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Notizbuch VII

Heft VII
beendet am 07.03.1976

Vorbemerkung: Die folgendenTexte aus meinen Notizb�chern habe ich urspr�nglich nicht für die Ver�ffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorl�ufigen Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T. grundlegender überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt und begr�ndet.
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*VII-1*

Zum Begriff der M�glichkeit: 
Was ist einem Individuum m�glich? Einem einzelnen Individuum kann es z.B. unm�glich sein, mit eigenen Kr�ften einen schweren Stein zu entfernen. Nun bittet es andere Individuen um Hilfe (oder motiviert sie anderweitig zum Helfen, z. B. durch Drohungen). Gemeinsam wird der Stein entfernt. War es dem Individuum doch m�glich, den Stein zu entfernen, weil es ihm m�glich war, weitere Ressourcen zu mobilisieren?


*VII-2*

Gegen die Entschuldigung bei einer Normverletzung, dass es nicht anders m�glich war, als so zu handeln, wie man es getan hat, kommt im Alltag oft das Gegenargument: "Du hast es ja gar nicht versucht". Diesem Einwand wird durch die Versicherung begegnet: "Ich habe nichts unversucht gelassen."


*VII-3*

Delegation
Wenn eine dazu befugte Autorit�t einer untergeordneten Autorit�t die Befugnis erteilt, für einen bestimmten Bereich Normen zu setzen, so haben diese Normen die gleiche Legitimation als seien sie direkt von der h�heren Autorit�t gesetzt worden.
Solche Befugniserteilungen (Kompetenzerteilungen, Erm�chtigungen) stellen keine deduktive Folgebeziehung von Normen dar. Deshalb folgt aus der G�ltigkeit der Befugniserteilung die G�ltigkeit der einzelnen Normen, die die untergeordnete Autorit�t setzt.
Folgt daraus ihre Verbindlichkeit für das Handeln? können ung�ltige Normen für mein Handeln verbindlich sein?

*VII-4*

G�ltigkeit - Verbindlichkeit

Wenn existierende Normen für das Handeln nicht verbindlich sind, so besteht in diesem Bereich ein Konflikt im praktischen Handeln. Da die Bestrafung wegen der Verletzung einer nicht-verbindlichen Norm als ungerechtfertigt anzusehen ist, weitet sich der Konflikt mit der sanktionierenden Instanz aus, d.h. es kommt zu einem Konflikt mit der Zentralgewalt. (Es sei denn, es werden Strategien des bewusst begrenzten Konfliktes verfolgt, indem man sich ausdr�cklich auch gegen eine als ungerechtfertigt angesehene Bestrafung nicht wehrt und sich hier auch nicht einer Sanktionierung zu entziehen versucht. Solche konfliktbegrenzenden Strategien hat es in B�rgerrechtsbewegungen gegeben.)
Wenn die Norm zwar als ung�ltig aber trotzdem als handlungsverbindlich angesehen wird, findet der Konflikt nur theoretisch statt, auf argumentativer Ebene. d.h. der Friede ist erhalten. Rechtssysteme wie Verfassungen sind meist so konstruiert, dass jeder m�gliche Konflikt auf der Handlungsebene sowie die Entscheidung durch unnormierte Machtanwendung vermieden wird. Kelsen vertritt die Auffassung, dass Recht den Frieden (und nicht die Gerechtigkeit) sichern soll. (In Amerika spricht man auch vom "Friedensrichter".)


*VII-5*

Rechtfertigung des B�rgerkriegs
Selbst wenn ein Normensystem seine Legitimation verloren hat, wenn es also selber keine Gr�nde seiner Befolgung mehr enth�lt, so kann es doch andere Gr�nde für seine Befolgung geben, etwa moralische Bedenken gegenüber den Opfern eines dadurch entfachten B�rgerkrieges oder partikulare Klugheitserw�gungen bez�glich des Kr�fteVerhältnisses und der zu erwartenden eigenen Niederlage.


*VII-6*

Vorl�ufige Entscheidung über G�ltigkeit
Das Besondere an Rechtsnormen ist, dass st�ndig definitiv darüber entschieden werden muss, welche Norm Geltung besitzen soll (in welchen Sinn eine Norm interpretiert werden soll, d.h. welche Varianten einer Norm Geltung besitzen sollen.) Hierfür muss es einen definitiven Entscheidungsmechanismus geben, denn irgendwelche Normen m�ssen ja auf das konfligierende Handeln angewandt werden, wenn der Konflikt entschieden werden soll.
Auch für empirische Theorien ist ein solcher Entscheidungsmechanismus notwendig, wenn Handlungszwang besteht. Dann muss auch ein Entscheidungsmechanismus institutionaliaiert sein, der aus den vertretbaren Theorien eine Theorie heraussucht, die zur Grundlage des Handelns gemacht wird.
Da Wissenschaft normalerweise handlungsfern betrieben wird, kann man sich endlos über die Wahrheit alternativer Theorien ohne definitive Entscheidung streiten. Man muss ja nicht handeln.


*VII-7*

Methodologie
Methodologische Normen sind Argumentationsregeln im Unterscgied zu inhaltlichen Normen, die Handeln regeln. Argumentationsregeln gelten nur unter der Bedingung, dass jemand Allgemeing�ltigkeit beansprucht und dies strittig ist.


*VII-8*

Logische Ebenen: normativ und faktisch
Geht man bei der Bestimmung von Normen von individuellen Willens�u�erungen oder von empirischen Aussagen über Willens�u�erungen aus? Von Letzteren kann man nur zu �u�erungen über den kollektiven Willen gelangen aber nicht zu kollektiven Willens�u�erungen. Beide Ebenen m�ssen deutlich unterschieden werden.


*VII-9*

B�ndelung von Entscheidungen, Pr�ferenzintensit�t, Stimmentausch
Spielt die Ber�cksichtigung von Pr�ferenzintensit�ten  nur für den interpersonalen Nutzenvergleich eine Rolle oder auch für den intrapersonalen Nutzenvergleich? Angenommen ein Individuum A hat einmal zwischen den Alternativen w und x und bei einem anderen Problem zwischen den Alternativen y und z zu entscheiden. A hat die Pr�ferenzrangfolgen w < x und y<z. Allerdings zieht es w gegenüber x nur mit schwacher Intensit�t vor, d.h. es ist nahezu indifferent, w�hred es y gegenüber z mit sehr gro�er Intensit�t vorzieht. Vor die Wahl zwischen den alternativen B�ndeln (x+y) oder (w+z) gestellt, w�rde es folglich das B�ndel (x+y) w�hlen, denn x ist beinahe so gut wie w und y ist sehr viel besser als z (bei Abnahme der Unabh�ngigkeit der Nutzen). Die Pr�ferenzintensit�t spielt also auch für die individuelle Entscheidung eine Rolle, sofern man eine Entscheidung als aus Teilentscheidungen zusammengesetzt betrachtet.
Dies bekommt Bedeutung beim Stimmentausch, wo unter den Bedingungen des Mehrheitsprinzips eine Ber�cksichtigung von unterschiedlichen Pr�ferenzintensit�ten der Individuen in Bezug auf verschiedene Entscheidungen, Wahlabsprachen, Koalitionen et cetera stattfinden. (W�rde das gleiche Ergebnis erzielt, wenn man die Entscheidungen entsprechend b�ndeln w�rde?)


*VII-10*

Nutzeninterdependenz, Alternativen
Was hei�t eigentlich: Entscheidung zwischen Alternativen? Zu jedem Zustand der Welt lassen sich doch unendlich viele Alternativen formulieren, aber im allgemeinen werden die Entscheidung zu einzelnen Punkten getrennt voneinander durchgef�hrt, d.h. die anderen Bedingungen werden konstant gehalten und es werden nur Variationen einer Dimension betrachtet, zum Beispiel alternative Formulierungen zum � 218 BGB. Man stimmt nicht zwischen den Alternativen (Fristenregelung + Steuerreform) oder (Indikationsregelung+Mietgesetz) ab, obwohl dies auch Alternativen wären. Dies macht man h�chstens bei starken Nutzeninterdependenzen, die die Entscheidung über ein ganzes Paket aufeinander abgestimmter Ma�nahmen sinnvoll machen. Im allgemeinen vernachl�ssigt man Nutzeninterdependenzen.) Wenn keine Nutzeninterdependenzen existieren, kann man über die einzelnen Dimensionen unabh�ngig voneinander entscheiden.


*VII-11*

Pr�ferenzintensit�t
"Pr�ferenzintensit�t" kann als ein psychologischer Begriff missverstanden werden (St�rke eines Begehrens) , ähnlich wie im klassischen Utilitarismus der Begriff "Nutzen" psychologisch verstanden wurde als "pleasure", als "Gl�cksgef�hl".


*VII-12*

Delegation von Kompetenzen
Die Delegation von Entscheidungsvollmachten besteht in der Auswahl eines geeigneten Kondidaten für eine Position. Mit dieser Wahl werden unbegrenzt viele Entscheidungen des Positionsinhabers erm�glicht. Die Delegation kann in mehreren Stufen erfolgen. Die Rechtfertigung eines sochen Stufenbaus der Verantwortlichkeiten und Zust�ndigkeiten liegt in der begrenzten F�higkeit von Menschen, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten in den Vorteilen der Arbeitsteilung, die Spezialisierung und Rationalisierung erm�glicht.


*VII-13*

Ideale, Interessen
Sind "Ideale" eigenst�ndige Gebilde gegenüber den "Interessen", wie Hare meint? Die Ideale eines Menschen scheinen nicht an dessen Eigeninteresse gebunden zu sein. Aber wahrscheinlich handelt es sich hier nur um die entfremdete Form, in der Interessen sich verdreht artikulieren. Ideale wären unter dem Gesichtspunkt "unqualifizierte Interessenartikulation" zu diskutieren, die zu wahnhaften und zwanghaften Vorstellungen der wirklichen und der idealen Welt f�hren kann. Die Ideale kann man nur dann neben den Interessen ber�cksichtigen, wenn sie bereits gem�� dem Solidarit�tsprinzip erfasst werden. Dann m�ssen sie sich aber auch argumentativ rechtfertigen lassen und können nicht als fester Betrag in die Abw�gungen eingehen.


*VII-14*

Dynamische Betrachtung
Die normative Problematik dynamisch betrachten. Nicht nur vom gegebenen Alternativenbereich, gegebenem Qualifikationsstand der Pr�ferenzen, gegebener Motivation zu normgerechtem Verhalten et cetera ausgehen, sondern auch die erreichbaren Verbesserungen mit einbeziehen, Wissenserweiterungen, Lernprozesse der Individuen et cetera. Zum Beispiel kann man demokratische Verfahrensweisen selbst bei mangelhaften Resultaten u.U. damit rechtfertigen, dass durch ihre Praktizierung die Individuen m�ndiger werden.


*VII-15*

Grenzen der "fürsorglichen" Herrschaft
Die Selbstst�ndigkeit, der Wunsch selber über die eigenen Angelegenheiten zu entscheiden (Freiheit) kann für die Individuen ein Wert sein. Dieser Wert kann durch fürsorgliche Herrschaft nicht realisiert werden, h�chstens durch deren Selbstbeendigung.


*VII-16*

Unterscheidung der Ebenen / Neutralit�tsbedingung
Zur Neutralit�tsbedingung Mays (Keine Alternative darf diskriminiert werden). Angenommen es geht um die Entscheidung zwischen den Alternativen x (Bau eines neuen Flughafens) und y (Kein Bau eines neuen Flughafens). 2/3 aller Individuen ziehen x vor.

In einem andern Fall geht es um die Entscheidung zwischen den Alternativen z (Einf�hrung eines Verbots, die Regierungspolitik zu kritisieren) und w (Keine Einf�hrung eines solchen Verbotes). Ebenfalls 2/3 der Individuen ziehen z vor.
Gem�� der Neutralit�tsbedingung muss eine akzeptable kollektive Entscheidungsregel x und y in dieselbe Rangfolge bringen wie z und w. Nach dem Mehrheitsprinzip, das die Neutralit�tsbedingung erf�llt, w�rde x gegenüber y und z gegenüber w sozial vorgezogen. Aber die Alternative z ist keine zul�ssige Alternative.


*VII-17*

"Terminologisches: "Vernunft"
Im Englischen fallen die Ausdr�cke für "Vernunft" und "Begr�ndung" in dem Begriff "reason" zusammen. "reasonable" bedeutet "vern�nftig" und "begr�ndbar". Aber was hei�t genau "begr�nden"? Begr�nden tut man immer nur etwas, was angezweifelt wird. Abgesehen vom Fall des Selbstzweifels ist Begr�ndung immer ein Vorgang zwischen verschiedenen Subjekten.


*VII-18*

Entscheidungsregeln / Entscheidungsverfahren
Die Unterschiede herausarbeiten zwischen einer kollektiven Entscheidungsregel und anderen Verfahren, die Entscheidung produzieren. Bei Arrow oder Sen ist die "Collective Choice Rule" so definiert, dass sie eine eindeutige Beziehung zwischen individuellen Pr�ferenzen und kollektiven Pr�ferenzen herstellt. Dies wäre zum Beispiel nicht der Fall bei einem Entscheidungsverfahren, das auf Zufallsmechanismen beruht, zum Beispiel W�rfeln, oder das auf St�rkevergleichen beruht, zum Beispiel Duellieren. Die Frage ist, ob der Markt ein solcher Mechanismus ist, wie Arrow behauptet und Buchanan und Mackscheidt bestreiten. Wie ist es mit bestimmten Spielen, die nach Regeln stattfinden und wo Gl�ck, strategische F�higkeiten oder individuelle Pr�ferenzen gemischt die Entscheidung über den Spielausgang bestimmen?


*VII-19*

Vorteile genereller Regeln
Warum sind generelle Regeln notwendig, warum beschr�nkt man sich nicht auf singul�re Vorschriften?
Mit singul�ren Vorschriften k�nnte man nur sehr umst�ndlich festlegen, wie sich jemand zuk�nftig verhalten soll.Man m�sste unmittelbar befehlen:"Jetzt tue x! Jetzt tue y!".
In ähnlicher Weise k�nnte man ohne verallgemeinernde empirische Aussagen nur sehr umst�ndlich ausdr�cken, was in der Zukunft passieren wird. Man k�nnte nur prophezeihen: "Jetzt passiert x. Jetzt passiert y".
für Vorhersagen und Erkl�rungen braucht man allgemeine Aussagen der Form: "Immer dann, wenn x existiert, dann existiert auch y". für Normen gilt entsprechend: "Immer dann, wenn x existiert, dann tue y!" (?)


*VII-20*

Was sind die "Variablen" der Normenlogik, "Zust�nde" oder "Handlungen"?


*VII-21*

Abstimmungsregel: Mehrheitsprinzip
Nach dem einfachen Mehrheitsprinzip m�ssen eigentlich s�mtliche Alternativen paarweise abgestimmt werden. Hier können sich dann intransitive kollektive Rangfolgen ergeben. Normalerweise wird nicht paarweise abgestimmt, weil das bei einer gr��eren Zahl von Alternativen zu sehr vielen Abstimmungen f�hren w�rde.


*VII-22*

Zum Solidarit�tsprinzip
Ein wichtiges Problem: Kann man das Solidarit�tsprinzip pr�zisieren und operationalisieren? Welche Bedingungen ergeben sich daraus? In welchem Verhältnis stehen diese zueinander? Dies Problem vorrangig behandeln.

A und B steigen in den Bus. Es ist noch ein Sitzplatz frei. A ist gesund, B hat eine Beinprothese. Wer soll sich setzen d�rfen? Beide ziehen "Sitzen" gegenüber "Stehen" vor. Ordinal betrachtet gilt "x >y" und "y >x" (x = A darf sitzen; y = B darf sitzen). Es g�be also ein Patt.
Nach dem Solidarit�tsprinzip wird nicht verlangt, dass A die Entscheidung so trifft als wäre er an B's Stelle und B so als wäre er an A's Stelle. Das w�rde wiederum ein Patt ergeben. Verlangt wird von A und B, dass sie sich so entscheiden, als seien sie in ihrer eigenen Lage und zugleich in der Lage des anderen. Dadurch wird die Entscheidung auf einen intersubjektiven Nutzenvergleich zur�ckgef�hrt.
Die Frage ist ob diese Bestimmungen festlegen, dass beide Individuen zu der gleichen Entscheidung kommen. Welche Elemente gehen in die Entscheidung der Individuen einen und wie lassen sich diese intersubjektiv nachpr�fbar bestimmen? �u�ere Bedingungen, pers�nliche Bedingungen, Pr�ferenzen, Dringlichkeiten et cetera. Die Letzteren sind nur introspektiv wahrnehmbar. Wie lassen sie sich objektivieren?


*VII-23*

Unaufrichtigkeit von Pr�ferenz�u�erungen
Entscheidungsregeln sind unterschiedlich empfindlich gegenüber unaufrichtiger Pr�ferenzartikulation. Sie geben in unterschiedlichem Ma�e den Individuen Anlass, in der Abstimmung zu ihrem eigenen Vorteil nicht ihre wirklichen Pr�ferenzen zu �u�ern. Wenn man statt des Mehrheitsprinzips zum Beispiel ein Minderheitsprinzip anwenden w�rde, so k�nnten die Individuen die Chancen der von ihnen pr�ferierten Alternative dadurch verbessern, dass sie nicht für sie stimmen. Beim Mehrheitsprinzip gilt dies nicht, denn die Chance für die individuell pr�ferierte Alternative ist dann am gr��ten, wenn man diese Pr�ferenz auch bei der Abstimmung ausdr�ckt.
Dies �ndert sich allerdings, wenn mehr als zwei Alternativen zur Entscheidung stehen, denn dann kann jemand, dessen eigentlich pr�ferierte Alternative aussichtslos ist, für eine andere aussichtsreiche Alternative stimmen, um Schlimmeres zu verh�ten. Er w�hlt dann das kleinere �bel.


*VII-24*

Mehrheitsprinzip: Simultanabstimmung
Meist werden verschiedene Alternativen gleichzeitig zur Wahl gestellt und diejenige mit den meisten Stimmen gilt als kollektiv gew�hlt. Dabei tritt allerdings das Problem auf, dass es im Nachhinein für einige Individuen rationaler gewesen wäre, die von ihnen am meisten bevorzugte Alternative zur�ckzuziehen bzw. nicht für sie zu stimmen, weil sie aussichtslos war. Die rationale Koalitionsbildung muss also bereits vorher erfolgt sein, d.h. jedes Individuum muss die Erfolgschancen der Alternativen im Voraus absch�tzen können.
Dies Problem kann allerdings dadurch gemildert werden, dass man ein zweistufiges System wie im Parlamentarismus hat,wo die Koalitionsbildung auch noch auf der zweiten Stufe erfolgen kann. ähnliche Wirkung hat die Bedingung der absoluten Mehrheit (mehr als 50 Prozent der Individuen.) Aber auch das Prinzip der absoluten Mehrheit wirft Probleme auf, zum Beispiel dass keine solche Mehrheit zu Stande kommt oder dass es verschiedene m�gliche Mehrheiten gibt, so dass Intransitivit�t existiert.


*VII-25*

Umstellungskosten, Intransitivit�t
Was ist an Intransitivit�t problematisch? Die Instabilit�t? Die Willk�rlichkeit? Die Instabilit�t wird in der Realit�t meist durch "Reibung" bzw. Umstellungskosten verhindert (Siehe Winch).


*VII-26*

Solidarit�tsprinzip / teilweise Verletzung
Wenn das Solidarit�tsprinzip in einer Hinsicht verletzt wird, kann es besser sein, es auch noch in anderer Hinsicht zu verletzen. Es gilt also nicht: "Je mehr Teilpostulate erf�llt werden, desto besser". Dies ist ähnlich wie bei der Theorie des Zweitbesten.


*VII-27*

Alternativen / M�glichkeit
Was sind Alternativen? Zust�nde der Welt, die nicht gemeinsam existieren können, sei es weil dies logisch oder empirisch unm�glich ist. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, ob eine Alternative überhaupt realisierbar ist, ob sie überhaupt im Bereich des M�glichen liegt.
(Zum Problem der M�glichkeit mich mit den entsprechenden Untersuchungen der Modallogik befassen.)


*VII-28*

Intersubjektivit�tsgebot / unzul�ssige Pr�ferenzen
Gibt es Pr�ferenzen, die unzul�ssig sind und deswegen bei der Bestimmung des Gesamtinteresses nicht ber�cksichtigt werden d�rfen? Dies w�rde bereits die Bestimmung eines Gesamtinteresses voraussetzen, das auf Basis der individuellen Interessen erst ermittelt werden soll.
Die einzige M�glichkeit wäre es, Pr�ferenzen von den bereits begr�ndeten methologischen Normen her zu kritisieren. können Pr�ferenzen bereits den methodologischen Normen widersprechen? Was ist, wenn jemand die Pr�ferenz �u�ert, alle anderen Individuen mit Gewalt zu unterdr�cken, wenn es also das Intersubjektivit�tsgebot nicht anerkennt und auch gar nicht argumentieren und sich einigen will? Ihm selber ist natürlich die Argumentationsgrundlage entzogen. Drei das Inter Subjektivit�t Gebot nicht anerkennt, braucht sich mit ihm auch braucht man sich mit ihm auch nicht argumentativ auseinander zusetzen. Aber daraus folgt ja noch nicht, dass man nicht auch seine Interessen ber�cksichtigen soll, oder? Wahrscheinlich m�ssen wir zwischen solchen Interessen eines Individuums unterscheiden, die die methodologischen Norm verletzen und solchen Interessen, die dies nicht tun. Nur die Ersteren wären problematisch.


*VII-29*

Tausch und Unaufrichtigkeit der Pr�ferenzen
Inwiefern stellt Unaufrichtigkeit der Pr�ferenz�u�erung beim Tauschprinzip bzw. Vertragssystem ein Problem dar? Hier geht es ja um wechselseitige Leistungen. Man stellt die Nachteile, die man selber auf sich nimmt, m�glichst gro� dar, um den anderen zu h�heren Leistungen zu bewegen. Allerdings hat dies seine Grenze dort, wo der Tausch, der eigentlich vorteilhaft für ein Individuum wäre, durch seine unaufrichtigen Pr�ferenz�u�erungen nicht zu Stande kommt.


*VII-30*

Was entspricht in der Empirie dem Begriffspaar "G�ltigkeit" und "Existenz" von Normen? Ist es "Wahrheit" und "???" von Aussagen? Ist es "fürwahrhalten" oder "Glauben" oder "überzeugung" oder "Bekenntnis zu"? Oder gibt es keine Parallele zwischen Empirie und normativer Theorie?


*VII-31*

Intersubjektivit�tsgebot
Das Intersubjektivit�tsgebot: "Suche nach Normen, deren Existenz gegenüber jedermann argumentativ gerechtfertigt werden kann" ist so wohl nicht korrekt formuliert. Es lohnt sich ja auch, mit jemandem zu diskutieren, der nur negativ den G�ltigkeitsanspruch anderer kritisiert. Auch er hat eine argumentative Position.


*VII-32*

Perspektive / Empirie Normen
In der empirischen Wissenschaft gibt es genau genommen auch die Aufteilung zwischen einem Urteil vom individuellen Standpunkt aus und einem Urteil von einem allgemeinen Standpunkt aus. In der normativen Wissenschaft tritt dies deutlich hervor als Unterschied zwischen Klugheitsregeln und allgemein g�ltigen Normen. Klugheitsregeln ber�cksichtigen nur das Interesse des Handelnden, allgemein g�ltige Normen ber�cksichtigen das Gesamtinteresse.
Ebenso wie verschiedene Individuen unterschiedlich von ihrer Lage aus zu unterschiedlichen Handlungsnormen kommen, ebenso kommen verschiedene Individuen von verschiedenen Perspektiven aus zu unterschiedlichen Wahrnehmungen der Wirklichkeit. Nehmen wir zum Beispiel einen K�rper in der Form eines Quaders. Individuum A sieht ihn von der Stirnseite aus, sieht also nur die kleinere Fl�che. B sieht ihn von der L�ngsseite und sieht eine eine der gr��eren Fl�chen. Beides mal handelt es sich je nach Standpunkt und Perspektive um unterschiedliche Wahrnehmungen und Beobachtungen. Die empirischen Perspektiven spielen allerdings deshalb in der Methodologie keine besondere Rolle, weil es dem Individuum sehr leicht f�llt, die eigene Perspektive zu �ndern, indem es sich bewegt und den K�rper auch aus anderen Perspektiven wahrnimmt aus anderen Perspektiven wahrnimmt. Es kann sehr leicht die Position des anderen einnehmen und ist daran gew�hnt, denselben Gegenstand st�ndig aus verschiedenen Perspektiven zu sehen.
Wie gelangt man zu einer allgemeinen, intersubjektiv übereinstimmenden Ansicht des K�rperss? Man f�gt die verschiedenen Perspektiven zu einem widerspruchsfreien Bild oder besser: Modell zusammen. Dies ist in gewisser Weise auch eine Aggregationsverfahren. Von der L�ngsseitenperspektive sieht man die vier Eckpunkte A B C und D. Von der Stirnseitenperspektive sieht man ebenfalls vier Eckpunkte, zwei davon sind mit den zwei Punkten C und D der L�ngsseitenperspektive identisch. Also sieht man die Eckpunkter C, E, F,D usw. Am Ende stellt man fest,  dass es unter allen eingenommene Perspektiven acht nicht-identische Ecken gibt. Man sagt jetzt unter Abstraktion von jeder Perspektive: "Der K�rper hat acht Ecken. Er ist achteckig.
Wie geschieht die Zusammenfassung der verschiedenen individuellen Standpunkte in der normativen Methodologie?


*VII-33*

Normen und Aussagen
Normen sind Ausdruck des Wollens. Aussagen sind Ausdruck der Wahrnehmung. Dem Willen entsprechen die efferenten Nervenbahnen, der Wahrnehmung die afferenten Nervenbahnen.


*VII-34*

Aussagen über Willens�u�erungen Willens�u�erungen / Norm, Autorit�t
Normen sind Willensausdr�cke, in deren Formulierung das Subjekt des Willens nicht genannt wird. Dies ist bei Imperativen auch normalerweise nicht n�tig, denn zusammen mit dem Imperativ nimmt man ja auch die Quelle, den Urheber, die Autorit�t wahr. Der Befehl: "Komm!" wird in einer bestimmten Situation gegeben, wo Adressat und Urheber der Norm klar sind. Ausf�hrlicher hie�e der Befehl: "Ich will, dass du kommst!" Hier sind Urheberadressat und Willensaspekt genannt, aber handelt es sich wirklich bei dem zweiten Satz um eine Umformulierung des ersten Satzes? Handelt es sich beim zweiten Satz um einen Willensausdruck oder um eine empirische Aussage über einen Willen? Dies wäre noch deutlicher, wenn man den Satz in der dritten Person wiedergibt:" Er will, dass du kommst!". Hier f�llt es schon schwerer, ein Ausrufezeichen ans Ende zu setzen. Allerdings sind die Formulierungen in der ersten und der dritten Person nicht unbedingt analog. natürlich hat jeder Willensausdruck auch ein Element der Mitteilung, denn dem Adressaten muss ja der Wille des Andern mitgeteilt werden, damit er ihn erf�llen kann


*VII-36*

Intersubjektivit�tsgebot
Zur Formulierung des Intersubjektivit�tsgebots:
"Suche nach g�ltigen Normen!"
"Streben nach G�ltigkeit der von dir vertretenen Normen!"
"Versuche, die von dir vertretenen Normen für den anderen nachvollziehbar zu begr�nden!"


*VII-37*

Bedingungen der Argumentation
Was sind die Voraussetzungen normativer Argumentation?
- Die Individuen m�ssen sich sprachlich verstehen;
 -Die Individuen m�ssen die Beantwortung der gleichen Frage versuchen: Ist die Norm x g�ltig?
 -Die Individuen m�ssen über die Beantwortung der Frage verschiedener Meinung sein, d.h. sie m�ssen zur G�ltigkeit der Norm unterschiedliche Positionen vertreten. (Oder gibt es auch die M�glichkeit des nicht engagierten Kritikers, der nur m�gliche Argumente vortr�gt, aber selber keine bestimmte Position vertritt?)


*VII-38*

Universalit�tsanspruch / Wahrheit
Kann man sagen: "für mich ist die Allaussage wahr, selbst wenn sie für dich falsch ist"? Man kann dies als eine Beschreibung des "fürwahr Haltens" verstehen in dem Sinne: "Ich halte die Aussage für wahr, selbst wenn du sie für falsch h�ltst". Dies wirft keine Probleme auf, aber um diese Bedeutung geht es nicht. Es geht darum, ob die S�tze: "Diese Aussage ist wahr" und "Diese Aussage ist falsch" von zwei Individuen sinnvollerweise aufrechterhalten werden können.
"Wahr" ist ein einstelliges Pr�dikat, das sich auf Aussagen bezieht. Es ist nicht zweistellig derart, dass es sich auch auf Individuen bezieht: "Die Aussage x ist wahr für Individuum A" Wenn "wahr" ein zweistelliges Pr�dikat wäre, so k�nnten die S�tze "Die Aussage x ist wahr für A" und "Die Aussage y ist falsch B" gleichzeitig einen Sinn geben ("relative" Wahrheit) Aber dann k�nnte man sich nicht über eine solche relative Wahrheit streiten, so wie man sich über Geschmack nicht sinnvoll streiten kann. für X sind Austern wohlschmeckend, für Y sind Austern unangenehm.

Man kann die Unterschiede nur konstatieren. Um die Wahrheit von Aussagen streitet man sich jedoch. Der Eine meint, die Aussage a sei wahr. Der Andere bestreitet dies und sagt, sie sei falsch. Die Tatsache des Streits besagt, dass beide Parteien davon ausgehen, dass nur einer von beiden Recht haben kann, dass die Aussage entweder wahr oder falsch ist aber nicht beides zugleich. Sonst wäre ja ein Streit deswegen gegenstandslos.

Wenn der Streit zum Beispiel auf einem MissVerständnis beruht, weil beide Individuen nicht dieselbe Aussage meinen, so l�st sich der Streit schnell auf, denn nun widersprechen sich die Positionen nicht mehr. Unter Umst�nden haben beide Recht: "Aussage a1 ist wahr" und "Aussage a2 ist wahr".
Ein Streit muss also zwischen zwei (oder mehr) sich widersprechenden Positionen gef�hrt werden. Wenn man nun argumentiert, so will man, dass die von einem selbst für richtig geachtete Position von anderen übernommen wird.

Es gibt mindestens zwei Leute, die meinen, dass sie Recht haben, wobei ihre Positionen widersprüchlich und nicht miteinander vereinbar sind. Beide bem�hen sich um die Einigung auf eine, die richtige Position (wobei allerdings jeder eine andere Position für die richtige h�lt). Beim Anspruch auf "Wahrheit" ist es das Besondere, dass der Streit argumentativ entschieden werden muss (entschieden werden kann?).


*VII-39*

Normativ-faktische Doppeldeutigkeit
Beispiele für Begriffe, die normativ faktisch doppeldeutig sind: Qualit�t: 1. faktisch im Sinne von eigenschaftsm��ig verschieden, zum Beispiel ein roter und ein gr�ner Ball. 2. normativ im Sinne von "besser" d.h. wenn man Qualit�tsklassen bei Obst unterscheidet- (In der Dialektik wird der Umschlag von Quantit�t in Qualit�t als Entwicklung zum H�heren interpretiert.) (Allerdings können zwei widersprüchliche Aussagen zu einem bestimmten Zeitpunkt "vertretbar" sein.)


*VII-40*

Wahrheit, G�ltigkeit
Empirische Wahrheit: Zustimmung zu der Aussage: "Ich teile diese Vorstellung von der Wirklichkeit."
normative G�ltigkeit: Zustimmung zu der Norm: "Ich teile diessn Wollen in Bezug auf die Wirklichkeit".


*VII-41*

Konsens / G�ltigkeit /.Argument :
Anspruch auf G�ltigkeit:"Diese Norm ist g�ltig" bedeutet u.a.: "Jeder soll dieser Norm zustimmen."
Was ist das Kriterium der G�ltigkeit? "G�ltig" ist ein Pr�dikat, das der Norm zugeschrieben wird. Es ist nicht nur eine Aufforderung, etwas mit der Norm zu tun (ihr zuzustimmen). Das Kriterium ist nicht die faktische Zustimmung der Individuen. Eher schon impliziert das Pr�dikat "g�ltig", dass jeder dieser Norm zustimmen kann, also die M�glichkeit allgemeiner Zustimmung. Aber was hei�t es, dass einem Individuum die Zustimmung zu einer Norm "m�glich" ist? Wenn ich dem andern die Pistole an die Schl�fe halte und ihn frage: "Stimmst du der Norm zu?" und er sagt:"Ja, ich stimme der Norm zu", so hat sich damit die Norm ihm gegenüber als zustimmungsf�hig erwiesen, allerdings in einem offensichtlich nicht gemeinten Sinne. In diesem Sinne ist jede Norm zustimmungsf�hig durch jedes Individuum. Dies h�ngt nicht von den Eigenschaften der Norm ab sondern von den Zwangsumst�nden, unter denen das Individuum die Zustimmung abverlangt wird. Es handelt sich nicht um eine Eigenschaft, mit der man Normen unterscheiden k�nnte. Diese Unterscheidung zwischen g�ltigen und ung�ltigen Normen ist jedoch beabsichtigt.


*VII-42*

Was ist mit der "M�glichkeit der Zustimmung durch ein Individuum" gemeint? Gemeint ist wohl, dass die Zustimmung auf einem bestimmten Wege erreicht werden kann, n�mlich mit den Mitteln der Argumentation. Was sind jedoch Argumente? Nicht alle sprachlichen Mittel sind Argumente. Es gibt zum Beispiel auch verbale Bedrohungen oder Beschimpfungen. Argumente sind "Gr�nde": Der andere soll mittels "Begr�ndungen" zur Zustimmung gebracht werden. Das Motiv seiner Zustimmung zur allein in solchen "Gr�nden" liegen. "Gr�nde" sind dabei intersubjektiv einsehbare Feststellungen d.h. was für Individuum 1 ein Grund ist, muss auch für Individuum II ein Grund sein - oder? "Gr�nde" sind dabei intersubjektiv einsichtige Feststellungen. D.h., was für Individuum 1 ein Grund ist, muss auch für Individuum 2 ein Grund sein - oder? Gr�nde sind nicht zu verwechsel mit "Motiven". Jemand mag viele Motive haben, um einer Behauptung zuzustimmen (Angst, Konformismus, Provokation, Lust oder Gleichg�ltigkeit). Aber Motive sind keine Gr�nde. Gr�nde sind Motive, die auch vom andern anerkannt werden. "Grund" ist die tragf�hige Basis, das Anerkannte, auf dem man aufbauen kann, von dem aus man logisch folgern kann. Gr�nde sind intersubjektiv übertragbare Motive für die Zustimmung zu einer Behauptung. Wichtiges Element in einer Begr�ndung sind logische Schlussfolgerungen. Sie sind Beweise im engeren Sinne.


*VII-43*

Aber wieso sind logisch g�ltige Schl�sse "zwingend". Sie zwingen ja gewaltlos. Sie enthalten nur Elemente, die der andere auch anerkennt (Pr�missen) Zusammen mit der Schlussregel ergibt sich die Konklusion "zwingend".
Methodologische Regeln leiten sich aus der Pr�misse ab, dass man sich mit "Mitteln der Vernunft" einigen will, ohne den andern zu einer Zustimmung zu bringen, die er selber nicht wollen kann. Eine empirische Behauptung kann man dadurch begr�nden, dass man sagt: "Du kannst dich mit deinen eigenen Augen davon überzeugen, dass es so ist, wie ich sage". Damit ist der Grund nicht mehr vom Willen des behauptenden Individuums abh�ngig. Der Satz gibt ein Grund, der allein auf der Wahrnehmung der Realit�t durch den anderen beruht. Es ist kein HerrschaftsVerhältnis, keine Zustimmung durch Machtanwendung.


*VII-44*

Adressat
Jede Norm muss sich an ein Wesen richten, das die Norm verstehen und das sich in seinem Handeln danach richten kann. Wenn man eine Maschine programmiert, indem etwa einen bestimmten Ablauf einstellt, hat man dann einen Norm gesetzt? Zum Beispiel wenn man ein Wecker stellt, hat man dann gegenüber dem Wecker die Norm ausgesprochen: "Wecke mich um sieben Uhr!"?

Es geht dabei auch um die Beherrschung von zuk�nftigen Ereignissen, so wie bei der Aufstellung von Normen. Aber man hat durch das Stellen des Weckers eher ein Mittel benutzt zu einem Zweck. Das Problem des Konsenses kann nicht auftreten, weil der Wecker selber keinen Willen hat und sich keinen Zweck setzen kann, sich nicht entscheiden kann.


*VII-45*

determiniert / M�glichkeit
Woher wissen wir, dass Menschen sich entscheiden können, dass sie sich Ziele setzen, dass sie verschiedene M�glichkeiten des Handelns haben? K�nnte ein anderes Wesen, dem die Intuition fehlt und das die menschliche Sprache nicht versteht, feststellen, dass Menschen verschiedene Handlungsm�glichkeiten haben? Intuitiv wissen wir, dass es so ist; wir sehen, dass wir w�hlen, dass wir verschiedene M�glichkeiten erw�gen.


*VII-46*

Normen / Bewertungen
Die Willens�u�erungen haben sich auf Zust�nde der Realit�t gerichtet: der gewollte Zustand ist beschrieben worden. In der Formulierung war nicht enthalten, wie der Zustand realisiert und damit der Wille erf�llt werden kann. Dazu ist ein handelndes Eingreifen n�tig, oder man h�tte sich auf eine Prognose beschr�nken können. Wenn ich einen Zustand, der sowieso eintreten wird, will, so kann ich mir die �u�erung dieses Willens ersparen. Ich muss nicht sagen: "Ich will, dass morgen die Sonne aufgeht". Das wäre funktionslos. Allerdings ist es sinnvoll, auch zu solchen Ph�nomenen, die ohne irgendein Zutun eintreteten, seine Bewertung mitzuteilen: "Ich finde es gut, dass morgen die Sonne aufgeht", "Ich finde es schlecht, dass jetzt die k�ltere und dunklere Jahreszeit kommt" et cetera.
In ähnlicher Weise ist es sinnlos etwas zu wollen, das mit Gewissheit nicht eintreten wird, das also absolut unm�glich ist, so wie z. B. der Bau eines Perpetuum mobile".

Trotzdem kann ich es bewerten, denn auch etwas Unm�gliches kann man bewerten, wenn es vorstellbar ist. Die Formulierung ist dann im Konjunktiv: "Es wäre gut, wenn es ein Perpetuum Mobile g�be."
Hier nimmt man gelegentlich auch den Willensausdruck im Konjunktiv: "Ich wollte, ich wäre ein Vogel und k�nnte fliegen."
Auch W�nschen fehlt manchmal der Bezug zum handelnden Eingreifen: "Ich w�nsche mir für meinen Urlaub gutes Wetter". Damit ist ausgesagt, dass man handeln w�rde, wenn es m�glich wäre, den Wunsch zu erf�llen.


*VII-47*

Bewertungen werden oft verallgemeinert durchgef�hrt, d.h. es werden nicht individuelle Ereignisse, sondern Klassen von Ereignissen bewertet: "Sonnenschein ist gut", "Regen ist schlecht"," Hunde sind gut", "Schlangen sind schlecht." Dies kann jedoch auch bei Willens�u�erungen der Fall sein: "Ich will immer Kaffee zum Fr�hst�ck trinken", " Ich will, dass niemand die Grenze überschreitet".


*VII-48*

Eine sinnvolle Willens�u�erung wendet sich an jemanden, dessen Handeln für die Erf�llung des Willens relevant sein kann. Wenn ich ihm nur den von mir gewollten Zustand mitteile, so bleibt die empirische Frage offen, welche seiner m�glichen Handlungen die Erf�llung positiv oder negativ beeinflussen kann. Je nach dem Ma� empirischer Unwissenheit bei den relevanten Adressaten kann es zu Handlungen kommen, die den gewollten Zustand negativ tangieren (bzw. zur Unterlassung von Handlungen, die ihn positiv tangieren). Deshalb können Willens�u�erungen für die Erf�llung des Willens ineffizient sein, die nur die Beschreibung des gewollten Zustandes enthalten. Wenn das wollende Subjekt über entsprechende Kenntnisse verf�gt, kann es deshalb seinen Willen durch Handlungsvorschriften an die Individuen erg�nzen. Dabei können die Individuen unterschiedliche Vorschriften erhalten.

Ein Beispiel: Jemand will in seinem Zimmer Ruhe zum Schlafen.haben. Wenn er diesen Zustand als gewollt bekanntgibt, so kann jemand in Unkenntnis (tats�chlich oder vorget�uscht) im Nebenzimmer das Radio anstellen. Und wenn man ihm sagt "Ich will doch Ruhe haben", so kann er entgegnen: "Ich wusste nicht, dass man das nebenan noch h�hren kann". Um dieser Unkenntnis zu begegnen, kann man konkretisieren, welche Verhaltensweisen man nicht will: "Ich will nicht, dass w�hrend dieser Zeit Radio angemacht, Staub gesaugt oder geh�mmert wird." (Wobei man noch anh�ngen kann:"...oder dass in anderer Weise L�rm erzeugt wird." Aber hier ist das Problem, was die Adressaten unter dem vagen Begriff "L�rm" verstehen). Die Umsetzung von Zielnormen in Handlungsnormen dient so der Pr�zisierung der mit der Erf�llung des Willens zu vereinbarenden Handlungen.


*VII-49*

generelle Normen
Wenn die Normen in genereller Form formuliert sind, so kann jeder selber bestimmen, was die generelle Handlung ist. Es ist natürlich denkbar, dass jemand st�ndig das zu Tuende vorschreibt:"Jetzt tu dies, jetzt tu das!"
Dies ist analog zu empirischen Gesetzm��igkeiten.Wenn sie allgemein formuliert sind, kann jeder aufgrund dieser Gesetze bestimmen, was sein wird. Denkbar wäre natürlich auch jemand, der immer sagt: "Jetzt wird dies sein, jetzt wird das sein". (�brigens wurde in beiden F�llen die Frage offen gelassen, ob die Normen oder Gesetze allgemeing�ltig sind.)


*VII-50*

M�glichkeit
Was bedeutet es zu sagen:"Alles ist determiniert. Es gibt keine verschiedenen M�glichkeiten". Oder spezifischer: "Alle menschlichen Handlungen sind determiniert. Es gibt keine verschiedenen Handlungsm�glichkeiten"?


*VII-51*

Norm
Eine Norm enth�lt die gedankliche Vorwegnahme eines zuk�nftigen Zustandes plus den Willensausdruck: "...soll sein!"


*VII-52*

Universalit�t
Die Allgemeing�ltigkeit einer Norm bedeutet nicht, dass sie an alle adressiert ist, sondern dass sich jedermann darauf berufen kann.


*VII-53*

Terminologisches
Man sagt: "Im Geltungsbereich des Grundgesetzes ..." oder "In England haben die Normen keine Geltung". Hier sollte man vielleicht besser vom "Anwendungsbereich" sprechen. Das Wort "Geltung" hat die verschiedensten Bedeutungen: "G�ltigkeit", "Adressatenkreis", Verbindlichkeit für das Handeln etc.


*VII-54*

Normen, Formulierungen
"Sei ruhig!"
"Du sollst ruhig sein!"
"Ich will, dass Du ruhig bist!"
"Ich will: 'Sei ruhig!'"


*VII-55*

Ziel, Zustand, Intention
Wann kann man sagen, ein Ding habe ein Ziel?
Hat der Fluss ein Ziel, der zum Meer flie�t?
Hat die Kugel ein Ziel, die in Richtung auf die Zielscheibe fliegt?
Hat die Rakete ein Ziel, die mit automatischem Ger�t das eingestellte Ziel sucht?
Hat der Schmetterling ein Ziel, der dem Geruch des Weibchens folgt?
Hat der Hund ein Ziel. der sein Herrchen sucht?
Hat der Mensch ein Ziel, der für ein Auto spart?
Inwiefern ist eine teleologische (Finale) und eine kausale Betrachtungsweise menschlichen Handelns miteinander vereinbar? Wie verhalten sich
beide zueinander? Wie verh�lt sich Gesetzm��igkeit und Entscheidungsm�glichkeit?


*VII-56*

G�ltigkeit, Gehorsam
Beim Milit�r werden Befehle nicht begr�ndet, denn Gr�nde können falsch sein, können bezweifelt werden. Verlangt wird "absoluter Gehorsam"; gehorchen, ohne zu fragen: "Warum?" und ohne "Widerrede". über Befehle gibt es keine Diskussion", der Vorgesetzte braucht sich auf keine Diskussion einzulassen, verlangt wird Gehorsam, gleichg�ltig ob die Untergebenen den Befehl als richtig akzeptieren oder nicht.


*VII-57*

Begr�ndung, Nachvollziehbarkeit, Gehorsam, Glaube
Das Analogon zum blo�en Anspruch auf Gehorsam gegenüber Normen (bzw. Willens�u�erungen) ist auf empirischem Gebiet der Anspruch auf blo�en Glauben an bestimmte Aussagen. In beiden F�llen Fall fehlen argumentative Begr�ndungen, die dem Adressaten die G�ltigkeit der Norm bzw. die Wahrheit der Aussage nachvollziehbar machen. Das Problem steckt immer noch in dem Wort "nachvollziehbar".
Welche Ausdr�cke werden traditionell benutzt um "G�ltigkeit für mich" beschreiben?
- Ich muss die Argumente selber nachvollziehen, einsehen, pr�fen, bejahen ... können,
- Ich muss selbst�ndig für richtig halten, anerkennen, akzeptieren, mir zu eigen machen, beurteilen können.


*VII-58*

Motivation zur Normbefolgung
Man sagt: "Gelegenheit macht Diebe". Insofern kann es verboten sein, dem potentiellen Normverletzer Gelegenheiten zur Normverletzung zu geben. z. B. kann es bei Strafe verboten sein, das eigene Auto unabgeschlossen stehen zu lassen.


*VII-59*

G�ltig
"G�ltig für mich": ich muss selber davon überzeugt sein, die Meinung haben, annehmen, dass�


*VII-60*

Argument, Grund
(Vielleicht kann man nicht definieren, was ein Argument ist.)
Wenn jemand eine Begr�ndung versucht und der andere sagt: "Dies ist für mich kein Grund", so muss er wiederum seine Ablehnung begr�nden.
Dabei liegt die Ablehnung auf einer methodologisch übergeordneten Ebene, denn sie bezieht sich auf Kriterien für Gr�nde. Zum Beispiel in der Empirie: "Ich habe von jemandem geh�rt, dass A geheiratet hat". Dagegen: "Dass jemand das gesagt hat, ist für mich noch kein Beweis".
Jetzt ist die Frage nicht mehr, ob A geheiratet hat, sondern ob die �u�erung eines Dritten eine Begr�ndung darstellt. Auf dieser Ebene zur�ck argumentiert: "Aber derjenige, der das gesagt hat, war selber bei der Hochzeit von A dabe"". Nun haben wir den Bericht eines Augenzeugen, allerdings indirekt vermittelt. Wenn die Bedingungen der qualifizierten Wahrnehmung, der Glaubw�rdigkeit und der Ausschaltung von MissVerständnissen gegeben sind, so wird man den Augenzeugen als Beweismittel bzw."Grund" gelten lassen. Warum? Weil man dies selber sehen kann? Dies ist z. B. bei vergangenen Ereignissen direkt nicht m�glich, allerdings indirekt. Weil man sich "mit eigenen Augen davon überzeugen kann"? Dementsprechend wäre bei Normen Kriterium, dass man den Norminhalt selber wollen kann.


*VII-61*

Allgemeinheit, empirische Perspektive
Auch empirische Behauptungen kann man nicht immer selber sehen. Man muss dazu die raumzeitliche Position und Perspektive des andern einnehmen. Versuchsanordnungen enthalten deshalb Hinweise, von welcher Perspektive aus man sehen soll, wann man auf welches Instrument blicken soll und was man dann sehen wird.
Es wird nicht beschrieben, was jeder aktuell sieht, sondern was jeder sehen kann. Ebenso beziehen sich g�ltige Normen nicht auf das, was jeder aktuell will, sondern auf das, was jeder wollen kann, wenn er die Dinge aus der Position von jedermann beurteilt, wenn er gewisserma�en eine "Gesamtschau" macht.


*VII-62*

Regelung bei Normverst��en
Jemand, der gegen eine Regel verst��t, kann sich nicht gleichzeitig auf diese Regel berufen. Der normative Konsens ist - zumindest partiell - durchbrochen. Wenn man jetzt nicht ein reines GewaltVerhältnis eintreten lassen will, so bedarf es auch der Regelung in diesem Fall.


*VII-63*

Argument
Vielleicht kann man nicht a priori bestimmen, was Gr�nde sind. Es muss vielleicht eher davon ausgegangen werden, was Menschen als Gr�nde tats�chlich akzeptieren. Im Falle der Uneinigkeit muss man sehen, wie sich auf einer methodologisch h�heren Ebene Einigkeit erzielen lässt (oder auf der niedrigsten Ebene des konkreten Falles?)


*VII-64*

Gewalt, Vernunft, Konsens
Ist es die oberste methodologische Regel, zur Einigkeit der Auffassungen zu kommen? Aber was ist eine Einigkeit, die durch Sanktion erzwungen wird? Man sagt, das sei keine wirkliche Einigkeit. Aber das ist wirkliche Einigkeit? Man k�nnte die Gewaltfreiheit bzw. Herrschaftsfreiheit in die Definition von "Erkenntnis" mit hinein nehmen, zum Beispiel sagen: "Mit den Mitteln der Vernunft die Fragen beantworten hei�t, einheitliche Antworten ohne Anwendung von Gewalt zu erzielen."
Unterscheiden: GewaltVerhältnisse und VernunftsVerhältnisse. Vern�nftige Argumente m�ssen gewaltfrei sein. Die Erkenntnistheorie kann nur sagen, welche Antworten sich bei gewaltfreier Einigung ergeben. (Der Wille zur Einigung ist schon dadurch gegeben, dass man die verschiedenen individuellen Antworten als Problem empfindet, dass man auch nach der einen richtigen Antwort sucht.)

GewaltVerhältnisse kann man nur abgrenzend als "nicht vernunftf�hig" bezeichnen. Aber das gen�gt, um sich ihrer zu entledigen, denn GewaltVerhältnisse bed�rfen keiner Argumente sondern der Macht.


*VII-65*

Wahrheit, Universalit�t
Intersubjektivit�t: A:"für mich ist der Montblanc der h�chste Berg der Erde". B:"für mich ist der Mount Everest der h�chste Berg der Erde". Auf dieser subjektiven Ebene muss sich kein Widerspruch ergeben, beide dr�cken Ihre Meinung aus. Erst wenn von den Subjekten abgesehen wird und intersubjektive Behauptungen aufgestellt werden, kommt es zum Widerspruch. A: "Der Montblanc ist der h�chste Berg der Erde" und B: "Der Mount Everest ist der h�chste Berg der Erde". Da nur ein Berg der h�chste sein kann, muss eine der beiden Aussagen falsch sein.
ähnlich bei normativen Fragen: A:"für mich ist die SPD die beste Partei". Und B: "für mich ist die CDU die beste Partei". Auf dieser Ebene muss sich kein Widerspruch ergeben. Erst wenn von den Subjekten abgesehen wird und eine intersubjektive Behauptung aufgestellt wird, kann es zum Widerspruch kommen, denn von den Werturteilen: "Die SPD ist die beste Partei" und "Die CDU ist die beste Partei" kann nur eines richtig sein, denn nur eine Partei kann die beste sein.


*VII-66*

Eine Norm, deren Einhaltung niemand will, existierte gar nicht. Aber was ist dann mit Normen in Schriften untergegangener Kulturen? Den Normsatz gibt es in dieser Schrift, aber existiert damit auch die Norm selber?


*VII-67*

Der Begriff "Ziel" ist pr�skriptiv, deskriptiv oder normativ-empirisch doppeldeutig. Wenn ich sage:" Mein Ziel ist das Diplom", so dr�cke ich einen Willen aus. Wenn ich sage: "Das Ziel des Pendels ist der Gleichgewichtszustand", so bezeichne ich damit den Endzustand, das Ergebnis eines Prozesses. Diese Doppeldeutigkeit wird in der Geschichtsphilosophie benutzt: "Das Ziel der Geschichte (notwendiger Endzustand und gewollter Zustand) ist der Kommunismus." Dabei wird der Beweis auf der deskriptiven Ebene angetreten, um dann den Satz normativ anzuwenden.
Ebenso in der sozialdarwinistischen Evolutionsphilosophie."Das Ziel der Entwicklung des Lebens ist die H�herentwicklung (die Entwicklung des Geistes, des Bewusstseins, die Beherrschung des sinnlich animalischen et cetera)". Dabei wird deskriptiv eine bestimmte Entwicklung, ein Entwicklungsergebnis konstatiert und dies dann normativ verwendet.


*VII-68*

Aussage: Sachverhalt Wahrnehmung
Normsatz: Norm Wille


*VII-69*

Normsatz, Norm
Die Unterscheidung zwischen Normsatz und Norm macht klar, dass die Existenz eines Normsatzes noch nicht die Existenz einer entsprechenden Norm bedeutet


*VII-70*

Gesamtinteresse, Eigeninteresse, Mehrheitsprinzip
volont� de tous "Was ist in deinem eigenen Interesse?"
volont� g�n�ral "Was ist im Gesamtinteresse?"
Beide Ebenen sind im Mehrheitsprinzip enthalten. Bei der Abstimmung entsteht der volont� de tous. Die Mehrheit repr�sentiert (eine Ann�herung an) den "volont� g�n�ral". Der B�rger kann auch einer Alternative zustimmen, die seinem Eigeninteresse widerspricht (als "vern�nftiges Wesen", wie man im idealistischen Sprachgebrauch sagen w�rde.)


*VII-71*

Gebrauch und Erw�hnung einer Norm
Vielleicht bringt die Unterscheidung zwischen dem Gebrauch und der Erw�hnung einer Norm usw. uns weiter. Nur wenn jemand eine Norm gebraucht, existiert sie. Man kann sie jedoch erw�hnen und über sie diskutieren. Damit existiert sie nicht aktuell sondern nur potentiell (vergleiche Seifert: Wissenschaftstheorie 1, Seite 84).


*VII-72*

Definitive Entscheidung, handlungsentlastet
Soll die normative Wissenschaft handlungsentlastet nach g�ltigen Normen suchen, oder soll sie Kriterien für konkretes, zeit- r�umlich bestimmtes Handeln liefern? Wie ist es bei der empirischen Wissenschaft? Soll sie handlungsentlastet nach wahren Aussagen suchen, oder soll sie Kriterien für Annahmen liefern, die einem konkreten Handeln zugrunde zu legen sind? Auf jeden Fall muss der Bezug zur "Praxis" problematisiert werden.


*VII-73*

I
ntrapersoneller versus interpersoneller Konflikt
Manchmal wird das moralische Problem nicht im Interessenkonflikt verschiedener Personen gesehen, sondern im innerpers�nlichen Konflikt. Nicht die Einw�nde der anderen sondern Einw�nde des eigenen Gewissens gilt es aufzul�sen, nicht die soziale Harmonie sondern die Harmonie der Person, der Einklang mit sich selbst wäre Ziel der moralischen und ethischen Anstrengungen.
Aber das Problem der internen Harmonie ist Folge der sozialen Disharmonie, insofern das Gewissen, das Ich- Ideal oder die Wertvorstellungen durch Sozialisation und Erziehung dem Individuum eingepflanzt werden. Der "Frieden mit sich selbst" ist der Frieden mit den Kr�ften, die die eigene Person in ihrer kindlichen Bildungsphase beeinflusst haben.


*VII-74*
Bedingtheit von Normen, Interdependenz
Normen lassen sich nicht als einzelne isoliert beurteilen. Sie h�ngen von der Existenz und Wirksamkeit anderer Normen ab, sie sind insofern "bedingt".


*VII-75*

Normen und Sanktionen
Was geh�rt zur Norm: "Du sollst nicht stehlen!"? Auch: "Wer stiehlt, soll mit Sanktion X bestraft werden!"? Kann man Norm und Sanktion unabh�ngig voneinander diskutieren?


*VII-76*

Durchsetzbarkeit
Zur Ber�cksichtigung der Durchsetzbarkeit von Normen: Brandt in Brody. Brandt diskutiert das Ma� der gesellschaftlichen Anerkennung einer Norm und das Ma� für die Gewissenhaftigkeit der Leute.


*VII-77a*

G�ltigkeit
bezieht sich G�ltigkeit von Normen auf die "Forderung nach Existenz (Einf�hrung der Norm" oder auf die "Forderung nach Anerkennung und übernahme ? Aber l�uft das nicht auf dasselbe hinaus? Wenn ich ein Norm anerkenne, so impliziert das den Wunsch nach Existenz.


*VII-77b*

Nicht-logische Implikationen
Mich mit den Formen der nichtlogischen Folgerungen (Implikationen) besch�ftigen. Wenn ich sage: "Komm her!", so impliziert das, dass der andere nicht bereits hier ist und dass er kommen kann. Ohne diese "Voraussetzungen" w�rde der Befehl sinnlos. Wenn ich sage: "Trinkt nicht so schnell!", so setzt das voraus, dass man zu schnell trinken kann. Was sind das für Voraussetzungen, die doch keine formallogischen Implikationen sind? Vielleicht lassen sie sich aus dem Intersubjektivit�tsgebot ableiten.


*VII-78*

Subjektiver und intersubjektive Bezug der G�ltigkeit
Das Verhältnis zwischen subjektiven (individuellen) und intersubjektiven (allgemeinen) Kriterien der G�ltigkeit klären. K�nnte man in der Erfahrungswissenschaft zum Beispiel nur nach Theorien streben, die mit den eigenen Erfahrungen übereinstimmen, kann es einem nicht egal sein, was die andern für Erfahrungen machen?
Dagegen: Dies geht nicht, wenn man gemeinsam handeln will, denn dann muss man in den meisten F�llen von gemeinsamen Annahmen über die Wirklichkeit ausgehen, es sei denn, die übereinstimmung ist nur zuf�llig. (Oder aber ihre Differenz ist nur sprachlicher Natur oder aber sie leben in verschiedenen Welten. Ist Letzteres denkbar?)
Ein weiteres Argument gegen das rein subjektive G�ltigkeitskriterium wäre, dass jeder auch in die Position des andern kommen kann und er dann die Wahrnehmungen des andern machen w�rde. Er kann sich durch die Orientierung am Konsens die Erfahrung des andern zu Nutze machen, denn "vier Augen sehen mehr als zwei". Fehler und L�cken der eigenen Wahrnehmung werden korrigierbar.


*VII-79*

Definitive und prinzipielle Entscheidungen über G�ltigkeit
Man m�sste unterscheiden zwischen einem Begriff der "Allgemeing�ltigkeit" bzw." Wahrheit", der als nie endg�ltig erf�llbar eher einen Orientierungsbegriff wissenschaftlicher Erkenntnis darstellt, und einem Begriff der "Allgemeing�ltigkeit bzw. Wahrheit", der diejenige Behauptung auszeichnet, die man in einer gegebenen Situation seinen Handlungen zugrundelegen soll. Beide Begriffe h�ngen zusammen, aber sie fallen nicht zusammen. Der Wahrheit im ersten Sinne kann man sich nur ann�hern, im Bezug auf sie bleiben alle Behauptungen vorl�ufig und revidierbar..
Im zweiten Sinne kann nur eine Behauptung die richtige sein, weil ich nur eine Behauptung meinen Handlungen zugrundelegen kann.


*VII-80*

Subjektive und intersubjektive G�ltigkeit
Dem subjektiven G�ltigkeitskriterium entspricht als Instanz der Zweifel, dem intersubjektiven G�ltigkeitskriterium die Ablehnung (Bestreitung). Subjektiv muss der Zweifel beseitigt werden, intersubjektiv muss der Streit ausger�umt werden. Wie h�ngt beides zusammen? Traditionell orientieren sich die Erkenntnistheorien eher subjektiv am Zweifel.


*VII-81*

Argument, Logik
Was ist ein Argument? Was ist eine Begr�ndung? Hierbei handelt es sich um zus�tzliche Behauptungen, die die zur Diskussion stehende Behauptung (die These) unterst�tzen bzw. angreifen sollen.
Welcher Art kann diese Unterst�tzung, dieser Zusammenhang sein? Er kann einmal deduktiv, logisch sein, d.h. die These oder auch ihre Verneinung ist eine logische Schlussfolgerung aus den Argumenten.


*VII-82*

Prognose, Theorie
Um zuk�nftige Ereignisse vorauszusagen, benutzt man h�ufig keine Theorien sondern andere Anhaltspunkte. Wenn ich z.B. wissen will, wann morgen der Zug aus Hamburg ankommt, benutze ich den Fahrplan, der ein normatives Schema ist. (Vielleicht benutze ich implizit doch solche Theorien, die mir etwas über die Zuverl�ssigkeit und P�nktlichkeit der betreffenden Eisenbahnen sagen. In manchen L�ndern oder Situationen wird man sich nicht auf den Fahrplan verlassen können.)


*VII-83*

Konfliktvermeidung, personunabh�ngige Kriterien
Es ist sinnvoll, sein Auto aus "Prinzip" nicht zu verleihen, denn wenn man Unterschiede zwischen den Personen machen w�rde, so m�sste man unvermeidlich die Abgewiesenen als unzuverl�ssig oder als schlechte Autofahrer et cetera bezeichnen. D.h. die notwendige Begr�ndung im Einzelfall w�rde zu starken Konflikten f�hren. Gibt es solche Problemlagen als Begr�ndung für pauschale Regelungen h�ufiger? Sind solche Konflikte als Entscheidungskosten der Einzelfallregelung anzusehen?


*VII-84*

Begr�ndung der Logik
Wie lässt sich das Verbot logischer Widerspr�che begr�nden? Weil widersprüchliche Behauptungen keine Frage beantworten können? Oder ist es eher eine zweckm��ige Konvention?


*VII-85*

Subjektive Perspektive
Wenn man seine Interessen formuliert sagt man h�ufig: "Aus meiner Sicht..."," Aus der Sicht der Unternehmer..." Die Unterschiede der (Beobachtungs-) Perspektive dienen zur Verdeutlichung unterschiedlicher Interessenlagen. Die Parallelen herausarbeiten, und die Unterschiede. In beiden F�llen gibt es die Position des idealen Beobachters, der sich auf den allgemeinen Standpunkt stellt.


*VII-86*

J
edes Individuum k�nnte seinen Vorteil dadurch vergr��ern, dass es sein gesamtes Stimmengewicht auf Entscheidungen konzentriert, deren Nutzen ausschlie�lich oder vor allem ihm selber zukommt, also auf Entscheidungen über private G�ter bzw. Ung�ter seiner Konsumption. Die Entscheidungen von allgemeinerem Interesse w�rde es den andern Individuen überlassen, die in der gleichen Richtung interessiert sind wie es selber: "Sollen die doch Ihre Stimme opfern um eine Mehrheit zu erzielen!" Profitieren wird jedes Individuum dann von der Mehrheit, unabh�ngig davon, ob es dafür Stimmkraft geopfert hat oder nicht.
Durch die Vorteile solcher Trittbrettfahrer-Strategien besteht die Tendenz, dass gerade solche Entscheidungen davon betroffen sind, die die Interessen vieler Individuen gleichartig betreffen.

In einer solchen Situation wären die beteiligten Individuen besser gestellt, wenn jedes interessierte Individuum gezwungen wäre, ein bestimmtes Ma� an Stimmkraft für diese Alternative einzusetzen. Um dies zu kontrollieren, muss der dezentrale Stimmentausch aufgegeben werden. Stattdessen m�ssen sich die an einer bestimmten Entscheidung interessierten Individuen zu einem Abstimmungsblock zusammenschlie�en, der an diesem Punkt einheitlich abstimmt. Solche organisierten Interessengruppen bzw. Fraktionen sind für ihre Mitglieder vorteilhaft, weil sonst der Trittbrettfahrereffekt die Durchsetzung der gemeinsamen Interessen verhindert.

Ein solcher Abstimmungsblock kann nun versuchen, weitere B�ndnispartner zu finden, mit denen zusammen er eine Mehrheit in dieser Entscheidung erlangt, sofern noch Stimmen an der Mehrheit fehlen. Dabei wird er es mit anderen Abstimmungsbl�cken zu tun haben, die sich zu andern Entscheidungen gebildet haben. Dabei wird es Individuen geben, die zu den gleichen Abstimmungsbl�cken geh�ren. Das zeigt an, dass diese Individuen in vielen oder gar den meisten Punkten ähnlich gelagerte Interessen haben. Dies sind gewisserma�en die "natürlichen" B�ndnispartner. Zwischen diesen Individuen ist kein Stimmentausch m�glich, und er ist auch nicht n�tig.

für den Stimmentausch kommen solche Interessengruppen weniger infrage, die eine "entgegengesetzte" Interessenlage haben. Eine entgegengesetzte Interessenlage besteht zwischen der Interessengruppe I und der Interessengruppe II dann, wenn die IG I eine starke Pr�ferenz für die Alternative x gegenüber der Alternative y hat, und umgekehrt die IG II eine starke Pr�ferenz für y gegenüber x hat.
Wenn die Interessengruppe I die Stimmen der IG II an diesem Punkt gewinnen wollte, so m�sste sie der IG II ja sehr viel bieten und ihnen in Punkten entgegenkommen, die ihr selber sehr wichtig sind. So bieten sich als B�ndnispartner für die IG I die Interessengruppe III mit einer komplement�ren Interessenstruktur an. Die Interessenstrukturen der Interessengruppen I und III sind "komplement�r", wenn der IG I jeweils solche Punkte wichtig sind, die der Gruppe III weniger wichtig sind - und umgekehrt.

Um die Stimmen der jeweils anderen Gruppe zu bekommen, m�ssen bei einer komplement�ren Interessenstruktur von der IG I oder der IG III nicht so gro�e Vorteile geboten werden, da sie ja sowieso an diesen Punkten nicht sehr interessiert sind. Allerdings kann der Preis für diese Stimmen steigen, wenn auch andere Gruppen an den Stimmen der IG III interessiert sind und ebenfalls Angebote machen. (Hier m�ssten einmal etwas kompliziertere Modelle durchgespielt werden, um die Koalitionsmechanik zu durchschauen, zum Beispiel eine Mehrheit aus koalierenden Minderheiten (siehe Dahl).


*VII-87*

Neben dem Problem der �ffentlichen G�ter bzw. "der allgemein interessierenden Angelegenheiten" stellt sich einem atomistischen Stimmenmarkt ein weiteres Problem entgegen. Je nach Entscheidungsregel wird n�mlich immer nur ein bestimmter Prozentsatz der Stimmen ben�tigt, um eine Alternative kollektiv durchzusetzen. Wenn die Individuen isoliert Stimmen eintauschen, so haben sie jedoch keine übersicht darüber, wie viele Stimmen noch ben�tigt werden. Bei fehlender Information werden unter Umst�nden zu einem bestimmten Punkt mehr Stimmen getauscht als tats�chlich ben�tigt werden. Die dafür geopferten Stimmen sind also vergeudet. Es bedarf deshalb einer Koordinationsstelle, die eine übersicht darüber hat, wie viele Stimmen für die gew�nschte Alternative bereits vorhanden sind und wie viele zur Mehrheit noch fehlen.
Auch hieraus ergibt sich also für die Individuen ein Motiv zur Bildung fester Koalitionen, Parteien bzw. Fraktionen. Dies muss von einer Zentrale aus gesteuert werden.


*VII-88*

E
in weiteres Problem für einen atomistischen Stimmenmarkt sind die hohen Verhandlungskosten, die einem Individuum entstehen w�rden, das isoliert versucht, eine Mehrheit für eine Alternative zu Stande zu bringen. Der Aufwand an Zeit und Energie, um für einen bestimmten Punkt B�ndnispartner zu finden, ist erheblich. Dieser Aufwand verringert sich betr�chtlich, wenn sich die Individuen zu Interessengruppen organisieren und die Stimmen en bloc tauschen.

Der Aufwand k�nnte gesenkt werden, wenn es Interessengruppen über viele oder gar alle Punkte gibt. Individuen deren Interessen sich an vielen Punkten decken, können für die Gesamtheit dieser Punkte versuchen, Koalitionspartner zu gewinnen, so dass die Stimmen vieler Individuen zu vielen Entscheidungen auf einen Schlag getauscht werden können. Dadurch werden die Verhandlungskosten wiederum erheblich gesenkt. Koalitionen existieren nicht nur zu einem Punkt, sondern auch über die Zeit.


*VII-89*

Wenn der Stimmentausch auf diesem Ma�stab solcher "Koalitionen" stattfindet, kann es für das einzelne Individuum sinnvoll sein, einer Koalition anzugeh�ren, selbst wenn diese Koalition an einigen Punkten nicht dem Interesse des Individuums entspricht. Bei gr��eren Kollektiven von Hunderten oder Millionen ist die Stimme eines einzelnen Individuums praktisch eine zu vernachl�ssigende Gr��e und es lohnt die Verhandlungskosten wegen einer Stimme nicht. (Es sei denn, es existiert ein Kopf-an-Kopf-Rennen zweier Alternativen.) Das Individuum ist deshalb auf dieser Ebene gar nicht "gesch�ftsf�hig", denn es ist für den Einzelnen im allgemeinen vorteilhafter, sich irgendeiner Koalition anzuschlie�en als alleine zu entscheiden.


*VII-90*

Ein weiterer Grund für eine Koalition über mehrere Punkte besteht in der m�glichen Interdependenz zwischen Punkten, die eine Koordination der Entscheidungen sinnvoll machen. Wenn es dabei wechselnde Mehrheiten gibt, so ergibt sich St�ckwerk, wodurch auch der Wert der realisierten Alternativen sinkt. Um solches St�ckwerk zu verhindern, kommt es darauf an, B�ndnisse zu ganzen Entscheidungskomplexen zu schlie�en, die aus ineinandergreifenden Einzelentscheidung bestehen. Allerdings können solche Komplexe auch bereits bei der Formulierung der Alternativen zu einer Paket-Entscheidung zusammengefasst werden, so dass "gegenl�ufige" Entscheidungen bereits auf der Ebene der "Tagesordnung" ausgeschlossen werden.


*VII-91*

Einzelpunkt-Koalitionen sind bei Verhandlungen mit B�ndnispartnern relativ schwerf�llig, wenn sie sich um weitere Stimmen bem�hen. Werden trotzdem solche punktuellen B�ndnisse geschlossen, so wird bei beiden Gruppen automatisch ein entsprechender Homogenisierungsprozess eintreten, weil Individuen die Koalition verlassen. Durch mehrere punktuelle Vereinbarungen kann über Stimmentausch allm�hlich eine Mehr-Punkte-Koalition entstehen. Die Individuen haben dann nur noch die Wahl, an welcher der existierenden Koalitionen sie sich beteiligen. Allerdings sind diese Koalition nicht unver�nderlic h, sondern unterliegen bei ver�nderten Entscheidungen und ver�nderter Interessenlage der Individuen einem Anpassungsdruck, wenn sie nicht auseinanderfallen wollen.


*VII-92*

Ein weiteres Problem für den Stimmentausch liegt darin, dass die abzustimmenden Punkte und Alternativen meist nicht von vornherein feststehen. Es kann also es kann also gar keine Stimme für eine sp�tere Entscheidung eingetauscht werden, wenn die Existenz dieser sp�teren Entscheidung und die Art der zu w�hlenden Alternativen noch ungewiss ist. Es ist deshalb sinnvoll, Koalitionen über Programme abzuschlie�en, die die angestrebten Ver�nderungen des Status quo enthalten dies vor allem dann, wenn die Koalitionen es selber in der Hand haben, bestimmte Punkte der Entscheidung zu stellen und eigene Alternativen zu formulieren. Aus diesem Grund � der Ungewissheit über zuk�nftig anstehende Entscheidungen � stellt sich die Situation faktisch meist auch so dar, dass sich Koalitionen nicht stufenweise aus bilateralen individuellen Vereinbarung aufbauen, sondern dass sich Koalitionen um bestimmte Programmentw�rfe herum kristallisieren, die bereits zum Zwecke einer Koalition entworfen wurden.
Wenn aber eine solche Einsch�tzung in Abstimmung Bl�cke bereits stattgefunden hat, so ist der Schritt zur Verlagerung der letzte Entscheidung von den Individuen zu der Koalitionsf�hrung � und damit zu einem repr�sentativen Mehrheitssystem � nicht mehr weit. Die Individuen haben dann nur noch die Funktion, Struktur und St�rke der Koalitionen zu bestimmen. Die endg�ltigen Entscheidungen werden dann auf der Repr�sentantenebene gef�llt.


*VII-94*

N
eben dem eigentlichen Stimmentausch gibt es ja auch noch den Kompromiss als Mittel zur Bildung von Gewinnkoalitionen. Beim eigentlichen Stimmentausch stimmt Individuum A für die erstrangige Pr�ferenz (die favorisierte Alternative) des Individuums B, wenn B bei einer andern Alternative für die von A favorisierte Alternative stimmt. Es schwenkt also jeweils ein Individuum auf die Position des anderen über. Insofern ist auch der Stimmentausch ein Kompromiss, denn jeder gibt in einem Punkte nach, um eine gemeinsame Position einnehmen zu können. Beim Kompromiss im engeren Sinne findet das Entgegenkommen auch im Rahmen einer Entscheidung statt, indem beide Individuen statt der von Ihnen urspr�nglich bevorzugten Alternative sich jetzt auf eine Alternative einigen, die zwischen den beiden Ersteren liegt, die also in den Pr�ferenzrangfolgen beider Individuen zwischen dem beiden urspr�nglichen Alternativen liegt. Dies kann an einem einfachen Beispiel veranschaulicht werden. wenn die Pr�ferenz Ordnung zweier Individuen so aussieht:

               A: x > y >z > u
.............B: z > y >x > u

So können sich unter Umst�nden beide Seiten auf den Kompromiss einigen, für die Alternative y zu stimmen, die für beide Individuen zwischen x und z liegt, wenn dadurch statt der Alternative u, die für beide das gr��te �bel ist, die Kompromissalternative y gewinnt. (Die Konstruktion eines Beispiels ist nicht einfach, jedenfalls im Rahmen des Condorcetkriteriums. Denn wie Black und Sen zeigen, kann ein Individuum bei Anwendung des Condorcetkriteriums durch taktisches Abstimmen h�chstens eine zyklische Mehrheit für die sonst siegreiche Alternative erzeugen. Es kann jedoch keiner Alternative zur zyklusfreien Mehrheit verhelfen. ähnliches gilt beim Abstimmen "für das kleinere �bel". Diese Strategien wirken sich bei simultanen Abstimmung jedoch aus.
Stimmentausch und Kompromiss können auch kombiniert auftreten, wenn jeder dem anderen nicht v�llig entgegenkommt sondern nur teilweise: "Wenn du bei Entscheidung I für meine zweitbeste Alternative stimmst, stimme ich bei Entscheidung II für deine zweitbeste Alternative. für die von dir bevorzugte Alternative zu stimmen ist für mich unzumutbar, dass du für die von mir bevorzugte Alternative stimmst, ist für dich nicht zumutbar."

Welche Formen des Kompromisses gibt es, wenn beide eine mittlere Alternative w�hlen
? Muss immer eine mittlere Alternative existieren? Was ist bei folgenden Pr�ferenzen?

A: x > u >y> z
B: u > y >z > x

In diesem Fall l�ge keine Alternative bei beiden Individuen zwischen den beiden bevorzugten Alternativen x und u. In diesem Fall wäre ein (einseitiger) Kompromiss auf u sinnvoll. u ist diejenige Alternative, die für beide am besten ist, obwohl nur A hier nachgibt. Kann man dies aber sagen, wo es sich doch nur um Rangpl�tze handelt, deren Abst�nde intersubjektiv nicht vergleichbar sind? Vielleicht wäre B eher zuzumuten, x zu w�hlen, als A zuzumuten ist, u zu w�hlen.

Der Wert einer Stimme bei einer bestimmten Entscheidung nimmt zu, je mehr man sich dem Umfang einer Gewinnkoalition n�hert. Wenn beim Mehrheits-System bereits 90 von 100 Individuen für die Alternative x stimmen, so ist die 91. Stimme, die dazu getauscht wird, praktisch wertlos, ebenso die 90. Stimme, die weggetauscht wird, denn diese Stimmen haben auf das Ergebnis keinen Einfluss. Anders bei einer Mehrheit von 51 zu 49 für x gegen y. Hier haben zwei zus�tzliche Stimmen für y für die Anh�nger von y den Wert der Nutzendifferenz zwischen y und x. Eine zus�tzliche Stimme für y k�nnte die Beibehaltung des Status quo bedeuten und h�tte für die Anh�nger von y den Wert der Nutzen-Differenz zwischen x und dem Status quo.

Wann ist durch eine Alternative x das Condorcet-Kriteriums erf�llt? Offensichtlich dann, wenn mehr als die H�lfte der Individuen x an die erste Stelle setzt, wenn also x die absolute Mehrheit besitzt. Dann bekommt x mehr Stimmen als jede andere Alternative - auch im paarweisen Vergleich. Wenn x nur 49 von 100 Stimmen bekommt, k�nnte y 51 Stimmen haben und damit x auch im paarweisen Vergleich schlagen. Allerdings gibt es noch sehr viel mehr F�lle, bei denen x das Condorcet-Kriteriums erf�llt, ohne eine absolute Mehrheit zu besitzen.

Stimmentausch als Kompromiss deuten, als Entgegenkommen im beiderseitigen Interesse für eine notwendige Einigung

Genau genommen handelt es sich bei Koalitionsbildungen im Mehrheit System nicht um Stimmentausch, bei dem nach dem Tausch jedes Individuum über die eingetauschten Stimmen selbstst�ndig verf�gen kann. Dies ist h�chstens der Extremfall, ein Spezialfall. Und zwar deswegen, weil abgesehen vom Fall v�lliger Indifferenz die Individuen an den Entscheidungen interessiert bleiben und dem andern nicht v�llig freie Hand lassen wollen. Das w�rde auch die m�glichen Vereinbarungen stark einschr�nken, denn es wären immer noch Kombinationen denkbar aus den Erste Rang Alternativen beider Individuen

(Ende Heft VII, beendet am 05.03.1976) 



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