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Aus meinen Notizbüchern: Heft IV
Heft IV
Vorbemerkung:
Die folgenden Texte, meine Notizbücher, habe ich nicht für die Veröffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine
eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorläufigen
Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T.
grundlegender Überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als
andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die
für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und
für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht
bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugefügt und
begründet.
*IV-1*
*IV - 13*
Freiheit, Gleichheit, Sicherheit sind keine Entscheidungsregeln sondern
es sind Werte,
normative Postulate, deren Vereinbarkeit mit
den verschiedenen Entscheidungsregeln zu überprüfen ist.
*IV - 14*
Zur Entscheidungstheorie gehört auch die Frage, auf welche Fälle
die jeweilige Regel anzuwenden ist. Für verschiedene Klassen von Fällen kann es
verschiedene Entscheidungsregeln geben (Abstimmung, Vertrag …).
*IV - 15*
Verträge: Jede Vertragspartei muss auch ihre
zukünftigen Präferenzen einschätzen können.
*IV - 16*
Tausch: ein Vertrag, der mit dem Vollzug (Besitzwechsel) abgeschlossen ist, aus
dem sich keine weiteren Verbindlichkeiten ergeben. Anders dagegen z. B. ein
Ehevertrag.
*IV - 17*
Sicherheit ist doppeldeutig:
*IV - 18*
Es gibt fast immer irgendwelche Argumente für oder gegen eine Entscheidung ("Es
ist nicht immer alles Gute beisammen").
Wichtig ist, ob diese Argumente schlagend sind oder nicht.
*IV - 19*
Das Mehrheitsprinzip schafft nicht automatisch die
Motivation zur Realisierung
der Mehrheitsbeschlüsse.
Beim Tausch ist dagegen ein Anreiz zur Realisierung gegeben (gegenseitiger Vorteil).
*IV - 20*
Die kapitalistische Marktwirtschaft ist nicht nur
nach dem Tauschprinzip von Eigentümern organisiert. Der Produktionsprozess
ist hierarchisch organisiert in Großorganisationen (Unternehmen) mit beliebig vielen Lohnempängern. (Die Arbeitskraft ist ein spezielles Gut: es muss in seiner
Nutzung organisisert (kontrolliert und angeleitet) werden).
*IV - 21*
Heiligt der Zweck die Mittel? Nicht prinzipiell, denn das Mittel – selbst wenn
es für die Erreichung des gewünschten Zweckes geeignet ist – kann andere Zwecke
beeinträchtigen. Es bleibt deshalb die Notwendigkeit der Abwägung.
*IV - 22*
Das Verhältnis von einmaliger Entscheidung und genereller Norm untersuchen. Lässt
sich die Anerkennbarkeit einer generellen Norm auf die Anerkennbarkeit der impliziten
Einzelentscheidungen zurückführen? (Gewissermaßen induktiv: der Schluss vom
Besonderen zum Allgemeinen.) Bei institutionsbezogenen Normen wie "Diebstahl ist
verboten" (Störung des Eigentums) trifft dies wohl nicht zu.
*IV - 23*
Entscheidungen, die keine Ziel-Mittel-Annahmen implizieren, wie
Reflexe oder
impulsartiges Reagieren (automatisch – unwillkürlich) fallen aus der
moralischen Diskussion heraus, weil sie keine Entscheidungsmöglichkeit für das Individuum
bieten. (Aber kann man solche reflexartigen Verhaltensweisen wollen?)
*IV -24*
*IV - 25*
Auch in der empirischen Methodologie gibt es das Problem, zwischen mehr oder
weniger wahren Theorien zu entscheiden (Je nach der Zahl der mit der Theorie
nicht zu vereinbarenden
Fälle. Dass eine Theorie mit allen Fällen im Einklang steht, muss
nicht immer gegeben sein.)
*IV - 26*
Gibt es eine völkerrechtliche Ächtung des "ungleichen
Vertrages"?
*IV - 27*
Es geschieht nicht selten, dass eine Person, nennen wir sie C, einen Vertrag zwischen A und B verhindern will,
weil der
ihre
Interessen schädigt. Von Verträgen sind also indirekt auch
Dritte betroffen, die nicht Vertragspartei sind.
*IV - 28*
Zum Problem der Anerkennbarkeit. Hängt die Anerkennung einer Norm durch ein
Individuum nicht unausweichlich von dessen moralischen Einstellungen ab, die ja gerade zu
überprüfen wären? Gibt es hier einen Zirkel? Oder ist zu fordern,
dass die Anerkennung nur durch moralfreie Interessen bestimmt wird? Gibt es
sowas?
Tausch setzt kein Eigentum an den Tauschobjekten voraus sondern nur die faktische Verfügungsgewalt
über sie.
Etwa der Austausch zwischen einem Kidnapper und dem Erpressten: Geisel gegen
Geld. Die Geisel ist kein Eigentum sondern befindet sich nur in der faktischer Verfügung
des Geiselnehmers. Ebenso nach dem Austausch
das erpresste Geld. Deshalb gibt es kein Vertrauen zwischen den Beteiligten.
Stattdessen die Forderung nach Fluchtautos etc. Es werden
komplizierte Übergabeprozeduren ausgedacht, damit man nicht "über's Ohr
gehauen" wird.
*IV - 30*
Der Ritus der "Besiegelung" des Tausches (Handschlag, Unterschrift, wechselseitige Übergabe
etc.) dient der intersubjektiv übereinstimmenden Feststellung der tatsächlichen Einwilligung
der Parteien.
*IV - 31*
Zwei Wahlgänge (wie bei der französischen Präsidentenwahl) haben den Vorteil,
dass die Wähler im ersten Wahlgang ihre Präferenz
ausgedrücken können. Im zweiten Wahlgang wird dann von den verbliebenen zwei
Kandidaten der relativ "beste" gewählt.
*IV - 32*
"Gewaltverhältnis" als Bezeichnung für nicht intersubjektiv anerkennbare Verhältnisse ist
vielleicht zu negativ. Wie wäre es mit "Verhältnis stellvertretender
Fürsorge" oder "Verhältnis stellvertretender Herrschaft" (gegenüber unmündigen Kindern, Tieren, Geisteskranken, Debilen
u. a. m.)?
*IV - 33*
Der
Appell an imaginäre Argumentationspartner: "Vor der Nachwelt (vor
der Geschichte, vor Gott, vor meinem Gewissen etc.) habe ich recht, selbst
wenn mir heute keiner zustimmt."
*IV - 34*
Recht haben vor sich selber" (ohne dass irgendwann jemand dies erkennt) mag
seinen Sinn haben (z. B. als persönliche Identität oder Integrität), aber
darüber sollte man nur zu sich selber sprechen und gegenüber anderen schweigen.
*IV - 35*
Es entsteht oft der Anschein, als falle das egoistisches
und moralisches Verhalten zusammen. Es wird für die Einhaltung moralischer Normen an das
langfristige Eigeninteresse
appelliert: "Sei vernünftig, Du schadest Dir damit nur selbst" oder "Das kann schief gehen,
und dann sitzt du im Gefängnis" oder so ähnlich.
Der Anschein des Zusammenfallens entsteht, weil effektive Normensysteme
so konstruiert sein müssen, dass die Individuen das Motiv ausbilden, sie zu
realisieren. Das erfolgt vor allem durch Sanktionssysteme,
die egoistisches Streben und normgemäßes Verhalten in
Übereinstimmung bringen. Der Appell an das eigene Interesse zur Normeinhaltung
setzt die Wirksamkeit eines Sanktionssystems meist stillschweigend voraus.
*IV - 36*
Terminologisches: Der Ausdruck" praktische Philosophie (Vernunft)" ist nicht so
glücklich, weil sein Gegenpol die "theoretische Philosophie" ist und praktische Philosophie
selber auch Theorie ist. Deshalb sollte man besser von
"positiver
(empirischer) Theorie" und "normativer Theorie" sprechen.
*IV - 37*
Sonntagsreden: Wenn in schönen Worten Werte und
Normen beschworen werden, die so verwaschen sind, dass sie praktisch mit jedem – auch dem
rücksichtslosesten – Alltagshandeln zu vereinbaren sind. Hierher rührt ein Teil
der Vorbehalte gegen jegliche normative Theorie.
*IV - 38*
Disziplinen, die sich mit dem Problem allgemeingültiger normativer
Theorie befassen: Moralphilosophie, Rechtsphilosophie, Politische
Philosophie, ökonomische Philosophie, Pädagogik.
*IV - 39*
Normative Theorien enthalten meist auch definitorische, empirische und methodische
Sätze. Der normative Dissens beruht nicht selten auf einem
empirischer Dissens.
Gibt es für die normative Methodologie ein analoges Kriterium
zur intersubjektiv übereinstimmenden Erfahrung in der empirischen Methodologie?
Kann man in analoger Weise sagen: Zwei Individuen wollen das gleiche, wenn sie
sich in der gleichen äußeren Situation befinden (z. B. gleiche
Ausstattung mit Gütern zur Befriedigung ihrer Wünsche) und wenn sie die gleichen
Lernbedingungen in Bezug auf die zu entscheidenden Alternativen gehabt haben
(vergangenes Lernen, Assoziationen, Verdrängungen etc.)? Was ist mit genetischen
Unterschieden?
Dass zwei Individuen unter gleichen aktuellen und früheren Verhältnissen das gleiche wollen, löst noch nicht das kollektive
Entscheidungsproblem (es kann höchstens zur Rekonstruktion von Bedürfnissen
dienen.) Gerade die Gleichheit der Bedürfnisse erzeugt die Konkurrenz um
dieselben (knappen) Güter.
Vertretung, Repräsentation: ein Individuum A kann aus Erfahrung lernen, dass ein anderes
Individuum B die gleichen Entscheidungen fällt wie es selber (oder zumindest
sehr ähnliche).
Das rechtfertigt die Annahme, dass B das Individuum A vertreten (repräsentieren) kann: A nimmt an, dass sich
B auch
zukünftig in seinem Sinne entscheiden wird. (Das kann z. B. bei
Stimmenübertragung in Gremien der Fall sein). Hat sich A getäuscht, so kann A
dem B das Mandat
wieder entziehen (Dies motiviert B, im Sinne von A zu entscheiden – zumindest
unter bestimmten Bedingungen.)
10 Repräsentanten kann man bestechen, 10 Millionen Wähler nicht.
(Wenigstens nicht so leicht.)
Schiefe Wohlstandsvergleiche:
*IV - 44*
Beständigkeit als Kriterium: Gleiches Recht für alle!
Wenn man einmal
ein normatives Kriterium auf einen Fall angewandt hat (und damit für richtig
hielt), so muss man dies Kriterium auch beim nächsten gleich gelagerten Fall
anwenden, sonst setzt man sich dem Vorwurf aus, mit zweierlei Maß
zu messen.
Gleichbehandlung als Kriterium. Gewissermaßen ein gewachsener Konsens: auf
vergangenen anerkannten Normen und Entscheidungen aufbauend werden die
gegenwärtigen Entscheidungen getroffen (das Prinzip des Präzedenzfalls, der
als juristisches Prinzip z. B. in Großbritannien große Bedeutung hat.)
Aufgeklärte Entscheidung: die menschlichen Einstellungen sind
so wie bei den Tieren größtenteils
assoziativ bestimmt. Es werden die Wahrscheinlichkeiten von gemeinsam
auftretenden Ereignissen registriert und erlernt.
*IV - 46*
Positionen, die dem Adressaten der Argumentation die
Argumentationsfähigkeit absprechen, sind Pseudoargumente und können keine
Allgemeingültigkeit beanspruchen.
Zum Problem der stellvertretenden Herrschaft: z. B.
Eltern, die eine Maßnahme gegen den Willen
des Kindes durchsetzen und mit den Worten rechtfertigen: "Später wirst du uns noch
einmal dankbar sein, dass wir dich gezwungen haben, die Schule zu Ende zu
besuchen."
Es gibt auch von Seiten der erwachsen gewordenen Kinder den Vorwurf: "Hättet ihr
uns doch bloß damals nicht unseren Willen gelassen!" Allerdings ist das Problem
bei Kindern dadurch entschärft, dass in der Regel jedes Individuum im Laufe seines Lebens
beide Rollen ausfüllt: Das Kind wird erwachsen. Der Erwachsene war einmal Kind.
*IV - 48*
In der Politik sind es soziale Gruppen, die Herrschaft ausüben
bzw. die ihr unterworfen sind. In der Politik kann sich eine
stellvertretende Herrschaft so verfestigen, dass zum
vorgesehenen Zeitpunkt ihrer Beendigung niemand mehr die Macht und die Freiheit hat, die
in Aussicht gestellte Beendigung der Herrschaft zu fordern bzw. zu erzwingen. In jeder
stellvertretenden Herrschaft steckt die Möglichkeit, dass sie zur partikularen
Herrschaft wird. In der Politik ist das Ende der stellvertretenden
Herrschaft nicht derart fixiert wie in der Familie, wo der Zeitpunkt des
Erwachsenwerdens absehbar ist.
*IV - 49*
Ist ein Argument, das erklärtermaßen dem Andern erst
zukünftig einsichtig sein soll, ein zulässiges Argument?
Eine notwendige Bedingung ist die intersubjektiv übereinstimmende Bestimmung des
zeitlichen Endes der Herrschaft, denn sonst könnten die Herrschenden jede Kritik
mit den Worten abwehren: "Wartet nur ab, ihr werdet es irgendwann noch
einsehen!" (Analoge Immunisierungsstrategien gibt es in der Empirie in Form von
Prognosen ohne zeitliche Bestimmung: "Der Messias wird kommen".)
Gibt es institutionelle
Vorkehrungen, die das Ende der stellvertretenden Herrschaft zu einem bestimmten
Zeitpunkt sicherstellen? Es gibt z. B. zeitlich begrenzte Verträge, die zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt
erlöschen (wenn sie nicht erneuert werden) bzw. dann, wenn bestimmte Ereignisse
eintreten (z. B. wenn die Kriterien der Mündigkeit gegeben sind).
Beim Eltern-Kind-Verhältnis besteht ein gewisser Grund zu der Annahme, dass die
Eltern das Wohl ihrer Kinder so wichtig nehmen wie ihr eigenes.
Insofern ist dies Verhältnis ein Gewaltverhältnis unter besonderen
Voraussetzungen (Fürsorge). Trotzdem gibt es kein freies Ermessen in der Behandlung der
Kinder sondern gesetzliche Regelungen, die einschränkend wirken: Gesetz über
Kindesmisshandlung, Fürsorge, Aufsichtspflicht, Schulpflicht etc..
Normativ notwendige Bedingung stellvertretende Herrschaft: die Kriterien der Mündigkeit
bzw. Unmündigkeit müssen intersubjektiv nachprüfbar formuliert werden. Hier
ergibt sich wie bei allen Normen das Problem der Norminterpretation. Falls darüber Uneinigkeit besteht, muss es Instanzen geben,
die die Normen verbindlich auslegen. Die Probleme dieser Instanz
(z. B. Rechtsprechung) sind ein umfangreicher Komplex und müssen gesondert behandelt
werden.
Die stellvertretend Herrschenden müssen angeben, welche
Maßnahmen sie ergreifen wollen, um die Unmündigkeit zu
beseitigen. Sie müssen alles gesellschaftlich mögliche tun, um die
Unmündigen
zu emanzipieren. z. B. dürfen die Herrschenden nicht einerseits die
Fähigkeit zu Lesen und zu Schreiben zum Kriterium der Mündigkeit machen und andererseits keine Maßnahmen zur
Beseitigung des Analphabetentums ergreifen.
*IV - 53*
Die Forderung nach geheimer Wahl ist eine logische Folge aus der Forderung nach
freier Wahl in Verbindung mit empirischen Annahmen über die Möglichkeit einer Sanktionierung
des Wahlverhaltens.
*IV - 54*
Entscheidung setzt immer eine Unterscheidung der Alternativen voraus,
außer bei der Zufallsauswahl. Aber da liegt eine Unterscheidung in der
unterschiedlichen zeit-räumlichen Anordnung vor z. B. des Würfels, der eine "1"
zeigt oder eine "6".
*IV - 56*
Bedingung stellvertretende Herrschaft: die Kriterien der Mündigkeit müssen im
Prinzip für die Unmündigen selber anerkennbar sein. "Im Prinzip anerkennbar"
soll heißen: Sie würden die Kriterien tatsächlich anerkennen, wenn ihr Wille den
(intersubjektiv anerkennbaren) Qualifikationen entsprechen würde. (Der Regress
ist unvermeidbar, aber nicht notwendig unendlich). Damit werden die Kriterien im
Prinzip empirisch überprüfbar, wenn auch erst zukünftig. (?)
*IV - 57*
Terminologisches:
Vielleicht kann die schwierige Bestimmung des Kriteriums "intersubjektiv anerkennbar"
analog zum empirischen Falsifikationskriterium umformuliert werden in:
"intersubjektiv kritisierbar (falsifizierbar, widerlegbar)". Prüfen,
ob eine solche Formulierung dem Begriff der Allgemeingültigkeit
entspricht und ob die Immunisierungsstrategien mit dieser Formulierung besser
erfasst werden können.
Das Kriterium der "Argumentationsmöglichkeit" bzw.
der "Argumentationsbedingungen" müsste man dann in "Kritikmöglichkeit" umwandeln.
("Kritik" gleich "Gegenargument").
Über das, was als "Behinderung der Kritik" gilt, müsste
man sich natürlich wiederum einigen (hierzu Alberts Kritik an der
Rechtfertigungstheorie der Wahrheit heranziehen).
Analog zum Kriterium des "Informationsgehaltes" in der empirischen Methodologie
das Kriterium des "Entscheidungsgehalts" entwickeln. D.h. eine normative Theorie
ist ceteris paribus umso besser, auf je mehr Entscheidungs Probleme sie
anwendbar ist. Dies Kriterium geht gegen allgemeingültige aber triviale und
inhaltsleere normative Theorien. Beispiele (inhaltsleer weil tautologisch): "Man soll immer das Richtige tun!"; "Strebe die Verwirklichung des Guten an!".
Sowas macht höchstens als Definition einen Sinn. (In der empirischen Methodologie
spielt die Zahl der Falsifikatoren bzw. Konfirmatoren eine Rolle. Was ist in der
normativen Methodologie analog dazu?)
*IV - 62*
Folgt aus der Tatsache, dass ich selber bestimmte Bedingungen "richtigen Wollens"
für mich akzeptiere, dass ich sie auch bei anderen, also allgemein fordern kann
oder muss?
Folgt daraus, dass jeder sie fordern muss?
(Nein, wenn er die Bedingungen für sich selber nicht anerkennt). Also ist das
erste Problem: Was ist, wenn jemand diese Bedingungen für sich nicht anerkennt?
Wie kann man jemanden argumentativ davon überzeugen, dass er für seinen eigenen Willen
bestimmte Qualifikationsbedingungen fordern sollte?
Ein Ansatzpunkt hierfür ist die Kritik an früheren eigenen Entscheidungen:
Man "bereut", dass man sich damals so
entschieden hat und würde sich anders entscheiden, wenn man noch einmal in
derselben Situation wäre usw. Hier kann man herausarbeiten, was die methodischen
Fehler waren, die bei der damaligen Entscheidung gemacht wurden. So kann man zu
allgemein anerkennbaren methodischen Qualifikationen der Entscheidung kommen.
Ein anderer Argumentationsgang könnte bei der Tatsache ansetzen, dass sich die
individuelle Entscheidung verändern kann, wobei die zu entscheidenden Probleme
real unverändert bleiben. Diese Tatsache ist empirisch beweisbar: Man braucht
dem Akteur
nur weitere Informationen oder Alternativen mitzuteilen,
und schon entscheidet er sich anders.
*IV - 63*
Man kann
Normensysteme danach beurteilen, welche sozialen Verhältnisse rein logisch
mit ihnen vereinbar
sind (z. B. beim Paretokriterium: Verhungern des einen und
sagenhafter
Reichtum des andern).
*IV - 64*
Gleichheit: Im Aufsatz zur Konsumentensouveränität argumentiert Scitovsky, dass
die economics of scale durch relative Verbilligung des Massenkonsums die
seltenen - und häufig "höheren" – Bedürfnisse benachteiligen und damit
Ungleichheit zwischen Elite und Masse zu Ungunsten der Elite schaffen.
*IV - 65*
Das Gültigkeitsproblem von Normen stellt sich nur angesichts einer Entscheidung
(und eines Dissens) Die Gültigkeitsfrage ist also auf diese praktische Problemlage
bezogen.
Aus dem Intersubjektivitätskriterium ableiten, warum eine normative Theorie
logisch widerspruchsfrei sein muss (logische Konsistenz). Logisch
widersprüchliche Normen führen zur Entscheidungsunfähigkeit:
*IV - 67*
Kann man aus dem Intersubjektivitätsgebot die Forderung nach präzise definierten
Begriffen und Normen ableiten? Die Einigung über vage Begriffe und
Formulierungen ist wertlos, wenn jeder etwas anderes darunter versteht.
(Dagegen: positive Funktion von Leerformeln, s. Denninger).
*IV - 68*
Unklare Ausdrucksweise und undefinierte Begriffe machen es möglich,:
*IV - 69*
Um die Bedeutung einer Norm zu klären, muss man fragen, auf welche Frage die
Norm eine Antwort gibt.
*IV - 70*
Theologische Argumente: "Eine solche Ordnung hat Gott nicht gewollt"
(bzw. kann Gott nicht gewollt haben), denn Gott ist gerecht."
Hier werden die eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen bzw. die des Zeitalters auf
Gott projiziert und anschließend aus seiner Autorität wiederum gerechtfertigt.
*IV - 71*
Teilsysteme:
Können neben einem nicht zu rechtfertigendem Normensystem auch Bereiche
bestehen, die intersubjektiv
anerkennbar geregelt sind?
*IV - 72*
Nietzsche: "Die Moral selbst ist ein Spezialfall
der Unmoral" und die Moral ist "der Instinkt der décadence, der als Wille zur
Macht auftritt". (in
Nietzsche 1959, S. 323 f.). Über die
Wesensaussage: "Alles Geschehen ist Machtwille" lässt sich nicht streiten.
*IV - 73*
"Freiheit" ist ein unvollständiges
Kriterium. Wenn "Freiheit" z. B. definiert wird als "die Berechtigung (oder die
Möglichkeit), zu tun, was man will", so wäre "Freiheit" gleichbedeutend mit einem normlosen Zustand. Wenn
man zusätzlich bestimmte Annahmen über menschliche Ziele macht (Egoismus), so
wäre das eine Situation des Faustrechts bzw. eines Kampfes aller gegen alle.
Dieser unbessschränkte Freiheitsbegriff wurde z. B. bei der
Kampagne gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen verwendet: "Freie Bürger
fordern freie Fahrt." "Frei" wird hier benutzt als Gegenbegriff zu "beschränkt".
Konflikte minimieren:
Könnte man als normatives Kriterium formulieren und vertreten: "Schaffe eine
Gesellschaft, in der die Konflikte zwischen den Individuen (die
Inkompatibilitäten ihres Wollens) möglichst gering sind ?" Zum einen können
sich Kosten des Übergangs einstellen: Vielleicht entstehen auf dem Wege
dorthin erst recht heftige Konflikte. Zum andern: Ist ein solches Kriterium damit vereinbar, dass man alle Menschen in eine äußerste Notlage
versetzt, in der jeder jeden braucht, und deshalb eine von der Not erzwungene
Gemeinschaft entsteht, die keine Konflikte mehr zulässt? (Ein Beispiel wären
etwa 5 Leute im Rettungsboot nach dem Untergang ihres Schiffes, wo die
Ruderleistung jedes einzelnen erforderlich ist, damit alle 5 gerettet werden
können.
Hier ist kein Platz für Konflikte, aber ist das deshalb ein wünschenswerter
Zustand?)
*IV - 75*
Nicht selten gibt es zwischen den politischen Kräften einen
Konsens über die Unerwünschtheit (bzw. Erwünschtheit) eines Phänomens
(z. B. Arbeitslosigkeit). Die Diskussion richten sich dann auf die Frage nach dem Verantwortlichen
für dieses Übel. Dabei macht man jemanden verantwortlich, dessen Handeln
eine notwendige Bedingung für das Auftreten des Übels darstellt: "Wenn X nicht
so gehandelt hätte, wäre das Übel nicht eingetreten". Man leitet dann die Forderung ab:
"X soll so handeln, dass das Übel nicht eintritt." (z. B.: "Wenn
die Gewerkschaften nicht so hohe Lohnsteigerungen durchgesetzt hätten, dann hätten wir
keine Zunahme der Arbeitslosigkeit. Die Gewerkschaften sollen
ihre Lohnforderungen niedriger halten".)
Hier wird aus dem Konsens ("Arbeitslosigkeit ist ein Übel")
und einigen empirischen Hypothesen logisch eine Forderung abgeleitet. Der Fehler dieser
Argumentation liegt darin, dass man bei einem Entscheidungsproblem
nicht
nur eine Alternative berücksichtigen darf. Denn das Handeln von X ist
möglicherweise nur eine von mehreren notwendigen Bedingungen. Das Verhalten eines anderen Akteurs
kann ebenfalls eine notwendige Bedingung sein (z. B. die
Investitionstätigkeit der Kapitalbesitzer). Ebenso gut kann man von den
Kapitalbesitzern fordern: "Investiert mehr, damit die Arbeitslosigkeit nicht
zunimmt".
Beide Forderungen sind gleichwertig, denn das Handeln
beider Akteure ist eine notwendige Bedingung für das Auftreten des Übels
Arbeitslosigkeit. Beide Akteure sind insofern für das Übel verantwortlich zu
machen.
*IV - 76*
"Freiheit". Es wurde gezeigt, dass der Begriff als Entscheidungsregel unvollkommen
ist und durch zusätzliche Normen ergänzt werden muss. Aber auch die Ergänzung
durch abgegrenzte Privatsphären (Eigentum) ist unvollkommen, denn es können Interdependenzen zwischen
den Sphären bestehen (externe Effekte). Wenn man diese
berücksichtigen will, muss man Entschädigungen normativ regeln, also Kollektiventscheidungen einführen, denn diese
Externalitäten sind durch Verträge nicht zu
bewältigen. Damit ist zu sehen, dass "Freiheit" kein unter allen
Bedingungen zu maximierender Wert ist, denn beim Vorhandensein von Externalitäten würden das
die gegenseitigen Schädigungen nur verstärken.
*IV - 77*
Zum Kriterium der Universalisierbarkeit. Kant: "Handle jederzeit nach der Maxime,
von der Du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."
Die analysierte Maxime ist als solche nicht logisch inkonsistent, es wird kein
logisch miteinander unvereinbares Verhalten damit vorgeschrieben. Die "Unmöglichkeit"
einer solchen allgemeinen Norm beruht eher auf bestimmten
empirischen Annahmen über menschliches Verhalten, wie z. B.: "Niemand
wird in der Regel einem anderen Geld geben, wenn er glaubt, dass
dieser die versprochene Rückzahlung nicht einhalten kann oder
will. Er könnte ihm natürlich trotzdem Geld geben, aber dies wäre dann von ihm
aus ein Geschenk, oder er verfolgt andere Ziele damit, die ihm wichtiger sind als
der Verlust des Geldes. Nur unter dieser empirischen Annahme folgt, dass der
in Geldnot Befindliche "den Zweck, den er damit haben mag (nämlich Geld zu
bekommen), selbst unmöglich macht."
*IV - 78*
Entsprechendes gilt wahrscheinlich für das Lügen. Die
Glaubwürdigkeit wird beseitigt, so dass alle Institutionen untergraben werden, die ein
bestimmtes Maß an Vertrauen voraussetzen. Dies betrifft alle
Vereinbarung zwischen Individuen (Verträge, Versprechen, Verabredungen etc.)
außer in den Grenzfällen, wo jede Seite ein "Faustpfand" gegenüber der anderen
Seite behält und damit die Einhaltung des Versprechens durch die Gegenseite
erzwingen kann. Wenn man die Existenz solcher Institutionen will, kann
man nicht gleichzeitig wollen, dass der Bruch des Versprechens allgemeinen Maxime wird
(natürlich kann man den Bruch des Versprechens durch einen selber wollen).
(Hierzu Kutschera 1973, Hare: Promising Game.)
Hare begründet seine Rechtfertigung des Versprchens auf die
goldene Regel, (wird auch als "Regel
der Reziprozität" bezeichnet): "Was du nicht willst, dass man es
dir tu, das füge auch keinem andern zu" (näher ausgeführt in "Freedom and
Reason"). In dieser Formulierung bezieht sich die goldene Regel allerdings
auf Einzelhandlungen. Für Regeln formuliert würde sie lauten: "Wende gegenüber anderen
keine Regel an, von der du nicht willst, dass andere sie Dir gegenüber
anwenden!"
Ist dies gleichbedeutend mit Kants Kriterium des Kategorischen
Imperativs? Ein Unterschied liegt vielleicht darin, dass hier nicht auf eine
allgemeine Gesetzgebung Bezug genommen wird, sondern auf die individuellen
Handlungsmaximen der betroffenen Individuen. Diese individuellen
Handlungsmaximen können sich (als individuelle) nicht logisch
widersprechen. Sie ergeben jedoch keine logisch konsistente allgemeine
Norm.
*IV - 79*
Ist die folgende Regel mit dem Kantschen Imperativ vereinbar: "Tue niemandem etwas, was Du nicht wollen würdest, wenn
Du an seiner Stelle
wärest!" Diese Regel entspricht der christlichen Moral
"Liebe Deinen
Nächsten wie Dich selbst!" Anders formuliert: "Nimm die Bedürfnisses
des andern so wichtig, als wären es Deine eigenen!") Es scheint so, als sei
diese "Solidaritätsregel" weitgehender als die Goldene Regel und diese wiederum weitgehender als der
Kategorische Imperativ.
Dieses Paradox ist analog zum demokratischen Paradox: Die Minderheit will ihre
Ziele realisieren und sie will als demokratische zugleich, dass die Mehrheit
regiert. Beides kann auseinander treten und man kann das Paradox wahrscheinlich nur auflösen,
indem man die Ebenen der institutionellen Entscheidung und der
Einzelentscheidung auseinander hält und der institutionellen Entscheidung (für
das Prüfungs- oder Wahlsystem) den Vorrang einräumt. (Warum? Weil sonst das
Problem der intersubjektiven Einigung wieder auftritt, bezogen auf die
Instrtution).
Auch bei der Anwendung der Goldenen Regel ergeben sich also Probleme, die damit
zusammenhängen, dass man immer schon das Institutionensystem normativ voraussetzen muss.
Die Individuen tauchen dann nicht mehr als solche auf, sondern nur
noch als Träger von Rollen. Kann man mit Hilfe des Kategorischen Imperativs oder der
Goldenen Regel ein Institutionssystem überhaupt
kritisieren? Dies wäre aber die Aufgabe einer politisch relevanten normativen
Theorie. Kant gibt hierfür kein Beispiel - oder?
Auch das Solidaritätsprinzip scheint dieser Kritik zu verfallen, insofern
gefordert wird, sich "an die Stelle des anderen zu versetzen", denn dies kann
wiederum bereits die institutionell vorgeschriebene Rolle sein. Solche Formen
scheinen "moralisch" in dem Sinne zu sein, dass sie bereits eine institutionelles
Normensystem voraussetzen und – unter Voraussetzung der Geltung der
Institutionen – das Problem "rein menschlich" unter dem Gesichtspunkt der
unmittelbar Beteiligten betrachten. Auf diese Weise könnte man z. B.
willkürliche Schikanen der Prüfer kritisieren.
*IV - 80*
*IV - 81*
Ähnlich wird bei der Bestimmung des Freiheitsraumes mit einem
Universalisierbarkeitskriterium
argumentiert.(Barker 1967 b, S. 145 -). "The
liberty of A will therefore be such liberty as he can enjoy concurrently with
the enjoyment of similar and equal liberty by B and C and D." Ähnlich Kant (nach
Arnaszus S. 216):"Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen
die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze
der Freiheit zusammen vereinigt werden kann."
Was bedeutet das? Dass die Freiheit des einen durch die Freiheit des anderen
faktisch begrenzt wird, lässt sich durch Abgrenzung der Verfügungssphären
(abgesehen von Externalitäten) regeln. Bei eindeutiger Abgrenzung kann die
Freiheit (Willkür) des einen mit der Freiheit (Willkür) des anderen zusammenstimmen, es gibt keine normativ ungeregelten oder widersprüchlich geregelten
Konflikte mehr – z. B. in einer total ausgearbeiteten
Eigentumsordnung. Aber ist dies denn schon das allgemeine Gesetz der Freiheit?
Was bedeutet Barkers Begriff der "gleichen Freiheit"? Kann man Freiheit
quantifizieren? Wäre die Gewährung der Vertragsfreiheit für jeden ein Beispiel
für gleiche Freiheit? Ist das gleichbedeutend mit gleichen Rechten? Wenn 'ja', dann würde
von der inhaltlichen Beschaffenheit der Privatsphäre abgesehen.
*IV - 82*
Dass man oft nicht weiß, was man will, zeigt sich daran, dass sich ein
Individuum durch ein anderes beraten lässt. "Was soll ich tun?"
bzw. "Was
würdest du an meiner Stelle tun?" Eine Beratung ist ohne jede Sanktionsgewalt,
also nicht direkt normierend. Die Frage ist, inwiefern Beratung über Information
hinausgeht. Häufig findet Beratung in einem Gespräch statt, in dem der
Ratsuchende Klarheit über seine Möglichkeiten, aber auch über seine Ziele und
Konflikte gewinnt, ähnlich wie in einem Monolog, der der Selbsterforschung
dient.
Zur Allgemeingültigkeit:
*IV - 84*
Die Grenzen einer individuell-normativen Betrachtungsweise ("moralisch" im engeren
Sinne) werden gut deutlich bei den Kontroversen innerhalb der evangelischen
Kirche über die Hilfe für die Dritte Welt. Bei der karitativen Sammlung "Brot
für die Welt" oder bei der Aussätzigenhilfe scheint die Sache
unproblematisch – man hilft den Notleidenden –, aber angenommen, die These ist
richtig, dass diese Not ihre Ursache in kolonialen oder neokolonialen
politischen Strukturen hat, müssten dann nicht die
antikolonialen Befreiungsbewegungen finanziell unterstützt werden? Damit muss
man aber zu den politischen Verhältnissen Stellung nehmen, muss Partei in einem Konflikt
ergreifen, der von beiden Seiten mit Waffengewalt geführt wird. Tut man dies
nicht und reagiert nur karitativ moralisch, hat man damit implizit das
soziale Normensystem anerkannt und füllt vielleicht berühmte Fass ohne Boden.
*IV - 85*
Die Notwendigkeit von normativen Regeln ergibt sich bereits aus der
empirischen Wissenschaft, die mit Begriffen und nicht mit Individualnamen ihre
Erkenntnisse formuliert, denn nur mit Begriffen kann man die Erfahrungen der
Vergangenheit auf die Zukunft übertragen, also lernen. Ohne Regeln könnte man
sich auch nicht auf vergangene Entscheidungen, die damals und heute als richtig
galten, berufen, d.h. es gäbe völlige Willkür, weil jede Entscheidung
völlig anders wäre und deshalb keine Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit
gegeben wäre.
*IV - 86*
Kann ich als Einzelner die Wahrheit erkennen in der Beziehung Subjekt –
Realität? Kann ich vor mir selber Recht haben, von der Richtigkeit meiner
eigenen Auffassung überzeugt sein? Das Letztere ist sicherlich sinnvoll:
Voraussetzung der Argumentation ist ja, dass die Einzelnen von der
Richtigkeit ihrer eigenen Position überzeugt sind. Aber der Begriff
"Richtigkeit" bzw. "Wahrheit" impliziert den Anspruch, dass die Position auch
für andere richtig ist. (Wenn dieser Anspruch gar nicht erhoben würde, dann könnten
Differenzen der Anschauungen gar nicht mehr zum Problem werden.)
*IV - 87*
*IV - 88*
Der Kantsche Imperativ: "Handle so, dass die Menschheit nicht nur als Mittel
sondern immer zugleich als Zweck betrachtet wird" ist in seiner inhaltlichen Bedeutung
unklar. Ist z. B. darin impliziert, dass der Tausch (bzw. Vertrag)
unzulässig ist, insofern jeder dabei nur auf seinen eigenen Vorteil achten muss
und möglichst viel für sich herausholen darf (Feilschen etc.)? Dabei ist
der andere nur Mittel, oder? Der Tausch als Institution wird allgemein damit gerechtfertigt,
dass er allen Vertragsparteien Vorteile bringt und so auch die Zwecke der anderen berücksichtigt.
*IV - 89*
Man sagt, man sei bei einem Tausch "übervorteilt" worden.
Was ist da der Maßstab?
Der allgemeine Marktpreis bzw. Tauschbedingungen, die man woanders hätte haben können?
*IV - 90*
Möglichkeit: die Wissenschaft entwickelt Naturgesetze, die bestimmte
Geschehnisse ausschlißen und
für unmöglich erklären. z. B. ist nach dem Gesetz von der
Erhaltung der Energie ein Perpetuum mobile unmöglich
(Rapaport 1963,79 – )
*IV - 91*
*IV - 92*
Was bedeutet: "nicht wissen, was man will?" Es bedeutet nicht
Gleichgültigkeit der
Entscheidung, obwohl die Alternativen selber und ihre Bewertung noch undeutlich ist.
*IV - 93*
Wie gehen Entscheidungsprozesse im Alltag vor sich? Welche Mechanismen der Überprüfung
werden angewandt?
Wenn dies für alle Bücher abgeschlossen ist, wird unter den verbliebenen
Büchern die endgültige Entscheidung gefällt. Dabei spielt die finanzielle
Beschränkung eine gewisse Rolle. Diese Beschränkung ist nicht
starr, aber mehr als 50 DM gebe ich bei meinen Besuchen nicht aus (eine
Überschreitung dieser Grenze muss besonders begründet sein.)
*IV - 94*
Bei Entscheidungsverfahren spielen Entscheidungskosten eine
erhebliche Rolle. Gegenüber dem Idealmodell der rationalen Entscheidung
wird durch stufenweise Eliminierung von irrelevanten Alternativen der
Informationsaufwand erheblich gesenkt, denn die Feinstruktur der Objekte mus nur
bei denjenigen Objekten ermittelt werden,die in die engere Wahl kommen.
*IV - 95*
Aus dem Kriterium "Voraussetzungen der Argumentation" müssen auch die Bedingungen
der Logik abgeleitet werden, die klare Definition der Begriffe etc..
Bedingung der Verständigung ist die gleiche Interpretation der Begriffe.
Unklare Begriffe, dunkle Formulierungen etc. können der Immunisierung
dienen, weil man immer sagen kann: "Du hast mich falsch verstanden" oder "Deine Kritik trifft mich nicht".
Allerdings kann Unklarheit des Ausdrucks auch auf theoretische Schwierigkeiten
zurückgehen, die sich nicht eliminieren lassen. Doch sollte dies
offengelegt werden.
*IV - 96*
Logische Widersprüche machen entscheidungsunfähig:" Tue x und tue x nicht!"
Solche Theorien sind unbrauchbar.
*IV - 97*
Normative Theorien mit unscharfen Begriffen sind insoweit unbrauchbar, als sie
aufgrund der Vagheit keine Entscheidung ermöglichen, indem sie z. B. beiden
Kontrahenten die Berufung auf dieselbe Theorie ermöglichen.
*IV - 98*
Die Analyse von Wertbegriffen wie Freiheit, Gemeinwohl
etc. hat heuristischen
Wert, insofern man dabei die praktizierten
Argumentationsmuster rekonstruiert. Damit sind sie aber noch nicht
gerechtfertigt.
*IV - 99*
Inwiefern kann man fordern, dass jemand diejenigen Kriterien, die er bei seinen
eigeninteressierten Entscheidungen angelegt, auch
bei kollektiven Entscheidungen
anwenden soll, z. B. Widerspruchsfreiheit, empirische Wahrheit,
Berücksichtigung des Möglichen, Reflexion der Motive etc.. Wie kann man
dies aus dem Intersubjektivitätsprinzip ableiten?
*IV - 100*
"Freiheit". Jemand der durch einen Bergrutsch eingeschlossen ist, ist
nicht unfrei sondern in einer schlechten Lage, wenn Unfreiheit nur in Bezug auf
Einschränkungen durch andere Personen definiert ist. Wird jemand durch andere Menschen eingeschlossen,
so wäre er unfrei, die tatsächliche Lage kann die gleiche sein. Es stellt sich jedoch
die Frage, ob die Unterscheidung zwischen natürlichen und menschlich bedingten
Einschränkungen des Tuns immer klar zu ziehen ist. Was ist mit jemandem, der arm
ist und deshalb vieles nicht tun kann, was er gerne tun möchte? Ist der Arme
"unfrei"? Seine Armut ist auch durch andere Menschen bedingt. Die
Eigentumsordnung ist eine Beschränkung des Tuns der Einzelnen durch andere
Menschen entsprechend der Zahlungsfähigkeit.
*IV - 101*
Ein Scheitern der intersubjektiven Übereinstimmung impliziert nicht, dass damit
generell ein Gewaltverhältnis existiert. Dies ergibt sich nur in
Bezug auf diejenigen Normen, bei denen keine intersubjektive Übereinstimmung erzielt
wird. Es können deshalb ohne weiteres andere Normensysteme intakt bleiben. Etwa
bei einem
Krieg, in dem beide Seiten bestimmte Völkerrechtsnormen
akzeptieren. Die Kriegserklärung ist damit also nicht
total. Der Ausbau von Normensysteme geht meist auf der Grundlage
bereits anerkannter Normen vor sich (was natürlich nicht heißt, dass diese nicht
ebenfalls strittig werden können.)
*IV - 102*
Ich gehe von einem praktischen Problem aus, dem Streit um die
Gültigkeit von Normen und der Frage nach intersubjektiv übereinstimmenden Gültigkeitskriterien. Man
kann sicherlich auch die historischen Rahmenbedingungen des Problems und der
Fragestellung in die Reflexion mit einbeziehen (wie es Habermas und die Marxisten fordern würden.) Was sind diese
Bedingungen?
Man kann das Ziel der "Erkenntnis" sicher auch anders formulieren, als ich es tue. Etwa als "Nachschöpfung der Welt aus dem Geiste", als
"Selbstvergewisserung des Geistes über sich selbst", als "Begründung absoluten Wissens" etc.. Über den Sinn solcher
Bestimmungen von "Erkenntnis" ließe sich sicherlich streiten. Aber gleichgültig, wie man solche
Erkenntnisprogramme beurteilt, es bleibt doch die Frage nach der Allgemeingültigkeit
von behaupteten Normen bestehen. Es zeige jeder, was er zur Lösung des Problems
beizutragen hat.
*IV - 104*
Ein Ziel der normativen Methodologie: den Gewaltherrschern ihr gutes Gewissen
nehmen, und den Beherrschten den Rücken zum Widerstand stärken, indem
Gewaltverhältnisse als solche erkannt werden.
*IV - 105*
Die Gültigkeit von Behauptungen muss zeitunabhängig
sein. Wäre es anders, dann könnte man
über Gültigkeit nicht argumentieren, denn Diskussionen benötigen selber Zeit. Damit ist nicht behauptet dass
gültig angesehene Behauptungen sich zukünftig nicht doch als ungültig erweisen werden, was impliziert, dass sie
bereits ungültig waren, als sie noch als gültig angesehen wurden.
*IV - 106*
Was sind das für Fragen: "Bin ich nicht ich selber?", "Bin ich mit mir selber
identisch?" oder "Warum kann ich 'ich' zu mir sagen?". Ob diese
Fragen sinnvoll
sind, bekommt man am ehesten heraus, wenn man nachverfolgt, was derjenige mit den Antworten
auf diese Fragen anstellt, der behauptet, sie seien sinnvolle oder gar unerlässliche Fragen.
*IV - 107*
Wäre es sinnvoll, einmal rein subjektiv zu
formulieren? Zu fragen wäre dann: "Was sind die Kriterien dafür, dass meine
Überzeugungen für mich
gültig sind – und es in Zukunft bleiben?" Wie hängen diese subjektiven Gewissheitskriterien mit
dem Intersubjektivitätsprinzip zusammen? Bauen die Kriterien intersubjektiv
übereinstimmender Erkenntnis auf den
Kriterien rein subjektiver Erkenntnis auf?
*IV - 108*
Die Forderung, man müsse "alles auf einmal infrage stellen", hebt
sich selber auf: denn damit hat man sich auch der Sprache und im Prinzip der
anderen Individuen entledigt. Die Antwort sicher radikalen Einfluss sichert
philosophischen Fragestellungen und Erschütterungen haben etwas seltsam Chimäre,
die Erdbeben finden nur in den Köpfen dieser Philosophen statt und im
Hintergrund steht die kindliche Allmachtsvorstellung auf der Grundlage von ein
paar Pfund hören.
Wer "diese" akzeptiert, ohne gleichzeitig die Fähigkeit zur nachvollziehenden
der Überprüfung dieser tiefen Gedanken erworben zu haben, gehört zu den Trägern
philosophischer Legenden. Man staunt und bewundert, ohne selbst begriffen zu
haben. Institutionelle und pädagogische Voraussetzung dafür schaffen, dass es im
Interesse jedes Individuums liegt, dass die Interessen auch der anderen
Individuen
gefördert werden.
*IV - 109*
Das Problem Poppers, wie man Rationalität rechtfertigen könne, da eine
Rechtfertigung doch immer schon Rationalität voraussetzt, löst sich durch
Analyse der Problemsituation. Ich kann zwar einem anderen nichts beweisen, wenn
er es nicht will, aber
wenn jemand das Intersubjektivitätsgebot
nicht anerkennt, so hat er damit auch die Grundlagen der Argumentation
aufgekündigt. Ich kann nicht und
muss auch nicht mehr mit ihm argumentieren.
*IV - 110*
Der Kantsche Kategorische Imperativ wird gerade über die Verherrlichung der Pflicht
gewonnen, wo dem Individuum alles Empirische, Sinnliche, jede Neigung
ausgetrieben wird. Es bleibt nur noch ein Vernunftswesen – jedenfalls dem Ideal
nach, bzw. ein Wesen, das in zwei Welten existiert, der intelligiblen
und der empirischen. Richtig ist, dass eigennützige Motive keine
Grundlage moralischen Verhaltens sein können. Moralisches Verhalten hat seine
Motivationsgrundlage sicherlich in der sozialisierenden und internalisierenden Wirkung
der Gesellschaft selber. Dazu gehört unstreitig ein Institutionen- und Sanktionensystem, das wiederum die eigennützigen (bzw. faktisch vordringlichen)
Motivationen der Individuen solchen rechtlichen Bedingungen unterwirft, dass sie zugleich
Motive des moralischen Verhaltens werden.
*IV - 111*
Ich mache normative Methodologie. Die inhaltliche Füllung ergibt sich
aus der Anwendung der formalen Kriterien in Form eines
entsprechenden sozialen Institutionensystems, das die individuellen Präferenzen
ermittelt, interpretiert, gewichtet und letztlich zu einer
allgemein verbindlichen sozialen Entscheidung aggregiert. Was inhaltlich
richtig ist, kann nicht die Methodologie entscheiden, sondern z. B. ein
(idealer) Wahlmechanismus. Insofern führt die normative Methodologie nicht zur
Diktatur der Methodologen bzw. derer, die sich auf
die Methodologie berufen (Dies ist ein häufiger
Einwand gegen eine normative Methodologie.)
*IV - 112*
Ein
Sanktionensystem erfordert die Interpretation der Norm, die Überwachung des Verhaltens
der Individuen und Zwangsmittel zur Sanktionierung. Wenn dies aus irgendwelchen
Gründen nicht gegeben ist, bleibt nur noch die Verinnerlichung der Norm.
*IV - 113*
Die Voraussetzungen der Argumentation:
*IV - 115*
*IV - 116*
Terminologische Enscheidungen. Soll man "allgemein gültig" oder
"intersubjektiv übereinstimmend" sagen? "Allgemein"
soll nicht heißen "für jeden", denn hier können verschiedenste
empirische Voraussetzung der Argumentation nicht gegeben sein. "Allgemein" soll heißen:
"für jeden
der an der Diskussion möglicherweise teilnimmt". z. B. ist es sinnlos,
von "gültig" für einen Schwachsinnigen zu sprechen. Hier handelt es sich immer um
therapeutische pädagogische Kommunikationsformen.
*IV - 117*
Wie begründen sich die (normativen) Bedingungen der Argumentation? Aus dem
Ziel, zu allgemein gültigen Antworten auf Fragen zu kommen
(Wahrheitssuche). Wie
begründet sich dies Ziel? Es lässt sich nicht zwingend für jemanden
rechtfertigen, der dies Ziel nicht teilt. Aber ihm gegenüber ist auch jede
Begründung überflüssig. Er hat die Bedingung der Argumentation
aufgekündigt, das Wort "rechtfertigen" hat für ihn keine Bedeutung.
*IV - 118*
*IV - 119*
*IV - 120*
Niemand wird zugeben wollen, dass er das Ziel einer allgemeingültigen Antwort
nicht anstrebt, selbst wenn er z. B. insgeheim nur das eine Ziel verfolgt, so viel
Verwirrung in den Köpfen zu schaffen, dass die Unhaltbarkeit seiner eigenen Position
nicht deutlich werden kann. Was macht man dann? Kann man ihn festnageln?
Vielleicht nicht ihn selber, eher schon in den Augen von
Dritten, die bestimmte Regeln der Argumentation anerkennen und nicht bereit
sind, diese Bedingungen zugunsten einer solchen Position über Bord zu werfen.
*IV - 121*
Warum benutzt man Zufallsmechanismen, um Entscheidungen
herbeizuführen?
*IV - 122*
Die Entstehung von Normensystemen zu analysieren, ist aus heuristischen Gründen
sinnvoll: (Kambartel, Lorenzen) Was haben sich die Leute damals dabei gedacht? Wie
wird tatsächlich verfahren? Das Existierende ist unter anderem ja Ergebnis der
Überlegungen vergangener Generationen. Wir fangen insofern auch nicht beim Punkt
Null an – abgesehen davon, dass der Status quo Ausgangspunkt unserer
Veränderungsbemühungen ist.
*IV - 123*
Jemand kann sich zur egoistischen Position bekennen und das Intersubjektivitätsgebot ablehnen, aber er kann für diese Position nicht argumentieren.
*IV - 124*
*IV - 125*
Inwiefern ist die Rechtfertigung eines ganzen Normsystems gegenüber anderen
Normensystem (z. B. beim Vergleich zweier Wirtschaftsordnungen) verschieden von der
Rechtfertigung einer Handlungsalternative gegenüber einer anderen? Das erster
Verfahren berücksichtigt die Übergangskosten nicht, da es nicht den Status quo
einbezieht. Kann man auch sagen, dass im ersteren Fall die Normsysteme unter der
Bedingung ihrer Einhaltung verglichen werden? D.h. dass auch die nötige
Motivations–, Überwachungs-, Sanktions- und Übertretungskosten unberücksichtigt
bleiben? Wenn ja, so wird der Vorwurf des utopischen, idealistischen,
theoretischen verständlich, demgegenüber auf praktischer Erprobung bestanden
wird.
*IV - 126*
Gibt es überhaupt "die" Präferenzen eines Individuums in einer gegebenen
Situation? Oder gar unabhängig von jeder Situation? Sind es nicht immer Präferenzen unter
normativen Voraussetzungen, z. B. bei Geltung des Eigentumsrechts, eines des Preissystems, des Mehrheitswahlrechts. Immer wird doch die
Formulierung der Präferenz durch den normativen
institutionellen Zusammenhang seiner Ermittlung und Bestimmung bereits
beeinflusst. Ist insofern Arrows Ausgangspunkt unrealistisch?
*IV - 127*
Die Logik des intraindividuellen Nutzenvergleichs analysieren. Wie wird hier
aggregiert? Oder auch beim intertemporalen Nutzenvergleich eines Individuums. Kann man die individuellen Rationalitätsmaximen zur Basis der intersubjektiven
Aggregationsregeln machen?
*IV - 128*
Es kann auch Pseudoeinigungen geben, etwa wenn man sich auf
den Wortlaut
eines Vertrages geeinigt hat, ohne zu merken, dass jede Vertragspartei diesem einen anderen Sinn
unterlegt. Dies kann allerdings auch eine einverständliche Strategie sein, um
z. B. in außenpolitischen Verträgen einen Teilbereich mit abzudecken, über den
man sich faktisch nicht geeinigt hat. ("Fauler Kompromiss").
*IV - 129*
Folgt aus der Tatsache, dass man eine bestimmte Norm für richtig hält, dass man
sich auch nach ihr verhalten muss? Oder gibt es eine zusätzliche unausgesprochene
Bedingung? z. B. kann ich die Norm für richtig halten, niemals jemanden mit
Waffengewalt zu etwas zu zwingen. Aber wenn jetzt ein anderer mich mit
Waffengewalt angreift, so würde die Befolgung meiner Norm dazu führen, dass ich
mich unbewaffnet der Gewalt des andern beugen muss. (Das Dilemma des
prinzipiellen Pazifisten.) Ich habe dann vielleicht nicht unmoralisch gehandelt,
aber das gewünschte Normensystem ist dadurch auch nicht etabliert worden und ich
habe mir selber geschadet. Ist es dann nicht sinnvoller, die pazifistische Norm
so zu interpretieren: "Ein Normensystem, das die Anwendung von Gewalt verbietet,
ist besser als eines, das dies nicht tut" oder "Ich werde keine Waffen
gebrauchen, solange auch alle anderen so handeln"?
*IV - 130*
Ein Normensystem verliert seine Gültigkeit für das individuelle
Handeln, wenn seine Geltung nicht gegegeben ist. Das heißt jedoch nicht, dass man es nicht weiterhin als effektives
System anstreben kann oder soll.
Dieser Gesichtspunkt wird am Zusammenbruch bestimmter Normensysteme deutlich, wenn
diese ungestraft übertreten werden, z. B. durch Vordrängeln in Warteschlangen.
Wenn andere Personen sich nicht an die Reihenfolge der Abfertigung gemäß ihrer Ankunft halten, sind diejenigen
die Dummen, sich weiterhin anstellen. Es entsteht ein Zustand extrem ungleich
verteilter Wartezeiten. Nun mag man versuchen, der Norm Geltung zu
verschaffen. Gelingt dies jedoch nicht, so hält sich sinnvollerweise niemand
mehr an die Norm des "Hinten-anstellen!"
*IV - 131*
Wenn jemand für das Zusammenfallen von Moral und Selbstinteresse plädiert (Hume in
Gauthier 106-110) und dabei mit den tatsächlichen sozialen Verhältnissen und
psychischen Empfindungen argumentiert, so setzt er dabei ja schon bestimmte
normative und pädagogische Institutionen voraus, die gerade dazu dienen, die
Befolgung der geltenden Normen zum Selbstinteresse jedes einzelnen zu machen, z.
B.
Sanktionssysteme, Erziehungseinrichtungen etc.. Aber diese
normativen Institutionen sollen ja gerade erst gerechtfertigt werden. Dies geht
sicherlich nicht über das Eigeninteresse.
Es kann unabhängig vom Erziehungs- und
Sanktionsprozess im Individuum verankerte Bedürfnisse geben, die sich auf
das Wohlergehen der andern richten, die Zustimmung und Anerkennung der andern
suchen usw. Diese "instinktiven" altruistischen bzw. sozialen
Regungen sind meist gruppenbezogen, also auf die eigene Gesellschaft (Familie,
Sprachgruppe, Lokalpatriotismus, Ethno, Nationalismus, Klasse – Stand –
Berufsgruppe etc.). Sie führen insofern noch zu keiner allgemeinmenschlichen Moral.
*IV - 132*
Es gibt auch "natürliche" Reaktionen auf schädigendes Verhalten
anderer und damit einhergehende Normverletzungen in Form von Aggression und
Rachegefühlen usw.. Das sind gewissermaßen die "natürlichen" Regler der
Moralität. Aber diese Rache-Reaktionen von Konflikt-Parteien sind immer nur über
die jeweils verfügbaren Machtmittel
wirksam und die sind nicht notwendig gleichverteilt. Die Wut der Ohnmächtigen
braucht man deshalb nicht zu fürchten, die Wut der Mächtigen umso mehr.
*IV - 133*
Terminologisches: Soll man den Terminus
"Wahrheit" für faktische Aussagen
reservieren und für Normen und Werturteile den Begriff "Gültigkeit" nehmen? Und
welchen Begriff soll man für das Kriterium der Intersubjektivität nehmen?
"Allgemeingültigkeit" als Oberbegriff für "Wahrheit" und "Gültigkeit"? Es gibt ja auch
noch den Begriff der "Richtigkeit". Man spricht von einer "richtigen Antwort auf
eine Frage", allerdings auch von einem "richtigen Ersatzteile für ein Auto"
etc.. Vielleicht muss die Terminologie erstmal noch vorläufig bleiben,
allerdings genau definiert, so dass die Wortwahl zweitrangig wird, ähnlich wie
bei der logischen Symbolik, die zwar exakt und ineinander übersetzbar aber nicht
einheitlich ist.
*IV - 134*
Das Immunisierungsverbot kann in der empirischen Wissenschaft bestimmte Theorien
von vornherein ausschließen. Aber innerhalb dieses Rahmens kommt ein
zusätzliches Kriterium zur Anwendung: die Übereinstimmung mit den beobachtbaren Fakten. Was
ist das entsprechende Kriterium in der normativen Wissenschaft?
Der intersubjektive
Nutzenvergleich aufgrund annähernd gleicher Bedürfnishierarchien?
*IV - 135*
Der Appell an das Eigeninteresse (Sanktiondrohung
etc.) kann der Motivation zu normgemäßen Handeln dienen. Er kann die
moralische Argumentation jedoch nicht ersetzen.
*IV - 136*
Kann man die Notwendigkeit von generellen Normen,
die unabhängig von Raum und Zeit gültig sind, aus der
Konsistenzforderung an die Einzelvorschriften ableiten? Lassen sich nicht beliebige
Mengen von Einzelvorschriften in Regeln zusammenfassen, wenn sie in sich
konsistent sind? [Allerdings: Ein Imperativ: "Tue (hier und jetzt) x!"
kann
keinem anderen Imperativ widersprechen, wenn nicht zufällig die Raum-Zeit-Bestimmungen identisch sind
- einschließlich der Identität der Adressaten].
*IV - 137*
Rawls Konzept des "reflektierten Gleichgewichts" basiert auf
der Anwendung von zwei Perspektiven: den
für richtig erachteten normativen Prinzipien und den intuitiven normativen
Einzelurteilen. Beide Perspektiven werden einem wechselseitigen Überprüfungs-
und Anpassungsprozess unterworfen, bis ein Gleichgewichtszustand erreicht ist.
Ähnelt dies der empirischen Methodologie (Einzelbeobachtung und Theorie)?
In der Empirie haben die Einzelbeobachtungen großes Gewicht. Allerdings verlangt
man auch hier eine Wiederholbarkeit.
*IV - 138*
Terminologisches: "Geltung" als faktisch sanktioniert im Sinne von "geltendes
Recht". Dagegen "Gültigkeit" als anzuerkennendes Recht, als gelten sollendes
Recht.
*IV - 139*
Regel der Argumentation: Die Bereitschaft, die
eigene Position zu korrigieren, wenn ein gültiges Gegenargument geliefert wird. (Dies geht sicherlich gegen
die angeborenen psychische
Stabilisierungstendenzen der Persönlichkeit. Es bedarf also einer Anstrengung,
einer gewissen Selbstüberwindung, eines
spezifischen Motivs zur Wahrheitssuche.)
*IV - 140*
Zu Rawls Differenzprinzip:
Außerdem ist durch die nur ordinale Messung die Frage des Abstands zwischen besser
und schlechter Gestellten unbeantwortet - genau wie beim Paretokriterium. Eine
weitere Frage ist, was mit Veränderungen ist, die eine Gruppe schlechter stellen.
Sind solche Veränderungen zulässig? Außerdem: bei ordinaler Messung kann man Besserstellungen
nicht quantitativ miteinander vergleichen. Vielleicht fällt für die schlechter
Gestellten immer nur etwas ab ...
*IV - 141*
Solchen Theoretikern auf die Finger sehen, die – ohne sich das Problem der Gültigkeit
von Normen systematisch zu stellen – doch am Ende zu handfesten Normen,
Forderungen oder Verhaltensvorschriften gelangen, für die sie allgemeine Gültigkeit
beanspruchen.
*IV - 142*
Eines der gängigsten Beeinflussungsmittel auf normativen Gebiet ist die
Unterdrückung von verfügbaren Alternativen. Man
muss sich dadurch zwischen Möglichkeiten entscheiden, die gar nicht
alternativ sind.
*IV - 143*
Zum "Schleier des Nichtwissens in der Ausgangsposition" bei Rawls. Problematisch
ist, dass in diesem Zustand die Individuen kein konkretes Bewusstsein der
möglichen Bedürfnisse haben können, bestimmte Ziele aber erst in der
konkreten Kenntnis der zu wählenden Gesellschaftsordnung bewusst werden.
*IV - 144*
Das Mehrheitsprinzip wird damit gerechtfertigt,
dass es die meisten Individuen zur
Realisierung der getroffenen kollektiven Entscheidungen motiviert sind. (Aber diese Motivation kann
auch eine Minderheit durch die Anwendung von Sanktionen erzeugen.)
*IV - 145*
Individualismus: Ob es das Individuum als solches gibt
unabhängig von einer Gesellschaft, ist eine
Pseudofrage, die nicht beantwortbar ist. Im normativen Gespräch tritt das
Individuum mit eigenen Argumenten und Forderungen auf. Und der Gültigkeitsanspruch
wird gegenüber dem einzelnen Individuum erhoben. Insofern ist das Individuum ein
realer Träger von Kritik. Man kann
natürlich fragen, was das Argumentieren des Individuums möglich macht, historisch –
sozial. Da gibt es Abhängigkeit von anderen Individuen.
*IV - 146*
Im Recht – vor allem im angelsächsischen – spielen Präzedenzfälle eine große
Rolle: die Begründung: Konsistenz der allgemein geltenden Normen, die keine
unterschiedliche Behandlung der Fälle gestattet. Außerdem Rechtssicherheit, die eine
Voraussehbarkeit
der juristischen Maßnahmen impliziert und eher der Koordinationsproblematik
zuzurechnen ist.
*IV - 147*
Die Ausgangsposition ist der Versuch von Rawls, das Status-quo-Problem
jeder Konsens- bzw. Vertragstheorie zu umgehen.
*IV - 148*
Kann man die verschiedenen Entscheidungsregeln als Abwandlungen bzw.
Abschwächungen der Konsensregel interpretieren? Freiheitsräume –
Mehrheitsregel – Paretokriterium – Ausgangsposition etc.?
*IV - 149*
"Wat de Buer nich kennt, det fret he nich." Präferenzen aufgrund von Erfahrung.
*IV - 150*
Regeln der Argumentation:
*IV - 151*
Daraus folgt u.a., dass man mehrdeutige Wörter vermeidet (sofern die
Gefahr einer Verwechslung des Gemeinten besteht). Dies kann man durch eine
veränderte
Definition der Begriffe erreichen. Wer diese Regel abgelehnt, verstößt gegen
die zentrale Regel: "Strebe nach allgemein gültigen Normen!" Denn gegen
mir unverständliche oder mehrdeutige Argumente kann ich nicht argumentieren. Der andere kann im
Zweifelsfall immer sagen, ich hätte ihn falsch verstanden, mein Argument träfen
ihn nicht.
*IV - 152*
Juristische Leerformeln sind genaugenommen "operational" definiert.
z. B.: "Ein
Verstoß gegen die Menschenwürde ist das, was das Bundesverfassungsgericht als
einen solchen ansieht".
*IV - 153*
Regeln der Argumentation: "
*IV - 154*
Man unterscheidet "Geist" und "Buchstaben" eines Gesetzes oder Vertrages und man beruft sich auf beides.
Was ist der Geist unabhängig von der Bedeutung der normativen Formulierungen?
z. B. Absichtserklärungen oder Zielformulierungen allgemeiner Art in
Präambel, Anfangsartikel etc.?
*IV - 155*
Zu reinen Koordinationsregeln wie z. B.:
"An Kreuzungen soll der Verkehrsteilnehmer, der (immer in Fahrtrichtung gesehen) von rechts
kommt, gegenüber dem Verkehrsteilnehmer, der von links kommt, Vorfahrt haben (obwohl das sicherlich kein
reines Koordinationsproblem ist.) Welche Argumente gibt es hier für die eine
oder die andere Regelung? Sie sind gleichwertig, abgesehen vom Status quo.
*IV - 156*
Unzurechnungsfähigkeit gilt als äußerst negative Eigenschaft. Das eigene Handeln
kann einem nicht zugerechnet werden. Man entgeht vielleicht der Strafe
und der Schuld, aber dafür verliert man auch die Geschäftsfähigkeit, kommt
vielleicht gar in Sicherungsverwahrung.
*IV - 157*
"Chancengleichheit". entspricht dem Leistungsprinzip: die Leistungen müssen dem
Individuum zugerechnet werden und nicht fördernden Umständen. Aber wo ist die
Grenze zwischen Individuum und Umstand zu ziehen? (?)
*IV - 158*
Konsumverzicht als Leistung des Kapitaleigentümers. Aber verzichten kann nur,
wer genügend hat. Man kann auf umso mehr verzichten, je mehr man hat. Insofern ist es ein sehr ungleiches
Maß für die Leistung der Individuen.
*IV - 159*
Was spricht gegen ein familiäres anstelle eines individuellen Leistungsprinzips?
(Wichtig bei Erbrecht)
*IV - 160*
Die Allgemeinheit soll dem Individuum in unverschuldeten Notlagen helfen. Warum?
Was sind das "unverschuldete Notlagen"?
*IV - 161*
Wie zwingend ist das Intersubjektivitätsgebot? Kann auch jemand an der
normativen Diskussion teilnehmen mit der Absicht, die Unmöglichkeit allgemein
gültiger Normen zu zeigen? (Vielleicht ja, aber auch dazu muss er sich erstmal
auf den Versuch einlassen.)
*IV - 162*
Gehört auch der Verzicht auf Zwang zu den Regeln der Argumentation? Inwiefern
unterscheidet sich die Begründung hier von der Begründung für die Freiheit der
individuellen Entscheidung? Inwiefern unterscheidet sich diese Problematik des
Strebens nach allgemeiner Gültigkeit von der Problematik des Konsens als
Entscheidungs Regel?
*IV - 163*
Kambartel (in Kambartel S.66,67) charakterisiert den rationalen Dialog durch "Unvoreingenommenheit" (Bereitschaft, die eigene Position infrage stellen zu
lassen).
"Zwanglosigkeit" (keine Anwendung von Sanktionen zur Erreichung von Zustimmung
zu einer Behauptung)
Nicht–Persuasivität (keine Argumente wider besseren Wissens anwenden, um die
Zustimmung des anderen zu erhalten).
*IV - 164*
Konsens unter Zwang. Wenn jemand sagt, bevor er einer Folterinstanz
überantwortet wird:" Alles, was ich unter Folter sagen werde, entspricht nicht
meinem Willen, erkenne ich nicht an", so ist damit das Problem der
qualifizierten Zustimmung gestellt. Man sagt vielleicht auch metaphorisch: "
... da
war ich nicht selber" oder "Die haben meinen Willen gebrochen".
In der Rechtsprechung sind Geständnisse unter Folter ungültig (ebenso wie
Verträge unter Zwang). Ähnliches gilt für die Ausschaltung des kritischen
Denkens durch Drogen, Hypnose, Krankheit usw. Beispiele der
Inquisition, des modernen politischen Terrorismus, erpresste Unterschriften,
Geständnisse, Widerrufe, Schuldbekenntnisse etc.)
*IV - 165*
Terminologisches: der Ausdruck "Transsubjektivität" suggeriert ein über den
Individuen und ihrem Wollen angesiedeltes Gültigkeitskriterium, gar ein von ihnen
unabhängiges. Deshalb ist der Ausdruck "Intersubjektivität" doch vorzuziehen
*IV - 166*
Wenn jemand sagt: "Erziehe die Menschen so, dass Konflikte abgebaut und
Kooperation gefördert wird!" (Bertrand Russell), so muss die Frage gestellt
werden, ob dadurch nicht die Konflikte nur in das Individuum verlagert werden (siehe
Schwemmer in Kambartel), also das Nutzenniveau der Individuen
jetzt durch interne
Konflikte statt durch externe herabgesetzt wird.
*IV - 167*
Terminologisches. Bedeutung von "allgemein gültige Norm".
*IV - 168*
Ziel dieser Überlegungen: den Bereich normativer Streitfragen verringern, nicht gänzlich
eliminieren, eventuell auch: neue Lösungsvorschläge zu machen.
*IV - 169*
Systematische Kooporationsvorteile werden normativ geregelt,
wobei die
Voraussetzung gilt, dass jeder mit annähernd gleicher Wahrscheinlichkeit Nutznießer
bzw. Kostenträger der normativen Regelung ist. z. B. die Norm: "Halte
anderen Menschen die Tür auf, diese mit beiden Händen tragen müssen!"
*IV - 170*
Wenn die Nutzendimension die Entscheidungsstruktur eines Individuums in Bezug
auf eine Menge von Alternativen quantitativ abbildet, so ist damit immer die
gegebene Situation vorausgesetzt, also dass was alle Alternativen gemeinsam ist,
vor allem der Ausgangspunkt, der Status quo.
*IV - 171*
Das Intersubjektivitätsgebot impliziert eine gewisse Symmetrie der
Argumentationspartner, sofern beide nach intersubjektiv einsichtigen Argumenten streben
sollen. Es kann sich also niemand in die Position begeben, die einfach sagt: "Das überzeugt
mich nicht" und den andern sich ab strampeln lässt.
Jeder muss selber Argumente
für seine Position vorbringen.
*IV - 172*
Wahlsituationen konstruieren, in denen die Interessen der Individuen
zusammenfallen: die "original position", die Teilung des Kuchens in
möglichst gleich große Stücke, die Reziprozitätsannahme etc.
*IV - 173*
Zur "Ausgangsposition" bei Rawls: vielleicht ist diese Methode akzeptabel. Sie
ist aber
praktisch nicht realisierbar: der Schleier des Nichtwissens lässt sich nicht
erzeugen.
*IV - 174*
Über Wertungen kann man sich eigentlich nur insofern streitet, als
sie
verhaltensrelevant werden und zu Normenkonflikten führen.
*IV - 175*
Die normative Methodologie soll Normen- (Friedens-, Interessen- ) konflikte
entscheiden. Insofern ist ein bestimmter Konkretionsgrad für die zu bestimmende
Norm durch die Problemsituation vorgegeben. Es geht nicht um irgendwelche
gültigen Normen, sondern gültige Normen, die für bestimmte Konflikte relevant
sind. Dies ist das Argument gegen Leerformeln ohne eine Festlegung der
Interpretationskompetenz).
*IV - 176*
Impliziert "Wollen" "Können"? Wenn ein Gelähmter sagt: "Ich will tanzen", so ist das
nicht sinnlos. Hier wird ein Ziel formuliert, dessen Erreichung gegenwärtig
unmöglich ist, aber dessen Erreichung in der Zukunft nicht ausgeschlossen werden
kann (z. B. wegen der Möglichkeit neuartiger Heilungsmethoden).
*IV - 177*
Auch die Konstruktion Rousseaus (Homogenität, Gleichheit, Nichtexistenz von
Koalitionen etc.) ist eine Entscheidungssituation, in der die
Interessen
der einzelnen zusammenfallen - zumindest die grundlegenden.
*IV - 178*
Ich halte einen Mehrheitsbeschluss für falsch und als Demokrat doch für
gültig.
Anders liegt der Fall, wenn eigentlich alle in der gleichen Interessenlage sind
und deshalb eigentlich auch zum gleichen Votum kommen müssten (Das ist wohl die Annahme
Rousseaus). Wenn ich dann in der Minderheit bin, gibt es nur die zwei
Möglichkeiten: 1.) dass ich mich geirrt habe, oder 2.) dass sich die Mehrheit geirrt
hat. Bei Anwendung des Mehrheitsprinzips wird davon ausgegangen, dass sich jeweils
die Minderheit geirrt hat.
Welchen Sinn haben dabei Verfahren der Gerichtsbarkeit wie in Amerika, wo die 12
Geschworenen zu einem einheitlichen Urteil (nur über den Tatbestand und auch
über das Strafmaß?) kommen müssen, damit ein Angeklagter verurteilt werden kann
(In deutschen Gerichten, z. B. beim Bundesverfassungsgericht, wird wohl
abgestimmt.)
Inwiefern kommt hier das Problem der Verhältnismäßigkeit der Mittel auf? Man
könnte sagen, dass ein eine existenziell betroffenen Minderheit härtere Mittel
anwenden dürfte als eine marginal tangierte Minderheit. Eine andere
Frage ist die, ob man selbst bei Vorliegen des Kriegszustandes aufgrund
der Klugheit, also aufgrund strategischer Überlegungen, lieber innerhalb des legalen
Rahmens agiert, um dem Gegner keine Angriffsfläche juristischer Art bieten.
*IV - 180*
Gewichtung: man spricht von "schwerwiegenden" Verstößen, auch das
Strafmaß stellt
eine Gewichtung dar.
*IV - 182*
In der normativen Methodologie gibt es zwei Enden der Überprüfung – einmal die
Überprüfung der allgemeinen Prinzipien, zum anderen die Überprüfung anhand der
produzierten Einzelentscheidungen. Wenn an einem der Pole etwas und akzeptabel
erscheint, muss man in die andere Richtung zurückgehen, um zu prüfen, wie sich
eine akzeptable Änderung des gesamten Systems herbeiführen lässt (das "Gleichgewicht" bei Rawls. Dies ähnelt der
Marxsche Methode des Aufsteigens vom
konkreten zum abstrakten und umgekehrt).
*IV - 184*
Was unterscheidet das Intersubjektivitätsgebot von der Anwendung der Konsensregel
in einzelnen Bereichen? Wahrscheinlich die Verbindung der Konsensregel mit der Status quo
Regel. Ohne die Status quo Regel stellt sich aufs neue die generelle Intersubjektivitätsproblematik als methodologisches Problem.
*IV - 185*
Unterscheiden: Konsistenz von Normen (logisch) und
Kompatibilität empirisch
logisch und empirische Unvereinbarkeit von Normen (Wright 1963, S. 134ff. und 141ff.)
Wright definiert einen weiteren Begriff von "validity" (neben
"existence" und "being in
force"): "The validity of a norm means that the Norm exists and that, in
addition there exists another norm, which permitted the authority of the first
norm to issue it." (S.195)
*IV - 186*
In der ökonomischen Theorie sind die Präferenzen in den Dimensionen
("Gegenstand der Präferenz") und "Rangordnung
(Intensität) der Präferenz" erfasst. Aber die Umgangssprache hat noch viele
zusätzliche Dimensionen und Nuancen, z. B.:
Hier spielt die Stellung des "Ich" zur Präferenz eine bedeutende Rolle: triebhafte,
automatische Entscheidungen versus überlegte, durch Denken vermittelte
Entscheidungen.
*IV - 187*
Terminologisches: Kann man den Begriff "Allgemeinverbindlichkeit"
benutzen? Vielleicht um die Geltung für alle zu bezeichnen.
*IV - 188*
Aus Sparsamkeitsgründen tendiert die Alltagssprache immer dazu, das
Selbstverständliche wegzulassen, denn dessen Formulierung ist überflüssig. Dies
kann jedoch zum Problem werden, wenn solche Formulierungsstile in andere
Zusammenhänge übernommen werden und nun zu Missverständnissen führen. Deshalb müssen
alle verkürzten Redeweisen in der Wissenschaft explizit eingeführt werden.
*IV - 189*
Kann man das Problem der Gültigkeitsebenen von Normen ("falsche"
Mehrheitsentscheidung etc.) analog zu den stochastischen Gesetzmäßigkeiten
begreifen: "In der Regel (80 % der Fälle) ist x gleich a" bleibt als
stochastisches Gesetz richtig, obwohl gilt: "Dieses x ist nicht gleich
A"?
Kann man solche "Widersprüche" durch einwandfreie sprachliche Formulierungen
ausräumen?
Ein anderes Beispiel: Gerichtsurteile können falsch sein. Aber deswegen müssen
die institutionalisierten Verfahrensregeln des Gerichts nicht falsch sein.
Auch falsche Gerichtsurteile binden, solange sie in
Kraft sind. Ziel ist immer die
Verhinderung des "Kriegszustandes", was es analog in der Empirie nicht gibt. Hier
liegt eine zentrale Differenz. (Kelsen sieht "Friedensstiftung" als Ziel der
Gerichtsbarkeit an.)
*IV - 190*
Wenn ich eine generelle Entscheidungsregel für richtig halte, obwohl sie in
Einzelfällen zu falschen Entscheidung führt, was ist die Begründung dafür? Ist
es eine Klugheitsregel?
*IV - 191*
in der Rechtstheorie gilt, dass ein Gesetz, dessen Durchsetzung nicht
einigermaßen gewährleistet werden kann, ein schlechtes Gesetz ist. In der Moral
scheint dies anders sein. Moralnormen vertragen ein sehr viel größeres Maß an
ungestrafter Übertretung.
*IV - 192*
Das Argument: "Was wäre, wenn jeder das machen würde" richtet sich unter anderem
gegen Trittbrettfahrer. Außerdem tritt es auf bei Schwellen-Phänomenen: 99 mal
geht es gut, aber beim 100. Mal ist der Schaden da. (Gegen solche Phänomene kann
man natürlich auch mittels Kontingentierung angehen.)
*IV - 193*
Unter der Prämisse: "Was nicht verboten ist, das ist
erlaubt" impliziert
jedes Gebot einer Handlung die Erlaubnis dieser Handlung.
*IV - 194*
Man sagt: "Ich kann das von dir natürlich nicht verlangen, aber ich würde mich
sehr darüber freuen, wenn du …" (Der Unterschied zwischen einer Norm und
der bloßen Mitteilung eines Wunsches, einer Präferenz.)
*IV - 195*
Wenn der ethische Egoismus die Notwendigkeit des Altruismus mit im Individuum
von Natur aus vorhanden altruistischen Bedürfnissen begründet, so setzt er dabei
vielleicht auf Bedürfnisse, die erst durch die Anerziehung eines Altruismus im
Individuum entstanden sind.
*IV - 196*
Der Mensch ist in seinen Ansprüchen außerordentlich
anpassungsfähig an die
objektiven Lebensbedingungen. In den erbärmlichen Lebensverhältnissen können
Menschen zufrieden sein und können über etwas Glück empfinden, was für andere
selbstverständlich und gleichgültig ist. Wie erklärt sich das?
*IV - 198*
Ich muss mich noch einmal mit dem Verhältnis zwischen einer Norm (bzw.
Entscheidungsregel)
und ihrer institutionellen Umsetzung befassen. Die Mehrheitsregel
ist etwas anderes als ein konkretes Abstimmungsverfahren.
In politischen Auseinandersetzungen kommt es häufig darauf an, seine
wirklichen
Präferenzen zu verschleiern bzw. die des politischen Gegners zu entschleiern. Beim
Bargaining kann man dann Dinge als "Zugeständnisse" verkaufen, die man sowieso
aufgeben wollte. Oder man gibt allgemein anerkannte Dinge, zu denen man gezwungen wurde, als
selbst gewollte Realisierung der eigenen Ziele aus.
Solche und ähnliche Methoden der Präferenzverdeckung spielen
eine wichtige Rolle. Dies Problem wird in der normativen Theorie manchmal
übersehen, wenn man von den gegebenen Präferenzen als den wirklichen Präferenzen ausgeht.
*IV - 200*
Bei der Abstimmung nach dem Mehrheitsprinzip muss der Einzelne zwei Kalkulationen
verbinden: die Bestimmung der möglicherweise erfolgreichen Alternativen und die
Bestimmung der von ihm vorgezogenen
Alternative. Die Entscheidung ist dann immer eine
Mischung aus beidem. Die Interpretation des Abstimmungsverhaltens ist nicht
immer einfach, denn der Gewinn einer Stimme
bedeutet häufig nicht: "Du bist meine bevorzugte Alternative" sondern: "Du
bist das kleinere Übel".
*IV - 205*
Normative Systeme kann man danach unterscheiden, inwiefern sie eine
Verinnerlichung der
kollektiven Lösung im Individuum voraussetzen bzw. inwiefern die Entscheidung
erst aus den "egoistischen" Präferenzen nachträglich konstruiert wird. Auch die
Individuen müssen darüber informiert sein, welcher Art die Entscheidung ist,
wenn entsprechend bilden sich bei ihnen andere Präferenzen. Es gibt auch im
Alltag unterschiedlich definierte Verhältnisse. Etwa verwandtschaftlich-freundschaftliche Verhältnis,
wo man sich gegenseitig Geschenke und Leistung förmlich
aufdrängt, wo jeder die Bedürfnisse des anderen zu seinen eigenen macht, wo man sich
gegenseitig vor Entgegenkommen "förmlich überschlägt". Dazu im Vergleich der
Tausch auf einen anonymen Markt, wo jeder nur auf seinen Vorteil bedacht sein
muss. Ähnlich kann es auch kollektive Entscheidungsmechanismen geben, die mehr
oder weniger moralische Präferenzen verlangen.
*IV - 206*
"Unmündig" ist, wer nicht für sich selber sprechen kann.
*IV - 207*
Terminologisches: Man könnte bei rein subjektiv bezogenen Entscheidungen von
"Richtigkeit" im Gegensatz zur "Gültigkeit" von kollektiven Entscheidung sprechen.
*IV - 208*
Rekonstruktion der Präferenzen von X: "Wie würde sich X entscheiden, wenn
er jetzt hier wäre. Dazu muss man sich in die Lage von X
hineinversetzen.
*IV - 209*
Verhandlungsmacht (bargaining power): Zeit haben. Warten können. Die Zeit
arbeitet für mich. Nicht auf den Vertragsabschluss angewiesen sein.
*IV - 210*
Herausarbeiten, welche Anforderungen die einzelnen Entscheidungsregeln bzw.
ihre institutionellen Realisierungen an die Beschaffenheit der Individuen stellen. Von hieraus ergeben sich für verschiedene Gesellschaften
verschiedene normative Systeme als die geeignetsten.
*IV - 212*
Der Konsens ist eine regulative Idee, die Korrekturen in die richtige
Richtung aufzeigt. Er ist kein zu realisierendes Ideal.
*IV - 213*
Rationale Protestwähler: Sie haben zwar auf die Bildung der Mehrheits Regierung
keinen Einfluss,
aber unter Umständen auf die Regierungspolitik, wenn die Regierungspartei versucht, diese
Wähler für sich zurückzugewinnen bzw. zu verhindern, dass es noch mehr werden.
*IV - 214
Es ist richtig, einen weiten Zeithorizont zu haben, weil man später einmal
sagen müsste: "Hätte ich doch damals anders gehandelt." Der
"rationale" Mensch ist sich seiner zukünftigen Präferenzen bewusst. Er
muss hierin eine Kontinuität bis in die Gegenwart finden. Er muss seine zukünftigen Interessen so wie
seine gegenwärtigen Interessen berücksichtigen. Beides sind seine Interessen.
Jemand, der dies nicht täte, würde als identitätsgestört angesehen, denn er würde
implizit sagen: "Ich bin nur heute ich. Später bin ich nicht mehr ich."
*IV - 215*
Große Bedeutung kommt in der Praxis bestimmten gemischten Entscheidungsverfahren
zu. z. B. werden für ein großes Sportereignis die Karten gleichzeitig nach
verschiedenen Verfahren verteilt, z. B.:
*IV - 217*
Wartezeiten in Warteschlangen: In der normalen Warteschlange ist die Wartezeit jedes Einzelnen so groß wie die
Summe der Abfertigungszeiten aller Individuen vor ihm (bei pausenloser Abfertigung)
Ein weiteres Verfahren zur Minimierung ist die Vereinbarung von
Terminen für die Abfertigung. Dies kann Wartezeiten radikal beseitigen, setzt jedoch eine (ungefähre) Vorausbestimmung der jeweiligen
Abfertigungsdauer voraus.
Um Dringlichkeit und Termine zu berücksichtigen, könnten die Individuen dies auch
mitteilen. Auf der Grundlage dieser Daten würden dann optimale Abfertigungspläne
erstellt (Hier entsteht jedoch das Problem der Vortäuschung von Dringlichkeit).
Ende von Heft
IV
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Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Aus meinen Notizbüchern Heft IV" / Letzte Bearbeitung
04.07.2011 / Eberhard Wesche
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Gerechtigkeit und Effizienz bei Warteschlangen. Individuum A
fragt Individuum B, das sich in der Schlange angestellt hat: "Lässt du mich vor?" Muss
nur B nach seiner Einwilligung gefragt werden oder auch diejenigen, die hinter B stehen? Diese
Individuen müssen länger warten, wenn ein zusätzliches Individuum vor ihnen
abgefertigt wird.
Die hinter B stehenden Individuen können deshalb darauf bestehen, dass sie ebenfalls
gefragt werden und 'nein' sagen können.
Allerdings kann dies dadurch umgangen werden, dass sich A nicht selber in die Schlange stellt, sondern
B bittet, seine Dinge mitzuerledigen, z. B. indem dieser die von B gekauften Waren als seine
eigenen deklariert. Dagegen können die Anderen nicht
einschreiten. Dieses Ausweichmanöver funktioniert allerdings dann nicht, wenn
die Sachen so beschaffen sind, dass sie von B nicht stellvertretend für A erledigt
werden können, z. B.
beim Anstehen an der Bus-Haltestelle.
*IV–2*
Zu werthaltigen Begriffen (wie "Verbrecher" "Krankheit", "revolutionär" etc.)
Solche
Begriffe enthalten das werthaltige Element nicht inhaltlich sondern allein
psychologisch-assoziativ. Das hat zur Folge, dass aus ihnen keine normative Entscheidung
logisch gefolgert
werden kann.
Durch die rhetorische Verwendung dieser Begriffe werden u. U. Entscheidungen beeinflusst. Aber die Art dieser
Beeinflussung hängt ganz vom Wertesystem des jeweiligen Individuums ab. So kann "revolutionär" für den einen bedeuten: "kriminell"
(etwas Negatives) und für den andern
"nicht korrumpiert" (etwas Positives). Die Argumentation mit Hilfe derartiger
Begriffe ist deshalb auch nicht logisch aufgebaut, sondern meistens eine pejorative
oder euphemistische Beschreibung ("persuasive definition")
*IV-3*
Wo es auf die Ermittlung der Wahrheit ankommt, vor
Gericht, da zählen letztlich nicht die Beweise als solche sondern die
Überzeugung der
Geschworenen. Bezugspunkt ist der Konsens.
*IV-4*
Gegen den Idealismus-Vorwurf. Der Vertreter der politischen
Praxis kritisiert mich: "Du argumentierst ja nur, so als ob es auf die
besseren Argumente ankäme!" Meine Entgegnung: "Du argumentierst ja jetzt selber!
Wenn es
nicht auf die besseren Argumente ankommt, dann solltest Du schweigen oder einen Witz
erzählen."
Auf solche sich selbst aufhebende Argumente (performative Widersprüche)
stößt man immer wieder. Für
diese Fehlertypen sollte man einprägsame Bezeichnungen finden, die eine
Popularisierung und Verbreitung der Kritik erleichtern. Dann braucht man nur noch die Bezeichnung
zu nennen
und jeder weiß, wo der Fehler liegt.
*IV-5*
Zum Problem zweier voneinander unabhängiger Kriterien im Utilitarismus (z. B.
Nutzenmaximum und Gerechtigkeit/Gleichheit): Jedes Individuum hat ein analoges
Problem zu bewältigen bei seinen individuellen
Entscheidungen (s. Leibensstein). Es muss z. B. die Verteilung der Güter über
die Zeit festlegen und dazu einen intertemporalen
Nutzenvergleich durchführen. Warum sollte nicht auch das Kollektiv bei
seinen Entscheidungen solche Vergleiche schaffen?
*IV-6*
Kann ich vor mir selber Recht haben, ohne einen anderen Menschen als Adressaten
meiner Behauptung vorauszusetzen? Ich denke "ja". Wenn ich selbstkritisch bin und
den begründeten Zweifel an meiner Behauptung nicht unterdrücke, dann kann ich
berechtigterweise sagen, dass ich mit einer Behauptung Recht habe. Dagegen:
"Dein innerer Monolog über deine Zweifel ist eigentlich ein verinnerlichter Dialog.
Die Vernunft bildet sich aus in der Kommunikation mit anderen."
Wie könnte man
diese Behauptung prüfen?
*IV-7*
Der "latente Ausnahmezustand (Kriegszustand)", wenn die intersubjektive
Verständigung über die soziale Ordnung gescheitert ist.
*IV-8*
Ist das Folgende ein schlechter Zirkel?
Der herrschaftsfreie Dialog soll
Entscheidungskriterium des richtigen Handelns sein. Sofern er nicht vorhanden ist, muss er
hergestellt werden. Aber um zu bestimmen, wie der herrschaftsfreie Dialog
hergestellt werden kann, bedarf es
bereits eines normativen Kriteriums (so etwa Fachs Kritik an Habermas).
*IV-9*
"Ich erkenne den Beschluss an, obwohl ich ihn
für falsch halte." Gibt es zwei Ebenen der Anerkennung? Friedenssicherung
und Wahrheit?
Kann man
das Paradox dadurch lösen, dass man die institutionelle Ebene ("Die Mehrheit
soll entscheiden") nur als
"im Durchschnitt" richtig entscheidend ansieht, so dass eine falsche
Entscheidung keinen logischen Widerspruch dazu darstellt?
*IV-10*
Wo liegt der Unterschied zwischen richtigen Handlungen, die geboten sind, und
solchen Handlungen, die man nicht verlangt, deren Ausführung jedoch mit großem
moralischem Lob bedacht wird? Dieser Fall tritt vor allem bei Taten der freiwilligen
Selbstaufopferung für andere auf, z. B. Albert Schweitzer. Der Unterschied
zwischen einem Heiligen (dem Helden) und dem normalen Individuum.
Bei besonders hochgelobten Taten wäre eine verallgemeinerte Praxis ("Wenn jeder so handeln würde
...") womöglich
eher katastrophal. So wäre bald wohl niemand mehr da, für den man
sich aufopfern könnte.
*IV-11*
Erziehung der Menschen und Gestaltung der Gesellschaft mit dem
Ziel,
Interessenkonflikte zu verringern
(durch Erziehung zur Rücksichtnahme auf die Präferenzen anderer, Abbau von
konfliktträchtigen sozialen Konstellationen etc.) . Sofern das ohne Repression möglich ist, ist das immer ein Gewinn.
Man verändert damit gewissermaßen die Daten in Form der tatsächlichen
Präferenzen. Ohne den Entscheidungsmechanismus ändern zu müssen, kann das
Ergebnis dadurch besser werden. s. RUSSELL
*IV12*
Doppelte Bedeutung des Freiheitsbegriffs: Einmal die Freiheit der Willensbildung
(Willensfreiheit) zum
anderen der Freiheitsraum gegenüber den sozialen Normen (Handlungsfreiheit).
Wenn die Vorteile für die Parteien nicht gleichzeitig anfallen, darf nicht
eine Partei die Vorteile des Vertrages genießen und dann aussteigen.
Deshalb werden unkündbare Verträge
geschlossen, die eine längere Laufzeit haben.
Einmal die Sicherheit, dass es so bleibt, wie es ist (z. B. Sicherheit des Eigentums).
Zum andern die Sicherheit, dass es zu keinen
unerwarteten Entwicklungen kommt (Risiko, Ungewissheit etc.).
Risiken senken das Nutzenniveau, auch wenn die befürchteten Übel gar nicht eintreten.
Schlichtungsinstanzen (ohne Sanktionsgewalt)
können nur dann einen Konflikt lösen, wenn jede Partei sich vorweg verpflichtet, den
Schiedsspruch anzunehmen. Sonst ist zu erwarten, dass die Partei, die meint, sie
sei schlechter weggekommen, den Schiedsspruch nicht anerkennt. Ein
Schiedsspruch, der von der nachträglichen Anerkennung der Parteien abhängig
gemacht wird, kann allerdings gegen eine schlechte Formulierung der Alternativen oder
das Übersehen von Alternativen helfen.
*IV - 29*
*IV - 40*
Die sinnliche Wahrnehmung der Individuen ist gleich, wenn sie sich in der gleichen
äußeren Situation befinden (Zwei Individuen sehen die gleiche Skala auf der sie
den gleichen Wert abzulesen) und wenn sie physiologisch gleichartig sind. (Ein Blinder
sieht nicht dasselbe wie ein Sehender.)
*IV - 41*
*IV - 42*
*IV - 43*
"Im Land X wird 3-mal soviel Gemüse gegessen wie
im Land Y", wenn dort statt Gemüse mehr Brot oder Obst verzehrt wird.
"Im Land X haben die Leute doppelt soviel Heizenergie zur Verfügung wie
im Land Y", wenn es dort kälter ist.
*IV - 45*
Denken als
Großhirntätigkeit entwickelt sich erst im Laufe der Kindheit und ersetzt auch
später das assoziative automatische Lernen nicht völlig (Beispiel bei
Dollard / Miller: "Wenn jemand sich an seinem Radio einen elektrischen Schlag geholt
hat, so widerstrebt es ihm selbst dann, das Radio wieder dort anzufassen, wenn er weiß, dass
inzwischen der Netzstecker herausgezogen wurde"). Dies demonstriert die
Machtlosigkeit des logischen Denkens gegenüber assoziativ erworbenen Reaktionen.
Das theoretische Denken ermöglicht eine Differenzierung der Fälle, so dass ich selbst bei
99 schlechten Erfahrungen - aufgrund theoretischer Einsicht in die kausalen
Bedingungen des Übels - beim 100. Fall eine gute Erfahrung erwarten kann.
Lernen ohne theoretisches Denken kann die Fälle nicht differenzieren und
überträgt die vergangenen schlechten Erfahrungen auf die zukünftigen
(pathologisches Lernen).
*IV - 47*
*IV - 50*
*IV - 51*
*IV - 52*
*IV - 55*
Die empirische Erforschung praktizierter Normen bringt für die normative
Theorie einen heuristisch Gewinn, indem man dadurch Lösungsvorschläge
kennenlernt. (Außerdem kann man dabei natürlich noch die eigenen empirischen Annahmen
hinsichtlich der Arbeitsweise von Normensystemen überprüfen.)
*IV - 58*
*IV - 59*
Ein anderer Fall: Man braucht nur bestimmte Sanktionen einführen und schon
ändert sich die Entscheidung, obwohl die eigentlich zu entscheidende Problematik
real unverändert geblieben ist. Dies ist z. T. analog zu Messproblemen:
"Was will der Betreffende wirklich?" (Churchman sieht das
Nutzenproblem vor allem als Messproblem: "Prediction ...") Ähnliche Probleme
finden sich in der empirischen Sozialforschung bei der
Einstellungsmessung (Meinungsforschung).
Man kann dann den Betreffenden
angesichts der Variabilität seines eigenen Willens die Frage stellen:
"Was
willst Du wirklich?" bzw."Unter welchen Bedingungen kommt dein
Wille am besten zum Ausdruck?"
Die realen Verhältnisse unter denen ein Normensystem angewandt wird, bewirken
jedoch durch ihre spezifische Beschaffenheit, dass nicht alle logisch möglichen
Situationen und auch keine repräsentative Stichprobe davon realisiert wird,
sondern eine spezielle Selektion der möglichen Fälle. Indem man empirische Randbedingungen formuliert und als zusätzliche
Anwendungsbedingungen normativ postuliert, kann man die Wirkungen einer Norm auf
eine Teilmenge von gewünschten möglichen Situationen einschränken. Durch
die Formulierung von Randbedingungen vergrößert man in der empirischen Theorie die Zahl
der wahren Fälle, in der normativen Theorie die Zahl der positiv bewerteten
Einzelentscheidungen.
*IV - 66*
"Entscheide Dich für x und entscheide Dich nicht für x!".
Solche Normen sind inakzeptabel, weil
nicht ausführbar. Sie machen jedes Handeln unmöglich. Sie geben insofern keine Antwort auf
die gestellte Frage, keine Lösung für das vorliegende Problem.
Vielleicht lässt
sich analog zur Poppers Rechtfertigung der Forderung nach
Widerspruchsfreiheit im Bezug auf die empirische Theorie (in: "Was
ist Dialektik?") nachweisen, dass aus widersprüchlichen normativen Theorien beliebige Normen
ableitbar sind (richtiger: bei Nichtbeachtung des Satzes vom
Widerspruch).
Bei dem Gebrauch unpräzise definierter Begriffe kann man jederzeit die
Begriffe
so umdefinieren, wie es den eigenen Interessen gerade entspricht.
Es kann eine "Definitionsmacht" entstehen, die gerade bei Normen und werthaltigen
Begriffen problematisch ist. Außerdem stellt sich das grundlegende
Problem der sprachlichen Verständigung: Wenn ich nicht verstehe, was der andere
meint, weil er seine Begriffe nicht in meine bzw. eine gemeinsame Sprache
übersetzen kann, so ist damit jede Argumentationsmöglichkeit von vornherein
hinfällig.
Vage Begriffe ermöglichen logische Deduktionen nahezu beliebiger Art. Vage
Begriffe entziehen sich der Kritik, denn man kann
immer entgegnen: "Das habe ich nicht gemeint" bzw. "Du hast mich nicht (richtig) verstanden."
1. dass zwei Leute einander zustimmen, obwohl sie verschiedenes meinen und
2. dass zwei Leute
einander widersprechen obwohl sie das gleiche meinen.
Hier wäre noch zu unterscheiden zwischen einer Beschränkung, die
naturgesetzlich bedingt ist (etwa
Geschwindigkeitsbeschränkungen, die auf antriebstechnischen Möglichkeiten
beruhen) und einer Beschränkung, die auf sozialer Normsetzung beruht.
Im
Folgenden soll Unfreiheit nur auf Beschränkungen bezogen sein, die auf
sozialer Normierung beruhen. (Der Begriff der "sozialen Normierung" muss noch
näher analysiert werden. Wie verhält sich diese Bestimmung zu der
Formulierung: "Beschränkungen, die vom Willen anderer Individuen abhängen"?)
Wenn Freiheit definiert wird als die Freiheit "zu tun und zu lassen, was
man will", so stellt sich das Problem, dass das Wollen der verschiedenen Individuen
nicht miteinander vereinbar ist. Die Frage ist, soll man den Umstand, dass sich
Individuum A gegenüber B mit seinem Willen nicht durchsetzen kann, als "Unfreiheit" bezeichnen? Eine Beschränkung ist das
sicherlich, aber das klingt so, ald ob jemand, der daran gehindert wird, einen
anderen
umzubringen, dadurch in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Fasst man den
Begriff "Freiheit" so weit, so wird er als positiver Wertbegriff
unbrauchbar.
Auf
jeden Fall ist bei Inkompatibilität des Wollens der Begriff "Freiheit" nicht
ausreichend, denn die Freiheit des einen (den anderen umzubringen) ist die
Unfreiheit des anderen (von anderen umgebracht zu werden) und umgekehrt.
Will man den Begriff "Freiheit" jedoch für solche Fälle nicht anwenden, so
bedarf es einer Normierung, die den Freiheitsraum der Individuen begrenzt. Das
heißt, das individualistische Freiheitskonzept führt bei seiner Anwendung auf mehrere Individuen zu
Widersprüchen, die ein zusätzliches
normatives Kriterium notwendig machen.
Wenn man terminologisch anders
vorgeht und "Freiheit" nur für das aktive Handeln
reserviert, so muss man für den Schutz vor dem Erleiden fremder
Handlungen ein anderes unabhängiges Kriterium wie "Wohlstand", "Sicherheit"
etc. einführen und muss dann das Kriterium "Freiheit" gegen das Kriterium "Unsicherheit"
normativ abwägen. "Freiheit" allein ist kein hinreichendes kollektives
Entscheidungskriterium.
*IV - 74*
Um solchen Streit zu entscheiden, wird das Übel einem Akteur und
seinem
Handeln zugerechnet. Wie sieht die Logik dieser Zurechnung aus? (Hierzu Max Weber
"Methodologische…" Seite 132 folgende, nach Albert)
Erste Analyse: Es wird ein bestimmtes Institutionen- und Normengefüge als gegeben
festgestellt. Damit wird jedes Handeln, das damit im Einklang steht oder sogar
funktionsnotwendig ist, automatisch mitsanktioniert und als verantwortlich
ausgeschlossen. z. B. wird beim Zusammenstoß zweier Autos derjenige Fahre zum
verantwortlichen Verursacher erklärt, der gegen Verkehrsregeln
verstoßen hat, obwohl beide Fahrer ursächlich beteiligt waren.
Für das Beispiel "Arbeitslosigkeit" würde das heißen: "Die Freiheit der
Investitionsentscheidung gehört zu den grundlegenden Prinzipien des Kapitalismus.
insofern sind die nicht investierenden Kapitaleigentümer nicht verantwortlich. Das
Funktionieren des Kapitalismus ist dagegen ohne weiteres mit stagnierenden Löhnen
vereinbar, also sind die überhöhten Lohnforderungen der Gewerkschaften schuld."
Beispiel des Versprechens (Kant 1960, Seite 249 ff. ).
Kant analysiert die Maxime: "wenn ich mich in
Geldnot zu sein glaube, so will ich Geld borgen und versprechen, es zu bezahlen,
ob ich gleich weiß, es werde niemals geschehen." Er fragt nun: "Wie es
dann stehen würde, wenn meine Maxime ein allgemeines Gesetz würde. Da sehe ich
nun sogleich, dass sie niemals als ein allgemeines Naturgesetz gelten und mit
sich selbst zusammenstimmen könne, sondern sich notwendig widersprechen müsse.
Denn die Allgemeinheit eines Gesetzes, dass jeder, nachdem er in Not zu sein
glaubt, versprechen könne, was ihm einfällt, mit dem Vorsatz, es nicht zu
halten, würde das Versprechen und den Zweck, den man damit haben mag, selbst
unmöglich machen, indem niemand glauben würde, dass ihm etwas versprochen sei,
sondern über alle solche Äußerung als eigenes Vorgeben lachen würde."
Dies wäre dann allerdings eine Inkonsistenz
des eigenen Willens, indem die angewandte Maxime die Erreichung des
angestrebten Zieles unmöglich macht. Festzuhalten bleibt: Es ist eine
Inkonsistenz, die die Wahrheit einer empirischen Prämisse voraussetzt.
Anzumerken wäre hier noch, dass es sich hier nicht wie beim allgemeinen Egoismus
um eine Inkonsistenz der Norm handelt, sondern um eine Inkonsistenz des
individuellen Willens unter der Bedingung einer allgemeinen Anwendung der Norm.
Die Norm: "Jeder soll tun, was ihm Spaß macht" ist logisch nicht
widersprüchlich (wenn es auch zu faktischen Konflikten kommt). Während die Norm:
"Jeder
soll tun, was jedem Spaß macht" keine logisch widerspruchsfreie
Handlungsanweisung ergibt.
Die Unterschiede könnte man wohl am besten
herausarbeiten, wenn man ein Beispiel heranzieht, etwa Sklaverei: "Der
Herr hat unbegrenztes Verfügungsrecht über seinen Sklaven." Nach der Kantschen Regel scheint diese Maxime ohne weiteres verallgemeinerungsfähig,
insofern als sie ohne logische oder empirische Inkonsistenzen als allgemein gültig
realisiert werden kann (Das meint auch Gellner 1954). Würde man jedoch die
Maxime folgendermaßen formulieren: "Ich habe unbegrenztes Verfügungsrecht
über X", so wäre die Verallgemeinerbarkeit nicht mehr gegeben, sofern X dieser
Maxime ebenfalls anwenden würde. Wahrscheinlich meint Kant , dass die in
Ich-Form gehaltenen Maximen verallgemeinert werden, in denen statt "ich" nun"
jeder" eingesetzt wird. Dies ist vielleicht gemeint mit der Formulierung:" dass
die Maxime deines Willens jederzeit zur Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung
gemacht werden könnte."
Übrigens wird an diesem Sklaven-Beispiel deutlich, dass
sich je nach Wahl der Maxime (und für eine Handlung können mehrere Maximen
formuliert werden –"Ideal-Konkurrenz") der Kategorische Imperativ
andere Ergebnisse hervorbringt. Allerdings ist die Wahl der Maximen für eine
größere Menge (z.B. für die Menge der tatsächlichen oder möglichen Handlungen)
vielleicht bereits weniger willkürlich, sofern man logische Konsistenz
aller geltend gemachten Maximen fordert.
Wie ist das bei der Goldenen Regel? Wahrscheinlich ähnlich. Wenn ein
Herr über seinen Sklaven verfügt, so könnte er wahrscheinlich ohne Inkonsistenz
der Präferenzen sagen: "Wenn ich Sklave wäre, müsste (wollte) ich auch meinem
Herrn gehorsam sein". (Hier gibt es jedoch schon Schwierigkeiten. Denn würde
ich dann z. B. wollen, dass mich mein Herr schlägt?) Ein ähnliches
Problem liegt bei vielen Situationen vor. Wenn z. B. ein Prüfer einen
schlechten Kandidaten durchfallen lässt, so folgt aus der Goldenen
Regel, dass er dies dann nicht darf, wenn er als schlechter Kandidat
nicht ebenfalls wollen würde, dass man ihn durchfallen lässt.
Die Problematik
liegt hier in der Bestimmung des "Wollens". Natürlich "will" der schlechte
Kandidaten nicht durchfallen. Aber gleichzeitig kann er doch das
Prüfungsverfahren für das beste aller denkbaren Regelungen halten, es also
wollen (Exemplarisch in Heinrich von Kleist: "Der Prinz von Homburg": Er will
sie seinen eigenen Tod insofern als er dies Gesetz mit der Todesstrafe will.) Er muss dann auch
wollen, dass schlechte Kandidaten durchfallen. Wenn er selbst ein schlechter
Kandidat ist, muss er wollen, dass er selbst durchfällt, was er zugleich doch
nicht will.
Damit stellt sich das Verfassungsproblem, das Kriterium für die
Institution selber. Wahrscheinlich ist das Harsanyi-Kriterium hierfür eher
geeignet. Allerdings lassen sich die hierfür erforderlichen individuellen Präferenzen kaum
empirisch ermitteln, und zwar umso schwieriger, je inhomogener die Strktur der
Gesellschaft ist.
*IV - 83*
(Kant 1960, 246 –) "Praktisch gut ist aber, was vermittelst der Vorstellungen,
mithin nicht aus subjektiven Ursachen, sondern objektiv, d. h.
aus Gründen, die
für jedes vernünftige Wesen als ein solches gültig sind, den Willen bestimmt".
Frage: Wenn ein Argument von einem Individuum nicht akzeptiert wird, liegt das daran,
das das Argument ungültig war oder dass das betreffende Individuum nicht
vernünftig ist? Auf jeden Fall müsste noch näher bestimmt werden, wann ein Mensch
kein vernünftiges Wesen ist (das Problem des aufgeklärten Willens).
"Vernunft" ist kein übermenschliches Etwas.
Zu sagen, dass bestimmte Theorien die Voraussetzungen der Argumentation
verletzen, bedeutet nicht, dass damit die Kommunikation mit jenen, die diese Position
vertreten, unmöglich ist. Die Leute können ohne weiteres noch weiter miteinander
reden. Es handelt sich dann allerdings nicht mehr um Argumentation
sondern um verbale Beeinflussung, um Rhetorik.
Die Unbestimmtheit des individuellen Willens (Fähigkeit der Nutzenschätzung) kann
kein prinzipielles Argument gegen die Möglichkeit einer normativen Theorie sein, denn
das normative Problem stellt sich nur in dem Maße, wie der individuelle Wille
bestimmt ist (sonst wäre einem jede Norm gleichgültig und es könnte keine Konflikte
geben).
Wie gehe ich z. B. vor, wenn ich in ein Antiquariat gehe, um nach Büchern
zu gucken?
- Selektion bestimmter Aufmerksamkeitsbereiche (Abteilungen,
von denen man sich etwas verspricht)
- Untersuchung der Bücher oberflächlich nach bestimmten Indikatoren (Qualität
der Autoren – interessante Inhalte - Titel - Thematik)
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Bücher die hier eine bestimmte Schwelle übersteigen, nehme ich heraus, sehe sie mir
an, ob sie halten, was Autor bzw. Titel versprechen und wenn ja: Vorauswahl bestimmter Bücher, die ich herauslege.
Dahinter stecken wahrscheinlich Überlegungen, bestimmte Einstellungsschwankungen
und Stimmungen unter Kontrolle zu halten.
Außerdem gibt es noch für das einzelne Buch bestimmte Preisobergrenzen – meist bei
10 DM, deren Überschreiten ebenfalls besonders gerechtfertigt werden muss.
Dann sehe ich mir die Bücher unter Umständen noch einmal an (mit
dazwischenliegenden anderen Beschäftigungen), um zu sehen, ob das positive Urteil
sich wiederum einstellt oder der Preis zu hoch ist etcetera. So werden
immer mehr Bücher ausgeschieden. Zuletzt werden noch einmal die Bücher
untereinander vergleichen, die in die engere Auswahl gekommen sind. Dadurch können sich Unterschiede
zu den Entscheidungen anderer Tage ergeben. Aber die Kriterien sind doch so
stabil, dass
ich auch ohne ein Buch zu kaufen aus dem Laden gehe.
Es muss Individuen geben, die Konflikte haben und die argumentieren
mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Das setzt voraus, dass die Individuen in
einer Gesellschaft leben, in der Interessengegensätze zwischen Individuen und
Gruppen entstehen können, und dass sie einen
individuellen Willen haben, dass sie nach Erkenntnis der Wahrheit streben. Die Frage ist, ob sich aus
dieser Reflexion auf die Bedingungen der Fragestellung zusätzliche Einsichten
über die Gültigkeitskriterien der Antworten ergeben. Wenn dies nicht
der Fall ist, ist die Forderung unbegründet und erhält ihre Rechtfertigung nur
aus abgehobenen Phrasen wie denen, dass man "immer
die Totalität reflektieren muss", dass man "immer die Zusammenhänge und
die historische Genese reflektieren muss" usw. usw.
*IV - 103*
- Niemand darf dem andern
die Fähigkeit absprechen, Argumente
nachzuvollziehen,
- Niemand darf sich gegen die Argumente des anderen
verschließen,
- Niemand darf dem andern die Fähigkeit zugestehen, Argumente vorzubringen.
*IV - 114*
Das
Intersubjektivitätsgebot gilt nur bedingt: "Wenn du argumentieren willst,
dann suche
nach intersubjektiv und dauerhaft übereinstimmenden Behauptungen!" Man kann
auch auf Diskussion verzichten und sich auf Bekenntnisse bzw. Gehorsam fordernde Imperative beschränken. Auch dazu
dient Sprache.
Der Adressat der Argumente kann auch fiktiv oder nur potenziell sein, z. B. die
Nachwelt. Ein Einziger kann gegenüber allen Zeitgenossen
schließlich Recht behalten.
Wenn jemand die Bedingungen der Argumentation verletzt, so kann man ihn darauf
hinweisen. Dann wird unter Umständen eine andere Diskussion notwendig, nämlich
ob es sich um eine notwendige Bedingung der Argumentation handelt und ob es sich
bei seinen Äußerungen um einen Fall handelt, auf den diese Bedingung zutrifft.
Hier kann der Argumentationsprozess auf methodologischer Ebene also wieder neu
einsetzen, wobei jedoch auch hier wieder das Ziel der zwanglosen
intersubjektiven Übereinstimmung
vorausgesetzt werden kann. Dies eröffnet zwar der logische Möglichkeit nach
ein Regress ad infinitum, da natürlich jedes Element einer Argumentation
wiederum infrage gestellt werden kann, aber dieser Regress ist in der Realität
immer begrenzt. Denn die Tatsache, dass zwei Individuen miteinander argumentieren,
bedeutet ja schon, dass sie – wenigstens teilweise – eine beiden verständliche
Sprache benutzen. Und insofern sie von einer gemeinsamen Problem- und Fragestellung
ausgehen, gibt es zumindest Elemente einer gemeinsamen Wirklichkeitserfahrung
usw.
Natürlich kann es passieren, dass solche Gemeinsamkeiten auch auf
allgemeinerer methodologischer Ebene nicht hergestellt werden können. Dann
wird der Regress als aussichtslos abgebrochen und damit ist der
Gültigkeitsstatus beider Positionen bis auf weiteres negativ. Keine Seite kann
für ihre Position "Objektivität" beanspruchen, sie kann höchstens Gehorsam
erzwingen. In dem Augenblick jedoch, wo jemand einsieht, dass er die Regeln der
Argumentation verletzt und wo er gegen diesen Hinweis keine Gegenargumente
vorbringen kann, müsste er diese Position aufgeben. Andernfalls ist die Argumentation
mit ihm an diesem Punkt sinnlos geworden.
Man kann natürlich die
Argumentation überall dort weiterführen, wo die genannte Bedingung keine Rolle
spielt. Außerdem kann man auf einer anderen Ebene weiterhin kommunizieren,
z. B. auf einer pädagogischen, therapeutischen, sanktionierenden oder rein
überredenden Ebene, was zu einem Verzicht auf die beanstandete Position führen kann.
Die Einigung über die Regeln der Argumentation wird dadurch erleichtert, dass
sie ja nie auf einer tabula rasa stattfindet, sondern auf dem Hintergrund
vergangener Erfahrungen. z. B. kann nicht jemand eine
Argumentationsbedingung bestreiten, auf die er sich selber
bei anderen Fragen berufen hat. Und man kann sich
nicht auf eine Argumentationsbedingung berufen, die man an anderer Stelle
bestritten hat. Von dorther ist die subjektive Willkür eingeschränkt
durch das Gedächtnis der Beteiligten.
Einmal
natürlich aus Freude am Spiel, an der Spannung, der Überraschung, der Hoffnung
etc.. So haben wir im Urlaub in der Gruppe immer ausgewürfelt,
wer abwäscht und abtrocknet.
Zum andern in der Spieltheorie bei der Anwendung "gemischter Strategien".
Dann in Situationen, wo man so schwerwiegende Entscheidung
trifft, dass man sie einem "Gottesurteil" bzw. dem "Schicksal" überlässt. Wenn
z. B. von einer Gruppe ein Mitglied sein Leben opfern muss, damit die anderen
überleben, so ist dies durch Diskussion kaum zu klären, weil die Interessiertheit jedes
Einzelnen eine Argumentation immer dem Verdacht der Rationalisierung aussetzt
(es sei denn, dass bereits vorher entsprechende Grundsätze von der Gruppe akzeptiert
wurden). In diesem Fall kann ein Losverfahren für alle akzeptabel sein.
(Allerdings heißt dies nicht, dass nicht bessere Entscheidungskriterien vorgelegen hätten,
sie sind
nur faktisch nicht anwendbar. z. B. kann es sein, dass innerhalb der
Gruppe Einzelne so wichtig sind – etwa aufgrund besonderer Fähigkeiten, die für
die Ziele der Gruppe unentbehrlich sind –, dass diese Individuen von vornherein
vom Risiko ausgeschlossen werden.)
Ein anderes Beispiel wären triviale Entscheidungen, die aber sonst mit hohen
Entscheidungskosten verbunden wären (langwierige Beratungen, Abstimmungen etc.),
wenn man nicht per Los entscheiden würde.
Diese Fälle ähneln reinen Koordinationsentscheidungen, die keine Interessenkonflikte
enthalten (etwa ob die Schiffsbeleuchtung auf Steuerbord rot oder grün
sein soll, einmal abgesehen von Umstellungskosten).
Die
Unterschiede zwischen Gehorsamsforderung und Gültigkeitsanspruch herausarbeiten.
Frage: Lässt sich ein Rechtssystem denken, dass nur das Erstere und nicht das
Letztere enthält? Wohl ja, als reines Gewaltverhältnis, das allerdings geregelt
ist. Ein völlig willkürliches Regiment wäre davon noch zu unterscheiden.
Wenn Kinder zu ihrer Entschuldigung sagen: "Er hat angefangen",
wird unausgesprochen ein ähnliches Argument benutzt.
Juristisch gibt es die "Notwehr", d.h. gegen Normbrecher
ist man selber nicht mehr an die üblichen Normen gebunden. Allerdings gibt es
hier auch das Gebot der "Verhältnismäßigkeit der Mittel".
z. B. ist
Selbstjustiz nicht erlaubt, es dürfen gewissermaßen keine wichtigeren Normen
(größeren Güter) dabei verletzt (gefährdet) werden, als dies durch den
Normbrecher geschehen ist.
"Besserstellungen der besser Gestellten sind gerechtfertigt, wenn dabei auch die am schlechtesten
gestellten Individuen besser gestellt werden."
Man könnte auuch andersherum formulieren:
"Besserstellungen der am schlechtesten Gestellten sind nur dann gerechtfertigt, wenn durch sie auch die besser
Gestellten besser gestellt werden". Beide Kriterien sind identisch bis auf die
Fälle, in denen Besserstellungen der am schlechtesten Gestellten möglich sind,
ohne dass dabei die besser Gestellten ebenfalls besser gestellt werden. (Wenn diese Fälle aus
bestimmten empirischen Gründen sehr selten sind, werden die Kriterien nahezu
identisch). (?)
"Bemühe Dich um einen intersubjektiv übereinstimmenden Bedeutungsgehalt deiner Argumente!"
Man kann dies auch als die Bedingung der Verständlichkeit formulieren:
"Strebe
nach Verständlichkeit deiner Argumente!"
Vermeide Verstöße gegen die logischen Schlussregeln!" Verstöße gegen die Schlussregeln
führen dazu, dass ich mir nicht sicher sein kann, ob die abgeleiteten Sätze wahr sind, selbst wenn die Prämissen
wahr sind. Ich gebe etwas als bloße Umformulierung aus, während es sich in Wirklichkeit um einen anderen
Bedeutungsgehalt handelt.
Wenn ein
Zusammenstoß passiert ist, so bleibt die Frage, welche Vorfahrtsregelung gegolten hat. Eine überpositive
Argumentation ist hier nicht sinnvoll, weil man gegen die Regelung nicht
argumentieren kann.
Eine Norm ist allgemein gültig, wenn sie auf das Verhalten jedes möglichen
Menschen anzuwenden ist.
Eine Norm ist allgemein gültig, wenn über sie ein allgemeiner Konsens
herstellbar ist.
Hier geht terminologisch noch so manches drunter und drüber.
Dies
sind Regeln der Hilfeleistung, die auf Kooperationsvorteilen beruhen: Der
Aufwand für den Helfenden beim Aufhalten der Tür ist gering. Für den anderen
wäre das Aufmachen mit sehr viel höherem Aufwand verbunden, unter Umständen wäre
es sogar unmöglich. Etwa wenn jemand etwas sehr Schweres bewegen
muss, das er allein nicht bewegen kann und wo er deshalb auf die Hilfe
anderer angewiesen ist. Es gibt auch eine Rechtsnorm, die die
Hilfeleistung in Notfällen vorschreibt, ohne Anrecht auf Erstattung der Kosten
(Gritscheneder S. 255) insbesondere wenn die Hilfe ohne erhebliche eigene Gefahr
und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist. Interessant ist in
diesem Zusammenhang der Spruch: "Vergelt's Gott!" von dem, der sich nicht
revanchieren kann.
ie
gegenwärtige Unmöglichkeit wird sprachlich durch den Konjunktiv mit ausgedrückt:
"Ich würde gerne tanzen." In der Militärstrategie unterscheidet man auch zwischen
"Befehlsführung", die Handlungen der Untergebenen normiert und "Aufgabenführung", die
Ziele normiert,
ohne die Mittel und Wege dazu zu bestimmen. Diese Mittelwahl wird auf den
Normadressaten delegiert. Dadurch kann dieser flexibel entsprechend den
Bedingungen vor Ort handeln. Das setzt allerdings
Entscheidungsfähigkeit beim Normadressaten voraus.
Hier muss man wohl unterscheiden: Wenn durch die Abstimmung
festgestellt wurde, dass meine Interessenlage in der Minderheit ist, so kann ich
das als Demokrat akzeptieren, was jedoch nicht heißt dass meine Interessenlage
damit irgendwie unzulässig oder illegitim würde. Ich kann sie weiterhin, etwa bei
zukünftigen Abstimmungen, zum Ausdruck bringen.
Wie ist das zu rechtfertigen? Es gibt hier bestimmte wahrscheinlichkeitstheoretische Untersuchungen, die zeigen, dass sich
subjektive Irrtümern nur sehr begrenzt auf Mehrheitsentscheidungen auswirken.
Anders ausgedrückt: ... dass sich die einzelnen Individuen sehr viel häufiger irren
als eine Mehrheit, die sich aus solchen Individuen
zusammensetzt.
Die Überlegungen laufen wohl so, dass man eine Irrtumsquote von z. B. 20 % bei den Individuen annimmt, d.h. jedes fünfte Votum ist bei ihnen
falsch. Wenn man nun jeweils 10 Individuen abstimmen lässt nach dem Mehrheitsprinzip, so ist
die Wahrscheinlichkeit, dass sich gleichzeitig mehr als 5 Individuen (also die
Mehrheit) irren sehr viel geringer ist als 20 %. Im Durchschnitt irren sich ja nur
2 Personen (Die Irrtumswahrscheinlichkeit hier noch einmal ausrechnen. Welche
Verteilung? Normalverteilung? Binominalverteilung?)
Das Mehrheitsprinzip ist also geeignet, die Auswirkungen individueller Irrtümer
erheblich zu reduzieren, wenn auch nicht ganz auszuschließen. Hierzu gibt es
auch sozialpsychologische Untersuchungen von Sherif (?), die eine Anpassung von
individuellen Schätzungen an die geschätzten Werte anderer feststellen, auch wo
diese falsch sind!
Andererseits sagt man ja oft,
dass man über Wahrheitsfragen nicht
abstimmen könne. Hier gilt nur der Konsens bzw. die Frage bleibt
wissenschaftlich offen. Andererseits beruft man sich oft auf die Ansichten der
"überwiegenden Zahl" der Fachleute, wohl schon deswegen, weil völlige Einigkeit auch
in den empirischen Wissenschaften kaum zu erreichen ist. (Hier einmal Beispiele
aus der Geschichte der Physik oder der juristischen Gutachten heranziehen.)
*IV - 179*
Man könnte die Konsensbedingung hier damit rechtfertigen, dass es sehr
viel schwerwiegender ist, einen Unschuldigen zu verurteilen, als ein Schuldigen
freizusprechen? (Warum?)
Die Problematik liegt allerdings in dem Fall anders, wo
ich der Meinung bin, dass sich die Mehrheit in einem systematischen (nicht
"zufälligen") Irrtum befindet, und die Minderheit hier recht hat. Die Irrtümer
sind ja nicht zufallsmäßig über die Fragen gestreut, es gibt schwierige und
leichte Fragen und Fragen, die für die Individuen unterschiedlich schwer sind.
(Ich spreche dauernd von "Irrtum" bzw. "leichten oder schwierigen" Fragen. Damit ist
der Aspekt der interessengelenkten Fehlauffassungen und der Manipulation
ausgeklammert).
Wenn ich nun fest der Auffassung bin, dass die Mehrheit (bzw. ein für
die Mehrheit entscheidender Anteil, ohne den diese Mehrheit nicht zu Stande
gekommen wäre) falsch abgestimmt hat ("falsch" ist hier bezogen auf die ihre
eigene Interessenlage!), so könnte man einwenden, dass ich dann diese
Individuen auch relativ leicht über den offensichtlichen Fehler hätte
aufklären können. Die Tatsache, dass mir dies nicht gelungen ist, lässt darauf
schließen, dass der Fehler nicht so eindeutig ist.
Allerdings kann dies kein
pauschales Argument sein, denn es kommen sicherlich genügend Fälle tatsächlich
vor bzw. sind theoretisch denkbar und erklärbar, in denen die Betreffenden so
"verblendet" waren, dass die Einwände nichts gefruchtet haben.
In einem solchen
Fall müsste ich die Diskussion über das Willensbildungsverfahren und speziell
die Bedingungen der Aufklärung aufnehmen und hier eine institutionelle Änderung
fordern, die solche Fehlentscheidungen weniger wahrscheinlich macht. Dabei ist es ja
nicht notwendig so, dass sich diejenigen, die sich im einzelnen Fall von ihrer
Fehlentscheidung nicht zu überzeugen sind, auch gegen Verfahrensänderungen wenden,
die z. B. die Bildungs– und Medienpolitik betreffen würden. (Anders liegt
der Fall, wenn bestimmte gesellschaftliche Kräfte mit Manipulationsmacht an
dieser Fehlentscheidung und an weiteren inhaltlich interessiert waren und
deshalb auch gegen eine Verbesserung der Aufklärungsbedingungen manipulativ
auftreten und damit Mehrheiten gegen solche Änderungsversuche mobilisieren.)
Wenn
die
manipulative Kraft gewissermaßen hermetisch wird, hebt sich die Rechtfertigung
des Mehrheitsprinzip auf, denn es besteht keinerlei Rechtfertigung dafür, sich
ständig den Irrtümern der Mehrheit (das in diesem Falle zugleich die Interessen
einer manipulativen Minderheit ist) zu beugen.
Im andern Fall eines "zufälligen" Mehrheitsirrtums kann ich ihn als Demokrat trotzdem als
für mich gültig anerkennen,
selbst wenn keine institutionellen Änderung wirksam oder durchsetzbar sind, die solche
Fehler in Zukunft unwahrscheinlicher machen. Ich kann dann sagen, dass das
Mehrheitsprinzip zwar nicht in jedem Fall, aber im Großen und Ganzen richtige
Entscheidung herbeiführt und es deshalb sinnvoll ist, es beizubehalten.
Wie ist
es jedoch, wenn ich - ausgehend von den falschen Einzelentscheidungen - auch das
Verfahren der kollektiven Entscheidung nicht mehr anerkenne und mir eine
Änderung so ohne weiteres nicht möglich ist? Ist damit notwendig der casus belli bzw. der Hobbessche
Naurzustand gegeben? Welche Zwischenstufen des
Konfliktes gibt es noch?
Man könnte natürlich einmal das Kollektiv
verlassen z. B. aus der Organisation austreten und aus dem Land
auswandern. Eine andere Möglichkeit wäre der begrenzte Konflikt in Form eines
demonstrativen Verstoßes gegen den nicht anerkannten Beschluss. (Dies wird etwa
von bestimmten Wehrdienstgegner praktiziert, die nur die Gesetze über die
Wehrpflicht nicht anerkennen).
Diese Konflikte sind ausdrücklich als begrenzte definiert –
unter Anerkennung der sonstigen Normen –, sie stellen also keinen
bedingungslosen Machtkampf dar, keinen "Kriegszustand". In gewisser Weise handelt es
sich deshalb hier um Demonstrationsformen zum Zwecke der Meinungsänderung bei der
Mehrheit. Dies wird schon daran deutlich, dass diese Verstöße nicht verheimlicht
werden und man sich der Gerichtsbarkeit nicht zu entziehen sucht, was bei einem
reinen Machtkampf, einem Umsturzversuch, zu erwarten wäre.
*IV - 181*
Wenn Leute die Fragen nicht klären, zu denen sie diskutieren,
so kann es sein, dass zwei Leute zu verschiedenen Fragen sprechen, ohne es zu
merken. Ihr Streit ist dann ein Pseudostreit, sinnlos,
weil sie sich gar nicht
widersprechen können. In einem solchen Fall könnte man sich höchstens die
gemeinsame Frage stellen, welche der beiden Fragen man sich stellen
soll. Man kann dich sicher ohne weiteres zwei Fragen stellen, zwar
nicht zur gleichen Zeit, aber nacheinander. Dann wäre es eine falsche
Alternative. Wenn jedoch Zeit knapp ist, z. B. bei einer zeitlich begrenzten
Diskussionsveranstaltung, muss über die Relevanz beziehungweise die Dringlichkeit der
einzelnen Fragen befunden werden.
*IV - 183*
"Geltende Normen" sind Normen, die "in Kraft" sind, sanktioniert werden,
durchgesetzt werden. Deshalb müssen es nicht gültige Normen sein. Es kann ein
Mafiakodex gelten. Im Englischen wird bereits für Geltung
"validity" gesagt z. B. bei der Kelsen-Übersetzung.)
"Nach reiflicher Überlegung bin ich
zu dem Entschluss gekommen, …"
"Es trieb mich unwiderstehlich dazu, …"
Ich bin in solchen Fällen dazu aufgerufen, die generelle dahingehend zu verfeinern, dass solche Fehlentscheidungen in Zukunft
ausgeschlossen werden (und ohne dass noch schwerwiegendere andere Fehler
entstehen).
Ist die Formulierung einer solchen Norm möglich, so verliert damit
die alte Norm ihre Gültigkeit für mich. Ist dies nicht möglich, so muss die alte
Norm
beibehalten werden. (Dies ist analog zum Verhältnis: allgemeines Gesetz vs.
Einzelfall in der Empirie. Allerdings gibt es hier einen gewichtigen Unterschied:
Für empirische Sätze stellt nicht notwendig das Problem ihrer Durchsetzbarkeit.
Für mein eigenes Handeln kann ich von dem von mir als wichtig erachteten
empirischen Satz ausgehen, ohne auf dessen Anerkennung durch andere angewiesen
zu sein.
Soweit es jedoch über individuelles Handeln hinausgeht, das ich nur vor mir
selber rechtfertigen muss, kommt auch für empirische Sätze das Problem auf, wie
ich deren Anerkennung durchsetzen kann, z. B. wenn es um das Handeln
kollektiver Repräsentanten geht oder um die Ursachen eines Schadens, um den
Täter eines Verbrechens, um kollektives Handeln, etc..
Ein anderes Problem wäre die Aufsummierung von vielen kleinen Schädigungen, die als einzelne zu
vernachlässigen oder unmerklich wären, die jedoch bei großer Häufigkeit einen
erheblichen Schaden darstellen (Trampelpfad im Rasen). (Hier bestünde die Möglichkeit
ohne größeren Schaden Ausnahmen zu
machen (z. B. bei besonderen Anlässen, für bestimmte Personen etc.).
Allerdings kann es die Norm geben, anderen ihre Wünsche möglichst zu erfüllen.
Dies gibt es jedoch meist nur für Intimgruppen, für Paare, Freunde, Familie
etc..
Glück und
Zufriedenheit sind außerordentlich relative Begriffe. Ein Grund liegt sicherlich
in Verdrängungsmechanismen. Ich wehre Ansprüche ab, die mir unerfüllbar erscheinen,
verdränge Gedanken die eine ständige Quelle von Unzufriedenheit sind, ohne dass
eine Möglichkeit und eine Aktivität zur Veränderung der eigenen Lage besteht.
*IV - 197*
Die ständige Konfrontation mit einem höheren Befriedigungsniveau
kann zu Unzufriedenheit (Neid) führen, weil die Verdrängung der eigenen
unerfüllten Ansprüche nicht gelingt.
*IV - 199*
Im parlamentarischen System werden
von der Opposition manchmal Forderungen aufgestellt, die die Opposition selber nicht erstrebt, die
aber ihr Image in der Bevölkerung verbessern. Man kann dies tun, weil man weiß, dass die Regierung diese Forderung
sowieso nicht realisieren will oder kann.
Entscheidungsregeln müssen so beschaffen sein, dass sich institutionelle
Mechanismen finden lassen, die zur Ermittlung der wahren Präferenzen führen. Beim
Tausch besteht z. B. die Tendenz, das eigene Tauschgut nach außen mit
übertriebenen
Präferenzen zu belegen, und das fremde Angebot mit einer niedrigeren als der wirklichen Präferenz zu
belegen.
Aber diese Verstellung kann nur begrenzt betrieben werden, weil der Tausch dann
irgendwann unmöglich wird. Hier kann ein Individuum den Bogen überspannen (sofern nicht
ein
Monopol in Verbindung mit Autarkie für Stärke sorgt).
Jede Institution scheint ihre
spezifischen Verstellungstaktiken zu produzieren.
Das wäre ein eigenes Untersuchungsgebiet (auch der empirischen Forschung).
Institutionelle
Verbesserungen können bei der Präferenzermittlung stattfinden. Die Methode
sollte mit vertretbaren Kosten zur Aufdeckung der wirklichen Präferenzen
führen.
Hierdurch werden für die Entscheidung wahrscheinlich unbedeutende Alternativen
noch mehr zurückgeworfen.
*IV - 201*
Um die wirklichen Präferenzen herauszufinden, kann ein
mehrstufiges Verfahren sinnvoll sein:
Im ersten Wahlgang wählt jeder die von ihm bevorzugte
Alternative. Dann wird im folgenden Wahlgang nur noch zwischen den beiden
Alternativen mit den meisten Stimmen entschieden.
*IV - 202*
Bei der Papstwahl werden keine Alternativen ausgeschieden. Es wird solange
gewählt, bis
einer der Kandidaten alle Stimmen bekommen hat. (Damit dies nicht endlos geht,
werden die Kardinale solange eingeschlossen.)
*IV - 203*
Es gibt auch Verfahren, bei denen bei jedem Wahlgang neue
Alternativen bzw. Kandidaten (meist Kompromisskandidaten) aufgestellt werden können. Die Frage ist,
ob nicht bei allen Verfahren ein Rest an Taktik und an geschickter
Bündnispolitik eine Rolle spielt und bei gleichen Präferenzen zu
unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.
*IV - 204*
Moral beruht auf
Gegenseitigkeit. Man hört auf, den moralischen Normen zu folgen, wennn dies
die anderen nicht mehr tun. Dann geht man zu anderen Formen des Umgangs
miteinander über, die auf kluger Verfolgung des eigenen Interesses beruhen.
*IV - 211*
Terminologisches: Die
Verbindung von Konsensregeln und Status quo Regel sollte man "Vetoregel" nennen.
Konsensregel wäre dann nur die völlige Übereinstimmung, die z. B. am Beginn der
Verfassung zu stehen hätte.
1.) Der eine (größere) Teil wird nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage (Zahlungsfähigkeit)
mit dem Ziel der
Gewinnmaximierung verkauft.
2.) Ein Teil billiger Karten wird
gesondert verkauft, was zur Verteilung nach der Wartezeit führt. Deshalb
wird pro Wartenden nur eine begrenzte Anzahl von Karten abgegeben.
3.) Ein Teil wird über die
Sportverbände an verdiente Sportler und Funktionäre billiger oder gar umsonst
abgegeben.
Allerdings kann diese Mischung von der tatsächlichen
gesellschaftlichen Finanzkraftverteilung wieder modifiziert und überlagert
werden, indem für alle Karten ein schwarzer Markt entsteht, auf dem verdiente
Sportler und Warteschlangenkäufer ihre Karten mit finanziellem Gewinn verkaufen. (Es sei denn, die Karten sind nicht übertragbar). Außerdem könnte ein
Reicher einen Anderen für sich warten lassen, den er dafür bezahlt. So setzen
sich die
Eigentumsverhältnisse wieder durch.
Minimiert
das Prinzip: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" die Gesamtwartezeit aller Individuen?
Nein. Das Minimum der Gesamtwartezeit wird dann erreicht, wenn die Wartenden
entsprechend der Dauer ihrer Abfertigungszeit - beginnend mit der
kürzesten – abgefertigt werden.
Dies Ergebnis könnte man auch dadurch annähernd erreichen, dass man Wartende mit
ähnlicher Abfertigungsdauer jeweils an einem Schalter zusammenfasst. Dies wird in
Supermärkten ansatzweise bereits gemacht, indem ein besonders schneller Schalter für
Kunden, die wenig gekauft haben, eingerichtet wird.
Solche Verteilungen auf mehrere Schalter müssen jedoch der
Zusammensetzung der Abfertigungszeiten entsprechen, weil sonst einzelne Schalter
Leerlauf haben, wenn gerade kein Kunde mit passender Abfertigungsdauer wartet.
Warum wird nun im
Alltag doch meist nach dem Prinzip "Reihenfolge der Ankunft gleich Reihenfolge
der
Abfertigung" verfahren? Ein Grund ist sicherlich, dass sich bei den anderen
Verfahren extrem ungleiche Wartezeiten ergeben können. Im
äußersten Fall muss derjenige, der die längste Abfertigungszeit hat, alle anderen vorlassen
müssen. Angenommen, es würden immer neue Wartende hinzukommen, so käme er nie an
die Reihe. Bei
derart extremer Ungleichheit der Wartezeiten wird das Ziel der Minimierung der Gesamtwartezeit
problematisch.
Es wird deutlich, dass "Zeit" kein nutzenmäßig homogenes Gut ist und
sich insofern nur bedingt als kardinales Nutzenmaß eignet. Die einzelnen
Individuen haben gewöhnlich Zeitpläne mit bestimmten Terminierungen. Wenn ich
z. B. um 10:00 Uhr komme und um 12:00 Uhr einen wichtigen Termin habe
(bei einer halben Stunde Wegzeit), so habe ich eineinhalb Stunden Zeit, aber jede
Minute darüber verursacht unter Umständen riesige Kosten.
Wenn
meine Wartezeit mit weiteren Kosten (z. B. für Dritte) verknüpft ist,
dann wiegt meine Wartezeit natürlich viel schwerer, meine Abfertigung
ist dringlicher.
Die Dringlichkeit schnellt bei Terminierungen
schlagartig in die Höhe. Dann kann die Zeit nicht mehr als Nutzenmaß
genommen werden.
Denkbar ist, dass steigende Grenzkosten der Wartezeit auftreten:
Jede zusätzliche Einheit an Wartezeit kostet dann mehr als
die vorangehende Einheit.
Bei der Regel: "Reihenfolge der Ankunft gleich Reihenfolge der Abfertigung" kann
jedes Individuum seine Wartezeit dadurch verkürzen, dass es dann kommt, wenn die
aufsummierte Abfertigungszeit
der Wartenden am kürzesten ist.
Häufig wird die
Reihenfolge der Ankunft erfasst, ohne dass die Individuen bis zur eigenen Abfertigung warten müssen.
Stattdessen werden bei der Ankunft fortlaufende Nummern ausgegeben, die zugleich
die Reihenfolge der Abfertigung festlegen. Dadurch werden die Kosten für die
Anwendung der Entscheidungsregel bei den Individuen radikal gesenkt.
Die Regel "Reihenfolge der Abfertigung nach der kürzestensten Abfertigungsdauer"
ist nur dann anwendbar, wenn die Dauer vorher bekannt ist oder zumindest
einigermaßen zuverlässig geschätzt werden kann.
Oft kommt es auch nur darauf an, dass auf den vereinbarten Termin Verlass ist. Je nach sonstiger Belastung wird dann
ein Termin
mitgeteilt, der auch eingehalten werden sollte. ("Ab nächsten Mittwoch können Sie die Filme abholen.")
Aus meinen Notizbüchern Heft I
II
III
IV
V
VI VII
VIII
IX
X XI
XII.