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Wirtschaftsordnung

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Inhalt:

Eigentum
Tausch_zwischen_Eigentümern
Kapitalismus
Warum entstand der Kapitalismus in Europa?
Wirtschaftsordnung und individuelle Ethik
Das Geld abschaffen?
Probleme der radikalen Gleichheit
Der "neue Mensch"?

Stärken und Schwächen des Marktes

Text:

Eigentum

In der Eigentumsordnung einer Gesellschaft ist geregelt, wer über was verfügen darf. Sie ist damit von fundamentaler Bedeutung für das gesamte soziale Leben. So hängt von der Größe meines Eigentums u. a. ab, was ich an Sachgütern und persönlichen Diensten verbrauchen kann und wie abhängig ich von anderen bin.

Mit der Eigentumsordnung ist ein Großteil der möglichen Konflikte zwischen Menschen ("Das will ich haben!" - "Nein, das habe ich jetzt!") normativ geregelt: In einer Gesellschaft ohne abgegrenztes Eigentum gibt es bei allen Gütern, die nicht im Überfluss vorhanden sind, entweder Streit oder es bedarf einer Regelung, wer wann welches Gut benutzen oder verbrauchen darf.

Allerdings bedeutet die normative Regelung eines Konfliktes noch nicht, dass dieser damit aus der Welt geschafft ist, wie die Verstöße gegen das Eigentumsrecht zeigen. Besonders im Falle eines Monopols, wo sich allgemein benötigte Güter in der Hand eines einzigen Eigentümers befinden, bedeutet die Rechtmäßigkeit des Eigentums noch keine Entschärfung des Konfliktes.

Mit dem Eigentum ist ein neuer Konflikt entstanden: der Konflikt zwischen Armen und Reichen. Je ungleicher das Eigentum in einer Gesellschaft auf die Individuen und Familien verteilt ist, umso schärfer ist dieser Konflikt.

Wenn das zeitweise Verleihen von Eigentum gegen Entgelt erlaubt ist, kann es zu einer Verschuldung kommen, wenn das geliehene Eigentum zuzüglich Zinsen nicht vereinbarungsgemäß zurück gegeben werden kann. Mit dieser verschärften Form der Armut entsteht ein Konflikt zwischen Gläubigern und Schuldnern.

Manche Konflikte lassen sich gar nicht durch Abgrenzung von Verfügungsbereichen regeln, wie z. B.:
- nachteilige Auswirkungen über die Eigentumsgrenzen hinweg (A pflanzt auf seinem Grundstück Bäume, sodass dem Nachbarn B der Sonnenschein fehlt.)
- die Existenz von Gütern, von deren Nutzung andere nicht ausgeschlossen werden können (A baut sich einen Deich gegen Hochwasser und B genießt ebenfalls den Schutz des Deiches).

Eigentumsordnungen lassen sich vor allem danach unterscheiden, welche Art von Objekten privates Eigentum werden dürfen und welche nicht:
- Ist privates Eigentum an andern Menschen zulässig? (Sklaverei, Leibeigenschaft)
- Ist privates Eigentum an Herrschaftspositionen zulässig? (erblicher Adel, Dynastie)
- Ist privates Eigentum an Produktionsmitteln und Infrastruktureinrichtungen wie Grund und Boden, Fabriken, Brücken, Straßen etc. zulässig? (Kapitalismus)
Insbesondere regelt eine Eigentumsordnung:
 - welche Güter unveräußerlich sind (z. B. die Rechte als Staatsbürger),
 - wie Eigentum erworben wird (Herstellung mit eigenen Mitteln, Vertrag, Tausch, Kauf, Erbschaft, Geschenk, Gewohnheitsrecht, staatlicher Zuschuss etc.) und
 - wie Eigentum veräußert wird (Vertrag, Tausch, Verkauf, Erbschaft, Geschenk, Enteignung, Besteuerung etc.)
 - welche Güter nicht frei gehandelt werden dürfen (z. B. Menschen, Wohnungen, Geld, Medikamente, Rauschmittel, Glücksspiele, Prostitution u. a. m.)..
Außerdem ergeben sich wesentliche Unterschiede durch die unterschiedlich gestalteten Eingriffsrechte der politischen Instanzen in die privaten Eigentumsrechte (allgemeine Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Besteuerung des Eigentums sowie seiner Veräußerung und Vererbung, Enteignung bei Entschädigung, ...).

Entscheidender Vorzug des Eigentums ist die Erzeugung einer starken Motivation des Eigentümers zu schonendem und sparsamem Gebrauch von Gütern (Erhaltung des Eigentums) und zur Schaffung neuer Güter (Vergrößerung seines Eigentums).

Wenn sich dagegen jeder - unabhängig von seinen Arbeitsbemühungen - aus dem großen Topf bedienen kann, dann fehlt es in der Regel an dem nötigen Anreiz zum Arbeiten, Sparen, Investieren, Lernen oder Erfinden.

Tausch zwischen Eigentümern

Wenn Person A Eigentümer von x ist und Person B Eigentümer von y ist, so kommt es dann zu einem Tausch der Objekte x und y zwischen A und B, wenn y für A wertvoller ist als x und wenn umgekehrt x für B wertvoller ist als y. A gibt dann x an B und B gibt im Gegenzug y an A. Dies ist zum beiderseitigen Vorteil und geschieht freiwillig.

Der Tausch beruht auf den Institutionen des Eigentums und des Vertrages:

Tausch setzt zum einen die Verfügung jedes Tauschpartners über das zu veräußernde Tauschobjekt voraus, sei es in Form einer rein faktischen Verfügungsgewalt oder in Form von Besitz und Eigentum.

Tausch setzt zum anderen eine Einigung der Tauschpartner darüber voraus, welche Objekte jeweils dem andern übertragen werden sollen, sei es durch wechselseitiges Anbieten oder in Form eines ausformulierten Vertrages.

Naturaltausch und Tausch gegen Geld (Kauf)
 
Wenn die Tauschobjekte 'in natura' getauscht werden, spricht man von "Naturaltausch". Wenn gegen Geld getauscht wird, spricht man von "Kauf".

Geld als Tauschmittel erleichtert durch seine allgemeine Anerkennung als Tauschmittel und durch seine beliebige Teilbarkeit das Tauschen erheblich. Beim Naturaltausch der Objekte müssen immer zwei passende Eigentümer zusammenfinden, von denen jeweils der eine abzugeben hat, was der andere braucht, und zwar in der gewünschten Menge. Dies ist beim Kauf nicht nötig. Deshalb hat der Kauf den Naturaltausch fast völlig verdrängt und ist die vorherrschende Form des Tausches.

Die für das gekaufte Objekt hingegebene Geldmenge ist der individuelle "Preis" des Objektes. Der Preis, den ein Verkäufer für sein Objekt mindestens erzielen will, kann erheblich unter dem Preis liegen, den ein Käufer für dies Objekt höchstens bezahlen will. Aus dieser Differenz ergibt sich ein mehr oder weniger großer Verhandlungsspielraum, innerhalb dessen ein Tausch zum gegenseitigen Vorteil möglich ist ("Feilschen").

Wenn viele Tauschwillige zusammenkommen, spricht man von einem "Markt". Wenn viele Eigentümer die gleiche Art von Gütern veräußern oder erwerben wollen, so stehen sie zueinander in "Konkurrenz", denn die Käufer wollen bei dem Anbieter kaufen, der den niedrigsten Preis forderte und die Anbieter wollen an den Käufer verkaufen, der den höchsten Preis bietet. Dadurch besteht die Tendenz zur Herausbildung eines einheitlichen "Marktpreises".

Die normative Beurteilung des Tausches

Durch den Tausch werden die Tauschpartner A und B besser gestellt als sie es ohne den Tausch wären, denn jeder bekommt, was er will, und niemandem wird etwas gegen seinen Willen genommen. Insofern ist der Tausch ein Verfahren zur Optimierung der Güterverteilung. Eine Verbesserung der Tauschmöglichkeiten in einer Gesellschaft - z.B. durch bessere Information über Produkte und tauschbereite Eigentümer (Internet) - bewirkt eine Steigerung des Wohlstands.

Allerdings kann das "Besser-gestellt-sein" durch den Tausch auch bedeuten, dass Person A - anstatt zu verhungern – nun gegen einen Hungerlohn für B arbeiten darf. Insofern hat Optimalität im Sinne eines Tauschgleichgewichtes wenig mit Gerechtigkeit zu tun.

Weiterhin setzt die Verbesserung der Güterverteilung durch Tausch voraus, dass durch den Tausch zwischen A und B nicht Dritte negativ betroffen sind. So könnte A durch sein Verhalten (er arbeitet schwer gegen einen niedrigen Lohn) für C "die Preise verderben" (Dumping).
 
Grundsätzlich ist der Tausch moralfrei, wenn man von den Voraussetzungen für einen Tausch (Freiwilligkeit der Veräußerung, Einhaltung der Tauschvereinbarung und Verbot der Täuschung des Partners in Bezug auf Beschaffenheit und Menge der getauschten Objekte etc.) absieht. Als Eigentümer hat jeder das Recht, frei über sein Eigentum zu verfügen, wozu auch dessen Veräußerung gehört. Jeder hat Vertragsfreiheit und darf seine Interessen verfolgen. Was seine Interessen sind, bestimmt jeder selber. Für Irrtümer und Fehlentscheidungen ist jeder selber verantwortlich, da er den Tausch freiwillig zum eigenen Vorteil vereinbart. Insofern erscheint es nicht sinnvoll, von einem "gerechten Tausch" oder einem "gerechten Preis" zu sprechen.

Das Märchen vom "Hans im Glück" hat die Kehrseite der Tauschfreiheit zum Gegenstand. Hans erhält als Lohn für sieben Jahre Arbeit einen Goldklumpen. Motiviert durch augenblickliche Beschwerden und Stimmungen lässt sich Hans auf eine Reihe von scheinbar "glücklichen" Tauschaktionen ein, mit dem Ergebnis, dass er letztendlich gar nichts mehr von seinem Lohn hat, als er wieder zu Hause ankommt.

Ein anderes reales Beispiel für problematische Tauschvorgänge findet sich bei den nordameerikanischen Kolonisten, die mit den Indianern gute Geschäfte machten, als sie ihnen billige Glaskugeln als Tauschobjekte für Felle und ähnliches "andrehen" konnten, wie man sagt.

Begriffe wie "Wucher", "Spekulation", "Ausnutzung einer Notlage", "Ausnutzung von Unerfahrenheit", "Übervorteilung", "ungleicher Tausch" etc. deuten an, dass die Tauschfreiheit ihre eigenen moralischen Probleme mit sich bringt.

 Kapitalismus

(Im Folgenden wird nur das rein ökonomische Modell einer kapitalistischen Wirtschaft dargestellt, ohne die möglichen Einwirkungen durch die staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik wie Steuern, Zölle, Subventionen, Gesetze etc. einzubeziehen.)

Als 'Kapitalismus' bezeichnet man eine Marktwirtschaft mit privatem Eigentum an den Produktionsfaktoren, in der wegen der industriellen Form der Produktion (kostengünstige maschinelle Massenfabrikation) eine selbständige Produktion nur für denjenigen möglich ist, der über eine größere Menge an Kapital verfügt.

Als 'Kapital' werden diejenigen Mittel bezeichnet, die für die Produktion von Gütern oder Dienstleistungen eingesetzt werden, die ihrerseits produziert wurden (Gebäude, Rohmaterial und Halbfertigprodukte, Werkzeuge und Maschinen). Als 'Kapital' wird umgangssprachlich auch der Geldbetrag bezeichnet, der für den Erwerb derartiger Poduktionsmittel verwendet wird.
 
Der Einsatz von Kapital für die Produktion (Investition) ist für den Kapitaleigentümer dann lohnend, wenn durch den Verkauf der Produkte nicht nur die Kosten der Produktion gedeckt werden können sondern zusätzlich ein Überschuss (Gewinn, Profit) für ihn verbleibt. Derjenige, des es unternimmt, auf eigenes Risiko eine Produktion zu organisieren, um zukünftig damit Gewinne zu machen, wird als "Unternehmer" bezeichnet. Wenn ein Unternehmer dafür kein fremdes Geld einsetzt (Darlehen einer Bank, das Zinsen kostet) sondern sein eigenes Vermögen (Eigenkapital), so bezeichnet man den Unternehmer auch - meist eher abschätzig - als "Kapitalisten". Unternehmer sind im Kapitalismus häufig keine Einzelpersonen sondern Gesellschaften (z. B. Aktiengesellschaften).

Die Aussicht auf privaten Gewinn ist ein starkes Motiv zur Entwicklung neuer Produkte und neuer Produktionsverfahren, was durch den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt auch möglich wird. Durch diesen - prinzipiell an jedermann gerichteten - Anreiz zur Kreativität hat der Kapitalismus eine in der Geschichte der Menschheit bis dahin unbekannte wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik entfaltet - mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten.

Ob ein Unternehmen gewinnbringend produziert, hängt von den Preisen der Produktionsmittel (Ausgaben) und den Preisen seiner Produkte (Einnahmen) ab. Bei Einsatz von Fremdkapital sind auch dessen Kosten (Zinsen) zu berücksichtigen. Die Kalkulation des zu erwartenden Gewinns ist besonders dann schwierig,  wenn sich die Preise stark verändern - sei es durch die Verknappung von Rohstoffen, durch neuartige Produkte, durch neue Produktionsverfahren, durch neu auftretende Konkurrenzunternehmen, durch geänderte Wünsche der Verbraucher oder durch eine gesamtwirtschaftliche Krise (Unternehmerrisiko).

Im Kapitalismus ist es den meisten Menschen nicht möglich, als wirtschaftlich Selbständige ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Bei Vorteilen der industriellen Massenproduktion eines Gutes (d. h. mit wachsender Stückzahl sinken die Kosten pro Stück) müssen Produzenten mit geringem Kapitaleinsatz ihre unrentabel gewordene Produktion einstellen, um weitere Verluste und letztlich die Zahlungsunfähigkeit (Konkurs) zu vermeiden.

Die im Konkurrenzkampf erfolgreichen Unternehmen können zu großen, international handelndewachsen Großorganisationen heran, mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen (Bedienung und Instandhaltung der Maschinen, Beaufsichtigung und Leitung der Arbeiten, Verwaltungstätigkeiten, Geschäftsführung etc.) und weit gestreuten Eigentumsanteilen (Aktien). Der jährliche Umsatz großer kapitalistischer Unternehmen übersteigt dabei den Jahreshaushalt mancher Staaten. 

Im Kapitalismus entwickelt sich ein Arbeitsmarkt, auf dem Erwerbssuchende (Arbeitnemer, abhängig Beschäftigte, Lohnabhängige) ihre Arbeitskraft  anbieten und auf dem die Unternehmen (Arbeitgeber, Selbständige, Kapitaleigentümer) geeignete Arbeitskräfte für die Besetzung freier Arbeitsplätze nachfragen. Durch einen Arbeitsvertrag werden die Erwerbslosen zu abhängig Beschäftigten.

Der Preis, zu dem der Unternehmer einem Erwerbsuchenden seine Arbeitskraft für eine bestimmte Arbeitszeit abkauft (Stundenlohn, Monatslohn o.ä.), richtet sich im Kapitalismus - wie bei allen Gütern - nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Entlohnung kann je nach Qualifikation sehr unterschiedlich ausfallen. Dabei besteht die "Arbeitskraft" eines Menschen, die der Unternehmer kauft, indem er diesen Menschen einstellt, im technischen Zeitalter weniger in Körperkraft als vielmehr in besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten, also besonderen Intellektuellen Qualifikationen und Kenntnissen.

Innerhalb der abhängig Beschäftigten kommt es zu Differenzierungen aufgrund unterschiedlicher Fähigkeiten und Qualifikationen. Der soziale Abstand zwischen einem ungelernten Arbeiter und einem Geschäftsführer ist erheblich. Auch die Entlohnung ist sehr unterschiedlich. Hochqualifizierte Angestellte mit hohen Gehältern können durch Sparen zu Eigentum kommen, sei es in Form eines eigenen Hauses oder in Form von Sparguthaben und Wertpapieren. Bei ungelernten Arbeitern reicht der Arbeitslohn u. U. nicht für den Lebensunterhalt der Familie. 

Bei der Verhandlung über die Entlohnung gibt es einen direkten Interessengegensatz zwischen dem Unternehmer und dem Beschäftigten: Jede Lohnerhöhung senkt den Gewinn des Unternehmers. (Es sei denn, dass eine höhere Entlohnung die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten erhöht.)

Damit der Unternehmer die vereinbarten Löhne zahlen kann, muss das Unternehmen Gewinn machen. Wenn die Löhne soweit steigen, dass das Unternehmen Verluste macht, riskieren die Beschäftigten die Existenz des Unternehmens und damit zugleich ihren Arbeitsplatz. Hier gibt es ein gemeinsames Interessen zwischen den selbständigen Unternehmern und den abhängig Beschäftigten.

Da die Wirtschaftstätigkeit im Kapitalismus nicht stetig verläuft (Konjunkturzyklen mit Rezessionsphasen, zusammenbrechende Spekulationen in großem Stil u.a.m.), kann es wirtschaftliche Verhältnisse geben, wo es vielen Menschen nicht möglich ist, einen Arbeitsplatz zu finden, so dass sie erwerbslos sind.

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Warum entstand der Kapitalismus zuerst in Europa?

Durch das Zusammentreffen verschiedener Entwicklungen konnte sich in Europa - zuerst in Großbritannien -  eine kapitalistische Marktwirtschaft entwickeln:

1.) die Abschaffung des mittelalterlichen Zinsverbotes. Dadurch konnte sich ein Bankwesen entwickeln, das überschüssiges Geld sammelte. Dies Geld konnten die Banken an private Unternehmer verleihen, die damit die erheblichen Investitionskosten einer fabrikmäßigen Produktion finanzieren konnten.

2.) die Befreiung der Wissenschaften und ihrer technischen Anwendung von den Einschränkungen durch die religiöse Tradition. Dadurch kam es zu einer stürmischen Entwicklung der Naturwissenschaften und der Erfindungen auf den Gebieten der Produktionstechnik (mechanischer Webstuhl), der Energiegewinnung (Dampfmaschine) und des Transportwesens (Dampfschifffahrt, Eisenbahn).

3.) der Verzicht auf politischer Machtansprüche der Kirche im Zuge der Reformation und der Konfessionskriege. Dadurch konnte sich eine säkulare Staatsgewalt herausbilden, die mit Hilfe eines stehenden Heeres das Monopol der Gewaltanwendung auf dem eigenen Territorium gegen marodierende Söldnerheere, regionale Fürsten und äußere Feinde durchsetzte. Außerdem führte der Staat mittels einer straff organisierten Bürokratie und Justiz eine Besteuerung der Staatsbürger durch. Der moderne Staat garantierte die Eigentumsrechte der Staatsbürger und die Erfüllung vertraglich eingegangener Verpflichtungen. In diesem rechtlichen Rahmen konnte sich der europäische Kapitalismus entwickeln, der durch die Freisetzung von Forscherdrang, Erfindergeist und Unternehmertum eine stürmische und zugleich krisengeschüttelte Entwicklung nahm. Daraus ergab sich die globale politische Überlegenheit der europäischen Staaten bis zum Ersten Weltkrieg, die im British Empire ihren stärksten Ausdruck fand.

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Wirtschaftsordnung und individuelle Ethik


Wirtschaftliches und ethisches Handeln fallen in der Marktwirtschaft nicht zusammen, sondern widersprechen sich eher.

Nehmen wir den Tausch als eines der Kernstücke des marktwirtschaftlichen Geschehens, da sowohl der Kaufvertrag eine Unterform des Tausches ist (als Tausch von Gütern gegen Geld) als auch der Arbeitsvertrag (als Tausch der eigenen Arbeitskraft gegen Geld).

Die Tauschpartner sind in der Verfolgung ihrer Interessen weitgehend freigestellt. Wenn um den Preis eines Gutes verhandelt wird, darf jede Partei versuchen, den eigenen Vorteil zu vergrößern. Man ist nicht moralisch verpflichtet, dabei das Interesse der anderen Partei zu berücksichtigen. Ein Geschäft ist in der Marktwirtschaft keine Einrichtung zur Hilfe für Notleidende sondern ein Institution zum Zweck des Erwerbs und der eigenen Existenzsicherung.

Über sein Eigentum darf jeder frei verfügen und niemand darf ihm eine andere Verwendung seines Eigentums vorschreiben. Er darf es tauschen, so wie er es möchte.

Allerdings gibt es ethische und rechtliche Rahmenbedingungen, die einzuhalten sind. So darf man den Tauschpartner nicht hinsichtlich der Beschaffenheit des Tauschgegenstandes oder hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse täuschen und man darf ihn nicht zum Tausch zwingen oder nötigen.

Da es im Verlauf des Wirtschaftsprozesses bei manchen Menschen zu Not und Armut und bei andern zu Reichtum und Luxus kommt, erscheint allerdings im Nachhinein die Moral wieder auf der Bildfläche und fordert den Reichen zum wohltätigen Abgeben und Teilen mit den Ärmsten auf.

Ethisches und wirtschaftliches Handeln fallen nur in der Utopie einer sozialistischen Planwirtschaft zusammen, wo ein Wirtschaftsplan erstellt wird, der dem solidarisch bestimmten Gesamtinteresse entspricht, und an dessen Erfüllung alle nach besten Kräften mitarbeiten.

In einem solchen Sozialismus würde es eine Ethik der Erfüllung des Wirtschaftsplans geben. Diese Ethik wäre nicht unwirtschaftlich sondern das A und O der sozialistischen Planwirtschaft.

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Das Geld abschaffen?

Naturaltausch ist äußerst aufwendig und umständlich. ("Suche Segelboot, biete Waschmaschine"). Wenn man das Geld abschafft, so sollte man deshalb auch den Tausch abschaffen.

Ohne Tausch kann es bei Privateigentum nur eine Selbstversorgungs-Wirtschaft geben (wenn man einmal von Raub und Geschenk als Mittel einer Umverteilung absieht). Eine solche Wirtschaft ist aber nicht sehr leistungsfähig, weil man die Vorteile der Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht richtig nutzen kann. Wenn man das will, müsste man dann auch das Privateigentum abschaffen.

Wenn man das Privateigentum abschafft, so muss man die Rechte der Einzelnen am Konsum und ihre Pflichten bei der Produktion irgendwie anders regeln, da es sonst zu Konflikten kommt ("Wer bekommt die Wohnung mit Balkon und wer wohnt im Erdgeschoss des Hinterhauses?" "Wer wird Bademeister und wer leert die Mülltonnen?")

Außerdem ist ein Koordinierungsmechanismus nötig, um mit den verfügbaren Produktionskapazitäten denjenigen Warenkorb zu erzeugen, der den berechtigten Wünschen der Individuen am besten entspricht. Eine Übereinstimmung zwischen der Produktion und dem Bedarf der Verbraucher ergibt sich nicht von selbst ("Ladenhüter"). 

Dazu ein Beispiel, das die Notwendigkeit einer Koordinierung deutlich macht:

Bei der Produktion eines Flugzeugs, das sich aus mehreren tausend Einzelteilen zusammensetzt, deren Entwurf und Herstellung wiederum auf den verschiedensten physikalischen, chemischen und ingenieurwissenschaftlichen Spezialkenntnissen beruht, ist das richtige Zusammenwirken von mehreren Hundert Spezialisten erforderlich. Wenn man die Zulieferproduktion dazu nimmt, sind wahrscheinlich mehrere Tausend nötig.

Um ein Flugzeug herzustellen, müssen die erforderlichen Spezialisten ausgebildet werden, sich zusammenfinden und nach einem einheitlichen Plan zusammenarbeiten. Die Frage ist, wie diese Individuen ohne den Einsatz von Geld motiviert werden, ihre Aufgaben innerhalb dieses arbeitsteiligen Plans zu erfüllen und zu bestimmten Zeiten bestimmte Arbeiten auszuführen.

Dass sich genau die geeigneten mehr als Tausend Individuen spontan, also ohne ein sanktioniertes Normensystem zusammenfinden und koordinieren, ist eine äußerst unwahrscheinliche, um nicht zu sagen: eine geradezu abenteuerliche Annahme.


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Probleme der radikalen Gleichheit

Meine These ist, dass eine Gesellschaft, die immer wieder alle Mitglieder gleich gut stellt, keineswegs eine Ordnung besitzt, die auf allgemeinen Konsens rechnen kann.

Ich gehe bei der Begründung dieser Ansicht von folgenden m. E. realistischen Annahmen aus:

    1. Die Bereitstellung der Mittel zum Leben erfordert eigene oder fremde Arbeit, die - wenigstens teilweise - für den Betreffenden mit Mühsal und Anstrengungen verbunden ist.

    2. Die meisten Menschen scheuen Mühsal und Anstrengungen, wenn es ihnen keinen Vorteil einbringt.

    3. Dadurch, dass immer wieder alle Mitglieder der Gesellschaft gleich gut gestellt werden, bringen eigene Anstrengungen dem Betreffenden keinen Vorteil ein.

    4. Folglich werden die meisten Menschen nicht die Mühsal und die Anstrengungen zur Bereitstellung von Mitteln zum Leben auf sich nehmen.

    5. Das hat zur Folge, dass die Gesellschaft zunehmend verarmt und womöglich zugrunde geht. 

    Fazit: Eine solche Gesellschaft ist nicht allgemein akzeptabel – im  Gegenteil. 

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Der "neue Mensch"?

Das Experiment mit einer am Ziel des Kommunismus orientierten gesellschaftlichen Ordnung, bei dem sich die Proletarier aller Länder unter dem Stichwort "internationale Solidarität" vereinigen sollten, ist – zumindest vorerst – gescheitert und gibt zu denken.

Der "neue Mensch", der aus den sozialistischen Verhältnissen und der sozialistischen Erziehung hervorgehen sollte, war der alte geblieben:
Die "Heimat aller Werktätigen" kämpfte gegen Nazi-Deutschland unter dem Banner des "Großen Vaterländischen Krieges". Die "Kommunistische Internationale" wurde ein Instrument Stalins.
Der "1. Sekretär des Zentralkomitees" war kein Schriftführer sondern der Titel des gefürchteten Diktators.

Das Eigentum des Volkes an den Produktionsmitteln endete in bürokratischer Starre und Misswirtschaft.
Das "Absterben des Staates" entpuppte sich als dessen Allmacht in Form des Staatssicherheitsdienstes. Und
Aus den Vordenkern und Vorkämpfern der ausgebeuteten Klassen wurde eine Nomenklatura von Parteibonzen mit einem umfassenden System von Privilegien.

Menschen sind stark eigeninteressiert. Das sollte bei allen "revolutionären" Gesellschaftsentwürfen im Hinterkopf behalten werden. Orientierung am Wohl anonymer Anderer oder dem Wohl der Allgemeinheit ist nicht die gewöhnlich vorherrschende Motivation. Der eigene Schmerz fühlt sich anders an als der Anblick fremden Schmerzes und der Volksmund sagt: "Selber essen macht fett". 

Man kann wohl in besonderen Situationen starke solidarische Motivationen wecken, aber man kann keine soziale Ordnung auf der Prämisse aufbauen, dass die Menschen dauerhaft "Idealisten" sind und ihr Handeln am allgemeinen Wohl ausrichten. Wohltätigkeit alleine stellt deshalb auf lange Sicht keine Lösung der Probleme dar.

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Stärken und Schwächen des Marktes

Der Markt ist stark, ...
... wenn es um die Motivierung von Menschen zur Arbeit geht,

... wenn es um die Ausrichtung der Produktion auf die Wünsche der Konsumenten geht,
... wenn es um Effizienz und Kostensenkung geht,
... wenn es um Innovationen jeder Art geht, ... ... .
... wenn die Einkommensunterschiede begrenzt werden.
Aber es gibt auch Punkte, an denen der Markt versagt.

Der Markt ...

... hat die Tendenz, die Reichen noch reicher zu machen.
... schafft keine aufgeklärten kritischen Konsumenten sondern eher das Gegenteil.
... berücksichtigt nur solche Kosten und Nutzen, die sich in Geld auszahlen.
... führt bei fehlender Konkurrenz zur Bereicherung der Kartell- und Monopolinhaber.
... hat die Tendenz zu Ungleichgewichten (Schweinezyklus o. ä.).
... setzt die Individuen frei zur Verfolgung ihrer Eigeninteressen und nährt damit den Schein,
....... dass die Gesellschaft keiner normativen Grundlage bedürfe.

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Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
   
Modell der Marktwirtschaft. Darstellung und Kritik *** (239 K)
     Kosten der menschlichen Arbeit in der Marktwirtschaft ** (32 K)

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Letzte Bearbeitung: 21.01.2010 / Eberhard Wesche

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