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Zirkuläre Präferenzen
Wenn
sich die Handlungsalternativen eines Individuums oder eines Kollektivs nicht
durch eine transitive Präferenzordnung darstellen lassen, besteht ein
Entscheidungsproblem. Eine Ordnung ist transitiv, wenn gilt: Wenn x > y ist und
y > z, dann ist auch x > z. ("x > y" bedeutet: "x wird gegenüber y vorgezogen").
In diesem Sinne transitiv sind z. B. die Körpergrößen von Menschen.
Transitivität liegt dagegen nicht vor bei zirkulären Präferenzen wie: x > y > z
> x. Ein Subjekt mit solchen Präferenzen "kann sich nicht (zwischen x, y und z)
entscheiden", es "weiß nicht, was es will".
Eine andere Art von Entscheidungsproblem liegt vor, wenn ein Subjekt gegenüber
Handlungsalternativen indifferent ist, weil diese für das Subjekt gleichwertig
sind: z. B. wenn gilt: x = y ("x ist gleichwertig mit y"). Diese Situation ist
allerdings weniger problematisch, da man zwischen gleichwertigen Alternativen
problemlos auch den Zufall entscheiden lassen kann.
Dagegen stellen zirkuläre Präferenzen die Rationalität des
betreffenden Subjekts in Frage. Damit stellt sich die Frage, wodurch
Zirkularität hervorgerufen wird bzw. was Zirkularität über das Subjekt aussagt.
Was bedeutet es, wenn ein Individuum sich nicht zwischen den
Handlungsalternativen entscheiden kann sondern in einem Zirkel gefangen ist?
Offenbar vergleicht das Individuum die Alternativen in diesem Fall nicht in
Bezug auf ein und derselbe Dimension sondern wendet beim Vergleich verschiedene
Dimensionen an. Ohne die Reduktion der unterschiedlichen Dimensionen auf eine
Dimension kann es jedoch keine rationale Entscheidung geben.
Dazu ein Beispiel aus dem Alltag. Angenommen Rudi steht vor der Entscheidung, welches der 3
Mädchen (Anna, Lina und Dora) er heiraten soll. Rudi kann seine
Präferenzen soweit klären, dass er am liebsten die hübsche Lina heiraten würde. Wenn
es Lina nicht
gäbe, würde er am liebsten die gut aussehende Dora heiraten. Anna käme nur als
Dritte in
Frage. Das ergäbe die transitive Ordnung: Lina > Dora > Anna.
Aber was ist, wenn Rudi gleichzeitig angibt, dass er eigentlich lieber Anna als Lina heiraten
möchte? Dann ergibt sich der Zirkel Lina > Dora > Anna > Lina. Rudi zieht Lina
gegenüber Dora vor, weil Lina eindeutig hübscher ist als Dora. Er zieht Dora
gegenüber Anna vor, weil Dora hübscher ist als Lina. Und er zieht Anna gegenüber
Lina vor, weil er zweifelt, ob Lina treu sein kann. Rudi könnte die
erforderliche Reduktion auf eine einzige Dimension nur dadurch erreichen, dass er
seine verschiedenen Bewertungsmaßstäbe gewichtet und in einer einzigen
Wert-Dimension zusammenfasst.
Dies ist den Menschen nicht möglich, wenn
innerpsychische Konflikte und starke Ambivalenzen berührt werden. In jedem Fall
ist sind zirkuläre Präferenzen ein Problem für das betreffende Individumm, weil
damit seine Entscheidungsfähigkeit blockert wird.
Auch bei kollektiven Subjekten taucht das Problem der Zirkularität auf. Wenn ein
Kollektiv nach dem Mehrheitsprinzip entscheidet, dann kann es zu Ergebnissen
kommen, wo x gegenüber y eine Stimmenmehrheit erzielt, ebenso y gegenüber z aber
auch z gegenüber x. Dies ist das Condorcet-Paradox, auch Wahl-Paradox genannt.
Deutlich wird dies Problem, wenn 3 Individuen (A, B und C) eine Gütermenge, z. B.
100 Hühnereier, nach dem Mehrheitsprinzip unter sich aufteilen wollen. Wenn man
annimmt, dass jedes lieber mehr als weniger Eier besitzt und wenn jedes
Individuum eigeninteressiert abstimmt, kann
es keine stabile Koalition und keine stabile Verteilung der Eier geben, denn es können sich in jedem
beliebigen Fall 2 Individuen zusammentun, um die Eier des Dritten unter sich
aufzuteilen.
Angenommen zu Beginn der Abstimmungen hat A 30 Eier, B hat 20
Eier und C hat 50 Eier. Dann können sich z. B. nacheinander die folgenden Koalitionen (in
eckigen Klammern) mit folgenden Aufteilungen der Eier ergeben:
1.
Aufteilung:
A: 30 / B: 20 / C: 50
[
]
2.
Aufteilung:
A: 50 / B: 50 / C:
0
[AB]
3.
Aufteilung:
A:
0
/ B: 60 / C: 40
[BC]
4.
Aufteilung:
A: 20 / B: 70 / C: 10
[AB]
5.
Aufteilung:
A: 50 / B:
0
/ C: 50
[AC]
usw. usf.
Was sind hier die unterschiedlichen Dimensionen, die zum Zirkel führen?
Das Mehrheitsprinzip ordnet unter den angenommenen Bedingungen die Handlungsalternativen offenbar nicht nach so
etwas wie dem kollektiven Wohlergehen, das auf dem Wohlergehen aller Individuen
beruht.
Dies lässt sich anhand des obigen Beispiels zeigen. So geht es bei der
2. Aufteilung allein um das Wohlergehen von A und B, während C 's Wohlergehen
keine Rolle spielt. Bei der 3. Aufteilung geht es allein um das Wohlergehen von
B und C, während A 's Wohlergehen keine Rolle spielt. Bei der 4. Aufteilung geht
es allein um das Wohlergehen von A und B, während C 's Wohlergehen keine Rolle
spielt. Die 3 möglichen Dimensionen bei Anwendung des Mehrheitsprinzips sind in
diesem Fall das Wohlergehen von A/B, von B/C und A/C. Um sie auf einer einzigen
Dimension zusammenzufassen, müsste eine interpersonal anwendbare Nutzendimension
entworfen werden. Eine Mehrheitsalternative ist immer dann vorhanden, wenn sich
die Präferenzen der Individuen auf einer Dimension darstellen lassen. Dies
entspricht der Eigenschaft der "Eingipfligkeit", die bereits Duncan Black
in "Theory of Committees and Elections"
untersucht hatte. Bei Eingipfligkeit der Präferenzen kann es zu keinen zirkulären kollektiven
Präferenzen kommen.
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Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
Arrow-Paradox *** (40 K)
Mehrheitsprinzip, Stabilität und Gesamtinteresse *** (16 K)
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Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Zirkuläre Präferenzen" / Letzte Bearbeitung
01.02.2010 / Eberhard Wesche
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