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Aus meinen Notizb�chern: Heft XIX
Heft XIX
Begonnen
22.04.1983
Vorbemerkung:
Den folgenden Text aus meinen Notizb�chern habe ich eigentlich nicht für die Ver�ffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine
eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorl�ufigen
Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T.
grundlegender überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als
andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die
für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und
für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht
bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt und
begr�ndet.
*XIX-1*
Die Sprache ist voll von Worten, die nicht
die Dinge in Relation zu anderen Dingen beschreiben, sondern in Relation zu
unseren Empfindungen, F�higkeiten, W�nschen et cetera.:
ein Weg ist
beschwerlich,
eine Bahnfahrt ist langweilig,
eine Geschichte ist
spannend,
eine Frau ist bezaubernd,
Ein Schlag ist schmerzhaft,
ein Witz ist lustig,
eine Situation ist
komisch,
eine Katastrophe ist schrecklich,
ein Anblick ist
ekelerregend,
ein Unternehmen ist k�hn, usw.
Auch Eigenschaften und
Verhaltensweisen von Menschen werden mit solchen Attributen belegt:
Peters
Leistungen sind erfreulich,
sein Handeln ist gef�hrlich,
sein Humor ist
wohltuend,
sein Verhalten ist abscheulich,
sein Tempo ist be�ngstigend,
sein Aussehen ist fürchterlich, usw.
Unser Sprechen ist voll von
solchen Feststellungen und ohne Zweifel übermitteln diese Ausdr�cke einen
wichtigen Teil der Weltorientierung und der Lebenserfahrung. Obwohl sich diese
Ausdr�cke auf menschliche Reaktionen beziehen, werden sie sehr oft auch
ohne Bezug zu bestimmten Individuen gebraucht, woraus man schlie�en kann, dass
es ein hohes Ma� an übereinstimmung der Individuen (nur derselben
Kultur?) in ihren Empfehlungen und Reaktionen auf dieselben Objekte gibt.
Im
Falle eines Dissens der Individuen wird allerdings differenziert: "Ich finde
diese Bilder einfach ekelerregend".
*XIX-2*
Was macht man für eine Aussage, wenn
man sagt: "Dies Bild ist ekelerregend"? Offenbar macht man eine psychologische
Aussage: "Ein bestimmter Reiz (der Anblick dieser Bilder) ruft im Beobachter
Ekelreaktionen hervor". Dieser Satz ist die Behauptung einer empirischen
Regelm��igkeit. Allerdings ist bekannt, dass emotionale Reaktionen
nicht nur von der Beschaffenheit des ausl�senden Reizes abh�ngen, sondern
von zahlreichen weiteren Faktoren in der betreffenden Pers�nlichkeit, wie zum
Beispiel Gew�hnung an einen Reiz, Erm�dung usw.
*XIX-3*
natürlich geht das Leben auch ohne erfolgreiche Wahrheitssuche auf
normativem Gebiet weiter, ebenso wie die Menschen auch ohne empirische
Wissenschaft ausgekommen sind. Aber es ist auch anzunehmen, dass die Konflikte
vern�nftiger gel�st werden mit einer entwickelten Methode normativer
Wahrheitssuche. Es ist irrig anzunehmen, man w�rde eine perfekte Methode
finden, mit der jede Streitfrage definitiv entschieden werden k�nnte so wie eine
Rechenaufgabe. Das gibt
es auch in den empirischen Wissenschaften nicht.
*XIX-4*
Was ist der Unterschied zwischen einer objektiven Beschreibung nach Art der
positiven Wissenschaften und einer subjektiven Beschreibung, bei welcher die Dinge
auch durch den Eindruck charakterisiert werden, den sie auf den Beobachter bzw.
den Erlebenden machen. Die letztere Art von Beschreibung ist die des Poeten,
vielleicht auch die des Psychologen. Allerdings m�sste der empirische Psychologe
Begriffe und Behauptungen vermeiden, die sich der direkten oder indirekten
überpr�fung durch Beobachtung entziehen. Der Poet versucht - im Unterschied zum
Psychologen - durch seine Worte im Zuh�rer unmittelbares Erleben und
Empfinden hervorzurufen. Insofern ist seine Sprache auch musikalisch. In der
sprachfreien Musik ist jedes objektive Element verschwunden. Es wird kein Objekt
mehr beschrieben, wenn man von Elementen der imitierenden Lautmalerei
(Vogelstimmen, Meeresrauschen et cetera) einmal absieht. Der empirische
Psychologe informiert das Erleben, der Dichter "beschw�rt" es in seinen Worten.
*XIX-5*
Warum bedarf es für die empirische Wissenschaft praktisch keiner
Wahrnehmungspsychologie? Vielleicht weil alle Daten auf optische Messinstrument
übertragen werden k�nnten, die auf schwarz-wei�en Figuren (Zeiger, Zahlen)
basieren. Noch dazu kann der optische Eindruck aufgezeichnet werden durch Fotografie,
Video et cetera. Deshalb gibt es in der Astronomie über das Bild des
Sternhimmels heutzutage wohl kaum Differenzen.
Die Unterschiede in der Beschaffenheit der Augen (zum Beispiel Kurzsichtigkeit)
spielen für die empirische Wahrheitsfindung ebenfalls kaum eine Rolle, denn der
Kurzsichtige kann notfalls n�her herangehen oder eine Brille aufsetzen, um seine
Wahrnehmung zu verbessern.
Wie ist es in Bezug auf wertget�ntes Erleben? Gibt es
so etwas wie "richtiges Erleben", "richtige Gef�hle"? Falsches Erleben gibt es
zumindest dann, wenn das Erleben auf falschen oder einseitigen faktischen
Annahmen beruht.
*XIX-6*
Man lernt Situationen, Menschen, Dinge nicht durch einmaliges Erleben
richtig beurteilen. Man hat vielleicht zuerst nur die Schokoladenseite kennen
gelernt. Erst bei wiederholtem Erleben bildet sich ein stabiles Werturteil
von der Person. Welches sind die methodischen Regeln für ein richtiges Erleben oder
F�hlen?
Aber kann man überhaupt eine Person oder eine Sache "als
solche" beurteilen? Es kommt immer darauf an, was man mit dem Betreffenden
vorhat: Will man mit ihm
kartenspielen oder ihn heiraten? für das eine mal mag jemand geignet sein, für das andere
dagegen nicht: Es kommt
eben immer auf den Zweck an.
*XIX-7*
lässt sich die Zweckstruktur der Menschen
verallgemeinern? Gibt es hier Regelm��igkeiten? Gibt es allgemeinmenschliche Ziele?
Wenn man Ziele in objektiven Zust�nden beschreibt, so ist dies immer relativ. Wer kein Auto kennt,
kann nicht das Ziel haben, ein Auto zu besitzen. Auf dieser Ebene lässt sich
deshalb nichts Allgemeinmenschliches formulieren. Aber kann man solche Ziele
nicht hypothetisch formulieren? W�rden nicht alle Menschen unter bestimmten
Bedingungen ein Fahrzeug besitzen wollen, das sie schnell über gro�e Entfernungen
befürdert und das sie selbst steuern können?
*XIX-8*
Auch bei eigeninteressiertem Verhalten aller Individuen w�rde sich bei
rivalisierenden Gruppen eine
gewisse Schutzordnung innerhalb der jeweiligen Gruppe herausbilden. Denn
der M�chtige braucht die Schw�cheren der eigenen Gruppe, um sich anderer feindlicher Gruppen zu erwehren. Er wird deshalb
versuchen,
interne Konflikte in
der eigenen Gruppe zu unterbinden. Eine gute Gruppenmoral ist vorteilhaft für
den Kampf der Gruppe gegen die Natur oder gegen andere Gruppen. (Ist das der
phylogenetische Anfang der Moral?)
*XIX-9*
Wo man Werte (Nutzen) in ihrer
Gr��e nur sch�tzen kann (warum ist das so?),
kann man keine exakten Messungen verlangen. Man muss deshalb nicht
auf jede Sch�tzung verzichten. Wo keine Messinstrumente, zum Beispiel keine
Waagen zur Hand sind, muss man das Gewicht sch�tzen. Allerdings haben Sch�tzungen nur dann einen Sinn, wenn sie
nicht v�llig willk�rlich sind sondern sich intertemporal und intersubjektiv
innerhalb plausibler Grenzen bewegen.
*XIX-10*
Warum können
die eigeninteressierten Werte nur sch�tzungsweise ermittelt
werden? Wohl weil das Individuum selber seine Wertungen nur in Form von Sch�tzungen
abgeben kann. Das gilt erst recht für die Bestimmung des Eigeninteresses
von Individuen durch
andere.
*XIX-11*
Das Individuum hat kein inneres Bewertungsinstrument, das es nur
abzulesen braucht. Bei Bewertungsproblemen stellt sich das Individuum selber die Frage,
w�gt unter
Umst�nden langwierig die Vor- und Nachteile ab, pr�ft seine Bewertungen auf Dauerhaftigkeit, überschl�ft es noch einmal, bespricht die
Entscheidung mit anderen, bem�ht sich, übersehene Gesichtspunkte
aufzudecken usw.
XIX-12*
Ein kompliziertes WechselVerhältnis: Bewertungen bestimmen die Ermittlung des
empirischen Sachverhalts, der Sachverhalt wiederum bestimmt die Bewertung.
*XIX-13*
Bewertungen im Sinne einer Ablehnung oder Begr��ung von Sachverhalten hat es wohl
immer
gegeben, wo es Leben gab. Ich versuche
eine nachtr�gliche Rationalisierung und Pr�zisierung dieser Prozesse. Woran ist
das Gelingen dieser Rationalisierung zu bemessen? An der verbesserten
übereinstimmung bez�glich der Feststellung des Eigeninteresses, intertemporal und
interpersonal. (Mich mit der Ph�nomenologie Husserls befassen,
ihrer spezifischen Methode und Leistung bei der Analyse des Bewusstseins und des
Erlebens.)
*XIX-14*
Die sozialen Institutionen und Normen einmal daraufhin untersuchen, inwiefern
das freigesetze Eigeninteresse zum gew�nschten Erfolg beitr�gt. Wenn zum Beispiel
jeder selber die Unordnung beseitigen muss, die er angerichtet hat,
so wird er dadurch motiviert, von vornherein auf
Ordnung zu achten. Ein anderes Beispiel: Umkleidekabinen in der Badeanstalt mit einer
Fu�bodensp�lung. Sinnvoll wäre es wohl, dass jeder hinter sich sp�lt, aber das
ist schwer zu kontrollieren. Also sp�lt jeder vorher, weil er ein Eigeninteresse an
einem
sauberen Fu�boden hat.
*XIX-15*
Ein wichtiges Kriterium für soziale Normsysteme ist es,
ob sie sich als dauerhaft erweisen. Aufgrund ihres instabilen, selbstaufl�senden Charakters scheiden bestimmte Regelungen bereits aus.
*XIX-16*
"Richtiges Erleben" muss nicht hei�en: "intersubjektiv übereinstimmendes Erleben".
"Richtige Wahrnehmung" hei�t dagegen immer "intersubjektiv übereinstimmende
Wahrnehmung". Oder? Letzteres gilt wohl nur dann, wenn die Wahrnehmungen in einer
objektiven Sprache beschrieben werden. Sonst wird auch die Wahrnehmung desselben
Gegenstandes intersubjektiv verschieden sein je nach Standort und je nach
Beschaffenheit der Wahrnehmungsorgane (Gibt es weitere Faktoren der
Differenzierung?)
*XIX-17*
(eine Zeichnung wurde nicht wiedergegeben)
In dieser Zeichnung sieht A einen kleineren runden Gegenstand (einen
Zylinder von vorne gesehen)
und B sieht einen gr��eren rechteckigen Gegenstand (Derselbe Zylinder von der Seite
gesehen). A und B sehen denselben
Zylinder, nur ihre Perspektive ist eine andere.
*XIX-18*
Ein gewichtiger
Gesichtspunkt bei der Beurteilung von Normen ist die M�glichkeit eines Missbrauchs.
M�glichkeiten hierzu sind immer gegeben bei den erforderlichen Textauslegungen, Ermessensentscheidungen
und
Tatbestandsfeststellungen. Deshalb m�ssen Normen
nicht nur narrensicher sondern auch m�glichst egoistensicher formuliert werden.
Da sind grobe, aber gut kontrollierbare Normen manchmal
besser als inhaltlich genauere aber schwieriger nachzupr�fende Regeln, die den
Anwendern der Normen unkontrollierte Handlungsm�glichkeiten geben. Dies gilt
vor allem für Normen, die die Normdurchsetzung regeln, zum Beispiel Normen
der Sanktionierung.
*XIX-19*
Das Verhältnis zwischen den beiden Zielen Wertmaximierung und Wahrheitsfindung klären. Wenn die
Wahrhaftigkeit immer dem Gesamtinteresse untergeordnet ist, kommt
es zu gar keiner ehrlichen Diskussion, auch nicht bei der Frage, was im
Gesamtinteresse ist.
Dieser Punkt muss
gekl�rt werden, auch um den Einw�nden gegen den Utilitarismus (Bestrafung eines
Unschuldigen et cetera) gerecht zu werden. Hier wird h�ufig der
Vorwurf der 'n�tzlichen' L�ge erhoben. Die Frage ist, ob eine gef�hrliche oder auch
nur sub-optimale Wahrheit
unterdr�ckt werden darf (zum Beispiel ein nicht dem Gesamtinteresse
dienendes Testament oder die Unschuld eines zu Unrecht Verurteilten, et cetera.)
Das Problem
entsteht dadurch, dass es jedem freigestellt wird, entsprechend
seinen spezifischen überzeugungen vom Gesamtinteresse zu handeln. Diese
überzeugungen können jedoch irrig oder gar nur vorgeschoben sein. Damit bleibt
zwar das Gesamtinteresse jedes Beteiligten für alle oberster Gesichtspunkt, aber
dabei muss es sich nicht um das wirkliche Gesamtinteresse handeln. Wegen dieser
Diskrepanz bleibt auf der diskursiven Ebene die unmittelbare Berufung auf das
Gesamtinteresse immer m�glich.
*XIX-20*
Wie die Dinge sind, ergibt sich nicht aus der
isolierten individuellen Wahrnehmung: ich sehe
je nach r�umlicher und zeitlicher Position immer nur bestimmte Aspekte und
Eigenschaften eines Dings. Aus der Gesamtheit aller Wahrnehmungen formt sich
dann ein mehr oder weniger vollst�ndiges und konsistentes Bild der Welt.
*XIX-21*
für den Nachvollzug fremder Wertungen mit der
Absicht ihrer objektiven Erfassung gibt es
Grenzen. Gemeint sind die Grenzen, die durch die nicht vollkommen zu
beseitigende Fremdheit und Unverst�ndlichkeit des andern
gegeben sind. Der Andere ist eben nicht von sich aus transparent für mich. Ihn dazu
zu machen, erfordert eine schwierige intensive Kommunikation. Man
'steckt eben nicht drin' im anderen. Ich kann seine Wahrnehmungen und
Empfindungen immer nur indirekt erschlie�en. Deshalb gibt es auch nicht den
K�nigsweg zum intersubjektiven Nutzenvergleich und damit des R�tsels L�sung.
Die geeigneten Mittel und Wege zum wechselseitigen Verständnis sind
erst noch zu erfinden bzw. systematisch zu entwickeln.
Aber: Wir sind uns selber
auch nicht in allem transparent. Wir m�ssen auch uns selber fragen, was wir wirklich und dauerhaft wollen, was uns
wirklich gl�cklich macht. Insofern gibt es vergleichbare Schwierigkeiten auch an
anderen Bereichen.
*XIX-22*
Stammesgeschichtlich ist es wohl so, dass die Menschen neben ihren individuellen
Interessen (individuelles überleben, Wohlergehen, Fortpflanzung et cetera) immer
auch schon moralisch waren im Sinne einer Orientierung an der Gruppe und an deren
überleben, Wohlergehen und Vermehrung. wäre es anders, so wäre die Spezies
'Mensch' als Gruppentier sicherlich schon ausgestorben. Allerdings geht es
normativ nicht um diese begrenzten Moralen, sondern um das vern�nftige
Zusammenleben aller Menschen, der Menschheit als Ganze. Diese universale Moral kann nicht
als Tradition übernommen werden sondern ist erst zu bestimmen.
Damit
stellt sich die Frage, ob als Daten der Moral nur die individuell orientierten
Interessen zu nehmen sind. Was ist mit der urw�chsigen Moralit�t? Kann man
beides auseinanderhalten? Die Menschen haben sich irgendeine Moralit�t ja schon
immer zu eigen gemacht. Nehmen wir die "Liebe zum Vaterland", die Identifikation mit der
eigenen sprachlichen, geographischen, nationalen, staatlichen Gruppe und deren
Wohlergehen.
Das mag manchen Individuen wichtiger sein als ihr eigenes Wohl � und
zwar jenseits aller Pflicht aus den starken Antrieben kollektiver Identifikation:
"Man denkt und f�hlt eben als Deutscher." Es ist keine vern�nftige Entscheidung im
Sinne moralischer Interessenabw�gung, es ist auch keine Orientierung an einer
Koalition aus Gr�nden des Eigeninteresses: gerade bei Jugendlichen können die kollektiven Identifikationen starke Motive
hervorrufen. Auch die
Identifikation mit pers�nlichen Vorbildern können eine gro�e Kraft
entfalten. Die pers�nlichen Vorbilder - die Helden und Heiligen -
schaffen Motivationen, die man nur schwer nach Eigeninteresse und Moralit�t
auseinanderhalten kann: "Ich will so sein wie er", "Ich will es, weil er es
wollte." Ob die Grundentscheidung der Vorbildwahl moralisch oder
eigeninteressiert oder beides war, lässt sich allerdings diskutieren.
*XIX-23*
Wo njcht bewertet sondern gesch�tzt werden
muss, da m�ssen sich die Ergebnisse innerhalb bestimmter Bereiche bewegen, die Bewertungen d�rfen nicht beliebig weit
streuen. Wo Messungen nicht m�glich sind, sind Sch�tzungen angebracht. Man wird
nicht aufgrund fehlender Pr�zision die M�glichkeiten des Sch�tzens verwerfen. Das
macht man ja auch in anderen Fragen nicht. Es kommt immer darauf an, wie genau
die Werte sein m�ssen.
*XIX-24*
Einmal herausarbeiten, was das Sch�tzen vom Messen unterscheidet
und wann
Messen nicht m�glich ist.
*XIX-25*
Die Zur�ckgezogenheit und musse ist vielleicht der beste N�hrboden für die
Philosophie � aber damit droht ihr auch die Weltfremdheit.
*XIX-26*
Beim solidarischen Nutzenvergleich kommt es
darauf an, kein Individuum gegenüber dem anderen zu bevorzugen. Kann man
konkreter sagen, woran man eine Bevorzugung erkennt kann? In die
Interessenabw�gung d�rfen keine normativen Pr�missen eingehen, etwa indem
die "soziale Wichtigkeit" von Bed�rfnissen ins Spiel gebracht wird. Die
Gewichtung darf selber nicht schon moralische Werte voraussetzen. Inwieweit ist
eine Besch�ftigung mit der Psychologie des Wertens erforderlich und sinnvoll, um eine
normative Werttheorie aufzustellen?
*XIX-27*
Um zu intersubjektiv übereinstimmenden Urteilen über den Gesamtwert (statt:
Gesamtnutzen) zu kommen, m�ssen die Individuen nicht die gleiche Werteinheit
benutzen. Sie m�ssen nur die Werteinheit, die sie anwenden, konsistent anwenden.
Genauso wie man zum gleichen Urteil hinsichtlich des schwersten Kartoffelhaufens
kommt, egal ob man als Gewichtseinheit Kilogramm oder Unze nimmt.
Es ist also unerheblich, ob die Werteinheit lautet: "Als Werteinheit gilt
der Vorteil, den Individuum A durch eine Ver�nderungvon x nach y erh�lt. Oder ob
sie lautet: "Als Werteinheit gilt der Vorteil, den Individuum B durch eine
Ver�nderung von v nach w hat."
Gibt es eine "natürliche" Einheit des Wertes, eine besonders geeignete
Ma�einheit?
*XIX-28*
"Abw�gen" ist auch nur eine Metapher: Wo ist die innere Waage zur Gewichtung
von Vor- und Nachteilen? Welcher psychische Vorgang entspricht diesem Bild?
Rationale Motivation? Aufgekl�rter Wille?
*XIX-29*
Um dem Problem der mangelnden Wahrhaftigkeit bzw. der unwillk�rlichen
übertreibung bei der Einsch�tzung der eigenen Vor- und Nachteile zu begegnen,
greift man auf Annahmen über allgemein menschliche Bed�rfnishierarchien zur�ck,
obwohl es natürlich eigentlich auf die individuelle Bed�rfnislage ankommt.
*XIX-30*
Wenn die Bewertung nach dem Eigeninteresse selbst für das betreffende Individuum
schwankend und schwierig ist, dann ist natürlich für Dritte die Bewertung genauso
wenig messbar. Wichtig ist deshalb die Pr�zisierung der Regeln für die
Bestimmung des je eigenen Interesses. Wer kann hier über die Regeln der
Entscheidungslogik hinaus etwas sagen?
*XIX-31*
"Mein Herz sagte 'ja' doch der Verstand sagt 'nein'", wie es im Schlager hei�t.
Was und wie bewertet das "Gef�hl"? Wie der Verstand?
*XIX-32*
"Seine Gef�hle auf Best�ndigkeit pr�fen".
Das
ist eine Regel zur Bestimmung
des Eigeninteresses, wo es um Konsequenzen von l�ngerer Dauer geht.
"Sich die
zuk�nftigen Situationen m�glichst genau vergegenw�rtigen". Das ist eine Regel,
bei der es um die
Bewertung erst zuk�nftig eintretender Konsequenzen geht.
"Eine Nacht darüber
schlafen" Das ist eine Regel, um ein emotionales Gleichgewicht
herzustellen. Um sich nicht zu einer spontanen Regung hinrei�en zu lassen."
*XIX-33*
Die Empfindungen eines anderen zu kennen, bedeutet nicht, sie zu teilen.
Wie
berichtet man über seine eigenen Empfindungen und Erlebnisse? Welche M�glichkeiten gibt es
für Dritte,
die Wahrheit solcher Berichte zu überpr�fen?
Was sind falsche Gef�hle? Zum
Beispiel unbegr�ndete Angst vor dem Sprung aus gro�er H�he, obwohl man sicher
aufgefangen wird. Gef�hle sind falsch, insofern sie durch die Realit�t
korrigiert werden können. Wenn man einmal gesprungen ist und dann noch �fter,
dann
wird die Angst geringer.
Manchmal wei� man selber,
dass die eigenen Gef�hlsreaktionen unbegr�ndet, falsch sind. Zum Beispiel kann
man sich denkend von eigenen Schuld-, Scham-, Ekel-Reaktionen distanzieren.
Allerdings sind die emotionalen Reaktionen nur begrenzt über das rationale Denken (also
die Gro�hirnt�tigkeit) steuer- und korrigierbar.
*XIX-34*
Die Frage ist, ob bei der Bestimmung des Interesses diese
'falschen' Gef�hle
ber�cksichtigt werden sollen oder ob angemessene Gef�hle rekonstruiert werden
m�ssen. Im Alltag wird man wohl auf die faktischen Gef�hle R�cksicht, ob man sie
nun billigt oder nicht. Vor allem wenn sie kaum zu �ndern sind. (Es gibt
es auch ein p�dagogisches Verhältnis zum andern.)
*XIX-35*
Erfolgt aus dem Empfinden
bzw. dem Erleben die Bewertung,
wenn man nur das Gegenw�rtige nimmt und von allen Konsequenzen absieht? Sind Ablehnung und
Zustimmung Resultate der Empfindungen oder sind es selber
Empfindungen?
Dabei beachten, dass es um Urteile geht: "Dies soll sein!" oder "Dies will ich nicht!"
oder "Dies ist in meinem
Interesse."
XIX-36*
Die Suche nach dem einen Bewertungsindikator ist sicherlich vergebens.
Wahrscheinlich muss eine Vielzahl von Indikatoren zusammengefasst werden, um Zustimmung bzw. Ablehnung
von Handlungsalternativen wertm��ig zu
quantifizieren. Wie machen das die empirischen Soziologen? Was gibt es für
methodische Hilfsmittel? Multidimensionale Skalierung?
*XIX-37*
Es wäre der falsche Weg, nach einer Methode des interpersonalen Nutzenvergleichs
zu suchen, die nur auf beobachtbaren Indikatoren beruht. Der Weg der
Erfahrungswissenschaft kann hier allein nicht zum Ziel f�hren. Indikatoren
lie�en sich viele finden zum Beispiel die Bereitschaft, Geld, Zeit oder ähnliches
zu opfern. Aber sie sind nur indirekter Reflex der
interpersonal vergleichbaren Wichtigkeit von Interessen, um die es in normativen
Fragen geht.
Zwar ist die Zahlungsbereitschaft ein Indiz für
die Gewichtigkeit des jeweiligen Eigeninteresses, aber ein Indiz, das selber noch der
Interpretation bedarf. Letzter Ma�stab ist das sich-Hineinversetzen in den
anderen und seine Lage.
*XIX-38*
Wenn zwei Individuen die gleiche Beschreibung ihrer Situation - innerlich wie �u�erlich
- abgeben, dann d�rfen sie nicht zu unterschiedlichen Wertniveaus kommen. Es muss also eine Gesetzm��igkeit des menschlichen Wollens
geben, durch die zwischen Situation und Bewertung einen gleichfürmiger
Zusammenhang hergestellt wird oder zumindest muss es im Prinzip m�glich sein,
hier zu einer übereinstimmung zu kommen. (Und wenn nicht?)
*XIX-39*
Das methodische Ziel: Das Bewertungsproblem aufl�sen in elementare
Erlebniseinheiten mit allgemein menschlichen Wertgehalt, aus der sich
dann alle individuellen Variationen aufgrund von charakterlicher Anlage und Lebensgeschichte
konstruieren lassen. Zum Beispiel bei Frost zu frieren, bei Hunger ein St�ck Brot zu
essen, einen farbenpr�chtigen Sonnenuntergang zu genie�en, voll Angst in Todesgefahr zu
schweben ... .
Aber da lässt sich schwer etwas Elementares, Festes herausfiltern.
Es gibt immer virlf�ltige Variablen: zum einen die vielf�ltigen Objekte der
Wirklichkeit als Gegenst�nde des Erlebens. Zum andern die subjektive
Konstitution und Beschaffenheit der Individuen,wodurch die Individuen bei
gleichen Objekte zu sehr unterschiedlichen Erlebnissen zu gelangen. Es macht
z. B. für das Erleben und dessen Wertgehalt einen gro�en Unterschied, ob ich hungrig oder satt bin, wenn ich
ein St�ck Brot esse.
*XIX-40*
Die menschlichen Empfindungen und Gef�hle
kann
beschreiben und erfassen und sie lassen sich in ihrem Wertgehalt auch relativ
allgemeinmenschlich bestimmen. Man k�nnte sich schon darüber einigen, was
eigentlich � also abgesehen von m�glichen moralischen Bewertungen � positive,
negative oder wertneutrale Empfindungen und Gef�hle sind:
Positiv sind zum Beispiel
Gl�cksgef�hle, Freude, gute Laune, Hochstimmung, sexuelle Lust, S�ttigungsgef�hle,
Erfolgserlebnisse, Entspannung,�
Negativ: �rger, Ekel, Zorn,
Schmerz, Angst, Furcht, Hunger, Durst, Anstrengung, Trauer,�
Wertneutral: die meisten Wahrnehmungen mit Auge und Ohr.
*XIX-41*
Beim Geschmack und Geruch gibt es
erhebliche individuelle Unterschiede hinsichtlich dessen, was als
wohlschmeckend, wohlriechend empfunden wird und was nicht. ähnlich auch bei der
Bestimmung des Wohlklingenden und Wohlgestalteten. Dort gibt es keine interpersonale
übereinstimmung bzw. nur eine begrenzte, aufgrund unterschiedlicher
Pers�nlichkeitsstrukturen. Die Musik, die der eine begeistert beklatscht, buht
der andere aus. Selbst wo ich die
Begeisterung des Anderen nicht nachvollziehen kann, kann ich doch seine
Empfindung in ihrer Intensit�t aufnehmen und respektieren. Ich kann seine Wertung bei normativen
Entscheidungen trotzdem ber�cksichtigen � sofern es nicht Gr�nde gibt, seine
Begeisterung für falsch zu halten (also entweder für unwahrhaftig oder
irrt�mlich bzw. illusion�r).
*XIX-42*
Es muss kein exakt quantifizierendes interpersonal g�ltiges
Bewertungsverfahren (für Eigeninteressen) gefunden werden, sondern es muss nur
demonstriert werden, dass eine interpersonal vergleichbare Bewertung vom
Standpunkt des jeweiligen Eigeninteresses m�glich ist, und zwar nicht weiter,
als auch i n t r asubjektiv Bewertungen Geltung besitzen. D.h. dass im
Prinzip Vor-und Nachteile verschiedener Personen so gegeneinander abgewogen
werden können, wie auch die Vor- und Nachteile für ein
und dieselbe Person.
*XIX-43*
Es kann nicht mehr Pr�zision im interpersonalen
Vergleich verlangt werden, als im intrapersonalen Bereich besteht.
Allerdings ist ein Schwanken im intrapersonalen Bereich meist nicht so problematisch wie
die Differenzen im interpersonalen Bereich. Denn ob jemand selber sein
Eigeninteresse pr�zise genug bestimmt, betrifft oft nur ihn selber.
*XIX-44*
Woher wei� ich denn, ob der andere Ekel
als etwas negativ empfindet? -
Letztlich
nur aus Erfahrung und dann aus induktiver Verallgemeinerung auf alle Menschen.
*XIX-45*
Zu "superogatery acts" (S.26).
Das sind moralisch
wertvolle Handlungen, für die Helden und Heilige gepriesen werden, die jedoch
nicht allgemein verpflichtend sind. Der Grund dafür ist, dass die dafür notwendigen Opfer
an Eigeninteresse für durchschnittliche Menschen zu gro� sind.
(Gibt es ein deutsches Wort dafür?)
*XIX-46*
Vielleicht gibt es
verschiedene Stufen des moralischen Anspruchs, einmal die moralischen Pflichten
für normale Leute, darüber hinaus anspruchsvolle Normen für Heilige sowie alles
was dazwischen liegt. Vielleicht gibt es in der Menschheitsgeschichte einen Weg
zur Entwicklung der Moral. Dabei sind die Heiligen die Vorreiter, um morgen
allgemein zu fordern, was heute nur Heilige vollbringen. Dann wäre der Anspruch
des moralischen Individuums an sich selbst und nicht der Konflikt der
individuellen Interessen der Motor der Moral.
*XIX-47*
Findet sich in Wittgensteins philosophischen Untersuchungen etwas zur
Intersubjektivit�t von Erlebnissen?
*XIX-48*
Es geht bei der
Diskussion des interpersonalen Nutzenvergleichs nicht um ein - im gesellschaftlichen Ma�stab
- direkt anzuwendendes Verfahren zur Bestimmung des Gesamtinteresses. Sondern es
geht allein um den Nachweis, dass eine intersubjektive Gr��enabsch�tzung der
Eigeninteressen und damit deren Abw�gung und Zusammenfassung zu einem
Gesamtinteresse im Prinzip m�glich ist. Deshalb muss auch auf den
innerpsychische Mikrobereich des individuellen Wertens eingegangen werden.
*XIX-49*
Bei Richard Brandt sollen sich überlegungen zu rationalem Begehren
finden. Rational sind danach W�nsche, die der Konfrontation mit den Fakten standhalten
... oder
so ähnlich (siehe "Theory of the Right and the Good")
*XIX-50*
Beim interpersonalen Nutzenvergleich die verschiedenen Problemebenen trennen:
Zum einen geht es um die Bestimmung fremder Eigeninteressen: Welche
Alternative ist im Interesse des Individuums A?" Oder anders
formuliert: Welche Alternative ist diejenige mit dem h�chsten Wert vom
Standpunkt des Eigeninteresses von A aus gesehen?"
Das setzt die Kl�rung verschiedener Dinge
voraus: u.a. die Bestimmung des Alternativenbereichs für ein bestimmtes
Individuum in einer bestimmten Situation..
Zum andern muss gekl�rt werden, welche Willens- bzw. Interessenelemente zum
Eigeninteresse geh�ren, insbesondere in Abgrenzung zu moralischen,
altruistischen Motiven.
Dann bedarf es zumindest eines
Verfahrens, das die Alternativen gem�� dem Eigeninteresse von A ordnet.
*XIX-51*
Damit stellt sich die Frage, wie das Eigeninteresse von A bestimmt werden soll.
Die faktischen Wahlhandlungen von A können kein alleiniger Ma�stab sein.
Denn diese Wahlhandlungen
können auch nach A's eigenem Urteil falsch sein. Man kann seine Wahlhandlungen
auch "bereuen".
*XIX-52*
Man muss also die Bedingungen für die
Bestimmung des wirklichen Interesses formulieren.
Zur Methodik der
Interessenbestimmung geh�ren die überlegungen zum Verhältnis von Wissen, Wahrnehmen,
Erleben, F�hlen und Wollen zur allgemeinmenschlichen
Bed�rfnisstruktur et cetera.
*XIX-53*
Auf einer anderen Ebene liegen
dann die Probleme der interpersonalen Nutzenabw�gung und -aggregation.
*XIX-54*
Die Alternativen, die das Individuum von seinem Eigeninteresse her bewertet, sind m�gliche Verl�ufe der Wirklichkeit in der Zeit. Die
Alternativen sind dem
Individuum nur als Vorstellung pr�sent, nicht als unmittelbar real erfahrene und erlebte
Wirklichkeit. Wie können über diese Vorstellungen Bewertungen
vorgenommen werden? Nur indem auf gespeicherte Bewertungen zur�ckgegriffen wird.
*XIX-55*
Ein Problem besteht in der Verwendung bisher
gespeicherter Bewertungen aus anders strukturierten oder gar
neuartigen Wirklichkeiten. Die bisherigen Werterfahrungen m�ssen dann � so gut es
geht � auf die vorgestellten Wirklichkeitsverl�ufe angewandt werden. Hier kommt
es unter anderem auf ähnlichkeiten an.
Es gibt hier einen Unsicherheitsfaktor,
wenn nach Art von Analogieschl�ssen die vergangenen Erfahrungen auf
zuk�nftige Situationen übertragen werden m�ssen. Hier kann es Hilfestellung
geben durch Bezug auf die Werterfahrungen anderer. (Zu beachten ist, dass hier "Erfahrung" kein Wissen über die Gegenst�nde
ist nach Art einer empirischen Beschreibung, sondern allein auf das
subjektive Erleben bezogen ist.)
*XIX-56*
natürlich kann auf vergangene oder fremde Erfahrungen sinnvoll nur Bezug
genommen werden, wenn eine gewisse intertemporale bzw. interpersonale
übereinstimmung der Werterfahrungen angenommen werden kann.
Insofern sich das Subjekt intertemporal ver�ndert und insofern verschiedene
Subjekte verschieden sind, können gleiche Objekte zu unterschiedlichen
Erfahrungen f�hren. (30) (Kann man empirisch-psychologisch etwas über die
Faktoren aussagen, die für diese Differenzen verantwortlich sind? Lassen sich
Verallgemeinerungen formulieren? Vielleicht doch einmal Kontakt aufnehmen mit
Leuten vom psychologischen Institut.)
*XIX-57*
Um zu m�glichst gesicherten Wertungen zu
gelangten, muss deshalb eine aktuell
wiederholte und erlebte Wirklichkeit bewertet werden. Denn was einem vielleicht auf den ersten
Blick nicht gef�llt, gef�llt einem vielleicht nach wiederholter Betrachtung.
*XIX-58*
Das Schwierige ist es dabei, die komplexen Objekte zu zerlegen und Elemente der
Wirklichkeit zu bestimmen, die eine m�glichst eindeutige Bewertung zulassen,
ohne ein unübersichtliches Konglomerat von für-und-wider zu erzeugen. Dazu m�ssen vor allem die
gegenw�rtigen Ph�nomene von sp�teren Konsequenzen oder fr�heren Ursachen
abgel�st bewertet werden.
*XIX-59*
Aber kann man das Erleben von
gegenw�rtigen Ph�nomenen von den in der Vergangenheit erworbenen
Assoziationen und von den für die Zukunft zu erwarteten Konsequenzen überhaupt
abl�sen, um die Ph�nomene zu bewerten, so wie sie jetzt wirklich sind?(33)
*XIX-60*
Bestimmte Dinge lassen sich gar nicht losgel�st von ihren Konsequenzen
bewerten: zum Beispiel der Erwerb von Geld. Der Wert des Geldbesitzes liegt in
der Gew�hrung von M�glichkeiten, gew�nschte Dinge zu erwerben.
Ist deshalb der Erwerb von Geld "an sich" wertlos? Dagegen k�nnte sprechen, dass
der Erwerb von Geld unter Umst�nden Freude ausl�sen kann und �ngste nehmen kann.
Aber das sind wohl Gef�hle, die auf erwartete Ereignisse bezogen sind.
Sofern diese zuk�nftigen Ereignisse imagin�r sind, etwa weil es sich um wertloses
Falschgeld handelte, war der Erwerb des Geldes � trotz Freude � kein Vorteil für
das Individuum.
*XIX-61*
Ein psychologisches Experiment:
Die Versuchspersonen sollen 10
verschiedene akustische Beispiele (Ger�usche, T�ne, Musik, Gesang) bewerten,
indem sie die Ger�usche in eine Pr�ferenzrangfolge anordnen. Man kann das mit
Hilfe paarweisen Vergleiche (Was h�ttest Du lieber? Bzw. welches der 2
akustischen Beispiel bisher noch einmal h�ren? Man k�nnte das mit verschiedenen
Arten von Objekten machen).
*XIX-62*
Ein besonderes Problem bei der Bewertung sind Ph�nomene, die ein Verstehen von
Bedeutungen voraussetzen, sei es von Sprachen oder sonstigen Symbolen. Hier kommt
es zu starken interpersonalen Differenzen der Bewertung je nach
der F�higkeit, die Bedeutung der pr�sentierten Zeichen zu verstehen.
*XIX-63*
für Theorien einer Maximierung des kollektiven Gesamtnutzens existiert ein ähnliches
Problem wie für Theorien des individuellen rationalen Handelns im Falle von
Risiko oder Ungewissheit. Selbst wenn der Nutzen der sicheren Ereignisse
bestimmt werden kann, existiert das Problem, wie wahrscheinliche oder
ungewisse Ereignisse zu bewerten sind. Ist das ein weiterer Punkt für die Nicht-Abschlie�barkeit des normativen Diskurses?
Ist das ein
weiterer Grund für
Normsetzungsverfahren mit definitiven Resultaten?
*XIX-64*
Im Alltag stellt jedes
Individuum interpersonale Wertvergleiche an.
Wenn eine
Wohnung zu vergeben ist, werden Urteile darüber gef�llt, welcher der Bewerber
die Wohnung am dringendsten braucht. Worauf bezieht man sich bei solchen
Vergleichen hinsichtlich der Dringlichkeit des Bedarfs verschiedener Individuen?
Unter anderem auf die jetzige Ausstattung mit Wohnraum. Dann subjektive
Besonderheiten, die einen relativ st�rkeren Bedarf an Wohnraum bewirken (Kinder,
Krankheit, Beruf oder ähnliches)
*XIX-65*
In der Pers�nlichkeit wie in der Gesellschaft gibt es
n�tzliche Einseitigkeiten. Diese f�hren zu einer Konzentration der Kr�fte,
die angesichts der Vielzahl der Probleme jeweils einige Probleme überbetonen und
herausgreifen. Besonders die jeweilige Jugend ist ein Tr�ger dieser Einseitigkeiten.
*XIX-66*
Wenn irgendwelche Individuen Rechte haben, handelt es sich um
normsetzende Verfahren: Eigentumsrechte, Elternrechte, Mieterrechte,
Hausherrnrechte et cetera. Das sind keine einfachen Verhaltensnormen sondern
Institutionen erzeugende bzw. realisierende Normen.
*XIX-67*
Eine m�gliche Quelle falschen Bewertens sind Vorurteile bzw. Stereotypen:
Man
hat Auffassungen und Bewertungen über eine Klasse von Objekten, die aber auf das
individuelle Exemplar nicht immer zutreffen. (wegen der hohen
Informationskosten verzichtet man meist auf die immer neue überpr�fung der
individuellen Exemplare und geht von solchen Verallgemeinerungen aus.)
Vorurteile werden emotional gest�tzt und spielen im seelischen Gleichgewicht des
Betreffenden eine wichtige Rolle. Ihre Aufgabe ist nur gegen Widerst�nde
m�glich.
*XIX-68*
Bestimmte tiefsitzende
Einstellungen und Bewertungen können von einem Individuum nicht wieder
"verlernt" werden, weil das Individuum
Situationen meidet, in denen es die negativen Erfahrungen zu wiederholen fürchtet.
*XIX-69*
Im Volksmund kursieren Spr�che über die menschliche Bed�rfnisse: "Der Mensch
lebt nicht vom Brot allein"; "Durst ist schlimmer als Heimweh"; "Jeder Mensch
braucht Liebe".
*XIX-70*
Manchmal muss man erst durch Nachdenken herausfinden, was den
besonderen Reiz eines Schönen Fotos ausmacht: die emotionale Wirkung ist
da, ohne dass man den Reiz bereits ausgemacht und reflektiert h�tte.
(S.49)
*XIX-71*
Die einfachste individuelle
Wertung hat wohl die Form: "Diese Situation
(Dieser Gegenstand) hat für mich einen positiven Wert", wobei Situation bzw. Gegenstand
nur markiert aber nicht in ihrer Beschaffenheit beschrieben werden.
Aus solchen
Urteilen kann man jedoch nichts hinsichtlich anderer Wertungen schlie�en, denn
es gibt keine Anhaltspunkte, ob jene Situation dieser gleicht oder ähnlich ist.
übertragbare Wertungen sind erst m�glich bei Wertungen von der Form: "Die
Situation X mit den Eigenschaften a ... n hat für mich einen positiven Wert." Hier kann
man nach intertemporalen (oder intersubjektiven) Verallgemeinerungen der
Wertung suchen (wobei solche Verallgemeinerungen wohl nur sinnvoll sind, wenn
au�erdem bestimmte Zust�nde des betreffenden Individuums in die Formulierung mit
aufgenommen werden): "Eine Situation X mit den Eigenschaften a � n hat für ein
Individuum mit den Zust�nden p � z einen positiven Wert."
*XIX-72*
Was hei�t hier
"einen
positiven Wert haben"? Man k�nnte es vielleicht so pr�zisieren: Eine Situation hat für
ein Individuum einen positiven Wert, wenn vom Eigeninteresse
des betreffenden Individuums aus gesehen diese Situation enthalten bleiben sollte. Sie hat
einen negativen Wert, wenn sie diese Situaation nicht enthalten sollte.
(Was ist
mit moralischen oder gruppenbezogenen Gesichtspunkten des Wertens?)
*XIX-73*
Zur
Terminologie: Vielleicht sollte ich hier nicht von 'Situation' sprechen, da ich
dies Wort auch für die Entscheidungssituation benutze, worin die Alternativen
eingeschlossen sind. Objekte der Bewertung sind wohl besser Ereignisse, die als
zeit-r�umlich bestimmtes Auftreten bestimmter Gegenst�nde aufzufassen sind:.
Haben hier die Logiker wie von Wright, von Kutschera oder andere brauchbare
Kl�rungen vorgenommen?)
*XIX-74*
Die Frage ist, ob sich der Wert eines Ereignisses
ver�ndert, wenn sich bestimmte Eigenschaften des Ereignisses ver�ndern
(vorausgesetzt, das betreffende Individuum ist unver�ndert). D.h. alle
wertrelevanten Eigenschaften m�ssen in die Bestimmung des Ereignisses
hineingenommen werden, wenn auf solche Urteile aufbauend neue Alternativen
bewertet werden sollen. Das Problem sind hier vor allem wertm��ige
Interdependenzen zwischen verschiedenen Ereignissen.
*XIX-75*
Intrapersonale und intertemporale Nutzenvergleiche sind
im Alltag recht h�ufig. Etwa wenn
jemand sagt: "Heute brauche ich mein Auto viel dringender als damals als ich
noch zentraler wohnte." Oder man sagt r�ckblickend: "Damals schien mir ein gesichertes Einkommen nicht so
wichtig zu sein" und man macht damit deutlich, dass man sich über die
Wichtigkeit von Dingen irren kann, dass Dinge manchmal wichtig zu sein
scheinen, die es nicht sind - und umgekehrt.
*XIX-76*
Aus derallgemein
adressierten Maxime: "Maximiere den Gesamtwert!"ergibt sich für
die einzelnen Handelnden noch keine eindeutige Handlungsanweisung, selbst bei bewerteten Alternativen. Denn
die Resultate der Handlungsalternativen h�ngen im
Falle einer Interaktion auch von den Entscheidungen der anderen ab. Damit variiert
auch deren Gesamtwert.
Der einzelne Akteur muss deshalb von bestimmten Annahmen
über das Verhalten der anderen ausgehen � sowie er auch von bestimmten Annahmen
über kausale Gesetzm��igkeiten ausgehen muss.
Grundlage der Entscheidung wäre
eine Liste m�glicher Weltverl�ufe, die sich aus dem Zusammentreffen
der Verhaltensweisen der Akteure und der Reaktionsweisen der Dinge
ergeben. (53) Die m�glichen Weltverl�ufe sind in einem
ersten Schritt zu bewerten als sichere
Ereignisse. Der einzelne Akteur hat dann verschiedene
Handlungsverl�ufe vor sich, denen wiederum verschiedene Weltverl�ufe als m�gliche
Resultate zugeordnet sind, die wiederum als sichere Ereignisse vom Standpunkt
des Gesamtinteresses her bewertet sind.
Das Problem ist, dass diese m�glichen
Resultate meist weder sicher noch gleich wahrscheinlich
sind, dass die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens schwer bestimmt werden kann
(zum Beispiel im Falle strategischer Ungewissheit oder bei
neuartigen Ph�nomenen). Hieraus ergibt sich schon, dass es au�erordentlich
schwierig ist, aus dem Grundsatz der Gesamtwertmaximierung eine eindeutige
Handlungsvorschrift für ein bestimmtes Individuum in einer bestimmten
Entscheidungssituation abzuleiten. Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der
Bewertung der Resultate (zum Beispiel durch ungenaue Sch�tzungen.)
Hinsichtlich des Verhaltens der anderen Individuen ist das Problem anders
gelagert als bei den "naturgesetzlichen" Reaktionsweisen der Dinge. Die Individuen
können im Prinzip einsehen, dass das Resultat mit dem h�chsten Gesamtwert
realisiert werden soll. Sie m�ssen deshalb auch zustimmen, dass ihr Handeln
dementsprechend einzurichten ist. (54) In einem ersten Schritt ergibt sich
daraus für alle
Individuen die Norm, ihr Handeln so einzurichten, dass das am h�chsten bewertete
Resultat erzielt wird. (Im Falle von Risiko oder Ungewissheit ergeben sich
besondere Probleme, da nicht vom Wert der sicheren Resultate ausgegangen werden
kann und verschiedene Entscheidungskriterien dafür denkbar sind. (Wenn nur eines der Individuen sich
nicht an diese Orientierung h�lt, so m�ssen
die �brigen Individuen unter Umst�nden ebenfalls ihr Handeln �ndern, um unter
diesen ver�nderten Bedingungen das dann noch bestm�gliche Resultat zu erzielen (das "N�chstbeste").
*XIX-77*
Es kommt dabei darauf an, wie st�ranf�llig der Entscheidungsbereich
für Handlungs�nderungen einzelner Individuen ist, d.h. wie koordinationsabh�ngig das
erw�nschte Resultat ist. Manchmal mag das Ausscheren eines einzigen
Individuums das erw�nschte Resultat v�llig verhindern, manchmal mag das Resultat stabil
bleiben, obwohl die Mehrzahl der Individuen sich nicht entsprechend verh�lt.
*XIX-78*
Die schnell unüberschaubar werdende Matrix der m�glichen Resultate
macht es manchmal sinnvoll, einzelne
Bereiche abzugrenzen, die unter sich eng verflochten sind, jedoch mit ihrer
Umgebung weniger zusammenh�ngen, so dass diese Bereiche einer isolierten
Optimierung zug�nglich werden. (55) Allerdings bleibt die Annahme isolierter Handlungsbereiche immer problematisch. Eine weitere M�glichkeit
der Vereinfachung ergibt sich aus der Herausarbeitung relativ
ähnlich wiederkehrender Standardsituationen mit Standardl�sungen für das Verhalten
der Beteiligten.
*XIX-79*
Selbst wenn man voraussetzt, dass alle
Beteiligten willens und f�hig sind, die zur Erreichung des besten Resultate
erforderlichen Handlungen auszuf�hren, so ergibt sich daraus noch keine
entsprechende Koordination, denn alle Beteiligten m�ssen von der gleichen Matrix
der Resultate ausgehen, also von den gleichen Annahmen über das beste Resultat
und die Bedingungen seines Zustandekommens. Eine entsprechende Kommunikation
und Einigung über die Matrix ist also v o r w e g erforderlich. Dazu
bedarf es dann eines Entscheidungsverfahrens, falls die überzeugungen nicht
übereinstimmen.
*XIX-80*
Wenn man das Verhalten der anderen nur als ein zu prognostizierendes Faktum
auffasst - so wie die Reaktion der Gegenst�nde -, so tut das der andere von
seinem Standpunkt aus mit seinem eigenen Verhalten auch. Dadurch, dass jeder
wechselseitig sein Verhalten vom Verhalten der anderen abh�ngig macht, entsteht
eine Indeterminiertheit aufgrund einer Wechselwirkung.
Lassen sich diese Verhältnisse durch Konditionals�tze wiedergeben: ("Wenn A x tut,
dann tue ich z"). lässt sich aus der vollst�ndigen Liste oder Tabelle solcher Konditionals�tze ein bestes Resultat gewinnen,
wenn man annimmt, dass jeder das jeweils bestm�gliche Resultat zu realisieren
versucht? Dadurch w�rden wahrscheinlich nur die ganz schlechten Ergebnisse
ausgeschlossen. Dies einmal an einem Beispiel durchspielen.
*XIX-82*
Isolierte Dinge oder Personen
kann man als solche nicht sinnvoll bewerten. Man kann das h�chstens unter dem
Gesichtspunkt eines bestimmten Zweckes tun: "A ist ein guter Schachpartner", "A ist
ein schlechter T�nzer" et cetera. Aber was meint man, wenn man sagt: "A ist ein
guter (bzw. schlechter) Mensch"? Das ist wohl im moralischen Sinne gemeint: "A
ist ein Mensch, der (in der Regel) moralisch (gut) schlecht handelt, also
(nicht) gegen die moralischen Normen verst��t."
*XIX-83*
Bewerten kann man genau genommen nur Ereignisse, also
Elemente des Verlaufs der Wirklichkeit bezogen auf einen bestimmten
(individuellen oder allgemeinen) Standpunkt.
*XIX-84*
Terminologisches: "Eine Sache beurteilen" wird
oft im Sinne von "bewerten" gebraucht. Man spricht auch von einem "Wert u r t e
i l". Damit wird deutlich, dass Wertungen etwas sind, über das sich streiten
und argumentieren lässt. Allerdings muss man unterscheiden zwischen allgemeinen,
subjektfreien Werturteilen und partikularen, subjektbezogenen Werturteilen.
Letztere können verschieden sein, ohne sich zu widersprechen, erstere nicht, da
sie nicht nach dem jeweiligen Subjekt sortiert werden.
*XIX-85*
Man
kann ein Ereignis auch bewerten, ohne alle Konsequenzen bis in die fernste
Zukunft zu ber�cksichtigen. Man kann z. B. das Ereignis auch in Bezug auf die
M�glichkeiten bewerten, die es für die Zukunft er�ffnet, ohne zu bestimmen,
welche dieser M�glichkeiten tats�chlich realisiert wird. So wird man etwa eine
Erbschaft positiv bewerten aufgrund der M�glichkeiten der Wunschbefriedigung,
die sie er�ffnet. Aber tats�chlich wird man wegen des erworbenen Reichtums
Opfer eines Raubes. Dann k�nnte man sagen: "wäre blo� die Erbschaft nicht
gewesen".
War deshalb nun die vorherige positive Bewertung der Erbschaft
falsch? Damals überwogen die positiven M�glichkeiten die negativen bei weitem.
Offenbar handelt es sich bei solchen Bewertungen um statistisch gemeinte
Verallgemeinerungen:"In der Regel sind Erbschaften für den Erben etwas
Positives."
*XIX-86*
Ein Problem der entscheidungslogischen
Betrachtungsweise ist, dass dabei die Menge der Alternativen, der Bereich des
M�glichen als gegeben angesehen wird. Aber in vielen Situationen steht der
Bereich des M�glichen nicht fest. Manchmal geht es darum, neue M�glichkeiten zu
erschlie�en, etwa wenn man sich um Erfindungen bem�ht. Es lohnt sich dann, auch das Unm�gliche anzustreben, um neue Ideen,
Mittel und Verfahren zu entdecken und so das heute noch Unm�gliche zuk�nftig
m�glich zu machen. (Die Mehrdeutigkeit von "m�glich" beachten: Den Menschen vor
100 Jahren war es nicht m�glich zu fliegen, aber das Fliegen war nicht unm�glich
im Sinne von logisch oder naturgesetzlich ausgeschlossen.) Die Ausweitung
menschlicher M�glichkeiten ist gerade der Vorzug bestimmter
Entscheidungsverfahren (wie z. B. der Unternehmer-Wirtschaft, die eine Pr�mie
auf Innovationen bei Produkten und Produktionsverfahren setzt.
*XIX-87*
Oft strebt man auch etwas nicht Realisierbares an, und es
wird trotz des Nichterreichens des hohen Zieles ein Erfolg, weil man dabei
n�tzliche Fortschritte gemacht hat, weil dabei Erfindungen "abgefallen" sind.
*XIX-88*
Terminologisches: im Deutschen ist der Begriff "Nutzen" bzw.
"n�tzlich" auf die Charakterisierung von Mitteln eingeengt � zumindest im
traditionellen Verständnis. Er erscheint deshalb untauglich zur Auszeichnung von
letzten Zwecken. Deshalb mag es besser sein, den Begriff "Wert" zu verwenden,
auch wenn dieser Begriff philosophisch ebenfalls bereits belegt ist.
*XIX-89*
Zur Entstehung und Durchsetzung von Normen innerhalb einer
egalit�ren Gemeinschaft.
Einer beeintr�chtigt mit einer eigeninteressierten
Verhaltensweise die Interessen anderer, die ihm daraufhin zu verstehen geben,
dass er das nicht tun solle. Verhaltensweisen, die in ihren interessem��igen
Auswirkungen besonders klar sind, weil sie nur negativ sind, relativ viele
betreffen und/oder relativ stark sind, lassen sich einfacher einf�hren. (Zu ber�cksichtigen ist in einer
konkreten Gesellschaft die Machtverteilung, also die F�higkeit, unerw�nschtes
Verhalten anderer zu sanktionieren.)
*XIX-90*
Zeitliche und r�umliche Bestimmungen treten nicht als
wirkende Ursachen oder bewirkte Folgen in der Erkl�rung des Geschehns auf.
Allerdings dienen sie der Beschreibung.
*XIX-91*
Zum Begriff "Erkenntnis". Man spricht davon, dass man einen
Bekannten "erkannt" hat, wenn man jemanden identifiziert hat, den man bereits kennt.
Es handelt sich also genau gesprochen um ein "Wiedererkennen". Wie ist es damit bei
wissenschaftlicher Erkenntnis?
(67)
Da sich die Vielfalt der Verhältnisse, die unendliche Kompliziertheit
der Handlungssituationen nicht vollst�ndig in prim�ren Verhaltensnormen
einfangen lässt, sind Normsetzungsverfahren notwendig. Denn in Bezug auf
wertempfindliches Verhalten m�ssen den Akteuren im Voraus die betreffenden
Normen bekannt sein.
Einmal deshalb, um den Beteiligten eine Koordination ihrer
Handlungen zu erm�glichen, zum andern deshalb, um die Entscheidung nicht nur der immer
erneuten Suche des jeweiligen individuellen Akteurs zu überlassen. Beides wäre
einer Wertmaximierung abtr�glich.
*XIX-92*
Durch die Institutionalisierung von Normsetzungsverfahren
entsteht nun eine Zweistufigkeit (oder auch Vielstufigkeit) der Normen: die
prim�ren Normen ergeben sich nicht unmittelbar aus der Vernunft, sondern werden
aus normativ festgelegten Verfahren erzeugt � also nicht logisch deduziert.
*XIX-93*
Die abstrakte Bewertung von Handlungsweisen, Sachverhalten,
Gegenst�nden ohne Ber�cksichtigung der konkreten Situation ist eine "praktische"
aber grobe Verallgemeinerung. Einmal durchgehen, wie hier im Alltag argumentiert
wird. Solche Bewertungen stellen wohl mehr Faustregeln dar.
*XIX-94*
Zur Darstellung der Durchsetzungsprobleme von Normen kann
man mehrdimensionale Matrizen verwenden, in die s�mtliche Handlungsm�glichkeiten
mit ihren Werten für die Individuen und ihren Gesamtwerten eingetragen
werden. Gleichzeitig kann man damit die Konflikte zwischen Moral und Interesse deutlich machen.
*XIX-95*
Zur Terminologie: Diejenige Kombination, die zum Resultat
mit dem h�chsten Gesamtwert f�hrt, k�nnte man die "optimale
Handlungskombination" nennen. Dabei muss es nicht nur eine einzige optimale
Handlungskombination geben, sondern es kann davon viele (gleichwertige) geben.
Diejenige Handlung eines Individuums, die Element einer optimalen
Handlungkombination ist, kann man als "optimale Handlung" bezeichnen. Auch hier kann es
bezogen auf eine bestimmte Entscheidungssituation mehrere optimale Handlungen
geben.
*XIX-96*
Das Problem der sozialen Normgebung als auch der
individuellen Handlungsorientierung ist es nun, m�glichst die (bzw. eine)
optimale Handlungskombination zu realisieren. Dies kann geschehen durch ein
Normengef�ge, das den Individuen jeweils die Handlungen gebietet, die einer
bestimmten optimalen Handlungskombination zugeh�ren.
*XIX-97*
Probleme entsteht nun daraus, dass nicht für alle
relevanten Individuen eine gemeinsame Normsetzung erreicht wird (zum Beispiel
wegen der Existenz von Staatsgrenzen) und dass einige Individuen die gebotene optimale Handlung nicht ausf�hren. Insofern die
Handlungen dieser unbotm��igen bzw. nicht kooperierenden Individuen
vorhergesehen werden können, muss man die Matrix um diese Individuen
verkleinern, um dann aus der verbleibenden Matrix eine neue optimale
Handlungskombination zu bestimmen. Insofern jedoch die Handlungen von den
Individuen nicht vorhersehbar sind, bleibt das Problem der Anpassung
an nicht-optimale Verhaltensweisen.
*XIX-98*
Offenbar kann dies auf der Ebene rein individueller
Handlungsnormen nicht gel�st werden, wie Regan deutlich macht.
Wie wird das
Koordinationsproblem in der Praxis gel�st? Gewähnlich wohl so,
dass die Individuen unbedingt auf die optimale Handlungskombination festgelegt
werden, gleichg�ltig ob sich alle daran halten oder nicht, und das Abweichen von
der optimalen Handlungskombination bestraft wird. Damit werden Sch�den aufgrund
von Fehlkoordination in Kauf genommen. Es kann sich aber auch niemand damit
entschuldigen, dass er nur auf das nicht-optimale Handeln der Anderen
reagiert habe.
*XIX-99*
Eine andere Verfahrensweise besteht darin, dass bei der
sozialen Normgebung von vornherein auf zu hochgesteckte bzw. st�ranf�llige
Optima verzichtet wird und stattdessen relativ stabile Suboptima angesteuert
werden, deren Handlungskombination den Individuen vorgeschrieben wird. Sehr
h�ufig wird auf st�ranf�llige Maximalziele verzichtet, vor allem dann, wenn die
optimale Handlungskombination sehr kompliziert ist und deren Ermittlung und
Umsetzung in Normen für jedes Individuum sehr aufw�ndig wäre.
*XIX-100*
Die Wahl selber kann zur Qual werden, zum Beispiel
wenn zwei stark begehrte Ziele erreichbar sind, jedoch nicht beide
gleichzeitig. Der Frust bedeutet zus�tzliche Entscheidungskosten.
*XIX-102*
Ist die
Regel: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" eine prim�re Handlungsnorm oder ein
Normsetzungsverfahren? Unterscheidungsmerkmal hierfür ist wohl, ob daraus die
untergeordneten Normen deduziert werden können oder ob die untergeordneten Normen
mit Hilfe anderer Operationen erzeugt werden.
Wie kommt es zu der Norm: "Jetzt darf das Individuum A mahlen (und alle anderen
m�ssen warten)"?
Zum einen gibt es faktisch eine Beschr�nkung hinsichtlich der Zahl derer, die
zur gleichen Zeit mahlen können. (Andererseits wäre kein Konflikt m�glich und keine
normative Regelung erforderlich.)
Andererseits gibt es zu bestimmten
Zeiten mehr Individuen, die mahlen wollen als
Kapazit�t vorhanden ist. (Andernfalls wäre ebenfalls
kein Konflikt m�glich.)
Angenommen es k�nnte nur ein Individuum zur Zeit mahlen. Dann w�rde aus den drei
Pr�missen: "Gegenw�rtig mahlt niemand", " Individuum A ist von allen Wartenden
zuerst gekommen" und "Wer zuerst kommt, der darf zuerst mahlen"
der Schluss folgen: "Jetzt darf A mahlen."
Zwei
dieser Pr�missen sind
empirischer Natur und bed�rfen der empirischen Feststellung, aber man k�nnte
diese empirischen Bedingungen auch mit in die Formulierung der Norm hineinnehmen: "Wer zuerst kommt, darf zuerst mahlen, sofern Kapazit�ten frei sind."
Dies ist wohl kein Normsetzungsverfahren, sondern eine generelle Norm, die
allerdings bestimmte Variablen enth�lt.
*XIX-103*
ähnliches gilt für die Regel: "Der Letzte macht hinter sich die T�r zu!"
Es bedarf dabei auch einer empirischen Feststellung � n�mlich des Letzten, aber
das gilt wohl für alle bedingten Normen: "Wenn Bedingung x gegeben ist, tue
Handlung y", denn um die Norm "Tue y!" abzuleiten, bedarf es der Feststellung,
dass x gegeben ist.
*XIX-104*
Wie ist es bei der Anwendung von Zufallsverfahren? "Wer die rote Kugel aus all
den wei�en Kugeln zieht, ist an der Reihe." Hier wird das Merkmal,
das zur Erlaubnis f�hrt, erst durch ein Verfahren erzeugt ("Ziehen der roten
Kugel".) Allerdings enthalten diese Verfahren keine Wertkalkulation oder
eine Abw�gung von Werten.''
*XIX-105*
Bei den Normsetzungsverfahren kann man unterscheiden zwischen "direkten"
Verfahren, bei denen die Beteiligten bewusst eine Realisierung des maximalen
Gesamtnutzens (bzw. der Gerechtigkeit) anstreben und "indirekten" Verfahren, bei
denen die Gesamtwertorientierung durch die Struktur des Verfahrens zustande
kommt, obwohl die Beteiligten dies individuell nicht anstreben (zum Beispiel
Tausch, unter Umst�nden auch Abstimmungen). (70)
*XIX-107*
Auch Gottesurteile und Duelle (Recht des St�rkeren) sind Verfahren, die keine
Interessenber�cksichtigung enthalten.
*XIX-108*
Was spricht für die Regel: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" bzw. "Die Abfertigung
erfolgt in der Reihenfolge der Ankunft"?
Wird die Minimierung der
Gesamtwartezeiten erreicht? Nein. Entsteht für einzelne eine Minimierung der
H�chstwartezeiten? Ja.
Wie ver�ndert sich die gesamte Wartezeit (= Summe
aller individuellen Wartezeiten) durch Verschiebungen innerhalb der Reihenfolge?
Beispiel: Drei Kunden A, B und C kommen zum M�ller. Das Mahlen beginnt um
8.00 Uhr. Die Abfertigung eines Kunden dauert 30 Minuten.
A kommt um 8.10
Uhr. Es wird gerade jemand abgefertigt. B kommt um 8:20 Uhr zum Mahlen. C kommt um 8:25
Uhr zum Mahlen.
Entsprechend ist die Reihenfolge: erst A, dann B,
dann C. A ist um 8:30 Uhr an der Reihe, B um 9:00 Uhr und C
um 9.30 Uhr .
Name des
Reihenfolge der
Uhrzeit der
Beginn der
Wartezeit
Kunden Ankunft
Abfertigung
Ankunft
Abfertigung
in Minuten
A:
1.
1.
8:10
8:30
20
B:
2.
2. 8:20
9:00
40
C:
3.
3. 8:25
9:30 65
125
Die Gesamtwartezeit betr�gt dann 125 Minuten.
Wie gro�
wäre die Gesamtwartezeit bei ge�nderter Reihenfolge der Abfertigung: erst C, dann B, dann A?
Name des
Reihenfolge der
Uhrzeit der
Beginn der
Wartezeit
Kunden
Ankunft
Abfertigung
Ankunft
Abfertigung
in Minuten
A: 1.
3.
8:10 9:30
80
B: 2.
2. 8:20 9:00
40
C:
3.
1. 8:25
8:30
5
125
Die Regel
"Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" hat offenbar auf die Gesamtwartezeit bei gleicher
Inanspruchnahme der Kapazit�ten keinen Einfluss(?). Allerdings kommt es zu einer
Minimierung der maximalen individuellen Wartezeit. (?)
Bei beschr�nkten Kapazit�ten (Theaterkarten) bewirkt die Regel, dass die H�chstwartezeit dessen, der keine Karten mehr bekommmt, minimiert wird. (?) (All das muss allgemein bewiesen werden.)
*XIX-109*
Wie ist das bei einer ungleichen Inanspruchnahme der Kapazit�ten? Nehmen wir das
bekannte
Beispiel "Schlange vor der Kasse".
Es kommt jemand, der etwa
nur einen Artikel eingekauft hat, also schnell abgefertigt werden kann, und er
bittet den vor ihm Stehenden, der sehr viel eingekauft hat und deshalb relativ lange
zur Abfertigung braucht, ihn vorzulassen. W�rde dadurch die Gesamtwartezeit
verringert? Offenbar ja, denn der Vorgelassene spart mehr Zeit als der Vorlassende an Zeit verliert.
für die
Nachfolgenden bleibt die
Zeit gleich. Die Gesch�fte haben deswegen manchmal Extra-Kassen nur für Kunden mit
bis zu 5 Artikeln eingerichtet.
Zur Minimierung der Gesamtwartezeit wäre es also sinnvoll, dass die
Reihenfolge der Warteschlangen entsprechend der zu erwartenden Dauer der Abfertigungszeit aufgebaut werden. Allerdings ist es bei dieser
Regelung m�glich, dass dann manche Individuum extrem lange
(und vor allem unvorhersehbar lange) Wartezeiten haben, da immer wieder jemand
vorgelassen werden muss, weil er eine k�rzere Abfertigungszeit hat.
Dies
erscheint als nicht zumutbar, weil durch Ungewissheit eine Belastung verst�rkt
wird (es z�hlt für die Bewertung also
nicht nur die faktisch l�ngere Wartezeit).
Warteminute ist wertm��ig nicht gleich Warteminute. Ab einer bestimmten Schwelle
wird jede Minute unertr�glicher. Dann ist eine lange Wartezeit nicht wertm��ig gleich mit der
gleichgro�en Summe mehrerer kurzer Wartezeiten.
Zu Recht beruht das Vorlassen in einer Warteschlange auf Freiwilligkeit. Durch nichts
lässt sich �brigens die Unsitte rechtfertigen, sich an die Spitze der Schlange
zu setzen und dort jemanden zu bitten, von ihm vorgelassen zu werden. Die übersprungenen sind
aber auch
betroffen und m�ssen deshalb alle ebenso um ein Vorlassen gebeten werden. Denn
unter den übersprungenen k�nnte sich
jemand befinden, der eine noch k�rzere Abfertigungszeit ben�tigt oder der es
besonders eilig hat. (73) Au�erdem ist der Vorrang bei k�rzerer
Abfertigung kein Recht.
Zur graphischen Darstellung von
Ver�nderungen des Gesamtwertes im Zuge von Ver�nderungen der einzelnen Nutzen-
und Kostenarten kann man auch getrennte Funktionen für die Nutzenverl�ufe
verwenden, die dann addiert (oder anders aggregiert) werden (so wie Buchanan/Tullock in ihrer Verfassungstheorie).
Zum Beispiel "Betreten des Rasens". Dabei steht die
Sch�digung des Rasens (Kosten) der Zeitersparnis (Nutzen) gegenüber.
(Darstellung weggelassen)
Im Idealfall kann man hier die Differentialrechnung anwenden. An solchen
Kurven lässt sich auch gut das Problem demonstrieren, eine eingetretene
Verwilderung der Sitten wieder r�ckg�ngig zu machen: Wenn der Rasen erst einmal
kaputt ist, l�uft erst recht jeder drüber, da er meint, dass es nun auch nicht mehr darauf
ankommt. Als Problem kommt die zeitliche Verz�gerung hinzu, mit der die positiven oder negativen
Folgen von Verhaltensweisen am Rasen sichtbar werden.
Ein anderes Beispiel: "Abfall auf die Stra�e werfen". Hier
liegt das Optimum bei Null. Die Kostenfunktion steigt mit dem ersten St�ck
Abfall
steil an und flacht sich dann ab.
(Zeichnung weggelassen)
*XIX-110*
natürlich werden bei derartigen Betrachtungsweisen erhebliche Vereinfachungen
vorgenommen, was den positiven oder negativen Wert der konkreten Handlung
angeht. Das Rasenbetreten oder Abfallwegwerfen in einem konkreten Fall kann
ganz anders liegen,
wenn jemand den Rasen betritt, weil er einem Ertrinkenden zu Hilfe eilt, oder
wenn jemand seine Einkaufst�ten wegwirft, um einen Dieb besser verfolgen zu
können. Das gilt selbst für die T�tung eines andern Menschen, deren Wertbilanz
in der Regel v�llig negativ ist, die jedoch im Einzelfall positiv sein mag, wenn zur Verhinderung eines Attentats
get�tet wurde, das zahlreiche
Menschenleben gefordert h�tte.
*XIX-111*
Viele positiv bewertete Zust�nde
lassen sich nur durch das Zusammenwirken mehrerer Individuen erreichen, d.h. durch
Kooperation. Nehmen wir als Beispiel das Anheben eines schweren Balkens für
einen Hausbau. Dabei m�ssen drei Leute mit anfassen. In diesem Fall
erh�lt man eine stufenfürmige Wertfunktion. Solange nur ein oder zwei
Individuen mit anfassen, tut sich gar nichts. Erst mit dem Dritten stellt sich
der gew�nschte Erfolg ein. Ein Vierter, der mit anfasst, erh�ht den
Erfolg auch nicht.
In einem solchen Fall kann man nicht einfach die Norm
formulieren: "Alle mit anfassen!", denn wenn sich nur zwei Leute bereit finden,
können sie nichts erreichen. Wenn sich mehr als drei Leute bereit finden, ergibt
sich keine Verbesserung. Die beste Norm wäre hier: "Drei
Individuen sollen den Balken anheben". Hier fehlt dann noch die
Adressierung. (75)
*XIX-112*
Ein anderes Beispiel wäre eine Br�cke mit der
maximalen Tragkraft für 10 Personen ausreicht, die also einst�rzt, wenn sich auf
ihr 11 Personen befinden.
Auch in diesem Fall lassen sich keine individuell
adressierbaren Normen formulieren, denn die Norm: "Betrete die Br�cke nicht,
sofern bereits 10 Leute auf der Br�cke sind" reicht nicht aus. Wenn nur 9
Personen auf der Br�cke sind, k�nnten nach dieser Regel gleichzeitig 2
Individuen die Br�cke betreten.
Auch hier muss es ein Auswahlverfahren geben � zum Beispiel das
Warteschlangenprinzip. In all diesen F�llen gibt es mehrere optimale
Handlungskombinationen, die sich nur dadurch unterscheiden, dass
unterschiedliche Individuen mitwirken. Beim Balkenheben mag es etwa 4 Individuen
ABCD geben. Dann g�be es folgende optimale Handlungskombinationen: ABC,
ABD, ACD und BCD.
Im Falle mehrerer Optima bedarf es einer zus�tzlichen
Entscheidung über das gemeinsame Optimum, um die Handlungen der
(maximierungswilligen) Individuen zu koordinieren. Auch hier würden der
Terminologie von Regan � eine "ausschlie�lich handlungsorientierte Theorie"
nicht ausreichen, die versucht den Individuen individuell adressierte Normen
hinsichtlich ihres Verhaltens (anfassen oder nicht) zu geben.
*XIX-113*
lässt sich
ein Beispiel für ein Suboptimum finden, dass angesichts des Fehlverhaltens der
andern noch relativ am besten ist? Ein Beispiel wäre vielleicht die milit�rische R�stung:
B
B
r�stet auf r�stet ab
A r�stet auf
5
0
A r�stet ab
0
10
Die bedingten Normen an jeden: "R�ste ab, wenn der andere abr�stet"
und "R�ste, wenn der andere r�stet" schreiben kein bestimmtes Verhalten vor,
sondern sind wie Regan ausf�hrt "unbestimmt/indeterminate". Denn sie können durch
2 verschiedene Handlungskombinationen erf�llt werden, auch durch die suboptimale
Handlungskombination "Alle r�sten auf".
*XIX-114*
Zum Problem, dass es suboptimale Handlungskombinationen gibt, bei denen sich
scheinbar keiner falsch verhalten hat, sondern jeder das Optimum angestrebt hat.
Im Alltag fallen die Entscheidung oft nicht simultan, sondern die Handlungen
einer Kombination erfolgen ungleichzeitig. Dann lässt sich feststellen,
welches Individuum zuerst von der optimalen Handlungskombination abgewichen ist.
Allerdings kann es sich auch dann auf die Antizipation nicht-optimaler
Handlungen des anderen berufen. So wird für den milit�rischen
Pr�ventivschlag argumentiert, der dem Angriff des Gegners zuvorkommen soll und
im angeblich unvermeidlichen Krieg strategische Vorteile sichern soll.
*XIX-115*
Man sagt manchmal: "Rein gef�hlsm��ig habe ich es abgelehnt" oder "Rein
instinktiv habe ich es abgelehnt" im Unterschied etwa zu der Formulierung "Nach
reiflicher überlegung habe ich es abgelehnt". Ein Mensch kann zu seinen Gef�hlen
noch einmal kritisch Stellung nehmen. Es gibt zwar eine gef�hlsm��ige Bewertung,
aber Bewerten ist nicht nur Gef�hlssache.
*XIX-116*
Einmal die bestehenden
moralischen und rechtlichen Normen daraufhin untersuchen,
inwiefern sie Kooperation bzw. Koordination vorschreiben.
*XIX-118*
Einmal untersuchen, inwiefern die moralischen und rechtlichen Normen prim�re
Verhaltensnormen beinhalten und inwiefern es sich um Normen handelt, die
Normsetzungsverfahren konstituieren. Die Unterscheidung ist nicht ganz einfach
und es gibt vor allem auch noch andere Normarten, wie zum Beispiel
"methodologischen Normen", die die Aufgabe einer Bewertung enthalten und ein
direktes Verhalten beinhalten, zum Beispiel Normen wie: "Sei r�cksichtsvoll",
"Helfe Menschen in Not", "Liebe deinen N�chsten", "Tue Gutes".
*XIX-119*
Viele Normen enthalten eine ceteris-paribus-Klausel oder sind
prima-facie-Pflichten, um mit David Ross zu sprechen. Sie formulieren
Gesichtspunkte moralischer Orientierung, die mit anderen Gesichtspunkten
konkurrieren können.
*XIX-120*
Zu den Normen, die Normsetzungsverfahren konstituieren, geh�ren vor allem die so
genannten "institutionellen" Normen: "Du sollst nicht stehlen (betr�gen,
unterschlagen, fremdes Eigentum besch�digen)", "Du sollst deine Versprechen
halten", "Du sollst nicht ehebrechen", "Du sollst dich an Mehrheitsbeschl�sse,
Vertr�ge, Gerichtsentscheidungen, et cetera halten". In all diesen F�llen werden
prim�re Normen erzeugt, die mit der Autorit�t der jeweiligen Institution
ausgestattet sind und nicht nur mit dem Anspruch der Vernunft.
*XIX-121*
Der Utilitarismus hat den Vorteil, dass er die
Bewertung von Zust�nden und die Normierung des Handelns zusammenbringt: die Menschen sollen so
handeln, dass die besten Zust�nde verwirklicht werden. Eine Theorie, bei der
beides auseinandergeht, ist problematisch. Allerdings ist die Beziehung zwischen
Wertung und Norm nicht so einfach, wie es den �lteren Utilitaristen schien.
So kommt es unter Umst�nden auf die Entdeckung neuer M�glichkeiten an
und es kann nicht einfach die beste M�glichkeit ausgew�hlt werden. Oder es ist
problematisch, definitiv die beste Alternative zu bestimmen, so dass es eines
nicht rein argumentativen Entscheidungsverfahrens bedarf. Oder es ist aus
Gr�nden der sozialen Koordination erforderlich, im voraus und für alle
potentiellen Adressaten �ffentlich Verhaltensnormen aufzustellen, die der
jeweils individuellen Bewertung und den Problemen mehrfacher Optima
entzogen sind.
Diese und weitere Schwierigkeiten machen es erforderlich, dem individuellen
Akteur das selbstverantwortliche Handeln gem�� dem Optimum seiner überzeugung zu
entziehen � und das im Namen einer Realisierung des Optimums � ein Paradox. Wenn
man davon ausgeht, dass das Individuum das wirkliche Optimum kennt, wird es
besonders paradox.
Weitere Komplikationen kommen dadurch, dass viele Normen aus
Gr�nden der Koordination eine weitgehende Befolgung erfordern, und Norminhalt
sowie Normsetzungsverfahren so gestaltet sein m�ssen, dass eine weitgehende
Befolgung sichergestellt ist.
*XIX-122*
Gibt es in der Sprache
Worte, deren richtiger Gebrauch voraussetzt, dass man die Interessenlage des
anderen kennt? Offenbar ja, zum Beispiel "helfen", "Schaden", "bestrafen",
"belohnen", "fürdern", u. a.m. So ist "unterlassene Hilfeleistung" sogar
eine Handlung, die vom Strafgesetzbuch unter Strafandrohung gestellt ist. In den
Pr�zisierungen des Deliktes tauchen dann Worte auf wie "Ungl�cksfall", "Not",
"Erkrankung", "Selbstmordversuch", "Schaden", "Gefahr", denen man entgegenwirken
soll, alles Begriffe, deren intersubjektiv funktionierende Anwendung ein
gemeinsames Verständnis menschlicher Interessen voraussetzt. Diese
Argumentationslinie weiter ausbauen. Zeigen, auf welchen gro�en und wichtigen
Bereich allt�glicher Kommunikation derjenige verzichten muss, der die
interpersonale Erkenntnis der Dringlichkeit von Interessen verneint.
Interessant ist bei diesem Paragraphen (� 330c Strafgesetzbuch) die Formulierung
der "Zumutbarkeit" der Hilfeleistung, n�her pr�zisiert durch den Zusatz "ohne
erhebliche eigene Gefahr". Kann man sagen: Wer den intersubjektiven
Nutzenvergleich, die zwischenmenschliche Interessenabw�gung prinzipiell ablehnt,
der muss auch eingestehen,dass ihm dieser Paragraph sinnlos bzw. unverst�ndlich
ist, der kann nicht bestimmen, ob jemand in schwerer Not oder erheblicher Gefahr
ist, denn das w�rde eine interpersonale Gewichtung von Interessen voraussetzen:
"schwer", "erheblich" usw. Solche nicht rein subjektiven Abstufungen von
Interessensbeeintr�chtigungen werden im Alltag immer wieder praktiziert.
*XIX-123*
Ordnung von Interessen nach ihrer "Elementarit�t":
Die Befriedigung eines Interesses I1 ist elementarer als die Befriedigung eines
Interesses I2, wenn die Befriedigung des Interesses I2 nur m�glich ist, wenn
zuvor Interesse I1 befriedigt wurde. (Wie beschreibt und bestimmt man ein
Interesse? Das wird hier wichtig.)
Ist das Interesse an der Erhaltung des eigenen Lebens insofern das elementarste
Interesse, als dessen Befriedigung - das Weiterleben � Bedingung für die
Befriedigung aller anderen Interessen ist? Nicht unbedingt: mein Interesse an
der Vermeidung eines Lebens mit schrecklichen Schmerzen mag nur durch den
freiwilligen Tod erm�glicht werden, wenn ich entsprechend schwer erkranke (hier
ist die Interessenformulierung nicht situationsbezogen. Der Ansatz stammt wohl
von Kriele und Maslow.) (83)
(Exzerpte) (113)
*XIX-124*
Die verschiedenen Arten von Wertungen unterscheiden, zum Beispiel
-
zweckbezogene Wertungen: "eine gute Schere" (gut für den Zweck des Schreibens); oder
- subjektbezogene Wertungen: "Ich f�nde es gut, wenn Du das t�test"; gut für mich
oder
- allgemeine Wertungen: "Das beste wäre die Abschaffung dieses
Gesetzes"; das Beste für alle.
*XIX-125*
Ein Problem der
utilitaristischen Konstruktion ist, dass die Interessen bzw. Begehren nicht alle
auf der gleichen Ebene liegen. So können bestimmte Willensregungen in mir
wiederum zum Gegenstand übergeordneter Willensregungen werden. Etwa der Wille,
ein anderer Mensch (mit anderen W�nschen) zu werden. Diese wollende und wertende
Stellungnahme zu sich selber, zu den eigenen W�nschen, Motiven, F�higkeiten,
Gewohnheiten ist für die menschliche Pers�nlichkeit ein �u�erst wichtiger
Aspekt. Etwa als Ph�nomen der Selbsterziehung, als Entschluss, sich einer
Psychotherapie zu unterziehen oder einer sonstigen "bildenden" Erfahrung.
Insofern es sich einfach nur um verinnerlichte moralische Normen handelt,
d�rften solche Wertungen wohl nicht ber�cksichtigt werden. Aber was ist mit dem
Interesse, ein guter Mensch zu sein, ein gutes Gewissen zu haben, bei den
anderen gut angesehen zu sein oder ähnlichem; dem Wunsch, stabile
bzw. widerspruchsfreie transitive Interessen zu haben, dem Fall Wunsch,
kompatible Interessen zu haben, bestimmte pathologische bzw. perverse Interessen
nicht zu haben?
Es gibt eben nicht das eine, konsistente Willenszentrum in der
Person. Was z�hlt angesichts derartiger innerer Widerspr�che und
Konflikte in der Person?
(ab hier zu Wahrheitstheorien) (135)
*XIX-126*
Ausgangspunkt der normativen überlegungen ist der Streit, der Konflikt zwischen
Menschen (eventuell auch der innere Widerstreit in einem Menschen) darüber, wie
Menschen handeln sollen. Man kann diesen Streit mit allen m�glichen Mitteln
austragen, zum Beispiel denen der Gewalt. Der Konflikt findet statt als Kampf zwischen
den verschiedenen Parteien und endet mit dem Sieg einer Partei. Die Frage,
wer recht hat oder was allgemein gesehen das beste wäre et cetera wird dabei gar
nicht gestellt.
Vielleicht gibt es auch einen Verhaltenskodex, der durch eine
überlegene Macht garantiert wird, auf dessen Einhaltung die Parteien notfalls gewaltsam
festgelegt werden, so dass die Frage gestellt werden muss, ob das Verhalten der
Parteien diesen Kodex verletzt oder nicht.
Darüber hinaus jedoch kann man den
Streit "vern�nftig", "mit Argumenten" austragen und versuchen auf diesem Wege
zu einer Einigung zu gelangen. Dann stellt man die Frage, welches Verhalten
richtig wäre.
*XIX-127*
Wahrheit ist notwendig Wahrheit für alle, allgemeine Wahrheit. Wahrheit muss
immer begr�ndet werden können (Wahrheitsanspruch). Gr�nde für Wahrheit m�ssen
immer Gr�nde für alle sein, allgemeine Gr�nde. Gr�nde m�ssen von jedem aus
freier überzeugung geteilt werden können. Was wahr ist, muss von allen aus
freiwilliger überzeugung bejaht werden können.
*XIX-128*
Man mag etwas behaupten, das wirklich wahr ist, aber solange man keine Gr�nde
für diese Behauptung angeben kann, gibt es keinen Grund dafür,einen
Wahrheitsanspruch zu erheben, und auch keinen Grund dafür, selber von dieser
Behauptung überzeugt zu sein.
Zwischen den beiden Extremen, der bewiesenen Behauptung und der widerlegten
Behauptung gibt es viele Schattierungen, je nachdem, wie viele gute Gr�nde für
oder gegen, pro oder contra gegeben werden können. Das weite Gebiet der
strittigen Fragen und der offenen Behauptungen.
*XIX-129*
Argumentieren kann man nicht nur gegen (feste) Behauptungen, sondern auch gegen
blo�e Vermutungen. Auch die Letzteren erheben wohl einen G�ltigkeitsanspruch,
wenn auch die überzeugung hier nur schwach ist. Offenbar gibt es verschiedene
Sicherheitsgrade von überzeugungen und den zugeh�rigen Behauptungen. Man kann
Behauptungen auch nur versuchsweise aufstellen und fragen, wie weit sie der
Kritik standhalten. .
*XIX-130*
Meine Konzeption der Normenbegr�ndung noch
pr�ziser fassen, d.h. auch: so logisch zwingend wie m�glich:
welche S�tze folgen
aus welchen anderen?
Welches sind Definitionen?
Was sind empirische Annahmen?
Welches sind die nicht deduktiv ableitbaren 1. S�tze der Theorie?
Wie werden
diese begr�ndet?
Eine kompakte, m�glichst logisch zwingende Argumentation ohne
jede Rhetorik, Abschweifungen, Wiederholungen, Didaktik, et cetera. Eine Ethik 'more geometrico', soweit das geht. Dabei werden auch die L�cken und Spr�nge in der
Argumentation deutlich werden und als solche zu kennzeichnen sein.
*XIX-131*
Zum Ethos des Wissenschaftlers geh�rt auch "intellektuelle Redlichkeit", die
Bereitschaft, Argumenten zu folgen; nicht selber Recht behalten zu wollen,
sondern der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen zu wollen.
(138)
*XIX-132*
So, wie die positiven Wissenschaften von der Frage ausgehen: "Welches sind die
richtigen (wahren) Behauptungen bzw. Annahmen über die Beschaffenheit der
Wirklichkeit?", so gehen die normativen Wissenschaften von der Frage aus:
"Welches sind die richtigen (wahren) Behauptungen darüber, wie die Wirklichkeit
beschaffen sein soll, insbesondere wie die Menschen handeln sollen und welche
Normsetzungsverfahren Anwendung finden sollen."
*XIX-133*
Ziel ist die Beantwortung
derartiger normativer Fragen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss zuerst gekl�rt
werden, was mit der "Richtigkeit" bzw. "Wahrheit" von Antworten auf normative
Fragen gemeint ist. Dies ist nur eine Interpretation des in der Zielformulierung
implizit enthaltenen Begriffs "wahr". Deshalb die Formulierung: "Was meinen wir,
wenn wir von 'Wahrheit' sprechen?"
Allerdings können unterschiedliche Wahrheitskonzeptionen vertreten werden. Es gilt dann, eine auszuw�hlen und die Auswahl zu
begr�nden. Das bedeutet, dass man die Zielsetzung normativer Wissenschaft selber
begr�nden muss.'
*XIX-134*
Man kann auch probehalber etwas behaupten und sich fragen, welche Gr�nde sich
dafür oder dagegen anf�hren lassen. D.h. die zur Diskussion stehenden
Behauptungen m�ssen nicht tats�chliche überzeugungen eines Beteiligten sein.
Eine solche Behauptung probehalber ist dort notwendig, wo man sich im
Zweifel befindet. Man kann dann verschiedene S�tze als m�gliche Kandidaten für
die Auszeichnung "wahr" der Argumentation für-und-wider aussetzen.
(139)
*XIX-135*
Es scheint ziemlich fruchtlos zu sein, sich um den richtigen Wahrheitsbegriff zu
streiten. Auch der Bezugspunkt beim gewähnlichen Verständnis von Wahrheit ist
problematisch, denn dies gewähnliche Verständnis mag selber widersprüchlich und
verworren sein. Besser scheint es zu sein, selber einen Wahrheitsbegriff zu
definieren und dann zu zeigen, was man mit diesem Begriff machen kann, inwiefern
es sich also lohnt nach Wahrheit im definierten Sinne zu streben. Da kommt es
eigentlich auch nicht mehr darauf an, ob man das Gemeinte als 'Wahrheit' bezeichnet
oder als Richtigkeit, G�ltigkeit et cetera.
*XIX-136*
Die Kl�rung der Werttheorie leidet darunter, dass die scheinbar einfachsten
Wertungen (etwa die soziale Wertung von Dingen), bereits Resultate weitgehender
Generalisierung und Abstraktionen sind, w�hrend die elementare Wertung, die eine
bestimmte Person aus ihrer Sicht in einer bestimmten Situation in Bezug auf die
darin angelegten Alternativen und ihre Elemente vollzieht, bereits als sehr
kompliziert erscheinen. Es muss gezeigt werden, wie es zu solchen situations- und
kontextunabh�ngigen Wertungen kommt und welche Probleme damit verbunden
sind. Andererseits zeigen, warum es trotzdem sinnvoll ist, solche
Generalisierungen zu versuchen. Es ist zu zeigen, warum man bei der Argumentation mit
solchen generalisierten Werten vorsichtig sein muss, welche Trugschl�sse hier m�glich
sind. (140)
*XIX-137*
Welche Normen sind für jedes Individuum gewaltfrei an erkennbar? Meine Antwort
darauf war das Solidarit�tsprinzip: argumentativ konsensf�hig sind nur Normen,
die dem solidarisch bestimmten Gesamtinteresse entsprechen. Aber was ist mit der
Antwort Tugendhats, dass es Normen sind, die "gleicherma�en gut für alle sind".
Warum nicht so wie T. statt auf das überwiegende Interesse bezugnehmen auf das gemeinsame
Interessen? Das Letztere st�nde in der vertragstheoretischen Tradition.
*XIX-138*
Die philosophischen Diskussionen um den Wahrheitsbegriff, wie sie
in Skirrbek abgedruckt
sind, sind für die Ethik kaum hilfreich. Es ist oft nur ein konfuses
Interpretieren konfuser Begriffe ohne klärende Zielstellung. Dagegen die Ausgangsproblematik für mich festhalten:
Wenn man in der normativen Wissenschaft
nach richtigen (oder wahren) Antworten auf Fragen des Typs: "Was soll
Individuum X in der Situation s tun?" sucht, so ist zu klären, was mit 'Wahrheit' in Bezug
auf normative Antworten gemeint ist. Dabei gehe ich so vor dass ich � soweit
m�glich � vom Wahrheitsbegriff der positiven Wissenschaft ausgehe und dessen
Struktur auf den normativen Bereich übertrage bzw. verdeutliche, was gewähnlich
vorausgesetzt wird, wenn man für oder gegen Normen argumentiert.
(141)
Der Anspruch auf Erkenntnis ist dabei keinesfalls h�her als in den
positiven Wissenschaften. natürlich sind die Verifikations- bzw.
Falsifikationsmethoden in den positiven Wissenschaften andere als in
normativen Wissenschaften, da es sich um unterschiedliche Fragen und Antworten
handelt. Trotzdem gibt es Aspekte von Wahrheit, die nicht gebunden sind an
positive Behauptungen.
S�tze, für die Wahrheit beansprucht werden kann, kann man
"Behauptungen" nennen. Behauptungen sind nicht subjektbezogen formuliert, sondern
allgemein. Es hei�t: "Der Ball ist rot" und nicht: "für mich ist
der Ball rot".
*XIX-139*
In Bezug auf der letzteren Satz lie�e sich nicht von Wahrheit reden. Es wäre
auch widersinnig zu sagen: "Der Satz 'Der Ball ist rot' ist wahr für mich".
Wenn eine
Behauptung wahr ist, dann muss sie wahr für alle sein. Nur etwas, das die Individuen für
wahr halten, kann subjektiv verschieden sein, aber nicht das, was wahr ist. Nur
deshalb ist es ja auch sinnvoll, sich um die Wahrheit zu streiten, weil nicht
jedes Individuum seine eigene Wahrheit hat.
*XIX-140*
Die Wahrheit kann man unter Umst�nden einfach raten. Oder man kann sie durch g�ttliche Offenbarung empfangen. Aber das ist nicht gemeint. Gemeint ist Wissenschaft, also die methodische, intersubjektiv kontrollierbare Suche und überpr�fung der aufgestellten Behauptungen. Die Frage ist, ob man den Wahrheitsbegriff so fassen soll, dass er wissenschaftliche Begr�ndbarkeit in diesem Sinne bereits impliziert.
*XIX-141*
Wissenschaftliche Erkenntnis verlangt, dass die aufgestellten Behauptungen für jeden frei nachvollziehbar begr�ndet werden. Was ist mit einer derartigen wissenschaftlichen Begr�ndung gemeint? Eine schl�ssige Begr�ndung besteht aus einem oder mehreren Elementen, die so aufeinander aufbauen, dass aus ihnen logisch die aufgestellte Behauptung folgt (oder bei einer Widerlegung die Verneinung der aufgestellten Behauptungen). Unter Umst�nden ist dies nicht m�glich. So lassen sich generelle S�tze nicht logisch aus singul�ren Sätzen deduzieren (Popper). Dann k�me eine abgeschw�chte Form der Begr�ndung in Betracht, bei der gezeigt wird, dass die aufgestellte Behauptung mit allen anderen begr�ndeten Behauptungen vereinbar ist.
*XIX-142*
Der Begriff "Diskurs" oder "Er�rterung" enth�lt in sich wohl etymologisch auch
schon das Prinzip der Intersubjektivit�t, die Betrachtung des Gegenstandes von
verschiedenen Orten oder Standpunkten aus. (?)
*XIX-143*
Hare leitet die Forderung nach
personunabh�ngigen Normen aus der Bedeutung des
moralisch gebrauchten "Sollens" ab.
*XIX-144*
Wenn man (meist skeptisch) die Frage stellt: "Gibt es wahre, allgemein g�ltige
Normen oder Werte?", so behandelt man Wahrheit als eine Eigenschaft, die Sätzen
oder Urteilen bestimmter Art entweder zukommt oder nicht. Aber in dem Satz:"Der Satz:'Die
Erde hat einen Umfang von mehr als 40.000 km' ist wahr" ist 'wahr' keine
Eigenschaft im normalen Sinne, schon gar keine empirische Eigenschaft. Statt zu
fragen: "Gibt es Wahrheit in Bezug auf Normen" sollte man sagen: "In wieweit gelingt
es uns, in Bezug auf Normen zu einem zwangfreien argumentativen Konsens zu
kommen?"
*XIX-145*
Was sind Gr�nde oder Argumente? Im Alltag werden Gr�nde zur St�tzung von Behauptungen oft verk�rzt vorgebracht, ohne dass explizit die Verbindung zur fraglichen Behauptung hergestellt wird; etwa wenn zur Rechtfertigung einer Norm auf ein einfaches Faktum verwiesen wird: "Ich muss ihm dabei helfen, denn er hat mir damals auch geholfen." Vorausgesetzt wird bei dieser Begr�ndung eine generelle Norm der Dankbarkeit bzw. der Wechselseitigkeit von Hilfen: "Wenn einem jemand einmal geholfen hat, so ist man ihm gegenüber zuk�nftig zu einer entsprechenden Hilfeleistung verpflichtet" (oder so ähnlich).
Die Frage ist, ob die st�tzende (oder schw�chende) Argumentation immer deduktiv strukturiert sein muss. Ein nicht-deduktives Element ist in jeder Argumentation enthalten, da sie irgendwo beginnen muss, also Pr�missen voraussetzen muss, die innerhalb der Argumentation nicht selber produziert worden sind.
*XIX-146*
Wie ist es mit dem Argument: "Ich sehe nicht das, was Du behauptest"? Zum Beispiel
jemand sagt: "Vor mir steht ein Tisch" und ein anderer sagt: "Ich
sehe dort keinen Tisch" als Gegenargument.
Welche weiteren S�tze werden dabei
stillschweigend vorausgesetzt? "Etwas, das existiert, kann von allen wahrgenommen
werden". (Aber R�ntgenstrahlen können nicht direkt wahrgenommen werden) (145)
*XIX-147*
Inwiefern besteht ein Gebot, den idealen Diskurs zu realisieren? Apel vertritt
wohl
diese Position. Aber was hei�t das mehr als dass dort, wo es um Wahrheit
geht, die Regeln der Argumentation einzuhalten sind? Hei�t das, dass in allen
Situationen die Entscheidungen diskursiv zu f�llen sind? Also Wahrheitssuche um
jeden Preis? Das wäre absurd. Man kann auf einer 2. Stufe noch einmal fragen
und nach wahren Antworten auf die Frage suchen: "Soll man in einer bestimmten
Situation diskursiv nach Wahrheit suchen?"
*XIX-148*
"Gr�nde" oder "Argumente" sind Gedanken bzw. S�tze, die die überzeugung bestimmen,
die Behauptungen st�tzen oder schw�chen. Aber auch bei Handlungen sagt man
ja, dass sie durch Gr�nde bestimmt sind. Allerdings klingt es etwas
eigenartig, wenn man sagt, dass Handlungen durch Argumente bestimmt werden. Man
muss hier zwischen einer psychologischen Betrachtungsweise und einer "fiktiven" Betrachtungsweise unterscheiden.
Soll man sagen: "Ein Gegenargument schw�cht die
Behauptung" oder "Es schw�cht die überzeugung von der Behauptung"? Ersteres gilt nur
bei G�ltigkeit des Arguments. Letzteres kann wohl auch ohne dies eintreten.
In der
1. Person kann man die Geltung der Argumentationsregeln
nicht bestreiten, nicht gegen sie argumentieren. Aber als Au�enstehender k�nnte man
fragen, ob Person A die Geltung der Argumentationsregeln bestreiten
sollte oder nicht. Aber das ist wohl noch eine andere Frage als die, ob Person A
die Geltung der Argumentationsregeln zu Recht bestreitet. Das erstere wäre eine
moralische Frage (positiv oder negativ für das Gesamtinteresse), das letztere
wäre eine methodologische Frage (?) (146) (es folgt eine zum Teil englische
Er�rterung von Connolly)
*XIX-149*
Wenn ich argumentiere, dann muss ich bestimmte Regeln
einhalten, sonst argumentiere ich nicht sondern mache etwas anderes. So
verstanden kann man gegen die Regeln der Argumentation gar nicht versto�en, es
sei denn, man will argumentieren und h�lt trotzdem die Regeln nicht ein oder
erkennt sie gar nicht an. Nur denjenigen, dem es um Wahrheit geht, kann
man auf die Regeln der Argumentation festlegen. Demjenigen, dem es nicht um
Wahrheit geht, kann man auch nicht begr�nden, dass es ihm um Wahrheit gehen
sollte, denn das wäre ja wiederum bereits eine Behauptung mit Wahrheitsanspruch.Die an Wahrheit orientierte Person scheint offenbar in einer misslichen Lage.
So hat es z.B. Popper gesehen (Die offene Gesellschaft, II. 24). Ein comprehensive
rationalism scheint ihm nicht m�glich. Aber
man muss sehen, dass derjenige, dem es überhaupt nicht um Wahrheit geht,
weder etwas behaupten noch bestreiten kann, dass deshalb seine Position für die
Argumentation irrelevant ist. Deshalb kann man
in der wahrheitsorientierten theoretischen Argumentation jedermann auf die Einhaltung der
Argumentationsregeln festlegen. Die Frage ist natürlich, welcher Wahrheitsbegriff
zu Grunde gelegt wird und welche Argumentationsregeln folglich gelten. Auch dies
ist keine beliebige Setzung. Wahrheit muss ein Geltungsanspruch sein, der nicht
nur subjektiv gilt, sondern allgemein. (148)
Wenn jemand nach etwas sucht, das
nicht für mich gelten soll, so interessiert mich sein Gesuchtes nicht. Weiterhin
muss der Geltungsanspruch mit Gr�nden einl�sbar sein, also mit zwanglos von mir
nachvollziehbaren Gedanken. Andernfalls ist der Geltungsanspruch nur ein
Glaubens- bzw. Gehorsamsanspruch.
*XIX-150*
Ist nun die Entscheidung, angesichts bestimmter Fragen und Antworten nach Wahrheit zu suchen und zu argumentieren ein "Glaubensakt" wie Popper meint? Nein, denn es gibt gute Gr�nde dafür, Fragen argumentativ zu entscheiden und das kollektive Handeln gewaltlos zu koordinieren, also nicht auf Wahrheits- oder Richtigkeitsanspr�che zu verzichten. Das ist aber bereits eine inhaltliche normative Frage, deren Beantwortung bereits Regeln und Kriterien normativer Argumentation voraussetzt.
*XIX-151*
Der Begriff "Begr�ndung" ist mehrdeutig. Unterscheiden
muss man wohl Gr�nde für überzeugungen und Gr�nde für Handlungen. Wichtig ist vor
allem der Unterschied zwischen privaten Gr�nden und allgemeinen Gr�nden, also
Gr�nden, die für alle gelten bzw. Geltung beanspruchen. In der wissenschaftlichen
Methodologie geht es vor allem um die Begr�ndung von Wahrheitsanspr�chen in
Bezug auf S�tze bzw. Behauptungen (oder Systemen von Behauptungen): "Der Satz p
ist wahr, weil�". Diese Weil-S�tze enthalten die Begr�ndungen. (Man k�nnte
allerdings auch formulieren: "Ich halte diesen Satz für wahr, weil
...")
*XIX-152*
"Wahrheit" ist ein Geltungsanspruch, der nur argumentativ eingel�st werden kann,
der also Gr�nde bzw. Beweise zu seiner Aufrechterhaltung - oder besser:
Rechtfertigung - ben�tigt. Gr�nde richten sich an das freie Urteilsverm�gen und die
davon bestimmten überzeugungen. Es kann keine überzeugungen geben, an denen das
Individuum gezwungenerma�en festh�lt und sich gleichzeitig dieses Zwangs
bewusst ist. Das wäre h�chstens eine Zwangsvorstellung. Man kann nichts
gezwungenerma�en für wahr halten. Steckt vielleicht ein Begriff von der 'Freiheit des vern�nftigen Subjekts'
dahinter, der weiter zu klären wäre.
*XIX-153*
Ich muss
einmal zusammenstellen, welchen Unterschied die Pr�dikate "wahr" bzw. "falsch" in
Bezug auf die Behandlung von Behauptungen machen. Wenn man von einer Behauptung
feststellt, dass sie wahr ist, dann ist man selber - und alle anderen -
aufgefordert, sie auch für wahr zu halten, sie zum Inhalte der eigenen überzeugung zu
machen (wobei "überzeugung" die Gesamtheit aller Behauptung bildet, die man für
wahr h�lt). Au�erdem sind damit alle anderen Behauptungen, die mit der wahren Behauptung
unvereinbar sind, falsch. (Es bleibt natürlich die Frage, wie man feststellt, ob
eine Behauptung mit einer anderen Behauptung unvereinbar ist.)
Wenn eine Behauptung wahr ist, dann hei�t das nicht, dass diese Behauptung in jedem Fall auszusprechen bzw. die damit unvereinbare falsche Behauptung nicht auszusprechen sind, denn man kann sagen: "Ich wei� zwar, dass diese Behauptung wahr ist, aber ich will sie in dieser Situation an diese Person nicht preisgeben." Oder man kann sagen: "Ich wei� zwar, dass diese Behauptung falsch ist, aber ich �u�ere sie, um in dieser Situation diese Person zu t�uschen, ihr also die Wahrheit vorzuenthalten". (Anders ist es jedoch bei der Diskussion. Dort w�rde L�ge und Unwahrhaftigkeit das Ziel der Diskussion st�ren, unterschiedliche überzeugungen der Diskussionsteilnehmer dauerhaft zu vereinheitlichen. (151)
Unterschiedliche überzeugungen stellen insofern ein Problem dar, als sich in
diesem Fall mindestens einer der Teilnehmer irren muss. Eine Diskussion hat nur
dann Sinn, wenn die Teilnehmer bereit sind, einen m�glichen Irrtum bei sich oder
anderen aufzudecken und zu korrigieren. Dies gilt jedoch nicht, wenn Teilnehmer
überzeugungen nur vort�uschen.
*XIX-154*
Wenn eine Behauptung wahr ist, so hei�t es auch, dass sie immer wahr gewesen ist
und sein wird. Der Wahrheitsanspruch von Behauptungen ist nicht nur personunabh�ngig sondern auf
zeitunabh�ngig. D.h. jedoch nicht, dass sich eine bisher für wahr
gehaltene
Behauptung nicht als falsch herausstellen kann.
(Exzerpt von
Scanlon) (ab 162 - 164)
*XIX-155*
Welche Implikationen hat der Wille zur
"informierten, zwangfreien, allgemeinen übereinstimmung".
Die interpersonale Stabilit�t wahrer Behauptungen macht sie
geeignet, zur Grundlage des Handelns, insbesonder gemeinsamen Handelns genommen
zu werden, weil damit eine nachtr�gliche Korrektur und Uneinigkeit vermieden werden
kann.
*XIX-156*
Ist man implizit aufgefordert, wahre Behauptungen
zur Grundlage des eigenen
Handels zu nehmen? Im Prinzip wohl ja. Das
Problem ist jedoch, dass h�ufig zweifelhaft oder strittig ist, ob eine Behauptung
wahr ist.
Im Falle interpersonal unterschiedlicher überzeugungen wäre es aber fatal zu
fordern, dass jeder diejenigen Behauptungen zur Grundlage seines Handelns macht,
die er selber für wahr h�lt. Insofern die Wahrheit einer Behauptung nicht
definitiv festgestellt werden kann und insofern nicht alle von dieser Wahrheit
überzeugt werden können, kann die Bezugnahme auf "Wahrheit" allein keine soziale
Koordination herstellen. Diese muss durch ausdr�ckliche legitimierte Setzung erzeugt werden.
Zu sagen: "Meinem Handeln lege ich falsche Behauptungen zu Grunde"
ist für jemand, der sein Handeln frei bestimmen darf, widersinnig. Dies ist nur
aufrechtzuerhalten für jemanden, der sich in seinem Handeln einer übermacht
beugt. Das hei�t jedoch nicht, dass Individuen nicht gelegentlich auch dort
entgegen ihren überzeugungen handeln, wo sie ihr Handeln selbst bestimmen
können. Aber
dies ist dann wohl immer ein Fehler (172)
*XIX-157*
Ist die Behauptung: "Der Teufel hat einen Pferdefu�"
eine positive Aussage? Die Aussage ist im Indikativ, aber sie
informiert nur dann zutreffend über die Beschaffenheit der Wirklichkeit, wenn es den Teufel
wirklich gibt und nicht nur die Vorstellung vom Teufel. Der Satz k�nnte
als Aussage über menschliche Vorstellungen gemeint sein. Dann m�sste er aber genauer
lauten: "In der mittelalterlichen christlichen Tradition hat der Teufel einen
Pferdefu�." Als solcher k�nnte der Satz wahr sein.
*XIX-158*
Wahrheit ist eine menschliche Erfindung. Ob aber etwas wahr ist oder nicht, unterliegt
nicht menschlicher Setzung.
*XIX-159*
Ich habe bisher formuliert: "Um wahr zu sein, muss eine Norm argumentativ
konsensf�hig sein", d.h. der Konsens muss zwanglos m�glich sein. Aber diese
Formulierung ergibt ein recht unscharfes Kriterium, denn wann ist ein
argumentativer Konsensus m�glich? wäre es besser zu
sagen: "Eine Norm ist wahr, wenn unter idealen Bedingungen jeder dieser
Norm
zustimmen w�rde?" Damit w�rde der heilsame Zwang bestehen, diese idealen Bedingungen
explizit zu formulieren und zu pr�fen.
Zu den idealen Bedingungen der
Zustimmung geh�ren alle Kenntnisse und F�higkeiten (155) des jeweiligen
Individuums, von denen seine Zustimmung abh�ngt. Wenn die Zustimmung aufgrund
mangelhafter Kenntnisse und F�higkeiten des
Individuums nicht gegeben ist, so ist das kein Hindernis für die Wahrheit der
betreffenden Normen." (Aber: Welche F�higkeiten d�rfen verlangt werden?
Gibt es "Wertblindheit" oder ähnliches?)
*XIX-160*
Kann das Eigeninteresse der Individuen ein Argument für die Wahrheit
einer Norm sein? Vielleicht sogar das einzige Argument? Dann wäre die Vertragstheorie
richtig, die nur das gemeinsame Interesse gelten lässt (und nicht wie der
Utilitarismus das überwiegenden Interesse).
*XIX-161*
Eigentlich m�sste es hei�en: "Diese Behauptung ist wahr für alle", aber da
"wahr" nur mit dieser universalen Geltung verwendet wird, kann man die beiden
letzten Worte ("für alle") weglassen und dies dann dem impliziten Sinn des Wortes
"wahr"
beigeben.
*XIX-162*
Eine Begr�ndung besteht aus
deduktiven Schritten, bei der die Wahrheit der Pr�missen auf die Konklusionen
übertragen wird. Es muss bei jeder Begr�ndung zu Anfang Pr�missen geben, die
ihrerseits nicht deduktiv gewonnen wurden. Worin besteht die
intersubjektive Nachvollziehbarkeit, also die Begr�ndung dieser Pr�missen?
*XIX-163
Die Gr�nde, die eine Behauptung st�tzen sollen, sind selber Behauptungen. Sie können
ihre st�tzende Funktion nur erf�llen, wenn sie ihrerseits
wahr sind. Wenn es sich um positive Pr�missen handelt (zum Beispiel Aussagen
über die Handlungsm�glichkeiten eines Individuums und deren Konsequenzen), so sind für die Begr�ndung die
positiven Wissenschaften zust�ndig.
Eine Laune des Augenblicks, die die Zustimmung bewirkt, kann keinen
Grund bilden, weil die Zustimmung nicht dauerhaft ist.
In den positiven Wissenschaften ist Beobachtbarkeit das zentrale Wahrheitskriterium. Aber
ich kann nicht beobachten, was sich vor 100 Jahren
ereignet hat oder was sich heute an Orten ereignet, an denen ich mich nicht befinde.
Trotzdem gibt es Geschichte und Geographie als wissenschaftliche Disziplinen.
In diesen Wissenschaften muss man sich auf Beobachtungen anderer verlassen und
man muss auf die
Glaubw�rdigkeit der Berichterstatter vertrauen. Die intersubjektive Nachpr�fbarkeit ist
also hier nur indirekt m�glich. (156)
*XIX-164*
Einer Norm zustimmen
hei�t, ihre
Verwirklichung wollen; also wollen, dass die Norm befolgt wird. Dies bedeutet zugleich,
keine Handlung zu wollen, die mit der Norm unvereinbar ist. Oder wenn man "wollen" als einen komparativen Begriff auffasst im
Sinne von "etwas Bestimmtes eher wollen als etwas anderes" so k�nnte man auch sagen:
Einer Handlung zustimmen bedeutet, die Ausf�hrung der Handlung
h im Vergleich mit allen
alternativen Handlungsm�glichkeiten am meisten wollen.
(157)
*XIX-165*
Verglichen und bewertet werden muss die Beschaffenheit der Welt bei
Ausf�hrung der Handlung h mit der jeweiligen Beschaffenheit der Welt bei
alternativen Handlungen oder Unterlassungen.
Eine andere Frage ist, welches hier die zu bewertenden Alternativen sind.
Offenbar die Weltverl�ufe, die bei Verwirklichung alternativer Normen
entstehen w�rden.
*XIX-166*
Das "Wollen" bzw. das Interesse der
Individuen darf bei der Aggregierung nicht bereits durch moralische überzeugungen bestimmt sein, denn
diese moralischen überzeugungen stehen zur Diskussion. Aber ist es
das blo�e Eigeninteresse, das über Zustimmung oder Ablehnung der Norm
entscheidet? Vom blo�en Eigeninteresse aus lie�e sich zumindest hinsichtlich
singul�rer Normen wohl kein Konsens erzielen. Die singul�ren Optima decken sich
nicht. Die Norm m�sste dann Ausdruck des
Eigeninteresses aller Betroffenen sein.
*XIX-167*
Ein m�glicher Ausweg aus dem
Dilemma wäre die Festsetzung, dass niemals singul�re Normen Kandidaten auf
Wahrheit sein können, sondern nur generelle Normen, die für ganze Klassen von
Situationen, Individuen und Handlungen gelten, also für eine unbegrenzte Anzahl
singul�rer F�lle. (159) Hier sind die Eigeninteressen m�glicherweise weniger
auseinander strebend, weil die Individuen unterschiedliche Rollen einnehmen
können mal als Nutznie�er, mal als Adressat der Norm.
Aber auch in
Bezug auf generelle Normen kann aufgrund asymmetrischer Lebenslagen eine
übereinstimmung der Eigeninteressen nicht immer gegeben sein.
*XIX-168*
Scheidet die Bezugnahme auf das Eigeninteresse als Gesichtspunkt der Zustimmung aus,
weil dann die übereinstimmung nicht zwangfrei wäre? Das wäre wohl nur dann der Fall,
wenn die Zustimmung in einem realen Verhandlungsprozess erzielt werden m�sste,
wo im Falle der
Nicht-Einigung den Beteiligten ein unterschiedlich einzusch�tzender Status quo droht.
Hier k�nnte ein Individuum versuchen, die andern unter Druck zu setzen, indem es
seine Zustimmung zur�ckh�lt bzw. sich die Zustimmung
mit Zugest�ndnissen abkaufen lässt. (160)
Dies Problem k�nnte man durch eine
unabh�ngige Interessenermittlung ausschalten, die nur registriert, wo die Eigeninteressen übereinstimmen (und zwar in den Optima und nicht nur relativ zum
Status quo.)
*XIX-169*
Singer hat zu "Gr�nden" einige interessante überlegungen gebracht.
Gr�nde m�ssen "Gr�nde für alle" sein. Deshalb können subjektive Gesichtspunkte
keine Gr�nde darstellen (genauer ausformulieren!). Au�erdem der Hinweis, dass
"weil"-S�tze immer auf Regelm��igkeiten Bezug nehmen. (Hier auch Hares Analyse zu
"Universalisierbarkeit" heranziehen.)
*XIX-170*
In den positiven Wissenschaften ist der Satz: "Ich habe es mit eigenen
Augen gesehen" noch keine schl�ssige Begr�ndung (es sei denn, man macht die
stillschweigende Voraussetzung, dass jeder dasselbe sehen w�rde, wenn er zur
gegebenen Zeit an gegebener Stelle wäre). Eine zul�ssige h�chst wirksame Begr�ndung wäre: "Jeder kann es mit eigenen Augen
sehen" bzw."Jeder h�tte es mit eigenen Augen sehen können."
Analog dazu ist der Satz: "Es ist in meinem Interesse" keine Begr�ndung einer
Norm. Eine Begr�ndung wäre dagegen: "Es ist in jedermanns Interesse, dass
..." oder "Es ist
im allgemeinen (überwiegenden) Interesse, dass ...." (161)
*XIX-171*
Wenn man Behauptungen
begr�ndet, beziehen sich dann die angegebenen Gr�nde auf das Wahr-sein der
Behauptung oder auf die Berechtigung des für-wahr-haltens? Oder ist die beides
ununterscheidbar bzw. gleichwertig?
*XIX-172*
Begr�ndungen bestehen ihrerseits aus Behauptungen, die
untereinander und mit der zu begr�ndenden Behauptung in einem Ableitungs- bzw.
SchlussfolgerungsVerhältnis stehen. Diese Schl�sse, die den übergang von einer
Behauptung zur anderen rechtfertigen, sind im Idealfall deduktiv. Bei deduktiven
Schl�ssen ist die Wahrheit der Konklusionen garantiert, wenn die Wahrheit der
Pr�missen gegeben ist. Aber es mag auch problematischere Schl�sse
geben, die mit Analogie- oder Wahrscheinlichkeitsannahmen arbeiten oder
induktiven Schl�ssen. Interessant
sind für die Methodologie nun diejenigen Behauptungen
innerhalb einer Begr�ndung, die selber keine Schlussfolgerungen aus anderen
Behauptungen sind. (Dies einmal an Beispielen für Normen
verdeutlichen und die n�heren Einzelheiten herausarbeiten. Diese Basiss�tze und
Schlussweisen stellen vor allem das Problematische bei der Begr�ndung von Normen dar. (162)
*XIX-173*
Entscheidend ist wohl das Problem der "freien Zustimmbarkeit" durch jedes
Individuum. In meiner Arbeit habe ich von hier aus unmittelbar auf das
Solidarit�tsprinzip geschlossen. Aber dieser Schluss ist schwach begr�ndet.
Statt des "überwiegenden Interesses" k�nnte man sich auch andere Prinzipien denken.
z. B. Formen des "gemeinsamen Interesses". Von dem Ziel der
"wissenschaftlichen Erkenntnis" wahrer Normen her m�sste der Begriff der "allgemeinen
freien Zustimmbarkeit" soweit pr�zisiert werden, dass sich ein bestimmtes Prinzip herausstellt.
(164)
*XIX-174*
Wenn die zu begr�ndende Behauptung wahr sein soll, m�ssen auch die in der
Begr�ndung enthaltenen Behauptungen wahr sein. Wenn jeder der Norm und ihrer
Begr�ndung zustimmen können muss, so wäre es falsch, dass jeder sich nur fragt,
ob die Norm seinem Eigeninteresse entspricht. Dadurch kann keine Einigung erzielt werden,
denn keine Norm wird für jedes Individuen dessen individuelles Optimum darstellen.
Es
kann keine Norm für die Aufteilung des Kuchens geben, wenn man
dabei davon ausgeht, dass jeder für sich m�glichst viel haben will und dies auch
bekommt. Stattdessen muss ich
mich fragen, ob alle der Norm zustimmen können.
*XIX-175*
In der Ausschaltung des unbeschr�nkten
Eigeninteresses sind sich die verschiedenen Ans�tze wohl noch einig. Die
Streitfrage ist vor allem, ob man sich auf den Standpunkt eines aggregierten
Gesamtinteresses (165) stellen muss, um sich zwanglos zu einigen,
oder ob der Standpunkt des Einzelnen durchgehalten werdrn kann.
*XIX-176*
Die Wissenschaft liefert nicht so sehr wahre Behauptungen, als
vielmehr Behauptungen einschlie�lich des Grades an Bew�hrtheit, Glaubw�rdigkeit
bzw. Schl�ssigkeit.
Wissenschaft bem�ht sich um Wahrheit, aber sie tut dies, indem sie die Gr�nde für
und gegen die aufgestellten Behauptungen sammelt oder selber produziert.
*XIX-177*
Jemand behauptet: "Am 10. Mai 1999 bricht der 3. Weltkrieg
aus". Dies mag wahr sein. Trotzdem ist es kein wissenschaftlich begr�ndeter
Satz, weil es eine blo�e
Prophezeiung ist. Wissenschaftlich gesehen ist es eine blo�e Vermutung, die keinen
gr��erer Wert hat als jede andere Vermutung über den Zeitpunkt eines
Kriegsausbruchs. Entscheidend sind die Gr�nde, die für (oder gegen) eine
Behauptung angef�hrt werden können. Oft dr�ckt man das auch so aus, dass
wissenschaftliche Annahmen aufgrund systematischer Verfahren gewonnen
bzw. überpr�ft werden (wissenschaftliche Methoden).
*XIX-178*
Die
Wissenschaft teilt die Behauptungen nicht nur in die zwei Kategorien "wahr" und
"falsch" ein, sondern es gibt ein breites Spektrum zwischen den beiden
Extremen "schl�ssig bewiesen", "als wahr erwiesen" und "schl�ssig widerlegt" oder
"als
falsch erwiesen". Dazwischen liegen die Behauptungen, für und gegen deren Wahrheit
mehr oder weniger schwerwiegende und zahlreiche Gr�nde sprechen.
*XIX-179*
Zu bedenken ist, dass es unterschiedliche Arten von Fragen gibt, die auch
unterschiedlich schwer zu beantworten sind. Verschiedene Arten von Behauptungen
sind mit unterschiedlicher Gewissheit als wahr oder als falsch zu erweisen. Auch die Art der erforderlichen Begr�ndung ist
verschieden. Wissenschaft darf nicht schwierige aber wichtige Fragen ignorieren.
*XIX-180*
Begr�ndungen sind nicht nur Begr�ndungen von
etwas, sondern immer auch Begr�ndung für jemanden, sie beziehen
sich auf Adressaten, die durch diese Begr�ndungen überzeugt werden sollen.
*XIX-181*
Das Wort "wahr" hat ähnlich wie das Wort "gut" einen empfehlenden Charakter.
Das
Wort "gut" enth�lt keinen über die Beschreibung hinausgehende informativen Gehalt,
aber es ist zur Empfehlung bzw. Handlungsanleitung unentbehrlich. In ähnlicher
Weise hat das Wort "wahr" keinen über den Gehalt der Behauptung hinausgehenden
informativen Gehalt, aber es empfiehlt die Behauptung: "Das sollst Du glauben!"
oder "Davon sollst Du überzeugt sein" oder "Dem musst Du
zustimmen".
*XIX-182*
Wissenschaft ist zwar am Ziel der Wahrheit orientiert, aber sie liefert
nicht unbedingt wahre Behauptungen. Eher bildet sie einen Ma�stab zur
Einsch�tzung von Behauptungen hinsichtlich ihrer Gewissheit. Wissenschaft
pr�sentiert das pro und contra, bem�ht sich um ein kritisches Urteil. Im Rahmen
der Wissenschaft haben deshalb all diejenigen Behauptungen eine Existenzberechtigung (als m�gliche Kandidaten für Wahrheit), die nicht definitiv als
falsch erwiesen sind. Oder besser: Die Wissenschaft ordnet Behauptungen hinsichtlich der St�rke ihrer Begr�ndung.
Dementsprechend sind Behauptungen wissenschaftlich mehr oder
weniger anerkannt.
*XIX-183*
H�ufig ist die Situation bei der Wahrheitssuche die, dass man selber nicht
die einschl�gigen Beobachtungen gemacht hat. Man muss sich dann auf glaubw�rdige Zeugen
berufen oder ähnliches. Was hei�t aber dann noch: "universale, argumentative
Konsensusf�higkeit"?
*XIX-184*
Die Wissenschaft will Zustimmung oder Ablehnung
von Behauptungen allein
mit Hilfe von Argumenten bewirken.
*XIX-185*
Im positiven Bereich ist "Irrtum" etwas, das sich deutlich zu erkennen gibt. Im
normativen Bereich ist dies nicht so. (Bei positiven Theorien auch nicht immer!)
*XIX-186*
Es kommt nicht darauf an, auf der Gleichartigkeit des positiven und des
normativen Geltungsanspruchs zu bestehen. Deshalb muss auch nicht auf dem Begriff
"Wahrheit" bestanden werden. "Allgemeing�ltigkeit" tut es auch. Damit braucht
man sich nicht um den richtigen Wahrheitsbegriff zu streiten.
*XIX-187*
Wahrheit ist ein anzustrebendes Ideal, eine "regulative Idee". Behauptungen, die
wahr sind, brauchen im Zeitverlauf nicht korrigiert zu werden (sie sind frei von
Irrtum) und sie können von jedem Individuum übernommen werden. (Sie sind nicht
nur subjektiv). Solche Behauptungen bieten offensichtlich Vorteile für kollektiv
geplantes und koordiniertes Handeln. Aber woher wei� ich, dass die Behauptung wahr ist?
Die blo�e Behauptung der Wahrheit reicht dafür nicht aus. Es m�ssen Gr�nde bzw.
Argumente für deren Wahrheit gegeben werden, die mich überzeugen können können.
M�ssen nicht für jede wahre Behauptung auch Gr�nde existieren, die mich
(und jeden anderen) überzeugen?
Die Gr�nde m�gen existieren, aber die Frage ist, ob
sie uns zug�nglich sind. Wenn ich z. B. sage: "Im Andromedanebel gibt es
Himmelsk�rper, die von intelligenten Lebewesen bewohnt sind", so mag das wahr
sein, aber trotzdem verf�gen wir über keine Gr�nde für diese Annahme. (188)
*XIX-188*
Sind alle Werte reduzierbar auf Erlebnisse?
(Lustgef�hle) Wie ist es mit W�nschen über den
eigenen Tod hinaus? Zum Beispiel w�nsche ich, dass nach meinem Tod meine
Kinder keine Not leiden. Jemand k�nnte sagen: "Das kann dir doch egal sein, denn das
erlebst Du doch nicht mehr." Es ist einem jedoch nicht egal. Der Gedanke, dass
die eigenen
Kinder in der Zukunft einmal bittere Not leiden m�ssen, ist einem unertr�glich.
Im Prinzip ist das ein
ähnliches Ph�nomen wie bei anderen Vorstellungen, etwa bei der
Vorstellung, dass es den Kindern, die im Ausland leben und zu denen man keinen
direkten Kontakt hat, schlecht geht. Auch dieser Gedanke ist unertr�glich. Dabei ist
man selber ebenfalls nicht direkt betroffen, sondern nur über die Vorstellung
vermittelt.
*XIX-189*
Frage: Handelt es sich hier um Eigeninteressen, wenn man sich mit
den Interessen anderer so eng identifiziert, dass man tats�chlich mitleidet,
wenn sie leiden? Sollen diese "Interessen" bei der Bestimmung des
Gesamtinteresses ber�cksichtigt werden? (198)
Derartige Interessen, die über das
eigene Leben hinausgehen, m�ssen nicht unbedingt altruistischer Natur sein. So
kann ich das Ziel haben, ein in der Nachwelt ber�hmter Autor zu sein, also ein
v�llig eigenbezogenes Interesse. Aber da man Nachruhm selber nicht erleben kann, scheint es
ein irrationales Interesse zu. Es ist mir nicht gleichg�ltig, ob ich ber�hmt
bin nach meinem Tode oder ob ich vergessen bin.
Wie soll man derartige
Interessen bei der Bestimmung des Gesamtinteresses ber�cksichtigen? Hier
entsteht das Problem der "heilsamen L�ge" , weil die Interessen von Menschen scheinbar
durch eine blo�e Ver�nderung ihrer überzeugung befriedigt werden können. Man tr�stet den
Sterbenden, indem man ihm die Wahrheit vorenth�lt oder verf�lscht.
*XIX-190*
Jemand sagt: "Mir ist lieber, ich erfahre die Wahrheit, auch wenn
sie für mich schmerzlich ist." Der Wunsch nach Wahrheit ist dann noch gewichtiger als
das Gl�ck oder Leiden an bestimmten Vorstellungen. Allerdings wei� bei der "heilsamen L�ge"
der Belogene nicht, dass er belogen wurde, und er wird es voraussichtlich
niemals erfahren.
*XIX-191*
Es gibt nicht nur Interessen
hinsichtlich realer Situationen, sondern auch hinsichtlich des Wissens um diese
Situationen und hinsichtlich der eigenen Reaktion in Bezug auf diese Situationen.
Gibt es auch Interessen hinsichtlich der Beschaffenheit unserer
eigenen Interessen? Kann man all diese verschiedenen "Interessen" auf der gleichen Ebene diskutieren? (191)
*XIX-192*
Man kann sich selber fragen: "M�chte ich von anderen zu meinem eigenen
Vorteil belogen werden?" (Zum Beispiel um mir Sorgen et cetera zu ersparen).
Ein Problem dabei ist, ob man sicher sein kann, dass es wirklich zum eigenen
Vorteil ist, oder das für den L�genden nicht nur ein Vorwand ist.
Davon
zu unterscheiden ist die Frage, ob es - abgesehen von derartigen
Missbrauchsm�glichkeiten � Situationen geben kann, in denen man zustimmt, dass
einem die Wahrheit vorenthalten wird bzw. verf�lscht wird. Es f�llt schwer sich
solche Situationen vorzustellen. Allerdings gibt es h�ufiger die bewusste
Vermeidung schmerzhafter, aber unab�nderlicher Informationen. "Ich will es gar
nicht wissen, was Du mit dem anderen gemacht hast", denn das w�rde vielleicht
nur bohrende Eifersucht erzeugen: "Was ich nicht wei�, macht mich nicht hei�."
Allerdings hat das jeder selber in der Hand, wie weit er sich der Wahrheit
aussetzt oder nicht. Schwieriger ist es, die Entscheidung darüber einem anderen
zu überlassen. Eine weitere Frage ist es, ob man zustimmen k�nnte, im
überwiegenden Interesse anderer belogen zu werden.
*XIX-193*
Die Frage, die sich hier stellt, ist die Abw�gung zwischen dem Willen zur
Erkenntnis der Wahrheit und dem Willen zur Vermeidung von schmerzlichen
Erlebnissen: Soll man die Erkenntnis schmerzlicher Wahrheiten vermeiden? Die
Bewertung muss sich prim�r auf die Dinge beziehen. Hier bezieht sich die
Bewertung jedoch auf das Wissen von den Dingen. Allerdings ist das
Letztere nicht gleichg�ltig. Zum Beispiel soll man Menschen nicht leichtfertig
mit falschen Berichten in Sorge, Angst, Schrecken oder Trauer versetzen. Auch
unter fiktiven Ereignissen leidet man wirklich, sofern man sie glaubt.
*XIX-194*
Im utilitaristischen Kalkl�l werden die Konsequenzen
h�ufig nur "objektiv" erfasst. Das Problem der falschen überzeugungen von den
Konsequenzen tritt weniger ins Blickfeld.
*XIX-195*
Zu: Interessen
hinsichtlich der Beschaffenheit der eigenen Interessen.
Jemand m�chte sich
das Rauchen abgew�hnen. Sein Bestreben ist es, dass sein Bestreben nach
Zigarettenkonsum geringer wird.
*XIX-196*
Jo Elster behandelt
"adaptive Pr�ferenzen": weil unerreichbar, schwindet mein Begehren nach
bestimmten Dingen.
*XIX-197*
Neben der Bewertung der sicheren Dinge
gibt es z. B. die Bewertung der Sicherheit oder Unsicherheit über die Dinge
(etwa zuk�nftige). Das Wissen von den Dingen hat einen eigenen Wert.
(Beendet 05/07/1984)
Aus meinen Notizb�chern Heft I
II
III
IV
V
VI VII
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X XI
XII XIII
XIX XV XVI XVII XVIII XIX
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(Ende Heft XIX)
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05/06/1984 / Eberhard Wesche
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