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Determinismus

oder:

Geschieht alles nach Gesetzmäßigkeiten?


 

Begründung des Determinismus
Die Annahme kausaler Gesetzmäßigkeit als methodologisches Prinzip
Besonderheiten des menschlichen Verhaltens
Für Menschen gibt es niemals dieselbe Situation
Der Mensch kann reflektieren
An einen Deterministen
Kann man auf die Kategorie der Möglichkeit verzichten?
Die Entscheidung bleibt
Kausales Denken

Natürliche Regelmäßigkeiten und Freiheit
 


Eine Begründung des Determinismus bezüglich menschlichen Handelns

Eine Begründung des Determinismus könnte folgendermaßen aussehen:

Satz 1: Das reale Weltgeschehen unterliegt kausalen Gesetzmäßigkeiten von der Form "Immer wenn v, w, x ... gegeben sind, dann geschieht z".
[Prämisse 1]

Satz 2: Das menschliche Verhalten ist Teil des realen Weltgeschehens.
[Prämisse 2]

Satz 3: Folglich unterliegt auch das menschliche Verhalten kausalen Gesetzmäßigkeiten von der Form "Immer wenn v, w, x, ... gegeben sind, dann geschieht z".
[Folgt aus 1). und 2.)] 

Satz 4: Für "dann geschieht z" kann man einsetzen: "dann tritt beim Menschen A das Verhalten z auf".
[Folgt aus der Bedeutung von "geschehen".] 

Satz 5: Immer wenn v, w, x, ... gegeben sind, dann tritt beim Menschen A das Verhalten z auf.
[Folgt aus Satz 3 und 4)]

Satz 6: Beim Menschen A tritt zum Zeitpunkt t das Verhalten z auf.

Satz 7: A konnte das Auftreten des Verhaltens z zum Zeitpunkt t bei sich nicht vermeiden.
[Folgt aus Satz 5 und 6)]

Diese Argumentation gilt nicht nur für den Menschen A und sein Verhalten z, sondern lässt sich auf jegliches Verhalten jedes Menschen verallgemeinern. 


An welcher Stelle lässt sich diese Argumentation angreifen?

Problematisch ist vor allem Satz 1. Denn trotz intensiver Bemühungen ist es der Wissenschaft bisher nicht gelungen, jedes reale Ereignis auf bestimmte Gesetzmäßigkeiten von der allgemeinen Form "Wenn v, w, x ... , dann z" zurückführen, insbesondere, was das Verhalten von Menschen angeht. Dagegen wird eingewandt, dass es diese Gesetzmäßigkeiten trotzdem gebe, auch wenn sie von der Wissenschaft noch nicht aufgedeckt worden seien. Damit steht und fällt die Argumentation damit, ob man diese Annahme teilt oder nicht.

Was rechtfertigt die Annahme, dass für alles Geschehen Gesetzmäßigkeiten gelten? Dass wir für einige Bereiche - etwas die Mechanik - solche Gesetzmäßigkeiten bereits ausmachen konnten? Lassen sich die Ergebnisse aus dem Bereich der Mechanik auf den Bereich des menschlichen Verhaltens übertragen?

Häufig wird davon ausgegangen, "dass alles in der Natur unter bestimmten Gesetzen erfolgt". Oder es heißt: "Wie alles andere, so ist auch unser Wille dem Prinzip der Kausalität unterworfen."  
Woher wissen wir das?

Wir erkennen in dem ständigen Prozess der Veränderung gewisse empirische Regelmäßigkeiten: Wir können aufgrund der Erkenntnis dieser Regelmäßigkeiten bestimmte Ereignisse erfolgreich vorhersagen und viele sogar gezielt erzeugen.
 
Das Problem besteht jedoch darin, das aus noch so vielen Beobachtungen einer ausnahmslosen Regelmäßigkeit nicht logisch-deduktiv auf die Wahrheit allgemeiner Gesetzmäßigkeiten geschlossen werden kann, weil dies Gesetz auch für zukünftige Ereignisse gelten soll, und diese kennen wir (noch) nicht. Insofern bleiben alle "Naturgesetze" Hypothesen, die möglicherweise zukünftig falsifiziert werden.

Wir nehmen zwar bestimmte Regelmäßigkeiten wahr: Wenn wir einen Kessel Wasser auf ein Feuer stellen, fängt das Wasser an zu verdampfen. Oder wenn man ein Kleinkind schlägt, fängt es an zu weinen.

Wir können diese empirischen Regelmäßigkeiten sicherlich noch präziser formulieren, aber diese All-Sätze, die jederzeit und überall Geltung beanspruchen, können in der Zukunft korrekturbedürftig werden. Dies liegt daran, dass der Schluss von den bisher vorliegenden Fällen auf alle Fälle überhaupt eben kein gültiger deduktiver Schluss ist sondern nur eine versuchsweise (hypothetische) Verallgemeinerung, ein induktiver "Schluss". 

Erst recht ungesichert ist der Schluss von der Tatsache, dass in vielen Bereichen der Wirklichkeit Regelmäßigkeiten entdeckt wurden, auf die These, dass alles Geschehen gemäß bestimmten Regeln verläuft.


Der Schluss von bestimmten beobachteten Regelmäßigkeiten auf die generelle These: "Alles was geschieht, ist kausalen Gesetzmäßigkeiten unterworfen" ist nun erst recht kein logisch-deduktiver Schluss sondern eine kühne Verallgemeinerung.


Die Annahme kausaler Gesetzmäßigkeit als methodisches Prinzip

Dass jedes Phänomen seine Ursachen hat und deren gesetzmäßige Folge ist, sollte nicht als Aussage über die Wirklichkeit aufgefasst werden, sondern eher als ein Erkenntnisprogramm: Es ist sinnvoll, nach empirischen Regelmäßigkeiten zu forschen, weil nur die Kenntnis dieser Regelmäßigkeiten es uns ermöglicht, Zukünftiges vorherzusagen und damit auch die Folgen unseres eigenen Handelns zu berücksichtigen und unsere Ziele zu erreichen. 

D
ie Annahme, dass alles seine Ursache hat, ist eine sinnvolle Annahme, um die Wirklichkeit zu gestalten. Ich suche nach empirischen Regelmäßigkeiten oder "Ursachen", um gezielt etwas herstellen oder beseitigen zu können. Wenn ich die Ursache von Krebs kenne, kann ich die Krankheit gezielt bekämpfen. Wenn ich die Ursache für die heilende Wirkung von Kamille kenne, kann ich diesen Stoff chemisch gewinnen und anwenden.

Ob aber die ganze Welt nach dem Prinzip der gegeneinander fallenden Dominosteine ("Wenn a, dann b", "Wenn b, dann c", "Wenn c, dann d" u.s.w. u.s.f. aufgebaut ist, mag dabei dahingestellt bleiben.


Auch wenn der wissenschaftliche Fortschritt weiter geht und weitere empirische Regelmäßigkeiten entdeckt werden, werden die Menschen mit Risiken und Ungewissheiten leben müssen. Sie bleiben mit verschiedenen Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung konfrontiert und müssen deshalb entscheiden und handeln.

Selbst ein vergleichsweise einfaches System wie die Maschine, die die Lottozahlen hervorbringt, kann in seinem Ablauf von uns nicht prognostiziert werden. Und das, obwohl die Mechanik eine der bestentwickelten Wissenschaften hinsichtlich der Erkenntnis empirischer Regelmäßigkeiten ist.

Ein Determinist und ein Nicht-Determinist können sich über die vergangene und gegenwärtige Wirklichkeit völlig einig sein. Der Unterschied besteht allein darin, dass der Nicht-Determinist sagt: "So ist es", und der Determinist sagt: "So musste es sein". Deshalb kann man auch kein Experiment durchführen, um den Determinismus zu bestätigen oder zu widerlegen. Die deterministische Weltsicht kann nicht an der Erfahrung scheitern, denn wo keine Gesetzmäßigkeit gefunden wird ("Warum zerfällt das Uranatom x früher als das Uranatom y?"), da antwortet der Determinist: "Wir wissen noch nicht genug. Deshalb können wir die Gesetzmäßigkeiten des Zerfalls radioaktiver Uran noch nicht formulieren."

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Besonderheiten des menschlichen Verhaltens hinsichtlich seiner Gesetzmäßigkeit

Hinsichtlich der wissenschaftlichen Erforschung des Menschen und seines Verhaltens stellt sich für eine Wissenschaft, die auf Gesetzmäßigkeiten aus ist, noch ein zusätzliches Problem. Dadurch, dass Menschen eine bestimmte Regelmäßigkeit kennen, berücksichtigen sie diese in ihrem Handeln, wodurch diese Regelmäßigkeit wieder verschwindet.

In den Sozialwissenschaften ist das Phänomen der "sich selbst erfüllenden Vorhersagen" ("self-fulfilling prophecies") bekannt (Ein Börsen-Guru sagt in der Öffentlichkeit Kurssteigerungen einer bestimmten Aktie voraus und da viele Leute dadurch angeregt werden, diese Aktie zu kaufen, steigt der Kurs der Aktie dann tatsächlich). Umgekehrt gibt es auch "sich selbst zerstörende Vorhersagen" (" self-destroying prophecies" ) (Der ADAC sagt auf bestimmten Autobahnabschnitten zum Ferienbeginn extreme Staus voraus, und weil dadurch viele Leute von der Benutzung dieser Abschnitte abgeschreckt werden, ist dann dort überhaupt kein Stau).

Wenn den Leuten gesagt wird, wie sie in einer bestimmten Situation handeln werden, kann dies dazu führen, dass sie ihr Handeln neu überdenken und anders handeln als vorhergesagt.

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Für Menschen gibt es niemals dieselbe Situation

Die Idee einer deterministischen "Weltformel", die alle gegebenen Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten erfasst und dadurch das gesamte Geschehen - einschließlich unseres eigenen Handelns - vorhersagbar macht, kann wahrscheinlich nicht widerspruchsfrei gedacht werden, weil es für den Menschen keine völlig identische Wiederholung einer Situation geben kann.

Der Mensch hat ein Gedächtnis, weshalb es streng genommen für ihn keine Wiederholung der gleichen Situation geben kann. Zu der sich wiederholenden Situation kommt immer ein weiterer Faktor hinzu: die Erinnerung an das letzte Mal. Dadurch ist die Situation nicht mehr die gleiche.

Ich sehe deshalb nicht, dass die Menschen eines Tages  gelangweilt sich selber zuschauen, weil sie bereits im Voraus wissen, wie sie sich entscheiden und handeln werden.

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Der Mensch kann reflektieren

Zwischen dem Verhaltensprogramm eines Menschen und z. B. dem eines Hundes besteht ein wichtiger Unterschied: Ein Mensch hat die Fähigkeit, über sein eigenes Handeln, über dessen Motive und Konsequenzen nachzudenken. Er kann gedanklich das Für und Wider verschiedener Handlungsmöglichkeiten erwägen und er kann ein Verhältnis zu sich selbst einnehmen, was sich in Worten wie "Selbstkritik", "Selbsterziehung", "Eigenlob" etc. ausdrückt. Insofern ist der Mensch unabhängiger und "freier" in seinen angeborenen Verhaltensprogrammen als ein Hund. (Er hat "Vernunft und Verstand" … zumindest manchmal.)

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An einen Deterministen (aus einer Internet-Diskussion):

Wenn ich Dich recht verstanden habe, so ist für Dich die Vorstellung, dass ein Mensch verschiedene Handlungsmöglichkeiten hat, zwischen denen er sich frei entscheiden kann, "kompletter Unsinn". Für Dich ist "die Negation der Willensfreiheit … eine der revolutionärsten Entdeckungen der Wissenschaft", und Du ziehst daraus weitgehende Konsequenzen: Begriffe wie "Entscheidung", "Verantwortung", "Schuld", "Strafe" oder "Identität" verlieren für Dich ihren Sinn.
 
Mich hat jedoch Deine Argumentation an verschiedenen Punkte nicht überzeugt.
 
1. Dass die Neurologie "durch unzählige Versuche .. nahezu bewiesen habe", dass man keinen "freien Willen" hat, bleibt eine kühne Behauptung. Das Beispiel, das Du anführst ("Grinsen beim Zeigen eines obszönen Fotos") ist eine unwillkürliche Reaktion auf einen bestimmten Reiz.  
 
So etwas wird jedoch üblicherweise nicht als eine "Willensäußerung" bezeichnet. Niemand würde  eine derartige Situation mit den Worten beschreiben: "Als mir das besagte Foto mit dem …. Mann und der  …. Frau gezeigt wurde, entschied ich mich zu grinsen" (bzw. "wollte ich grinsen" ).  Nicht jede Reaktion oder Aktion eines Menschen ist Ausdruck einer Entscheidung bzw. Äußerung eines Willens. Man kann in diesem Fall sogar umgekehrt sagen: "Ich wollte nicht grinsen, aber ich musste einfach, als ich das Foto sah." Es wäre deshalb sinnvoll, dass Du erläuterst, wie Du den Begriff "Wille" verwenden willst.
 
2. Du schreibst: "Bewusst werden im Gehirn immer nur einige Vorgänge, diese Vorgänge werden aber nicht vom Bewusstsein gesteuert, sondern diese Vorgänge steuern das Bewusstsein." Dies hört sich so an, als gäbe im Gehirn physische Vorgänge (Hormonausschüttungen, Hirnströme etc.), die auf psychische Vorgänge (Denken, Empfinden, Bewusstsein) einwirken.  
 
Hirnstrom und bewusster Gedanke sind jedoch nicht als zwei verschiedene Objekte aufzufassen, bei der das eine auf das andere wirkt und dieses steuert. Der gemessene Hirnstrom und mein bewusster Gedanke sind stattdessen verschiedene Aspekte ein und desselben Vorgangs. Der Hirnstrom "steuert" nicht meine Gedanken. In ähnlicher Weise sind die durch einen  erhöhten Adrenalinspiegel hervorgerufenen Schaltvorgänge im Nervensystem und meine gefühlsmäßige Erregung zwei Aspekte desselben Vorgangs.  
 
3. Du schreibst: "In der gleichen Situation reagiert der gleiche Mensch … immer gleich. Er kann sich nicht einmal hier und ein andermal dafür entscheiden. Seine Entscheidung hängt nur von zwei Faktoren ab: seinem Genotyp und seiner bisher erlebten Geschichte, die das Gehirn prägt."  
 
Das klingt einfach, aber die Psychologen haben ihre liebe Not damit, ausnahmslose Regelmäßigkeiten für menschliches Verhalten zu finden und nach Art von "Naturgesetzen" zu formulieren. Ein Grund dafür ergibt sich schon aus der von Dir selbst getroffenen Feststellung, dass die Entscheidungen eines Menschen von seiner bisher erlebten Geschichte abhängen. Eben weil der Mensch sich erinnern kann, gibt es für ihn niemals "die gleiche Situation". Es gibt höchstens die "gleiche" Situation wie zuvor, zuzüglich der Erinnerung an die vorige Situation.  
 
4. Bei deinem Beispiel für illusionäre Willensfreiheit ("Ich habe die Möglichkeit, den Computer zu nehmen und aus dem Fenster zu schmeißen"), lautet Dein Argument: "Wenn ich dies tatsächlich tun sollte, wäre es aber ausgelöst durch meine Gedanken zur Willensfreiheit, es wäre nicht mein freier Wille". Das heißt also: Wenn eine Handlung durch einen Gedanken ausgelöst wird, kann sie schon nicht mehr einem freien Willen entspringen.
 
Hier wird deutlich, dass Du offenbar unter "Freiheit" in diesem Zusammenhang etwas sehr Spezielles verstehst, das sich weit vom normalen Sprachgebrauch entfernt ("Ich habe es freiwillig getan. Ich wollte so handeln.") Wenn Du als einen "freien" Willens nur einen solchen Willen bezeichnest, der in keiner Weise bedingt oder beeinflusst ist – auch nicht durch Überlegungen – so wundert es nicht, dass Du nirgendwo Willensfreiheit feststellen kannst. (Hier rächt es sich, dass Du nicht erläutert hast, wie Du die zentralen Begriffe "Freiheit" und "Wille" gebrauchen willst.)  

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Kann man auf die Kategorie der "Möglichkeit" verzichten?

Deterministen, die eine Willensfreiheit von Menschen prinzipiell bestreiten, drücken ihre Überzeugung manchmal in Sätzen aus wie: "Das subjektive Gefühl, zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen zu können, ist objektiv gesehen falsch und beruht auf einer Täuschung".

Solche Deterministen handeln inkonsequent, wenn sie trotzdem im praktischen Leben Formulierungen gebrauchen wie: "Ich hatte die Wahl, meine Stimme der X-Partei zu geben oder der Y-Partei. Ich habe die Y-Partei gewählt."

Wenn derartige Aussagen nur das Ergebnis einer Täuschung darstellen, so sollten sie darauf verzichten.

Weshalb können wir aber auf Begriffe wie "Möglichkeit", "Wahl", "Entscheidung", "Alternative" nicht verzichten?


Wir  können das nicht, weil wir trotz einer objektivierenden  Betrachtungsweise "von außen" eben Subjekte sind, die "ich" sagen, die sich in einer Welt voller Unsicherheiten und Ungewissheiten behaupten wollen und dazu in ihrem Denken verschiedene Handlungsalternativen und deren mögliche Folgen durchspielen. Dies macht unsere Existenz als Menschen aus und ist nicht einfach "wegzuphilosophieren".

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Die Entscheidung bleibt

Aus der Tatsache, dass unsere Handlungen äußeren Einflüssen unterliegen, könnte jemand den Schluss ziehen: "Wenn ich nicht aus freiem Willen handle, dann bin ich auch nicht für meine Handlungen verantwortlich. Also habe ich auch niemals Schuld, denn einen Vorwurf kann man nur dann jemandem machen, wenn er auch anders hätte handeln können als er es getan hat. Da ich jedoch über keinen freien Willen verfüge, weil mein Handeln - wie alle anderen Vorgänge in der Welt auch – natürlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, konnte ich nur so handeln, wie ich es getan habe."

Dieser Gedankengang ist falsch. Ich bin tagtäglich in Situationen, in denen ich mich zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden muss. Diese Erfahrung habe ich gemacht und machen andere wohl auch. Und niemand kann mir meine Entscheidungen abnehmen. Keine noch so große gedankliche Anstrengung kann die normative Frage "Wie soll ich mich  entscheiden?" durch die prognostische Frage: "Wie werde ich mich entscheiden?" ersetzen.


Wenn der Determinist kein Faktum angeben kann, das seine Auffassung bestätigen und meine widerlegen würde, wenn er also immer nur im Nachhinein sagen kann: "Du hast dich so entschieden, wie Du dich entscheiden musstest", dann kann mir seine Ansicht im wahrsten Sinne des Wortes "gleichgültig" bleiben. Ob mit oder ohne Determinismus: es bleibt alles beim alten.

Damit will ich allerdings nicht Fälle ausschließen, bei denen es nicht mehr sinnvoll ist, von Entscheidungsfreiheit zu sprechen. Ein Beispiel hierfür sind Suchtkranke, die sich entgegen ihrer Einsicht in das Selbstzerstörerische ihrer Sucht davon nicht freimachen können.

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In der Diskussion hat es oft den Anschein, als könne man an der Willensfreiheit nur dann festhalten, wenn man neben dem "Reich der Notwendigkeit", in dem alles gemäß den "Gesetzen der Natur" geschieht, noch ein "Reich der Freiheit" annimmt, in dem sich alles gemäß den "Gesetzen der Vernunft" vollzieht. Darin sind sich die Anhänger der These von der Unfreiheit des menschlichen Willens und die Anhänger einer idealistischen Willensfreiheit einig. Der Unterschied zwischen beiden Positionen ergibt sich nur daraus, dass die einen die Zwei-Welten-Position ablehnen und die andern nicht.

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Wenn man der Auffassung ist, dass auch das menschliche Wollen und Handeln als Teil des realen Geschehens kausal bedingt ist, so folgt daraus jedoch nicht, dass das menschliche Wollen und Handeln deshalb "unfrei" sei.

Dieser Schluss wird aber gezogen, wenn man sagt: "Du entscheidest Dich nicht frei, sondern die vorhandenen Infos werden, gemäß der Soft- und Hardware deines Gehirns und der gegebenen Rechenzeit verarbeitet. Und danach handelst du."

Damit wird gesagt: Du kannst dich nicht frei entscheiden, weil der Entscheidungsprozess in Deinem Gehirn entsprechend bestimmten gegebenen Bedingungen ("Soft- und Hardware") abläuft und Du Dich dementsprechend entscheidest und handelst. Das heißt, weil die Entscheidung als vielseitig bedingter physischer Prozess in meinem Gehirn abläuft, kann man meine Entscheidung nicht mehr als "frei" bezeichnen.

Veranschaulichen wir diese Position an einem einfachen Beispiel. Ich gehe in einen Imbiss, der zwei Gerichte zur Auswahl hat. Das eine Gericht ist ein Nudelgericht und Nudeln mag ich überhaupt nicht. Ich entscheide mich für Steak mit Pommes. War meine Entscheidung frei oder unfrei?

Mein Entscheidungskalkül war das relativ simple "Programm": "Wähle kein Gericht, das mehr als 10 EURO kostet und wähle kein Gericht, das Nudeln enthält." Entsprechend dieser "Software" spuckte mein Gehirn schnell das Ergebnis aus. Habe ich unfrei entschieden? Ja, würden einige jetzt sagen, Du musstest das Pommesgericht wählen, weil Du Nudeln nicht magst, was in Deinem Gehirn gespeichert ist.

Das heißt, ich hatte keine freie Entscheidung, weil mich meine im Gehirn verankerte Abneigung gegen Nudeln "gezwungen" hat, die Pommes zu wählen? Dagegen würde ich sagen: Was ist da Zwang, wenn ich meinen Vorlieben nachgehe?

Oder besteht die Unfreiheit schon darin, dass ich in meiner Entscheidung von Vorgängen in meinem Gehirn abhängig bin? Das wäre allerdings eine neue Variante der Zwei-Welten-Lehre: Hier bin ich und da ist mein Gehirn. Aber was bin ich ohne Gehirn? Und wer ist mein Gehirn.

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Kausales Denken

Das Denken in Ursache-Wirkungszusammenhängen beschränkt sich meist auf die Beziehung zwischen zwei Phänomenen: "U bewirkt F" bzw. "F ist die Folge von U".

Gewöhnlich ist der Zusammenhang jedoch weitaus komplizierter. Er ist nicht monokausal sondern multikausal. Das heißt, dass verschiedene Phänomene zusammenwirken, damit F eintritt.

Auch die Seite der Folgewirkung ist komplizierter. Man hat F herbeigeführt, indem man U1 bis Un geschaffen hat. Aber man weiß nicht, welche Folgen man noch bewirkt hat. Dies ist das Problem der unbekannten "Nebenfolgen" und "Spätfolgen" eines Eingriffs in den Gang der Dinge.

Als weitere Komplikation gibt es die sogenannten "Wechselwirkungen".

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Natürliche Regelmäßigkeiten und Freiheit

Dem Deterministen tritt die Natur mit ihren Eigenschaften als eine eherne Notwendigkeit gegenüber, als ein gewaltiges Uhrwerk, in dem der Mensch ein winziges Rädchen ohne jegliche Freiheit ist.

Stattdessen leben wir in diesen natürlichen Regelmäßigkeiten wie Fische im Wasser. Nehmen wir z. B. die Schwerkraft. Sie nimmt uns keine Freiheit, sondern wir gehen, laufen, springen, werfen gerade durch und mit diesen Regelmäßigkeiten. Wir leben in dieser Natur, sind Teil dieser Natur, sind das, was wir sind, durch diese natürlichen Bedingungen geworden, wir passen in diese Welt.

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Unterliegt unser Handeln kausalen Gesetzmäßigkeiten?

Um eine Frage beantworten zu können, muss als erstes deren Bedeutung geklärt werden. In unserm Fall ist vor allem zu klären, was mit dem Wort "determiniert" in Bezug auf menschliches Handeln gemeint ist. Ein Ereignis soll dann und nur dann als "determiniert" bezeichnet werden, wenn es kausalen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Unter einer "Gesetzmäßigkeit" wird eine "ausnahmslos an jedem Ort und zu jeder Zeit geltende Regelmäßigkeit" verstanden. "Kausale Gesetzmäßigkeit" hieße dann, dass immer dann, wenn eine bestimmte Konstellation von Bedingungen (die "Ursache") gegeben ist, zeitlich nachfolgend ein bestimmtes Ereignis (die "Folge") eintritt. Gemäß dieser Definition sind mathematische Gesetzmäßigkeiten wie der Satz: "Die Winkelsumme im Dreieck beträgt 360 Grad" keine kausale Gesetzmäßigkeiten, denn sie drücken keine zeitliche Folge aus.

Die Ausgangsfrage "Ist das menschliche Handeln determiniert?" lautet dann umformuliert: "Unterliegt menschliches Handeln ausnahmslosen empirischen Regelmäßigkeiten?"

Jemand, der diese Frage bejaht, wird als "Determinist" bezeichnet. (Zu beachten ist dabei, dass die nachfolgenden Überlegungen nur für den in dieser Weise definierten Deterministen und nicht für andere Varianten des "Determinismus" gelten.) Es ist naheliegend, die These des Determinismus "Das menschliche Handeln unterliegt ausnahmslosen empirischen Regelmäßigkeiten" als eine Aussage über die wirkliche Beschaffenheit der Welt anzusehen. Eine Aussage über die Beschaffenheit der Welt kann man anhand von Sinneswahrnehmungen, vor allem Beobachtungen empirisch überprüfen. Dies kann im vorliegenden Fall so geschehen, dass man ein bestimmtes Handeln eines Menschen herausgreift und nach der Ursache dieses Handelns fragt, also nach der Regelmäßigkeit, die dem Auftreten dieses Handelns dieses Handelns zugrundeliegt.

Man kann z. B. fragen, warum Miroslav Klose als Mitglied der deutschen Fußballnationalmannschaft in dem Spiel gegen  Argentinien am xx.xx.2010 dem argentinischen Spieler X in der x. Spielminute von hinten in die Hacken getreten hat. Ohne hier im Einzelnen zu versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu geben, so ist wohl unstrittig, dass sich keine Formulierung der zugrundeliegenden Regelmäßigkeiten finden lässt, die ausnahmslos gilt. Der Versuch, eine kausale Gesetzmäßigkeit nach dem Muster "Wenn die Bedingungen u, v, w ... gegeben sind, dann tritt ein Fußballspieler einem gegnerischen Spieler in den Hacken" zu formulieren, ist zum Scheitern verurteilt. Nicht umsonst hat die Psychologie als Wissenschaft bereits große Schwierigkeiten, wenn sie Regelmäßigkeiten des Handelns für bestimmte Menschengruppen (gegenwärtig lebende Europäer, Frauen, Kinder, Schichtarbeiter, SPD-Wähler o.ä.) formuliert. Über die Aufdeckung zeitgebundener statistischer Zusammenhänge (Korrelationen) und deren Prüfung auf "Überzufälligkeit" (statistische Signifikanz) kommt die empirische Psychologie nur selten hinaus.

Ist der Determinismus damit bereits empirisch widerlegt, weil in diesem Fall keine Regelmäßigkeiten formuliert werden können, die einer systematischen empirischen Überprüfung standhalten Der Determinist könnte antworten: "Ich gebe zu, dass wir heute noch nicht jede Handlung kausal erklären können. Das liegt an der Unvollkommenheit unseres Wissens und an der Komplexität des Gegenstandes. Dass das menschliche Handeln kausalen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, wird noch nicht dadurch widerlegt, dass wir diese Gesetze häufig nicht kennen."

Wenn der Determinist in dieser Weise argumentiert, dann kann es keine empirische Bestätigung oder Widerlegung der deterministischen These geben, denn wenn in einem Fall die Regelmäßigkeit nicht formuliert werden kann, so kann der Determinist immer sagen, dass wir in diesem Fall eben noch nicht über hinreichendes Wissen verfügen, um die zugrundeliegende kausale Regelmäßigkeit in diesem Fall formulieren zu können. Der Determinismus ist in dieser Form also gegen Widerlegung immunisiert.

Der Determinist argumentiert differenzierter: "Überall dort, wo unser Wissen groß genug ist, um alle relevanten Faktoren zu kontrollieren, stellen wir fest, dass es Regelmäßigkeiten gibt. Der wissenschaftliche Fortschritt wird dazu führen, dass ein immer größerer Bereich der Wirklichkeit durch kausale Regelmäßigkeiten erklärt werden kann.


Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:

     Willensfreiheit - Hat der Mensch einen freien Willen? * (28 K)


 

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Übersicht

Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Determinismus oder Geschieht alles nach Gesetzmäßigkeiten?"
 
Letzte Bearbeitung 03.10.2010 / Eberhard Wesche


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