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Demokratietheorie
Methodische Anmerkungen
"Demokratie" bildet
nicht nur das offizielle Selbstverständnis des politischen Systems der
Bundesrepublik, auch verschiedene Protestbewegungen beriefen sich in ihrer
Kritik auf demokratische Prinzipien.
Die nahezu allseitige Berufung auf Demokratie weist jedoch zugleich auf eine
Schwierigkeit bei der wissenschaftlichen Untersuchung des Phänomens "Demokratie"
hin. Dass sich die verschiedensten politischen Strömungen als "demokratisch"
verstehen - von der "Christlich-Demokratischen Union" bis zur "Deutschen
Demokratischen Republik" und von der "Alternativen Liste für Demokratie und
Umweltschutz" bis zur "National-demokratischen Partei Deutschlands" - bedeutet
ja nicht, dass eine tatsächliche Gemeinsamkeit der politischen Zielvorstellung
besteht. Eher ist es so, dass sich hinter dem Etikett "demokratisch" recht
unterschiedliche Vorstellungen verbergen; und tatsächlich werfen sich die
verschiedenen Richtungen nicht selten ein "falsches Demokratieverständnis" vor. "Demokratie" ist dadurch ein politischer Kampfbegriff geworden. Jede politische
Richtung versucht, ihre eigenen politischen Vorstellungen aufzuwerten, indem sie
die "Demokratie" in ihrem jeweiligen Sinne definiert.
Ein solches Verfahren mag zur politischen Rhetorik taugen, sachlich bringt der
Streit um die "wahre Bedeutung" des Wortes "Demokratie" jedoch nichts ein, denn
streng genommen gibt es in der Wissenschaft keine richtigen oder falschen
Definitionen. Ob ein Begriff sinnvoll gebildet ist, lässt sich nur daran
bemessen, ob sich mit Hilfe dieses Begriffs wichtige Erkenntnisse formulieren
lassen. Folglich muss es einem Wissenschaftler erstmal freistehen, seine
Begriffe so zu bilden, wie es ihm für die Beantwortung seiner Frage nötig zu
sein scheint.
Statt sich also darum zu streiten, was "wahre" Demokratie ist, sollte man sich
eher darum streiten, ob die jeweiligen Vorstellungen argumentativ zu
rechtfertigen sind oder nicht.
Um dem fruchtlosen Streit um Worte zu entgehen, erscheint es sinnvoll, "Demokratie" möglichst umfassend zu definieren, z. B. als Volksherrschaft, um
dann innerhalb dieses relativ weiten Demokratiebegriffs verschiedene Varianten
der Demokratie zu unterscheiden, wie z. B. direkte und indirekte Demokratie,
plebiszitärer und parlamentarische Demokratie, pluralistische und totalitäre
Demokratie, bürgerliche und proletarische Demokratie, formale und inhaltliche
Demokratie, Basisdemokratie und Fundamentaldemokratie etc. Hier soll
dementsprechend unter "Demokratie" die "Volksherrschaft" verstanden werden, was
der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes entspricht.
Erst wenn präzisiert ist, welche Art von politischer Ordnung durch den
entsprechenden Begriff bezeichnet werden soll, kann man über das Für-und-wider
der entsprechenden Demokratievariante rational diskutieren. Erst dann kann man
fragen, inwiefern von dem vorgeschlagenen Normsetzungsverfahren akzeptable
Resultate zu erwarten sind,
***
Zwei Arten von Theoriebildung müssen in Bezug auf den Gegenstand Demokratie
unterschieden werden:
Zum einen gibt es normative Theorien der Demokratie, die sich mit der
Rechtfertigung und Kritik der Demokratie bzw. verschiedene Demokratievarianten
befassen. Normative politische Theorien fragen nicht danach, wie eine bestimmte
politische Ordnung tatsächlich beschaffen ist oder warum sie so beschaffen ist,
sondern sie fragen, wie die politische Ordnung beschaffen sein
soll, und nach den dafür gegebenen
Begründungen. Ihr Ziel ist nicht die Beschreibung und Erklärung des bestehenden
sondern dessen Rechtfertigung und Kritik.
Zum andern gibt es positive Theorien der Demokratie, die reale demokratische
Systeme empirisch beschreiben, in ihrer Funktionsweise analysieren und Fragen
nach ihren Existenz- und Stabilitätsbedingungen stellen.
Obwohl sich normative und positive Elemente in konkreten Theorien häufig
mischen, ist es doch wichtig, beide Frageebenen deutlich zu unterscheiden, weil
für oder gegen normative Behauptungen ganz anders argumentiert werden muss als
in Bezug auf positive Behauptungen, für die das Kriterium der Beobachtbarkeit
von zentraler Bedeutung ist.
Die analytische Unterscheidung zwischen normativer
und positiver Theoriebildung fällt nicht zuletzt deswegen schwer, weil diese
Unterscheidung oft kaum reflektiert wird, so dass viele Theorien ein kaum
entwirrbares Gemisch aus normativen Forderungen und empirischen Annahmen
darstellen, deren kritische Überprüfung dadurch außerordentlich erschwert wird.
Bei der normativen Diskussion einer vorgeschlagenen Demokratievariante kann man
methodisch unterschiedlich vorgehen.
Man kann zum einen fragen, wie diese Demokratiekonzeption historisch entstanden
ist, auf welche konkrete Problemlage sie eine Antwort geben sollte und ob diese
Problemlage heute noch besteht.
Ein anderer methodischer Zugang ist die Untersuchung konkreter Gesellschaften,
in denen eine bestimmte Demokratievariante praktiziert wird.
Ein dritter methodischer Weg zur Diskussion vorgeschlagenen Demokratievarianten
ist die theoretische Konstruktion eines sozialen Modells. Man macht etwa
bestimmte Annahmen über die Regeln, die für die Normsetzung gelten, über die
Individuen und ihr Verhalten sowie über die Beschaffenheit der Gesellschaft.
Dann leitet man aus diesen Modellannahmen auf rein logischem Wege die zu
erwartenden Resultate ab.
In den normativen Demokratietheorien der einzelnen Autoren mischen sich häufig
die historisch-empirische und die modelltheoretische Ebene der Argumentation und
auch der normative Maßstab, an dem die verschiedenen Varianten gemessen werden,
wird oft nicht ausdrücklich formuliert. Dadurch wird eine rationale Diskussion
der verschiedenen Demokratievorstellungen nicht gerade erleichtert. Es bedarf
gewöhnlich erst einer erheblichen Anstrengung, um die Argumentation der
einzelnen Autoren methodisch sauber und systematisch herauszuarbeiten.
Siehe auch
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
Die Demokratie bei
Rousseau ** (25 K)
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methodische Anmerkungen"
Letzte Bearbeitung 25.10.2007 / Eberhard Wesche
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