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Aus meinen Notizbüchern: Heft III
Heft III
Vorbemerkung:
*III-1*
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Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Aus meinen Notizbüchern Heft III" / Letzte Bearbeitung
05.05.2011 / Eberhard Wesche
*** Wer diese Website interessant findet, den bitte ich, Freunde, Kollegen und
Bekannte auf die Ethik-Werkstatt hinzuweisen ***
Die folgenden Texte, meine Notizbücher, habe ich nicht für die Veröffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine
eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorläufigen
Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T.
grundlegender Überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als
andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die
für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und
für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht
bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugefügt und
begründet.
Nach Ayer ("Sprache, Wahrheit und Logik") ist es sinnlos, bei normativen Sätzen
wahr und falsch unterscheiden zu wollen. Abgesehen von ihren empirischen
Gehalten seien diese rein emotiv, sie enthielten keine Aussagen (Propositionen).
Aber auch wenn es kein empirisches Falsifikationskriterium (bzw. Verifikationskriterium) für normative Sätze gibt und damit auch kein
empirisches Wahrheitsproblem, so gibt es doch ein Gültigkeitsproblem für sie. Wenn Normen Gültigkeit und Anerkennung beanspruchen
gegenüber anderen Individuen und wenn sie mit Hilfe von Sanktionen durchgesetzt werden, so stellt sich praktisch das Problem der Einigung über Normen
einschließlich ihrer intersubjektiv vermittelten Kritik und Rechtfertigung. ...
Man kann man diese rigide Haltung auch leicht gegen die empirische Wissenschaft und ihre Methodologie wenden. Man kann zum Beispiel darauf beharren, dass
jeder, der eine empirische Aussage macht, damit nur seine subjektive Meinung über die Tatsachen ausdrückt. Und selbst wenn man diese Meinung mit empirischer
Beobachtung konfrontiert, handelt es sich doch weiterhin immer nur um subjektive Erfahrung. Es gibt keinen logischen Zwang, das
gleiche zu sehen wie der andere. Die "Objektivität" von empirischen Aussagen wird also ebenfalls durch einen komplizierten Überprüfungs- und Einigungsprozess erst
geschaffen.
*III-2*
Nach Ayer kann man über Normen - abgesehen von ihrem empirischen Gehalt - nicht streiten. Aber wenn es keine Möglichkeit der Argumentation gibt, so wird
der tatsächlich vorhandene Konflikt auf eine Entscheidung durch Stärke und Gewalt verwiesen (das "Recht" des Stärkeren). Dann kann jede Kritik und
jeder Tadel am Verhalten des anderen nicht mehr sein als die Aufforderung an den anderen, so zu handeln, wie man selber es wünscht.
*III-3*
Warum soll es nicht möglich sein, unter bestimmten Voraussetzungen
von der subjektiven Aussage: "Ich will, dass
dies geschieht" zu der allgemeinen Aussage: "Dies soll geschehen" überzugehen?
Man geht ja auch von der subjektiven Aussage: "Ich sehe hier ein Haus" zu der allgemeinen Aussage: "Hier ist ein Haus" über.
Warum kann man, wenn man seine eigenen Empfindungen und Wünsche ausdrücken kann, nicht auch den Versuch machen,
die Empfindungen und Wünsche von mehreren Individuen auszudrücken? Warum kann man nicht diskutieren, ob und wie weit normative Sätze dies tun und anhand
welcher Kriterien sich dies am besten entscheiden lässt?
*III-4*
Wenn jemand sagt: "Ich will Bundeskanzler werden",
drückt er dann ein Gefühl aus? Offenbar handelt es sich um keine empirische
Aussage wie etwa: "Ich bin Bundeskanzler". Aber hier von "emotive" (engl.) zu sprechen, erscheint nicht angebracht. Das würde heißen, dass man den
Satz der gleichen Kategorie zuordnet wie den Satz: "Ich habe Angst".
Aus dem Satz "Ich will Bundeskanzler werden" ergeben sich ganz anders geartete Konsequenzen als aus dem Satz: "Ich habe Angst". Im ersteren Satz wird ein Zustand bestimmt,
der nicht ist, und der Wille, diesen Zustand herbeizuführen. Ich muss also mit entsprechenden Anstrengungen des Sprechers in Richtung auf sein gewolltes Ziel
rechnen, die unter Umständen auch zu Vorschriften für mein eigenes Verhalten führen können.
Anders bei dem Satz: "Ich habe Angst". Hier muss ich mit einem Verhalten rechnen, wie es bei angsterfüllten Personen auftritt. Hieraus können sich
logisch keine Verhaltensvorschriften für mich ableiten, es sei denn, ich setze den Satz "Ich habe Angst" mit dem Satz "Ich will
keine Angst haben" gleich. Zwar können sich Emotionen sehr leicht in Willensäußerungen umsetzen, aber sie sind damit nicht bedeutungsgleich.
*III-5*
In Analogie zu den Aussagen über die Wirklichkeit, die ohne
Wahrnehmung nicht zu bekommen sind, könnte man von den normativen Sätzen sagen, dass sie ohne Bezug
auf den Willen der Individuen nicht zu bekommen sind.
*III-6*
Den Begriff 'anerkennbar' mit dem Begriff
'verifizierbar' der empirischen Methodologie vergleichen. Der Begriff 'verifizierbar' bezeichnet die logische Möglichkeit
einer Verifizierung. Er bezeichnet aber keine tatsächliche Verifizierung.
*III-7*
Einerseits wollen die Sprachanalytiker die ethischen Sätze "wissenschaftlich" analysieren und wehren sich gegen ein "Moralisieren über Moralisieren" (so z. B.
Stegmüller). Andererseits stößt man in ihren Schriften ständig auf normative Sätze ... In diesem Zusammenhang müsste man einmal die Methodologie der
Formal- und Realwissenschaften untersuchen. Wo kommen hier die methodologischen Regeln her?
*III-8*
Der Stand der Ethik etwa bei Ayer, Stevenson usw. zeigt seinen geringen Entwicklungsgrad daran, dass sich daraus kaum Hinweise für
bestehende normative Disziplinen
ergeben (Recht, Wirtschaft, Pädagogik), obwohl hier die gleichen logischen Aussageformen (Sollsätze) vorliegen. Eine normative Methodologie hätte
mitzuhelfen, auch in diesen Disziplinen Klärung herbeizuführen.
*III-9*
Gibt es einen intersubjektiv einsichtigen Grund für die Vorschrift,
bei der Argumentation
nicht an die Vorurteile des anderen zu appellieren? Reicht es zu sagen, dass der
andere diesem Vorgehen nicht zustimmen könnte, wenn er wüsste, dass es sich um
Vorurteile handelt?
*III-10*
Die sprachanalytische Klärung der Sollsätze muss vorbereitet werden durch eine
Analyse der Willens-Sätze. Wenn deren Bedeutung geklärt ist, kann auch die
Bedeutung der Sollsätze besser geklärt werden.
A sagt:
"Ich will nach Hamburg fahren" B sagt: "Ich will, dass Du nach Berlin
fährst". Darin ist enthalten: "Du sollst nach Berlin fahren". Von hieraus ergibt sich
eine faktische Unvereinbarkeit der in den beiden Sätzen jeweils gewollten beziehungsweise
geforderten Handlungen. Daran anschließend die logische Widersprüchlichkeit von
Normen diskutieren. (Wie verhält sich faktische Unvereinbarkeit und logische
Widersprüchlichkeit in der empirischen Methodologie?)
*III-11*
Eine wahre empirische Aussage befriedigt das Interesse, sich nicht zu
irren. Welches Interesse befriedigen normative Aussagen? Gibt es ein subjektives Interesse an intersubjektiv anerkennbaren
normativen Aussagen? Liegt
das Interesse in der Vermeidung von Streit und Konflikt innerhalb einer
Gesellschaft? Behindert der
Streit die Verwirklichung des subjektiv Gewollten? Oder es ein subjektives
Interesse aller an der Verwirklichung des Gewollten (ethischer Egoismus)?
*III-12*
Die einzige normative Prämisse, die von mir vorausgesetzt wird, ist die Norm "Es sollen
intersubjektiv anerkennbare Normen bestimmt werden, die beinhalten, was die
Einzelnen tun sollen". Alles weitere muss als logische Implikation oder als
empirische Bedingung ihrer Geltung aus dieser Norm und dem Wollen der Individuen folgen. Wenn
dies gelingt, dann liegt kein Trugschluss vom Sein auf das Sollen vor, noch ist irgendeine Norm willkürlich eingeführt worden.
Die obige Norm entspricht nur der Fragestellung ("Wie sind intersubjektiv
anerkennbare Normen möglich?" bzw. "Wie lassen sich unsere normativen
Fragen allgemein gültig beantworten?") Die Lösung dieses Problems ist Aufgabe
einer normativen
Methodologie.
*III-13*
Wenn die Menschen darauf verzichten könnten,
intersubjektiv geltende Normen
aufzustellen, dann wäre damit auch das Problem der Allgemeingültigkeit von
Normen vom Tisch. Aber solange sich der Wille von Subjekten normierend auf das
Verhalten anderer Subjekte bezieht, wird man nach einem intersubjektiv
übereinstimmenden gemeinsamen Wollen suchen, um in einer kooperativen und
koordinierten Gesellschaft zusammenleben zu können. Nur dann wird niemand unterdrückt.
*III-14*
Die Norm stößt auf die Grenzen des Möglichen.
Darf man das Unmögliche fordern? Wohl nicht, aber das,was möglich ist, ändert sich
im Laufe der Zeit
und kann unter Umständen durch den Willen der Menschen (Konzentration auf die
Entdeckung neuer Möglichkeiten) gezielt verändert werden. Es hat also insofern Sinn, das
heute noch Unmögliche - aber morgen vielleicht Mögliche - zu fordern.
*III-15*
Es geht bei Normen nicht allein um den intersubjektiven Konsens als solchen,
sondern es geht auch um die Realisierung des Gewollten, ähnlich wie es bei empirischen Sätzen nicht allein um den intersubjektiven
Konsens geht, sondern zugleich um irrtumsfreie Prognosen. (Muss die Forderung "Realisierung des Willens aller Subjekte"
als Prämisse mit an die Spitze, oder ist
sie aus der Prämisse "Suche nach intersubjektiver Anerkennbarkeit" deduzierbar?)
*III-16*
Bei allen logischen Argumentationsschritten ist klarzustellen, ob der Schluss sich
auf eine eigene definitorische Festsetzung oder eine
empirische
Gesetzmäßigkeit stützt.
*III-17*
Das Problem fängt da an, wo zwei Individuen miteinander nicht zu vereinbarende
Willensinhalte haben. Wenn man nicht will, dass dieser Konflikt allein durch Stärke
entschieden wird, ohne dass man noch weiter argumentieren kann, muss man
Verfahren der intersubjektiv anerkennbaren Einigung [oder
der vertraglichen Einigung] diskutieren.
*III-18*
Ein wichtiges Problem wird sein, "Recht" als empirischen und als normativen
Begriff klar auseinanderzuhalten. Jemand mag - soziologisch gesehen - ein Recht
besitzen (Träger eines Titels sein), daraus lässt sich aber niemals folgern,
dass ein anderer dies Recht anerkennen soll. Empirisch-soziologisch mag dies wiederum gefordert werden. Aber das sagt noch nichts über die normative
Gültigkeit dieser Forderung aus. Einmal spricht man über Forderungen, das andere Mal
stellt man sie auf, einmal gebe ich Forderungen wieder (wie in indirekter Rede),
das andere Mal vertrete ich sie.
*III-19*
Die Frage, ob ethische Probleme kognitiv sind, ist ziemlich müßig. Man
sagt: "Ich weiß nicht, wie ich handeln soll", man fragt: "Wie
soll ich handeln?" Was mir die Antwort auf eine Frage gibt, kann demgemäß
ohne weiteres als "Wissen" bezeichnet werden. Es bleibt ein Streit um Worte (es sei
denn, man meint mit "kognitiv" die Ähnlichkeit mit empirischem Wissen und dessen
methodische Überprüfbarkeit).
*III-20*
Wichtig ist die Klassifizierung normativer Sätze nach dem Schärfegrad ihrer
Sanktionierung: Auf der einen Seite stehen kaum sanktionierte Bitten,
Empfehlungen, Ratschläge und Werturteile. Auf der anderen Seite stehen Gesetze,
die die Sanktionsdrohung bereits enthalten.
*III-21*
Die normative Entscheidung kann einmal unter dem subjektiven Kriterium stehen:
"Was ist für mich als Individuum das Beste?", ohne die intersubjektive Anerkennbarkeit dieser
Entscheidung zu fordern (intraindividuelle Entscheidungs Problematik). Verlangen jedoch auch
andere eine Mitwirkung an meiner Entscheidung indem sie Sanktionen androhen,
entsteht der Streit zwischen Individuen (interindividuelle
Entscheidungsproblematik).
*III-22*
Einmal untersuchen, welche Form empirischer und normativer Methodologie sinnvoll
wäre, wenn es nur ein Individuum gäbe, wenn also das Kriterium intersubjektiver
Überprüfung sinnlos würde. Diese Robinsonade würde subjektive und
intersubjektive Elemente trennen.
*III-23*
Auch die empirische Methodologie leitet ihre Forderung aus einem konditionalen
Satz ab: Wenn man irrtumsfreie Prognosen aufstellen will, muss man die-und-die
Kriterien anwenden. Dass man überhaupt irrtumsfreie Prognosen will, ist
allerdings nicht
problematisch.
*III-24*
Man sagt: "Gut, besser, am besten". In diesem Sinne wird der Wert gemessen, man
macht Größenvergleiche.
*III-25*
Aufgabe der Sprachanalyse ist die Analyse der Wortbedeutung. Solange
Wörter
mehrdeutig sind und solange diese Mehrdeutigkeit unter einem Wortesymbol
versteckt bleibt, kann es zu logisch unzulässigen Schlüssen kommen. Logische Deduktionen setzen voraus, dass die Bedeutung der Zeichen sich
nicht ändert, dass also nicht unter der Hand von einer Wortbedeutung zu anderen
gewechselt wird. Der Fehler ist dann, dass die verschiedenen Bedeutungen
gleichgesetzt werden, weil ihnen das gleiche Wortsymbol entspricht.
*III-26*
Gegen die deterministische Reduktion der ethischen Fragestellung auf die
Erkenntnis der historischen Notwendigkeit.
Es heißt etwa: Dass sich bestimmte
ethische Anschauungen entwickeln, hat seine Ursache in der sozialen Entwicklung.
Man kann jedoch auch die Wissenschaft in dieser Weise als ein
empirisches Objekt betrachtet ohne jeden Gültigkeitsanspruch. Damit fällt der
materialistische Standpunkt in sich selber zusammen, denn er
erhebt für sich
selbst den
verpönten Gültigkeitsanspruch, den er in Bezug auf die Ethik nicht zugelassen
hat.
*III-27*
Dass in der Ethik nicht nur "wahre"und" falsche" Lösungen vorkommen, sondern
Abstufungen von "guten", "besseren" und "besten" Lösungen (beziehungsweise
schlecht, schlechter, am schlechtesten) liegt am entscheidungstheoretischen
Ansatz.
*III-28*
Die Notwendigkeit einer Aufklärung des subjektiven Willens im
Zusammenhang mit den unwillkürlichen Verhaltensweisen diskutieren, von denen das
Individuum sich bewusst distanzieren kann.
*III-29*
Gegen den moralischen Intuitionismus und dessen Psychologie die Erkenntnisse der
modernen Psychologie halten:
Die Bewertung im Zuge direkter Assoziation
oder die Bewertung mit einer Reihe von
Gedanken, die dazwischen geschaltet sind. Die Möglichkeit der Änderung von
Bewertungen durch neue Gedankenlinien, die Notwendigkeit solcher gedanklichen
Vermittlung, um die assoziierten Folgen durch wissenschaftlich
prognostizierte Folgen zu ersetzen (die Rolle kognitiver Unterscheidung bei
emotionalen Reaktionen, langfristige - kurzfristige Folgen).
*III-30*
Was heißt: "Die (Wahl-)Entscheidung des Individuums muss 'frei' getroffen
werden, sie darf nicht aufgrund von Zwang oder Bestechung zustande gekommen
sein"?
Was sind die Argumente hierfür?
Entsprechend: "Warum darf
die intersubjektive Anerkennung nicht erzwungen werden?"
Erste Antwort: "Weil ich will
nicht, dass ich gezwungen werde".
Wenn jemand sich unter Zwang oder Sanktionsdrohung
entscheidet, ist das dann sein Wille? Wenn nicht, warum ist es dann sein Wille,
wenn er sich unter dem Druck natürlicher Gefahren entscheidet?
Das zentrale
Problem der "Anerkennbarkeit" durch solche Überlegungen klarer herausarbeiten.
Das
Individuum mag sich unter fremdem Zwang entscheiden, aber es kann sich zugleich
gegen diesen Zwang entscheiden.
*III-31*
In der empirischen Forschung existiert das Problem der unverzerrten Wahrnehmung.
Dem entspricht in der Ethik das Problem des unverfälschten Willensausdrucks.
*III-32*
Entscheidungen bilden sich nicht unabhängig von der gegebenen
Situation, die zu bestimmten Befürchtungen und Hoffnungen Anlass geben kann.
Wenn nun mächtige Individuen die Situation anderer Individuen bestimmen, so haben sie damit Macht und Einfluss über deren
Entscheidungen.
*III-33*
Wenn der Sinn normativer Aussagen darin liegt, einen gewollten Zustand in Bezug
auf das Verhalten von Individuen auszudrücken, so ergeben sich daraus auch
Folgerungen für das Verständnis von Schuld und Strafe.
Die Strafe muss
verstanden werden als ein Mittel, um diesen Willensinhalt zukünftig zu realisieren. Die
Strafe kann keine vergangenen Normverletzungen ungeschehen machen. Die Metaphysik von Schuld und Sühne, die nicht beachtet, dass es allein um
eine Verbesserung in der Zukunft gehen kann, ist von hier aus zu kritisieren.
Das
Vergeltungsprinzip ist ganz von den aggressiven Gefühlen der Betroffenen her
konzipiert und der Genugtuung für diese Gefühle. Ob tatsächlich in Zukunft
normgerechteres Verhalten bewirkt wird, ist dabei zweitrangig.
Das Verständnis, dass durch die Strafe eine Schuld abgetragen werde, kann nur so verstanden werden,
dass nach "Verbüßung" der Strafe kein Interesse der Gesellschaft mehr besteht an einer weiteren
Sanktionierung oder vorbeugenden Kontrolle des Täters. Es geht hier nicht
um die "Tilgung" einer imaginären Sache, genannt "Schuld". (Dieses Wort hätte
dann einen Sinn, wenn die Strafe zugleich eine Wiedergutmachung des angerichteten Schadens wäre).
Die Bestrafung ist etwas Negatives, was noch zum Negativen der Tat hinzukommt. Nur in ihrer Wirksamkeit
für die Verringerung zukünftiger Vergehen liegt ihre Rechtfertigung.
Die Verletzung einer gültigen Norm rechtfertigt nicht jede beliebige Strafe. Das
Übel der schweren Strafe kann unter
Umständen viel schwerer wiegen als der Schaden, der durch die Normverletzung
entstanden ist.
Wenn der Sinn der Strafe die Besserung des Bestraften ist, so gewinnt auch der Gesichtspunkt
der "subjektiven Schuld" eine klare Bedeutung, die Berücksichtigung von Vorsatz,
Motiv, Zurechnungsfähigkeit, Reue und so weiter. Die entscheidende Frage ist: Kann die Strafe die Motivationsstruktur des Täters
im Sinne einer Befolgung der Norm beeinflussen? Zu fragen ist weiterhin: In welchem Maße war die Tat
von der Motivationsstruktur des Täters abhängig? Nur wenn die Tat von der
besonderen Motivationsstruktur des Täters abhängig war und wenn diese Motivation
durch eine Bestrafung veränderbar ist, hat die Strafe einen Sinn. Ansonsten kommen Bewährungs-
und Schutzmaßnahmen oder die Therapie
pathologischer Täter in Betracht.
*III-34*
Ein Sinnkriterium für normative Sätze formulieren - analog zum empirischen
Sinnkriterium. Anhand dieses Kriteriums muss die Frage beantwortet werden, ob es sich um
einen normativen Satz handelt oder nicht (was
noch nichts über die Gültigkeit des Satzes sagt).
Ein Vorschlag dazu: Normative Sätze
müssen ein Verhalten vorschreiben. Alle Sätze, die dies tun und damit das
normative Sinnkriterium erfüllen, wären somit Normen und fallen in den Anwendungsbereich der normative
Methodologie.
*III-35*
Die Schwierigkeit bei der Bewertung eines Verhaltens beruht auf der Möglichkeit,
empirisch identisches Verhalten
unterschiedlich zu klassifizieren und
zu beschreiben. Es hängt also von den zur Beschreibung des Verhaltens verwendeten Kategorien ab, zu
welchen Ergebnissen man kommt. Ein bestimmtes Verhalten kann z. B. sowohl als "Lügen"
als auch als "Tröstung eines Todkranken" klassifiziert werden.
*III-36*
Wenn A zu B sagt: "Tue x!" und B fragt zurück: "Warum soll ich x tun? " und
A sagt darauf hin: "Du sollst x tun, weil ich das so will", so ist der
strittige Imperativ mit dieser Begründung sicherlich nicht intersubjektiv
anerkennbar. Es bleibt dennoch ein sinnvoller Satz: Er bedeutet eine
Verhaltensvorschrift für eine bestimmte Person zu einer bestimmten Zeit.
*III-37*
Methodisches Ideal: Bei jedem formulierten Satz seine Geltungsebene und
seine Begründungsebene angeben.
Zum Beispiel: Der Satz ...
"... ist logisch gefolgert aus den vorhergehenden Sätzen XYZ" oder
"... ist eine definitorische Festsetzung" oder
"... ist eine empirische Hypothese" oder
"... ist eine methodologische Regel" oder
"... ist eine inhaltliche Norm".
*III-38*
Eine Möglichkeit zur Überprüfung eines intersubjektiven Wohlfahrtsvergleichs ist die Aufforderung zum Tausch. Wenn
ein Kapitalist abstreitet, dass es ihm besser geht als einem Arbeiter (Last der
Verantwortung, Risiko usw.), kann man ihn fragen: "Möchtest Du mit dem Arbeiter tauschen?"
*III-39*
Kann man sagen, dass die Privilegierung einer Begründung bedarf, die
Gleichstellung jedoch nicht? Lässt sich das logisch aus der Forderung nach
Allgemeingültigkeit ableiten?
*III-40*
Lässt sich aus der Forderung nach intersubjektiver Anerkennbarkeit von Behauptungen folgern, dass die Anerkennung nicht erzwungen werden darf,
dass keine Gewalt oder Macht dabei angewendet werden darf? ("herrschaftsfreier
Dialog")
*III-41*
Erhält man einen "natürlichen" Nullpunkt für Präferenzen (individuelle Nutzen),
indem man die gegenwärtige Situation (status quo) als Bezugspunkt nimmt und die Alternativen als
mehr oder weniger
positiv beziehungsweise negativ zu diesem Zustand bewertet?
*III-42*
Die Probleme bei der Messung des Nutzens sind andere als bei empirischen
Messungen. Man könnte zum Beispiel sagen: "Ich messe den Nutzen einer Alternative
für ein Individuum an der Zahl der Arbeitsstunden oder Zigaretten, die das
betreffende Individuum für die Realisierung einer Alternative zu
geben bereit ist." Damit wäre ein praktikabler Maßstab gefunden. Nun könnte jemand einwenden: "Dies ist keine
gültige
Operationalisierung des Begriffs 'Nutzen'. Die Bedeutung des Wortes 'Nutzen' ist damit nicht erfasst."
Wie könnte man hier argumentieren? In den Erfahrungswissenschaften lassen sich Regeln der Begriffsbildung aus den
wissenschaftlichen Zielsetzungen (Prognosen, Erklärungen etc.) ableiten. Was sind aber die Zielsetzungen von
Nutzenmessungen? Sollen damit die Alternativen in Bezug auf ihre kollektive
Wünschbarkeit miteinander verglichen werden, was eine Zusammenfassung der
individuellen Wünsche erfordern würdè?
Wenn man einen empirischen Indikator als Maßeinheit der Nutzenmessung
definiert, so drückt man den Nutzen der zu messenden Alternative durch den
Nutzen dieses Indikators für das jeweilige Subjekt aus.
Man zieht dann zur Bestimmung des Nutzens naturale Einheiten (Geldstück, Stunde Freizeit) heran. Die Frage ist jedoch,
ob diese naturalen Einheiten auch nutzenmäßig
kardinal strukturiert sind. 11 DM sind 1 DM mehr als 10 DM. Aber wenn 10
naturale Einheiten 10 Nutzeneinheiten besitzen, verkörpern dann 11 naturale
Einheiten auch 11 Nutzeneinheiten?
Das tun sie nicht: Wenn z. B. bei der Maßeinheit ein Sättigungsphänomen
vorliegt (sinkender Grenznutzen), so sind die Nutzenquanten der naturalen
Einheiten nicht gleich. Aber wie kann man ein Sättigungsphänomen feststellen?
Durch die Änderung der Tauschraten zwischen zwei Gütern bei Änderung der
jeweiligen Mengen.
*III-42.1*
Die Konsensregel soll die "größtmögliche Freiheit der Individuen" ermöglichen,
denn niemand
wird bei Anwendung der Konsensregel gegen seinen Willen zu etwas gezwungen. Aber was
ist, wenn Individuen die aktuell geltenden Normen ablehnen? Diese Individuen
werden zur Anerkennung des Status quo gezwungen.
*III-43*
Die Gerechtigkeit des Tausches setzt voraus, dass zuvor alles "mit rechten Dingen
zugegangen ist". Es kommt deshalb niemand auf die Idee, den
Dieb für die Rückgabe des Diebesgutes
zu entschädigen. Er wird in
diesem Fall zu Recht "schlechter gestellt", weil
er das Tauschprinzip zuvor verletzt hat, womit sein Besitz "unrechtmäßig"
ist. Es kommt also darauf an, welchen Zustand man zum Ausgangspunkt wählt, wenn
man das
Paretoprinzip anwendet.
*III-44*
Verführung: Ein Mann fragt eine Frau: "Willst Du mit mir schlafen?" Sie
sagt "Nein". Aber auf Umwegen (Komplimente, Hände halten, umarmen, sich küssen,
Petting o.ä.) bringt der Mann die Frau ohne Anwendung von Gewalt doch dazu, "Ja" zu sagen. Jeder einzelne Schritt wird
jetzt von ihr bejaht -
einschließlich des
letzten Schritts zum Geschlechtsverkehr. Hier ändert sich sukzessive die
Motivation der Frau. Was ist das "echte"
Bedürfnis? Was will die Frau wirklich?
*III-45*
"Everything in me cried 'No!' but the whole sum of it cried
'Yes!'." (Aus James
Baldwin: "Giovanni's Room").
*III-46*
Die Annahme einer konstanten Bedürfnishierarchie ist problematisch wegen des Wechsels der Bedürfnisstärke je nach
aktuellem Stimulus. Hinzu kommen Unterschiede durch unterschiedliche
Lernbedingungen in der Vergangenheit und durch genetische Unterschiede.
*III-47*
Aus Zielhierarchien, Werthierarchien oder Bedürfnishierarchien lassen sich meist
keine eindeutigen Entscheidungen ableiten. Außerdem:
Wie kommt man zu diesen Hierarchien?
*III-48*
Ist die paretianische Wohlfahrtsökonomie durch vorherrschendes Monopol und Oligopol obsolet
geworden? Nein, denn sie leistet ja die gerade die Kritik des Monopols.
*III-49*
Zum
Gleichheitsprinzip: Geteiltes Leid ist halbes Leid.
*III-50*
Möglichst viel umgangssprachliche Formulierungen zum intersubjektiven
Nutzenvergleich sammeln und
einbringen, um die praktische Relevanz der Analyse und den
Bezug zur sozialen Wirklichkeit deutlich zu machen.
*III-51*
Selbst große Differenzen in der Aufgeklärtheit der Individuen sprechen nicht gegen das allgemeine Wahlrecht. Denn die unaufgeklärten Individuen können
dem Rat von aufgeklärten Individuen folgen, ohne selbst in der Lage zu sein, deren Begründungen im einzelnen nachvollziehen
und überprüfen zu können. Es genügt, wenn sie in der Lage sind, diejenigen Individuen zu erkennen, denen sie zu Recht vertrauen können.
Unter welchen Bedingungen funktioniert dieser Repräsentationsmechanismus? Wichtig ist vor allem die offene Kritik
unter den Aufgeklärten, die eine Offenlegung der bei ihnen zu Grunde liegenden Motivation
bewirkt.
Problematisch wird die Situation bei einer neurotischen Struktur der Unaufgeklärten. Problematisch wäre auch die Zugehörigkeit der
Aufgeklärten zu einer gesonderten Gruppe mit spezifischen Interessen.
*III-52*
Es geht hier nicht um die Beantwortung der normativen Fragen aller Zeiten, sondern
um bessere Entscheidungen in Bezug auf die heute anstehenden Probleme. An der Leistungsfähigkeit in Bezug auf
diese Entscheidungen ist die Methode zu messen, nicht an irgendwelchen absoluten Kriterien.
*III-53*
Die Umstellungskosten vom Status quo müssen berücksichtigt werden. Umstellungskosten können
z. B. eine bestehende
Zyklizität der Präferenzen aufheben. (Sie können aber auch selber eine
Zyklizität hervorrufen).
*III-54*
Auffällig ist bei den Vertretern der New Political Economy, dass sie vorgeben,
keine normativen Urteile zu treffen. So Frey (in 1970, S.1): "Ebenso
wenig werden normative Fragen des Verhältnisses von Ökonomie und Politik
behandelt" oder Buchanan. Eine Kritik muss deshalb die implizite Werthaltigkeit
dieser Ansätze offenlegen.
*III-55*
Die Bestimmung eines gesellschaftlichen Problems ist eher
konsensfähig als seine Lösung (Lautmann 1970). Zwei Parteien können hinsichtlich der Existenz
und der Wichtigkeit eines Problems übereinstimmen aber verschiedene Lösungsmöglichkeiten für richtig
halten.
*III-56*
Gegen eine Vielzahl "oberster Ziele" wie Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, Frieden, Fortschritt, Wohlstand,
Selbstbestimmung etc.
Stattdessen müssen diese Ziele aus dem einen Ziel abgeleitet werden: der zwanglosen kollektiven Einigung.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen solchen Werten oder Zielen, die in der kollektiven
Entscheidungsregel bereits logisch impliziert sind und solchen, die sich erst aus der Anwendung der
kollektiven Entscheidungsregeln auf die vorhandenen individuellen Präferenzen
ergeben.
*III-56a*
Zu kritisieren ist die klassische "Wohlstandsgleichung": Soziale Kosten = Preis
= sozialer Nutzen" (Watrin). Zu kritisieren ist die Nichtberücksichtigung
marktexterner Kosten und Nutzen, die sich in den Preisen der Güter nicht niederschlagen.
*III-57*
Angeborenes Mitgefühl: Kleine Kinder fangen beim Anblick eines weinenden Kindes
häufig ebenfalls an zu weinen.
*III-58*
Wenn Mitgefühl angeboren ist, fallen dann Egoismus und
Altruismus zusammen?
*III-59*
Dass die individuellen Präferenzen gesellschaftlich geformt sind, ist überhaupt
nicht zu vermeiden. Deshalb ergibt sich daraus auch kein Einwand gegen
das Ausgehen von den Präferenzen der Individuen. Warum diese in einem bestimmten
Fall nicht akzeptabel sind, muss an deren Entstehungsbedingungen
gezeigt werden.
*III-60*
Bei gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln führt deren Verwendung
zu (Opportunitäts-)Kosten, die dem entgangenen Nutzen bei einer anderen
Verwendung entsprechen. Dieser Nutzen entgeht den
potentiellen Konsumenten derjenigen Güter, die mit diesen Produktionsmitteln bei einer
anderen Verwendung hätten produziert
werden können.
Bei Privateigentum an den Produktionsmitteln entgeht dem
Unternehmer der Nutzen einer alternativen Verwendung der Produktionsmittel. Der Nutzenentgang der
potentiellen Konsumenten wird unter diesen Bedingungen nur indirekt berücksichtigt durch die Annahme
eines gewinnmaximierenden Unternehmers.
*III-61*
Den Begriff "Eigentum" klären, der unmerklich von einer
normativen Bedeutung (Verfügungsrecht eines Subjektes) in eine faktische Bedeutung (Zugehörigkeit
zu einem Subjekt) übergeht.
Je nach der Art der Beziehung zum Individuum ist die Bedeutung unterschiedlich. Dies wird an der
Bedeutung der Possessivpronomen ("mein", "dein" etc.) deutlich bzw. am Genitivus
possessivus ("das Haus meiner Großmutter").
Wenn ein Maler
sagt: "Dies Bild ist mein Werk", so muss das Bild nicht sein
Eigentum sein. Das Possessivpronomen bezeichnet hier nur die Beziehung zwischen
Hersteller und Werk.
Wenn jemand sagt: "Dies ist mein Haar", so drückt er damit eine
faktische Zugehörigkeit (zum Körper des Sprechers) aus. Auch diese Zugehörigkeit muss kein Verfügungsrecht implizieren. Zum Beispiel kann man vom
"Haar des
Sklaven" sprechen über dessen Schnitt trotzdem sein Herr entscheidet.
Wenn ich sage: "Dies ist mein Haus", so handelt es sich hier um die
Behauptung eines Verfügungsrechts über das betreffende Haus. Diese Verfügung kann zeitweilig
auf andere übertragen werden (Miete, Pacht). Das Verfügungsrecht kann im
Einzelfall faktisch nicht
durchsetzbar sein, weil ein Anderer aufgrund überlegener Stärke
über die Sache verfügt.
Die Übergänge zwischen den Bedeutungen sind fließend und häufig treten
mehrere Bedeutungen gleichzeitig auf.
*III-62*
Unser Sprechen ist voll von interpersonalen und intertemporalen Wohlstandsvergleichen.
Man spricht von den "Hauptleidtragenden" eines Unglücks, man
spricht davon, dass bestimmte Leute "besonders schwer betroffen sind", dass es einem "früher besser ging", dass
man "mit jemandem nicht
tauschenden möchte", nicht "in jemandes Haut stecken möchte", dass man jemanden
"um
sein Glück nicht beneidet" etc. Solche Vergleiche sind nicht sinnlos, auch wenn der
Maßstab solcher Vergleiche nicht bewusst oder unpräzise ist.
*III-63*
Die Präferenzen des Egoisten werden
nur durch
seine eigene Lage bestimmt. Der Altruist hat Präferenzen, die auch durch
die Lage der anderen bestimmt werden. In beiden Fällen sind es die je eigenen
Präferenzen. Ist der Altruist dadurch zu einem "Egoisten" geworden?
*III-64*
Wenn entdeckt wird, dass eine Choleraepidemie durch den Verzehr von Muscheln
hervorgerufen wird, und daraufhin schlagartig der Muschelverzehr aufhört,
haben sich dann die Präferenzen der Individuen oder deren Informationen
geändert oder beides? Wie kann man beides unterscheiden?
*III-65*
Zum Konzept der Opportunitätskosten. "The cost of doing anything consists
of the receipts which could have been obtained if that particular decision had
not been taken." Ein Kapitalist kann durch den Einsatz von
Produktionsfaktoren Gewinn machen, aber wenn
er auf andere Weise noch mehr Gewinn machen könnte, so sind die
Opportunitätskosten (der entgangene Nutzen) für ihn größer als dieser Gewinn. Er
hat dann nicht "optimal" gehandelt.
*III-67*
"Unersetzlicher Schaden"; "nicht wiedergutzumachender Schaden"; "unbezahlbar".
Dies sind Ausdrücke für die größere Wichtigkeit bestimmter Bedürfnisse.
*III-68*
Mit der Feststellung
von
"Kosten" und "Nutzen" verschiedener Güter behauptet man nicht, dass
alle Güter gleichen Nutzens beliebig
durcheinander ersetzbar wären, sondern nur, dass im Falle einer notwendigen Wahl
diesen Gütern keine Präferenz besteht.
*III-70*
Die Kosten der Informationsbeschaffung (Aufklärung) berücksichtigen. Wie soll
eine vernünftige Grenze für die Kosten der Aufklärung gezogen werden? Diese
Frage ist relevant für die Demokratiediskussion, wenn die Herstellung der
notwendigen Bedingungen der Aufklärung gefordert wird. Wann ist Information und
Aufklärung zu kostspielig?
*III-71*
Empirische Indikatoren können die individuellen Präferenzen nicht
ersetzen. Sie ermöglichen jedoch eine präzise Formulierung der
Alternativen (am
Beispiel empirisch meßbarer Gebrauchswertseigenschaften wie HiFi demonstrieren). Darin
liegt ihr Wert für die normative Theorie.
*III-72*
Argumente gegen eine lexikografische Ordnung der Präferenzen: Rothenberg: "No
one commodity is indispensable. .. There is general substitutibiliy across all
classes of commodities (while not necessarily across all types of want
gratification)".
*III-73*
Analysieren, inwiefern in den Begriffen der Entscheidungstheorie immer schon
eine Bevorzugung des Status quo steckt. Beim
Pareto-Optimum ist "Freiwilligkeit
der Zustimmung" impliziert, um eine Entscheidung zu rechtfertigen. Aber was ist,
wenn jemand mit dem gegenwärtigen Zustand nicht mehr einverstanden ist? Dann
wäre der gegenwärtige Zustand "unfreiwillig". "Aber", würde man sagen, "sofern
er einmal Pareto-optimal war, hatte er damals freiwillig zugestimmt." Damit wäre der
gegenwärtige Zustand vertraglich, damit rechtlich, sanktioniert. Das
Freiwilligkeits-Konzept impliziert also die Vertragstheorie der Legitimation.
Außerdem: was heißt "freiwillig", wo fängt die Anwendung oder Androhung von
Gewalt an, die Erpressung?
*III-74*
Churchman: "... a persons preferences at a stage of his life are
objectively ascertained only by being observed from many points of view - his wife's, his childrens, his friends and enemies.
What he 'really' prefers is the ideal compromise of all these points of view. To
create such a composite is the goal of the measurement of utilities."
*III-75*
Reichtum ist ein Maßstab mit Nullpunkt : Eigentumslosigkeit. Man kann sagen: "A ist
ist reicher als B" oder "A ist doppelt so reich wie B".
*III-76*
Inwiefern werden die individuellen Präferenzen, die in die Aggregation eingehen,
schon durch die Gesellschaft und die Präferenzen der andern beziehungsweise
durch das
Aggregationsverfahren gefiltert? Zum Beispiel wird bei Anwendung des
Mehrheitsprinzips niemand seine rein subjektiven Präferenzen äußern, die bei
Annahme der Nutzenmaximierung lauten müssten: "Aller Reichtum, alle Macht für
mich!" Bei der "Mäßigung" der Präferenzen mag die Aussicht auf Erfolg mitspielen oder aber moralische
Internalisierung.
*III-77*
Man sagt: "Das Unwetter verursachte Schäden in Millionenhöhe."
Im Alltag wird
der Geldmaßstab normativ verwendet, obwohl er nur ein ungenauer Indikator für die Kosten
ist. (Man spricht deshalb spezifischer auch von "Sachschäden".)
*III-78
Entschädigungen erfolgen zum Marktwert, zum Wiederbeschaffungswert oder zum Neuwert.
Schmerzensgeld: Geld als Maßstab der Kosten (hier der Schmerzen). Bei
einer Entschädigung zum Marktwert wird keine Konsumentenrente berücksichtigt.
*III-79*
Muss derjenige, der die Frage nach der Allgemeingültigkeit von Normen nicht
stellt, damit die bestehenden Normen als bloße Gewaltverhältnisse ansehen?
Das
Problem der Begründbarkeit von Normen würde verschwinden, wenn es
eine "automatische" Übereinstimmung der Individuen gäbe. Die Befolgung der Normen müsste dann weder über Begründungen noch über Gewalt
hergestellt werden.
Aber diese Annahme ist unrealistisch: Ausgangspunkt normativer
Fragestellungen ist eine existierende Uneinigkeit über Normen,
einschließlich der Argumentation für und wider. Es wird argumentiert, das heißt
es wird versucht, Gründe für oder gegen bestimmte Behauptungen zu finden. Damit stellt sich
die Frage nach der intersubjektiven Anerkennbarkeit dieser Gründe.
Allerdings: Kann man das
Problem der Anerkennbarkeit "allgemein" stellen? Muss man nicht
immer spezifisch fragen: "Anerkennbar für wen?"
Die spezifische Anerkennbarkeit für Teilkollektive ist
sicherlich eine berechtigte Fragestellung. Damit werden die Interessen der verschiedenen Gruppen
thematisiert.
Was ist, wenn man erkennt, dass für
verschiedene Gruppen verschiedene Normen anerkennbar sind? Auch hier gilt: Wenn man nicht die Durchsetzung bestimmter Interessen
gegenüber anderen allein aufgrund größerer Macht will, so muss man nach
allgemein anerkennbaren Normen suchen.
*III-80*
Wann ist die gewaltsame Durchsetzung der eigenen Überzeugungen entgegen
geltender Normen gerechtfertigt?
*III-81*
Muss es immer eine allgemeingültige Lösung gegeben? In
welchen Situationen (antagonistischen Interessen?) gibt es sie nicht? Wann gibt
es sie? (Kompromiss?)
*III-82*
Das Kriterium der Anerkennbarkeit analog zur
Wahrheit ist problematisch. Bei
Normen spielt "besser oder schlechter" eine Rolle, das heißt, hier
gibt es graduelle Abstufungen, kein bloßes Entweder-Oder.
*III-83*
Auch eine Angleichung der Lebensbedingungen und die damit einhergehende
Angleichung der Bedürfnisstrukturen beseitigt nicht mögliche
Interessenkonflikte. Wenn 100 Leute dasselbe Konzert besuchen wollen und
es gibt nur 50
Plätze, so führt gerade die Interessengleichheit der Individuen zum Konflikt.
*III-84*
Die praktizierten Verfahren der Interessenberücksichtigung analysieren.
Etwa Warteschlangen nach der Regel: Immer hinten anstellen. Wer zuerst kommt (die längste
Wartezeit in Kauf nimmt), mahlt zuerst.
Man fragt dort manchmal: "Könnten Sie mich vorlassen? Bei mir geht es ganz schnell." Wenn man
seinen Vordermann dies fragt, und
dieser zustimmt, so wird insgesamt Wartezeit gespart: der Vordermann muss dann
zwar etwas länger warten, aber der Vorgelassene erspart sich dabei noch mehr Wartezeit, da es beim
Vordermann länger gedauert hätte.
Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass
der Vordermann auch schon länger steht als der Vorgelassene, so dass durch
Vorlassen die Ungleichheit der Wartezeiten pro Individuum vergrößert werden kann.
Stehen noch andere Wartende zwischen den beiden, so ist auch die Verlängerung
der Wartezeiten für die Dazwischenstehenden zu berücksichtigen.
*III-85*
Was sind "constraints"? An welchem Maßstab werden sie gemessen?
Am Menschenmöglichen? An den tatsächlich verfügbaren Ressourcen der Handelnden?
*III-86*
Brandt formuliert als eine Bedingung rationaler Präferenz, "alle relevanten
Aspekte des betreffenden Gegenstandes mit voller Lebendigkeit bewusst zu haben"
Dies ist
das Problem der Bomberpiloten, die unberührt Hunderte
töten können, weil sie nur den Knopfdruck wahrnehmen aber nicht die wirklichen
Folgen für die Menschen - die Folgen kennen sie nur abstrakt und nicht
aus eigener Erfahrung. "Wirklich
kennen" und "abstrakt kennen"
untescheiden sich in Bezug auf emotionale
Beteiligung und Vorstellungskraft. "Sich wirklich klarmachen, was das bedeutet"
ist mehr als eine detaillierte Information.
Als weitere Bedingung aufgeklärter Präferenzen formuliert Brandt, dass die Präferenz
nicht durch eine
vorübergehende Stimmung beeinflusst werden darf. Sie muss "wohl überlegt", nach
"Bedenkzeit", "kühlen Kopfes", "nach reiflicher Überlegung" getroffen
werden, in
der Alltagssprache ausgedrückt. Zu diesem Problem gibt es institutionelle Vorkehrungen:
vorgeschriebene Bedenkzeiten, Fristen zum Widerruf, mehrfache Lesung von
Gesetzen, Ankündigungsfristen für Tagesordnungen, Aufgebote zur Heirat
etc.
*III-87*
Wenn man die Präferenzintensität über die Bereitschaft misst, Zeit zu opfern (zum
Beispiel beim Vorverkauf knapper Karten mit Bildung von Warteschlangen), so ist das Verfahren der
Intensitätsermittlung mit hohen Kosten verbunden (verlorener Wartezeit, die
niemandem zugute kommt). Dieser Nachteil existiert nicht bei der Messung über
die
Zahlungsbereitschaft, weil das gezahlte Geld anderen zugute kommt, also ein reiner
Transfer vorliegt.
*III-88*
Ist das Kriterium der Gerechtigkeit beziehungsweise Gleichheit ein vom Kriterium
der sozialen Wohlfahrt (Kosten - Nutzen) unabhängiges Kriterium? Wenn ja, wie
werden dann Verbesserungen der Wohlfahrt mit den Verbesserungen der Gleichheit
aufgewogen? Wie soll man die Dimension nennen, auf der diese Gewichtung
vorgenommen wird?
*III-89*
An der Tatsache des Um-Rat-Fragens sieht man, dass manchmal andere die eigene
Entscheidung besser fällen können als man selbst.
*III-90*
Gibt es "unmoralische Präferenzen" (siehe Baier in Hook 1967), z. B.
solche, die sich "in fremde Angelegenheiten einmischen"? Ist dies eine
zusätzliche Qualifikationsbedingung in Bezug auf die individuellen Präferenzen? Sind unmoralische Präferenzen
nicht zu berücksichtigen? Auch wenn sie sehr stark sind?
*III-91*
Zum Für-und-Wider "stellvertretender Entscheidung":
Entscheidend
ist nicht, ob dies auch zu Fehlentscheidungen führen kann, sondern ob dies unter den
spezifizierten Bedingungen im Durchschnitt zu schlechteren oder besseren
Resultaten führt als die Alternative der direkten Entscheidung der einzelnen Individuen.
*III-92*
Der Unterschied zwischen eigenem
Eigentum und eigenen Angelegenheiten macht den Unterschied zwischen (Rechts-)
Liberalismus und (Links-) Liberalismus aus.
*III-93*
Bei Anwendung der Einstimmigkeitsregel müssen alle
Individuen einer Alternative x zustimmen, damit sie als kollektiv gewählt gilt.
Angenommen dies ist der Fall. Heißt das, dass x für alle
Individuen die beste Alternative ist? Oder kann es sich bei x auch nur um eine
für manche akzeptable
Alternative
handeln, zu der es noch eine Reihe besserer Alternativen für diese Individuen gibt?
Vielleicht hat ein Individuum
A der Alternative x nur zugestimmt, damit es überhaupt zu einem Konsens kommt. Dann müsste die
Alternative x für A nur besser sein als der Status quo, der bei nicht Zustandekommen eines Konsens beibehalten worden wäre. (Status- quo-Klausel).
Die Alternative x wäre hier nicht unbedingt die Spitzenalternative von A.
Wenn keine Status-quo-Klausel existiert, hindert niemand A daran,
die für ihn beste Alternative y einzubringen. Dann ist Einstimmigkeit aber sehr
viel schwieriger zu erreichen.
*III – 94*
Ist Einstimmigkeitsregel gleich Vetorecht? Institutionell können da schwerwiegende
Unterschiede bestehen: Veto nur nachträglich, kein eigenes Vorschlagsrecht etc.
*III – 95*
Wenn es keine Status-quo-Klausel gibt, so tritt bei fehlendem Konsens ein
kollektiv nicht geregelter "rechtloser" Zustand ein. Das wäre u. U. die Durchsetzung des Stärkeren
ohne irgendeine normative Beschränkung. Um das zu verhindern, wird der Schwache auch einer
von ihm weniger gewünschten Alternative zustimmen.
*III – 96*
Setzt das Funktionieren der Marktwirtschaft voraus, dass die
Wirtschaftssubjekte "eigeninteressiert" entscheiden? Für den Kapitalisten
gilt das sicher, wenn er konkurrenzfähig bleiben will. Für den Konsumenten und
für den Arbeiter
trifft es dagegen nicht zu. Sie machen "Geschenke", indem sie die Interessen der anderen zu
ihren eigenen machen.
*III – 98*
Bei einem Volksentscheid setzten sich u. U. engagierte Minderheiten durch, da eher
indifferente Individuen die Mühe der Abstimmung scheuen.
*III – 99*
Zwei Verfahren der kollektiven Entscheidung: Bevollmächtigung
eines Verantwortichen und Setzung bestimmte Normen. Das letztere setzt im
Unterschied zum ersteren eine Institution zur Auslegung der gesetzten
Normen voraus.
*III – 100*
Eine Vereinnahmung der Demokratie. Der Beweisgang:
-
Jede bisherige Gesellschaft wird durch eine Klasse beherrscht.
-
In der gegenwärtigen historischen Epoche gibt es zwei Hauptklassen:
Bourgeoisie und Proletariat.
-
Daraus folgt: In den gegenwärtigen Gesellschaften herrscht entweder die
Bourgeoisie oder das Proletariat.
-
In den kapitalistischen Ländern herrscht die Bourgeoisie.
-
In den sozialistischen Ländern herrscht das Proletariat.
-
Da das Volk zum überwiegenden Teil aus Proletariern besteht und zum
verschwindenden Teil aus Kapitalisten, folgt:
In den sozialistischen Ländern herrscht das Volk, d.h. es besteht Demokratie.
Wie simpel! (Bei dieser Ableitung muss über die politische Form der Willensbildung kein Wort
verloren werden.)
*III - 101*
Miller schlägt vor, dass Verfassungsänderungen erst nach Ablauf einer
längeren
Zeit (zum Beispiel 5 oder 20 Jahren) gültig werden, um eigeninteressierte
Änderungen zu erschweren.
*III – 102*
Einigkeit über die Gestaltung einer Ordnung lässt sich leichter herstellen, wenn
noch nicht feststeht, wer welche Position in dieser Ordnung einnehmen wird. Dies wird auch im Alltag
praktiziert. Zum Beispiel wird man in einer Wohngemeinschaft zuerst die
Aufteilung der Gesamtmiete auf die Einzelzimmer diskutieren und erst danach die
Belegung
der Zimmer. Wenn nämlich schon feststeht, wer welches Zimmer bekommen, wird
jeder versuchen, die Miete seines Zimmers im Verhältnis zu den anderen Zimmern
zu "drücken".
*III – 103*
Ein ähnliches Verfahren gibt es beim Problem der Aufteilung eines Gutes
(Schneiden einer Torte). Wenn der
Aufteilende das letzte Sück erhält, wird er bemüht sein, alle
Teile gleich groß zu halten. (Dies Prinzip ist nicht nur bei empirisch gleicher
Aufteilung sondern auch bei gleichwertiger Aufteilung anwendbar.)
*III – 104*
Scitovsky argumentiert gegen Konsumentensouveränität, wegen der Bevorzugung
billigerer Massenartikel gegenüber teureren Minderheitswünschen. Ist das
Argument berechtigt? Man kann es auch auf Mittel der Aufklärung beziehen:
Zeitungen für vorherrschende Meinungen sind wegen der Vorteile der Massenauflage
sehr viel billiger als Zeitungen für Minderheiten mit kleinen Auflagen. Soll man
diesen Nachteil durch öffentliche Subventionen ausgleichen?
*III – 105*
Nicht nur der freie Zugang zu Informationen sondern auch die richtige Informationsverarbeitung
ist Bedingung der Aufklärung.
*III – 105a*
Eigentum in der Sprache. Worte wie: "eigentümlich", "Eigenart",
"eigentlich"," meine Hand", " Eigenschaft", "gehört" etc.
drücken keine Rechte über
Sachen aus sondern sie beziehen sich auf Identitätsmerkmale oder Bestandteile der
Person, von denen manchmal übergangslos auf den sachlichen Eigentumsbereich der Person
übergeleitet wird.
Ebenso bei dem Wort "gehört": wenn man zum Beispiel sagt: "Messer und Gabel
gehören zusammen", so ist damit eine empirische (oder funktional normative)
Assoziation gemeint, die manchmal übergangslos zum Verfügungsrecht wird. Am
deutlichsten ist dies beim Genitiv, der als 'genitivus possessivus' auftritt und
der sowohl Verfügungsrechte über Sachen wie Bestandteile der Person
kennzeichnet. Für eine Kritik des Eigentums an Produktionsmitteln wäre die klare
begriffliche Unterscheidung der Bestandteile dieses naturwüchsig gebildeten
sprachlichen Eigentumskomplexes hilfreich.
In diesen Zusammenhang gehört auch die "Veräußerbarkeit": "Mein"
Auto kann ich veräußern, "meine" Grippe nicht. Hier wird der Unterschied
deutlich. Ebenso: "Mein" Kind, wo "mein" die Abstammungsbeziehung ausdrückt,
oder "meine" Frau, wo das "meine" die Paarbeziehung ausdrückt.
*III – 106*
Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass es allgemeingültige Normen gibt,
sondern es kommt auf den Versuch an. Man muss die Pfähle weiter in den Sumpf zu
treiben" (Popper), bis sie vielleicht tragen. Das Ergebnis kann auch negativ sein. Das ist jedoch
nicht nur ein Scheitern sondern
zugleich ein wichtiges Ergebnis.
Dazu muss das Kriterium der Allgemeingültigkeit ("Wahrheit") noch weiter
geklärt werden. Noch einmal genau analysieren, wie die
Situation in den empirischen Wissenschaften aussieht, denn auch hier hat es doch
kaum eine Theorie gegeben, die nicht bestritten wurde, und trotzdem hat sich so
etwas wie ein fortschreitender Erkenntnisprozess entwickelt. Selbst um eine
nicht allgemein anerkannte Theorie haben sich jeweils Individuen gruppiert, die
vom Boden dieser Theorie aus den Erkenntnisprozess weiter vorangetrieben haben.
Zu beachten ist dabei, dass der
Diskussionsprozess auf zwei verschiedenen Ebenen abläuft, nämlich auf der
Ebene
der inhaltlichen Theorie und auf der Ebene der Methodologie bzw.
Wissenschaftstheorie.
In der
empirischen Methodologie wird ein Unterschied gemacht zwischen der Falsifizierbarkeit, dem
Abgrenzungskriterium zur Metaphysik und zur Tautologie, und der Falsifikation als
Gültigkeitskriterium. Hätte diese Unterscheidung auch in der normativen
Methodologie einen Sinn?
*III – 107*
Zu dem Einwand, dass es keine ahistorischer Wahrheit geben kann und damit
auch keine überzeitlich gültigen Wissenschaftskriterien. Das wird begründet
mit dem historischen Wandel der Wissenschaftsauffassung und der Wahrheitskriterien. Solche Art
"Relativismus", der auch historisch–materialistisch firmiert, geht am Problem vorbei. Es geht ja nicht darum, ein
für alle Mal ein gültiges Wahrheitskriterium zu finden, sondern es geht darum,
hier und heute gültige von ungültigen Erkenntnissen zu unterscheiden und die
dabei anzuwendenden Wahrheitskriterien zu reflektieren. Dass dies immer nur auf
dem erreichten Erkenntnisstand getan werden kann und dass dieses
Wahrheitskriterium in der Zukunft eventuell revidiert werden muss, ist kein
Argument dagegen, dass wir uns heute nach bestem Wissen entscheiden müssen und
dass wir für ein Wahrheitskriterium Gültigkeit solange beanspruchen können, bis es
durch ein akzeptableres ersetzt wird. Insofern sich Problemstrukturen
gleichen, können auch gleiche Problemlösungsverfahren angewandt werden. Ihre
Gültigkeit ist insofern sinnvollerweise nicht raumzeitlich begrenzt.
*III – 108*
Wie argumentiert man dagegen, dass als Subjekt des Wollens Klassen oder Völker genommen werden,
so dass das einzelne Individuum als möglicher Träger von Kritik und Zustimmung, als
Subjekt und Träger des Wahrheitsanspruchs verschwindet?
Wahrscheinlich muss man auch hier sagen: Ich selber erkläre mich zum Träger von
Kritik und erkenne nichts als wahr an, dessen Begründung für mich nicht
nachvollziehbar ist. Wenn man mich als
Individuum in Bezug auf die Wahrheit von Sätzen für unerheblich erklärt, so wird
damit die Ebene der Argumentationsmöglichkeit für mich beseitigt. Mit
dieser Feststellung hat die
Wissenschaft ihre Schuldigkeit getan – jetzt müssen andere Mittel
der Auseinandersetzung "sprechen". Die Kritik durch solche Positionen löst sich also selber
als Argument auf, weil das "Argument" zugleich die Existenz einer
gemeinsamen Argumentationsebene
leugnet. So lösen sich diese Probleme wie auch andere Scheinprobleme der Philosophie
(zum Beispiel das Solipsismus-Problem).
*III – 109*
Ich muss mich ausführlich mit der Vermengung bzw. Ersetzung von
Gültigkeitsproblemen durch Geneseprobleme befassen, besonders in der Variante
der historisch–materialistischen Ideologiekritik. Die Genese einer Theorie aus
einer bestimmten Interessengruppe bzw. sozialen Klasse kann einen
Ideologieverdacht begründen, aber nicht die Falschheit einer Theorie.
*III – 110*
Ein Marxist könnte sagen: Der "Parlamentarismus" ist für den Kapitalismus notwendig,
insofern die Interessen der verschiedenen Branchen und Unternehmen nicht
identisch sind und einer Aushandlung bedürfen. In dem Maße, wie die zentrale Lenkung
der Wirtschaftsprozesse durch die Großbanken wächst, wechselt man von der
parlamentarischen zur technokratischen Form von Herrschaft (Es sei denn, andere
Gruppen handeln ihre Interessen mit dem Kartell der Kapitalisten aus.)
*III – 111*
Inwiefern implizieren die zentralen Marxschen Begriffe "Ausbeutung" und
"Klassenherrschaft" ein Werturteil oder eine Norm, nämlich dass die damit bezeichneten
Verhältnisse abzuschaffen sind? Anders
gefragt: Kann ein Proletarier aufgeklärt wollen, dass er ausgebeutet wird bzw.
dass er von der Bourgeoisie beherrscht wird? Wenn diese Frage
verneint wird, weil es logisch unmöglich sei, so handelt es sich bei den
Begriffen "Ausbeutung" und "Klassenherrschaft" um normative Axiome.
Etwas anderes ist es, wenn die normative Qualität der Phänomene an den
aufgeklärten Willen der Proletarier gebunden ist und von dort her überprüfbar
ist.
*III – 112*
Man sagt: "Die Ungewissheit ist schlimmer als alles andere." Die Frau des entführten Grundig-Direktors
fordert die
Entführer auf, über das Schicksal ihres Mannes Auskunft zu geben, von
dem sie seit einem halben Jahr kein Lebenszeichen mehr erhalten hat. Die
Ungewissheit sei für sie unerträglich. Das Problem dieser Art von
Ungewissheit ist, dass man selbst im schlimmsten Fall, also hier der
Ermordung des Ehemannes, insofern bei Kenntnis der Sachlage besser dran wäre,
als dass
man sich auf diese Situation einrichten kann, ein neues Leben aufbauen kann, während man bei Ungewissheit zwischen Befürchtung und Hoffnung hin und her
gerissen gar nicht richtig handeln kann und wie gelähmt ist. (Wie verhält sich
diese Ungewissheit zum Risiko der Entscheidungstheorie?)
*III-113*
Zum intersubjektiven Nutzenvergleich: "Du kannst das dringender gebrauchen als
ich." Oder: "Du hast es nötiger als ich."
*III – 114*
Der methodische Individualismus ergibt sich als Prämisse
jeder Argumentation: ein Individuum ist eben die kleinste Einheit, die als Träger von
Argumenten in die Diskussion eingreifen kann. Das Individuum ist eine Einheit,
die einem Wahrheitsanspruch widersprechen kann. Das Individuum ist ein möglicher
Träger von Kritik. Wahrheit bezieht sich auf Gültigkeit für Individuen. Aus
dieser Struktur jeder Argumentation ergibt sich der individualistische Ansatz.
*III – 115*
Die Relativität des Pareto-Optimums an extremen Beispielen klarmachen (zum
Beispiel: 3 Bergleute sind für 14 Tage im Bergwerksstollen eingeschlossen. Einer hat eine
Flasche zu trinken dabei ...)
*III – 116*
Die Bestimmung der besten Norm ist das eine Problem. Aber was ist mit den
Kosten für die Herstellung der Motivation zur Befolgung dieser Norm? Müssen diese mit berücksichtigt werden? Wenn ja in
welcher Form? Geht die normative Problemstellung davon aus, dass die
"richtige" Lösung von allen eingesehen wird? Inwiefern gehen die Persönlichkeitseigenschaften der
Handelnden in die Analyse ein, vor allem in Bezug auf das Kriterium
"Realisierungsmöglichkeit"?
Angenommen, ein mächtiger bösartiger Tyrann ist an der Konsensfindung beteiligt, der die
"richtige" Entscheidung natürlich verhindern will und kann. Ist die nicht
realisierbare Entscheidung immer noch "richtig"?
Wäre der Tyrann eine ähnlich gefährliche Umwelt, so wäre sie
nicht richtig. Aber insofern der Tyrann sich im Unterschied zur Umwelt anders entscheiden könnte, bleibt die
Durchsetzung der Norm ja möglich. (Der Begriff der Möglichkeit ist hier problematisch.)
*III – 117*
Zu den marxistischen Theorien des "ungleichen Tausches" und der
internationalen Ausbeutung. Wenn darin von internationalen
(Durchschnitts-)Werten ausgegangen wird, so heißt das, dass alle Individuen
nicht von ihren eigenen sondern von den allgemeinen (allgemein menschlichen)
Arbeitsaufwendungen ausgehen. Es ist also im Begriff der internationalen Werte
selber schon eine Norm enthalten. Hier auch die Marxschen Formulierungen und die
Frühsozialisten heranziehen. Die logische Beziehung zu anderen Kriterien
(Gleichheit et cetera) analysieren.
*III – 118*
Manchmal wird gegen eine bestimmte Norm mit dem Argument operiert, dass
bestimmte Individuen diese Norm verständlicherweise ablehnen. (So etwa Bergson
in der Kritik an Arrow.)
Aber dies kann kein Argument sein, denn die Nennung widersprechender subjektiver
Präferenzen besagt noch gar nichts. Das Problem ist die Bestimmung
allgemeingültiger Normen. Ein zwingendes Argument gegen eine Norm kann nur eine
alternative
Norm mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit sein - oder man entledigt sich des
Problems und hat damit die Grundlage der Diskussion aufgehoben.
*III – 119*
Der Wert der Menschen ist unterschiedlich. Wenn ein Schiff im
schweren Sturm den Steuermann verliert, so ist das für die Besatzung
schlimmer als wenn ein einfacher Matrose über Bord gespült wird. Ganz deutlich
wird das beim Schachspiel, wo der Wert der Figuren nach ihren Fähigkeiten und
möglichen Leistungen für den Sieg im Spiel gemessen wird.
Insofern hat die Berechnung des Wertes eines Menschen nach seinem (Netto–)Beitrag zum Sozialprodukt ihren Sinn. Nicht in diese Rechnung gehen natürlich
außerökonomische Leistungen ein, gemeint sind persönliche Qualitäten, die
anderen Menschen Freude, Kontakt, Zufriedenheit schenken. Dabei wäre wiederum
die Situation der Geschädigten zu berücksichtigen. Ob Eltern ihr einziges
Kind verlieren oder eines von mehreren etc. Im Alltag berücksichtigt man
diese Auswirkungen, wenn man sagt: "Das ist schlimm für sie, dass sie ihr einziges Kind
verloren haben".
*III – 120*
Umgangssprachliche Bestimmungen der Präferenzintensitäten:
"Kann man ihm das zumuten?"
"Das hat ihn schwer getroffen."
"In seiner Lage möchte ich jetzt nicht sein."
"In seiner Haut möchte ich nicht stecken."
"Er ist am schlimmsten dran von allen" ...
*III – 121*
Ist es sinnvoll, die Verbesserung für ein Subjekt nur an
der Menge der Güter zu messen, die es selber jetzt mehr hat? Oder muss man nicht auch
die Veränderungen für andere Subjekte mit einbeziehen? Wenn es sich z. B. um
zwei Feinde A und B handelt,
so bedeutet jeder Zuwachs an Waffen für A eine Verschlechterung (größere Gefährdung)
für B.
*III – 122*
Gleicher Wert der Menschen? Beim Kidnapping zur Lösegelderpressung zeigt sich,
dass Menschenleben einen unterschiedlichen (Tausch–) Wert haben.
*III – 123*
Zum Problem der Mündigkeit und der aufgeklärten Präferenzen ist sowohl die
psychoanalytische Theorie heranzuziehen als auch die Theorien des Vorurteils, der
Ideologie und der Wissenssoziologie (zum Beispiel Lenk-Reader).
*III – 124*
Kann man einen Sklavenhalter von der Falschheit des Sklaverei überzeugen?
Höchst wahrscheinlich nicht. Aber das ist kein Beweis für den normativen Subjektivismus.
Das Problem einer allgemein gültigen Gesellschaftsordnung ist ja mit der
Feststellung subjektiver Präferenzen gar nicht tangiert, geschweige denn gelöst.
Der Sklavenhalter bleibt aufgefordert, anerkennbare Gründe für die Sklaverei zu
nennen. Tut er das nicht, so ist die Ebene der Argumentation verlassen und er
hat das Problem auf die Ebene der Macht verschoben, wo andere Mittel
anzuwenden sind.
Er kann dies natürlich machen, aber er hat sich damit außerhalb einer
möglichen Konzeption von Gesellschaft gestellt. Er kann keine Vorwürfe, keine
Entschuldigungen etc. mehr vorbringen. jedem Argument ist die Basis
entzogen.
*III – 125*
Es müssen gerade die Mischphänomene zwischen Tatbestand und Wert untersucht
werden (Mord, Krankheit, Tod, leiden, Lüge, Gesundheit, Freude, Glück, Freiheit
etc.). Lassen sich diese Tatbestände wertungsfrei definieren? Oder sind
immer wieder neue Wertbegriffe notwendig wie zum Beispiel: Mord = Tötung aus
niedrigen Beweggründen?
Wahrscheinlich kann man den Anteil der Bewertungen und Entscheidungen, die
aufgrund solcher "persuasive definitions" zustandekommen, im täglichen Leben kaum
unterschätzen. Die Sprache wimmelt nur so von wertgeladen Wörtern, derer man
sich nur geschickt bedienen muss, um andere zu "überzeugen".
*III – 126*
Man kann sich reflektiert für intuitives und spontanes Handeln entscheiden, zum
Beispiel in der Liebe. Es muss also kein Gegensatz sein. Dass letztlich
reflektiert zu handeln ist, bleibt jedoch Forderung. Andernfalls könnte man gar nicht
über Handlungsformen diskutieren.
*III – 127*
Intersubjektive Nutzenvergleiche unter Einschluss der Umstände relativ zur
Bedürfnisstruktur des betreffenden Individuums gibt es im Alltag häufig:
"Er mag sich dabei ja wohl fühlen, aber für mich wäre das nichts"
"Für diese Völker mag das gut sein, für uns wäre das unerträglich."
*III – 128*
Durch die gesellschaftliche Formung der individuellen Bedürfnisse (Erziehung,
Sozialisation, Propaganda etc.) können verschiedene soziale Zustände zu
optimalen Zuständen werden. Es gibt dann nicht mehr den besten Zustand, sofern
dieser relativ zu den Bedürfnissen der Individuen bestimmt wird, sondern es gibt
mehrere solche Zustände.
*III – 129*
Ein Kind muss lernen, die Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen. Oft macht man
dies, indem man das Kind so behandelt, wie es den anderen behandelt und ihm
sagt: "Siehst du: Das fühlt der andere, was du jetzt fühlst, wenn Du ihn so
behandelst."
Auch dem Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" mag dieser Gedanke zu Grunde gelegen
haben. Der Täter soll am eigenen Leibe erfahren, was er einem anderen zugefügt hat.
Oder: "Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz!" Oder:
"Jetzt merkst du selber einmal, wie es ist, wenn man dies tut." Man lernt,
"sich in einen anderen hinein zu versetzen", "seine Gefühle zu teilen", "mit ihm zu
empfinden", "ihn zu verstehen". Wenn die Individuen keine Wahrnehmung und Kenntnis der
Bedürfnisse anderer Menschen gewinnen könnten, dann könnten auch keine intersubjektiv gültigen Normen gefunden
werden.
*III – 130*
In der repräsentativen Demokratie herrschen Repräsentanten nicht
unbeschränkt, sondern im Rahmen von Gesetzen.
*III – 131*
Einerseits findet sich die Kritik an Leerformeln (z.
B. bei Topitsch),
andererseits werden sie gerechtfertigt, weil sie den Richtern eine flexible und
schöpferische Auslegung des Gesetzestextes ermöglichen (z. B. bei Denninger). Aber
Flexibilität ließe sich auch durch ständige Revision des Gesetzestextes
erreichen.
*III – 132*
Maximierung des Gesamtnutzens und Verteilungsgerechtigkeit sind zwei voneinander
unabhängige Kriterien. Wie kann man beide zu einem einheitlichen
Entscheidungskriterium zusammenfassen? Dies Problem stellt sich zum Beispiel,
wenn Lohndifferenzierungen zur Steigerung des Volkseinkommens führen. Es bleibt
die Frage: welches Maß an Wachstum rechtfertigt welches Maß an Ungleichheit der
Konsumschancen? Wäre der Vorschlag von Harsanyi eine Lösung? ("Jedes Individuum
wählt zwischen den Alternativen unter der Bedingung, dass es jede
gesellschaftliche Position mit der gleichen Wahrscheinlichkeit einnehmen wird.")
*III – 133*
in der Realität wählt das Individuum nicht zwischen definierbaren Alternativen,
sondern zwischen Zuständen der Welt, die sich im Prinzip nicht erschöpfend
beschreiben lassen, und die sich durch unendlich viele Eigenschaften
unterscheiden.
Wie kann man die entscheidungsrelevanten Unterschiede bestimmen? Es stellt sich
hier ein analoges Problem wie bei der Kausalanalysen. Das Problem verbirgt sich
hinter der "ceteris paribus-Klausel", die sich nur im idealen Experiment
herstellen lässt. Wenn ein Individuum Tee statt Kaffee wählt, mag es sein, dass
es lieber Tee trinkt, oder dass es höflich sein wollte, weil Kaffee knapper war, dass
es jemand anderem gefallen wollte, der Teetrinker sympathisch findet, dass es
lieber weniger körperliche Anstrengung auf sich nimmt (Der Tee stand näher) et
cetera et cetera. Es müssen also alle entscheidungsrelevanten Bedingungen
kontrolliert bzw. gleich gehalten werden, um eine Präferenz hinsichtlich eines
Aspekts bestimmen zu können.
*III – 134*
Angenommen ich fordere ein gleiches Maß an Bedürfnisbefriedigung für alle
Menschen bzw. eine Gesellschaftsordnung, die dies möglichst weitgehend realisiert.
Folgt daraus, dass ich persönlich damit anfangen soll, indem ich von meinen
Mitteln der Bedürfnisbefriedigung denjenigen etwas abgebe, denen es am
schlechtesten geht? Wenn nicht, warum nicht? (Hier liegt wahrscheinlich der
Unterschied zwischen politischen und individualmoralischen Normen.) (Man könnte
kritisch anmerken: "Wenn ich das tue, so ändert dies nur etwas für einzelne und
nur kurzfristig." Aber dies ist natürlich kein Argument, denn auch eine kleine
Verbesserung ist eine Verbesserung.)
*III – 135*
Ein bestimmter Zustand x mag für eine Gruppe eine Verbesserung
gegenüber dem Status quo darstellen (Reform), aber er wird trotzdem von ihr abgelehnt,
weil ein anderer Zustand y eine bei weitem größere Verbesserung bedeuten würde
(Revolution). Außerdem verringert die Erlangung der kleinen Verbesserung x die Möglichkeit für die Erlangung der großen Verbesserung
y.
Ist der Status quo dann nicht besser ist als der
Zustand x? Ein
Zustand wäre zu bewerten im Hinblick auf die Möglichkeiten, die in ihm mit mehr
oder weniger großer Wahrscheinlichkeit zukünftig
enthalten sind.
Es gibt es immer "Sackgassen" der Art, dass mögliche kleine
Verbesserungen die Chancen von großen Verbesserungen beeinträchtigen. ("Der
Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach") Dies ist das Problem
von Risiko und Ungewissheit.
*III – 136*
Gleichheit vor dem Gesetz. Die Allgemeinheit eines Gesetzes in dem Sinne, dass
es in seiner Anwendung nicht eingeschränkt wird (dass es raumzeitlich unbegrenzt
ist, ähnlich wie empirische Allsätze) ist eine notwendige aber keine
hinreichende Bedingung für die Gleichheit vor dem Gesetz. "Es soll
keine Ausnahmen vom Gesetz geben." Aber dies kann
auch eine Norm erfüllen wie: "Jeder muss Herrn Meiers Anordnungen befolgen!"
(Aber dies ist kein Gesetz.)
Insofern dies Gesetz von jedem zu befolgen und jeder bei Verstößen sanktioniert
wird, ist "Gleichheit vor dem Gesetz "möglich in diesem eingeschränkten Sinne.
Nun könnte man sagen: Gleichbehandlung setzt voraus, dass alle Individuen (als
Individuen) den gleichen Gesetzen
unterworfen sind. Das heißt es dürfen keine Gesetze formuliert
werden, deren Adressaten bestimmte Individuen sind, zum Beispiel Meier.
Aber man
kann trotzdem Unterschiede zwischen Individuen herstellen, indem man Gesetze
formuliert, deren Adressaten nur Personen mit bestimmten Eigenschaften (z. B.
dunkler Hautfarbe) sind.
*III – 137*
Zum Individualismus. Er ist als Prämisse der Argumentation gegeben: Individuen
nehmen tatsächlich oder potentiell an der Argumentation teil, jedes Individuum
ist ein potentieller Träger von Kritik. Wenn man sagt: "Deine individuellen
Wertungen sind uninteressant, es kommt auf das Kollektiv (die Klasse, das Volk) an", so
hat man damit der Argumentation die Basis entzogen.
*III – 138*
Mein Ansatz ist kein "apriori der Kommunikationsgemeinschaft" (Apel). Die
Sprache kann auch benutzt werden, um den Gesprächspartner in den Augen von
Dritten herabzusetzen oder unglaubwürdig zu machen oder um ihn durch Drohungen
zum Nachgeben zu zwingen oder um sich einfach die Zeit zu vertreiben. Es ist
also nicht die Benutzung einer gemeinsamen
Sprache, die die Basis schafft, sondern der Anspruch auf
allgemeine Gültigkeit für bestimmte Behauptungen.
*III – 139*
Man kann eine "beste soziale Ordnung" entwerfen und
kann diese Ordnung vielleicht auch rechtfertigen. Aber damit hat man diese
beste Ordnung noch nicht realisiert.
Erstens muss die Ordnung als geltend eingeführt werden. Insofern dagegen
natürliche oder soziale Widerstände bestehen, bedarf es einer Strategie zu ihrer
Realisierung. Unter Umständen sind die damit verbundenen Umstellungskosten so
hoch, dass man auf die Realisierung der besten Ordnung verzichtet und eine
zweitbeste Lösung anstrebt. Man kann dann weiterhin die erste Ordnung für die
beste halten, kann unter Umständen auch den für ihre Verhinderung
Verantwortlichen deswegen Vorwürfe machen. Aber es wäre falsch, unter diesen
Umständen die beste Ordnung anzustreben, weil diese angesichts der bestehenden
Machtverhältnisse eben nicht mehr die beste
Handlungsalternative darstellt.
Ein Beispiel wäre ein bösartiger, übermächtiger
Monopolist, der anderen die Nutzung lebensnotwendiger Ressourcen unmöglich
macht. Als "Realist" muss man dessen Bedingungen als "constraints" für das eigene Handeln
anerkennen, ohne deshalb den bestehenden Zustand als gerechtfertigt anerkennen
zu müssen.)
Zweitens gibt es Realisierungsprobleme, selbst wenn die Ordnung als geltend
eingeführt wurde. Denn damit ist jedoch nicht sichergestellt, dass sich die
Individuen gemäß den Normen dieser Ordnung verhalten. Zum Beispiel muss zu den
Gesetzesnormen immer ein Sanktionsmechanismus, kommen, der die Individuen zur
Einhaltung dieser Normen motiviert (ökonomisch z. B. das System der
Leistungsanreize.) Die Durchsetzung der Ordnung ist wiederum mit
Kosten verbunden (Information, Vorbeugung, Zwang,
Strafe etc.). Diese Kosten sprechen gegen die Ordnung: eine Ordnung, deren
Einhaltung nur unter größten Kosten erreicht werden kann, ist keine gute
Ordnung. Das Ganze ist dadurch kompliziert, die Motivationsstruktur der Individuen nicht unveränderlich ist
und zum Beispiel durch Sozialisation und Erziehung beeinflusst werden kann.
Dadurch werden die Durchsetzungskosten variabel und schwer prognostizierbar.
*III – 141*
Nur von der Problemstellung her lassen sich die begrifflichen Fragen
beantworten.
Fragen wie "Was ist eine Norm?" Oder "Wie lässt sich der Begriff 'public
interest' bestimmen?" sind nicht zu beantworten, wenn man sie nicht auf die
Frage bezieht, die mithilfe dieser Begriffe beantwortet werden soll.
*III – 142*
"Ich tue das dir zu Liebe." Wie häufig sind in der Praxis doch solche Situationen, in denen
auf die Art und Stärker fremder Bedürfnisse Rücksicht genommen wird. Einmal die
sprachliche Idiome sammeln, um die ganze Vielfältigkeit dieser Situationen zu
erkennen. Hier liegt eine Aufgabe der Erziehung, die zur Wahrnehmung und Berücksichtigung fremder Interessen
bzw. einer rationalen Maximierung der beiderseitigen Bedürfnisse befähigen soll.
*III – 143*
Bedingte Präferenzen.
"Ich bin für die Handlung X, wenn die Mehrheit der anderen auch dafür ist." Hier wird die Präferenz konditional formuliert.
(Damit ließe sich eventuell das demokratische Paradox auflösen. Eigentlich muss jedes Individuum, das bestimmte Wünsche hat, zugleich wünschen,
ein Diktator zu sein, um diese Wünsche zu realisieren.)
Derartige konditionale Präferenzen gibt es häufiger: "Ich mache mit, wenn du auch mitmachst", "Ich bin für Streik, wenn mindestens 75 % der
Gewerkschaftsmitglieder für den Streik sind" etc.
Hier liegt vielleicht auch eine Möglichkeit, das Problem "reine Präferenzen contra moralische Präferenzen" näher zu analysieren. Das ist das Problem der
durch den Entscheidungsmechanismus immer schon modifizierten Präferenzen. Solche Präferenzen sind nicht nur definiert über angestrebte Zustände der Welt, sondern
sie sind bezogen auf bestimmte gesellschaftliche Handlungen zur Realisierung dieser Zustände. Ich kann – ohne inkonsistent zu sein – den Zustand weiterhin
für erstrebenswert halten und zugleich dessen Herbeiführung unter bestimmten Bedingungen ablehnen. Wenn ich als Anhänger des demokratischen Prinzips für eine
bestimmte Politik stimme, so beinhaltet das immer nur eine Präferenz für die Durchsetzung dieser Politik
unter der Bedingung, dass eine Mehrheit dafür stimmt.
*III – 144*
Frage an die Marxisten: Wie rechtfertigt ihr eure
Parteinahme für die Arbeiterklasse?
1. Die Arbeiterklasse als die unterste aller Klassen kann sich nicht
selber emanzipieren, ohne zugleich alle anderen Klassen und Schichten ebenfalls zu
emanzipieren.
2. Die Arbeiterklasse ist die soziale Kraft, die den Kapitalismus beseitigen und
eine höhere Gesellschaftsform, den klassenlosen Kommunismus, errichten wird.
3. Die Lohnabhängigen bilden die Mehrheit der Bevölkerung.
4. Den Arbeitern geht es im Kapitalismus am schlechtesten.
5. Ich bin selber Arbeiter und nehme die gemeinsamen Interessen aller Arbeiter
wahr.
6. Die Arbeiter sind die Schöpfer des gesellschaftlichen Reichtums.
*III – 146*
"Klassengesellschaft" als kritischen Begriff kann es nur geben, wenn man die universalistische Konstruktion einer klassenlosen Gesellschaft macht.
*III – 147*
Meine Analyse soll die Grenze aufzeigen, bis zu der noch argumentiert werden kann, sie soll solche Positionen identifizieren, die die Voraussetzungen der
intersubjektiven Argumentation zerstören.
*III – 148*
Individualismus contra Organizismus. Wenn die Menschen nur innerhalb sozialer Organismen überlebensfähig waren, so werden sie wahrscheinlich viele angeborene Strukturen besitzen, die sie zu
Gemeinschaftswesen machen, zum Beispiel in Form von ethnozentrischen Integrationsprozessen, Wir-Bewusstsein etc.
Diese Argumentation ähnelt der These, dass Gesellschaften bis heute in ökonomische Klassen gespalten waren und dass das Individuum deshalb als
Klassenangehöriger denkt, empfindet etc.
Folgt daraus eine Ablehnung des Individualismus? Wohl kaum. Denn wenn dieser
Kollektivcharakter so durchschlagend wäre, dürfte sich das Problem des
Individualismus gar nicht stellen, weil es keine individuellen Argumente mehr geben würden. Das Gegenteil ist aber der Fall: Es kommen Einzelne
zu neuartigen oder einmaligen Positionen und Argumente. Damit werden Einzelne zu Trägern von Argumenten und der Organizismus
verletzt die
Argumentationsgrundlage, weil er das Verhältnis gegenüber dem Einzelnen als Gewaltverhältnis definiert.
*III – 149*
Was sind "kollektive Präferenzen"?
Ist der Satz:
"Wir wollen x" (im Chor gesprochen von A und B) bedeutungsgleich mit "A will x
und ich ( B) will x" (gesprochen von B)"?
Ist der Satz:
"Wir wollen x" (im Chor gesprochen von A und B) bedeutungsgleich mit den Sätzen "Ich
will x" (gesprochen von A) und "Ich will x" (Danach gesprochen von B)?
Welche Bedeutung hat die Aussage: "Die Gruppe G will x"?
Dies scheint logisch vereinbar mit der Tatsache, dass ein Mitglied der Gruppe x nicht will.
Was bleibt dann noch als Aussagegehalt?
"Die Mehrheit der Gruppe will x"? Aber dann könnte man besser diese viel genauere Aussage wählen.
Die Aussage: "Die Gruppe G will x" scheint ein immer schon anerkanntes Legitimationsverfahren
bei der Herstellung des guten Willens vorauszusetzen, d.h., die Aussage bezieht sich auf Repräsentanten bzw. legitime Sprecher der Gruppe.
Der Unterschied zwischen: "Wir wollen gemeinsam x" und "A will x, und B will x".
Das eine Mal sprechen A und B als Mitglieder einer gemeinsam handelnden Gruppe,
das andere Mal sprchen sie als Individuen. Beides muss sich nicht decken. Das
Problem des "volonté général".
*III – 150*
Die Tatsache von Normverstößen muss kein Zeichen dafür, dass man sich nicht auf Normen einigen konnte.
Der durchschnittliche kriminelle Normbrecher stellt
die von ihm verletzte Norm nicht in Frage (wie der Überzeugungstäter)
sondern er sieht sich selber als Normbrecher an. Er argumentiert höchstens, er habe die Tat gar nicht begangen
bzw. er habe dies getan unter Umständen, die "entschuldigend" und "strafmildernd" sind.
*III – 151*
Kriterien richtiger Normen (Entscheidungen):
1.) "Alle vernünftigen Menschen würden dem zustimmen."
2.) "Alle Menschen guten Willens würden dem zustimmen."
3.) "Ein unparteiischer Beobachter würde auch so entscheiden."
Die Implikationen dieser Formulierungen analysieren.
*III – 153*
Eine Diskussion dient nicht nur dazu, das zu rechtfertigen,
was jemand tatsächlich tut (oder zu tun beabsichtigt). Sie kann auch dazu dienen,
den andern zu täuschen und zu verwirren. Man propagiert zum Beispiel bestimmte zustimmungsfähige Ziele
und strebt insgeheim nach ganz anderen Zielen (Hitlers Friedensbeteuerungen vor
1939). Worte und Taten klaffen dann auseinander. Um die tatsächlichen eigenen
Ziel zu verdecken, empfehlen sich Leerformeln mit starkem Wertgehalt.
*III – 154*
Die Ideologiekritik der Marxisten besteht weniger in dem Nachweis,
dass die kritisierte (normative) Ideologie "nicht stimmt", als in dem Nachweis, dass
sie Ausdruck kapitalistischer Interessen
ist.
Damit ist automatisch der Schein einer Orientierung am Gemeinwohl entlarvt.
Das Besondere ist dabei, dass nur für einen bestimmten Adressaten – die Arbeiterklasse – die Legitimation
der sozialen Ordnung zerstört werden soll.
Es wird nicht der Versuch gemacht, eine Alternative mit allgemein gültiger Legitimation
zu erstellen.
*III – 155*
Zum utilitaristischen Prinzip, jede Handlung nach ihren
Konsequenzen zu bewerten: Wahrscheinlich hat dies Prinzip seine Grenze am
Wert der "Rechtssicherheit".
*III – 156*
Wenn es keine gesetzten Normen gibt, so ist die
Entscheidung den Einzelnen überlassen.
Dies führt auch beim besten Willen aller Beteiligten zu unterschiedlichem
Verhalten, das von den andern schwer vorherzusagen ist.
Wenn jedoch explizite Handlungsnormen festgelegt werden, so wird diese Rechtsunsicherheit beträchtlich verringert.
Dann wird nur vorausgesetzt, dass das Individuum die für sein Handeln relevanten Normen kennt und dass es in der Lage ist,
diese Normen richtig zu interpretieren bzw. anzuwenden
*III – 160*
Zur moralischen Bewertung einer einzelnen Handlung.
Das Problem ist, dass eine einzelne Handlung unter eine Vielzahl (eine praktisch unbegrenzte Anzahl) von Handlungsmaximen logisch subsummiert
werden kann.
(In der Rechtswissenschaft ist das wohl das Problem der "Idealkonkurrenz"). Je nachdem, welche Maxime herangezogen wird, schwankt die normative Beurteilung der Handlung.
Nehmen wir ein Beispiel: Ein Passant geht auf der Straße. Ein Kind bettelt ihn um eine Mark an. Er gibt sie
dem Kind.
Nach welcher Handlungsmaxime ist der Passant vorgegangen?
Man soll Menschen helfen, die in Not sind. / Man soll Kindern helfen, die in Not sind. /
Man sollte Bettlern immer etwas geben. / Man soll denen abgeben, die weniger haben.
/ Man soll dem Gebot Jesu folgen. / Man soll seinen spontanen Launen folgen. / Man soll andern Menschen keine Bitten abschlagen. /
Man soll sich in der Öffentlichkeit immer großzügig zeigen etc. etc.
Bei der Rechtfertigung einer Handlung kommt es dann darauf an, die Handlung mit der Maxime zu interpretieren,
die sozial einen hohen Wert hat.
Ob dies wirklich die handlungsleitende Maxime des betreffenden Individuums ware (oder nur
eine Rationalisierung im psychoanalytischen Sinne), lässt sich
nicht anhand der einzelnen Handlung feststellen,
sondern nur anhand von Konsistenzprüfungen mit anderen Handlungen des
betreffenden Individuums. Jemand der vorgibt, nach einer bestimmten Maxime zu handeln, muss ja in allen
entsprechenden Situationen danach handeln.
*III – 161*
Mein Hauptkriterium für die Zulässigkeit einer normativen Position ist die
Beachtung der Voraussetzungen der Argumentation. Die Verletzung dieser
Voraussetzungen
führt zum Abbruch der Argumentation mit dieser Position.
Aber vielleicht ist die Position zwar nicht mehr allgemein menschlich aber immer
noch in Bezug auf bestimmte Gruppen argumentationsfähig?
*III – 162*
Vielleicht können Elemente der Ethik Kants (verallgemeinerbare Maximen)
mit Elementen der utilitaristischen Ethik (Bewertung der Konsequenzen) miteinander
kombiniert
werden:
die Verallgemeinerbarkeit wäre gewissermaßen ein Abgrenzungskriterium, die Konsequenzenbewertung ein Kriterium innerhalb der zulässigen Normen
?
?
*III – 165*
Die kausale Bedingtheit von Normverletzungen ist kein Problem, im Gegenteil:
Kausalität ist die Voraussetzung dafür, dass man das Handeln des Normverletzers gezielt ändern kann.
Ich kann der Frage "Wie soll ich handeln?" nicht ausweichen und kann sie auch nicht durch die Frage:
"Wie werde ich handeln?" ersetzen. Folglich brauche ich eine ethische Theorie (ein Sittengesetz), um Fragen dieser Art zu beantworten.
Die prinzipielle Freiheit der moralischen Person bei Kant lässt keine Abstufungen der Verantwortlichkeit zu.
Ihm geht es um die Möglichkeit der Zurechnung guter und böser Taten.
Die Strafe sieht er folglich nicht unter dem Aspekt einer Verhinderung
zukünftiger Normverletzungen sondern bezogen auf die moralische Verantwortlichkeit
und Würde der Person.
*III – 167*
Erst ist bei Kant jeder Mensch Vernunftwesen seiner Anlage nach Zweck in sich selbst, eine Person mit Würde - und dann wird den
wirtschaftlich Unselbständigen, den Frauen etc. das Recht des aktiven Staatsbürgers, vor allem das Wahlrecht, abgesprochen ...
*III – 170*
Gibt es neben der universalen normativen Argumentation auch noch eine
partikulare, die sich nur an bestimmte Teile der Menschheit wendet? Oder ist
eine partikulare Argumentation (z. B. bezogen auf
das "nationale Interesse) nur eine Verständigung über gemeinsame Feinde, Ziele, Interessen etc., aber keine Argumentation, die auf eine allgemeingültige Rechtfertigung zielt.
*III – 171*
Kann man auch für solche partikularistischen Argumente Kriterien der Gültigkeit entwickeln (also nicht Kriterien der Allgemeingültigkeit sondern Kriterien
der partikularen Gültigkeit)? Dies wären ähnliche Sätze wie rein individuelle Klugheitsregeln.
Aber kann man hier von Gültigkeit sprechen, ohne von Allgemeingültigkeit zu sprechen? Dies muss ja immer unter Abstraktion von den Interessen der anderen geschehen,
die dann nur noch als quasi natürliche Hindernisse der eigenen Zielerreichung betrachtet werden.
*III – 172*
"Ausgleichende Gerechtigkeit". Hier ist Gleichheit und Gerechtigkeit in einem Begriff zusammengefasst.
*III – 173*
Vielleicht wird man dem besonderen Charakter normativer Sätze dadurch eher gerecht, dass man ihre
Gültigkeit relativ zu bestimmten Individuen definiert.,
z. B. den Bürgern eines Staates.
Dann werden die übrigen Individuen aus der Argumentationsgemeinschaft herausdefiniert
und wie natürliche Bedingungen einkalkuliert, jedoch nicht als Träger von
Rechten.
Neben der
Allgemeingültigkeit gäbe es also immer auch Partial-Gültigkeit bis hin zur
Individual-Gültigkeit (Gruppen – bzw. Einzelegoismen). Das hieße, dass die
Verletzung der Universalitätsbedingung nicht notwendig eine generelle
Kriegserklärung darstellt, denn unter Umständen wird die Argumentationsgrundlage
nur gegenüber bestimmten Individuen entzogen, während sie gegenüber anderen
erhalten bleibt.
*III – 174*
Welche faktischen, normativen und hermeneutischen Prämissen liegen einer Argumentation
notwendig zu Grunde? Daraus Kriterien entwickeln,
die bestimmte Argumentations-Inhalte von vornherein ausschließen, weil sie diesen Prämissen widersprechen.
*III – 175*
Den Reichtum der Alltagssprache rezipieren, jedoch nur im heuristischen Sinne, d.h. um mögliche Problemlösungen aufzufinden, nicht im Überprüfungssinne,
d.h. dass ich am Kriterium der Alltagssprache die Gültigkeit einer Lösung zu messen hätte.
*III – 176*
Die normative Problematik von zwei Seiten angehen: Zum einen von der
Problemstellung her konstruktiv eine ideale Sprache entwickeln, zum andern den
faktischen Alltagsgebrauch normativer Begriffe und Argumente analysieren.
*III – 177*
Notwendigkeit von Macht im Kollektiv: Die Machtinstanz
setzt
die Norm gegen die einzelnen Mitglieder durch. Sonst müssten die Individuen, deren
Interessen verletzt wurden, selber gegen den Normverletzer auftreten. Dadurch würde es zu unmittelbaren Konfrontationen
von Individuen im Kollektiv kommen
mit aggressiven Begleiterscheinungen, die für das Kollektiv nachteilig sind.
*III – 178*
Kritik: "Du hast
die Totalität nicht erfasst." Entgegnung: "Es können nicht alle Fragen
gleichzeitig beantwortet werden. Es sollen aber im Verlauf der Untersuchung alle
Phänomene einbezogen werden, die sich als relevant für die Beantwortung der
behandelten Frage erweisen."
*III – 179*
Stärkung des Mitgefühls:
"Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wir Du den Schmerz."
*III – 180*
Frage: Kann man Recht haben, auch wenn die Bedingungen der Argumentation vom
andern Diskussionsteilnehmer verletzt wurden und keine Argumentation stattfindet? Kann
man z. B.
gegenüber einem
Narren Recht haben? Wohl kaum. Der Anspruch, Recht zu haben, kann
sinnvoll nur gegenüber Vernünftigen erhoben werden. Allerdings kann man den
Anspruch auch provisorisch
für die Zukunft behaupten, ín der Hoffnung, dass irgendwann ein Vernünftiger die Argumente
einsieht.
*III – 181*
Bestimmung des "Möglichen".
Es gibt verschiedene Ebenen je nach dem angesprochenen Kollektiv:
menschenmöglich (allgemeine normative Theorie)
kollektiv möglich (Gruppenstrategie oder –ethik
individuell möglich (individuelle Strategie oder Ethik)
Mehrfachbedeutungen von "möglich":
(beim Würfeln): "Es ist möglich, dass es eine 6 wird."
(Statistische Wahrscheinlichkeit: Ein Ereignis x ist möglich, wenn es Element
einer Grundgesamtheit ist, aus der eine Stichprobe entnommen wird; x ist
möglich, insofern es nicht logisch oder empirisch ausgeschlossen werden kann.)
Beispiel Verabredung:
"Kannst du um 6:00 Uhr am Bahnhof sein?" "Ja, das ist möglich."
("Möglich" heißt hier: "realisierbar".) Realisierbar für wen? z. B.: "Ja, das
ist möglich, wenn A mir sein Auto leiht."
*III – 183*
Trennung von Nachrichten und Kommentar in der Presse. Ist das überhaupt möglich?
Was ist mit den werthaltigen deskriptiven Begriffen? Man kann der Sprache diese
emotionalen Assoziationen nicht völlig austreiben.
*III – 184*
Zur individuellen Rationalität:
Wenn man von einer schichtenartigen Überlagerung der Steuerungssysteme des
Menschen ausgeht (Rückenmarksreflexe bis Großhirn), so können sich rein
assoziative Lernprozesse durchsetzen gegen Lernprozesse, die auf höheren
Denktätigkeiten basieren. Zum Beispiel beruht rein assoziatives Lernen auf
einfachen Korrelationen, während theoretische Einsicht an wenigen
beweiskräftigen Experimenten gewonnen werden kann.
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(Ende Heft III)
Weitere Notizbücher Nummer I bis XXIV:
I
II
III
IV
V
VI VII
VIII
IX
X XI
XII