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Gibt es sinnlose philosophische Fragen?
Was ist eine sinnlose Frage?
Man stößt in der Philosophie immer wieder auf problematische
Fragestellungen, so z. B. auf die Frage: "Warum ist überhaupt etwas und warum ist
nicht nichts?"
Ich vermute, dass diese - und noch eine Reihe anderer - Fragen sinnlos sind.
Dabei verstehe ich unter einer
sinnlosen Frage eine Frage, bei der die Suche
nach einer Antwort aus den verschiedensten Gründen nicht sinnvoll ist.
Von den sinnlosen Fragen zu unterscheiden sind zum einen die
fehlerhaften
Fragen. Darunter verstehe ich Fragen, die neben der eigentlichen
Frage zugleich n etwas Falsches oder
Widersprüchliches unterstellen. Ein Beispiel hierfür ist die Frage: "Wann wurde
das Brandenburger Tor in Berlin abgerissen?" Die Frage ist fehlerhaft, denn in
der Frage wird unterstellt, dass das Brandenburger Tor abgerissen wurde. Dies
ist jedoch nicht der Fall.
"Warum ist überhaupt etwas und warum ist
nicht nichts?"
Die Frage:
"Warum ist überhaupt etwas und warum ist nicht nichts?" wird von
manchen Philosophen - wie z. B. Heidegger - als grundlegend für die
Philosophie unerachtet.
Meiner Ansicht nach hat diese Frage jedoch weniger Respekt verdient. Sehen wir
uns diese Warumfrage etwas genauer an.
Mit dem Wort "warum?" kann man nach Motiven des Handelns fragen ("Warum hast Du
ihn geschlagen?") oder auch nach Begründungen für Handlungsnormen ("Warum soll
man bei 'Rot' nicht über die Straße gehen?") Beides trifft auf
Heideggers Warumfrage nicht zu.
Wohl die häufigste Verwendung des Wortes "warum?" ist die Suche nach der kausalen Erklärung eines bestimmten
Phänomens wie z. B. dem Reißen eines Stahlseils. Man fragt: "Warum ist dies Stahlseil gerissen?"
und man bekommt z. B. die Antwort: "Das Stahlseil ist gerissen, weil es
durchgerostet war." Die Deutung der obigen Frage als Frage nach der
Ursache eines Geschehens scheint mir am naheliegendsten zu sein.
Mit der Frage: "Warum ist überhaupt etwas und warum ist nicht nichts?" wird
offenbar nach
der Ursache gefragt im Sinne von: "Was ist die Ursache für die
Existenz der Welt?"
Warum ist eine derartige Frage sinnlos?
Das Ursache-Wirkung-Schema beruht auf einer Verallgemeinerung beobachteter
Regelmäßigkeiten. Wenn z. B. Stahl verrostet, dann wandelt sich das darin
enthaltene Eisen in Eisenoxyd um und das Stahlseil verliert seine
Reißfestigkeit. Man kann
dann folgende (immer hypothetisch bleibende) Regelmäßigkeit formulieren: "Wenn ein Stahlseil durchgerostet ist,
hat es eine geringe Reißfestigkeit."
Das Ursache-Wirkung-Schema setzt also zwei getrennte Phänomene voraus,
wovon das eine als "Ursache" und das andere als "Wirkung" bezeichnet wird.
Wenn man nun versucht, dies Schema auf die Welt als der Gesamtheit alles jemals Bestehenden anzuwenden,
so ergibt sich
ein Problem: Wenn man die Welt (als der Gesamtheit alles jemals Bestehenden) als Wirkung betrachtet, zu
der die - davon zu unterscheidende - Ursache gesucht wird, so
ist dies nicht ohne logischen Widerspruch möglich. Denn neben der Welt als
der Gesamtheit alles
jemals Bestehenden kann
logischer Weise nicht noch etwas anderes in Form der Ursache bestehen. Denn sonst wäre
die Welt ja nicht die Gesamtheit
alles jemals Bestehenden.
Die Anwendung der Warum-Frage auf die Existenz der Welt stellt also eine
unzulässige Übertragung von Konzepten eines bestimmten Bereichs der Erkenntnis auf einen anders
gearteten Bereich dar.
Die Annahme übersinnlicher Ursachen
Nun könnte jemand dagegen einwenden, dass es neben der Gesamtheit alles
jemals Bestehenden
doch eine übersinnliche, transzendente [aus dem Lateinischen: "die Erfahrung
übersteigende"] Ursache geben könne. Dabei wird davon ausgegangen, dass etwas
Transzendentes nicht in der üblichen Weise da ist wie die Dinge der erfahrbaren
Welt, sondern in einer unsere Erfahrung überschreitenden Weise.
Diesen Einwand kann man jedoch sehr einfach entkräften. Denn wenn der übersinnliche Bereich
etwas wirklich Bestehendes ist, dann gehört er zur Gesamtheit alles Bestehenden,
also zur "Welt" im anfangs definierten Sinne. Damit trifft die obige Argumentation
wieder zu, nur dass die Welt jetzt auch einen übersinnlichen Bereich umfasst. Ob
es einen solchen übersinnlichen Bereich tatsächlich gibt, mag dabei offen bleiben.
Jemand könnte die hier gewählte Terminologie jedoch auch ablehnen und "die
erfahrbare Welt" sowie "den übersinnlichen Bereich" als zwei
verschiedene
Bereiche betrachten. Dann könnte die Ursache für das Bestehen der Welt außerhalb
der Welt im übersinnlichen Bereich liegen (z. B. bei Annahme eines
Schöpfergottes). Damit wäre die Frage "Warum gibt es überhaupt etwas und warum ist
nicht nichts?" sinnvoll.
Zur Frage, ob es Übersinnliches gibt, sei noch Folgendes angemerkt.
Wenn ein übersinnlicher Bereich als existent angenommen
wird, gibt es logisch nur zwei Möglichkeiten:
- Entweder gehen
vom übersinnlichen Bereich keinerlei Wirkungen auf die erfahrbare Welt aus. Dann braucht uns das
Übersinnliche
nicht zu interessieren, denn der Lauf der Dinge in der Welt ist derselbe. Dann macht es für
unser Leben keinen Unterschied, ob nun ein übersinnlicher Bereich existiert oder
nicht.
- Oder aber es gehen vom übersinnlichen Bereich direkte oder
indirekte Wirkungen auf die
erfahrbare Welt aus. Dann ist der übersinnliche Bereich prinzipiell der menschlichen
Erkenntnis zugänglich, da man dann die Wirkungen aus dem Übersinnlichen erforschen
kann und
von dortauf die Beschaffenheit des übersinnlichen Bereichs schließen kann.
***
"Was ist
'das Nichts'?"
und "Gibt es 'das
Nichts'?"
Ich verstehe die Frage: "Was ist 'das Nichts'?" als Frage nach der Bedeutung des Ausdrucks "das Nichts".
Was könnte mit "das Nichts" gemeint sein?
Es handelt sich bei dem Ausdruck "das Nichts" offenbar um den Namen
für etwas Einmaliges, so wie "die Ostsee", die es nur einmal gibt.
Klein geschrieben taucht das Wort "nichts" in Sätzen auf wie: "Ich habe nichts
gefunden". Hier wird das Wort "nichts" als Gegenbegriff zu dem Wort "etwas"
benutzt. Man fragt: "Hast Du etwas gefunden?" - "Nein, ich habe nichts gefunden."
Das klein geschriebene Wort "nichts" ist grammatisch kein Substantiv, da
Substantive im Deutschen immer groß geschrieben werden.
Mit dem Satz: "(Irgend)etwas ist da" behauptet man das Dasein von irgendetwas,
gleichgültig welcher Art. Es handelt sich hier um eine
Existenzbehauptung. Das Wort "Etwas" ist das Subjekt
dieses Satzes. Über dies Subjekt wird etwas ausgesagt (dass es da ist, dass es
so etwas gibt).
Die Verneinung des Satzes "Etwas ist da" lautet: "Nichts ist da".
Manche Philosophen haben daraus nun Substantive gebildet: "etwas, das da ist"
haben sie "das Daseiende" genannt. Dies ist grammatisch möglich, so wie
man aus dem Ausdruck: "etwas, das fliegt" den Ausdruck "das Fliegende" bilden kann.
Entsprechend wurde -
ausgehend von dem Satz "Nichts ist da" - das Substantiv "das Nichts" gebildet.
Es bezeichnet "das Fehlen oder Nicht-Dasein von Seiendem".
Das Substantiv "das
Nichts" ist nun auf der metasprachlichen Ebene, auf der
über die Sprache gesprochen wird, ein "Etwas".
Wenn man jetzt die metasprachliche Ebene mit der auf die Wirklichkeit bezogenen
objektsprachlichen Ebene vermischt, kann es zu grammatisch korrekten aber
der Bedeutung nach unsinnigen Fragen kommen wie: "Ist das Nichts
da?" oder "Gibt es das Nichts?"
Solche Vermischungen der Sprachebenen nutzte schon Odysseus zur Verwirrung
seiner Feinde aus,
indem er sich "Niemand" nannte.
So konnte er auf die die
Frage: "Wer ist da?" wahrheitsgemäß antworten: " 'Niemand' ist da" - und so konnte
Odysseus seinen Häschern entkommen.
Mit Fragen von der Art "Gibt es das Nichts?" und mit noch unsinnigeren
Antworten darauf haben sich manche Philosophen zu Recht den Spott des Publikums
zugezogen.
***
"Was ist das Gegenteil von Raum?"
Die Frage: "Was ist das Gegenteil von Raum?" setzt voraus, dass es so etwas wie
das Gegenteil in Bezug auf den Begriff "Raum" überhaupt gibt. "Gegenteil" ist
kein Begriff der Logik, sondern ein umgangssprachlicher Begriff. Man sagt z. B. "Das Gegenteil von 'laut' ist 'leise' ".
In der Logik spricht man nicht vom "Gegenteil" sondern von der "Verneinung"
einer Aussage oder eines Prädikats. Die Verneinung des Satzes "Das Orchester
spielt laut" ist nicht der Satz "Das Orchester spielt leise" sondern der Satz "Das Orchester spielt nicht laut".
Deutlich wird dies, wenn man den Satz "Das Orchester spielt zu laut" als
Ausgangspunkt nimmt. Die Verneinung dieses Satzes lautet: "Das Orchester spielt
nicht zu laut." Dieser Satz hat jedoch eine ganz andere Bedeutung als der Satz "Das Orchester spielt zu leise", der mit dem gegenteiligen Begriff "leise"
gebildet wurde.
Dazu ein paar Beispiele: "Was ist das Gegenteil von 'heiß'?"
Offenbar "kalt". Hier gibt es nur eine Dimension, die Temperatur, so dass keine
Probleme auftauchen.
Schwieriger wird es schon bei der Frage: "Was ist das Gegenteil von 'Himmel'?"
Hier kommen zwei Antworten in Betracht: "Die Hölle" und "Die Erde".
Deutlich wird das Problem bei der Frage: "Was ist das Gegenteil von einem
'Türschließer'?"
Ist es der "Türöffner" oder der "Fensterschließer"?
Nehmen wir als letztes die Frage: "Was ist das Gegenteil von einem 'Auto'?"
Hier wird deutlich, dass man solche Fragen zwar grammatisch korrekt
formulieren kann, dass sie jedoch trotzdem unsinnig sein können.
***
"Kann die
Zeit stillstehen?"
Wenn die Zeit still stehen würde,
könnten wir das nicht bemerken. Um den Stillstand festzustellen, benötigen wir
etwas, das nicht still steht sondern sich verändert. Diesen Maßstab kann es
nicht geben. Wenn die Zeit stillsteht, ist eine Ewigkeit genauso lang wie eine
Sekunde.
***
Weitere problematische
Fragen oder sinnlose Fragen :
"Was war, bevor die Zeit begann?" (übernommen von Knut Hacker)
"Was ist außerhalb des Raumes?" (übernommen von Knut Hacker)
"Wo
befindet sich die Welt?" (gestellt von Markus Gabriel)
"Was wäre,
wenn es nur einen Gegenstand gäbe?" (gestellt von Markus Gabriel)
"Warum gibt es die Welt nicht? ( gestellt von Markus Gabriel)
"Warum
muss die Zeit vergehen?"
Siehe auch
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
Sinnlose Fragen 1
(Diskussion)
***
zum Anfang
Alphabetische Liste aller Texte
Übersicht
Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Gibt es sinnlose
philosophische Fragen?"
Letzte Bearbeitung 31.05.2009 / Eberhard Wesche
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