allgemeine Theorie des Verhältnisses von Wahrheitsfindung und
Normsetzung
Aufnahme der in Teil I entwickelten Systematik
a)
allgemeine Theorie des normativen Diskurses und seiner offenen Fragen
(Nachvollziehbarkeit fremder Interessen, Voraussetzung vern�nftiger Individuen,
Unterscheidung zwischen Argumentationsregeln und institutionellen
Vorausssetzungen einer Argumentation.
Das eine bezieht sich auf die richtige
Beschaffenheit der Argumente, das andere auf die richtigen Bedingungen der
Argumentation ("ideale Sprechsituation")
b) allgemeine Theorie der
Normsetzungsverfahren
m�gliche Verfahren, Klassifikation, Gesichtspunkte zur
Beurteilung der Verfahren, inhaltliche Richtigkeit der gesetzten Normen,
Zeitbedarf, Informations- und Entscheidungskosten, Machtempfindlichkeit,
Revisionsm�glichkeiten, Koordinierungsleistung, Motivationserzeugung
spezielle Probleme:
Widerspr�che und L�cken im gesetzten Recht (ist gesetzte
Norm gleich Recht? Moral hat oft auch Aspekte der Verbindlichkeit jenseits
inhaltlicher Wahrheit)
diskursive Elemente in Normsetzungsverfahren,
unausgef�llte Rechtsbegriffe zum Beispiel Gemeinwohlverpflichtung, Verpflichtung
zur Billigkeit, zur Gleichbehandlung, G�terabw�gung; methodologische Regeln zur
Gewinnung von L�sungen statt Oberbegriffe zur Deduktion von Einzelnormen
c) allgemeine Theorie einer Verbindung von Diskurs und Normsetzungsverfahren im
Bereich normativer Fragen
(Ende der Skizze)
*XV-27*
zu: Helmuth
SCHREINER: Die Intersubjektivit�t von Wertungen. Berlin 1980
Schreiner
unterscheidet zwei Aspekte der Intersubjektivit�t (Seite 28):
Rekonstruierbarkeit und Akzeptierbarkeit (Seite 28) Im Begriff der
"intersubjektiven Nachvollziehbarkeit" von Argumente ist ja beides noch
vermischt.
Schreiner interpretiert Kelsens reine Rechtslehrer als
systematische Beschr�nkung auf den Aspekt der Rekonstruierbarkeit unter
Ausschaltung der Frage nach der Akzeptierbarkeit.
Im Anschluss an TAMMELO
spricht Schreiner in Bezug auf die Begr�ndung von Werturteilen von "euduktiven
Verfahren", bei der Begr�ndung von Rechtsnormen von "adduktiven Verfahren". für
Letztere gelten einschr�nkende Gesichtspunkte durch den Bezug auf die
Rechtsordnung.
Als Besonderheiten des rechtlichen Bereichs werden
genannt "Entscheidungszwang" (die Frage darf nicht offen gelassen werden) und
"Rechtskraft" (ein erneutes Aufrollen der Frage ist nicht ohne weiteres m�glich)
(S. 60 f.) Als Besonderheiten werden weiter genannt:
das"Rechtssicherheitspostulat" und die damit verbundene "Pr�judizialbindung",
weswegen bei der Fortentwicklung einer Rechtsordnung gr��ter Wert auf
horizontale und vertikale Kontinuit�t aller zu ihr geh�rigen S�tze gelegt werden
muss (S.61)
Nach Schreiner ist in der Rechtswissenschaft ein Abschneiden des
Begr�ndungsregresses erlaubt wegen Rechtssicherheit, Pr�judizialit�t und
Reduktion von Problemkomplexit�t (S. 9)
Zitat: "Ein Verfahren der Einl�sung
der Geltung von Werten und von Rechtsnormen muss daher von einer Norm als
Ordnung und Lenkung des Wollens geleitet sein, nach der m�glichst alle Aspekte
heranzuziehen und zu ber�cksichtigen sind, die als Bedingung (als Voraussetzung
oder Folge) einer Wertung oder einer Rechtsnorm erscheinen. Ihr Zweck (ist) die
Sicherstellung von Ber�cksichtigung s�mtlicher Gegebenheitsweisen einer Sache
(i. w. S.).
(Schreiner schlie�t an die Konsensustheorie der Wahrheit an. Er
verweist auf Chr. WESTERMANN: "Argumentation und Begr�ndung in der Ethik und der
Rechtslehre". Berlin 1977, der sich auf NELSON, FRIES und KANT bezieht.
Schreiner ist seiner Methode nach eher eklektisch, oder konvergenztheoretisch.
Er sucht die verschiedensten Ans�tze auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Er
hofft dies zu erreichen durch prozedurale Regeln, die Anerkennbarkeit (für
Rechtsnormen) erzeugen sollen.
Er schlie�t dabei vor allem an PERELMAN "über
die Gerechtigkeit"und TAMMELO: "Theorie der Gerechtigkeit" an. Au�erdem bezieht
er sich auf prozedurale Maximen wie die Goldene Regel, das Gebot der
N�chstenliebe, den Kategorischen Imperativ, sowie andere Formen der
Universalisierbarkeit.
Die einzelnen Elemente von Rechtssicherheit sollen
auseinandergehalten werden: Stabilisierung von Verhaltenserwartungen sowohl in
Bezug auf die anderen Rechtssubjekte als auch auf die Mitglieder des
Rechtsdurchsetzungsapparates (Polizei, Ankl�ger Richter). Rechtsfrieden im Sinne
einer breiten Akzeptanz der Rechtsnormen und einer sozialen Unstrittigkeit der
Normen, Koordination von Planungen und Handlungen.
Unterscheiden zwischen
Rechtssicherheit selbst, sowie faktischen Bedingungen und Folgen der
Rechtssicherheit.
(Ende zu SCHREINER)
*XV-28*
Ist es ein logischer
Widerspruch, als Sozialist für die Abschaffung des Privateigentums an
Produktionsmitteln zu sein und gleichzeitig als Mitglied einer kapitalistischen
Gesellschaft Kapitalist zu sein? Ein logischer Widerspruch ist es wohl nicht:
Ich kann ohne Widerspruch für die Abschaffung des kapitalistischen
Wirtschaftssystems eintreten und gleichzeitig mich kapitalistisch ern�hren,
sofern ich im Zuge der angestrebten allgemeinen Vergesellschaftung bereit bin,
auch mein Privateigentum an Kapital vergesellschaften zu lassen.
Allerdings
ist dies psychisch konfliktreich, da das eigene Interesse mit dem politischen
Ziel nicht übereinstimmt. Unter Umst�nden setzt das Einkommen aus
Kapitalverm�gen frei für sozialistische Bem�hungen, die sonst unm�glich wären �
wie bei Engels und Marx. Die Unterscheidung und die Verbindung der beiden
normativen Ebenen analysieren: Gestaltung der gesamtgesellschaftlichen
Normsetzungsverfahren und Gestaltung des individuellen Handelns. Der politische
Egalitarist, der seinen privaten individuellen Reichtum nicht an Arme verteilt,
macht sich unglaubw�rdig. Inwiefern zu Recht?
*XV-29*
Wenn der
Untergebene den Vorgesetzten fragt: "Was soll ich tun?", so ist das eine andere
Frage, als wenn er sich selber, seine Vernunft, sein Gewissen befragt: Was soll
ich tun? Die Frage an den Vorgesetzten lautet eigentlich: "Was sagen Sie, dass
ich tun soll?" Es wird ein bestimmtes Normsetzungsverfahren befragt, d.h. das
Verfahren wird in Bezug auf ein bestimmtes Problem in Gang gesetzt, um ein
Resultat zu produzieren, etwa einen Befehl. Indem die Autorit�t des
Normsetzungsverfahrens vorausgesetzt wird, kann man dann fragen: "Was besagte
das autorisierte Resultat?" Das ist dann eine faktische Frage. Allerdings ist
das Resultat h�ufig nicht geeignet, eine vollst�ndige Entscheidungsgrundlage
abzugeben, so dass es zus�tzlicher
Verfahren der autoritativen Anwendung auf
den Einzelfall bedarf (Was sagt das Gesetz? Was sagt der Richter?)
*XV-30*
Der Wahrheitsanspruch für eine Behauptung soll beinhalten, dass
dieser Behauptung jedes Individuum allein aufgrund von Argumenten zustimmen
können muss. Aber viele Individuen "können" nicht zustimmen, z. B. weil sie noch
gar nicht existieren, oder weil ihnen die intellektuellen F�higkeiten fehlen, um
die Argumente zu verstehen und nachzuvollziehen. Das Problem liegt im Begriff
der "M�glichkeit" eines Konsens. Was ist damit genau gemeint? Unter welchen
Bedingungen muss der Konsens m�glich sein? Welche Hindernisse im Bezug auf eine
Zustimmung sind irrelevant?
*XV-31*
Wer gar nicht widerspricht, kann
unber�cksichtigt gelassen werden. Ein Problem stellen nur diejenigen dar, die
eine Meinung vertreten und zu begr�nden versuchen, die mit der infrage stehenden
Behauptung unvereinbar ist. (Kamlah/ Lorenzen setzen wohl normalsinnige
Individuen voraus.)
*XV-32*
Wenn jemand sagt: "Nein, ich stimme dieser
Behauptung nicht zu", so ist das noch kein Argument gegen die Wahrheit dieser
Behauptung. Man kann immer nach Gr�nden fragen: "Warum stimmst Du nicht zu?"
*XV-33*
Der Hinweis auf Motive wie: "Ich stimme Peters Behauptung nicht
zu, weil ich ihn �rgern will" reicht nicht aus. Die Ablehnung muss genauso
begr�ndet werden wie die Zustimmung, d.h. sie muss logisch auf andere
Behauptungen zur�ckf�hrbar sein, über die sich ein gewaltfreier Konsens
unmittelbar herstellen lässt (Beobachtungen, nachvollzogene Interessen).
*XV-34*
Eine Gesetzesl�cke besteht, wenn ein Handlungsbereich rechtlich
regelungsbed�rftig ist und kein entsprechendes Gesetz existiert. Ob ein Bereich
rechtlich normiert werden soll, ist eine ethische Frage.
*XV-35*
Die
faktische übereinstimmung von Diskussionsteilnehmern über bestimmte normative
Pr�missen ist kein ausreichendes Fundament für einen Anspruch auf G�ltigkeit
(Wahrheit), denn dieser Konsens kann zuf�llig sein. Ein echter Wissenschaftler
wird seine überzeugungen deshalb nicht nur mit dem faktisch vorgebrachten
Gegenargument konfrontieren, sondern auch mit Gegenargumenten, die auftauchen
aktuell auftauchen. Das Ethos der Wahrheitssuche verlangt, dass es einem nicht
nur um die Durchsetzung der aktuellen eigenen überzeugungen geht, sondern um die
Gewinnung von überzeugungen, die begr�ndet sind, die der Kritik - also m�glichen
Einw�nden - standhalten.
*XV-36*
Ich setze bei der Frage ein.
Erkenntnis ist die Beantwortung von Fragen. Aber was kann man an methodischen
Regeln in Bezug auf die Fragestellung aufstellen? H�ufig geht ja der Streit
schon um die Formulierung der Frage:
Die Frage ist falsch, zu ungenau
gestellt.
Die Frage macht unzul�ssige Voraussetzungen und Unterstellungen!
Mit dieser Frage unterstellen Sie etwas, was so nicht stimmt.
Diese
Formulierung der Frage geht am eigentlichen Problem vorbei.
Diese Frage ist
sinnlos, ist eine Scheinfrage.
Diese Frage stellt einen vor falsche
Alternativen.
Diese Frage lässt sich nicht beantworten.
Diese Fragen
sind in der falschen Reihenfolge gestellt.
*XV-37*
Fragen
formulieren, die allgemein g�ltig beantwortet werden können und damit
L�sungsm�glichkeiten für die identifizierten Probleme bieten. Einmal sichten,
was auf diesem Gebiet bereits gearbeitet wurde: Interrogativlogik, Kants
Systematik der Urteilsformel, die Verifikationstheorie der logischen
Positivisten .
*XV-38*
Problembereiche:
Wie lassen sich Probleme
angemessen in Fragen umsetzen?
Was sind die Kriterien der Angemessenheit?
Wie lässt sich feststellen, ob die gesuchte Antwort eine L�sung für das
Ausgangsproblem bildet?
Wie identifiziert man Probleme richtig?
Welche
logischen oder anderen Beziehungen gibt es zwischen verschiedenen Fragen?
Inwiefern ergeben sich Fragen aus anderen Fragen?
Wie lassen sich Fragen
systematisieren?
Wie lässt sich die richtige Reihenfolge in der Beantwortung
mehrerer Fragen bestimmen?
Welche juristischen Methoden zur Erfindung
m�glicher Antworten auf gestellte Fragen lassen sich angeben?
Welche
juristischen Methoden sind zugleich so beschaffen, dass die produzierten
Antworten G�ltigkeit beanspruchen können?
Welches sind die Kriterien für
sinnlose, unzul�ssige, irrelevante nicht-beantwortbare, strittige Fragen.
*XV-39*
Lassen sich eindeutig diejenigen Fragen identifizieren, auf die
bestimmte Behauptungen die Antwort darstellen?
Oder kann ein und dieselbe
Behauptung auf verschiedene Fragen antworten?
Wenn ja, k�nnte ein und
dieselbe Behauptung dann in Bezug auf die eine Frage eine g�ltige Antwort
darstellen und in Bezug auf die andere Frage eine ung�ltige Antwort?
K�nnte
sie dann zugleich wahr und falsch sein?
Oder geht das nur bei Mehrdeutigkeit
von Behauptungen?
Wie lassen sich mehrdeutige oder vage Fragen vermeiden?
Welche Anforderungen sind an die Begriffe zu stellen?
Welche Arten von Fragen
� eingeteilt nach den Kriterien ihrer Beantwortung - lassen sich unterscheiden?
*XV-40*
Die Habermasschirm Symmetriepostulate für die ideale
Sprechsituation sind keine Argumentationsregeln: die Chancengleichheit,
bestimmte Typen von Sprechakten auszuf�hren bzw. ihrer Verletzung ist kein
Argument für oder gegen eine bestimmte Behauptung. Argumente sind sprachliche
�u�erungen. Situationsmerkmale sind jedoch keine �u�erungen. Auch mangelnde
Sprachf�higkeiten sind kein Argument. Das ist das Problem der betreffenden
Beteiligten selbst, wenn ihnen zum Beispiel die F�higkeit fehlt, die
entsprechende Argumente zu verstehen bzw. ihre Einw�nde zu formulieren.
*XV-41*
Allerdings stellt sich die Frage, wie man abgrenzen soll zwischen
Verständnisschwierigkeiten, die aus der mangelnden F�higkeiten des H�rers
resultieren und solchen, die aus einer mangelhaften Formulierung des Sprechers
resultieren.
Ich habe bisher nur Argumentationsregeln für den Sprecher
formuliert.
Lassen sich auch Regeln für den H�rer von Argumenten
formulieren?
Zum Beispiel:
sorgf�ltig zuzuh�ren,
die Positionen der
anderen korrekt zu rekonstruieren und kein Zerrbild davon zu entwerfen, auf das
dann eingeschlagen wird, die Bedeutung der benutzten Begriffe zu erlernen, usw.
*XV-42*
Begr�ndungen für Behauptungen sind oft parallel gef�hrt, so dass
die Behauptung von verschiedenen, voneinander unabh�ngigen
Argumentationsstr�ngen getragen wird.
Wenn dann ein Argumentationsstrang
widerlegt bzw. infrage gestellt wird, ist das für die behauptete Position noch
nicht tragisch. So wie ein Haus, das auf 10 Fundamenten ruht, auch noch von 9
getragen wird. Es ist deshalb immer wichtig zu klären, ob die vorgebrachten
Argumente logisch voneinander abh�ngig sind.
*XV-43*
Habermas
konstruierte den Diskurs wohl implizit nach dem Modell des Gerichts oder des
Parlaments, wo bestimmte Parteien bem�ht sind, ihre Position zu verteidigen und
die gegnerische anzugreifen. Dieses Kontrahentenmodell ist jedoch h�chstens ein
Diskursersatz für Situationen, in denen die Partikularit�t des jeweiligen
Gesichtspunktes psychisch schwer zu überwinden ist.
*XV-44*
Der
Diskurs ist vorstellbar auch in der Weise, dass nur wenige Fachleute die
Pro-und-contra-Argumente formulieren und das Publikum die Argumente für sich
beurteilt.
*XV-45*
Um der besseren Verst�ndlichkeit willen kann man
auch fordern, die eigene Position und deren Begr�ndung so einfach und elegant
wie m�glich vorzunehmen. Sicher gibt es dafür auch noch weitere Gr�nde, vor
allem Kostenersparnis in Form ben�tigter Zeit zum Verstehen und Erlernen der
Positionen.
*XV-46*
Unterscheiden zwischen "Beweisen" also definitiven
Begr�ndungen und "schl�ssigen","zwingenden" Argumente und blo� "st�tzenden"
Argumenten, die dann gewichtet werden m�ssen und durch Gegenargumente aufgewogen
(nicht aber beseitigt) werden können.
*XV-47*
Ein Beispiel für
partielle, blo� st�tzende Argumente sind bei generellen empirischen Behauptungen
einzelne Beispiele, die zutreffen (zu denen es unter Umst�nden aber auch
Gegenbeispiele geben kann). Bei normativen Behauptungen gibt es die St�tzung
durch den Hinweis auf ein anerkanntes Ziel, dessen Erreichung damit gefürdert
wird (wobei es eventuell Ziele geben kann, deren Erreichung damit beeintr�chtigt
wird).
Definitiv ist wohl immer nur der deduktive Schluss, oder?
Offenbar muss in gewisser Weise" Vollst�ndigkeit" im Bezug auf die Erfassung der
relevanten Aspekte gegeben sein.
*XV-48*
Zu Argumentationsregeln:
- sich nicht wiederholen,
- alles nicht zum Argumentationsgang geh�rige
Beiwerk sauber trennen, um die Identifizierung der eigentliche Argumente zu
erleichtern,
- nicht abschweifen, nur zur Sache Geh�riges vorbringen,
- die Argumente soweit m�glich in der logischen Reihenfolge - also so wie sie
aufeinander aufbauen - pr�sentieren,
- bei nicht weiter begr�ndeten
Pr�missen Hinweise geben, worin Ihre Konsensf�higkeit begr�ndet ist. (Erfahrung,
Resultate anderer Autoren ...)
*XV-49*
Der gute Wissenschaftler
zeichnet sich aus durch eine methodologische Reflexion hinsichtlich des Grades
der Haltbarkeit seiner Behauptungen aus. Er unterscheidet zwischen vorl�ufigen
Hypothesen, begr�ndeten Vermutungen etc..
*XV-50*
Irrelevant für die
Konsensf�higkeit sind Hindernisse, die die Urteilsf�higkeit eines Individums
überhaupt infrage stellen. Relevant sind jeweils nur Hindernisse, dieser
bestimmten Behauptung zuzustimmen. Gegengr�nde m�ssen spezifisch für die
betreffende Behauptung sein. Es muss an der Behauptung liegen, dass jemand nicht
zustimmen kann. Alles andere ist für die Wahrheitsfindung uninteressant.
Damit ist schon etwas sch�rfer bestimmt, was mit "Konsensf�higkeit" gemeint ist.
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(Ende Heft XV)
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02/2015 / Eberhard Wesche
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