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Durchsetzung von Normen


Gründe und Motive für die Befolgung einer Norm

Es gibt vor allem zwei Dinge, die einen Menschen dazu bewegen können, sich an Normen zu halten: Die eine ist die Einsicht, dass diese Normen richtig und sinnvoll sind. Die andere ist die Erwartung von positiven Sanktionen bei Beachtung der Normen (Lob, soziale Anerkennung etc.) und negativer Sanktionen bei Verletzung der Normen (Strafe, soziale Verachtung etc.).
 
Ein theoretischer Fortschritt in der Frage: "Wie finden wir zu allgemein akzeptablen  Normen, die man gegenüber jedem Individuum einsichtig begründen kann?" hilft deshalb auch bei der moralischen Erziehung. Dazu müssen die Ergebnisse allerdings an Eltern, Lehrer und Erzieher weiter vermittelt werden. 

Die Vermittlung einsichtig begründeter Normen ist vor allem deshalb wichtig, weil die Verankerung der Moral in religiösen Überzeugungen ("Ich bin moralisch, weil Gott es so will" ) mit dem Schwinden dieser religiösen Überzeugungen gleichzeitig zu einem Schwinden der Moral führt.

Mit der abnehmenden Glaubwürdigkeit religiöser Vorstellungen wird auch die Belohnung bzw. Bestrafung der eigenen Taten nach dem Tode ("Jüngstes Gericht", Himmel und Hölle) weniger glaubwürdig. Es ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Säkularisierungsprozess langfristig umkehren lässt. Die Lücke, die hier entsteht, muss deshalb anderweitig geschlossen werden. 

Außerdem schwindet durch die Verstädterung des Zusammenlebens und die damit einhergehende Anonymität der sozialen Beziehungen die Wirksamkeit traditioneller sozialer Kontrollen: Wen ich nicht kenne, den kann ich nicht verachten. Auch hier entsteht eine Lücke in der Motivation zur Einhaltung moralischer Normen, die schwer zu schließen ist. 

Schließlich gibt es ein Missverständnis der Marktwirtschaft, die den Einzelnen freisetzt, seine eigenen Interessen im Rahmen  der gegebenen Eigentumsordnung durch vertragliche Einigung mit andern zu verfolgen.

Diese partielle "Ent-Moralisierung" im wirtschaftlichen Bereich wird nicht selten als Aufforderung zu einer "Ellenbogen-Gesellschaft" und zur hemmungslosen persönlichen Bereicherung (zunehmende Korruption der Inhaber öffentlicher Ämter) missverstanden. 

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Die problematische Annahme einer 100%igen Befolgung der Norm

Für die Anerkennbarkeit einer geltenden Norm kommt es immer auch darauf an, in welchem Maße diese Norm eingehalten wird und durchgesetzt wird. So kann eine geltende Norm, die bei allgemeiner Befolgung allgemein wünschenswert wäre, bei der Befolgung durch wenige unakzeptabel werden.

Wenn z. B. für einen Verein die Norm aufgestellt wird, dass jedes Mitglied einen regelmäßigen Beitrag zu zahlen hat, so wird diese Norm problematisch, wenn sie nicht durchgesetzt wird und zahlreiche Vereinsmitglieder nicht zahlen. Für diejenigen, die weiterhin brav zahlen und die sehen, dass andere zwar die Möglichkeiten nutzen, die der Verein bietet, sich aber vor der Beitragszahlung drücken, wird die Beitragspflicht unakzeptabel.

Deutlich wird dies Problem auch bei wechselseitigen Versprechen, wo die Nichteinhaltung des Versprechens durch den anderen von der eigenen Pflicht zur Erfüllung des Versprechens gewöhnlich entbindet. Hierher gehört auch die bei Normverstößen oft zu hörende Entschuldigung: "Andere halten sich ja auch nicht daran!". Allerdings beendet nicht jeder Verstoß gegen eine Norm gleich deren Anerkennbarkeit oder gar Verbindlichkeit.

In diesen Zusammenhang gehört auch der Grundsatz: "Wehret den Anfängen!" und die Erkenntnis, dass es schwer ist, einen einmal eingerissenen "Schlendrian" wieder auszutreiben, z. B. Unpünktlichkeit. Jeder rechnet dann mit der Unpünktlichkeit der andern und kommt selber möglichst spät, um nicht zu lange bis zum Beginn warten zu müssen. So verschiebt sich der Beginn dann immer weiter nach hinten.

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Die Anerkennbarkeit von sozialen Normen kann letztlich nicht unter der Prämisse entschieden werden, dass die vorgeschlagene Norm hundertprozentig erfüllt wird. Denn möglicherweise sind die Menschen so beschaffen, dass diese hundertprozentige Befolgung nicht durchsetzbar ist.

Zum Beispiel wäre im Völkerrecht die Norm, dass kein Staat eine militärische Streitmacht unterhalten darf, bei Annahme ihrer hundertprozentigen Durchsetzung allgemein wünschenswert. Deshalb kann aber nicht von einem einzelnen Staat verlangt werden, dass er abrüstet. Denn er könnte dann  leicht angegriffen werden, sofern es nur einen einzigen Staat gibt, der die Norm nicht einhält und die geforderte Abrüstung nicht vollzieht.

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Häufig werden Normen unter der Annahme ihrer ausnahmslosen Befolgung beurteilt entsprechend der Frage: "Wäre es für alle akzeptabel, wenn alle die Norm x befolgen würden?" Hier stellt sich aber sofort die Frage: "Und was ist, wenn sich einige oder auch viele nicht an die Norm x halten?"

Die ursprüngliche Frage lautet nun: "Wäre es für alle akzeptabel, wenn die einen die Norm x befolgen, die andern aber nicht?"

Damit verändert sich natürlich die Konsensfähigkeit der Norm x. Nehmen wir ein Beispiel: Alle waren sich einig, dass an Stelle der unzähligen Trampelpfade, die bequem aber hässlich sind, ein einziger Weg angelegt wird und die Fläche ansonsten schön bepflanzt wird. Deshalb das Schild: "Vorsicht Anpflanzungen! Nicht betreten!"

Wenn nun manche Leute dennoch die Abkürzung über die Grünfläche nehmen und "über den Rasen latschen", so wird für die "gesetzestreuen" Individuen die Norm u. U. unakzeptabel, denn die Gesetzestreuen nehmen nicht nur den Umweg in Kauf, nun sind auch noch die erwarteten positiven Ergebnisse dieser Einschränkung in Form blühender Beete dahin.

Einen möglichen Ausweg biete die Einrichtung einer Sanktionsinstanz, die den Normverletzern mit Strafen droht und damit die Einhaltung der Norm fördert. Damit wird der Weg der "Verrechtlichung" beschritten. Die normative Fragestellung unter Einbezug der Sanktion lautet dann: "Wäre es für alle akzeptabel, wenn die Norm x gilt und wenn gleichzeitig gilt, dass jeder, der die Norm x verletzt, mit der Sanktion s bestraft wird"?

Bei dieser Art von Fragestellung können sich andere Antworten ergeben als bei den Ausgangsfragen, weil nun die möglichen Nachteile der Sanktionen berücksichtigt werden müssen, z. B. die Kosten von Gefängnissen, Polizei oder Gerichten. Damit stellt sich die Frage, wie diese Kosten bestimmt werden können.

Da eine ausnahmslose Sanktionierung jeder Normverletzung in der Regel nicht - oder nur mit extremem Aufwand - durchgesetzt werden kann, muss die Fragestellung des Gesetzgebers genau genommen lauten: Wäre es allgemein akzeptabel, wenn die Norm x verbunden mit der Androhung der Sanktion s gelten würde und die Sanktionierung  unter Einsatz der Mittel m1, m2, ... mn und einer Erfolgsquote von p Prozent erfolgt?

Wie man sieht, kommt es auf der Ebene der Gesetzgebung sehr bald zu schwierigen empirischen Fragen, die im konkreten Fall nicht durch philosophisches Nachdenken beantwortet werden können sondern empirische Sozialforschung erfordern (Anzahl der Taten, Dunkelziffer, Aufklärungsquote, Einsatz polizeilicher Kräfte, Anzahl der Verurteilungen, Anzahl und Dauer der erforderlichen Gefängnisplätze etc.). Hier spielen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle (Kosten der Strafanstalten etc.)

 

Angenommen über die Norm: "Es ist verboten, einen anderen zu töten, um Eigeninteressen zu befriedigen" besteht Konsens.

Dass alle diese Norm akzeptieren, schließt nicht aus, dass nicht trotzdem Motive bestehen, diese Norm zu verletzen. Denn vom Eigeninteresse her gesehen ist es für mich am besten, wenn sich alle andern an das Tötungsverbot halten, ich selber mir jedoch die Freiheit nehme, lästige Konkurrenten und Nebenbuhler zu beseitigen.

Dass ich selber die Norm "Es ist verboten, einen anderen zu töten, um Eigeninteressen zu befriedigen" für allgemein konsensfähig halte, schließt nicht aus, dass ich meine individuelle Situation durch Verletzung dieser Norm noch verbessern kann. Das heißt, ich kann die allgemein konsensfähige Norm ohne inneren Widerspruch bewusst verletzen. Ich handele dabei nicht irrational, jedoch "unvernünftig" bezogen auf eine vernünftig begründete Norm.

Damit stellt sich die Frage: Wie kann ein derartiges Verhalten verhindert werden, das zu Zuständen führen muss, die von den normtreuen Individuen keineswegs mehr akzeptiert werden können?

Eine Möglichkeit, die Individuen zu Befolgung von Normen zu motivieren, ist die Einsicht in den hohen Wert einer wirksamen moralischen Ordnung. Dazu gehört die Einsicht in die Schrecken einer Situation ohne eine solche Ordnung. Diese Aufgabe kann Moralphilosophie und ihre Vermittlung erfüllen.

Eine weitere Möglichkeit ist die Anerziehung von Scham- und Schuldgefühlen als unwillkürliche emotionale Reaktion auf eigene Normverletzungen. Dem dienen Ermahnungen wie "Du solltest Dich was schämen!" oder "Du hast damit eine schwere Schuld auf Dich geladen." (Die Erhebung des sprichwörtlichen "moralischen Zeigefingers" - womöglich mit der entsprechenden schlagenden Handbewegung - gehört nicht hierher, da dies eine symbolische Androhung von Schlägen, also äußerer Sanktion ist.)

Die Anerziehung eines "Gewissens", das auf eigene Normverletzungen mit "Gewissensbissen" reagiert, bleibt auch dann im Täter wirksam, wenn unbekannt bleibt, dass er die Normverletzung begangen hat.

Angesichts der Tatsache, dass durch Normverletzungen z. T. erhebliche individuelle Vorteile erlangt werden können, reichen vernünftige Einsicht und internalisierte Sanktionen oft nicht aus, um die Einhaltung der Normen zumindest soweit zu garantieren, dass die Normtreuen nicht die Dummen sind.

Deshalb müssen als Gegenwicht zu den lockenden Vorteilen einer Normverletzung negative Konsequenzen (Strafen) für den Normverletzer angedroht werden, die zur Einhaltung der Normen motivieren. Die angedrohten Strafen müssen dabei mindestens so stark sein, dass sich die Normverletzung nicht lohnt, wobei auch das unterschiedlich große Risiko ertappt zu werden eine Rolle spielt.

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Wozu sind Strafen nötig?

Zum einen, um die Individuen zu motivieren, die geltenden Regeln zu befolgen. Aber hinzu kommt ein anderer Gesichtspunkt: ohne die Bestrafung der Regelverletzer ist die Regel meist für die Regeltreuen nicht anerkennbar.

Bei der Beurteilung einer Norm geht man oft von der Annahme aus, dass die Norm allgemein befolgt wird, aber dies muss ja nicht der Wirklichkeit entsprechen. Wenn einige von der Selbstbeschränkung der anderen profitieren, so verliert die Regel an allgemeiner Anerkennbarkeit.
[Merkposten: ... Rachebedürfnis, Genugtuung, ausgleichende Gerechtigkeit, Verbüßen der Strafe, Sühne, Strafe als Tilgung der Schuld, Kosten des Sanktionsmechanismus, Anforderungen an den Sanktionsmechanismus: Ermittlung des Regelverletzers, Festnahme des Regelverletzers, Probleme bei niedriger Aufklärungsrate,  Probleme der irrtümlichen Bestrafung .." im Zweifel für den Angeklagten", "Justizirrtum" bei Todesstrafe, Strafen als Kosten (Leiden),  Bemessung der Strafe, "verdiente Strafe", Selbstjustiz, Anforderungen an das Gericht (Befangenheit), Geringfügigkeit, abschreckende Wirkung der Strafe (ohne Kosten), öffentliche Wirkung der Strafe, bessernde Wirkung auf den Regelverletzer.]

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Die notwendige Verinnerlichung der Normen

Ohne verinnerlichte moralische Einstellungen der Individuen ist eine Gesellschaft schlecht dran. Wenn keiner dem andern trauen kann, wenn jeder damit rechnen muss, dass die anderen die Norm verletzen, sobald sie glauben, ungestraft davonzukommen, dann ist das Zusammenleben äußerst erschwert. Die Polizei allein kann die soziale Ordnung nicht aufrecht erhalten. Es kann nicht hinter jedem Bürger ein Polizist stehen, und wenn es keine Amtsmoral bei den Polizisten gäbe, müsste man auch noch hinter jeden Polizisten einen Aufpasser stellen - aber wen?

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Es gibt immer Situationen, wo die äußeren Sanktionen nicht hinreichen und es einer verinnerlichten moralischen Haltung bedarf. Die Umkleidekabine im Schwimmbad, die beschmiert wird, der Fahrstuhl der beschädigt wird, die einsame Landstraße, an der Müll abgekippt wird: das "Auge des Gesetzes" reicht nicht überall hin. Und der Spruch "Der liebe Gott sieht alles" ist heutzutage auch keine glaubwürdige Abschreckung mehr.

Deshalb müssen die Individuen selber vom Sinn der geltenden Verhaltensnormen überzeugt sein und sie sich zu eigen gemacht haben. Eigene Verletzungen dieser Normen erlebt das Individuum dann als Versagen, sie beeinträchtigen sein Selbstwertgefühl, es verurteilt sich moralisch selbst und entwickelt Scham- und Schuldgefühle. Diese inneren Sanktionen stützen die Moral.

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 Verstöße gegen ethische Normen

Oft werden ethische Normen unter der Annahme diskutiert, dass sie auch befolgt werden. Die Frage, die bei der Suche nach konsensfähigen Normen dann gestellt wird, lautet: "Können alle wollen, dass die Norm x allgemein befolgt wird?"   Bestimmte Normen wie "Man soll einen anderen nicht töten (verletzen, beleidigen, belügen, betrügen oder quälen) es sei denn, die Bedingungen r, s, t  liegen vor" können dabei im Falle ihrer allgemeinen Befolgung meines Erachtens als allgemein akzeptabel ausgemacht werden.

Was ist aber, wenn Individuum A die Norm x nicht befolgt, jedoch gleichzeitig den Schutz dieser Norm in Anspruch nimmt. Ein solcher Zustand ist aus zwei Gründen für die "normtreuen"  Individuen nicht konsensfähig: Erstens erlegt sich der  Normverletzer A nicht die Einschränkungen der Norm x auf und  beteiligt somit nicht an den "Kosten", die die Einführung  der Norm mit sich bringt, und zweitens schmälert er durch sein  normwidriges Verhalten den Vorteil, den die Normtreuen aus der  Einführung der Norm x ziehen könnten. 

Die Konsensfähigkeit der Norm x kann jedoch meist durch ihre  Sanktionierung wieder hergestellt werden, wobei man zwischen verinnerlichten und äußeren Sanktionen unterscheiden kann.

Die verinnerlichten moralischen Einstellungen lösen beim  Normverletzer Schuld- und Schamgefühle, Selbstvorwürfe oder Minderwertigkeitsgefühle aus. Das Individuum lernt von Kindheit an, dass "man bestimmte Dinge nicht tut" und dass jemand, der diese Dinge trotzdem tut, ein "schlechter Mensch" ist, der Verachtung und eine entsprechende Behandlung durch die andern Gruppenmitglieder verdient. (Bei religiös orientierten Individuen kommt noch das schuldig werden vor Gott hinzu, also die Sünde und ihre angenommenen Folgen.) In Gruppen, wo jeder jeden kennt, können diese durch die "Sozialisation" und die moralische  Erziehung verinnerlichten Sanktionen eine ausreichende starke Motivation schaffen, um in den allermeisten Fällen die Befolgung der Norm zu sichern. 

Zum andern gibt es äußere Sanktionen gegen den Normverletzer wie den Verlust seines sozialen Ansehens und die damit verbundene Beeinträchtigung seiner sozialen Beziehungen sowie  institutionalisierte Strafen, deren Erwartung bzw. Androhung zur Befolgung der  Norm motivieren   soll. Durch eine in der Höhe angemessene Bestrafung des  Normverletzers wird zugleich die Konsensfähigkeit der Norm  wiederhergestellt, da es jetzt keine sachlich unbegründete Besserstellung des Normverletzers mehr gibt. Unter dem Aspekt  der allgemeinen Konsensfähigkeit von Normen hat die Bestrafung  deshalb einen eigenen Stellenwert und kann nicht nur unter dem  Aspekt der Resozialisierung des Normverletzers beurteilt  werden. Dabei entsteht die zusätzliche ethische Frage, was die "gerechte" und "verdiente" Strafe für eine bestimmte  Normverletzung ist.

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Angenommen wir haben einen Menschen, der eine geltende Norm verletzt, wir haben einen Hund, der etwas tut, was er nicht soll, und wir haben eine Maschine, die nicht so funktioniert, wie sie soll. In allen drei Fällen werden Maßnahmen ergriffen, um zukünftig Derartiges möglichst zu verhindern. Was macht den Unterschied zwischen diesen drei Fällen aus?

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Warum gibt es im Recht nur negative Sanktionen? In der Moral gibt es ja auch positive Sanktionen, moralische Anerkennung, Lob für moralisch hoch stehendes Verhalten: Helden und Heilige als leuchtende Vorbilder, hinstellen anderer als Vorbilder in der Erziehung (ein zweifelhaftes Mittel).

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Es gibt offenbar Verhaltensweisen, die im Interesse aller liegen, die jedoch nicht zur moralischen oder rechtlichen Pflicht gemacht werden können: ein Beispiel wäre die freiwillige Wohltätigkeit der Reichen, die den Armen abgeben, schenken, spenden.

Warum kann Wohltätigkeit nicht zur Pflicht gemacht werden? Weil es mit der Institution des Eigentums nicht vereinbar wäre. (Aber es gibt eine vage rechtliche Regelung gegen die zu große Ungleichheit durch die Norm: "Eigentum verpflichtet".)

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Die Frage nach den eingesetzten Mitteln für die Verwirklichung der angedrohten Sanktionen stellt sich in der Praxis nicht für jede Norm neu, sondern es gibt einen allgemeinen staatlichen Sanktionsapparat, der die Aufgabe hat, die Verletzungen in Bezug auf alle Normen zu erfassen und zu ahnden. Ob mehr Polizisten, mehr Staatsanwälte, mehr Richter, mehr Gefängnisse oder mehr Staatsanwälte benötigt werden, wird relativ selten in Bezug auf einzelne Normen diskutiert sondern eher als Frage nach dem allgemeinen Grad des Schutzes, den der Staat seinen Bürgern vor Normverletzungen bietet.

Obwohl es schwierig ist, die Kosten der Sanktionierung den einzelnen Normen zuzuordnen, ist eine entsprechende Kalkulation jedoch Voraussetzung einer rationalen Gesetzgebung.

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Man muss verschiedene "Geltungsebenen" der Normen unterscheiden, wobei die Ebenen durch die Art der Sanktionierung bestimmt werden.

Eine erste Ebene wird durch innerpsychische Sanktionen wie Selbstvorwürfe, Schuldgefühle, Gewissensbisse, Schamgefühle bestimmt.

Eine andere Ebene wird durch die "naturwüchsigen" Sanktionen aus der Gesellschaft bestimmt wie Verlust an Achtung, Wertschätzung, Ansehen, Beliebtheit  und den daraus resultierenden Folgen für den Normverletzer.

Eine weitere Ebene sind die sozial geregelten Sanktionsverfahren eines Rechtssystems: Geldstrafe, Freiheitsentzug, Todesstrafe etc.

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Eigeninteresse an einer moralisch geprägten Gesellschaft

Auf einer Ebene gibt es offenbar eine Verbindung von Eigeninteresse und Moral: Es gibt zumindest in manchen Punkten das Interesse aller daran, dass alle bestimmte Verhaltensnormen befolgen. Anders ausgedrückt: der Zustand, in dem alle eine bestimmte Norm einhalten, ist für alle besser als der Zustand, in dem keine derartige Norm (oder eine andere Norm) alle gilt. [Klären, für welche Normen das gilt / es gilt offenbar vor allem dann, wenn sich die Individuen in vergleichbarer Lage befinden / wie ist das bei Normenkomplexen? ]
Vor dem Hintergrund einer allgemein praktizierten Moral gibt es jedoch wieder das Auseinanderklaffen von Eigeninteresse und Moral,
indem es für den Einzelnen besonders vorteilhaft ist, wenn die anderen die Norm befolgen, er selber sich jedoch nicht daran hält.

Dies ist ein sekundäres Trittbrettfahrerphänomen, das die allgemeine Geltung der Norm bereits voraussetzt. Das Eigeninteresse ist hier parasitär und kann nicht auf allgemeine Anerkennung rechnen.

Allerdings ist die Sache komplizierter, weil die Frage: "Wäre es für alle besser, wenn die Norm N befolgt würde?" voraussetzt, dass die Norm lückenlos befolgt wird. Dieser Zustand wird sich jedoch meist nicht realisieren lassen (s. o. zum Trittbrettfahrer-Phänomen). In der Praxis stellt sich also immer zugleich die Frage der Durchsetzbarkeit einer Norm, wenn es um deren Anerkennbarkeit geht. So mag eine Norm, die nur von der Hälfte der Individuen befolgt wird, nicht mehr für alle vorteilhaft sein, weil nun noch die Nachteile durch das normwidrige Verhalten der einen Hälfte zu berücksichtigen sind.
[Beispiele, unterschiedliche Empfindlichkeit verschiedener Bereiche gegenüber Normverletzungen]

Hinzu kommt im Falle unvollständiger Normbefolgung das Problem der Ungerechtigkeit im Sinne einer ungleichen Verteilung der Vor- und Nachteile. Die Normverletzer vermeiden im Unterschied zu den Normbefolgern die Nachteile einer Einschränkung durch die Norm.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Wenn etwa für jeden der schöne Anblick einer Grünanlage wichtiger ist als die halbe Minute, die man benötigt, um um sie herumzugehen, so ist es für jeden besser, wenn die Grünanlage nicht betreten wird. Wenn das entsprechende Verbot jedoch nicht allgemein befolgt wird, so beteiligen sich diejenigen, die "quer Beet latschen", nicht an den "Kosten" der Regelung (durch den eigenen Umweg), ziehen jedoch den Nutzen aus der von anderen normtreuen Individuen geschonten Grünanlage.

Dies ist zum einen "ungerecht" im Sinne einer nicht allgemein anerkennbaren Verteilung der Nutzen und Lasten.

Zum andern mag die weitere Befolgung der Norm für den Normtreuen unvorteilhaft werden, weil die erreichte geringfügige Schonung der Grünanlage für ihn die Nachteile des eigenen Umwegs nicht mehr aufwiegt.

Nichtbefolgung höhlt also eine Moral aus und entzieht auch einer "eigentlich" (d. h. bei allgemeiner Befolgung) "vernünftigen" Norm ihre Grundlage.

Und wenn die "Moral" erst einmal "ruiniert" ist ("Das machen die andern ja auch! Das macht ja jeder so! Ich wäre ja blöd!"), dann ist es gewöhnlich sehr schwer, sie wieder in Kraft zu setzen. Wenn "die Sitten erstmal heruntergekommen sind", dann lassen sie sich nur schwer wieder herstellen, weil es dazu des Vertrauens bedarf, dass sich zukünftig auch die anderen wieder daran halten werden.

 

Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
    Sinn und Rechtfertigung der Strafe ** (7 K)
 

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Letzte Bearbeitung 01.11.2012 / Eberhard Wesche

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