Ethik-Werkstatt
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Aus meinen Notizb�chern: Heft I
Heft I
Vorbemerkung:
Die folgenden Texte, meine Notizb�cher, habe ich nicht für die Ver�ffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine
eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorl�ufigen
Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T.
grundlegender überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als
andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die
für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und
für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht
bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt und
begr�ndet.
*I-1*
Kompromiss: Beide Parteien
geben nach und treffen sich in der Mitte. Das Problem ist, wie sich diese Mitte
definiert. Offensichtlich bestimmt sich diese Mitte nicht nach einem empirischen
Ma�stab sondern nach einem Wertma�stab: Jeder nimmt ein gleiches Ma� an
Nichterf�llung seines Willens (Nachteilen) in Kauf. Die r�umliche empirische
Analogie im Begriff "Mitte" ist also irref�hrend. Der Kompromiss setzt eine bestimmte Beschaffenheit der Entscheidungssituation
voraus. Es muss eine Alternative geben, die die Mitte zwischen den beiden
Positionen darstellen kann. Es stellt sich meist als ein Kontinuum dar, auf dem
die Ann�herung an die eine Position zugleich eine Entfernung von der anderen
Position bedeutet. Ein Beispiel: Zwei Leute suchen einen gemeinsamen Termin. A
will 13:00 Uhr, B will 14:00 Uhr. Die Zeitdimension kann hier das Kontinuum
darstellen. Und man w�rde sich auf den Kompromiss 13:30 Uhr einigen können. Dies
h�ngt jedoch von weiteren Faktoren ab. Eine halbe Stunde Terminverschiebung für
A und B m�ssen nicht wertm��ig gleich sein. An diesem Beispiel wird deutlich,
dass der Begriff des Kompromisses schon eine intersubjektive Bewertung (Vorteil,
Nachteil) voraussetzt.
*I-2*
Zum Schiedsmann. Hier wird unter dem
Gesichtspunkt des "unparteiischen
Dritten" gefragt, was zumutbar für die Beteiligten ist. Es werden
Interessen, Bed�rfnisse intersubjektiv abgewogen, das hei�t gesch�tzt und
gemessen. Es wird nicht wie beim Vertrag durch harte Verhandlungen zwischen den
Parteien gepr�ft, ob und wo der andere nachgiebige oder unverzichtbare
Positionen besitzt. Aber woher hat man den Ma�stab für die intersubjektive
Interessenabw�gung? Dies Verfahren setzt schon voraus, dass man wei� bzw. dass
man erkennen kann, wie wichtig oder unwichtig bestimmte Forderungen und ihre
Erf�llung für die beteiligten Parteien sind.
*I-3*
Zufallsverfahren
können zwar die systematische Bevorzugung eines Individuums gegenüber einem
anderen verhindern � insofern sind sie "fair". Sie können jedoch keine optimalen
L�sungen herbeif�hren. Die Ergebnisse von Verlosung, W�rfeln oder M�nzwurf sind
meist suboptimal.
Ein Beispiel: In Konfliktf�llen zwischen A und B wird
ausgelost, wer von den beiden entscheiden darf. Nehmen
wir einmal an, dass A und B jeder in 50 von 100 F�llen das Entscheidungsrecht
gewinnen. Ist dies Ergebnis optimal oder wäre eine für beide bessere Verteilung
der Entscheidungsrechte m�glich?
Dies lässt sich herausfinden, wenn man
A und B auffordert, die 100 F�lle nach der Wichtigkeit für sie selbst zu ordnen.
Dabei wird sich mit gro�er Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die 50 F�lle, die A
entscheiden darf, nicht identisch sind mit den für A wichtigeren 50 F�llen sind.
Gleiches gilt für B. K�nnten A und B ihre Entscheidungsrechte untereinander
austauschen (das Entscheidungsrecht in einem weniger wichtigen Fall gegen das
Entscheidungsrecht in einem wichtigen Fall), so w�rden sie einen Zustand
erreichen, den sie beide besser finden. Fazit: Zufallsverfahren m�gen "fair"
sein, aber ihre Ergebnisse sind nicht pareto-optimal.
*I-4*
Die
Forderung, den Willen
der Beteiligten aufzuklären (sich seiner Motive bewusst zu werden,
falsche Erwartungen auszuschlie�en etc.) ergibt sich daraus, dass sonst kein
Konsens hergestellt werden kann. Solange der andere es ablehnt oder gar
verhindert, dass ich meinen Willen aufkl�re, kann ich keiner Regelung zustimmen,
denn ich wei� im wahrsten Sinne des Wortes nicht, was ich will.
*I-5*
Hinter den meisten gebr�uchlichen Entscheidungsregeln (wie z. B.: "Wer
zuerst kommt, mahlt zuerst") m�sste stehen: "in
Ermangelung eines
Besseren".
*I-6*
Entscheidungsverfahren m�ssen so beschaffen sein,
dass ihr Ergebnis m�glichst
keine
Interpretationsschwierigkeiten bietet. Sonst f�ngt auf dieser Ebene der
Streit von vorne an. Dazu ein Alltagsbeispiel. Im Schwimmbad hat derjenige das
Recht zu duschen, der eine freie Dusche vorfindet und diese benutzt. Verlässt er
nun die Dusche, etwa um sich Seife zu holen, so kann eine Unklarheit über das
Benutzungsrecht entstehen, wenn ein anderer Badegast inzwischen unter die leere
Dusche getreten ist, in dem Glauben, sie sei unbenutzt. Deshalb sollte jeder
Badegast beim vorübergehenden Verlassen der Dusche etwas zu deren
Kenntlichmachung als "besetzt" zur�cklassen. Sonst k�nnte jeder kommen und
sagen, dies sei sein Duschplatz und er sei nur kurz weggegangen.
*I-7*
Es gibt eine Tendenz zur Aufrechterhaltung des
Status quo, wie
schon das Sprichwort sagt: "Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht".
*I-8*
Soziale Ungleichheit
kann von den dabei schlechter Gestellten nur dann anerkannt werden, wenn damit
auch ihre eigene Lage verbessert wird.
*I-9*
Was ist von dem Argument zu
halten: "Versetz sich doch einmal in seine Lage!", um jemanden dazu zu bewegen,
Nachteile in Kauf zu nehmen zum gr��eren Vorteil eines anderen Menschen? Kann
man sagen:
"Das bringt dem Einen mehr Vorteile (Nutzen) ein, als es dem Anderen Nachteile
(Kosten) bringt"? Dies setzt einen
intersubjektiven
Nutzenvergleich voraus.
In der
aktuellen Situation kann die Gr��e der individuellen Nutzen und Kosten
für die Individuen A
und B bei Realisierung einer bestimmten Alternative meist nur schwer bestimmt werden,
weil die akut Betroffenen parteiisch argumentieren.
Aber man k�nnte die Situation verallgemeinern, von der Identit�t der Beteiligten
abstrahieren und die
Nutzenverteilung in der allgemeinen Situation bestimmen, wo noch nicht klar ist,
wer welche Position einnimmt. Diese Aufteilung der Nutzen k�nnte dann im aktuellen
Fall als Grundlage des intersubjektiven Nutzenvergleichs dienen.
*I-10*
Die
Forderung nach
faktischer Gleichheit ist unsinnig. Sie ist undurchf�hrbar und nimmt
keine R�cksicht auf die m�gliche Verschiedenheit der individuellen W�nsche. Es
geht stattdessen um Gleichberechtigung.
*I-11*
Was ist von der
moralischen Forderung zu halten,
dass man "die fremden
Bed�rfnisse genauso wichtig nehmen soll wie die eigenen"? Hei�t das, dass
ich an alle abgeben muss, denen es schlechter geht? Hei�t das, dass ich mich mit
dem Schlechtesten gleichstellen muss? Hei�t das, dass ich mit ihm verhungern
muss?
Ein Gegenargument: "Dies moralische Prinzip hilft auf die Dauer
niemandem".
*I-12*
Die
realisierte Kompensation
(die tats�chliche Entsch�digung dessen, der von einer Entscheidung Nachteile
hat) kann kein Grundsatz für einen Abbau von Privilegien sein, denn dann m�sste
der Privilegierte ja gleich oder besser gestellt werden, das hei�t seine
Privilegien w�rden bleiben.
*I-13*
Kann man werturteilsfrei Ausdr�cke
verwenden wie: "Die Benachteiligten in dieser Gesellschaft" oder "die am
schlechtesten Gestellten in dieser Gesellschaft"? Dies kann man wohl nur dann,
wenn es eine allgemein anerkannte Bewertungsskala gibt, die ausdr�ckt, was
"nachteilig" und was "schlechter gestellt" ist. Dies setzt eine übereinstimmende
kollektive Bewertung
voraus, etwa dass Armut, Arbeitslosigkeit, kleine Wohnungen, Krankheit usw.
schlecht sind.
*I-14*
Was hei�t "intersubjektiv
anerkennbar"? Wie lässt sich entscheiden, ob eine Behauptung
intersubjektiv anerkennbar ist? Die
tats�chliche Anerkennung von allen kann nicht gemeint sein. Andererseits
kann dies Kriterium auch nicht logisch deduziert werden, sondern muss letztlich
einen Bezugspunkt im vorhandenen menschlichen Willen finden. Das Prinzip ruht
letztlich auf vorhandener Anerkennung
(ähnlich wie die vorhandene Wahrnehmung als Kriterium der Wahrheit).
*I-15*
Durch die st�ndige Ver�nderung der Dinge ergibt sich ein
zeitlich bestimmter
Handlungs- und Entscheidungszwang. Das Problem ist, in einem begrenzten
Zeitraum nach Entscheidungsalternativen zu suchen und sich für eine bestimmte
Alternative - die beste - zu entscheiden. Hier liegt ein Unterschied zur
empirischen Wissenschaft vor � zumindest sofern diese als Grundlagenforschung
von ihrer Anwendung getrennt ist -, denn dort kann man sagen: "Das wissen wir
nicht" und kann weiter forschen. Liegt dies am komparativen Charakter des
normativen G�ltigkeitskriteriums? (Allerdings
gibt es auch in der empirischen Methodologie das Problem,
zwischen alternativen Theorien mit
wechselnden Vorz�gen - Informationsgehalt, Einfachheit, Bew�hrtheit - zu w�hlen.
Etwa beim Sachverst�ndigengutachten bei Gericht)
*I-16*
In der
juristischen Theorie der
G�terabw�gung wird ein intersubjektiver Nutzenvergleich vorgenommen an
einem kollektiven Bewertungsma�. ähnlich bei der Theorie der Entsch�digung.
Subjektive ("ideelle") Werte ("Erinnerungswerte") werden dabei nicht
ber�cksichtigt, wohl weil die Gr��e des Verlustes nicht intersubjektiv
überpr�fbar ist. Jeder k�nnte sagen, die zerst�rte Sache sei ihm pers�nlich
besonders viel wert gewesen. Hinzu kommt, dass "unersetzliche" Werte eben nicht
kompensierbar sind.
*I-17*
Was ist eigentlich der
Zweck der normativen
Methodologie, jenseits der Gewinnung allgemeing�ltiger Normen? Die
empirische Wissenschaft dient jenseits der Wahrheitsfindung dem irrtumsfreien
Handeln auf der Grundlage erweiterter Handlungsm�glichkeiten. Analog würdech
bei der normativen Methodologie und den normativen Wissenschaften sagen, dass
sie der Verringerung des Leidens dienen, das aus dem Zusammenleben der Menschen
resultiert. Sie tun dies nicht als solche, die Menschen m�ssen sich ihrer
bedienen - aber das gleiche gilt für die empirische Methodologie und die
empirischen Wissenschaften.
*I-18*
Tausch: "Ein
K�nigreich für ein Pferd". Es kommt eben
auf die Umst�nde an.
*I-19*
Man nimmt Abstimmungen
als Entscheidungsverfahren, um nicht bei jedem Konflikt mit allen Mitteln (bis
zum B�rgerkrieg) eine Entscheidung herbeif�hren zu m�ssen. Ein solche
"Sparsamkeit" in Bezug auf die Entscheidungskosten zeigt sich auch im Altertum,
etwa wenn der Kampf zweier Heere durch den Kampf der beiden Anf�hrer ersetzt
wird.
*I-20*
So
oder so werden Entscheidungen getroffen, die allgemein verbindlich
durchgesetzt werden, sei es durch Machtkampf, Autorit�t, Abstimmung, Verhandlung
(Tausch, Kompromiss), M�rkte usw. Es stellt sich in Bezug auf jede verbindliche
Ordnung die Frage ihrer allgemeinen Anerkennung, ihrer Legitimation.
*I-21*
In der Praxis gen�gt für eine Entscheidung eine
ordinale Messung
(Rangordnung) der verschiedenen Handlungsalternativen, denn ich ben�tige ja nur
die Bestimmung der besten Alternative, um mich zu entscheiden. Ich ben�tige
nicht den Abstand zur zweitbesten Alternativen.
*I-22*
Wenn es
keine allgemein g�ltigen
Normen gibt, so kann die Analyse immerhin feststellen, wo sich ein
Partialwillen durch Macht trotzdem zum allgemeinen Willen erkl�rt. Auf diese
Legitimation will wohl keine Gesellschaft verzichten.
*I-23*
Gleiche
formale Bedingungen für alle Individuen f�hren bei ungleichen Eigenschaften der
Individuen u. U. zur Ungleichheit (Benachteiligung); z. B. darf jeder Klage
erheben (= formale
Gleichheit), aber die Individuen sind unterschiedlich reich (= ungleiche
Eigenschaften) und für eine erfolgreiche Klage ben�tigt man Geld, das hei�t die
Armen können ihr formales Recht seltener wahrnehmen als die Reichen.
*I-24*
In der empirischen Methodologie hei�t "intersubjektiv
überpr�fbar": Wenn jemand will, dann kann er (bei entsprechender
Ausbildung) die Aussage überpr�fe. Wie ist es bei Normen? Logik zur überpr�fung
ist m�glich, etwa wenn die Norm aus einer anderen Norm unzul�ssig deduziert wird
beziehungsweise in sich widersprüchlich ist. Erfahrung zur überpr�fung ist
ebenfalls m�glich, insofern die Begr�ndung empirische Aussagen enth�lt. Aber wie
ist es mit Normen, die sich weder auf Aussagen st�tzen noch deduziert werden?
Was hei�t hier "nachvollziehbar"? In der Empirie vollzieht man die Begr�ndung
nach, indem man sagt: "Ich sehe es auch". In der normativen Methodologie m�sste
es entsprechend hei�en: "Ich
will es auch so" bzw."Ich bewerte es auch so".
für diesen
Nachvollzug gibt es - wie in der Empirie - keinen logischen Zwang. Es handelt
sich hier um unmittelbar intersubjektiv übereinstimmende Einsichten.
Selbst angenommen, die Individuen seien "aufgekl�rt" entsprechend dem
aktuellen Stand des
Wissens, so wird es doch Situationen geben (Zweifel und Nicht-Wissen), in denen
eine Norm nicht von allen anerkannt wird � so dass die Begr�ndung
tats�chlich nicht allgemein
nachvollziehbar ist.
Aber dabei kann man nicht stehen bleiben, es wird
ja dennoch irgendwie allgemein verbindlich entschieden. Es geht dann um die
Frage: "Was ist die bessere Entscheidung angesichts der Vielzahl m�glicher
Entscheidungen?" Man muss sich auch auf dieser Stufe auf ein
Verfahren zur
kollektiven Entscheidung einigen angesichts kontroverser individueller
Entscheidungen.
Gibt es hier allgemein anerkennbare
Verfahren? Wie ist es mit dem Kriterium:
"Die Entscheidung jedes
Individuums soll für die kollektive Entscheidung gleiches Gewicht haben"?
Auch hier kann es natürlich keinen logischen Beweis geben, die Einigung auf
Entscheidungsverfahren bleibt st�ndige Aufgabe. Diese Maxime ist noch sehr
unbestimmt. (Erlaubt sie auch eine Zufallsentscheidung?)
Wie ist es mit
der (demokratischen) Maxime: "Diejenige kollektive Entscheidung,
der die meisten
individuellen Entscheidungen entsprechen, ist zu w�hlen". Unter der
Annahme, dass die Zugeh�rigkeit jedes Individuums zur siegreichen Mehrheit
beziehungsweise zur unterlegenen
Minderheit zuf�llig verteilt ist, ist für alle Individuen zu erwarten, dass
h�ufiger kollektiv entsprechend ihrer individuellen Entscheidung entschieden
wird als bei jeder anderen Regel. (? Nach welcher Regel wird abgestimmt?)
*I-25*
Das Problem der
Intensit�t der
Pr�ferenzen (Dringlichkeit des Wollens). Angenommen es gibt zwei
Entscheidungen x (mit den Alternativen x1 und x2) und y (mit den Alternativen y1
und y2). Angenommen Individuum A hat bei der Entscheidung x den Ausschlag für
die Alternative x1 gegeben hat, w�hrend Individuum B bei der Entscheidung y den
Ausschlag für die Alternative y2 gegeben hat. A hatte bei der Entscheidung y die
Alternative y1 gew�hlt. Au�erdem ist für A die Entscheidung für y wichtiger als
die Entscheidung x. für B ist die Entscheidung x wichtiger als y. Beide können
sich nun besser stellen durch einen
Stimmentausch:
A stimmt für x2, wenn B für y1 stimmt und
umgekehrt. Durch Stimmentausch können sich auch bei Gleichgewichtigkeit jeder
Stimme pro Entscheidung Intensit�ten
ausdr�cken.
*I-26*
Mit dem Versuch einer
Hierarchisierung von
Werten bis hoch zu den allgemeinsten Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit,
Wohlstand, Leben usw. ist für die Entscheidungsproblematik wenig gewonnen. Diese
Werte sind meist nur vage definiert und damit auch in ihrer logischen Beziehung
unklar. Worauf es ankommt sind die
Entscheidungsregeln und deren logisch-deduktiver Zusammenhang. Hier kann man
fragen: Welche Regeln sind logisch miteinander vereinbar und welche nicht?
*I-27*
Nicht-kontroverse Ziele: die Verringerung von Verkehrsunf�llen,
Krebstoten, Verkehrsstaus, Luftverschmutzung
usw. Solange es Sch�den sind, die jeden in gleicher Weise treffen k�nnten, ist
das Ziel nicht kontrovers. Aber angenommene, nur Schwarze w�rden an Krebs
sterben: Bliebe es dann für die Wei�en ein Ziel, den Krebstod zu bek�mpfen?
Au�erdem: Kontrovers wird es meist nicht so sehr bei den allgemeinen
Werturteilen und Forderungen, sondern bei konkreten Handlungsalternativen, die
wiederum die verschiedensten Interessen tangieren.
*I-28*
Abstrakte
Bewertungen helfen wenig.
Etwa die Bewertung, dass es schlecht ist, gewaltsam get�tet zu werden. Dem w�rde
so jeder zustimmen. Aber gleichzeitig findet man es richtig, um bestimmte Ziele
notfalls Kriege zu f�hren und dabei den Gegner gewaltsam zu t�ten. Erst die
konkrete Entscheidung zu einer Handlung lässt die jeweils beteiligten Interessen
sichtbar werden - und hier liegt ja die praktische Problematik.
*I-29*
Wie weit tr�gt die Formel (
*I-30*
Man kann logisch nicht ausschlie�en, dass
ein Diktator
genau dieselben Gesetze erlässt, wie ein gew�hltes Parlament. Er k�nnte ja immer
mit der Mehrheit des Volkes übereinstimmen. Es gibt dagegen kein logisches
Argument, sondern nur ein theoretisches: sehr wahrscheinlich stimmt der Diktator
nicht mit der Mehrheit überein.
*I-31*
Die überlegungen, die ich hier
anstelle, sind auf eine isolierte Gesellschaft bezogen bzw. auf die Menschheit
als Ganze. Durch die bestehende
Vielstaaterei
kommen neue Bedingungen hinzu wie Schutz gegen �u�ere Feinde.
*I-32*
Aus
allgemeinen Normen kann man per Deduktion Einzelentscheidungen ableiten. Diese
singul�ren Normen machen den Inhalt der allgemeinen Norm aus. Unerw�nschte
Einzelentscheidungen sprechen gegen die allgemeine Norm. Widerlegen sie
sie? Wenn ja, so w�rde das Problem auftauchen, dass ja nach irgendeiner Norm
entschieden wird, man kann da nur die "beste" ausw�hlen, selbst wenn diese
belastet ist. Allerdings ergibt sich daraus der Zwang, die allgemeine Norm zu
erg�nzen bzw. zu verbessern, um auch die falschen Einzelentscheidungen
korrigieren zu können. (Hier ergeben sich Parallelen zur empirischen Theorie,
der Deduktion von Einzelaussagen, der Entscheidung zwischen konkurrierenden
Theorien. Solange ich nicht handeln muss, kann ich in der empirischen
Methodologie sagen: "Das wei� ich nicht" und nur solche Theorien zulassen, aus
denen keine falsche Hypothese abgeleitet werden konnte.)
*I-33*
Stimmt
der Satz: "Jede Ordnung ist
besser als keine Ordnung"?
*I-34*
Wenn ein
bestimmtes
Entscheidungsverfahren anerkannt wurde, kann man dann noch gegen
Einzelentscheidungen argumentieren, dass sie inhaltlich falsch sind? Was für
Kriterien werden dann ins Feld gef�hrt? M�ssen diese dann nicht auch gegen das
Entscheidungsverfahren sprechen? (formal
und material richtige Entscheidungen)
*I-35*
In einer
gut geregelten sozialen
Ordnung ist das Sanktionssystem so beschaffen, dass das Wohlergehen der
anderen zu meinem eigenen Vorteil ist und dass ihr Schaden zu meinem Nachteil
ist.
*I-36*
Um die Frage zu entscheiden,
ob es den Herren besser
geht als den Sklaven, kann man fragen: Wer ist bereit zu tauschen? Wenn
nur die Sklaven bereit sind, kann man "objektiv" (allgemein g�ltig) sagen: Den
Sklaven geht es schlechter als den Herren ("gut" = "was alle für sich
anstreben"; "schlecht" = "was niemand für sich anstrebt"). Die Herren sind in
der von allen bevorzugten (= besseren) Position.
*I-37*
Wie kann man die
Herren von der
moralischen Unrichtigkeit der Sklaverei überzeugen? Gibt es ein Argument,
das von allen anerkannt wird? Aber vielleicht sollte man nach Argumenten suchen,
die die zuk�nftige neue
Ordnung von allen dort
vertretenen anerkennbar machen wird.
Zuk�nftige Generationen beurteilen aus einer anderen Situation heraus. ("Als
Kapitalist hat er was gegen den Sozialismus, aber als sozialistischer B�rger
vielleicht nicht mehr.") Aber solche Zukunftsannahmen sind h�chst spekulativ.
*I-38*
Die
Privilegierten kann man nur von der Richtigkeit eines Abbaus ihrer
Privilegien überzeugen, wenn man ihnen das Leben mit ihren Privilegien sauer
macht.
*I-39*
Hat es Sinn zu sagen: Eine Entscheidung, die von mehr
Individuen als g�ltig anerkannt werden kann, ist allgemeing�ltiger (bzw.
"allgemeiner g�ltig"?) Das hie�e, dass die
Mehrheitsregel -
unter der Voraussetzung aufgekl�rten Willens - der zu erf�llenden
Allgemeing�ltigkeit am besten entspricht. Dann lie�e sich aus dem Ziel also doch
eine Entscheidungsregel logisch ableiten? (Aber das Wort
"allgemeing�ltig"
kann man wohl nicht steigern: Entweder, etwas ist g�ltig oder nicht.)
*I-40*
Beim Tausch
kommen nur freiwillige Umverteilungen zustande, das hei�t solche, bei denen alle
beteiligten Seiten einen Vorteil haben. Aber trotzdem kann es passieren, dass es
einer Partei trotz Tausch schlechter geht. (Die Zeit arbeitet gegen diese
Partei.)
*I-41*
In der empirischen Methodologie hat die Suche nach
intersubjektiven Wahrheiten die praktische Funktion, demjenigen zu helfen, der
sich in Hinsicht auf die Zukunft und die Folgen des eigenen Handelns nicht irren
willen. Wie ist das bei der normativen Methodologie? für die individuelle
Entscheidungstheorie kann man sagen: Wer seine W�nsche erf�llen m�chte, dem kann
das Entscheidungsmodell helfen. Aber beim Kollektiv?
Wozu braucht man
allgemein g�ltige Normen bzw. legitimierte kollektive Entscheidungen? Um
Konsens (Frieden) zu haben? Um die Unterdr�ckung zu kritisieren?
*I-42*
Der Entscheidungsmechanismus
Markt macht
dauernd eine Art von intersubjektivem Nutzenvergleich, n�mlich zwischen dem
Nutzen eines Gutes x für den Konsumenten A und den Kosten dieses Gutes für den
Produzenten B. Der Konsument A ist bereit, für das Gut x 10 DM zu zahlen. Die
Frage ist: Findet er für diesen Preis einen Produzenten, der 10 DM den
Herstellungskosten (dem negativen Nutzen) des Gutes x vorzieht? Vermittelt über
das Geld wird hier der Nutzen für Individuum A, den K�ufer, mit den Kosten für B
verglichen. Dabei w�gt A den
Nutzen des Gutes
x und den Nutzen der 10 DM für sich ab, w�hrend B für sich den Nutzen der 10 DM
mit den
Herstellungskosten von x abw�gt.
Wenn ja, dann kommt der Tausch zu
Stande: d. h. der Nutzen von x für A wird sozial h�her bewertet als die Kosten
von x für B. Die Ver�nderung durch Tausch gilt als legitim.
*I-43*
Tausch: die
Situation nach dem Tausch (s2) ist sozial besser als die Situation vor dem Tausch
(s1), weil die beteiligten Individuen (A und B) beide s2 gegenüber s1 vorziehen.
Aber ist s2 deshalb objektiv besser? Genau gesprochen kann man doch nur sagen: Sie ist für A und B besser - bezogen auf ihre subjektiven Pr�ferenzen. Um eine
allgemeing�ltige Bewertung durchzuf�hren, muss ich eine Soziale
Wohlfahrts-Funktion definieren wie diese: "Eine Situation ist besser als eine
andere, wenn alle Individuen sie besser finden" (� la Pareto).
*I-44*
Dadurch, dass der Tausch
für alle Beteiligten freiwillig ist, ist er noch nicht gerechtfertigt. Man
k�nnte sich auch andere Mechanismen der G�terverteilung denken, etwa eine
Schiedsstelle für wechselseitige W�nsche.
*I-45*
Das Besondere am
kapitalistischen Tausch:
der Tausch ist nicht wirklich freiwillig, weil der Arbeiter tauschen muss, wenn
er am Leben bleiben will. Er braucht und verbraucht st�ndig G�ter, die für ihn
lebenswichtig sind. Er kann sie
durch seine Arbeit nicht selber erzeugen (denn die
Produktionsmittel wie Grund und Boden sind fremdes Eigentum). Folglich muss er
seine Arbeitskraft einem Kapitalisten zum Tausch anbieten
gegen die notwendigen Lebensmittel. Und
je schlechter seine Lage ist, mit desto weniger Lebensmittel (Lohn) wird er sich
zufrieden geben m�ssen. Der niedrigste Lohn ist in dieser Situation für ihn
besser als gar keiner. Wenn nur Hungerl�hne angeboten werden, muss der Arbeiter
auch für Hungerl�hne arbeiten. (Welches Interesse hat umgekehrt der Kapitalist
am Zustandekommen des Tausches mit dem Arbeiter? Inwiefern muss er Arbeitskraft
eintauschen?)
*I-46*
Beim
Tausch zwischen
Konsument und Produzent vergleicht jeder für sich Aufwand und Nutzen, und
wenn die Rechnung für beide positiv ist, kommt der Tausch zu Stande. Wurde im
Endeffekt überhaupt intersubjektiver Aufwand und Nutzen kalkuliert?
*I-47*
Eigent�mertausch:
Individuum A will x haben und bietet dafür y an (x > y für A). Der Tausch findet
statt, wenn es ein Individuum B gibt, das y will und dafür x anbietet (y > x für
B). Hier findet kein intersubjektiver Nutzenvergleich statt, der besagt: Der
Vorteil für A ist gr��er als der Nachteil für B. Beim Tausch w�gt jeder w�gt
seine Vorteile gegen seine Nachteile ab, und wenn für beide die Vorteile
überwiegen, kommt es zum Tausch. (Hier werden keine G�ter geschaffen oder
verbraucht, sie wechseln nur den Besitzer.)
*I-48*
Wie ist es beim
Produzententausch?
A produziert y mit den Kosten K.
B
produziert x mit den Kosten L
Wann kommt es zum Tausch?
1. Bedingung: A
zieht x gegen y vor.
2. Bedingung: B
zieht y gegen x vor.
3. Bedingung: A zieht y gegen K vor.
4. Bedingung: B
zieht x gegen L vor.
*I-49*
Angenommen, es herrscht Warenproduktion im
Sinne von Marx. A und B
produzieren für den
Austausch! Sie produzieren ihr Gut, um das andere Gut einzutauschen.
Jetzt sehen die Bedingungen anders
aus, damit der Tausch von x gegen y und
die Produktion von x und y stattfindet:
1. Bedingung: A zieht x gegen K vor.
2. Bedingung: B zieht y gegen L vor.
3. Bedingung: 1 mal x wird gegen 1 mal y
ausgetauscht.
Wiederum ziehen beide die Situation nach dem Tausch der
Situation vor dem Tausch vor. für das Kollektiv gesehen: x und y wiegen sozial
st�rker als K und L.
Hier muss noch eine Ver�nderung angebracht werden:
"A zieht x gegenüber K vor" ist nicht richtig ausgedr�ckt, denn A zieht Produkt
inklusive Produktionskosten einem Zustand ohne beides (d.h. der existierenden
Situation) vor. Man k�nnte dafür schreiben: Der Wunsch, x zu genie�en, ist
st�rker als der Wunsch, K nicht zu erleiden (d.h. die Arbeit nicht zu tun und die
n�tigen sachlichen Produktionsmittel nicht zu verbrauchen).
*I-50*
Individuum A
mag im
Unterschied zu vielen anderen Individuen keine Autos, aber die Ums�tze der
Autoindustrie werden dem Sozialprodukt zugerechnet. Eine Steigerung der
Autoproduktion f�hrt also zur Steigerung der kollektiven Wohlfahrt, ohne die
individuelle Wohlfahrt von A zu steigern. Wie h�ngen in der Marktwirtschaft
individuelle und kollektive Bewertung der G�ter zusammen?
*I-51*
Wiegt
der Vorteil von A den Nachteil von B auf? Um diese Frage intersubjektiv zu
entscheiden, m�ssen alle Subjekte diese Frage entscheiden. So l�st sich das
Problem des intersubjektiven Nutzenvergleichs: es handelt sich um ein
Bewertungsproblem, für das allgemein g�ltige Verfahren entwickelt werden m�ssen.
Wer die intersubjektiv
abw�gende Bewertung von Vor- und Nachteilen für unzul�ssig h�lt, findet
offenbar alles gut, so wie es ist bzw. so wie es durch das Tauschprinzip
geregelt wird.
*I-52*
Auch wenn das Sozialprodukt nur aus einem einzigen
Gut bestehen w�rde, sind
naturale Gr��en kein eindeutiger Wertma�stab: es k�nnte sich ja das
Bed�rfnis nach diesem Gut ver�ndert haben.
*I-53*
�konomisch z�hlt nur
die Aneignung des Gutes, nicht der Gebrauch und dessen tats�chlicher Nutzen. Zum
Beispiel ist ein Auto wirtschaftlich gesehen ein Gut, dessen Aneignung begehrt
ist, denn A gibt dafür viel Geld aus. Aber Individuum A kann mit dem Auto einem
schweren Unfall erleiden. Das
Gut erweist sich als
hochgradig sch�dlich, aber das geht nicht in die wirtschaftliche
Betrachtung mit ein.
*I-54*
Scheinbar ist der
Tausch
pareto-optimal. Beide Tauschenden verbessern ihre Situation, sonst w�rden sie ja
nicht einwilligen. Aber was ist mit dem Dritten, dessen Angebot vielleicht zu
niedrig war und dessen Tauschabsicht deshalb nicht zustande kam (er konnte den
Marktpreis für die Ware nicht bezahlen)? Gesellschaftlich gesehen geht es bei
der Regelung der G�terverteilung nicht nur um die effektiv Tauschenden, sondern
auch um alle anderen, die gerne die getauschten G�ter nutzen w�rden, die aber
keine effektive Nachfrage bewirken können wegen zu geringer Kaufkraft. Der
Markt beruht nur scheinbar auf
einstimmigen Regelungen zum Vorteil aller!
*I-55*
Beim
Kauf geht es um
die Sicherung der
Nutzung einer Sache. Wo sich diese Nutzung nicht sichern lässt, ist auch
kein Kauf m�glich.
*I-56*
Wenn die
Marxisten sagen,
dass es keine allgemein richtige Entscheidung geben kann, sondern nur "richtige"
Entscheidungen in Bezug auf eine bestimmte Klasse, so ist das
Problem einer
intersubjektiv richtigen kollektiven Entscheidung nur auf eine andere Ebene
verlagert. Denn auch innerhalb der Arbeiterklasse gibt es wiederum
unterschiedliche Interessenlagen. So kann es zum Beispiel im
Klassenkampf (etwa beim B�rgerkrieg) n�tig sein, dass Arbeiter ihr Leben opfern.
Nur so können die Kapitalisten enteignet werden. Inwiefern ist dies Opfer
"richtig"? Kann dies Opfer gefordert oder gerechtfertigt werden z. B. mit dem
"Sieg der sozialistischen Revolution" oder der "Sache der Arbeiterklasse"? für
bestimmte Arbeiter bedeutet der Sieg der Arbeiterklasse im aktuellen Beispiel
ihre eigene Vernichtung. Wieso wird hier ein Teilkollektiv (eine bestimmte
Klasse) als Ma�stab genommen? Was ist mit der Klasse, wenn etwa die Mehrheit der
Arbeiterklasse im B�rgerkrieg ihr Leben lässt? Inwiefern verselbst�ndigt sich
die Klasse als eigenes Wesen von den Individuen, aus denen die Klasse besteht?
*I-57*
In der
einfachen Warenproduktion w�gen die Produzenten ab, ob sie G�ter für den
Tausch oder Gebrauchswerte für sich selber produzieren sollen. Im Kapitalismus
kann die Produktion von bestimmten G�tern unrentabel sein und deshalb
unterbleiben, obwohl die Produzenten (die Arbeiter) sie dringend brauchen.
*I-58*
Der Tausch
ist nur in einer bestimmten Hinsicht eine Sache zwischen zwei Leuten. Ein Tausch
zwischen zwei anderen Individuen ber�hrt unter Umst�nden auch mich. So kann mir
durch diesen Tausch ein potentieller K�ufer verloren gehen, wenn ich das gleiche
Gut anbiete, oder (als Nachfrager der
gleichen Sache) wird durch den anderen Nachfrager der gleichen Sache der Preis
in die H�he getrieben oder die Ware ist nun ausverkauft.
*I-59*
Der
intersubjektive Nutzenvergleich muss immer auf eine m�gliche Entscheidung
bezogen bleiben. Sonst kommt es schnell zu sinnlosen Fragen wie der, ob die K�he
nicht gl�cklicher sind als die Menschen, und ob es deshalb nicht besser wäre,
eine Kuh zu sein. Solche Vergleiche sind sinnlos, solange es für Menschen nicht
die reale M�glichkeit geht, sich in eine Kuh zu verwandeln. ähnlich ist es bei
Vergleichen zwischen
verschiedenen V�lkern und deren Ma� für Gl�ck oder Wohlergehen. Auch hier
ist der Vergleich nur sinnvoll, wenn es die M�glichkeit gibt, dass das eine Volk
die Lebensbedingungen des anderen annimmt.
*I-60*
Beim Tausch unter
Konkurrenz geht das Gut
an den Meistbietenden. Weshalb soll das so sein? Etwa weil die Annahme
gemacht wird, dass der Meistbietende derjenige mit den dringendsten Bed�rfnisse
ist? Dann w�rde ja auch die Tauschgerechtigkeit
auf einem
intersubjektiven Nutzenvergleich beruhen. Die einzig denkbare
Rechtfertigung des Tausches lautet deshalb: "weil beide Parteien ihre Lage durch
den Tausch verbessern". Es wird also wieder zur�ckgegangen auf die individuellen
Eigentumsrechte: "Hierfür hat sich kein Dritter zu interessieren!"
(Dies ist natürlich selber eine normative
Setzung.)
*I-61*
Wenn Kollektiveigentum bzw. kollektive Verf�gungsrechte
gelten, kann das Kriterium der Pareto-Optimalit�t kaum noch funktionieren, weil
jedes einzelne Individuum ein Vetorecht besitzt. Hier muss also ein
Nutzenvergleich eingef�hrt werden, zum Beispiel beim Mehrheitsprinzip: Diejenige
Entscheidung, die von den meisten befürwortet wird, hat den gr��ten kollektiven
Nutzen. Oder andersherum: Der Nutzengewinn der Mehrheit bei einer Entscheidung
ist gr��er als der entgangene Nutzen der Minderheit.
*I-62*
Was
unterscheidet
wirtschaftliche G�ter von anderen n�tzlichen G�tern und Werten? Erstens
ihre Knappheit (Luft ist nicht knapp und deshalb kein wirtschaftliches Gut).
Zweitens ihre Verteilbarkeit (viele Dinge sind knapp, sind jedoch nicht gezielt
verteilbar, wie zum Beispiel Liebe, Ruhm, F�higkeiten oder Verkehrsunf�lle,
Verbrechen, Krankheiten). Sie können
keine wirtschaftlichen G�ter sein, weil über ihre Verteilung nicht
gesellschaftlich entschieden werden kann. Can�t
buy me love.
*I-63*
Was sind
"Kosten"? Entsprechen sie dem popul�ren Begriff "Nachteil"? Was sind Nachteile?
Man sagt zum Beispiel, dass man einen Nachteil hat, wenn man schnell vorankommen
will aber ein schnelles Auto mit einem langsamen Auto vertauschen muss. Ist ein
langsames Auto nachteilig? Absolut gesehen ist es nicht nachteilig. Wenn man in
derselben Situation ein Fahrrad mit einem langsamen Auto vertauscht, ist das
langsame Auto vorteilhaft.
"Nachteil" ist also ein
relativer Begriff, und zwar relativ zur bisherigen Situation (oder im
Vergleich zu einer m�glichen Alternative, wie bei den Opportunit�tskosten).
*I-64*
Was ist das Ma� für die
Kosten einer Handlung?
Die St�rke der Pr�ferenz, mit der man die gegenw�rtige Situation (oder die beste
m�gliche Alternative) gegenüber der durch diese Handlung hergestellten Situation
vorzieht.
Was bedeutet dies für die
Kosten der Produktion?
Die Bereitstellung der Produktionsfaktoren durch bestimmte Individuen bedeutet
für diese Kosten, insofern sie eine andere Verwendung der Produktionsfaktoren
(Konsum, Freizeit) eigentlich vorziehen. Um sie dazu zu bewegen, diese Kosten
(Nachteile) zu tragen, m�ssen sie dafür entsch�digt beziehungsweise entlohnt
werden. Und zwar muss die Entlohnung mindestens so viel Nutzen für sie haben,
dass für sie die Kosten aufgewogen werden, das hei�t die Entlohnung muss jeder
anderen m�glichen Verwendung der Produktionsfaktoren vorgezogen werden, sonst
w�rden die Produktionsfaktoren nicht freiwillig bereitgestellt. (Bis hierhin ist
es normale �konomie: Gleichsetzung der verschiedensten Produktionsfaktoren als
Kosten.)
Die Kosten der Produktionsfaktoren bestimmen sich nicht nur
durch den Verzicht auf ihre Verwendung in der Konsumtion, sondern auch durch den
Verzicht auf ihre alternativen Verwendungsm�glichkeiten in der Produktion
(Opportunit�tskosten.) Um einen Produktionsfaktor nutzen zu können, muss dafür
mindestens so viel Entlohnung geboten werden wie in irgendeiner anderen Form der
Produktion.
Unter den Bedingungen des Privateigentums an den
Produktionsfaktoren und des freiwilligen Tausches bestimmen sich die Kosten der
Produktionsfaktoren durch deren alternativen Verwendungsm�glichkeiten
für die Besitzer (Konsum, Ver�u�erung).
Das bedeutet aber, dass sich der Wert der Produktionsfaktoren für die Eigent�mer
nicht unabh�ngig von der Nachfrage nach Produktionsfaktoren bestimmen lässt. Die
Nachfrage wird jedoch von dem Nutzen der Produktionsfaktoren für den Verwender,
den Unternehmer, bestimmt. für den Unternehmer bestimmt sich der Nutzen der
Produktionsfaktoren nach dem Erl�s der Produkte. Wenn die Kosten der
Produktionsfaktoren gr��er sind als der Erl�s der Produkte, macht der
Unternehmer Verlust. Bei Kenntnis des zu erwartenden Erl�ses wird der
Unternehmer die Entlohnung der Produktionsfaktoren deshalb niedriger als den
Erl�s halten. Der m�gliche Erl�s aus dem Verkauf der Produkte bestimmt sich
durch den Nutzen der Produkte für die Konsumenten, das hei�t das Produkt muss
für den Konsumenten einen h�heren Nutzen haben als ein Produkt gleicher Kosten
(gleicher Preise) sowie einen h�heren Nutzen als die individuellen Kosten für
den Erwerb des Geldes für den Kaufpreis.
Es
finden also immer nur
individuelle Rationalit�tskalk�le der Wirtschaftssubjekte statt.
*I-65*
Je mehr Produktionsfaktoren jemand besitzt, desto mehr Verzicht kann er
leisten, das hei�t desto gr��ere Kosten können für ihn auftreten. Wenn jemand
nichts mehr zu verlieren hat,
gehen seine Kosten gegen null. Er kann
keine Nachteile mehr erleiden, weil es ihm nicht noch schlechter gehen kann, als
es schon ist.
*I-66*
Bei Bevormundung stellt sich das Problem, ob es ein
Kriterium dafür gibt,
dass die Bevormundung zu Recht erfolgt. Eine m�gliche Best�tigung wäre
die nachtr�gliche
Zustimmung zur Bevormundung. (Aber
was spricht dafür, dass die sp�tere Pr�ferenz richtiger ist als die fr�here?)
*I-67*
Einmal das Problem der freien Entscheidung in der
Rechtswissenschaft
ansehen. Wie wird es dort behandelt? In Frage kommen die Begriffe N�tigung,
Erpressung, M�ndigkeit, Gesch�ftsf�higkeit, Gleichg�ltigkeitskriterien für
Vertr�ge wie Willensm�ngel etc.
*I-68*
Das Programm einer normativen
Methodologie kann auch zu einem
Vollkommenheitswahn
ausarten. Sie wird zur L�sung aller Streitigkeiten und K�mpfe hochstilisiert.
Aber Ma�stab für eine erfolgreiche Theoriebildung
ist allein der relative Fortschritt gegenüber den bestehenden Verfahren
der kollektiven Entscheidung.
*I-69*
Fehlschluss:
"Jeder Mensch strebt sie Erhaltung seines Lebens an. Also ist die Erhaltung des
Lebens ein allgemeiner Wert". Gegenargument: Es kann ja sein, dass man zugleich
bereit ist, das Leben eines anderen Menschen zu vernichten.
*I-70*
Um
die Bedingungen für
aufgekl�rte Pr�ferenzen zu bestimmen, muss sich jeder nach den
Bedingungen fragen, unter denen er in der Vergangenheit falsch oder richtig
entschieden hat.
*I-71*
Ist das Kriterium der richtigen Norm der
tats�chlich erzielte Konsens? Ist das Kriterium für die Wahrheit einer Aussage
der tats�chlich erzielte Konsens? Ohne einen Fortschritt
im tats�chlichen Konsens wäre die
erfahrungswissenschaftliche Methodologie kaum vorstellbar.
Aber zugleich gibt es
Qualifikationen des
Konsens. Die Suche nach allgemein g�ltigen Normen ist also nicht
gleichzusetzen mit Friedensstiftung. Sie kann zum Beispiel 1 % Dissidenten gegen
99% Konservative unterst�tzen.
*I-72*
Zum
Individualismus-Vorwurf
gegen Wahlen und M�rkte: Dass jeder aufgrund eigener überzeugung entscheidet,
kann nicht als Individualismus kritisiert werden.
*I-73*
Je mehr die
Individuen in ihren Pr�ferenzen bereits die
Pr�ferenzen der anderen
ber�cksichtigen, desto weniger Gegens�tze gibt es. Kann man daraus
folgern, dass eine gezielte Erziehung in dieser Richtung w�nschenswert ist?
(Bertrand Russell)
*I-74*
Sozialindikatoren
verbessern die Informationen für die Bewertung der Situation und sie helfen
Ziele zu operationalisieren. Sie können jedoch Bewertungen nicht ersetzen.
*I-75*
Aus dem subjektiven Interesse an der
Aufkl�rung der eigenen
Pr�ferenzen folgt nicht logisch, dass jeder auch die Aufkl�rung der
anderen wollen muss. Allerdings kann sich niemand dafür aussprechen, die anderen
nicht aufzuklären. Denn damit w�rde er von jemandem fordern, seine eigene
Unaufgekl�rtheit beizubehalten.
*I-76*
Unter welchen
Bedingungen kommt es zur
aufgekl�rten Entscheidung? Nach reiflicher überlegung? In Distanz zur
Sache? In emotionsfreier Atmosph�re? Oder in der Aktion? In emotionaler Erregung
(Versammlung)? Bestimmte psychische Strukturen können ohne starke Emotion nicht
aufgebrochen werden.
*I-77*
Jemand sagt kess: "Auch die
fehlende
Einigkeit über Normen kann positiv sein". Wie ist das gemeint? F�llt
damit das Gebot, nach konsensf�higen Normen zu suchen? Das wäre am
konkreten Fall zu diskutieren.
*I-78*
Kann man objektiv bestimmten, ob
es der Person A besser
geht als der Person B? Entscheidend dabei ist wohl, ob A die
Lebensbedingungen von B den eigenen vorzieht und umgekehrt.
*I-79*
In der
Arbeit für mich selber w�ge ich
Kosten und Nutzen
für mich ab. (Notfalls lasse ich die Arbeit.) In der arbeitsteiligen einfachen
Warenproduktion w�ge ich die Kosten des zu verkaufenden eigenen Produkts gegen
den Nutzen des damit zu kaufenden fremden Produktes ab (Notfalls produziere ich
das gew�nschte Produkt selber.) Wie ist das im Kapitalismus? Es wird nur das
produziert, was Profit bringt.
*I-80*
Die verschiedenen
Ebenen der Argumentation
und Abstraktion klären. Man muss unterscheiden:
1.
die Bedingungen, denen die
Wohlfahrtfunktionen gen�gen soll,
2. die
Wohlfahrtfunktionen selber als mathematische Formel,
3.
die konkrete Realisierung von
institutionellen Regelungen, die der Wohlfahrts funktion entsprechen.
*I-81*
Wenn man den Nutzen
eines Gutes x für ein Individuum A dadurch bestimmen will, was das Individuum A
dafür hergibt, so krankt dies daran, dass A etwas besitzen muss, was er
hergeben kann. Ber�cksichtigt man dies nicht, so kommt man zu dem Schluss, dass
einem mittellosen kranken Individuum sein Leben nichts wert ist, weil es für
seine Heilung nichts hergibt. Aber es tut dies nicht, weil es nichts hat, was es
hergeben k�nnte.
*I-82*
Die
Pareto-Ooptimalit�t
hat gegenüber anderen Werturteilen keine Dignit�t - auch nicht gegenüber
intersubjektiven Nutzenvergleichen - denn sie geht immer von den bestehenden
privaten Eigentumsrechten aus.
*I-83*
Man kann auch
durch Macht und Gewalt
Entscheidungen "f�llen". Dies ist dann ein blo�es Faktum. Die
Fragestellung einer normativen Methodologie beginnt erst dort, wo der
solcherma�en hergestellte Zustand gerechtfertigt wird, wo er als allgemein
g�ltig und normativ anzuerkennender hingestellt wird.
*I-84*
Zum Problem
eines Kriteriums für die
Anerkennung einer Norm. Wahrscheinlich m�ssen hier Setzungen vorgenommen
werden. Diese Setzungen sind als Vorschl�ge zur Ausbildung eines Konsens
anzusehen. Stellt sich der Konsens nicht her, so ist weiter zu fragen, warum er
nicht herstellbar ist, um die Gegengr�nde auf ihre Stichhaltigkeit zu pr�fen und
gegebenenfalls auch die Kriterien der Anerkennung. Dabei kommt man prinzipiell
nicht über menschliche Willens�u�erung hinaus, wobei der theoretische Antrieb
zur Konsensfindung von dem Ziel allgemeing�ltiger Normen ausgeht. Auch hier -
wie bei der Basissatz-Problematik � m�ssen " Pf�hle in den Sumpf" getrieben
werden. Der feste Grund eines Beweises, eines garantierten Konsens logischer
oder empirischer Art, kann nicht erwartet oder gefordert werden. Die
Konsensbildung muss als Aufgabe aufgefasst werden, die menschliche Anstrengung
erfordert, die vorankommen oder auch scheitern kann.
*I-85*
Das
Ziel ist die
Identifizierung und Kritik von Normen, die auf nackter Gewalt gegr�ndet sind,
die nicht anerkennbar sind.
*I-86*
Sehr viele Rechtfertigungen
appellieren an das
individuelle Interesse: "Sei gehorsam, dann lebst du am besten. Wenn Du
gegen die herrschende Ordnung eingestellt bist oder handelst, geht es dir
schlecht." Solche Rechtfertigungen können oft überzeugen, man ist "vern�nftig",
aber sie sind eigentlich nur eine Sanktionsdrohung. Wo diese Sanktionsdrohungen
nicht hinreichen - in die geheimen Gedanken des Individuums - mag die Ordnung
abgelehnt werden. Das Problem ist, wo die Erpressung oder Bestechung anf�ngt und
wo der legitime Hinweis auf faktische Bedingungen aufh�rt. Eine "freie"
Entscheidung ohne jede Beeinflussung ist weder denkbar noch ist sie w�nschbar.
*I-87*
Das Bestreben
zur Einigung w�chst, wenn beide Kontrahenten bei einer
"Auseinandersetzung mit allen Mitteln" das Risiko eingehen, schlechter gestellt
zu sein, als wenn sie der gegnerischen Forderung ganz oder teilweise nachgeben.
*I-88*
Ich werde methodisch so vorgehen m�ssen, dass ich die einzelnen
Problemkomplexe soweit wie m�glich vorantreibe, jedoch auch bei unbefriedigenden
L�sungen zum n�chsten Problemkreis übergehe, indem ich andere Probleme
ausklammere. Ich muss sie jedoch als
offene Fragen
ausdr�cklich benennen und festhalten.
*I-89*
Jedes
Perfektionsstreben
vermeiden: Wenn eine Entscheidungsregel gelegentlich zu keiner oder nur
zu einer intransitiven Entscheidung f�hrt, so ist dies noch kein vernichtender
Einwand gegen diese Entscheidungsregel. Es sind die Kosten solcher M�ngel
abzuw�gen gegen den erh�hten Aufwand bei m�glicherweise perfekteren
Entscheidungsregeln. Unter Umst�nden bleiben die M�ngel in ertr�glichen Grenzen
(Wahlparadox).
*I-90*
Die Problematik von "Verursacher"
und "Verantwortlicher" analysieren. Vor allem das juristische Verfahren ist
interessant, das als "verantwortlich" nicht alle urs�chlich Beteiligten gelten
lässt, sondern nur diejenigen, die sich vorschriftswidrig verhalten haben.
*I-91*
Zum Problem des Perfektionismus: M�ngel einer Entscheidungsregel, die
jeden Beteiligten in seinen Interessen in
gleicher Weise treffen können, stellen keinen prinzipiellen Einwand gegen diese
Regel dar. Als Beispiel mag der Schiedsrichter beim Fu�ballspiel gelten: die
M�ngel dieser Institution sind bekannt, trotzdem besteht keine Tendenz zur
Abschaffung der Schiedsrichter. - Weniger tolerierbar sind
M�ngel, die systematisch
einen der Kontrahenten bevorzugen.
*I-92*
Wenn es keine
allg emeinen Entscheidungsregeln g�be, so w�rde bei jeder Entscheidung aufs Neue
der Konflikt voll entbrennen, weil jeder versuchen wird, das für ihn g�nstigste
Verfahren anzuwenden. Allgemeine Regeln, die für viele
- auch noch unvorhersehbare F�lle �
gelten, lassen eine gewisse Gleichbehandlung erwarten.
*I-93*
Die
Differenz herausarbeiten zwischen der Maxime: "Strebe die gr��tm�gliche
Verwirklichung deiner W�nsche an!" und der Maxime: "Strebe
eine allgemein anerkannte Ordnung an!".
*I-94*
Ist das Ziel
"allgemeing�ltiger Normen" .....
a) ... eine illusion�re Formulierung für die
Interessen einer gesellschaftlichen Teilgruppe (zum Beispiel der Intelligenz
oder der Lohnabh�ngigen) oder
b) ... ein utopischer Vorgriff auf eine
Gesellschaft, deren M�glichkeit durch solche Theorien erst mit geschaffen wird?
Und wenn es so wäre?
*I-95*
Zur
Bedeutung von
Gleichheit: gleiches Einkommen. Dann g�be es für Behinderte oder
anderweitig besonders Bed�rftige keine speziellen Zusch�sse, d.h. den
Behinderten w�rde es schlechter gehen, weil
das normale Einkommen nur zur Befriedigung spezieller Bed�rfnisse wie z. B.
teure Medikamente nicht ausreicht.
Kann man sagen, dass zum Beispiel ein
Zuckerkranker mehr Bed�rfnisse hat als ein Gesunder? Auf jeden Fall braucht er
zur Aufrechterhaltung eines bestimmten k�rperlichen Standards mehr G�ter
(Di�ten, �rztliche Versorgung, Spritzen) als der Gesunde.
*I-96*
Die
Frage klären, warum es notwendig ist, allgemeine,
zeitlich überdauernde
Regeln der Entscheidungsfindung zu benutzen. Die Analogie zu den
raum-zeitlich unbeschr�nkten All-Sätzen der empirischen Wissenschaften klären.
Verfahren, die von Fall zu Fall ge�ndert w�rden - und zwar nach keinen
allgemeinen Regeln - w�rden der Willk�r T�r und Tor �ffnen, weil man den Konsens
jedes Mal aufs Neue herstellen m�sste, ohne auf irgendwelche gemeinsame Regeln
zur�ckgreifen zu können. Ein kollektiver Konsens wäre aus psychischen Gr�nden
wohl unm�glich, wenn die Diskussion jedes Mal wieder bei null anfangen w�rde.
Wenn es z. B. keine allgemeine Vorfahrtsregel g�be, so w�rde bei jedem
Zusammensto� jeder getrieben von seinem Eigeninteresse so argumentieren, dass er
selber Vorfahrt h�tte, mal als von links mal als von rechts Kommender, mal ist
die eine Regel (die wäre dann allerdings keine mehr), mal ist die andere Regel
für ihn vorteilhafter. Da es dann keine Argumente g�be, auf die er festzulegen
wäre, bliebe ein Konsens auf F�lle mit v�llig gleich lautenden Interessen
beschr�nkt.
Au�erdem: Ohne allgemeine Regeln w�sste man nicht, wie man
sich verhalten sollte, und das Verhalten der anderen wäre kaum vorhersehbar.
Indem eine allgemeine Entscheidung getroffen wird, werden die Kosten der
st�ndigen Neukalkulation vermieden. Die allgemeine Regel ist dabei beliebig
spezifizierbar, je nach dem Grad an normativer Heterogenit�t der F�lle.
*I-97*
Wenn jeder Mensch gr��eren Reichtum besser findet als geringerem
Reichtum, ist dann daraus logisch deduzierbar,
dass es einem Reichen
"besser geht "als einem Armen? Oder: Wenn jeder Mensch lieber gesund als
krank ist, ist dann Gesundheit ein intersubjektiver (objektiver) Wert? Das
Letztere ist wohl keine logische Deduktion, denn ich ziehe ja unter Umst�nden
nur die eigene Gesundheit vor, w�hrend sich zugleich dem anderen Krankheit und
Tod an den Hals w�nsche. Aus der Tatsache, dass jeder seine eigene Gesundheit
w�nscht, folgt also nicht logisch, dass alle die Gesundheit von allen w�nschen.
(Der gleiche Fehlschluss wie bei Mill in Bezug auf Happiness.)
Es handelt sich hier also nicht um eine reine Deduktion. Man
m�sste noch zus�tzliche Annahmen und Zwischenglieder hinzuziehen, um vom einen
Satz zum anderen zu gelangen. Der Schluss, dass der Reichtum aller anzustreben
sei, ist rein deduktiv nicht m�glich. (Aber wie steht es mit dem Satz: "Einem
Reichen geht es finanziell besser als einem Armen"?) Jeder sagt: "Je reicher ich
bin, desto besser geht es mir." Das reicht nicht aus. Dazu muss kommen: "Je
reicher jemand ist, desto besser geht es ihm". Aber auch dies ist ja noch ein
intrasubjektiver Vergleich, kein intersubjektiver Vergleich. Nur unter der
Bedingung der Austauschbarkeit der Individuen (Anonymit�t) kann der Vergleich
zwischen den Subjekten vorgenommen werden.
Anders angefangen: Wenn ich
sage: "Je reicher ich bin, desto besser geht es mir" und es gilt: "Person A ist
reicher als ich", so folgt daraus der Satz: "Wenn ich so reich wie A wäre, ginge
es mir besser." Das ist gleichbedeutend mit dem Satz: "Ich ziehe die finanzielle
Lage von A meiner eigenen vor" oder "Die finanzielle Lage von A ist besser als
meine eigene" oder (nur unter der Bedingung, dass A ebenfalls lieber reicher ist
als so arm wie ich.) "A geht es
finanziell besser als mir."
Aber wann
kann man (allgemeing�ltig) sagen: "Einem Menschen in der finanziellen Lage
von A (einem Reichen) geht es finanziell besser als einem Menschen in der
finanziellen Lage von B (einem Armen) "? (Anmerkung: vorausgesetzt ist immer auch
eine Ceteris-Paribus-Klausel.)
Alle Individuen sagen: "Ich ziehe
die finanzielle Lage von A der finanziellen Lage von B vor". Was ist das für ein
Vergleich? Es ist kein rein empirischer Vergleich, denn dann k�nnte ich mich
darauf beschr�nken zu sagen: "A besitzt mehr Geld als B". Wenn ich aber sage: "A
geht es besser als B", so ziehe ich einen normativen Vergleich; ich stelle keine
empirische Ungleichheit fest, sondern eine normative Ungleichheit (noch zu
klären: der Gleichheitsgrundsatz, inwiefern ist er "leer", was lässt sich
logisch aus ihm deduzieren? etc. hierzu LITTLE zum Nutzenvergleich).
Das
Problem bei der Formulierung "geht es besser" ist, dass hierzu immer auch
Empfindungen assoziiert werden. Mache ich hier eine Aussage über (Nutzen-)
Empfindungen? Nein, intendiert ist eine Aussage über Willensinhalte
(Pr�ferenzen). Der Satz:"Es geht mir heute besser als damals" wäre
gleichbedeutend mit: "Alle ziehen meine heutige Situation meiner damaligen
Situation vor". "Es geht ihm heute besser als damals" = ("Er zieht deine heutige
Situation deiner damaligen Situation vor.") oder "Alle ziehen seine heutige
Situation seiner damaligen Situation vor."
Bedingung bleibt die gleiche
Pr�ferenzstruktur der Subjekte (Hier ist ersichtlich, dass die gleiche
subjektive Pr�ferenzstruktur Grundlage kollektiver Pr�ferenzkonflikte sein
kann, z. B. bei Nahrungskonkurrenz).
Ist der Satz: "Einem Reichen geht es besser als einem Armen" ein
intersubjektiver Nutzenvergleich? Offenbar werden Nutzenniveaus verglichen
bzw. Wohlfahrtniveaus. Aber ist die Umformung: "Alle ziehen die
Situation des Reichen der Situation des Armen vor" nicht nur eine empirische
Feststellung über tats�chliche Pr�ferenzen? M�sste nicht formuliert werden: "Die
Situation des Reichen ist vorzuziehen (besser) gegenüber der Situation des
Armen"? Bei dieser Formulierung wäre jedoch eine Norm impliziert wie: "Was alle
vorziehen, ist vorzuziehen".
Vielleicht ben�tigt man die Formulierung
"geht es besser als" gar nicht und kommt mit der Formulierung aus: "ist in der
besseren Situation" das hei�t: "ist (normativ) nicht in der gleich (gut)en
Situation".
*I-98*
Terminologische Festlegung: Ich sollte nur bei
empirischen Sätzen von "Aussagen" sprechen. Sonst von "Sätzen", "Werturteilen",
"Normen", "Definitionen" etc.
*I-99*
Kann man sagen: "Der
Gesundheitszustand der Bev�lkerung hat sich verbessert"? Welche Probleme sind
dabei zu
beachten?
1.) Es muss empirisch definiert sein, was als Verbesserung des
Gesundheitszustandes für alle Individuen anzusehen ist (ein Messproblem).
2.) Man kann dabei ausgehen von
a) direkten Messungen des
Gesundheitszustandes (anhand eines empirischen Index) und
b) Einsch�tzungen der
Individuen, ob sich der Gesundheitszustand verbessert hat oder nicht.
Wenn die Pr�ferenzen der Individuen nicht mit dem
empirischen Gesundheitsindex übereinstimmen, treten besondere Probleme auf. Dies
soll vorerst ausgeklammert bleiben.
3.) Wenn nicht der Gesundheitszustand
jedes einzelnen verbessert ist, so wird der Satz falsch, wenn man für
"Bev�lkerung" einsetzt "alle Menschen dieser Gesellschaft". Es k�nnte dann
h�chstens hei�en: "Der durchschnittliche Gesundheitszustand der Bev�lkerung hat
sich verbessert". Hier taucht das Problem auf, dass man die Messung des
Gesundheitszustandes auf einer Kardinalskala ben�tigt, um ein arithmetisches
Mittel zu bilden. (Und dass man zus�tzlich die obige Annahme machen muss, dass
der empirische Gesundheitsindex genau der Gesundheitsbewertung durch alle
Individuen entspricht. Sonst k�nnte ich nur sagen:" Mein soundso definierter
Gesundheitsindex ist um soundsoviel Einheiten gestiegen"). Hat man keine
Intervallskala, so kann man nur einzelne Fakten feststellen: "Die Zahl der
Krebserkrankungen ist zur�ckgegangen" In diesem Fall macht man empirischer Aussagen
- zwar in normativer Absicht - aber man überlässt die Bewertung den anderen.
*I-100*
Wenn man sagt: "Ein Reicher ist in einer (finanziell) besseren
Situation als ein Armer ", so sagt man damit noch nicht, dass Armut schlecht ist. (Eigentlich ist dieser Satz noch gar keine
Feststellung eines bestimmten empirischen Zustandes, denn der Satz w�rde auch
gelten, wenn es tats�chlich gar keine finanziellen Unterschiede g�be. Dazu
m�sste also der empirische Satz kommen: "Es gibt in dieser Gesellschaft Arme und
Reiche". Der obige Satz dagegen gibt Bewertungen (Pr�ferenzen) wieder, aber
nicht die bewertete Realit�t. Wie ist es mit dem Satz: "Ein Reicher ist in einer
vorteilhafteren Lage, ein Armer ist in eine nachteiligeren Lage"? Ist er noch
gleichbedeutend mit dem oben genannten? Hier schwingt schon st�rker die
Ablehnung solcher Unterschieden mit. St�rker noch: "Ein Reicher ist in einer
bevorzugten, privilegierten Lage gegenüber einem Armen".
*I-101*
Aus der allgemeinen
Norm "Ungleichheit = Ungerechtigkeit" lie�e sich die Norm folgern: "Die
Existenz von Armen und Reichen ist ungerecht" = "soll nicht sein".
*I-102*
Was ist mit "Chancengleichheit" gemeint? Was ist mit "gleichen Startchancen" für
alle Individuen gemeint? Die statistische Chancengleichheit im Sinne von: "Jedes
Individuum hat die gleiche Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte (die von allen
erstrebte) gesellschaftliche Position zu erreichen"? Dann erscheint die
Forderung kaum realisierbar, es sei denn, man verteilt die gesellschaftlichen
Positionen nach dem Lotterieverfahren. Das scheint aber mit dieser Forderung
nicht gemeint zu sein - jedenfalls fordern ihre Anh�nger nichts in dieser
Richtung. Die Metapher stammt ja auch nicht aus der Welt des Gl�cksspiels
sondern aus der Welt des Sports - und zwar des Wettbewerbs - beziehungsweise
Leistungssports. "Gleiche Startchancen" hei�t hier, dass alle Sportler ihre
Leistungen unter gleichen Bedingungen vollbringen m�ssen (keiner darf fr�her
starten, keiner darf st�rkere R�ckenwinde haben usw.). Allerdings sind die
F�higkeiten der Sportler verschieden: Muskulatur, Kraft, Schnelligkeit,
Reaktionsverm�gen, K�rpergewicht, Gr��e, Bau, Sehsch�rfe usw. usw. Niemand w�rde
auf die Idee kommen, zu fordern, dass die konkurrierenden Sportler in dieser
Hinsicht angeglichen werden m�ssten." Chancengleichheit" ist im Gegenteil gerade
die Forderung, die �u�eren Bedingungen so anzugleichen, dass die Unterschiede im
Erfolg allein durch die unterschiedliche Leistungsf�higkeit der Individuen hervorgerufen
werden.
Jedoch ist auch mit der Forderung nach Chancengleichheit das
Leistungsprinzip als normativer Regelmechanismus noch nicht eindeutig bestimmt.
Es stellt sich n�mlich die Frage, welche Bedingungen jeweils zu den zu
egalisierenden Startbedingungen zu rechnen sind und welche Bedingungen als
Bestandteil der individuellen Leistungsf�higkeit zu rechnen sind und deshalb
nicht normiert werden sollen. Im Sport gab es immer wieder Diskussionen um diese
Frage: Glasfiber beim Stabhochsprung, gefederte Schuhe beim Laufen und
Springen, chemische Mittel, besondere Nahrungsmittel und gezielte Sauerstoffatmung, finanzielle Zuwendungen an die Sportler,
medizinischer und wissenschaftlicher Trainingsmethoden usw. usf.) Analoge
Auslegungsschwierigkeiten ergeben sich beim Leistungsprinzip in der
Gesellschaft. Beispiel: Ist der Reichtum und dessen Anlage als Kapital eine
"Leistung" des jeweiligen Individuums? Ist das Zur-verf�gung-stellen von Kapital
überhaupt eine Leistung, die h�chste Einkommen rechtfertigt? Sind
unterschiedliche Bildungsniveaus zu egalisierende Ausgangsbedingungen oder
bereits selbstverschuldet" (Hier ist wichtig, ob die Familien oder die
Individuen als konkurrierende Einheiten genommen werden. Was ist mit
Schicksalsschl�gen? Ein Sportler verliert seinen Schuh, ein Individuum erkrankt,
sollte das Individuum dafür entsch�digt werden? Nach welchen Kriterien werden die Grenzen gezogen?)
*I-103*
Analog zur empirischen
Methodologie wird es auch hier fruchtbar sein, existierenden normative Theorien
und Methoden analysieren, um hieraus Hinweise für eine normative Methodologie zu
gewinnen. Also nicht aus dem eigenen Bauch heraus, sondern die kritische
Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Material.
*I-104*
Wenn zwei
unterschiedliche Positionen bezogen werden, so muss zur�ck gefragt werden, wie
sich diese Positionen begr�nden, um hier die Aufl�sung des Dissens zu versuchen.
Wenn dies nicht gelingt, muss noch weiter zur�ckgefragt werden nach den
Kriterien für die Gr�nde usw.
*I-105*
Wenn ein Individuum einen
bestimmten Willen �u�ert und man fragt nach der Begr�ndung dafür, so kann als
"letzte" Begr�ndung wiederum immer nur ein individueller Willensakt stehen.
*I-106*
Das Problem: Normative Theorien sind meist umgangssprachlich
definiert, sie enthalten Begriffe, deren Bedeutung nicht definiert ist sondern
nur durch den tats�chlichen Gebrauch ungef�hr festgelegt ist. Mit
"common
language" Analyse kann man diese Bedeutung ungef�hr herausarbeiten, indem man
fragt: "Was meinen wir, wenn wir sagen ... ". Aber damit kann man nur in den
tats�chlichen Sprachgebrauch, in die argumentative Struktur auf normativem
Gebiet eindringen. Zur Konstruktion m�glichst allgemein g�ltiger normativer
Theorien bedarf es jedoch der Anwendung logischer Schlussregeln: deshalb muss
hier eine exakte Sprache mit definierten Termini konstruiert werden.
Umgangssprachliche Begriffe m�ssen nachkontrollierbar expliziert und neu
konstruiert werden.
*I-107*
Wenn das Ergebnis der Analyse des
Begr�ndungszusammenhangs von Normen einen argumentativ nicht zu überbr�ckenden
Gegensatz von normativen Positionen ergibt, so k�nnte man hier mit der
Kausalanalyse einsetzen und fragen: "Warum haben diese Menschen unterschiedliche
normative Positionen?" Und weiter: "Unter welchen empirischen Bedingungen
h�tten sie konsensf�hige Positionen?"
*I-108*
Allgemein anerkennbare Normen können nicht als
immer existierend vorausgesetzt werden, aber es ist sinnvoll, die Suche nach
ihnen niemals aufzugeben. Dies Argument ist analog zu Poppers Interpretation
des Kausalprinzips gebildet: Man kann nicht sagen, dass jedes Ph�nomen nach
Kausalgesetzm��igkeiten verursacht wird, sondern: Entsprechend der
prognostischen Zielsetzung ist es sinnvoll, immer nach kausalem
Gesetzm��igkeiten zu suchen. Das hei�t: Die Kausalit�t wird vom metaphysischen
zum methodischen Prinzip.
*I-109*
Um den obigen Gedanken weiterzuverfolgen: Was
ist, wenn festgestellt wird, dass bestimmte empirische Bedingungen die Ursache
der unvereinbaren normativen Positionen sind? Eine m�gliche Position (dort
bezogen auf das Problem der Begriffsbildung und ihre subjektiven Bedeutung) aus
dem "W�rterbuch der marxistisch leninistischen Soziologie" (Seite 60): "Sind
soziale Klassenunterschiede vorhanden, so werden sich die Individuen
verschiedener Klassen nicht über jene Pr�dikatoren einigen können, die gerade
die Natur des Klassengegensatzes betreffen (zum Beispiel "Ausbeuter"). Der vom
Standpunkt der Logik zu fordernde "normalsinnige" Mensch ist geschichtlich erst
tats�chlich vorhanden unter den Bedingungen der durchg�ngigen sozialen
Gleichheit, welche alle Individuen als Tr�ger m�glicher gesellschaftlich
notwendiger Arbeitszeit unterstellt".
Zu fragen ist hier, von welcher Art diese
Argumentation ist:
1.) Ist es eine reine Feststellung empirisch
bedingter Bewertungs- bzw. Bedeutungsunterschiede?
2.) Oder ist es eine
dem Anspruch nach allgemeing�ltige Argumentation für die Herstellung der
sozialen Gleichheit?
3.) Oder ist es eine allein auf die Arbeiterklasse
bezogene Argumentation, die beinhaltet, dass sie ihre Position im Klassenkampf durchsetzen
soll?
Interessant ist die zweite Alternative: Folgt aus der Forderung
nach allgemein anerkennbaren Normen logisch die Forderung, empirische
Bedingungen zu schaffen, unter denen dies m�glich ist?
Aber hier stellt sich
vorweg die Frage, wie man die Aussage überpr�fen kann, dass sich unter
bestimmten Bedingungen ein Konsens herstellt beziehungsweise nicht herstellt?
Oder ist damit gemeint, dass unter bestimmten Bedingungen ein Konsens m�glich
ist beziehungsweise nicht m�glich ist? Wie lie�en sich solche Aussagen machen
und überpr�fen?
Um nur ein Argument zu dem oben Genannten zu bringen: Eine
Gleichheit, bei
der es allen schlechter geht, kann unter Umst�nden achtabgelehnt werden.
Au�erdem: Es h�ngt auch von der geistigen Verarbeitung der sozialen Bedingungen
ab, welche normativen Positionen bezogen werden, so dass sich bei gleichen
"objektiven" Bedingungen unterschiedliche Pr�ferenzstrukturen herausbilden
können. Hinzu kommen individuelle Unterschiede der verschiedensten Art.
Eine "rationale Interessenrekonstruktion" aus sozialen Bedingungen setzt ein
normatives Menschenbild voraus (oft ein einheitliches Bild des Menschen), denn sonst k�nnte man ja
direkt die tats�chlich artikulierten Interessen der tats�chlichen Individuen zur
Grundlage nehmen.
*I-110*
Was kann man aus der "methodologischen Regel
("Suche nach allgemein g�ltigen Normen!") logisch ableiten? Unter Hinzuziehung
weiterer empirischer Aussagen oder normative S�tze muss diese Regel mit ihren
Implikationen voll entfaltet werden. Zum Beispiel lie�e sich wohl ableiten, dass
eine Argumentationsfigur des Individuums A nicht zul�ssig ist, wenn
er deren
Anwendung durch ein Individuum B nicht anerkennt (Symmetrie-Forderung).
*I-111*
Zur Kl�rung des Ausdrucks "allgemeine
Anerkennbarkeit (einer Norm)". Dieser Ausdruck ist wohl
gleichbedeutend mit der Formulierung "für jedes Individuum geltende
Anerkennbarkeit (einer Norm)". Dies k�nnte man interpretieren als: "für jedes
Individuum nachvollziehbar und teilbar" oder "(der Norm) kann jeder zustimmen".
(Es handelt sich hierbei um einen Dispositionsbegriff mit seinen Besonderheiten)
*I-112*
Wann kann ich ein Argument "nachvollziehen"? Man k�nnte
provokativ sagen:
"Unter Hypnose oder Todesdrohung
kann man jedes Argument nachvollziehen". Oder
man k�nnte sagen: "Bei übereinstimmung mit den eigenen überzeugungen". Das Letztere
wäre das Kriterium des faktischen Konsens. Dies Kriterium kann au�er Betracht
gelassen werden. Denn - unterstellt, dass das Kriterium des faktischen Konsens
ausreichen w�rde - so entfiele die gesamte Problematik: wo es keine
unterschiedlichen normativen Positionen gibt, bedarf es auch keiner normativen
Methodologie. (Hier zeigt sich die Problematik einer Ersetzung des
Ausdrucks "allgemein anerkennbar" durch den Ausdruck "durch m�glichst viele (die
meisten) anerkannt". Normativ richtig wäre dann das, was die meisten tats�chlich für
richtig halten. Aber Mehrheitspositionen haben sich nachtr�glich auch als falsch
erwiesen.
*I-113*
Hypnose und Zwang. Insofern
als auch diese Meta-Argumente allgemein anerkennbar sein m�ssten, so hie�e das,
dass die Individuen zustimmen können sollen, dass sie unter Hypnose (also
psychischem Zwang) zur
Anerkennung von Normen gebracht werden. Wenn sie das nicht tun, so wäre die Antwort: "Dann m�ssen
wir Hypnose oder Zwang anwenden". Aber dann w�rde gar nicht mehr diskutiert und
die ganzen überlegungen und Argumentationen hier wären gegenstandslos. Ich w�rde
nicht mehr argumentieren, sondern mich gegen solche unerw�nschten Methoden zur
Wehr setzen.
An diesem Beispiel wird etwas wichtiges über den Charakter der
Problemstellung deutlich: Ich stimme zwar der Aussage zu: "Mittels der
Anwendung von Hypnose (Zwang, Folter, Drohung etc.) kann man Individuen zur
Anerkennung beliebiger Normen bringen". Aber zugleich sage ich: "Eine Anerkennung, die
unter solchen Bedingungen zu Stande kommt, erkenne ich nicht an." Offensichtlich
ist das Letztere die eigentliche Problematik: die Kl�rung des Kriteriums "allgemeine
Anerkennbarkeit" bezieht sich nicht auf die Kenntnis empirischer Bedingungen des
Konsens, sondern auf anerkennbare Bedingungen der allgemeinen Anerkennung von
Normen. Welche Bedingungen aber sind nun anerkennbar? Insofern die normative
Methodologie selber normativ ist: Von der Frage: "Welche Normen sind anerkennbar?"
komt man
zu der
Frage: "Welche Methoden der Normenfindung sind anerkennbar?"
Die Argumentation verbleibt also prinzipiell auf der Dimension menschlichen Wollens, sie kann diese nicht "transzendieren" und sich auf etwas "Objektives" st�tzen.
*I-114*
Zur zeitlichen Dimension der G�ltigkeit: Kann eine normative Position, die gestern richtig war, heute falsch sein? Was hei�t jedoch "heute falsch"? Es kann hei�en: "für heute falsch" (in der Anwendung auf die heutige Situation) oder aber es kann hei�en: "von heute aus gesehen falsch".
Das Letztere scheint unproblematisch: man hat eben nachtr�glich einen Fehler entdeckt, der auch schon damals gegeben war. Die erste Position muss n�her ausgef�hrt werden.
Problematisch scheint es zu sein, wenn man sagt: "Jede Position war zu ihrer Zeit richtig, obwohl die Positionen logisch miteinander unvereinbar sind". Denn bei absoluter zeitlicher Relativierung der G�ltigkeit wird es sinnlos, über die Richtigkeit vergangener Positionen zu sprechen, es sei denn, die zeitliche Relativierung ist überzeitlich festgelegt nach Art von Aussagen wie: "Da diese und jene Bedingungen damals gegeben waren aber nicht mehr heute, m�ssen heute andere Normen gelten als damals." Hier gibt es keinen Relativismus sondern überzeitliche Regeln wie "Wenn die und die Bedingungen gegeben sind, ist die Norm n angemessen."
*I-115*
Zur Interpretation des Satzes "Normen sind allgemein anerkennbar, wenn sie allgemein nachvollziehbar sind". Wann sind Normen nachvollziehbar (unter anerkennbaren Bedingungen)? Wahrscheinlich lässt sich dies eher negativ bestimmen: "Wann sind Normen nicht nachvollziehbar?" Eine erste Antwort wäre: "Wenn ihre Rechtfertigungsargumente nicht nachvollziehbar sind". (Es sei denn, dieselbe Norm wird mit anderen Argumenten gerechtfertigt). Welche normativen Argumente sind nicht von jedem nachvollziehbar? Man k�nnte sagen: "Kein Argument ist von jedem nachvollziehbar, denn es gibt zum Beispiel intelligenzgesch�digte, emotional gest�rte Individuen, die überhaupt kein Argument nachvollziehen können". Dies Argument bezieht sich auf die Beschaffenheit der Subjekte als Bedingung der Nachvollziehbarkeit normativer Argumente und nicht auf die Beschaffenheit der Argumente selber. (ähnlich hatten sich die Hypnose-Zwang-Argumente auf die Beschaffenheit der Situation in ihrer Auswirkung auf den Nachvollzug durch die Individuen bezogen.)
Der Hinweis auf nicht "vernunftf�hige" Individuen ist kein
Unm�glichkeitsargument gegen das Kriterium "allgemeine Anerkennbarkeit", und
wenn, dann gilt es in gleicher Weise für die empirische Wissenschaft und deren
Kriterium "intersubjektiver überpr�fbarkeit". (S. 121)
Auch dort m�ssen
"entsprechend ausgebildete "Individuen vorausgesetzt werden, um überhaupt eine
überpr�fung durchf�hren können. Dies ist jedoch insofern keine Verletzung der
Allgemeing�ltigkeitsbedingung als Vertreter der jeweils gegnerischen Position zu
einer überpr�fung in der Lage sind - und um einen Streit unterschiedlicher
empirischer Positionen geht es ja, und nicht um die überpr�fung durch
uninteressierte oder unf�hige Individuen.
Man k�nnte also bei der normativen Methodologie statt "für jeden anerkennbar" einschr�nkend sagen: "für jeden Ausgebildeten anerkennbar", wobei insbesondere der argumentative Nachvollzug von Positionen durch Vertreter entgegengesetzter Positionen gemeint ist.
*I-116*
Zu unterscheiden sind drei Dimensionen der Anerkennbarkeit von
Normen:
1.) die Beschaffenheit der anzuerkennenden Normen beziehungsweise ihrer rechtfertigenden Argumente selber,
2.) die Beschaffenheit der Individuen, denen die Anerkennung m�glich sein soll,
3.) die Beschaffenheit der Situationsbedingungen, unter denen Normen von Individuen anerkannt werden.
Wie m�ssen Argumente für Normen beschaffen sein, um nachvollziehbar zu sein? (bei bestimmter noch zu klärenden Beschaffenheit von Situation und Individuen)
Man k�nnte vorweg solche Argumente (oder Bestandteile von Argumenten) für "nachvollziehbar" erklären, die formallogischer oder empirischer Art sind. (Hier die Probleme zu klären ist Aufgabe der zust�ndigen Methodologien und kann hier ausgeklammert werden.)
Eine weitere Forderung (hier wäre allerdings zu unterscheiden zwischen voll zu erf�llenden und m�glichst weitgehend zu erf�llenden methodologischen Forderungen) wäre, dass die Normen m�glichst eindeutige und pr�zise Verhaltensvorschriften geben, das hei�t dass die verwendeten Begriffe explizit sind.
Eine weitere (m�glichst weitgehend zu erf�llende) Forderung wäre, dass die Normen so spezifisch sind (einen so hohen Informationsgehalt haben), dass sie die fraglichen Alternativen "trennen" können. Sie d�rfen also nicht tautologisch oder so allumfassend formuliert sein, dass die verschiedensten Verhaltensweisen damit vereinbar sind.
(Die obigen Ausf�hrungen beziehen sich nur auf die Normen, die direkt das Verhalten regeln. Man k�nnte sie als "Normen 1. Ordnung bezeichnen). In welchem Verhältnis stehen dazu die Normen, die den Prozess der Normenbildung regeln (Normen 2. Ordnung)?)
*I-117*
Von der tats�chlichen Situation ausgehen: arbeitsteilige Gesellschaft, Abh�ngigkeit der sp�teren von den fr�heren Generationen, enges Zusammenleben, globale Kontakt- und Einwirkungsm�glichkeiten. Daraus folgt: Die Individuen tangieren (erg�nzen, durchkreuzen) sich notwendigerweise in ihren Zielen (W�nschen). Eine Gesellschaft "ungest�rter" Einzelindividuen, die keiner normativen Regelung bedarf, ist nicht m�glich. Es stellt sich nicht das Problem, ob allgemein verbindliche Normen überhaupt n�tig sind, sondern nur, welche Normen die richtigen sind. Der Streit darum, welche Normen gelten sollen, ist auf argumentativer Ebene in der Frage ausgedr�ckt: Welche Normen sind 'richtig' im Sinne von "allgemein anerkennbar?".?
*I-118*
Bei der Entscheidungsproblematik kommt es vor allem dadurch zu
unterschiedlichen Ergebnissen, weil in jeweils unterschiedlichem Ma�e
Bedingungen als ver�nderlich in die überlegungen eingegangen sind.
Wissenschaftler A
nimmt eine Bedingung als gegeben hin, als Teil des empirisch gesetzten
Rahmens seiner Entscheidung. Wissenschaftler B sieht diese Bedingung als ver�nderlich an
und stellt sie im Rahmen seiner überlegungen zur Disposition.
Ein Beispiel:
Wissenschaftler A formuliert Gewerkschaftspolitik, indem er die kapitalistische
Wirtschaftsordnung als gegeben hinnimmt, das hei�t er sucht in diesem Rahmen
die beste Gewerkschaftspolitik. Dagegen sieht Wissenschaftler B die kapitalistische
Wirtschaftsordnung als ver�nderlich beziehungsweise abschaffbar an und
kommt dadurch zu einer anderen Gewerkschaftspolitik. (Dabei wurde angenommen,
dass beide die kapitalistische Gesellschaft negativ bewerten. H�ufig ist es so - aus psychologischen Gr�nden der Dissonanzreduktion -
, dass derjenige, der
eine Bedingung im Verhältnis zu ihren Alternativen positiv bewertet, auch deren
Unver�nderbarkeit behauptet.)
Ein anderes Beispiel betrifft die sozialistische �konomie. Die Unterschiede in der Bewertung der Konzeptionen lassen sich daraus erklären, dass die einen bestimmte menschliche Verhaltensweisen für ver�nderlich halten und die anderen nicht. Gemeint sind hier die Annahmen über die Motivation zu hoher Arbeitsleistung, genauer: Inwiefern es m�glich ist, dass Menschen bei vergesellschafteten Produktionsmitteln auch ohne entsprechende Anreize (Lohn, Pr�mie, gesellschaftliche Anerkennung etc.) dauerhaft Arbeitsleistungen von hoher Qualit�t und Qualit�t (hohem Konsumentennutzen) erbringen?
Entsprechend ist auf der Konsumsseite zu fragen, ob die Individuen als Konsumenten bei freier Verteilung der G�ter ma�voll und sparsam konsumieren. Hieran h�ngen wichtige Fragen: Angleichung der Einkommen, Abschaffung der Geldwirtschaft und der Warenwirtschaft usw. Wie lassen sich hier rationale Kriterien angeben? Allgemein kann man fordern, dass alle Handlungsalternativen in die Entscheidung einbezogen werden können. Keine Alternative darf von vornherein als unbegr�ndet ausgeschlossen werden. (Warum nicht?) Wenn jedoch bestimmte Bedingungen als ver�ndert in die überlegung eingehen, so muss angegeben werden, aufgrund welcher empirischen Gesetzm��igkeiten und Wahrscheinlichkeiten eine entsprechende Ver�nderung anzunehmen ist.
*I-119*
Zur Logik der Bewertung: "x ist gut" [bzw. bei quantitativen
Variablen: "Es ist gut, wenn x den Wert xn annimmt". Oder: "Je gr��er (kleiner) x
wird, desto besser" oder "Je n�her x dem Wert xn kommt, desto besser"].
Daraus lassen sich Normen ableiten wie: "Handle so, dass x eintritt (dass x den Wert xn
annimmt, m�glichst gro� ist, dem Wert xn m�glichst nahe kommt ...)
Solche Normen sind "unbedingt" formuliert. Werden mehrere solcher Werte
beziehungsweise Normen aufgestellt, so können sich daraus logisch
widersprüchliche oder empirisch unvereinbare Verhaltensnormen ergeben. Um dem zu
entgehen, m�ssen die Werte "gewichtet" werden, hierarchisiert werden. Es stellt
sich die Frage: Welcher Wert hat Vorrang vor dem anderen? Aber diese
Hierarchisierungen sind nicht gleich für alle Situationen, das hei�t man kann
nicht ein-für-alle-mal den Vorrang des Wertes x gegenüber dem Wert y festlegen und dann daraus deduzieren, dass in allen F�llen, wo die Verfolgung dieser beiden
Werte miteinander in Konflikt ger�t, immer dem Wert x der Vorrang einzur�umen ist.
Dies h�ngt auch noch davon ab, inwieweit den betroffenen Werten durch die Handlungsalternativen Abbruch getan wird beziehungsweise ihre Realisierung gefürdert wird. Nehmen wir das Beispiel "Demonstrationsfreiheit" oder "st�rungsfreier Stra�enverkehr". Beide Werte können miteinander in Konflikt geraten, wenn eine Demonstration zur Gesch�ftszeit in der City Stra�enabsperrungen und Umleitungen erforderlich macht. Eine generelle Festlegung, dass die Demonstrationsfreiheit Priorit�t hat, erscheint der Problemlage nicht angemessen. Man wird es "von der Situation abh�ngig machen" (lässt sich das Demonstrationsziel auch auf anderen Routen oder zu anderen Zeiten ebenso gut erreichen, ohne dass derart starke Verkehrsbehinderungen auftreten? Wie stark sind die jeweiligen Verkehrsbehinderungen wie Wartezeiten, Umwege, polizeiliche Regelungen etc..
ähnlich verh�lt es sich auf der individuellen Ebene: Zu sagen, "Essen" ist wichtiger als "Geschlechtsverkehr" wird unsinnig, wenn bei jedem Wertkonflikt zu Gunsten von "Essen" entschieden wird. Es kommt darauf an, wie stark die beiden "Werte" durch die Handlungsalternativen beeintr�chtigt oder gefürdert werden. (Hier sieht man, wie wichtig eine Kl�rung der Begriffe "Ziel" und "Wert" ist.)
*I-120*
Russells Konzept: Man muss diejenigen menschlichen
Antriebe in der Erziehung fürdern, die zum gegenseitigen Vorteil
der Menschen sind (N�chstenliebe, Kreativit�t, Mitleid, Produktivit�t etc.) und
diejenigen Antriebe hemmen, die miteinander unvereinbar und sch�dlich sind (Aggression,
Neid, Konkurrenz etc.). Das Problem wird damit auf die Erziehung verlagert. Der
Konsens beziehungsweise die Konfliktlosigkeit soll durch Ver�nderung der
Menschen hergestellt werden.
*I-121*
Zur Goldenen Regel in der Moral: "Was du nicht willst, dass man dir
tu, das f�g auch keinem andern zu!" Dies entspricht dem moralisch-erzieherischen Argument: "Was w�rdest du sagen, wenn
jemand das mit dir machen w�rde?", "Was wäre, wenn das jeder machen wollte? "
*I-122*
Gleichheit, Gleichberechtigung, gleich Behandlungs, Gleichheit vor dem Gesetz gleiche Lage, gleich gute Lage. Wo liegen die Unterschiede?
*I-123*
Gerechtigkeit: die Anwendung der gleichen Kriterien auf alle Personen (entscheiden "ohne Ansehen der Person"). Aber die gleichen Kriterien f�hren bei ungleichen Personen zu ungleicher Behandlung. Das Problem ist, welche Kriterien als "sachlich angemessen" gelten und welche als "Bevorzugung bestimmter Personen" anzusehen sind.
Nehmen wir als Beispiel die Vergabe eines begehrten Postens.
Anwendung ungleicher Kriterien wäre es etwa, wenn man den einen Bewerber nach
Erfahrungen mit ähnlichen Aufgaben fragen w�rde und das Fehlen einschl�giger
Erfahrungen negativ bewerten w�rde, w�hrend man den andern Bewerber danach gar
nicht fragt beziehungsweise aus dem Fehlen von Erfahrungen keinerlei negative
Konsequenzen zieht.
Aber was ist,
wenn jemand an die Bewerber das Kriterium anlegt, ob der Bewerber ein Freund von
ihm ist oder nicht? Hier
wird das formale Gerechtigkeitspostulat nicht verletzt, insofern dieses nur die
Gleichbehandlung aller Person nach allgemeinen Kriterien fordert .
Allerdings muss das angelegte Kriterium für die Besetzung des Postens relevant
sein.
Manche Leute
w�rden sagen: Das ist gerade die Ungleichbehandlung: einen Bewerber vorzuziehen,
nur weil es der eigene Freund ist. Aber eigentlich geht es nicht um den Vorwurf,
nicht alle Bewerber nach gleichen Kriterien beurteilt zu haben, sondern um die
Anlegung eines unangemessenen Kriteriums. Man sieht, die Definition der
"angemessenen Kriterien" ist schon vorausgesetzt. "Gleiches Recht für alle"
hei�t dann, dass nicht aufgrund insgeheim angelegter "unzul�ssiger"
Kriterien die Anwendung der festgelegten Kriterien ungleich erfolgt (wie eingangs diskutiert).
Aber
was sind die sachlich angemessenen Kriterien? Was schlie�t die Forderung nach
einer "Entscheidung ohne Ansehen der Person aus"? Zum Beispiel wenn eine
hochgestellte Pers�nlichkeit für einen Diebstahl weniger streng bestraft wird mit der
Begr�ndung, dies sei eine Ausnahme- und Kurzschusshandlung gewesen, die nicht
wieder zu erwarten ist (was wahrscheinlich stimmt!). Was sind angemessene, von sachfremden
Erw�gungen freie Kriterien, was geh�rt zur Sache?
*I-124*
Wenn man nach dem Prinzip verf�hrt: "Der Nutznie�er einer
Entscheidung soll auch die Kosten tragen", so ist sichergestellt, dass
die subjektiven Kosten den subjektiven Nutzen nicht übersteigen, denn
andernfalls w�rde der Betreffende sich auch
anders entscheiden. Tr�gt aber das eine Individuum den Nutzen und das andere die
Kosten, so bedarf es eines intersubjektiven Nutzenvergleichs um den
Nettonutzenertrag zu bestimmen. Vor allem taucht dann das Problem auf, dass der
Nutznie�er ein Interesse daran hat, seinen Nutzen als m�glichst gro�
darzustellen (und ebenso die Kostentr�ger, ihre Kosten als m�glichst gro�
darstellen), um die kollektive Entscheidung für oder gegen die Alternative zu
beeinflussen. Wenn Nutznie�er und Kostentr�ger identisch sind, entf�llt das
Interesse an einer falschen Darstellung der Pr�ferenzen (Gilt dies auch für
Kollektive? Hier
tritt zus�tzlich das Problem der Verteilung von Nutzen und Kosten innerhalb des
Kollektivs auf). Das Prinzip kann jedoch auch dazu f�hren, dass ein m�glicher
positiver Nettonutzenertrag nicht gew�hlt wird. Etwa wenn die Alternative je
nach der Person des Kostentr�gers unterschiedlich hohe Kosten verursacht.
*I-125*
Nehmen
wir an, Person A m�chte ein bestimmtes Buch haben. Dazu ist es notwendig, in
eine weiter entfernte Bibliothek zu gehen, um es zu entleihen. Individuum A hat kein Auto, so
dass der Weg dorthin für ihn zeitraubend, umst�ndlich und anstrengend ist.
Unter diesen Bedingungen wird er es vorziehen, das Buch nicht zu holen
(negativer Netto-Nutzen). Individuum B jedoch besitzt ein Auto. für B wäre
es nur
eine geringer Zeitaufwand. Unter der Bedingung des Aufwandsvergleichs k�nnte
man sagen: "für B sind die Kosten geringer als für A", sodass sich jetzt
- bei
gleich gebliebenem Nutzen - ein positiver Netto-Nutzen ergibt.(S.139)
*I-126*
Das Problem des intersubjektiven Nutzenvergleichs ist kein Problem der empirischen Messung innerpsychischer Variablen, sondern das Problem eines intersubjektiv anerkennbaren Nutzenma�stabs, d. h. kein Problem der intersubjektiven Erkennbarkeit sondern der intersubjektiven Anerkennbarkeit. Die erstere Auffassung beruht auf einem "sensualistischen" MissVerständnis des Normenproblems, bei dem "Wille" über "happiness" als eine "Empfindung" interpretiert wird.
Es bed�rfte in diesem Fall entweder eines von A und B
anerkannten Kosten-Nutzen-Ma�stabs, so dass B den Nutzen von A mit seinen
eigenen Kosten vergleichen kann, und A die Kosten von B mit seinem eigenen
Nutzen vergleichen kann.
A mag zu B etwa sagen: "Wenn du einmal in meiner
Situation bist, dann werde ich für Dich auch das tun, was du jetzt für mich tust."
Wenn das Argument so formuliert ist, appelliert A an B's Eigeninteresse. Unter
der Annahme, dass B einmal in A's Situation kommt und A dann wie B handelt, so
erh�lt auch B einen positiven Nettonutzen, sofern B den
gleichen Nutzen wie jetzt A hat und A die gleichen Kosten wie jetzt B, d. h. allein aufgrund intrasubjektiver Nutzenvergleiche stimmen A und B
zu. (Kann man in einem solchen Fall sagen, dass schon in der ersten Situation der
Nutzen für A h�her war als die Kosten für B? Unter welchen Voraussetzungen?
Gleiche Pr�ferenzstrukturen?)
In der Praxis wird das Versprechen der
Gegenseitigkeit nicht hinsichtlich der v�llig gleichen Situation sondern hinsichtlich
ähnlicher Situationen mit vertauschten Rollen gegeben werden oder hinsichtlich analoger
Situationen. Oft findet man auch ganz unspezifische
Versprechen: "Ich tue dir auch mal einen Gefallen", "Wenn ich dir einmal
helfen kann, werde ich es auch tun" usw.
Allerdings stellt sich dann
das Problem der Vergleichbarkeit von Kosten und Nutzen in beiden Situationen. Der
Nettonutzen für A und B kann dann sehr unterschiedlich sein oder für
den einen sogar negativ, wenn das Hilfeversprechen sehr global formuliert war.
Was ist jedoch, wenn keine symmetrischen Situation angenommen werden, wenn A also meistens h�here Kosten hat als B, sodass B kaum damit rechnen kann, seine Kosten in einer anderen Situation mehr als ersetzt zu bekommen? (S. 142) (etwa weil A sehr krank oder arm ist. A k�nnte dann nur sagen: "Vergelt's der Gott!")
in dieser Situation k�nnte A. sagen: "wenn du in meiner Situation wärest, w�rdest Du auch verlangen, dass man dir hilft." B's Kosten w�rden bei dieser Argumentation nicht mehr von A ausgeglichen sondern von irgend einem Gesellschaftsmitglied, das dazu in der Lage wäre. Auch hier wird an B's Eigeninteresse appelliert:"Wenn du nach dieser Norm (also 'Helfe dem Bed�rftigen!'), so kannst du damit rechnen, dass auch dir geholfen wird, wenn du einmal bed�rftig sein solltest." Aber diese Formulierung ist ungenau: denn B kann nicht sicher sein, aufgrund seiner Hilfeleistung nun auch von Dritten Hilfe zu erhalten. Richtiger muss es hei�en: "Wenn du willst, das man dir hilft, wenn du bed�rftig bist, so musst du die allgemeine Norm anerkennen, dass man Bed�rftigen helfen soll. Deshalb musst Du jetzt auch mir helfen."
Aber sind das logische Folgerungen? Folgt aus dem Satz: I"Ich
bin bed�rftig und ich will, dass man mir hilft" logisch die Anerkennung der Norm
II "Bed�rftigen soll man helfen"? Offensichtlich ist II nicht aus I deduktiv
ableitbar. Gemeint ist wohl eher, dass II eine notwendige Pr�misse zu I ist:
Wenn A. sagt: "Hilft mir Bed�rftigem!", so k�nnte B die Frage stellen: "Warum sollte ich
dir helfen?". Um I zu begr�nden k�nnte A auf den Satz II "Man soll Bed�rftigen
helfen" zur�ckgreifen, aus dem sich I logisch deduzieren lässt. Aber lässt sich
I nicht auch anders ableiten? Ist II die einzige Pr�misse und damit notwendig
für die Geltung von I? A k�nnte ja I auch aus der Pr�misse III
ableiten: "Mir soll man immer helfen!"
Dies wäre logisch m�glich, so dass
die Geltung von II keine rein logische Voraussetzung ist. Allerdings stellt sich
die Frage, ob B die Norm III anerkennt, da sie für ihn als solche
keinerlei Vorteile sondern nur Nachteile mit sich bringt. (Hier wäre die Problematik der
Anerkennbarkeit weiter zu vertiefen) dann wäre II vielleicht nicht die einzige
Pr�misse, aus der sich I ableiten lässt, aber die einzige Pr�misse, die für B
anerkennbar ist und aus der sich I logisch ableiten lässt.
Aber was ist im anfangs diskutierten Fall, wenn B. nicht damit
rechnet, jemals zu den Bed�rftigen zu geh�ren? Gibt es eine Argumentationsbasis,
die nicht an das Eigeninteresse aller Beteiligten appelliert?
*I-127*
Zur Kl�rung des Begriffs "Ziel". Welche der folgenden
Anwendungen des Wortes "Ziel" ist "richtig"?
Mein Ziel ist es,
ein Brot zu essen /meinen Hunger zu
stillen/meinen Blutzuckergehalt auf das Niveau x1 zu erh�hen/mich zu
befriedigen/gl�cklich zu sein/meine W�nsche zu erf�llen etc.
Irgendwie lassen sich alle Formulierungen auf dieselbe Situation anwenden. Wo sind die Bedeutungsunterschiede? Wie ist der logische und empirischer Zusammenhang der verschiedenen Zielbestimmungen? Das Essen des Brotes f�hrt kausal zu einer Erh�hung des Blutzuckergehaltes, und es f�hrt funktional zu einem Verschwinden des Hungergef�hls. Die letzten drei Formulierungen sind so gut wie tautologisch: "Mein Ziel ist es, meine Ziele zu erreichen". "Zielerreichung "ist so gut wie bedeutungsgleich mit "Befriedigung", "Gl�ck", oder "Wunscherf�llung".
Zum Geburtstag sagt man oft: "M�gen alle deine W�nsche in
Erf�llung gehen!" Dies ist nicht tautologisch sondern bedeutet: "ich mache
Deine
W�nsche zu meinen".
ähnliches gilt für verwandte Begriffe wie "Zweck",
"Absicht", "Sinn".
*I-128*
Bei der Bewertung der Alternativen darf man die einzelnen
Ereignisse nicht unabh�ngig voneinander bewerten - etwa in einer Nutzenmatrix -
denn die Ereignisse d�rfen ja nicht vom jetzigen Zustand aus bewertet werden,
sondern vom Zustand bei ihrem Eintreffen aus gesehen (Nutzeninterdependenz). Es
können ja inzwischen andere Ereignisse eingetreten sein, die substitiv
("s�ttigend") oder komplement�r ("bedarfssteigernd") in Bezug auf das zu
bewertende Ereignis waren. (ähnlich wie bei der Bewertung einer Menge
verschiedener G�ter). Es geht hier also um die Antizipation von Situationen inklusive der dazugeh�rigen Bewertungen.
*I-129*
Gibt es Argumente für die "Erfolgsethik" gegenüber der
"Gesinnungsethik"? (Es kommt auf die Folgen an oder: Es kommt auf die Motive an)
kann man beweisen, dass bei der Bestimmung des richtigen Verhaltens die Folgen
des Verhaltens ber�cksichtigt werden m�ssen? (S.149)
Dazu ein Beispiel:
A
fragt:
"Welches ist das richtige Verhalten?"
B antwortet: "Das was dem Sittengesetz entspricht."
A: "Warum ist das Sittengesetz richtig?"
B: "Weil es von Gott befohlen ist."
Hier ist kein Wort über die Folgen des Verhaltens gefallen.
*I-130*
Die Sanktionierung einer Norm kann die Befolgung jeder Norm
für jedes Individuum" rational" machen. Es kommt also darauf an,
vorhandene Sanktionen oder Sanktionsdrohungen als solche zu
erkennen und von natürlich gegebenen
Bedingungen zu unterscheiden. Zur Aufdeckung solcher
Bedingungen und ihres Einflusses m�sste man "konditionale" Fragen stellen. "Angenommen,
die Bedingung x ist nicht gegeben, welche Alternative w�rdest du dann
vorziehen?" So k�nnte man der unfreien Entscheidung unter Sanktionsdrohung vielleicht auf die Spur
kommen.
*I-131*
Paradox: Kann man w�nschen, seine W�nsche nicht erf�llt zu
bekommen? Im M�rchen gibt es das, dass jemand drei W�nsche hat und schlie�lich den letzten
dazu verwenden muss, den alten Zustand wieder herzustellen. Oder geht es hier nur
gegen "positive ", "voreilige", "unbedachte", "unausgereifte" Schl�sse? Oder
ist es die Angst vor den "b�sen" W�nschen? Der Satz: "Ich w�nsche, dass meine W�nsche
nicht erf�llt werden", hebt sich logisch selber auf.
Etwas
anderes ist es, sich von bestimmten vergangenen oder m�glichen W�nschen zu
distanzieren. Dies enth�lt kein Paradox: Man w�nscht eben dieses Leben nicht
beziehungsweise nicht mehr.
*I-132*
Zu den Sozialindikatoren: Wenn der R�ckgang der
Arbeitslosenzahl eine kollektive Wohlfahrtsteigerung sein soll, so setzt dies voraus:
1.) Jedes Individuum ist selber lieber in
Arbeit als arbeitslos.
2.) Jedes Individuum z�hlt gleichgewichtig.
3.) Wohlfahrtsteigerungen für andere durch die
Arbeitsaufnahme von Individuen gibt es nicht (denn dann wäre
die Gleichgewichtung nicht gegeben).
4.) Wohlfahrtsenkung für andere durch die
Arbeitsaufnahme von Individuen gibt es nicht (dann wäre die Gleichgewichtung
nicht gegeben; Neidproblem)
Zu Sozialindikatoren: der eine Indikator verbessert sich, der
andere verschlechtert sich. Um hier zu gewichten, braucht man ein gemeinsames
Ma� (Nutzen/Wohlfahrt)
*I-133*
Die Normen, die die Verfahren der Normfindung
regeln, sind nicht allgemein in der Weise, dass sich aus ihnen speziellere
Normen deduktiv ableiten lassen. Ebenso lassen sich aus der
Methodologie der empirischen Wissenschaften keine inhaltlichen
wissenschaftlichen Aussagen deduzieren.
*I-134*
Der
Begriff des Nutzens muss von allen
psychologisch-sinnlichen Assoziationen abgel�st werden (zum Beispiel
Gl�cksempfindungen). Der Nutzenbegriff dient allein dazu, die Entscheidung
(die Wahl, das Wollen) m�glichst pr�zise zu beschreiben in bezug auf die
relevanten Parameter: Welche der Handlungsm�glichkeiten will das
Individuum? In welcher Rangordnung stehen die Handlungsm�glichkeiten des
Individuums? Welche Alternative tritt an die erste Stelle, wenn die urspr�nglich bevorzugte
Alternative ausf�llt? Wie gewichtig sind die einzelnen Elemente der
Alternativen, d. h. Wie ver�ndert sich die Rangfolge, wenn ein Element einer
Alternative entf�llt?
Alle diese Entscheidung lassen sich durch bestimmte
numerische Werte abbilden, die den Alternativen und ihren einzelnen Elementen
zugeschrieben werden. Sie sind Ausdruck der Entscheidungsstruktur eines Subjektes in Bezug auf eine Menge von Alternativen. Diese numerische Werte
werden
als "Nutzen" bezeichnen. Insofern die Pr�ferenzen der Subjekte die Normen des
Handelns bestimmen, lässt sich auch der Nutzenbegriff normativ interpretieren.
Da die Nutzenwerte so bemessen sind, dass die Nutzenwerte umso gr��er
sind, je
st�rker die Pr�ferenz ist, lässt sich dies normativ umformulieren: "W�hle (ziehe
vor, entscheide dich für) diejenige Alternative, die den h�chsten Nutzen der hat!"
In
einer solchen allgemeinen Formulierung ist sogar noch der Fall enthalten, dass
die Zahlenwerte durch ein formuliertes Sittengesetz - religi�sen oder anderen
Ursprungs - erbracht werden, indem dies Sittengesetz auf die Menge der
Alternativen angewandt wird. Auch solche Zahlenwerte wären folglich noch Nutzenwerte im obigen Sinne. Dieser weitgefasste
Nutzenbegriff ist etwas ungewohnt,
aber eine solche weite Fassung erscheint sinnvoll, um das Problem der richtigen
Entscheidung beziehungsweise Norm in einer allgemeinen und einheitlichen
Terminologie fassen zu können.
Allerdings wären die Gebote eines
g�ttlichen Gesetzes h�chstens dreiwertig: "verboten", "erlaubt" bzw. "neutral" und
"geboten" und sie wären bei verschiedenen Konfessionen wahrscheinlich h�ufig
inkonsistent, das hei�t dass eine Handlung sowohl verboten wie geboten ist. Wenn
das Sittengesetz weiter entwickelt ist und eine genaue Wertehierarchie
formuliert, n�hert es sich st�rker an eine Pr�ferenzstruktur an, indem
es komparative Begriffe und eventuell sogar quantitative Begriffe gebraucht -
erh�ltlich wie die traditionelle Nutzentheorie.
*I-135*
Wenn der Nutzen Ui einer Alternative i mit den Elementen x, y
und z
nur ordinal bestimmt werden kann, so kann man dies ausdr�cken durch die
Gleichung: Ui = U(xi,yi,zi).
lässt sich der Nutzen der Elemente x, y, z auch kardinal bestimmen, so
kann man schreiben:
Ui = Uxi + Uyi + Uzi.
Nur unter der Bedingung kardinaler Messbarkeit lässt sich der Nutzen einer Alternative aus den
Nutzen der Elemente dieser Alternative gewinnen. Allerdings muss nicht die
Unabh�ngigkeit der Nutzen der verschiedenen Elemente voneinander vorausgesetzt
werden. Man k�nnte sich eine Kontextbewertung denken, die die Ver�nderungen des
Nutzens eines Elementes durch das Auftreten anderer Elemente bereits ber�cksichtigt.
Es ist nicht sinnvoll, das Problem der kardinalen Nutzenmessung am Beispiel der individuellen Entscheidung zu diskutieren, weil
dazu auch eine globale Rangordnung der Gesamtalternativen
ausreicht, ohne Bewertung der einzelnen Elemente.
Zur kardinalen Nutzenmessung
ist eine Nutzeneinheit erforderlich. Wenn die Alternativen Warenk�rbe sind und
die Elemente die einzelnen G�ter, so k�nnte man sich ein Quantum irgendeines
Gutes herausnehmen und den Nutzen dieses Quantums zur Nutzeneinheit machen. Man
w�rde dann in Bezug auf eine Einheit jedes anderen Gutes fragen: Wie viele
Einheiten des Ma�stabgutes sind nutzengleich mit dem zu messenden Gut?"
Wenn die
Anzahl der Elemente unüberschaubar gro� wird, dann wird die globale ordinale Messung sehr unzuverl�ssig und eine Nutzenmessung der einzelnen
Elemente mit anschlie�ender Zusammenfassung f�hrt zu zuverl�ssigeren Ergebnissen.
Man k�nnte sich zur überpr�fung dieser These auch eine experimentelle Anordnung
denken. Wie zuverl�ssig und konsistent verschiedene Messverfahren
sind, ist eine empirische Frage.
*I-136*
Man muss unterscheiden zwischen den
verschiedenen Normebenen, zum Beispiel
1.) Normen 1. Ordnung, die das
Verhalten der Individuen untereinander regeln.
2.) Normen, die den Prozess der Normfindung und Norm Anwendungs und Normdurchsetzung Regel (Normen 2. Ordnung)
Wahrscheinlich gibt es noch weitere Differenzierungen.
*I-137*
Auf der zweiten Ebene wird die Anwendung eines
Gleichheitsgrundsatzes problematisch: Ein Regierungschef hat
sinnvoller Weise gr��ere Kompetenzen
als ein normaler B�rger. (Wichtig ist hier, dass diese Kompetenzen an �mter und
nicht an Personen gebunden ist.) Gleichberechtigung der Kompetenz zu fordern ist hier
unsinnig, weil dann kein kollektiver Wille entstehen kann.
Den Gleichheitsgrundsatz auf seine Anwendbarkeit, seinen
normativen Gehalt pr�fen: Dem Kriminellen, der im Gef�ngnis sitzt, geht es
sicherlich schlechter als einem in Freiheit lebenden B�rger. Ist das ungerecht,
weil es
ihm nicht gleich gut geht? Wahrscheinlich geht die Gleichheitsregel so, dass für gleiche
Taten gleiche Strafen gelten.
Das Strafgesetzbuch enth�lt offenbar Normen beider Ebenen:
Die Normen 1. Ordnung (das implizite Verbot einer Tat)
Die Normen 2. Ordnung, (Vorschriften über die Art der
Strafe)
Ideologische Befangenheit? Vielleicht systematisiere ich nur die normativen
(politisch-ethischen) Vorstellungen einer ganz bestimmten sozialen Schicht einer
bestimmten Epoche? Und wenn es so wäre? Bin ich in hoffnungsloser Subjektivit�t
befangen?
Ist damit die Durchsetzung dieser Normen letztlich auch
nur eine Frage der Macht?
Aber es geht um eine qualifizierte Zustimmung der
aller Betroffenen.
*I-138*
Individuum A vertritt eine bestimmte Norm x. B stimmt dem nicht zu. B muss dann jedoch ein Argument bringen, das auch für A anerkennbar ist. Daraus ergibt sich eine Art Symmetrie, indem beide in gleicher Weise der Norm unterworfen sind: "Strebe nach intersubjektiv anerkennbaren Normen!".
*I-139*
Unterscheiden zwischen verschiedenen
Arten der Anerkennung von
kollektiven Normen durch ein Individuum:
1.) Die kollektive Norm ist identisch mit den individuellen Pr�ferenzen des Individuums ("übereinstimmung", "Zustimmung" )
2.) Die kollektive Norm ist zwar nicht identisch mit dem subjektiven Pr�ferenzen, aber sie ist im Einklang mit den ethischen Pr�ferenzen des Individuums ("Werte"). Z. B. ist das Individuum Demokrat und die Norm entspricht dem aufgekl�rten Willen der Mehrheit ("Anerkennung")
3.) Die kollektive Norm ist identisch weder mit den
individuellen Interessen noch mit den Werten des Individuums. Sie ist jedoch
nach den auch vom Individuum anerkannten Regeln zu Stande gekommen (zum Beispiel
wenn das Individuum Demokrat ist und die Norm den willen einer
aufgekl�rten Mehrheit entspricht.
Man k�nnte hier die Unterscheidung zwischen
formaler und materialer Richtigkeit machen: Die Entscheidung ist nur formal aber
nicht material richtig, denn die formale Prozedur (das Normsetzungsverfahren) ist so beschaffen, dass
inhaltlich falsche Entscheidungen m�glich sind. Das Individuum
versucht, die prozeduralen Regeln zu verbessern
und/oder die Norm zu revidieren; Es h�lt die Norm für falsch, aber es verh�lt sich
trotzdem danach: ("Respektierung")
4.) Die Norm entspricht weder den Interessen noch den Werten des Individuums, noch ist sie nach formalen Regeln zustandegekommen, die das Individuum anerkennt. Es wird nur durch Sanktionsgewalt zum Verhalten entsprechend der Norm gezwungen ("erzwungene Befolgung")
*I-140*
Man sagt manchmal im Spa�: "Nicht für drei Mercedes will
ich meinen VW hergeben" oder "Der Film gef�llt mir zehnmal besser als der, den
ich letzte Woche gesehen habe" oder "Ich wäre zehnmal lieber zuhause
geblieben".
Sind das Metaphern für "sehr viel lieber" oder meint man
wirkliche eine solche Quantifizierbarkeit?
*I-141*
Ob die Bewertung von Elementen einer Alternative kardinal m�glich ist, k�nnte
man empirisch testen: Man lässt die Alternativen einmal als Ganze in eine
Rangordnung bringen und dann aufgrund addierter kardinaler Nutzenwerte
der Elemente der Alternativen. Hier m�sste sich die gleiche Rangordnung ergeben,
wenn die Bewertung über die Elemente m�glich ist.
Ziele: Ordnungsschemata, um aus der Unzahl von
Handlungsalternativen diejenigen herauszusuchen, die dieses Ziel enthalten.
Werte: Ordnungsschemata, um aus der Unzahl von
Elementen der Alternativen die nutzenm��ig relevanten - also nicht neutralen -
Elemente herauszusuchen.
*I-142*
Kann man aus dem
Ziel: "Bestimmung allgemein anerkennbarer Normen" folgern, dass dabei die
Interessen aller ber�cksichtigt werden m�ssen?
*I-143*
Gibt es ein empirisches Kriterium der richtigen Entscheidung? Der erreichte
Konsens? Der beseitigte akute Konflikt? Der soziale Frieden?
*I-144*
Den Unterschied herausarbeiten zwischen dem Anspruch auf Anerkennung der Norm
durch die Individuen und dem Anspruch auf Befolgung der Norm. Bei
dem einen kann
man jemandem einen Vorwurf machen, bei dem andern kann man das nicht. Wo nur
Befolgung verlangt wird, kann man bei Nichtbefolgung nur
sanktionieren. Es gibt keine "Schuld".
*I-145*
Aufgabe ist es nicht so sehr, allgemeing�ltige Normen zu finden. Es
gen�gt schon,
zwischen zwei konkurrierenden Normen die bessere zu finden.
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(Ende von Heft I)
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13/10/2010 / Eberhard Wesche