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Aus meinen Notizb�chern: Heft XIV


Heft XIV 

Vorbemerkung:
Den folgenden Text aus meinen Notizb�chern habe ich eigentlich nicht für die Ver�ffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorl�ufigen Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T. grundlegender überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt und begr�ndet. ************************************************************************************************************
Zur Position von KRIELE

*XIV-1*
Gibt es in der Theorie des argumentativen Konsens ebenfalls so etwas, wie einen "Naturzustand", n�mlich dann, wenn ein Individuum es ablehnt, nach einem argumentativen Konsens zu suchen? Dann ist mit diesem Individuum jede vern�nftige Argumentation unm�glich � (man kann h�chstens noch an sein Eigeninteresse appellieren.)
Man kann jedoch weiterhin stellvertretend für das nicht konsensorientierte Individuum argumentieren unter der Annahme, es sei "vern�nftig". Da das Solidarit�tsprinzip nicht von Besonderheiten der Individuen abh�ngt, kommt es nicht darauf an, ob bestimmte Individuen die Beschr�nkung auf  intersubjektiv nachvollziehbare Argumente akzeptieren oder nicht.

*XIV-2*
Ist das Solidarit�tsprinzip konsensf�hig? Der übergang vom Intersubjektivit�tsprinzip zum Solidarit�tsprinzip � zumindest so wie ich ihn in meiner Dissertation (TMG) vollzogen habe � ist ja keine l�ckenlose logische Deduktion. Wie kommt man von einer sanktionsfreien Diskussion zur allgemeinen Anerkennung des Solidarit�tsprinzips? Gibt es implizite psychologische Annahmen? Wird bei meiner Begr�ndung über die Anerkennung des Intersubjektivit�tsprinzips hinaus "Vern�nftigkeit", "Normalsinnigkeit" (Lorenzen?) oder "Zweckrationalit�t" (Rawls) der Individuen vorausgesetzt?
Die Frage lautet: "Welchem Prinzip k�nnten alle gemeinsam am ehesten gewaltfrei zustimmen?" Gibt es nur ein konsensf�higes Prinzip oder sind mehrere Prinzipien konsensf�hig? Im letzteren Falle m�sste man dann zus�tzlich ein Verfahren zur Ermittlung des besten Prinzips einf�hren.

*XIV-3*
Offensichtlich kann die Diskurssituation nicht als faktisch gegeben eingef�hrt werden, denn bei realen Diskussionsprozessen unter Einigungszwang gibt es immer die Drohung mit dem Status quo bei Nicht-Einigung. Wie definiert RAWLS die "original position"?

*XIV-4*
Durch das Solidarit�tsprinzip werden die Individuen verpflichtet, sich mit den Interessen der anderen zu identifizieren. Wird damit die Ber�cksichtigung von Interessen ausgeschlossen, die sich auf die fürderung oder Behinderung fremder Interessen beziehen?

*XIV-5*
In der 'original position' sollen die Prinzipien der Gerechtigkeit nach ihren Konsequenzen bei allgemeiner Befolgung beurteilt werden. Aber was ist, wenn moralische überforderung bzw. Grenzen der sozialen Kontrolle auftreten, wenn also Normverletzungen vorkommen?

*XIV-6*
Die Vorstellung vom Menschen: ein Wesen mit bestimmten Bed�rfnissen, wobei gilt: je mehr Befriedigung, umso besser. Aber die blo�e Quantit�t von Befriedigungen � zum Beispiel im sexuellen Bereich (Orgasmen) � ist für die psychische Gesundheit nicht entscheidend. Das Verhältnis von Triebquelle und Befriedigungshandlung ist ein vielfach abgestuftes System, bei dem es darauf ankommt, auf welcher Stufe und durch welche Gegenkr�fte der Trieb an seiner Befriedigung gehindert wird. Nicht jede Verhinderung von Triebbefriedigung macht neurotisch. Bereits Freud hat die Verdr�ngung des Triebes von dessen bewusster Verurteilung unterschieden. Die Frustrations-Aggressions-Hypothese macht den Grad der Frustration von der zuvor gehegten Erwartung auf Triebbefriedigung abh�ngig.

*XIV-7*
Zur Wahl der erzieherischen Ma�nahmen, mit der man ein Kind von einer Handlung abh�lt:
ob man das Kind wegen der missbilligten Handlung tadelt,
ob man es mit k�rperlichem Zwang an der Handlung hindert,
ob man es durch Androhung von Strafen von der Handluing abh�lt,
ob man es durch andere Reize ablenkt usw. und sofort.

Die Festigkeit der Erzieher im Konflikt mit dem Kind ist wichtig. Wenn die Begr�ndung der Versagung dem Kind verst�ndlich gemacht wurde, d�rfen die Erzieher nicht wieder "weich" werden. Denn dann bleibt für das Kind immer noch die Hoffnung wach, es k�nnte doch noch zum Ziel kommen. Vom Kind wird die Versagung schlie�lich umso schwerer empfunden, je inkonsequenter die Erzieher entscheiden.

*XIV-8*
Der Neurotiker ist jemand, der bestimmte W�nsche nie aufgegeben hat sondern sie verdr�ngt hat. Ein Kind, das selber sieht: Es ist objektiv unm�glich, dass ich jetzt ein Eis bekomme (z.B. weil der Vater kein Geld dabei hat) findet sich einfacher damit ab, als wenn der Vater nur ablehnt ein Eis zu kaufen, obwohl er es k�nnte.

*XIV-9*
Ich muss mich mit dem Anspruch APELs und KUHLMANNs auseinandersetzen, dass nicht nur die Argumentation, sondern bereits jedes ge�u�erte Wort und jede verst�ndliche Handlung das Postulat einer universalen Kommunikationsgemeinschaft voraussetzt. (Transformation Bd. 2, Seite 225, ähnlich Kuhlmann: Ethik der Kommunikation.)

*XIV-10*
Diese Ableitung der Argumentationsregeln ist nicht haltbar. Warum nicht?
Es gibt sprachliche Mitteilungen, bei denen keine Behauptungen (im Sinne von Sätzen mit Geltungsanspruch) aufgestellt werden, z. B. wenn jemand einen Witz erz�hlt. Die einzige Regel, die man dabei befolgen muss, ist wohl die Regel, dass ich mich um die Verst�ndlichkeit meiner W�rter und S�tze bem�hen muss. Wenn ich mich weigere, die Regeln einzuhalten, die die Verst�ndlichkeit der W�rter erm�glichen, (z. B. die Verpflichtung, die benutzten W�rter in ihrer Bedeutung zu erl�utern, sofern n�tig), kann der andere den Witz nicht verstehen.

Aber sind das notwendige Regeln des Sprechens, die jeder anerkennen muss, der überhaupt spricht? Man k�nnte h�chstens sagen: "Wenn es dir um Verst�ndigung geht, wenn Du also willst, dass die anderen deine �u�erung so verstehen, wie Du sie meinst, so musst Du bestimmte Regeln des Sprechens beachten � eben die Regeln, die MissVerständnisse weniger h�ufig auftreten lassen. Darauf muss sich jeder festlegen lassen, wenn eine Mitteilung von Sinn erfolgreich stattfinden soll. Erkennt jemand diese Regeln nicht an, etwa die Regel unverst�ndliche W�rter zu erl�utern, so ist der Diskussion die Grundlage entzogen.

Lassen sich die Regeln des verst�ndlichen Sprechens bestreiten? Meiner Ansicht nach ja, denn man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, durch welche Regeln des Sprechens intersubjektive Verst�ndlichkeit von �u�erungen erm�glicht bzw. durch welche Sprechweisen Verst�ndigung behindert wird.

Die Norm: "Strebe nach Verst�ndlichkeit deiner �u�erungen!" ist eine Norm, die man nicht sprechend bestreiten kann. Doch k�nnte jemand sagen: "Warum? Ich will unverst�ndliches Zeug quatschen, Nonsens erz�hlen. Es ist mir egal, ob Du das verstehst." Hier geht es aber gar nicht um die Mitteilung eines gemeinten Sinns an andere, dann kann man den andern auch nicht auf ein Streben nach Verst�ndlichkeit festlegen. Offensichtlich sind das alles keine unbedingten Normen, sondern nur Normen, die innerhalb eines bestimmten "Sprachspiels" gelten.

Das Besondere an den Regeln der Argumentation ist, dass man sie nicht erfolgreich bestreiten kann, denn "Bestreiten" ist eine Handlung, die nur im Sprachspiel "Argumentation" bzw. "Diskurs" sinnvoll ist. Allerdings kann es kann strittig sein, ob eine bestimmte Argumentationsregel geeignet ist, einen gewaltfreien Konsens herzustellen.

Es kann nicht strittig sein, dass der Streit um Wahrheit rein argumentativ d.h. gewaltfrei ausgetragen werden muss. Nun k�nnte jemand auch das bestreiten und für einen andern Wahrheitsbegriff argumentieren. Aber wenn er das t�te, dann w�rde er sich bereits faktisch entsprechend dem Wahrheitsbegriff verhalten, den er verbal ablehnt. Ist das ein Widerspruch? Kein logischer Widerspruch aber ein Widerspruch zwischen den methodologischen Regeln, zu denen jemand sich verbal bekennt, und denjenigen Regeln, die er tats�chlich praktiziert: eine Inkonsistenz zwischen Reden und Handeln.

*XIV-11*
Was hei�t es 'eine Regel zu praktizieren'? So handeln, dass sie nicht verletzt wird?
Diese Nicht-Verletzung k�nnte jedoch rein zuf�llig sein. Wenn jemand kein Schweinefleisch isst, weil es ihm gesundheitlich nicht bekommt, so befolgt er nicht die Regel, dass er kein Schweinefleisch essen soll. Um herauszufinden, ob das regelkonforme Verhalten nur zuf�llig ist, m�sste man sehen, wie er auf Regelverletzungen reagiert, z. B. wenn jemand selber seine Zustimmung nicht-argumentativ herbeizuf�hren sucht nach dem Motto: "Wer den argumentativen Wahrheitsbegriff nicht anerkennt, zeigt damit seine irrationale Befangenheit in blo�en Dogmen und seine Unf�higkeit, die eigenen Denkvoraussetzungen zu reflektieren" und ähnliche pers�nliche Herabsetzungen, die als negative Sanktionen gegen Andersdenkende einsetzbar sind. Wenn er sich dagegen verwahren will, so kann er sich auf Argumentationsregeln berufen.

*XIV-12*
ALBERTs Kritik an APEL:
- in Pl�doyer für kritischen Rationalismus, M�nchen 1971 Seite 113-124
- transzendentale Tr�umereien Hamburg 1975

*XIV-13*
Ich beanspruche für die normative Methodologie nicht mehr als was die "Positivisten" für die positive Methodologie beanspruchen. Die Unm�glichkeit einer Letztbegr�ndung trifft die normative Erkenntnis nicht st�rker als die positive Erkenntnis.

*XIV-14*
Nach ALBERTs Verständnis ist die Methodologie als normative Disziplin durch bestimmte Zwecksetzungen bestimmt. (Zitat:) "Wir können n�mlich die Methodologie ... weder einfach als eine normative Disziplin �blicher Art auffassen noch als eine deskriptive Disziplin, die das Verhalten bestimmter Experten - der Wissenschaftler - beschreibt, sondern eher als eine Technologie, die sich auf bestimmte Ziele der kognitiven Probleml�sungst�tigkeit beziehen lässt. ... Sie ist demnach von bestimmten Hintergrundannahmen über die Beschaffenheit der Realit�t z. B. über die Struktur der Sprache, über M�glichkeiten der Wahrnehmung - abh�ngig, wie sie in einer am Erkl�rungsproblem orientierten realistischen Erkenntnislehre auftreten. Auch in diesem Bereich muss also die Technologie eine theoretische Basis haben in einer Erkenntnislehre, die die Erkenntnis und damit auch das kognitive Unternehmen der Wissenschaft zu erklären sucht." (ALBERT, Rat.Praxis, S.20f.)
Die Methodologie ist nach ALBERT demnach ein zweckrationales Unternehmen, ma�gebend nur für denjenigen, der deren Zweck akzeptiert.

*XIV-15*
Einmal klären, inwiefern die Methodologie, die die Regeln der Argumentation enth�lt, selber fehlerhaft sein kann. ALBERT hat wohl recht, wenn er sagt, dass es keine unfehlbar richtige Methodologie gibt. (S. 21)

*XIV-16*
Die Frage: "Wie soll die Wirklichkeit beschaffen sein?" ist gegenüber der Frage: "Wie sollen die Menschen handeln?" grundlegender, denn sie enth�lt logisch die zweite. Bei einer notwendigen Beschr�nkung auf "m�gliche" Gestaltungen der Wirklichkeit st��t man auf die Menschen als Ausgangspunkt gezielter Weltgestaltung und damit als in Frage kommende Adressaten (neben den h�heren Tieren).

*XIV-17*
Die verschiedenen Arten von Interdependenzen zwischen Handlungen analysieren: kausale, nutzenm��ige (z. B. S�ttigungsph�nomene)

*XIV-18*
Mich mit der mehrstufigen Konkretisierung bzw. Beschlussfassung von Normen befassen, einer viel ge�bten Praxis.

*XIV-19*
Das Wort "Norm" hat im allt�glichen Sprachgebrauch immer die Bedeutung einer Vereinheitlichung. So "Industrienorm", "normal" etc. Ich gebrauche den Begriff "Norm" allerdings auch für singul�re Vorschriften.

*XIV-20*
Ein Willenskonflikt ist etwas anderes als ein argumentativer Streit um Normen. Beim Willenskonflikt bewegt man sich auf der Ebene der Interessen, beim Streit um Normen bewegt man sich auf der Ebene der moralischen überzeugungen.

*XIV-21*
Der argumentative Streit um Wahrheit macht nur dann Sinn, wenn jeder bereit ist, die Ergebnisse der Argumentation zur eigenen überzeugung zu machen (sich von Argumenten überzeugen zu lassen) und entsprechend dieser überzeugung auch zu handeln. Wenn ein bestimmtes Handeln als im Gesamtinteresse liegend erkannt ist, muss jeder zustimmen, dass dies auch in die Tat umgesetzt wird.

*XIV-22*
Zwei Ebenen:
1.) "Wie sollen die Individuen handeln?" Und
2.) "Welche Normen sollen sozial gelten und durchgesetzt werden?"
Wie unterscheiden sich beide, wie h�ngen beide zusammen?

*XIV-23*
(ab hier ADOMEIT) Zur normativen überforderung: Solon soll auf die Frage, ob er seinen Athenern die besten Gesetze gegeben habe, geantwortet haben: "Die besten freilich nicht, aber die besten, die sie vertragen konnten." (Zitat nach ADOMEIT, Seite 59)

*XIV-24*
 Er spricht vom "Stufenbau der Rechtsordnung" (Seite 48 f.) Die unterste Stufe bilden "Verhaltensnormen". Sie gewinnen rechtliche Geltung durch "Erm�chtigungsnormen", die den Normsetzenden zur Setzung von Verhaltensnormen erm�chtigen ("befugen").

*XIV-25*
Die Befugnis bzw. Erm�chtigung zur Normsetzung ist aus übergeordneten Erm�chtigungsnormen abgeleitet. Die normsetzende Instanz muss durch entsprechende "Personal� bzw. Organisationsnormen" konstituiert werden (Seite 52). Erm�chtigungsregeln schreiben entweder nur das Verfahren oder auch den inhaltlichen Spielraum der Normsetzung vor. (Seite 76)

*XIV-26*
Da es auch rechtsfreie R�ume gibt, beziehen sich Rechtsfragen nur auf die Orientierung rechtlich relevanter Handlungen.

*XIV-27*
Zu den "Verhaltensnormen" und den "Erm�chtigungsnormen" kommen als Sonderelemente noch die sogenannten "methodologischen" Normen hinzu, die methodisch die Entscheidung der normsetzenden Instanzen orientieren, zum Beispiel indem sie diese auf Gemeinwohl, Gerechtigkeit, Billigkeit, Zweckm��igkeit, Gleichbehandlung, Menschenw�rde, Wahrheit oder ähnliches festlegen. Dies sind keine Verfahrensnormen wie etwa Abstimmungsregeln oder Prozessordnungen, die bestimmte Operationen vorschreiben. Sie begrenzen zwar den inhaltlichen Spielraum der Normsetzung, aber sie tun dies nicht auf der Ebene des Verhaltens wie zum Beispiel die Vorschriften über das zul�ssige Strafma� in Strafgesetzen, die den Spielraum für das Urteil des Richters angeben.

*XIV-28*
Der Ausdruck: " Streitgespr�ch" für Diskussionen ist nicht schlecht: Es werden Behauptungen aufgestellt, die bestritten werden � und zwar bestritten hinsichtlich ihrer Wahrheit (Allgemeing�ltigkeit).

*XIV-29*
Man kann sich auch als Einzelner auf einen universalen Standpunkt stellen und das für-und-Wider bestimmter Normen er�rtern.

*XIV-30*
Die Wahrheit von Behauptungen f�hrt als solche nicht dazu, dass diese Behauptungen den Handlungen zugrundegelegt werden. Es muss hinzu kommen, dass sie als wahr akzeptiert werden. Aber Irrtum ist m�glich, widersprüchliche Behauptungen von verschiedenen Individuen s. Deshalb bedarf es immer eines zus�tzlichen Verfahrens der Auszeichnung bestimmter Behauptungen als "geltend".

*XIV-31*
Selbst wenn man sich über die S�tze einig wäre, die als wahr gelten sollen, ("heilige Schriften" etc.) besteht weiterhin das Problem der Interpretation dieser S�tze (vor allem, wenn diese heiligen Schriften auf alle Fragen eine Antwort geben wollen.) Deshalb muss es dann autorisierte, orthodoxe Auslegungsinstanzen geben.

*XIV-32*
Insofern Normsetzung eine Art des Verhaltens ist, kann man auch die Normen, die das Verhalten der an der Normsetzung beteiligten Personen normieren, als "Verhaltensnormen" auffassen, allerdings einer anderen Kategorie.

*XIV-33*
Ich muss einmal auflisten, warum es Schwierigkeiten bei der Auslegung von Normen gibt. Welche Arten von Deutungsproblemen gibt es: unscharfe Begriffe, mehrdeutige Begriffe, Gesetzesl�cken, Leerformeln, methodologische Begriffe, widersprüchliche Normen, Besonderheiten des Einzelfalls, Feder des Gesetzgebers, gewandelte Umst�nde ...

*XIV-34*
Der Richter hat nicht nur festzustellen, ob ein Angeklagter bestimmte Normen verletzt hat, sondern auch, ob er schuldig ist, und welches Strafma� im Einzelfall angemessen ist (im Rahmen des meist vorgeschriebenen Spielraums).

*XIV-35*
MachtVerhältnisse lassen sich in keinem Normsetzungsverfahren vollst�ndig eliminieren, denn jeder Mensch - auch der normsetzende - ist in seinem Wohlergehen von anderen abh�ngig. Das macht ihn sanktionierbar. Allerdings gibt es Methoden zur Verringerung der Abh�ngigkeit vom M�chtigen: zum Beispiel Geheimhaltung, Immunit�t, Ablehnung bei Befangenheit, Strafandrohung für Sanktionsversuche etc.

*XIV-36*
(Zitat aus Hans ALBERT): "Wenn jemand berichtet, was er beobachtet hat, und Behauptungen aufstellt, wie sich ein Vorgang - etwa das Brutverhalten eines Vogels - zugetragen hat, so ist die Begr�ndung für seine Behauptung nicht nur logischer Natur, der Grund liegt im Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung (und für andere erfordert die übernahme der Behauptung zus�tzlich die Annahme der Glaubw�rdigkeit des Zeugen, also vor allem seine Wahrhaftigkeit)."
Diese empirische Grundlage einer Behauptung muss jedoch keineswegs hei�en, dass die Wiedergabe der Beobachtung zu unbezweifelbaren Behauptungen f�hrt: überinterpretationen, Ph�nomendeutungen, Sinnest�uschungen, Ged�chtnisl�cken und -fehler, selektive Wahrnehmung, Defekte der Sinnesorgane, perspektivische Verzerrungen etc. sind vor Gericht bei Zeugenaussagen immer als M�glichkeiten zu ber�cksichtigen. Deshalb bildet die individuelle Wahrnehmung keine absolute Wahrheitsquelle. (Hinzu kommen Probleme bei der Benutzung spezieller Beobachtungsinstrumente wie Fernrohr, Mikroskop oder ähnliches, deren Resultate nur durch bestimmte optische Theorien interpretierbar sind).

*XIV-37*
Aber muss man deshalb die "Idee der Begr�ndung" aufgeben? Das Bild, das POPPER in Bezug auf das Problem der empirischen Basis gegeben hat, n�mlich dass wir "Pf�hle in den Sumpf treiben", bedeutet, dass es um Begr�ndung, Fundierung, Grundlegung oder ähnliches geht, und ALBERT verwendet für seine Position ähnliche Ausdr�cke.

Was bleibt dann von "einer der für das moderne Denken folgenreichsten Entdeckungen" wie ALBERT schreibt (siehe oben) ; dass man alle Behauptungen für m�gliche Kritik und Gegenargumente offen h�lt? Wer wollte das ablehnen? Auf jeden Fall schlie�t eine Wahrheitskonzeption, die auf dem Prinzip der argumentativen Konsensf�higkeit beruht, diese Offenheit für Kritik nicht aus � im Gegenteil: der Diskurs über eine bestimmte Behauptung ist nicht definitiv abschlie�bar, selbst nicht bei Erzielung eines faktischen Konsens, denn es können jederzeit neue Gegenargumente auftauchen, sei es dass neue Antwortm�glichkeiten, neue Beobachtungen, neue logische Verbindungen, neue Begriffe etc. entstehen.

*XIV-38*
Durch die Bindung der Wahrheit von Behauptungen an die universale Konsensf�higkeit ist ausgeschlossen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die Wahrheit einer Behauptung definitiv festgestellt werden kann, also "unumst��lich", "unbezweifelbar", ein für alle Mal, endg�ltig und wie die Formulierung bei Albert auch immer lauten. Universal hei�t: auch für Individuen geltend, die gegenw�rtig am Diskurs gar nicht teilgenommen haben bzw. für ver�nderte Individuen, die eine Entwicklung vollzogen haben. Es kann nicht prinzipiell ausgeschlossen werden, dass ein heute faktisch erzielter Konsens zwischen bestimmten Individuen morgen durch neue Argumente infrage gestellt wird.

*XIV-39*
W�hrend Gewissheit von Behauptungen auf das Individuum bezogen ist, ist der Wahrheitsbegriff der Diskurstheorie auf Intersubjektivit�t bezogen. (Allerdings ist der Wunsch, sich m�glichst nicht zu irren, mit dem Wunsch, zu einem argumentativen Konsens zu kommen, unter der Voraussetzung identisch, dass das, was für den Einen einen Irrtum darstellt, dieses zugleich auch für den Andern tut, dass also eine gemeinsame Wirklichkeit für alle Individuen existiert.)

*XIV-40*
Eine Frage ist es, ob das Intersubjektivit�tsprinzip fordert, selber unbezweifelbar zu sein.

*XIV-41*
Die Rhetorik ist eine technische Disziplin, insofern als sie einen bestimmten Erfolg anstrebt, n�mlich die Annahme der Position des Redners durch die Zuh�rer. Die Regeln der Rhetorik sind insofern Klugheitsregeln, Regeln zur Erreichung eines subjektiv gesetzten Zweckes, jedoch keine methodologischen Regeln, also Regeln der Erkenntnisgewinnung bzw. der Argumentation.

*XIV-42*
In ähnlicher Weise ist die Dialektik eine technische Disziplin n�mlich die Kunst, ein Streitgespr�ch so zu f�hren, dass man die eigene Position verteidigt und den Gegner in Widerspr�che verwickelt. Allerdings ist hier der Bezug zur Methodologie enger, denn diese legt ja fest, was haltbare Argumente sind und was nicht. Einmal die klassischen Texte zur Rhetorik, Dialektik, Topik etc. darauf durchsehen, ob sie auch methodologische(und nicht nur strategische) Elemente enthalten.

*XIV-43*
Das Gebot der Verst�ndlichkeit kann mit anderen Zielen in Konflikt kommen, z. B. der begrenzten verf�gbaren Zeit. Da m�ssen dann Kompromisse zwischen Verst�ndlichkeit und K�rze der Darstellung gemacht werden. Wie ist es mit Beschr�nkungen, die sich aus beschr�nkten F�higkeiten des Denkens und des Ged�chtnisses der Zuh�rer für die Argumentation ergeben: Ziele der einfachen und einpr�gsamen Darstellung?

*XIV-44*
Terminologisches: Der Begriff Diskurs wird leider zu einem viel gebrauchten Modewort, etwa im Sinne von 'Fach, 'Disziplin'. Vielleicht ist es besser statt von 'Diskurs' von 'Disput' oder 'Streitgespr�ch' zu sprechen.

*XIV-45*
Man kann das Intersubjektivit�tsprinzip � die Forderung nach argumentative Konsensf�higkeit � nicht "bestreiten", denn das impliziert bereits den Anspruch argumentativer Konsensf�higkeit. Oder anders ausgedr�ckt: Man kann nicht gegen das Argumentationsprinzip argumentieren". Allerdings kann man diesem Prinzip entgegen handeln und mit blo�en Glaubensforderungen operieren.

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[ab hier zu KRIELE]

*XIV-46*
Martin KRIELE: Theorie der Rechtsgewinnung. Berlin 1977, besch�ftigt sich mit den Methoden der Verfassungsinterpretation. Er will die Vernunft aufdecken, die bereits in der richterlichen Praxis steckt.

K. betont die Unm�glichkeit bzw. Nicht-Praktizierbarkeit einer Gesetzgebung, die für jeden Einzelfall einen geeigneten Obersatz bereitstellt, unter den der Richter nur noch zu subsummieren h�tte. (Kriele 1977, Seite 51 / Im Folgenden = K.51) Er f�hrt allerdings nicht aus, warum eine solche Kodifikation utopisch ist. Er nennt jedoch zahlreiche Fragen, die im Grundgesetz nicht explizit geregelt sind.

K.s Fazit: "Wie immer der juristische Denkprozess methodisiert werden kann, eines ist offensichtlich: die M�glichkeit widersprechender Ergebnisse wird sich in der Regel nicht ausschlie�en lassen (K.53)."

"Die positive Rechtsordnung setzt deshalb überall voraus, dass nicht nur eine, sondern mehrere juristische Entscheidungsm�glichkeiten bestehen. � Die Frage ist, wie es trotzdem eine rationale juristische Methode geben kann." (K.54)

K. schreibt in der Kritik des Subsumtionspositivismus, der jenseits der logischen Subsumtion nur Willk�r am Werke sieht (K.54, Fu�note 14):
"Es dr�ngt sich auf, dass man es hier mit der speziellen Variante einer die ganze abendl�ndische Geistesgeschichte durchziehenden Grundsatzkontroverse zu tun hat. Sie ist gekennzeichnet durch Schlagw�rter und Namen wie Dezisionismus und Rationalismus, Hobbes und Locke, autorit�re Entscheidung und parlamentarische Diskussion, Verstand und Vernunft, Wissenschaft und Weisheit, Sophisten und Aristoteles, Voluntarismus und Intellektualismus.

Die gro�e theologisch-philosophische Kontroverse um die Frage, ob etwas nur deshalb gut ist, weil Gott es will, oder ob Gott es will, weil es gut ist, hat letztlich zum Gegenstand die vern�nftige Einsetzbarkeit des Guten, und dem entspricht auf s�kular-juristischer Ebene die Frage, ob es eine der rationalen Argumentation zug�ngliche Rechtsvernunft gibt."

K. beansprucht für die Resultate juristischer Interpretation nur "Plausibilit�t bzw. die Feststellung unterschiedlicher Grade von Plausibilit�t, mehr sei nicht erreichbar in einem "Gebiet, in dem die Zweckm��igkeit menschlichen Tuns er�rtert wird. (K.55, Fn.15)

Viele soziale Institutionen sind multifunktional. Deshalb ist Vorsicht bei ihrer Ersetzung durch andere Institutionen geboten, wenn man diese �nderung nur unter einem Gesichtspunkt bedenkt.

K. betont, dass es in der Rechtsprechung gewähnlich nicht nur d i e richtige Entscheidung gibt, sondern eine Mehrzahl von "juristisch vertretbaren" Entscheidungen bzw. Argumenten. Auch die Eingrenzung eines solchen Bereichs sei bereits ein Gewinn der juristischen Methodenlehre.

K. unterscheidet Rechtsetzungspr�rogative und Rechtsetzungsmonopol des Gesetzgebers. "In der Geschichte des Rechts galt � immer die Rechtsetzungspr�rogative des Gesetzgebers. Wenn der Gesetzgeber eine Rechtsmaterie autoritativ entschied, so war der Richter daran gebunden.
Soweit jedoch der Gesetzgeber von seiner Pr�rogative keinen Gebrauch machte, fand oder schuf der Richter das traditionell, gewohnheitsrechtlich, naturrechtlich oder wie sonst immer verstandene Recht."

"Das Rechtsmonopol setzt, um überhaupt diskutabel zu sein, eine Kodifikation voraus die ...
1. l�ckenlos ist,
2. dauerhaft ist, auch über sich wandelnde Verhältnisse hinweg, und
3. in allen Teilen klar und eindeutig ist.
H�chstens einzelne gelegentlich auftauchende L�cken und Interpretationsbed�rftigkeiten kann man in Kauf nehmen, n�mlich gerade so viele, dass der Gesetzgeber zu ihrer Beseitigung � die er sich vorbehalten hat � in der Lage bleibt."
K. kritisiert den Begriff der Gesetzesl�cke. "In Wirklichkeit ist die L�cke die Regel" (K.63).

Zu Savignys Lehre von der 'Gesetzesauslegung'. Danach ist Auslegung die Rekonstruktion des dem Gesetz innewohnenden Gedankens, die sich in vier zusammenwirkenden Elementen � den grammatischen, logischen, historischen und systematischen �� vollzieht." (K.67)

"Die Interpretationsbed�rftigkeit eines Textes ist � nicht schlechthin eine Folge seiner fehlenden Eindeutigkeit. Vielmehr liegt es umgekehrt: die Eindeutigkeit oder Mehrdeutigkeit eines Textes h�ngt oft nur von seiner Interpretationsbed�rftigkeit ab. Ob ein Text aber interpretationsbed�rftig ist oder nicht, zeigt sich erst angesichts konkreter Probleme und h�ngt davon ab, ob die Interpretation eine rechtfertigungsf�hige Entscheidung erlaubt." (K.220)

Zur Begr�ndung für die Orientierung an Pr�judizien: "Die Gr�nde sind n�mlich mit den in diesem Zusammenhang �blicherweise angegebenen Stichworten wie 'Rechtssicherheit','Vorhersehbarkeit' keineswegs ersch�pfend gekennzeichnet, ja diese Gesichtspunkte sind noch nicht einmal die wesentlichen. Vielmehr lässt sich die pr�sumtive Verbindlichkeit der Pr�judizien nur in dem Kontext einer vernunftsrechtlichen Theorie begreifen, die gekennzeichnet ist durch die Stichworte: beeintr�chtigte Rationalit�t der vernunftsrechtlichen Argumentation einerseits, Vorl�ufigkeit der selben Argumentation andererseits, Kontroverse und Abschneiden der Kontroverse, Reflexion und Dezision, Fortschritt und Bewahrung, und die "Entlastungsfunktion des Institutionellen." (K.258f.)

K. betont, dass ein Gesetzestext sich nicht interpretieren lässt, "wenn man ihn nicht zu konkreten Rechtsproblemen in Beziehung setzt, ihn gewisserma�en als ein Mittel behandelt, das konkrete Rechtsproblem zu l�sen."

K. wendet sich gegen die Vorstellung der zweistufigen Gesetzesanwendung: "Erst wird der Textsinn gekl�rt, als dann wird das interpretierte Gesetz durch Subsumtion angewendet" (K.160) Ebenso wendet er sich gegen die Freirechtler, die meinten, "Probleml�sung und Legitimierung am Text auseinanderrei�en zu können." Die eigent�mliche Wechselbeziehung zwischen Problem und Vorentscheidungen, das für das juristische Denken kennzeichnende "Hin�und-her�Wandern des Blickes" zwischen Gesetz und Lebenssachverhalt (Engisch) ist von beiden (Schulen) gleicherma�en verkannt worden.

Stadien der Rechtsgewinnung (nach K.162 f.)
1. der juristische Denkprozess beginnt damit, dass in der Erz�hlung eines Lebenssachverhaltes gewisse Tatsachen als rechtlich m�glicherweise erheblich in Betracht gezogen werden.
2. die erste Aufgabe des konsultierten Juristen besteht darin, die m�glicherweise rechtserheblichen Tatsachen in verschiedene denkbare abstrakte Formulierungen zu übersetzen. So genannte 'Normhypothesen'.

K. unterscheidet 3 Normhypothesen:
a.) Verschiedene Tatsachen und Tatsachenkombinationen des Lebenssachverhaltes werden als relevant in Betracht gezogen und durch den hypothetischen Tatbestand bezeichnet.
b.) Dieselben Tatsachen werden mit Begriffen verschiedenen Abstraktionsgrades bezeichnet (z. B. Fischh�ndler, Einzelh�ndler, H�ndler, Kaufmann, Verk�ufer, Vertragspartner usw.).
c.) Demselben Tatbestand werden verschiedene Rechtsfolgen (zum Beispiel Anspruch auf Herausgabe, Unterlassung, Schadensersatz, kein Anspruch) zugeordnet.

3. (der Jurist) geht an die Suche des positiven Rechtssatzes mit der Frage, ob der Rechtssatz die Tatsachen, deren Relevanz er erw�gt, als relevant behandelt.

Die zweite Stufe des Denkprozesses ist von dieser dritten und den folgenden zeitlich nicht scharf getrennt: vielmehr wird der Jurist zun�chst mit ihm nahe liegend erscheinenden Rechtsnormhypothesen an das Gesetz herangehen und diese erst dann, wenn sie sich nicht bew�hren, variieren.

4. findet der Jurist den Rechtssatz (K.192), der einem von ihm formulierten Tatbestand entspricht ... Ist die Anwendbarkeit dieses Rechtssatzes nicht durch eine ihn einschr�nkende st�ndige Rechtsprechung fragw�rdig, so kann er ohne weiteres subsumieren. Das ist der Idealfall des Kodifikationssystems und der einzige Fall, mit dem der Subsumtionspositivismus und das Verfassungsmodell der rechtsetzenden und rechtsanwendenden Gewalt strikt trennenden Gesetzesstaates rechnen. In der Praxis ist es allerdings nur ein Grenzfall, der zwar keineswegs selten auftritt, aber doch nicht die Regel bildet. � Dort, wo diese (Rechts-, Gesetzes-)Begriffe einen hohen Abstraktionsgrad besitzen, ... ist auch besonders viel Raum für judizielle Rechtsentwicklung.
5. findet der Jurist keinen Rechtssatz, der der von ihm formulierten Normhypothese genau entspr�che, wohl aber entweder ähnliche Rechtss�tze oder aber allgemein gehaltene Klauseln, die sich unter Umst�nden so zurechtinterpretieren lassen, dass sie die Normhypothese umgreifen, so geht die Frage dahin, ob die positive Rechtsordnung die Normhypothese einschlie�t oder ausschlie�t. Um die Frage zu klären, orientiert sich der Jurist zun�chst ... über die einschl�gigen vor allem h�chstrichterliche Pr�judizien." (K.164)
 
Die rechtspolitische Argumentation ist nach K. nicht unabh�ngig vom vorgegebenen Recht: "Da unm�glich alles Recht auf einmal zur Debatte stehen kann, bezieht sie sich nur auf einzelne Verfassungsartikel, Gesetze, Institutionen, allenfalls auf Kodifikationen eines ganzen Rechtsgebietes:  immer aber jedenfalls geht sie von einer vorgegebenen Gesamtordnung aus, in die sich auch das neu zu setzende Recht einf�gen soll" (K.177)

"Sobald ein rechtspolitischer Vorschlag einerseits bestritten oder infrage gestellt und andererseits verteidigt wird, wird die Frage relevant, wohin die Setzung der strittigen Norm f�hren w�rde. � Fragt man: 'Wird die Norm die und die Konsequenzen haben?', so wagt man Voraussagen über zuk�nftige Entwicklungen. Soweit es sich dabei um Aussagen über voraussichtliche wirtschaftliche, politische, soziale Konsequenzen der Norm handelt, bewegt sich die Argumentation in einem Bereich, der wenigstens im Prinzip der Empirie zug�nglich ist. Fragt man: 'Kommt es darauf an, ob die Norm die behaupteten Konsequenzen haben wird ...?' so entsteht das Problem, die normative Relevanz zu rechtfertigen. Das kann man wiederum nur tun, indem man zeigt, wohin es f�hren w�rde, wenn man die strittige Frage nicht als relevant behandelte: man kommt also wiederum zu Voraussetzungen über k�nftige Entwicklungen, mit denselben Chancen der Rationalit�t. ...

Theoretisch lässt sich denken, dass diese Kette von Fragen und Antworten unendlich fortgesetzt werden k�nnte. Praktisch aber endet sie da, wo man sich über die W�nschbarkeit oder Verwerflichkeit einig wird und deshalb nicht mehr weiter fragt. Einigkeit über die Relevanz der Interessen stellt sich einmal dann her, wenn es sich um gemeinsame Interessen handelt und wo man sich dessen bewusst geworden ist. Unter diesen Umst�nden ist es sinnlos, noch weiter zu fragen.

Zum andern lässt sich auch da, wo es sich um Gruppen- oder Einzelinteressen handelt, Einigkeit erzielen. Praktisch werden solche Interessen n�mlich dann als relevant anerkannt, wenn sie eindeutig fundamentaler sind als alle anderen auf dem Spiele stehenden Interessen" (über dieses Prinzip und seine relative Rationalit�t (K., Kriterien der Gerechtigkeit, 72 f.)

"Sehr oft ist die Abw�gung unter den Gesichtspunkt des fundamentaleren Interesses nicht richtig. Meist handelt es sich bei der Befriedigung von Gruppeninteressen insofern um gemeinsame Interesse, als sich bei Betrachtung auf weite Sicht ein gemeinsames Interesse an der artikulierten Rechtsnorm aufweisen lässt. Die Anwendung der Maxime, die jetzt dem einen zugute kommt, kann bei anderer Gelegenheit auch einmal dem anderen zukommen. Dieser Gesichtspunkt wird noch gravierender, wenn es sich nicht um individuelle sondern um Gruppen- oder Institutionsinteressen handelt, weil n�mlich die Solidarit�t mit der Gruppe oder Institution die langfristige Betrachtungsweise in Zeitr�umen, die die Lebensdauer des Menschen überdauern, erstreckt. ...

Unter gewissen Voraussetzungen gen�gt schon der Umstand, Familienvater, Parteig�nger, Patriot oder 'klassenbewusst' zu sein, um sich in dieser Weise mit den k�nftigen Generationen zu solidarisieren und so an einer Rechtsmaxime Interesse zu gewinnen. Allerdings wirken derartige langfristige Interessenerw�gungen in der Regel nur, wenn die M�glichkeit, dass man selbst oder die eigene Gruppe betroffen wird, nicht nur abstrakt denkbar ist, sondern wenn sie angesichts konkreter Umst�nde ernstlich in Betracht gezogen werden muss .� Immerhin aber gibt es gro�e Gruppen von Menschen, die sich mit den Leidenden und Verfolgten ohne jede R�cksicht auf das Eigeninteresse solidarisieren und die sich deshalb für Gerechtigkeit, d. h. für unparteiliche Bevorzugung des jeweils fundamentaleren Interesses einsetzen." (K.281)

K.s "Prinzip der unparteilichen Abw�gung unter dem Gesichtspunkt des fundamentaleren Interesses" �hnelt dem Solidarit�tsprinzip.

"Faktoren, die die Rationalit�t beeintr�chtigen und die man realistischerweise in Rechnung stellen muss. Es ist die Unvollst�ndigkeit und Ungewissheit der rechts- und verfassungspolitischen Argumente, die gesetzgeberische und gerichtliche Entscheidungen n�tig machen. Das juristische Denken ist also gerade durch diese Spannung von Rationalit�t einerseits und Entscheidungsbed�rftigkeit andererseits gekennzeichnet." (K.187)

Nur diese doppelte Einsicht also einerseits in die Rationalit�t der Argumente, andererseits die Vorl�ufigkeit derselben Argumente erschlie�t das Verständnis für den geschichtlichen Prozess der Rechtsfortschritte und damit für die Methode juristischer Interpretation. ... Es ist ein Prozess des immer fortdauernden Wechsels von kontroverser Reflexion und Dezision." (K.192)
(Es folgen weitere Ausf�hrungen K.s zur Notwendigkeit von Dezisionen sowie ihrer inhaltlichen Korrekturbed�rftigkeit. Hier bezieht sich K. auf L�bbe: Zur Theorie der Entscheidung.)

Nach K. schneidet die Entscheidung eine Kontroverse ab, die innerhalb der Entscheidungsfrist deshalb nicht ausgetragen werden kann, weil ihren Argumenten nur (K.194) Plausibilit�t aber keine Gewissheit zukommt.

Juristische und politische Argumentation unterscheiden sich durch diese Verbindlichkeit (der Entscheidung der rechtsetzenden Gewalt) und nicht durch irgendetwas anderes (K.195)

Terminologisches: K. will für Normen nicht das Attribut "wahr" sondern "vern�nftig" gebrauchen und "wahr - falsch" für Sachverhalte reservieren.

(Ende Heft XIV)
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