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Warum soll man moralisch sein? II
PhilTalk Philosophieforen
Praktische Philosophie >> Ethik >> warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
(Thema begonnen von: Aqvilleia am 23. Aug. 2006, 09:22 Uhr)
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Titel: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia am
23. Aug. 2006, 09:22 Uhr
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Hallo Eberhard -
ich versuche den Thread neu zu eröffnen und hoffe, dass
es in deinem Sinn ist.
Dabei ersuche ich vor allem jene die nicht an
einer ernsthaften, d.h. sachlich philosophischen Diskussion interessiert sind
ihre Kämpfe im vorausgegangenen Thread auszutragen. Da mir Ethik ein Anliegen
ist, wünsche ich mir in diesem Sinn keine persönlichen Angriffe, und den Begriff
'Liebe', 'Ich bin Du', sparsam bis gar nicht einzusetzen, denn darüber wurde nun
meiner Meinung nach genug diskutiert. Dieser Apell geht an alle die hier posten!
[smiley=danke.gif]
George E.Moore beginnt damit, zu hinterfragen was
wir damit meinen wenn wir sagen, dass eine Handlung richtig ist, oder dass wir
sie tun sollten, und ob es eine Eigenschaft gibt, sie sie alle auszeichnet.
Eine große Schwierigkeit in ethischen Diskussionen ist immer, die Frage zu
finden, die man beantwortet haben möchte. In einer einfachen Darstellung
versucht Moore eine Theorie zu bilden die ihren Ausgang davon nimmt, dass wir
oft die Wahl haben zwischen mehreren verschiedenen Handlungen zu wählen.
Er nimmt an, dass unsere Handlungen unserem Willen unterstehen, und wir daher
entscheiden können, sie zu tun oder zu unterlassen.
Diese Handlungen
nennt er freiwillige Handlungen.
Damit ist aber nicht gesagt, dass alle
oder fast alle freiwilligen Handlungen auch gewählt oder gewollt sind.
Weiter sind viele unserer Handlungen deshalb freiwillig, weil wir sie
unterlassen könnten, aber das sagt nichts darüber, ob wir uns auf diese Weise
hätten entscheiden können.
Es geht vielmehr darum Regeln oder Bedingungen
aufzustellen unter denen Handlungen
a) richtig oder falsch sind
b) getan
werden sollen
c) oder ob es unsere Pflicht ist sie zu tun
LG Aqvileia
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia
am 23. Aug. 2006, 09:24 Uhr
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[sun] Eh ich's vergesse -
Eberhard - ich wünsche mir von dir, dass du die
Moderation übernimmst, in deiner gewohnt sachlichen und ausgeglichenen Art!
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Joy am 23.
Aug. 2006, 09:40 Uhr
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Hallo Aqvilleia,
die gesamte Art der Fragestellung unterstellt bereits
eine Realität, die es als solche gar nicht gibt. Du unterstellst nämlich, dass
es einen vom Handeln getrennt existierenden Handelnden gibt, der nun entscheidet
ob er Handlung A oder Handlung B ausführt.
Ich kann nirgendwo eine solche
real vom Handeln getrennte Entität finden. Das relativistische "Ich" (= Ego),
die vermeintliche handelnde Person also, sie ist mit der Handlung selbst ident.
Die eigentliche Frage müsste daher ganz anders gestellt und präzisiert
werden. Daran besteht aber offenbar hier im Forum gar kein wirkliches Interesse
und es wird halt weiter phantasiert...
Da ich an solchen Phantastereien
nicht interessiert bin, wird dies mein erster und letzter Beitrag in diesem
Thread sein.
Joy
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia
am 23. Aug. 2006, 09:57 Uhr
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Hallo Joy -
diese Phantasterei wie du sie nennst ist Philosophie, und es
ist eben nicht jeder deiner Meinung an der du nicht rütteln magst.
Ich habe
nicht unterstellt, dass eine vom Handelnden unabhängige Person existiert,
sondern, dass es möglicherweise verschiedene Formen von Determinismus geben
kann, und dass es trotz aller Verschiedenheit eine Entscheidungsfreiheit gibt,
etwas zu tun oder zu unterlassen.
Es steht dir frei, deine vermeintlich
eigentliche Frage zu stellen und dazu Stellung zu nehmen - vielleicht in einem
eigenen Thread?
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
23. Aug. 2006, 10:05 Uhr
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Mal so offen in den Raum "gesprochen".
Hast du dich schon mal gefragt,
warum sich von Herzen liebenden Menschen die Frage nach "moralisch sein
sollen..." gar nicht erst stellt?
[smiley=ura.gif]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia
am 23. Aug. 2006, 10:13 Uhr
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ganz offen zurückgesprochen - sind alle Menschen so? [embarrass]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
23. Aug. 2006, 10:17 Uhr
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on 08/23/06 um 10:13:11, Aqvilleia wrote:ganz offen zurückgesprochen - sind
alle Menschen so? [embarrass]
Ist es nicht unfair von mir eine
Frage zu stellen, die nur jener Teil der Menschheit beantworten könnte, der die
Frage auch versteht?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 10:56 Uhr
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Hi, Aqvilleia,
Du: Es geht vielmehr darum Regeln oder Bedingungen
aufzustellen unter denen Handlungen
a) richtig oder falsch sind
b) getan
werden sollen
c) oder ob es unsere Pflicht ist sie zu tun
Sollen diese
Regeln global allgemeingültige Regeln sein, gültig in der Sekte XY oder nur
gültig in einer 1-Personen-Sekte?
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
RandolphCarter am 23. Aug. 2006, 11:12 Uhr
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a)eine handlung ist reichtig oder felsch, wenn ich mir selbst durch sie etwas
gutes/schlechtes tue (schlißet ein schlechtes gewissen ein)
b)man sollte eine
handlung ausführen, wenn die folgen des nicht handelns schlecht wären
c)pflicht ist ein gesellschaftliches konstrukt, was aus den werten der mächtigen
(meist der masse) resultiert...
ob man dieser pflicht nun nachgeht
entscheidet sich über a) und b)
grüße
Carter
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
23. Aug. 2006, 11:27 Uhr
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mondial -
Quote:"Die Fähigkeit zur Mitgefühl und Sensibilität ist für
mich wichtigstes Fundament für das friedliche Zusammenleben"
..und auch für
das philosophieren!
aus einem anderen Thread - vielleicht
beantwortet das deine Frage - ich meine eine Frage zu stellen in der Motivation
darauf eine ehrliche Antwort zu erhalten kann nie unfair sein, es sei denn, die
Frage wird provozierender Weise in dem Wissen gestellt, dass der andere sie
nicht beantworten kann.
Wolfgang Horn -
es geht um
allgemeingültige Fragen die Menschen betreffen.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
23. Aug. 2006, 11:54 Uhr
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on 08/23/06 um 11:27:47, Aqvileia wrote:mondial -
aus einem anderen
Thread - vielleicht beantwortet das deine Frage - ich meine eine Frage zu
stellen in der Motivation darauf eine ehrliche Antwort zu erhalten kann nie
unfair sein, es sei denn, die Frage wird provozierender Weise in dem Wissen
gestellt, dass der andere sie nicht beantworten kann.
Nein ich
denke das Zitat beantwortet die Frage nicht, es umgeht sie vielmehr.
Möglicherweise in Ermangelung der Erfahrung. Ich weiss es nicht. Wichtiger als
die Frage zu erschlagen, ist doch die Frage genau verstanden zu haben. Das
heisst nicht sich vorzustellen was sie meint, sondern sie so zu lesen wie sie da
steht. Kann das Provokation sein?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
23. Aug. 2006, 12:50 Uhr
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mondial -
ich denke es ist keine Provokation!
Quote:Hast du dich
schon mal gefragt, warum sich von Herzen liebenden Menschen die Frage nach
"moralisch sein sollen..." gar nicht erst stellt
Wenn du diese Frage
mir stellst, dann kann ich sie dir aus meiner Sicht beantworten, ja, ich habe
mich das schon gefragt, und bin zu der Feststellung gekommen, dass alles
Erkennen subjektiver Natur ist und 'von Herzen liebende Menschen' das aus ihrer
Sichtweise heraus tun, was nicht heißt, dass dem einen das lieb ist, was auch
dem anderen lieb ist, obwohl sie herzlich miteinander verbunden sind.
Wie
würdest du diese Frage beantworten?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 13:05 Uhr
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Hi, Aqvileia,
Du: es geht um allgemeingültige Fragen die Menschen
betreffen.
O.k.
Möchtest Du
a) einen Konsens über Antworten
oder
b) wärst Du zufrieden, wenn sich Dein Thread genauso entwickelt wie seine
Vorgänger - viel Aneinandervorbeireden, Vorwürfe, Frustration?
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia
am 23. Aug. 2006, 13:31 Uhr
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Hallo Wolfgang -
Ich gebe meine Stimme deiner Antwort A.
Mit der
Einschränkung, dass es mir wichtig ist die Schwierigkeiten die damit verbunden
philosophisch herauszuarbeiten. Da ich Lehrling bin, würde ich mich freuen dabei
auch von jenen Philosophen unterstützt zu werden, die sich auf diese Weise schon
länger mit Ethik auseinandergesetzt haben. Allen voran Eberhard, dessen Beiträge
ich schon jahrelang verfolge ( ;-) im positiven Sinn).
Natürlich bin ich auch
der Meinung, dass Ethik und die darin inkludierten Meinungen alle Menschen
umfassen, aber nicht jedem ist es ein Anliegen ethisch zu handeln oder sich
überhaupt mit der Thematik ernsthaft auseinander zu setzen, was sich ja leider
bewiesen hat.
Eine Diskussion in der jeder nur auf seinem Standpunkt
beharrt, kann keinen Konsens bringen oder Früchte tragen.
Es kann aber
durchaus sein, dass ich eine Traumfrau bin, die sich eine derartige Diskussion
wünscht oder vorstellt.
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Templer am
23. Aug. 2006, 14:15 Uhr
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Nun, ich bin neu hier und deshalb korigiert mich bitte wenn ich total daneben
liege!
Um die Frage zu beantworten warum man moralisch sein sollte muss man
meiner Meinung nach erst mal zu dem Kern des Menschen gelangen, um zu sehen was
denn überhaupt moralisch ist. Ist Moral eine angeborene Fähigkeit? Oder doch
eher angelernt durch Erfahrungen und Einflüsse unserer Umwelt?
Um dann die
Frage zu beantworten, wozu uns Moral eigentlich dient.
Ist es ein Instinkt,
dient sie vieleicht dazu unsere Art zu erhalten, oder unser Urgemüt zu zähmen.
(Aus dem mystischen Aspekt gesehen ist sie der Grundstock der Nächstenliebe)
Ist sie angelernt gibt es sie nur in unserer Vorstellung. (Jede Epoche der
Geschichte hat ihren ganz persönlichen Wert und jedes Volk seine ganz spezielle
Eigenart. Die Frage ist nur, ob und wie wir uns in andere Zeiten und Kulturen
rein versetzen können. (Herder)).
Interessant zum Thema ist auch noch
Kant:
Die Fähigkeit über Recht und Unrecht zu unterscheiden tragen wir
seit Geburt in uns. Alle Menschen fassen die Ereignisse in der Welt als
ursächlich bestimmt auf – Und alle haben auch Zugang zum selben universellen
Moralgesetz. Dieses Moralgesetz hat dieselbe absolute Gültigkeit, wie die
physikalischen Naturgesetze.
Da es vor jeder Erfahrung liegt, ist es Formal,
was bedeutet, dass es nicht mit bestimmten moralischen Wahlmöglichkeiten
zusammen hängt.
Kant formuliert sein Moralgesetz als kategorisch Imperativ.
Kategorisch, weil es in allen Situationen gilt. Imperativ, weil es völlig
unumgänglich ist.
Wir sollten immer so handeln, dass wir uns wünschen, Die
Regel nach der wir handeln, wird allgemeines Gesetz. Wir sollen andere Menschen,
immer als Zweck an sich selbst und nicht nur als Mittel zu etwas anderen
behandeln. Denn jeder Mensch ist ein Zweck an sich. (Was du nicht willst was man
dir tut, das tue auch keinem anderen an)
Dies ist eine formale Richtlinie,
die im Grunde alle ethischen Wahlmöglichkeiten umfasst.
Kant sah sein
Moralgesetz kausal. (Er beschreibt mit seinem Gesetz, das Gewissen. Wir können
das was das Gewissen sagt nicht beschreiben, aber wir wissen es trotzdem. Kants
Moralethik wird oft als Pflichtethik gesehen. Nur wenn man etwas tut, weil man
es für seine Pflicht hält, dem Moralgesetz zu folgen, kann man von einer
moralischen Handlung sprechen)
Nur wenn wir selber wissen, dass wir im
Einklang mit dem Moralgesetz handeln, handeln wir in Freiheit. Es ist gerade
diese Freiheit die uns zu Menschen macht.
Ich kann mich dieser Denkweise
nur anschliessen, doch bleibt immer noch die Frage offen, aus welcher Sichtweise
wir moralisch handeln.
Wann sind wir eigentlich moralisch?
So das
nun erst mal von mir [spin]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 14:47 Uhr
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Hi, Aqvilleia
Du: Ich gebe meine Stimme ... A, also "einen Konsens über
Antworten".
A ist natürlich die bessere Alternative für eine Gemeinschaft
- wie die der Teilnehmer Deines Threads - die nicht nur auf der Stelle strampeln
will, sondern produktiv voran kommen.
Blättere mal durch die älteren
Threads zu diesem Thema.
Ich beobachte immer wieder dasselbe Schema:
a)
Meinungsverschiedenheiten,
b) kollektive Unfähigkeit, über den Dissens zum
Konsens zu kommen,
c) Vorwürfe, Gegenvorwürfe, für den Totschlag fehlt wohl
die Konsequenz....:-)
d) Frustration des machtlosen Moderators.
Dies
ist ein Stand der Diskussionstechnik, der schon im Zeitalter der Scholastik
verbessert wurde durch die Pflicht an jeden, vor seiner Antwort erst zu
erklären, wie er den vorigen Beitrag verstanden hatte.
Die Ursachen
dieses Übels sehe ich in:
a) Machtlosigkeit des Moderators
b) Verwechslung
von Glauben mit Wissen - die einen führen als Argumente nur das an, dessen
Wahrheitsgehalt sie auch begründen können. Die anderen stellen unbelegte
Behauptungen auf und fühlen sich dazu berechtigt, weil sie sich selber Zweifel
daran verboten haben.
c) Eigensucht vieler Teilnehmer, die ihre persönlichen
Ziele für wichtiger nehmen als erklärte Ziel des Threads.
Vergleiche diesen
Prozeß der Wahrheitsfindung mit Prozessen, die da deutlich besser voran kommen -
ich kenne keinen besseren als den der Naturwissenschaften.
d) Mängel in der
Formulierung der Ziele. Da kommen Ziele mit logischen Widersprüchen drin vor.
Und dann schätze noch mal Deine Chancen, Dein Ziel unter den
Randbedingungen dieses Forums zu erreichen.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Templer am
23. Aug. 2006, 16:04 Uhr
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Ok, so langsamm verstehe ich wie das gemeint ist.
Gehen wir also von einer
gemein gültigen Moral aus. Bleibt dann die Frage warum das Individuum sich daran
halten sollte.
Moral macht ein gemeinsammes Leben erst möglich. Da wir
Rudelwesen sind, brauchen wir Regeln die unser Miteienander möglich machen.
Die Moral wurzelt aus unserem Instinkten heraus und formt die einfachsten (oder
auch schwersten (Auch heute sieht man noch wie mächtige Staaten, aus allen Fugen
ächzen, wenn sie vor einfache Forderungen wie: Friede, Liebe, Essen für die
Armen oder Vergebung für die Staatsfeinde gestellt werden.)) Regeln die
Gesellschaft erst möglich macht.
Wenn man also ein Interesse daran hat in
einer Gemeinschaft zu leben, sollte man moralisch sein.
Um aber weiter
auf das Thema eingehen zu können, brauche ich mehr Informationen was du unter
moralisch verstehst. ;) greets
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 23. Aug. 2006, 16:17 Uhr
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Hallo Aqvilleia,
also, du versuchst das schier Unmögliche, nämlich über
Moral eine sachliche Diskussion zu entwickeln. Wenn ich die bisherigen Beiträge
sehe... naja.
Ich setze daher bei deinem ersten Beitrag an, in dem du
Gedanken von G.E. Moore zu diesem Thema zitierst.
1. Als Definition von
Moral setzt du Moores Postulat, wonach es darum geht, Regeln oder Bedingungen
aufzustellen unter denen Handlungen
a) richtig oder falsch sind
b) getan
werden sollen
c) oder ob es unsere Pflicht ist sie zu tun.
Dem stimme ich
zu und ich denke, wir sollten uns darauf einigen, dass all diejenigen, die
dieser Definition nicht folgen können, einen eigenen Thread eröffnen und hier
nicht weiter stören sollten.
2. Du schreibst, Moore sagt über die
Freiwilligkeit von Handlungen: "Damit ist aber nicht gesagt, dass alle oder fast
alle freiwilligen Handlungen auch gewählt oder gewollt sind."
Das
verstehe ich nicht. Wenn eine Handlung freiwillig ist, heißt das für mich: Der
Handelnde hat insofern frei entschieden, als er von mindestens 2 Optionen eine
gewählt hat. Ob der dabei äußeren Zwängen ausgesetzt war, spielt keine Rolle.
Die bei Straftaten gelegentlich aufgestellte Behauptung: "Ich habe das nicht
gewollt" mag von juristischem Vorteil sein, in einer Diskussion über Moral hat
sie aber keinen Platz. Denn über Moral kann man nur diskutieren, wenn man einen
Freien Willen ohne Wenn und Aber akzeptiert.
Ich denke, auch darüber müsste
hier Konsens herrschen.
Bist du mit diesen beiden Voraussetzungen
einverstanden?
Fragt HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Eberhard am
23. Aug. 2006, 17:12 Uhr
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Hallo allerseits,
ich stimme denen zu, die fragen, was mit dem Wort
"moralisch" gemeint ist. Was meinen wir, wenn wir von "moralischer Empörung",
einem "moralischen Appell" oder einer "Beurteilung unter moralischem Aspekt"
sprechen?
Was unterscheiden moralische Regeln und Aspekte von
Rechtsnormen ("Wer Banknoten nachmacht …, wird mit mindestens x Jahren
Freiheitsentzug bestraft"), Klugheitsregeln ("Man soll sich 3 mal täglich die
Zähne putzen"), Regeln der Etikette ("Man soll Kartoffeln nicht mit dem Messer
schneiden") oder Gebrauchsanweisungen ("Nehmen Sie dazu ein Viertel Liter
Sahne")?
Wenn wir hier etwas Klarheit gewonnen haben, reden wir weniger
aneinander vorbei.
Ich vermute, ein Charakteristikum moralischer Regeln
ist, dass sie in gewisser Weise "unbedingt" gelten, während z. B. eine
Spielregel nur dann gilt, wenn ich ein bestimmtes Spiel spielen will.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
23. Aug. 2006, 19:00 Uhr
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hallo zusammen:
die frage:
'warum soll man moralisch sein'
ist zirkulär, denn die beiden mögichen antwortformen:
'darum soll
man moralisch sein'
oder
'darum soll man nicht moralisch sein'.
sind beide moralisch, da ein 'sollen' angesprochen wird.
(ich
glaube, sogar wolfgang horn wäre hier mit mir einverstanden, er würde sagen,
dass in der frage ein 'denkfehler' steckt. ich würde allerdings sagen, eine
solche frage kann nur von einem moralisten gestellt werden, der implizit eine
gegenposition gar nicht in 'seinem' thread besprochen haben will. das hat sich
genau bestätigt - siehe eberhards ausfall.)
damit die frage sinn
macht, muss sie anders gestellt werden, sonst wird es logischerweise ein thread
in dem sich moralisten gegenseitig bestätigen, wie es jetzt der fall ist.
die präzise frage ist:
kannst du moral gutheissen?
(habe einen thread dazu aufgemacht)
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
23. Aug. 2006, 19:19 Uhr
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Einen schönen guten Abend - ich freue mich wirklich über eure Antworten und
hoffe, dass wir uns wenigstens in der Begrifflichkeit annähern können.
[applause]
Randolph Carter - vielleicht ergibt sich die Möglichkeit aus
den folgenden Beiträgen deine Sichtweise zu erweitern oder zu ergänzen!
Templer - der kategorische Imperativ von Kant ist mir bekannt, und ich stimme
dir inhaltlich zu, was moralisch sein könnte, doch gibt es dieses Beispiel des
lügenhaften Versprechens, das nicht ganz unproblematisch ist. Moore stellt auch
die Frage 'was ist gut' und landet damit in der Erkenntnistheorie, und hier
bedarf es der Einigung wie Eberhard meint. Gut ist alles....
Wolfgang -
deine Analyse ist toll, und es lässt sich aus dem vergangenen Thread einiges
herauslesen, aber das ist wieder mit Stellungnahmen verbunden, die u.U. als
persönlicher Angriff gewertet werden könnten, und das möchte ich vermeiden. Also
ohne diesen vorbelasteten Randbedingungen schätze ich doch eine ethische
Diskussion mit lauter intelligenten Menschen als gewinnbringend möglicherweise
für alle Beteiligten ein.
Hanspeter - ja, um eine Diskussion in Gang zu
bringen wäre es wünschenswert einen Konsens über die verwendeten Begriffe zu
erreichen.
Moore meint in seiner Theorie, dass viele Handlungen unserem
Willen unterstehen, in dem Sinn, dass wir uns entscheiden können sie zu tun,
oder nicht zu tun, daher nennt er diese Art von Handlungen freiwillige
Handlungen. Allerdings grenzt er ein, dass es nicht sicher ist, dass alle oder
fast alle freiwilligen Handlungen auch tatsächlich gewählt oder gewollt sind.
Sie sagt weiter, dass wir diese Handlung hätten unterlassen können, aber nichts
darüber ob wir uns auf diese Weise hätten entscheiden können. In Moores Argument
ist wesentlich, dass eine freiwillige Handlung eine Gesamtmenge an Lust oder
Unlust hervorbringen kann, und dass wir alle ihre Folgen berücksichtigen
sollten, die mittelbaren und die unmittelbaren, direkten und indirekten und auch
das des Gefühls der Lust und Unlust fähige Wesen. Damit meint Moore Tiere und
eventuelle Wesen des Universums.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
23. Aug. 2006, 19:22 Uhr
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ich verabschiede mich hiermit aus dem thread, weil mich ethische diskussionen
nicht interessieren.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
23. Aug. 2006, 19:29 Uhr
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Hallo laertes,
ich glaube, Du irrst, wenn Du meinst, dass die Frage:
"Warum soll man moralisch sein bzw. handeln" wiederum mit einer moralischen Norm
beantwortet werden muss.
Wolfgang Horn hat in der abgebrochenen Runde
z.B. eine nicht-moralische Begründung gegeben. Es meint, dass es langfristig im
eigenen Interesse liegt, die moralischen Normen zu befolgen. Ich habe diese
Begründung kritisiert, weil ich vom Standpunkt des eigenen Vorteils aus die
moralische Norm missachten werde, wenn keine Gefahr der Entdeckung droht. Das
eigene Interesse reicht als Begründung meines Erachtens nicht.
Dein
Irrtum rührt daher, dass Du jedes "Sollen" als ein moralisches Sollen verstehst.
Die meisten Vorschriften sind jedoch nicht-moralischer Natur. Ein Beispiel für
nicht-moralische Normen sind z. B. die methodologischen Regeln in den
Erfahrungswissenschaften (z. B. die Vorschrift, Stichproben zu "randomisieren",
also nach einer Zufallsauswahl zu ziehen, Versuchanordnungen nachvollziehbar zu
beschreiben etc.)
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
23. Aug. 2006, 19:35 Uhr
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Hallo Eberhard - ich freue mich besonders!
Du hast natürlich Recht mit
deiner Forderung das 'Moralische' an sich zu definieren.
Quote:ich
stimme denen zu, die fragen, was mit dem Wort "moralisch" gemeint ist. Was
meinen wir, wenn wir von "moralischer Empörung", einem "moralischen Appell" oder
einer "Beurteilung unter moralischem Aspekt" sprechen?
Ich
gehe davon aus, dass in Moral zwei Begriffe vereint sind, einerseits das
Positive Recht - Ziel ist eine Rechtslehre die deskriptiv und präskriptiv sein
kann, und andererseites eine positive Moral, eine Gseamtheit von Einstellungen
des tägl.Lebens sie ist neutral, Teil der Gesellschaft und enthält keine
Zwangssanktionen.
Moralische Empörung wäre möglicherweise eine
Situationsethik oder ein Argument, den eigenen Erfahrungen entsprechend, das
sich gegen eine Handlung lehnt, oder eine deskriptive Ethik.
Ein moralischer
Apell ist eine deontische (sollen) Meinung, eine Handlungsanweisung, Vorschrift,
Gebote, Verbote - eine präskritive Ethik.
Beurteilung unter einem
moralischen Aspekt ist Metaethik, Sozialfragen d.Todesstrafe, Moral der Römer
oder Azteken, wann u.wie Kinderpsychologie...!
Ich nehme gerne Anteil an
eurer Meinung zu diesen Terminis.
laertes - vielleicht kannst du auch
über deinen Begriff von 'moralisch' hinausgehen?
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 20:40 Uhr
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Hi, Eberhard
Du: ...hat eine nicht-moralische Begründung gegeben. Er
meint, dass es langfristig im eigenen Interesse liegt, die moralischen Normen zu
befolgen.
So ist meine These nur teilweise korrekt wiedergegeben.
Korrekt:
Ausgangssituation: Eine Person steht vor der Entscheidung, ob sie lieber
bequem-lasterhaft oder mühevoll-tugendhaft handelt.
Grundlagen
Mein
simples Modell vom menschlichen Verhalten:
GF 1. Jede Person strebt die
Realisierung ihrer persönlichen Wünsche an. Das ist ihr wichtiger als alles. (1.
Priorität)
GF 2. Jede Person meidet Mühen, die sie unnötig hält zur
Realisierung ihrer persönlichen Wünsche. (2. Priorität)
Entscheidungsprozeß
Die Person simuliert beide Verhaltensweise: "Was wäre,
wenn ich diesen Weg gehe?"
Sie schätzt die Chancen, Mühen und Risiken.
Sie
denkt auch an Nebenwirkungen. Sicher auch in der vereinfachten Form, in der sie
auf ihren "Ruf" achtet und ihre Freunde nicht verwirren will durch chaotische
Verhaltensweisen, sondern lieber ihren "Prinzipien" treu bleibt.
Sie
vergleicht beide Verhaltensweisen und deren Folgen ab. Und dann entscheidet sie
sich.
Vielleicht all das ohne Begriffe, nur gefühlsmäßig in der Zeit eines
Wimpernschlages.
Ihre Weitsicht hat einen großen Einfluß auf den Ausgang
der Entscheidung.
Laster und Tugenden
"Tugendhaft" nene ich ein
Verhalten, wenn es zugleich ein aufrichtiges Opfer zugunsten der Gemeinschaft
dieser Person ist. Vielleicht eine Spende, mehr Mühen, die den persönlichen
Wünschen nicht unmittelbar nutzen, aber der Gemeinschaft.
"Lasterhaft"
nenne ich das Verhalten, wenn die Person konsequent nach GF1 und GF2 handelt,
aber ohne ein Opfer für die Gemeinschaft, sondern eher zu Lasten der
Gemeinschaft.
Tugendhaft wird sich eine überlegende Person in der
angenommenen Situation nur dann verhalten, wenn sie genügend Anlasse hat für die
Erwartung, ihre Gemeinschaft belohne sie für das Opfer auf eine faire Art und
Weise, und der Lohn rechtfertige die Mühen der Tugend.
Eine Gemeinschaft
kann diesen Lohn unter bestimmten Umständen erwirtschaften.
Beispiel:
Fußballfeld, zwei Teams. Im Tugendteam rennt einer für den anderen, und wenn er
den anderen in der besseren Position vor dem Tor sieht, dann schießt er nicht
selbst auf den Kasten, sondern gibt eine Vorlage.
Das Lasterteam brauche ich
nicht zu beschreiben.
Welches gewinnt wohl - unter der Voraussetzung, daß
die Teams ansonsten gleich stark wären?
Voraussetzungen für tugendhaftes
Verhalten
Gemeinwille wie "Sieg!". Dieser muß den persönlichen Zielen der
Spieler dienen.
Fairneß. Die Gemeinschaft muß auch tugendhaft gegenüber
dem Einzelnen handeln. Denn wer sich unfair behandelt oder gar ausgebeutet
fühlt, der stellt sein Engagement für die gemeinsame Sache ein.
Disziplinierung. Gelegentlich reicht der Gruppendruck, hier im Forum aber nicht.
Dann hilft ein energischer Moderator oder Chef im Beruf. Dann muß er aber auch
Vorbild sein.
Fazit
Diese Zusammhänge sind zu kompliziert für
einen Zweisätzer. Oder gar Schlagworte.
Vermutlich einer der Gründe, warum
"Zivilisiert" mit "Gebildet" und "klug" assoziiert wird.
Ciao
Wolfgang
Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 23. Aug. 2006, 21:49 Uhr
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@ Eberhard.
Da ich nach wie vor glaube, eine gute Definition ist die halbe
Miete, greife ich gerne deinen Vorschlag auf.
Du schriebst: "Was
unterscheiden moralische Regeln und Aspekte von Rechtsnormen ("Wer Banknoten
nachmacht …, wird mit mindestens x Jahren Freiheitsentzug bestraft"),
Klugheitsregeln ("Man soll sich 3 mal täglich die Zähne putzen"), Regeln der
Etikette ("Man soll Kartoffeln nicht mit dem Messer schneiden") oder
Gebrauchsanweisungen ("Nehmen Sie dazu ein Viertel Liter Sahne")?
Wenn
wir die Definition Moores akzeptieren, ergibt sich folgendes:
1. Rechtsnorm.
Dies ist eine normierte Moral, also eine moralische Regel, die nicht individuell
zur Disposition steht, sondern die unbedingt einzuhalten ist.
2.
Klugheitsregel: Ist ein unverbindlicher moralischer Vorschlag. Der Autor
empfiehlt Gesundheitsbewusstsein als moralisch wertvoll, doch kann man andere
Handlungen als wichtiger oder den Gesundheitseffekt als minimal einschätzen.
3. Etikette. (Wobei mir nicht klar ist, mit was man sonst Kartoffeln
schneiden soll. Mit der Kreissäge?) Egal, auch die Etikette ist ein
unverbindlicher moralischer Vorschlag. In bestimmten Kreisen ein Muss, aber man
muss sich nicht in diesen bestimmten Kreisen bewegen.
4.
Gebrauchsanweisung. Hier sehe ich keinen Zusammenhamg mit Moral, da keine
Interaktion mit anderen Menschen ersichtlich ist. Ob ich in meinem Zimmer laut
oder leise furze, hat ebenfalls nichts mit Moral zu tun.
Damit bleibt
als Definition erhalten: Moral wertet menschliches Handeln, legt fest, ob es
"gut" oder "böse" ist.
@Wolfgang.
Deine Ausgangssituation ist zu
plakativ. "Lasterhaft" muss nicht unbedingt bequem sein (Ärger mit der Polizei),
tugendhaft muss nicht unbedingt mühevoll sein (Anerkennung unter den
Mitmenschen). Und pauschal in die eine oder andere Ecke kann man ohnehin
niemanden stellen.
Dazu kommt die oft ungeklärte Frage, was konkret nun
lasterhaft oder tugendvoll sei. Die Werteänderungen in den letzten 60 Jahren ist
ja evident.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
23. Aug. 2006, 22:02 Uhr
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on 08/23/06 um 12:50:23, Aqvileia wrote:mondial -
ich denke es ist
keine Provokation!
Wenn du diese Frage mir stellst, dann kann ich sie dir aus
meiner Sicht beantworten, ja, ich habe mich das schon gefragt, und bin zu der
Feststellung gekommen, dass alles Erkennen subjektiver Natur ist und 'von Herzen
liebende Menschen' das aus ihrer Sichtweise heraus tun, was nicht heißt, dass
dem einen das lieb ist, was auch dem anderen lieb ist, obwohl sie herzlich
miteinander verbunden sind.
Wie würdest du diese Frage beantworten?
Ich würde antworten das meine Meinung unerheblich ist und den Herrn
Kant, der hier ja Ansehen und Gewicht geniesst antworten lassen.
"Zwei
Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und
Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der
bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."
Diese
letztlich denkerisch nicht beantwortbaren Fragen sollen ja auf seinem Grabstein
stehen. Sinnig. Es gibt Fragen die sollte man nur stellen und sonst nichts
weiter.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
23. Aug. 2006, 22:44 Uhr
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Halllo Wolfgang,
ich sehe nicht, inwiefern Deine Ausführugen mein
Argument berühren. Ich hatte gesagt: Auch mein langfristiges Eigeninteresse kann
kein Grund sein, immer moralisch zu handeln, denn mein Eigeninteresse sagt mir:
"Du kannst nicht erwischt werden, also steck das fremde Geld unauffällig ein."
Was stimmt an dem Argument nicht?
Hallo Aqvileia, hallo Hanspeter,
mir kommt es nur darauf an, herauszuaarbeiten, was Moral von andern
normativen Phänomenen unterscheidet.
Rechtsnormen sind etwas anderes als
moralische Normen. Es kann z.B. moralisch geboten sein, gegen eine bestehende
Rechtsordnung Widerstand zu leisten. Rechtsordnungen fordern vor allem Gehorsam,
moralische Normen beanspruchen für sich auch "Richtigkeit".
Auf einen
Aspekt moralischer Normen will ich noch hinweisen: moralische Normen sind
"universalisierbar". Wenn ich A wegen einer Tat moralisch tadele, dann muss ich
auch B tadeln, der unter völlig gleichen faktischen Umständen dasselbe tut.
Rechtsnormen sind nicht in dieser Weise universalisierbar, denn durch ein
neues Gesetz wird dieselbe Handlung, die bisher straffrei war, nun rechtswidrig
und damit strafbar. Moralisch snd beide Handlungen aber gleichwertig.
Andererseits stimme ich Hanspeter darin zu, dass das Recht, wenn es mehr als ein
Zwangssystem sein will, auf der Moral aufbauen muss, und dass in demokratischen
Gesellschaften eine enge Verbindung zwischen den moralischen Einstellungen in
der Bevölkerung und den geltenden Gesetzen besteht.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 23:26 Uhr
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Hi, Hp,
Du: Deine Ausgangssituation ist zu plakativ.
Zu plakativ in
Bezug auf was? Womit vergleichst Du das? Und wie begründet Dein Vergleich eine
Antithese zu meinen Ausführungen? Bitte "Butter bei die Fische".1
Du:
"Lasterhaft" muss nicht unbedingt bequem sein
Weil ich die Mühen einer
Diskussion um Bezeichnungen und deren Bedeutungen gern meide, habe ich
definiert: "Tugendhaftes" Handeln ist eines, bei dem sich der Handelnde
zusätzliche Mühen macht zum Vorteil seiner Gemeinschaft.
Ist das unklar? Ist
da ein logischer Fehler drin?
Du: tugendhaft muss nicht unbedingt
mühevoll sein (Anerkennung unter den Mitmenschen
Hier sind wir wieder in der
Diskussion um Bezeichnungen und deren Bedeutungen.
So, wie ich "tugendhaftes
Verhaltes" definiert habe, schon.
Wir werden wohl beobachten: Je größer
die Opfer des Tugendhaften für seine Gemeinschaft, desto weniger sind dazu
bereit.
Du: Dazu kommt die oft ungeklärte Frage, was konkret nun
lasterhaft oder tugendvoll sei. Die Werteänderungen in den letzten 60 Jahren ist
ja evident.
Deshalb halte ich meine Definition besser als das Chaos der
Tugenden, das sich ergäbe, würden wir die Werte sortieren der "Machos" und
"Emanzen", von "jung" und "senior", von "Stadt" und "Land", von "Preussen" und
"Bayern", sogar von "Ober-" und "Unterfranken", und sogar von TSV1860 und FC
Bayern.
Wenn Du Lust verspürst, die Chaos zu ordnen, gern, ich befürchte
da eine Schlammschlacht. Deshalb definiere ich auf meine Art und Weise.
Wenn
Du meinst, was besseres zu haben, dann stelle es vor.
Aber laß mich nicht
lange warten.
@Eberhard
Du: ich sehe nicht, inwiefern Deine
Ausführugen mein Argument berühren. Ich hatte gesagt: Auch mein langfristiges
Eigeninteresse kann kein Grund sein, immer moralisch zu handeln, denn mein
Eigeninteresse sagt mir: "Du kannst nicht erwischt werden, also steck das Geld
unauffällig ein." Was stimmt an dem Argument nicht?
Ich zuvor: " Du:
...hat eine nicht-moralische Begründung gegeben. Er meint, dass es langfristig
im eigenen Interesse liegt, die moralischen Normen zu befolgen.
So ist meine
These nur teilweise korrekt wiedergegeben."
Das ist keine Entgegnung, kein
Gegenargument, nur eben der Hinweis, so ist meine These nur teilweise
wiedergegeben.
Oder beziehst Du Dich auf etwas anderes?
Ciao
Wolfgang
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 24. Aug. 2006, 06:46 Uhr
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Hallo Eberhard,
du schreibst: "Rechtsnormen sind etwas anderes als
moralische Normen."
Widerspruch. Zunächst historisch: Erst war die Moral,
dann das daraus abgeleitete Recht.
Dann sachlich. Wenn wir die Moral als die
Frage nach Gut oder Böse sehen, dann ist der einzige Unterschied zwischen Moral
und Recht die öffentliche Normiertheit. Darin etwas grundsätzlich anderes zu
sehen, kann ich nicht nachvollziehen.
Weiter schreibst du: "Es kann z.B.
moralisch geboten sein, gegen eine bestehende Rechtsordnung Widerstand zu
leisten."
Das ist relativ. Es kann auch umgekehrt geboten sein, gegen
eine bestimmte Moral Widerstand zu leisten, zB gegen die moralische Vorstellung,
Blutrache ausüben zu müssen.
Deshalb lässt sich auch fordern: "Es kann
moralisch geboten sein, gegen eine andere Moral vorzugehen."
Eberhard:
"Rechtsordnungen fordern vor allem Gehorsam, moralische Normen beanspruchen für
sich auch "Richtigkeit"."
Wenn es eine "richtige Moral" gibt, dann gibt
es auch ein "richtiges Recht". Ich gehe davon aus, dass unser Staat seine
Rechtsordnung für richtig = gerecht hält.
Eberhard: "moralische Normen
sind "universalisierbar"...."
Dasselbe verlangt auch das Recht, siehe
Völkerrecht, Menschenrechte usw.
De facto aber gibt es weder ein universales
Recht noch eine universale Moral, weil beide eben nicht universalisierbar sind.
Sie gelten nur für eine bestimmte Gesellschaft.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
24. Aug. 2006, 06:58 Uhr
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hi hanspeter,
diesmal volle zustimmung!
recht und moral kommen aus
dem selben schosse.
die historische vorform der moral war eine
ausgrenzung, verbannung, ausschluss aus dem clan, noch ohne verinnerlichung.
mit dem aufkommen der grossstädte und später des christentums wurde dann die
ausgrenzung innerlich. das schlechte gewissen wurde erfunden, die menschen
begannen sich zu innerlich in gut und böse zu spalten, die herrschaftsgewalten
konnten sie innerlich zu lenken beginnen. das ist natürlich ungemein praktischer
als wenn man die äussere bewegung eines jeden einzelnen kontrollieren muss.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Gnoseias am
24. Aug. 2006, 08:52 Uhr
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Guten Morgen, [sun]
on 08/23/06 um 22:44:51, Eberhard wrote:mir kommt
es nur darauf an, herauszuaarbeiten, was Moral von andern normativen Phänomenen
unterscheidet.
In den vorhergehenden Beiträgen ist die Rede von
Regeln, Bedingungen, Wünschen, Bewertungen (Tadel (impliziert Rechtfertigung),
Gleichwertigkeit).
Ich möchte diese wegen der Komplexität nicht explizit
kommentieren und stattdessen, einige Behauptungen in den Raum stellen, die ich
auf Wunsch gerne genauer erklären und belegen werde:
Alle möglichen (für
mich vorstellbaren) Handlungen können moralisch relevant sein.
Der Grad
dieser moralischen Relevanz ergibt sich (ausschließlich) aus der Reichweite und
Unvorhersehbarkeit der Wirkung dieser Handlung.
Bei der moralischen
Bewertung von Handlungen handelt es sich um Vorurteile (nicht nur Werturteile).
Bereits durchgeführte Handlungen haben moralisch gesehen (nur) Einfluss auf
diese Vorurteile.
Eine Handlung kann moralisch endgültig nur in der
Berücksichtigung aller Konsequenzen (der Wirkung) bewertet werden, also niemals
im Voraus.
Die Bewertung der Wirkung selbst ist eine Frage der Ethik.
------------------
Mit Hilfe dieser Überlegungen versuche ich folgende
grobe Einteilung zur Veranschaulichung zu treffen, (darüber brauchen wir bitte
nicht zu diskutieren :-)):
Handlungen mit Reichweite und
Unvorhersehbarkeit:
„kurz/gering“: werden im Allgemeinen mit
„alltäglichen“ Regeln erklärt.
„mittel“: werden durch derzeit bestehende
moralische Institutionen (Regeln, Bedingungen und Gesetze) abgedeckt.
„weit/schwierig“: sind immer strittig und können mit unseren bisherigen
„Mitteln“ nicht zufrieden stellend allgemeingültig „vorverurteilt“ werden.
------------------
Gesetze spielen nur insofern eine Rolle, dass sie für
allgemein vorausgesetzte Vorurteile eine Strafe aussetzen.
------------------
Meine abschließende Meinung dazu:
Dadurch ergibt sich die Forderung
moralisch zu handeln nur, um der (nachfolgenden) „Verurteilung“ zu entgehen.
Wenn das Urteil bereits vor der Handlung feststeht, entsteht
Handlungssicherheit.
Wer die Reichweite und Unvorhersehbarkeit seiner
Handlungen besser einschätzen kann, als die geltende Moral festlegt, kann die
Relevanz selbst korrigieren, doch die Bewertung der Wirkung ist trotzdem eine
Frage der Ethik.
Deshalb ergibt sich auch die Problematik einer zwar
geltenden, jedoch dadurch nicht notwendigerweise gültigen Moral.
Gruß, Gnoseias
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 24. Aug. 2006, 09:47 Uhr
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Hallo,
@Wolfgang:
Vermutlich habe ich es überlesen. Wie lautet deine
Definition von Moral?
@gnoseias.
zu deinen 6 Thesen.
1. Im
Prinzip Zustimmung, wobe es hilfreich wäre, wenn du formulieren würdest, was du
unter Moral verstehst oder wenigstens, unter welchen Bedingungen Handlungen
moralisch relevant werden.
2. Wenn statt Unvorhersehbarkeit
Vorhersehbarkeit stehen würde, würde ich zustimmen. So aber macht für mich der
zweite Teil deiner These keinen Sinn. Oder bedarf der Präzisierung.
3.
Der Begriff Vorurteil ist normalerweise negativ besetzt. Wenn du Vorurteil
wertneutral als Urteil vor einem endgültigen Urteil betrachtest, dann
Zustimmung.
4. Für mich unklar, was damit gemeint sein soll.
5. Im
Prinzip richtig, aber wenig hilfreich. Der Sinn von Moral ist ja, Handlungen im
Voraus zu beurteilen und nicht hinterher ein Gutachten über die Handlung zu
formulieren.
Eine wesentliche Eigenschaft des Denkens allgemein ist der
Versuch, die Wirkungen von Handlungen vorauszusehen.
6. Das ist
Definitionssache. Für mich ist Ethik die Beschreibung von Moralen, nicht die
Wertung. Dies ist Sache der Moral.
Könntest du deine Definition von Moral
und Ethik hier darlegen? Dann nämlich lässt sich erst über deine Thesen genauer
urteilen.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
24. Aug. 2006, 10:06 Uhr
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Hi,
mir scheint da ein seltsames Verständnis von Recht vorzuliegen.
Seit wann fordert eine Rechtsordnung Gehorsam - außer in Diktaturen?
Unsere Rechtsordnung verlangt, jedes Gesetz so zu interpretieren, dass es mit
dem in Art. 1 GG niedergeschriebenen Grundwert "die Menschenwürde ist
unantastbar" im Einklang steht. Das schließt Gehorsam aus.
Seit wann
verurteilen Gesetze? Verurteilen tut der Richter, nach genauer Prüfung des
Einzelfalles und danach, welches Gesetz auf diesen Fall überhaupt anwendbar ist.
Seit wann wird verurteilt im Einklang mit der geltenden Moral? Diese Zeiten
sind Gott sei Dank vorbei. Damals nannte man die geltende Moral "das gesunde
Volksempfinden".
Was ist ein Rechtsstreit? Wenn zwei Leute
unterschiedlicher Auffassung sind, ob und in welchem Grad das, was sie getan
haben, Recht oder Unrecht ist. Im Falle Strafrecht Angeklagter und Staatsanwalt.
Entscheiden tut den Streit der Richter. Und der entscheidet nicht nach
moralischen Maßstäben, sondern danach, ob und welche Spielregel unserer
Gesellschaft verletzt wurde und inwieweit der Rechtsverletzer deswegen Schuld
trägt. Dabei kann es schon mal zu gewaltigen Beurteilungsproblemen kommen -
siehe Kannibale von Rothenburg. Verteidiger sagt: Tötung auf Verlangen -
straffrei. Landgericht sagt: Totschlag. BGH sagt: Denkfehler. Mordmerkmale nicht
ausreichend geprüft - macht dat noch mal. Was sagt das 'gesunde Volksempfinden'?
Was die allgemeine Moral? Die macht sich solche komplizierten Gedanken nicht.
In unserer Rechtsordnung steht auch nicht die Strafe als Vergeltung an
erster Stelle. Die hat nur eine Funktion, nämlich die Gültigkeit und
Verlässlichkeit der Spielregeln sicher zu stellen. Was Menschen brauchen. In
etlichen afrikanischen Ländern mit willkürlicher Rechtssprechung wandern die
Menschen ab zur Scharia.
An erster Stelle steht in unserer Gesellschaft
die Resozialisierung. Heißt, wer nicht gerade ein Schwerverbrecher ist oder
wissentlich und wiederholt die Spielregeln missachtet hat, kriegt, wenn der
Richter meint, er habe kapiert, dass das so nicht geht, erst mal Bewährung.
Ein Denkfehler, der in dieser Diskussion ständig gemacht wird, ist, ein paar
typische Fälle menschlichen Verhaltens (und dazu gehören in diesem Kontext auch
positives Recht und seine Anwendung) heraus zu greifen und sie absolut als das
menschliche Verhalten schlechthin zu setzen. Das ist falsch, denn es gibt da
noch weit mehr reguläre ebenso typische Fälle, geschweige denn irreguläre.
Beispiel (weil davon hier und da die Rede war): die Beleidigung. Da kommt
einer an und sagt: du hast mich beleidigt. Für ihn ist der Fall klar. Ja, von
wegen.
Da gibt's die undefinierte Beleidigung, § 185 StGB.
Da gibt's
die Üble Nachrede, § 186, Verbreitung von Tatsachen über einen Menschen, die ihn
in der öffentlichen Meinung herabwürdigen. Strafbar, es sei denn, was er sagt
ist erweislich wahr.
Ist die Tatsache wahr, gibt's aber noch § 192: die
Wahrheit darf nicht zur reinen Beleidigung missbraucht werden. Kommt einer aus
dem Knast, ist es strafbar, ihn durch Verbreitung dieser Tatsache sozial zu
mobben.
Dann gibt's Verleumdung, Verbreitung wissentlich unwahrer Tatsachen
über einen Menschen. § 187. Dat kost' mehr als mal eben zu nem Polizisten "du
Clown" zu sagen.
Dann gibt's § 193, Wahrnehmung berechtigter Interessen. "Das
ist keine Kunst, das ist Geschmiere". "Was du da von dir gegeben hast, ist
dummes Zeug." Sofern begründet, ist das ebenso wenig Beleidigung, als wenn ein
Arbeitnehmer sagt: "mein Vorgesetzter will mich doch nur los werden, weil ich
bezeugen kann, dass er Mist gebaut hat". Sofern das wahr ist - keine
Beleidigung.
Und abschließend auch noch § 199, wechselseitig begangene
Beleidigung. Kann für einen oder alle beide straffrei ausgehen.
Danach
wird geprüft, wenn einer sagt, der hat mich beleidigt. Wo steckt da die Moral?
Und welcher Normalbürger kennt schon diese gesetzlichen Differenzierungen?
Wer sagt, das sei ihm zu kompliziert: bei Tötung und Körperverletzung ist
das noch viel, viel komplizierter.
Also: Vorsicht bei Gleichsetzungen.
Rechtswissenschaft ist als Wissenschaft genau so alt wie die Philosophie. Da
sollte man nicht einfach denken, das sei nix außer willkürlichen Festlegungen,
gekoppelt mit allgemeiner Moral.
Interessanter wäre da imho die Frage,
warum wir die Rechtssprechung einer anderen Instanz übertragen haben - offenbar
betrachtet man nämlich seit sehr langer Zeit das Vertrauen in die allgemeine
Moral als ziemlich riskante Angelegenheit.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
24. Aug. 2006, 10:47 Uhr
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Hallo allerseits,
die Fragestellung ist offenbar nicht ohne Tücken. Ich
will deshalb auf eine Schwierigkeit bei unserer Diskussion hinweisen, die aus
einer unterschiedlichen Verwendungsweise der Worte "moralisch" und "Moral"
herrührt, und die das Verständnis der Fragestellung offensichtlich erschwert.
Wenn ein Soziologe oder Ethnologe eine bestimmte Gesellschaft
untersucht, dann findet er bestimmte Einstellungen und Ansichten darüber vor,
wie man sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat. Er findet z. B. Normen
darüber, wie sich Kinder gegenüber ihren Eltern verhalten, wie man einen Gast
behandelt, der im Hause wohnt, wie man sich verhält, wenn ein Familienmitglied
oder ein Fremder in Not geraten oder wie man sich kleidet.
Diese Normen
bilden die moralische Ordnung dieser Gesellschaft. Eine andere Gesellschaft kann
wieder eine andere Moral haben. Und in komplexen Gesellschaften können sogar
verschiedene Subkulturen nebeneinander bestehen, die voneinander abweichende
Moralsysteme haben. Was "moralisch" ist, hängt damit von der jeweiligen
Gesellschaft und Kultur ab, auf die man sich bezieht.
Hier werden die
Worte "Moral" und "moralisch" beschreibend verwendet in dem Sinne von "in den
Einstellungen der Gesellschaftsmitglieder verankerte Vorstellungen vom richtigen
Handeln".
Wenn der Ethnologe sagt: "In dieser Gesellschaft wäre es ein
schwerer Verstoß gegen die Moral und in höchstem Maße unmoralisch, wenn ein Kind
dem Vater widerspricht" oder "In dieser Gesellschaft ist es keineswegs
unmoralisch, einen Fremden, der nicht zur eigenen Gemeinschaft gehört,
auszurauben", so beschreibt er empirisch vorfindbare soziale Sachverhalte, er
urteilt selber jedoch nicht moralisch.
Da in jeder Gesellschaft andere
Regeln hinsichtlich des Verhaltens gelten, so ergibt die Frage: Warum soll man
moralisch handeln? keinen rechten Sinn, denn es gibt mehrere unterschiedliche
"Moralen", um einen sprachlich etwas unschönen Plural zu bilden. Welche ist denn
gemeint?
Urs hatte wohl ähnliche Schwierigkeiten, denn er schrieb: "Wenn
es ein Zusammenleben gibt, gibt es auch Moral; die Moral ist nämlich genau das,
was macht, dass man von einem 'Zusammen' sprechen kann. Da ich 'Moral' in dieser
Weise verstehe, ist die Frage dieses Threads für mich gleichbedeutend mit der
Frage: 'Warum soll man mit Menschen zusammenleben?'" Urs versteht die Frage also
etwa in dem Sinne von "Warum braucht man überhaupt (irgend)eine Moral?"l
Man kann die Fragestellung auch so (miss)verstehen, dass gefragt wird: "Warum
soll man entsprechend der in der eigenen Gesellschaft vorherrschenden Moral
handeln?" Dann verstehe ich den Unmut derer, die meinen, damit sei schon vorweg
entschieden, dass man entsprechend der vorherrschenden Moral handeln solle, und
es werde nur noch nach einer Begründung dafür gesucht. Wenn die Frage so
gestellt wäre, wäre auch meine Entgegnung: "Es steht ja noch gar nicht fest, ob
die vorherrschende Moral überhaupt die richtige ist. Möglicherweise sollte sie
in bestimmten Punkten geändert werden."
Soweit die beschreibende
Verwendung der Worte "Moral" und "moralisch". Man kann diese Worte nicht nur in
einem beschreibenden Sinne verwenden, sondern man kann damit auch selber
Wertungen vornehmen und Normen aufstellen.
Wenn ein Mullah sagt: "Das
halbnackte Baden, nur mit einem Badeanzug bekleidet, ist in höchstem Grade
unmoralisch", dann informiert er damit nicht über die moralischen Einstellungen
in seiner Kultur, sondern er fordert damit allgemein auf, das halbnackte Baden
zu unterlassen bzw. dafür zu sorgen, dass es unterlassen wird.
Wenn
"moralisches Handeln" in diesem wertenden Sinne gemeint ist und "richtiges
Handeln" bedeutet, dann ist die Einsicht in die Richtigkeit dieser moralischen
Normen der entscheidende Grund, moralisch zu handeln.
Dass dieser
Vernunftgrund nicht immer als Beweggrund ausreicht und dass deshalb durch
Belohnung und Bestrafung zusätzliche Motive für moralisches Verhalten geschaffen
werden müssen, ist damit nicht bestritten. Ebenso wenig wird damit bestritten,
dass sich moralisches und eigeninteressiertes Handeln über weite Strecken decken
können, was die moralische Motivation spürbar entlastet.
Also: Warum soll
ich nicht betrügen? Weil ich einsehe, dass es falsch wäre, das zu tun.
Mit dieser Feststellung ist zwar ein Schritt getan, aber es stellt sich
natürlich sofort die Frage: Und wie bestimmt man, welches das richtige oder das
falsche Handeln ist?
Soweit erstmal von Eberhard.
p.s. Ich gebe
zu, dass die subtilen sprachlichen Unterscheidungen etwas Geduld erfordern, aber
ohne Genauigkeit der Begriffe gibt es keine haltbaren Resultate. Ob jemand die
von ihm verwendeten Begriffe in ihrer Bedeutung analysiert und klärt, sagt
bereits viel über die Qualität seiner Gedanken aus.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 24. Aug. 2006, 11:25 Uhr
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Hi, Hp,
Du: Wie lautet deine Definition von Moral?
Ich sehe keinen
Weg, das, was Personen mit "Moral" bezeichnen, allgemeingültig zu definieren.
Weil so viele Personen mit "Moral" nur ihre persönliche Moral bezeichnen, und
die des anderen nur solange, wie keiner genau nachfragt.
Selbst hier im
Forum lautet ein Thread "kannst du moral gutheissen?", der Fragesteller hat in
die Zusatzfrage "welche Moral genau" oder "wessen Moral" völlig unterschlagen.
Wenn sich der andere konsequent widersetzt, dann ist der
Schurkenpräsident George W. Bush sogar bereit, ihn mit einer Atombombe zu
vernichten.
Deshalb nenne ich alle Personen "Schurke", die ihre Moral
anderen Personen mit Gewalt aufzwingen wollen - auch, wenn diese Moral nur das
Feigenblatt für den Raub von Ölfeldern ist und die Ausrede für Unterdrückung und
Folter mit Käfighaltung für Andersdenkende.
Aber ich sehe einen Weg, die
Prozesse "moralisches Denken" und "moralisches Verhalten" so zu definieren, daß
es für alle Tugenden gilt, die sich eine Gemeinschaft nur ausdenken kann:
"Tugendhaft verhält sich eine Person aus der Sicht ihrer Gemeinschaft, wenn
sie ihre persönlichen Ziele nicht mit minimaler Mühe anstrebt, sondern sich
zusätzliche Mühen gibt zum Nutzen ihrer Gemeinschaft."
Erläuterung: Die
Gemeinschaft, die hier angesprochen ist, urteilt über das Verhalten ihrer
Mitglieder.
Kennt Du eine Definition, die a) allgemeingültig sein kann
und b) kürzer ist?
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
24. Aug. 2006, 12:44 Uhr
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Hi Eberhard,
ich erhebe Einspruch.
Wenn ein Soziologe oder
Ethnologe eine bestimmte Gesellschaft untersucht, dann findet er bestimmte
Einstellungen und Ansichten darüber vor, wie man sich in bestimmten Situationen
zu verhalten hat.
Was untersucht der Soziologe hier? In der Regel
Subkulturen oder Stämme.
Aus der Untersuchung diverser Subkulturen und
Stämme (A;B;C) gewinnt er qua Abstraktion das Merkmal M und nennt das Moral. M
ist Kitt, der sowohl A als auch B und C zusammen hält.
Wenn er M nun auf
die komplexe, mehrere Subkulturen enthaltende Gesellschaft D übertragen will, so
macht er einen logischen Fehler, denn D ist ungleich A, ungleich B, ungleich C.
D zeichnet sich in Bezug auf das Merkmal Moral dadurch aus, dass sie ein
codifiziertes Recht hat. Dieses Recht steht zu den Moralen in Konkurrenz. Und D
ist so verfasst, dass im Konkurrenzfalle keine der Moralen gilt, sondern Recht
R.
Für A, B und C gilt also: wenn Handeln beurteilt wird, dann nach M.
Für D gilt, wenn Handeln beurteilt wird, dann nach M und R.
Wenn M
ungleich R ist, dann nach R.
Folgt: wenn Handeln letztlich beurteilt wird,
dann nach R.
Denn wenn es nach M beurteilt wird, so hat dies keine
unabänderlichen Folgen. Wird z.B. ein Knastologe nach M verurteilt und hat dies
feststellbare Behinderungen für sein Leben in der Gesellschaft zur Folge, so
werden diejenigen, die sich an den Maßstab M halten, vom übergeordneten Maßstab
R zurück gepfiffen.
Somit stellt sich in D die Frage: warum soll man
überhaupt moralisch handeln - genügt es nicht, sich an das Recht zu halten?
Die Frage hingegen, warum man nicht betrügen soll, ist keine moralische
Frage, sondern eine ethische. Sie fragt nämlich nicht, wie es sein soll, sondern
wie es ist. Denn die Frage "warum soll man nicht betrügen" lässt sich nicht
durch Hinweis auf moralische oder rechtliche Normen beantworten, sondern nur
unter der Voraussetzung des Eruierens, welche Entscheidung welche Menschen bei
der Alternative Betrügen ja oder nein fällen (natürlich nicht mit statistischen
Zielen, sondern, da auch die Philosophie sich mit Tatsachen befasst, mit dem
Ziel, solche Tatsachen erst mal festzustellen).
Parallele zum Recht:
Warum soll man andere Leute nicht erpressen?
Antwort: Grundgesetz, Recht
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wird verletzt.
Die Frage, warum denn
dieses Recht nicht verletzt werden soll, verweist auf Art. 1, Unantastbarkeit
der Menschenwürde.
Das aber ist kein Recht, sondern ein ethisches Prinzip,
auf das die 'warum soll' - Frage nicht mehr anwendbar ist.
Du kannst
nicht fragen: warum soll der Mensch eine Würde haben? Sondern nur: warum hat er
denn eine Würde?
Und das lässt sich nicht mehr mit empirischen oder
rechtswissenschaftlichen Methoden beantworten. Für solche Grundlagen ist die
Philosophie zuständig.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 24. Aug. 2006, 13:17 Uhr
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Hi, Abrazo,
Recht betrachte auch ich als eine Sammlung kodizifierter
Verhaltensregeln, was man in welcher Situation tun oder lassen soll.
Die
10 Gebote galten dem Volke Israel auch als Recht, so wie der Koran im Islam auch
heute noch Strafgesetzbuch ist.
Die Fragen "wie funktioniert ein Gesetz"
und "wie funktioniert Moral?" ergeben: Das Gesetz ist eine mächtige und
kodizierte Moral.
Unter Strafe kann man nur stellen, was sich auch
beweisen läßt. Also keine Einstellungen, keine Gedanken, aber konkretes
Verhalten.
„Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem
anderen zu!“ - das läßt sich nicht als Gesetz formulieren, aber als moralischer
Appell.
Du: Art. 1, Unantastbarkeit der Menschenwürde.
Ich hab, bald
nach meinem Abitur, <30 Jahre ists her, mal einen Eid geleistet, diese tapfer zu
verteidigen.
Aber auch mein Leutnant kam damals über Platitüden zum Begriff
"Menschenwürde" nicht hinaus, stimmte aber meiner Definition mit dem „Was Du
nicht willst..." erleichtert zu.
Schwammige Bezeichnungen taugen nur für
Stumpfdenker, und, um von einer breiten Masse Publikum Zustimmung zu bekommen.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Gnoseias am
24. Aug. 2006, 17:53 Uhr
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Hallo Hanspeter,
vielen Dank für die detaillierte Antwort. :-)
Leider
zwingst Du mich für die weiteren Aussagen dazu, mich sehr weit aus dem Fenster
zu lehnen.
Ohne den entsprechenden Kontext ist es sehr schwer, über dieses
Thema zu schreiben.
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Quote:Könntest du deine Definition von Moral und Ethik hier darlegen?
Dann nämlich lässt sich erst über deine Thesen genauer urteilen.
Bezüglich einer Definition muss ich leider passen, was jedoch nicht
verwunderlich sein dürfte, denn auch bei diesem Begriffs besteht eine
Supervenienz gegenüber aller Erklärungen, so dass es bei diesen bleiben muss.
Quote:Die Bewertung der Wirkung selbst ist eine Frage der Ethik.
6.
Das ist Definitionssache. Für mich ist Ethik die Beschreibung von Moralen, nicht
die Wertung. Dies ist Sache der Moral.
Nun gut, dann versuche ich es
doch einmal, obwohl einiges in den bereits angeführten „Behauptungen“ steckt:
Ethik bedeutet für mich „Sittenlehre“ als die Lehre von der Moral als
„Sittlichkeit“.
Moral hat jedoch eine Doppelbedeutung wie man an der auch
von Wittgenstein übernommenen deutschen Übersetzung der treffenden Definition
von George Edward Moore sehen kann:
Ethik ist die „allgemeine
Untersuchung dessen, was gut ist“.
Im Original: “Ethics deals with the
question what is good or bad in human conduct.” („Principia Ethica“ 1. Kapitel
§2, 2)
Insofern ist eine Abgrenzung von Moral und Ethik nur bedingt
sinnvoll.
Dennoch möchte ich beides trennen, wenn ich sage, Moral ist die
Bewertung und Untersuchung von Handlungen und Ethik ist die Bewertung und
Untersuchung der Moral. Sozusagen Ethik als Metamoral. (Wobei sich George Edward
Moore mit Metaethik beschäftigte.)
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Quote:Alle
möglichen (für mich vorstellbaren) Handlungen können moralisch relevant sein.
1. Im Prinzip Zustimmung, wobe es hilfreich wäre, wenn du formulieren
würdest, was du unter Moral verstehst oder wenigstens, unter welchen Bedingungen
Handlungen moralisch relevant werden.
Moralisch relevant sehe ich
alle Handlungen, die für mindestens einen „nicht (mit) Handelnden“ zu einer
unerwünschten Wirkung führen können.
Problematisch dabei ist:
Es gibt Handlungen, die immer zu einem unerwünschten Ergebnis führen.
Es
gibt Handlungen, die in der Summe von wirkenden Handlungen keine
„Einzelrelevanz“ erreichen.
Die Beurteilung der unerwünschten Wirkung ist
abhängig vom betroffenen Subjekt und kann nicht objektiv verglichen werden.
Es gibt Handlungen, deren Ergebnis nicht vorhersehbar ist.
------------------------------------------------------
Quote:Der Grad
dieser moralischen Relevanz ergibt sich (ausschließlich) aus der Reichweite und
Unvorhersehbarkeit der Wirkung dieser Handlung.
2. Wenn statt
Unvorhersehbarkeit Vorhersehbarkeit stehen würde, würde ich zustimmen. So aber
macht für mich der zweite Teil deiner These keinen Sinn. Oder bedarf der
Präzisierung.
Die Negierung der Vorhersehbarkeit erfolgte nur zu dem
Zweck, eine Relation der folgenden Art ausdrücken, dass ein Anstieg von
Reichweite, sowie von Unvorhersehbarkeit einen höheren Grad von Relevanz
bewirkt.
Je vorhersehbarer die Wirkung einer Handlung ist, desto geringer die
Relevanz.
------------------------------------------------------
Quote:Bei der moralischen Bewertung von Handlungen handelt es sich um Vorurteile
(nicht nur Werturteile).
3. Der Begriff Vorurteil ist normalerweise negativ
besetzt. Wenn du Vorurteil wertneutral als Urteil vor einem endgültigen Urteil
betrachtest, dann Zustimmung.
Ja, Vorurteil im Sinne von „vor dem
Urteil“, im Gegensatz zu negativ besetzter Vorverurteilung oder vorschnellem
Urteil.
------------------------------------------------------
Quote:Bereits durchgeführte Handlungen haben moralisch gesehen (nur) Einfluss
auf diese Vorurteile.
4. Für mich unklar, was damit gemeint sein soll.
Handlungsweisen, deren unerwünschte Wirkung nicht vorhersehbar war,
können erst nach der erfolgten Handlung in den moralischen Vorurteilen
berücksichtigt werden.
------------------------------------------------------
Quote:Eine Handlung kann moralisch endgültig nur in der Berücksichtigung
aller Konsequenzen (der Wirkung) bewertet werden, also niemals im Voraus.
5.
Im Prinzip richtig, aber wenig hilfreich. Der Sinn von Moral ist ja, Handlungen
im Voraus zu beurteilen und nicht hinterher ein Gutachten über die Handlung zu
formulieren.
Dies war leider falsch formuliert. Ich wollte damit auf
die korrigierende Wirkung der Konsequenzen auf die Beurteilung zukünftiger
Handlungen hinweisen.
------------------------------------------------------
Quote:Eine wesentliche Eigenschaft des Denkens allgemein ist der
Versuch, die Wirkungen von Handlungen vorauszusehen.
Das ist der
menschlichen Vernunft gegeben, doch zunehmend genügen die Fähigkeiten einzelner
Menschen oder kleiner Gruppen nicht mehr den Anforderungen.
Gruß,
Gnoseias
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
24. Aug. 2006, 18:08 Uhr
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Hallo an Alle!
Es gibt hier eine Menge Meinungen in den
unterschiedlichsten Begriffen die nicht immer dieselbe Extension aufweisen. Vor
allem kommt mir vor, gibt es zwei Interessensrichtungen, das ist einerseits das
Positive Recht und andererseits die positive Moral.
Vielleicht könnten wir
uns doch ersteinmal auf die positive Moral als vorbereitetes Beet für ein darin
gepflanztes positives Recht beschränken.
Quote:mir kommt es nur
darauf an, herauszuaarbeiten, was Moral von andern normativen Phänomenen
unterscheidet.
Rechtsnormen sind etwas anderes als moralische Normen
Dass Rechtsnormen etwas anderes als moralische Normen sind ist wohl
jedem klar, dass Rechtsnormen auch moralische Normen sein könne wohl auch, dass
moralische Normen Rechtsnormen sind ist von einer theologische bestimmten Moral
abhängig.
Eine philosoph.Ethik, wie unsere hier versuchte, ist unabhängig von
Religion oder theolog. GLauben, also ohne göttliche Offenbarung - gehen wir hier
konform?
Moore gibt als Antwort auf den Fragenkomplex was eine richtige
Handlung ist: Eine allen richtigen, freiwilligen Handlungen, und zwar nur den
richtigen unter ihnen zukommende Eigenschaft ist die, dass sie alle zum
Mindesten ebensoviel Lust bewirken wie irgendeine Handlung, die der Handelnde an
ihrer Stelle hätte tun können.
Was eine Menge Fragen daraus aufwirft: Was
bedeutet Willensfreiheit, Handlungsfreiheit, Entscheidungsfreiheit?
Was heißt
es 'anders handeln- sich anders entscheiden können'?
Ist der Wertbegriff
'lustvoll' als Synonym für 'gut' haltbar?
Was könnte damit gemeint sein 'ein
höheres Maß an Lust'?
Vielleicht gibt es auch bei euch Fragen zu dieser
Schlussfolgerung von Moore!
Quote:Es gibt Fragen die sollte man nur
stellen und sonst nichts weiter.
Wer eine Frage stellt hat
schon eine bestimmte Vorstellung, also ein Wissen, warum sollte man dieses nicht
vertiefenŽ?
LG
Ich hoffe es stört euch nicht, wenn ich versuche
den Garten der Ethik ein wenig übersichtlich zu gestalten. Kraut und Rüben
vertragen auch Unkraut ( sorry Beikräuter) aber ein philosophischer!? [spin]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
24. Aug. 2006, 18:11 Uhr
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Noch eine Frage Eberhard - du hast die Frage nach richtigen Handlungen gestellt
- soll ich Moores These dazu anführen, oder kennen sie sowieso alle, oder ist es
nicht so wichtig!?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 24. Aug. 2006, 19:30 Uhr
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Hallo
@Eberhard.
Vielen Dank, dass du auf die Notwenigkeit einer
genauen Begriffsklärung hinweist.
Deiner Beschreibung der Findung von
Moral in der Ethnologie stimme ich zu. Nebenbei, Verhaltensforscher ermitteln
die Moral höherer Primaten (Schimpansen, Paviane) auf dieselbe Weise.
@gnoseias.
Ich halte mich im Folgenden an die von mir verwendete
Nummerierung, die ja deiner ursprünglichen Darstellung entspricht.
6. Ich
freue mich, dass du deiner ersten Ablehnung, eine Moral-Definition zu geben,
unmittelbar danach eine solche brachtest. Der stimme ich voll zu, vor allem
deinen letzten beiden Sätzen.
Ich hoffe nun, alle Diskussionsteilnehmer
akzeptieren die folgende Definition: "Moral ist die Bewertung und Untersuchung
von Handlungen"
1. Moralische Relevanz.
Du schreibst: "Es gibt
Handlungen, die immer zu einem unerwünschten Ergebnis führen."
Richtig. Und
sie sind daher zu unterlassen. Oder meinst du damit, dass es Situationen gibt,
bei denen jede mögliche Handlung zu einem unerwünschten Ergebnis führt? Also
eine tragische Situation? Dann sollte der Handelnde jene bevorzugen, welche das
bestmögliche Ergebnis ergibt.
"Es gibt Handlungen, die in der Summe von
wirkenden Handlungen keine „Einzelrelevanz“ erreichen."
Könntest
du dazu ein Beispiel nennen?
"Es gibt Handlungen, deren Ergebnis nicht
vorhersehbar ist."
Im Prinzip ja. Moralisch relevant ist folglich jenes
Ergebnis, das "nach bestem Wissen und Gewissen" zu erwarten wäre.
Und danach
sind Handlungen zu beurteilen.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
24. Aug. 2006, 23:06 Uhr
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Hallo allerseits,
vorweg zu Deiner Frage, Aqveleia. Ich verstehe mich
hier als Diskussionsteilnehmer und möchte Dich bitten, weiter zu moderieren. Zu
Moore: Ich finde es für uns am besten, wenn wir selber argumentieren und uns
hier nicht um Interpretationsfragen kümmern müssen. Das heißt natürlich nicht,
dass man die Argumente maßgeblicher Autoren hier nicht einbringen sollte..
Ich würde gern auf die einzelnen Beiträge näher eingehen, aber gegenwärtig
ist nicht mehr drin als:
einige Gedanken zum Verhältnis "unmoralisch"
–"rechtswidrig"
Die Frage war: "Warum soll man andere (z.B.) nicht
betrügen?"
Meine Antwort darauf war: "… weil dies eine falsche Handlung
wäre."
Wenn diese Frage im heutigen Deutschland gestellt wird und mit
"Betrügen" ist "Betrügen im juristischen Sinne" gemeint, dann wäre die erste
Antwort "… weil es einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllt". Diese Antwort
reicht in den allermeisten Fällen aus. Wenn jemand allerdings generell die
Legitimation des Bundestages zur Gesetzgebung bestreitet, reicht sie nicht aus.
Wenn jemand ein korrekt zu Stande gekommenes Gesetz inhaltlich für dermaßen
falsch und katastrophal hält, dass ihm Widerstand dagegen gerechtfertigt
erscheint, dann reicht der Hinweis auf die rechtlichen Bestimmungen ebenfalls
nicht aus.
Wenn die Frage lautet: "Warum soll man nicht einen jüdischen
Partner lieben und mit ihm Kinder zeugen?" und wurde vor 70 Jahren in
Deutschland gestellt, dann wäre die erste Antwort vielleicht "… weil es gegen
die Rassegesetzgebung verstößt"
Aber ist der Hinweis auf die
Rechtswidrigkeit eine ausreichende Antwort auf die gestellte Frage? Unabhängig
von der Legitimation des politischen Gesetzgebers?
Man könnte weiter
fragen: Und warum soll man nicht rechtswidrig handeln? Eine Antwort darauf ist:
Die Auffassungen vom richtigen Handeln gehen unter Umständen auseinander. Um
trotzdem soziale Koordination und Kooperation zu ermöglichen, werden
Normsetzungsverfahren geschaffen, deren Entscheidungen Verbindlichkeit für
jedermann beanspruchen, auch wenn er sie nicht immer für inhaltlich richtig
hält. Dies ist die Rechtsordnung. Natürlich sollten diese Entscheidungen selber
möglichst inhaltlich richtig sein. Im Falle katastrophaler irreversibler
Entscheidungen gibt es deshalb Grenzen der Verbindlichkeit.
Soviel von
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
25. Aug. 2006, 00:54 Uhr
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Hi,
zunächst mache ich darauf aufmerksam, dass das StGB ein bisschen
älter ist als die Bundesrepublik Deutschland; auch das StGB geht letztlich
zurück auf Römisches Recht, auch damals gab es schon Betrug als Straftatbestand.
Ich finde es schon wichtig darauf hinzuweisen, dass dies sehr alte Normen sind,
die unterschiedliche Gesellschaften, Verfassungen und Staaten überstanden haben.
Was das Recht und die Ethik, auf der das deutsche Recht (im Gegensatz zum
angelsächsischen, das ist da eher pragmatisch am fiktiven Gesellschaftsvertrag
orientiert) gemeinsam haben gegenüber der Moral, ist das Verlangen nach
Objektivität. Genau das ist der Konflikt zwischen Ethikern und Moralisten. Denn
die Existenz einer objektiven humanen Ethik in dem Sinne, dass Menschen in
bestimmten geistigen Verfassungen einige Fragen gleich beurteilen, streiten
Moralisten ab. Das ist übrigens ein ganz bedeutender politischer Konflikt. Denn
wenn ich die Moral an die Gesellschaft binde, dann komme ich zu der Auffassung,
dass die (angeblich) höher entwickelte Gesellschaft auch die höhere, bessere
Moral hat, die nunmehr für alle anderen auch als zumindest erstrebenswert,
letztlich aber als das Bessere zu gelten hat. Vulgo: dat wird denen einfach über
gedeut. Alte Sache. Ob Adel, Klerus, Eroberer oder Großkapitalist, wird die
Existenz einer allgemeinen humanen Ethik negiert und statt dessen
gesellschaftliche Moral gepredigt, kommt eben das raus.
Warum soll ich
moralisch handeln? Wie wär's mit Patriotismus? Oder Bekenntnis zu einer
bestimmten gesellschaftlichen Schicht? Dürfte häufiger der Fall sein, oder? Wird
auch gerne verlangt - man denke an die Diffamierung von
Kriegsdienstverweigerern, die bei uns auch erst in den Siebzigern aufhörte.
Aber irgendwie sind wir damit nicht zufrieden, ne?
Wie Du sagtest,
Eberhard, es kann auch der gesellschaftlichen Moral entsprechen, sich von seinem
jüdischen Partner zu trennen ...
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
25. Aug. 2006, 05:58 Uhr
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Guten Morgen -
also doch Jurisprudenz oder Gesellschaftsnorm? Hier
überlasse ich euch gerne das Feld, dazu bin ich zuwenig informiert.
Quote:Die Frage war: "Warum soll man andere (z.B.) nicht betrügen?"
Meine Antwort darauf war: "… weil dies eine falsche Handlung wäre
Um darauf eine 'richtige' Antwort geben zu können sollte doch erst einmal
definiert sein, was unter 'betrügen' verstanden wird.
Ich würde darauf
antworten - jeder der andere betrügt betrügt sich letztlich selbst und damit
sind seine Erkenntnisse vom falschen Bild der Erfahrung geprägt, was nicht nur
psychologische sondern auch intellektuelle Konsequenzen nach sich zieht.
Die Grenzen der Verbindlichkeit in einer Gesellschaftsordung sind sehr dehnfähig
und können wie die Geschichte zeigte ebenfalls irreversibel sein.
War
denn der Nationalsozialismus kein Bekenntnis zu einer bestimmten Schicht? Das
beantwortet die Frage nach Moral nicht sondern nur die Frage nach einer
kurzsichtigen Nützlichkeit.
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
25. Aug. 2006, 09:35 Uhr
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Hi,
§ 263 StGB: Betrug
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem
Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines
anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch
Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder
unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe
bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders
schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn
Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur
fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht
handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen
in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine
andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder
seine Stellung als Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall
vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von
bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder
teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
...
Klare Definition. Juristen sprechen von 3 Betrugsmerkmalen:
Irrtumserregung (was der Täter erzählt oder tut), Täuschung (was das Opfer tut,
weil bei ihm der Irrtum erregt wurde), Vermögensvorteil.
Fehlt eins
dieser Merkmale, ist es kein Betrug.
Das ist eben der Wunsch der
Rechtswissenschaft nach möglichst großer Objektivität.
Deine Definition,
Aqvileia, ist gewiss poetischer und romantischer, aber die juristische scheint
mir für den Alltag wesentlich zuverlässiger und brauchbarer zu sein.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia
am 25. Aug. 2006, 10:00 Uhr
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Hi Abrazo -
Poesie und Romantik hat noch niemand geschadet es sei denn
er/sie hat sich darin verloren. Unabhängig davon setzt deine Beantwortung wie
auch die Antwort von Eberhard zur Frage
Quote:Die Frage war: "Warum soll
man andere (z.B.) nicht betrügen?"
Meine Antwort darauf war: "…
weil dies eine falsche Handlung wäre
bereits eine vorhandene
Moral und deren Normen voraus.
In der Frage wurde aber nicht nach einer
Normbegründung d.h. ob diese richtig/falsch ist gesucht sondern darum ob es
moralisch (unabhängig von Gesetz oder Religion) ist zu betrügen. Meine Antwort
darauf gründet sich auf eine Kenntnis der Handlung also das Bewusstsein zu
betrügen und die daraus resultierenden Folgen. Romantik ist für mich etwas
anderes, aber es könnte durchaus auch Menschen geben für die es romantisch ist
zu betrügen, ich wage das nicht zu behaupten.
Meine Def. für Betrug ist: eine
Übervorteilung des Ich auf Kosten anderer.
[nosee]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 25. Aug. 2006, 10:01 Uhr
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Hallo,
Ob man Ethiker und Moralisten trennen kann, wie Abrazo meint,
bezweifle ich und ich sehe zu dieser Trennung in der Literatur auch keinen
Anlass. Doch das ist letztlich Nebensache.
Die entscheidende Frage
lautet: Gibt es eine objektive, das heißt für alle Mensch gültige Moral? Und die
ist nicht theoretisch, sondern praktisch zu beantworten: NEIN. Es ist nicht der
Fall.
Es sein denn, wir schaffen eine einheitliche Weltkultur mit einer
einheitlichen Ideologie. Doch dazu sehe ich keinen Ansatz.
Eberhard
schrieb:
"Warum soll man andere (z.B.) nicht betrügen?" "… weil dies
eine falsche Handlung wäre."
Die Antwort auf diese Frage könnte auch
lauten: Weil es "böse" ist, weil es verboten ist, weil es dem Ziel einer
friedlichen Gesellschaft zuwider läuft, usw.
Noch einmal: Betrügen ist ein
negativ definierter Begriff. Und deshalb ist es definitionsgemäß in allen
Moralsystemen verboten. Die moralisch entscheidende Frage ist nicht: Ist Betrug
verboten, sondern, handelt es sich bei dieser oder jener Handlung um einen
Betrug oder nicht.
Anders gesagt, das moralisch relevante Problem lautet: In
welche Kategorie ist eine Handlung einzuordnen. Das ist ja auch die Aufgabe
eines Gerichts.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
25. Aug. 2006, 10:03 Uhr
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Hallo allerseits,
Warum soll man moralisch handeln?
Wenn man den
sprichwörtlichen "Mann auf der Straße" fragen würde, dann würde der einen
vielleicht wegen einer derartigen Frage komisch angucken und schließlich sagen:
"Na weil die Moral ja gerade die Regeln enthält, an die man sich halten soll. …
Komische Frage .."
Ein junger Mann, der die Frage mitgehört hat, gibt
seinen Kommentar: "Moral? Da pfeif ich drauf. Alles verstaubte, repressive
Vorschriften von vorgestern, mit denen die Leute brav bei der Stange gehalten
und für dumm verkauft werden sollen. Ohne mich …"
Und seine Begleiterin
fügt hinzu: "DIE Moral gibt es doch gar nicht. Die Eltern einer Mitschülerin
finden es z.B. unmoralisch, wenn ein Mädchen im Badeanzug schwimmen geht, und
wollen nicht, dass ihre Tochter am Schwimmunterricht teilnimmt. "
Eine
Frau, die interessiert stehen geblieben ist, sagt: "Aber wenn jeder sich an
gewisse Regeln halten würde, dann läge hier nicht so viel Müll auf der Straße,
man könnte ohne Befürchtungen auch spätabends noch allein nach Hause kommen und
ich brauchte nicht viel Geld für neue Schlösser und Riegel ausgeben, um meine
Wohnung vor Einbruch zu schützen."
Es entwickelt sich offenbar eine
Diskussion. Ein Mann fortgeschrittenen Alters wendet sich an den jungen Mann:
"Aber soll denn jeder tun und lassen können, was er will? Wo kämen wir denn da
hin? Finden Sie es etwa richtig, wenn ein 13jähriges Mädchen im Park einer alten
Frau die Handtasche entreißt und damit wegläuft, wie man es gestern wieder in
der Zeitung lesen konnte? Da ist doch in der Erziehung etwas schief gelaufen ….
wenn überhaupt was gelaufen ist. Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass
Handtaschenraub in Ordnung ist, oder? Irgendwelche Regeln im Umgang miteinander
werden Sie doch wohl auch anerkennen, junger Mann."
Der junge Mann wird
nachdenklich: "Mag schon sein, dass ich so was nicht in Ordnung finde. Wird ja
auch mit Knast bestraft. Ich hab da auch so meine Vorstellungen, wie man die
Sachen besser regeln könnte. Aber auf irgendein Moralsystem lass ich mich nicht
festnageln und ich würde meine Vorstellungen vom richtigen Verhalten auch
niemandem aufzwingen. Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse."
Der
Mann: "Wer redet denn von 'aufzwingen'? Wie man die Leute dazu bringt, sich
richtig zu verhalten, ist ja bereits der zweite Schritt. Erstmal muss man ja
festhalten, was richtig ist und was falsch, um das Wort 'moralisch' zu
vermeiden, das für Sie offenbar ein rotes Tuch ist." .
Die Frau: "Ja,
wenn sich die Leute wenigstens einig darüber wären, was die beste Lösung ist,
dann sähe es schon besser aus. Aber wie soll das passieren, wenn jede Gruppe
ihre eigene Tradition predigt und wenn viele Kinder gar nichts mitkriegen außer
Action-Filmen und Nintendo-Spielen."
Ich klinke mich mal aus der
Diskussion aus und stelle als These in den Raum:
"Moralisch" (nicht im
beschreibenden sondern im auszeichnenden, empfehlenden, präskriptiven Sinne)
können nur Regeln sein, die allgemeingültig in dem Sinne sind, dass alle
gemeinsam dieser Regel aus freier Einsicht zustimmen können. Das macht zugleich
den Grund aus, warum man moralisch handeln soll.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
25. Aug. 2006, 12:05 Uhr
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hi eberhard,
"Ich klinke mich mal aus der Diskussion aus und stelle als
These in den Raum:
"Moralisch" (nicht im beschreibenden sondern im
auszeichnenden, empfehlenden, präskriptiven Sinne) können nur Regeln sein, die
allgemeingültig in dem Sinne sind, dass alle gemeinsam dieser Regel aus freier
Einsicht zustimmen können."
eine regel, der alle zustimmen können
macht nur dann sinn, wenn potentiell alle/viele n o c h n i c h t ihre
handlungen nach ihr ausrichten.
das ist also etwas absurd.
'ich stimme
einer regel zu, die ich bisher nicht ausgefüllt, gelebt habe.'
denn sonst
wäre das erstellen der regel ja gar nicht nötig, man wäre gar nicht auf die idee
dieser regel gekommen.
das heisst im klartext:
das erstellen einer
solchen freiwilligen regel ist ein v e r s p r e c h e n.
wieder einmal mehr
macht man eine aussage über zukünftiges, das man g la u b t in den griff zu
kriegen.
ich habe mehrfach geschrieben, moral sei die installierung einer
drittinstanz; hier ist diese eine differenz von zukünftiger und vergangener
handlung. also etwas völlig virtuelles, für das es keinerlei garantie gibt.
ergo: es wird - bei aller freiwilligkeit - nicht klappen, da der mensch keinen
zugriff auf die zukunft hat.
das wird man merken und aus der regel ein recht
machen müssen mit der nötigen durchsetzungsgewalt.
dann hat sich die
allgemeine freiwilligkeit selbst ad absurdum geführt.
ich keine keine moral,
die nicht diesem weg gehen musste.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
25. Aug. 2006, 13:31 Uhr
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Hallo Eberhard -
zu deiner These - was heißt es eine freie Einsicht zu
haben?
Wonach trachten alle Menschen?
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
25. Aug. 2006, 16:47 Uhr
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Hallo allerseits,
ich schrieb: "'Moralisch' im präskriptiven Sinne können
nur Regeln sein, denen alle gemeinsam aus freier Einsicht zustimmen können."
Wenn jeder sowieso gemäß dieser Regel handelt, braucht man keine Norm. Das
ist unstrittig. Hier geht es um Verhaltensweisen, denen alle gemeinsam zustimmen
können, sofern sich alle daran halten, die aber nicht mehr konsensfähig sind,
wenn einige sich daran halten und andere nicht.
Ein Beispiel: Es wurden
im Park Grünflächen und Beete angelegt. Die Wege führen drum herum. Es mag nun
im Interesse aller liegen, diese Anpflanzungen zu schonen und nicht "quer Beet"
zu latschen. Gleichzeitig mag es für den Einzelnen vorteilhaft sein, selber
darüber zu gehen, denn der dadurch entstehende Schaden ist kaum merklich und es
spart ihm Zeit.
In überschaubaren Gruppen, wo jeder jeden kennt, reicht
in solchen Fällen der moralische Konsens und die moralische Ächtung des
Regelverletzers, um die Einhaltung der Regel zu erreichen.
In anonymen
Großgruppen klappt das gewöhnlich nicht und die Einhaltung muss durch weitere
Sanktionen bewirkt werden (Verrechtlichung).
Zu Aquileias Frage: "Aus
freier Einsicht zustimmen können" heißt soviel wie: "es gibt nachvollziehbare
Argumente oder Evidenzen" dafür.
Dies von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
25. Aug. 2006, 19:43 Uhr
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Hallo Eberhard -
ist es das, was du unter moralischer Empörung verstehst?
Dein Beispiel mutet ein wenig nach Schul- oder Hausordnung an, aber nichts
destotrotz könnte auch daraus ein handfester Streit entstehen und plötzlich
stimmen nicht mehr alle dieser Regel zu. Wenn z.B. jemand gehbehindert ist und
der Weg durch den Rasen der einzige ist, den er kräftemäßig beschreiten kann,
und das aber der Rasenliebhaber nicht einsieht, dann?
Zählt eine
utilitaristische Einstellung?
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
26. Aug. 2006, 07:10 Uhr
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Hi an Alle -
@ HP
Quote:Die entscheidende Frage lautet: Gibt es
eine objektive, das heißt für alle Mensch gültige Moral? Und die ist nicht
theoretisch, sondern praktisch zu beantworten: NEIN
Ist es nicht
schwierig etwas praktisch zu beantworten?
Theoretisch wäre ein Nein als
Antwort in meinen Augen schon eher möglich. 'Praktisch' hieße erfahrungsgemäß
alle Möglichkeiten auszuschließen dass es etwas gibt, das alle Menschen
gemeinsam auszeichnet bzw. das sie wollen.
Wollen alle Menschen nicht das
'Gute'?
Hier hätte dann doch die 'Alles ist Liebe' Fraktion Recht wenn sie
meint es bräuchte keine Moral, denn wenn alles Liebe wäre, dann wäre alles gut
und diese Begrifflichkeit einer moral.Wertung überflüssig.
Oder trachten alle
Menschen nach Lust?
Ich ändere Mal die Frage: Gibt es allgemein verbindliche
moralische Regeln, nach denen man das Handeln der Menschen beurteilen kann, oder
entzieht sich das konkrete Verhalten eines Menschen wegen seiner Einzigartigkeit
einer solchen Beurteilung? Kann man in der Ethik allgemeine Regeln und Normen
aufstellen, da doch offenbar zwei konkrete, singuläre Situationen niemals völlig
gleich sein können?
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 26. Aug. 2006, 10:52 Uhr
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Hallo Aqvileia,
die Frage, ob es nur eine oder verschiedene Katzenarten
gibt, lässt sich nur damit beantworten, dass man die Welt durchsucht und
feststellt: Verschiedene Katzenarten gefunden. Wenn du der Meinung bist, es
dürfte nur Hauskatzen auf dieser Welt geben, dann musst du alle anderen
Katzenarten ausrotten.
Dasselbe gilt für die Moral. Es gibt de facto sehr
verschiedene Moralen. Und wenn du nur eine willst, musst du die anderen
beseitigen. Versuche dazu gab und gibt es; sie sind aber bisher alle
gescheitert. Gottseidank!
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Sheelina am
26. Aug. 2006, 11:34 Uhr
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on 08/26/06 um 10:52:01, Hanspeter wrote:Es gibt de facto sehr verschiedene
Moralen.
Gruß HP
Moral hat kein Plural.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
26. Aug. 2006, 12:05 Uhr
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Hallo allerseits,
Hanspeter schrieb: Gott sei Dank gibt es nicht nur eine
Moral.
Dagegen: Die Alternative zur Entwicklung gemeinsamer
Verhaltensregeln, die für alle beteiligten Parteien akzeptabel sind, ist der
Konflikt, der in letzter Konsequenz Krieg heißen kann.
Zu dem Argument,
es sei nicht sinnvoll, allgemeine Normen aufzustellen, weil jeder Mensch
einzigartig sei und keine Situation der andern völlig gleiche.
Wenn ich
begründe, warum das Verhalten von Stephan gestern abend gerechtfertigt (oder zu
verurteilen) ist, dann beschreibe ich die Umstände dieses singulären Falls,
sowohl was die Person von Stephan als auch was die äußeren Umstände angeht.
Ich sage zum Beispiel: "Durch einen Stau ist Stephan aufgehalten worden und
kam auf die letzte Sekunde hier an. Wenn er nicht quer Beet gelaufen wäre, wäre
er zu spät gekommen, was für ihn mit schweren Nachteilen in Form von x, y, z
verbunden wäre. Deshalb ist sein Verhalten gerechtfertigt."
Wenn man
moralische Urteile für universalisierbar hält, dann folgt daraus, dass ich alle
Fälle, auf die diese Beschreibung ebenfalls zutrifft (außer dass der Handelnde
einen anderen Namen hat), genauso als gerechtfertigt ansehen muss. Damit hat man
jedoch bereits eine allgemeine Regel.
Soviel erstmal von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 26. Aug. 2006, 13:59 Uhr
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Hi, Eberhard
Du: Moralisch' im präskriptiven Sinne können nur Regeln
sein, denen alle gemeinsam aus freier Einsicht zustimmen können.
Hat da
irgendwer einen besseren Vorschlag als:
„Was Du nicht willst, das man Dir tu,
das füg auch keinem anderen zu!“ („Quod tibi fieri non vis, alteri ne feceris!“,
römisches Sprichwort)
"Tu keinem etwas an, wovon Du nicht willst, daß es Dir
geschehe - in diesem Grundsatz liegt alle Tugend, liegen alle Pflichten des
Menschen gegen die Gesellschaft." (Friedrich der II. v. Preußen)
?
Wer
kann begründen, warum sich der Aufwand einer weiteren Diskussion zum Thema
lohnen sollte?
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
26. Aug. 2006, 15:51 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Wolfgang,
Du zitierst die Goldene Regel "Tu
keinem etwas an, wovon Du nicht willst, dass es Dir geschehe!" und damit
scheinen Dir alle Fragen der Moral beantwortet.
In der Tat ist die
Goldene Regel eine geniale Faustformel für die Beantwortung moralischer Fragen
und in der moralischen Erziehung unentbehrlich. Die Goldene Regel gibt in den
meisten Fällen die richtige Antwort auf eine moralische Frage.
Es bleibt
allerdings eine Faustformel, die in manchen Fällen zu nicht akzeptablen
Ergebnissen führt. Wie ich dazu an anderer Stelle geschrieben habe, macht die
Goldene Regel nur dann Sinn, wenn Menschen in ihren Bedürfnissen ähnlich sind.
Wenn ich selber am Wochenende gerne ausschlafe und nicht vor 9 Uhr angerufen
werden will, dann braucht das mich nicht daran zu hindern, den notorischen
Frühaufsteher Wolfgang am Sonntag bereits um 8 Uhr anzurufen.
Ein
anderer Einwand gegen die allgemeine Anwendbarkeit der Goldenen Regel lautet:
"Dann dürfte ja zum Beispiel eine Politesse einem Parksünder auch keinen
Strafzettel verpassen. Denn die Politesse selber will ja ebenso wie der
Parksünder möglichst keinen Strafzettel bekommen und nach der Goldenen Regel
dürfte sie ihm dann keinen Strafzettel verpassen".
Diese Schwierigkeit
könnte man aber auflösen. Wenn ich das Gemeinwesen für befugt halte, Parkverbote
auszusprechen und durchzusetzen, so muss ich auch wollen, dass Verstöße gegen
ein Parkverbot mit der vorgesehenen Strafe geahndet werden. Dies beinhaltet,
dass auch ich selber einen Strafzettel bekommen soll, falls ich gegen ein
Parkverbot verstoße. Insofern "will" ich als Parksünder zwar keinen Strafzettel
bekommen, aber als Bürger des von mir mitgetragenen Gemeinwesens akzeptiere ich,
dass ich den ("verdienten") Strafzettel bekomme.
Ein anderer Einwand: Ich
will eigentlich nicht, dass mein Gartennachbar Rasen mäht, weil das mit Lärm
verbunden ist, und Lärm mag ich nicht. Trotzdem ist das für mich kein geeignetes
Argument dagegen, dass ich selber Rasen mähe und dabei meinem Nachbarn einen ihm
unerwünschten Lärm beschere.
Offenbar versagt die Goldene Regel in
solchen Fällen, wo das Handeln eines anderen zwar für mich Nachteile bringt
(vorübergehender Lärm), wo aber die Vorteile für den andern (gepflegter Garten
usw.) allgemein als wichtiger angesehen werden. Für uns beide ist es wichtiger,
dass unser Garten gepflegt wird, als dass der damit verbundene Lärm vermieden
wird. ( www.ethik-werkstatt.de/Goldene_Regel.htm )
Die entscheidende
Frage an ein ethisches Kriterium wie die Goldene Regel ist, ob verschiedene
Individuen bei Anwendung des jeweiligen Kriteriums zu übereinstimmenden
Ergebnissen gelangen. Nur dann kann ein Kriterium die methodische Grundlage für
die allgemeingültige Beantwortung moralischer Fragen bilden. Denn einander
widersprechende Antworten können keine Frage beantworten. Die Goldene Regel
führt nur dann zu übereinstimmenden Ergebnissen, wenn alle Individuen
hinsichtlich der Behandlung durch andere die gleichen Abneigungen haben.
Und noch ein letzter Punkt: Die Goldene Regel, zumindest in ihrer negativen
Formulierung, kann keine Antwort geben, wo es um moralisch gebotene Handlungen
geht, wie z. B. dem Gebot der Hilfeleistung für Menschen in unverschuldeter Not.
Es lohnt sich auch angesichts der von Dir zitierten genialen Forme weiter
über Moral nachzudenken,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 26. Aug. 2006, 17:36 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: Goldene Regel...und damit scheinen Dir alle Fragen der
Moral beantwortet.
Alle Fragen beantwortet? Nein. Es wird immer Grenzfälle
geben.
Deshalb frage ich ja ausdrücklich, ob jemand eine bessere Regel
vorstellt.
Wobei ich an "besser" folgende Maßstäbe anlege:
*
Facharbeiterverständlichkeit. Die Regel muß so simpel sein, daß der
duchschnittliche Facharbeiter sie versteht und sie auch seinem Sohnemann
verständlich machen kann. Denn eine Regel, die nur eine Elite verstehen und
einhalten könnte, kann niemals gerecht sein.
* Allgemeingültigkeit. Denn eine
Regel, die nur für einen Teil der Gemeinschaft gilt, kann auch nicht gerecht
sein.
* Dem Gemeinwohle dienend. Denn Gerechtigkeit ist als Kompromiß der
streitenden Parteien nie zu erreichen, allenfalls ein Waffenstillstand.
Gerechtigkeit ist leichter zu definieren, wenn wir das Gemeinwohl als Maßstab
nehmen, in dessen Namen die Gemeinschaft von einem Mitglied auch Verzicht
zugunsten der Gemeinschaft fordern kann und Drohung der Verbannung.
Voraussetzung: Das Gemeinwohl wiederum muß letztlich zum Wohle des Individuums
mehr beitragen, als seine Opfer ihm kosten.
Meine Arbeitshypothese: Seit
den Anfängen der Geschichtsschriebung haben sich meines Wissens nur zwei Regeln
durchgesetzt, die diese Kriterien gut erfüllen:
a) die Goldene Regel bis zum
Kategorischen Imperativ
b) "Liebe deinen Nächsten, wie auch dich selbst.,
wobei mir beide verwandt zu scheinen, indem a) das Verhalten anspricht und
b) mehr die Einstellung, aus der man seine Verhaltensweise wählt.
Ich
halte die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Tage eine deutlich bessere Regel
gefunden wird, für höchst unwahrscheinlich.
Aber ich schließe es nicht aus.
Wer in diesem Forum hat eine oder kennt eine?
Wer sieht denn wenigstens
eine Chance dafür?
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
26. Aug. 2006, 21:59 Uhr
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Hallo Wolfgang,
Du hattest gefragt: "Wer kann begründen, warum sich der
Aufwand einer weiteren Diskussion zum Thema lohnen sollte?" Das muss man doch so
verstehen, dass Du keine Gründe mehr kennst, warum man sich weiter mit dem Thema
beschäftigen sollte.
Nun habe ich zu zeigen versucht, dass die Goldene
Regel nur eine Faustregel ist und weite Bereiche der Moral nicht angemessen
behandelt. Offenbar akzeptierst Du die Kritik, denn Du argumentierst nicht
dagegen. Anstatt hieraus die Konsequenz zu ziehen, dass die Problematik genauer
analysiert werden müsste, stellst Du als Maßstab und Grenze für mögliche
Ergebnisse das Verständnis eines Facharbeiters auf. Das halte ich allerdings für
eine äußerst problematische Einschränkung der wissenschaftlichen Diskussion. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass Physiker, Physiologen, Mathematiker oder
Psychologen eine derartige Einschränkung auf das Verständnis eines Facharbeiters
akzeptieren würden.
Ich glaube nicht, dass diese methodischen
Richtlinien uns weiter bringen werden. Ich befürchte eher, dass man dann immer
an der Oberfläche herumrührt mit komplizierten Begriffen wie Gemeinwohl,
Allgemeingültigkeit oder Gerechtigkeit, die nach einer näheren Bestimmung
förmlich schreien.
Ich schlage stattdessen vor, dass wir diskutieren, was
denn mit der "Richtigkeit" einer Handlung oder der zugrunde liegenden
moralischen Norm gemeint sein kann.
Ich hatte die Frage: "Warum soll man
moralisch sein?" beantwortet mit dem Satz: "Man soll moralisch handeln, weil
dies die richtigen Handlungen sind."
Wenn man etwas als "richtig"
bezeichnet, dann erhebt man dafür einen Geltungsanspruch.
"Richtig"
bedeutet hier "richtig" nicht nur für mich sondern richtig für alle gemeinsam.
Darin steckt also ein Anspruch auf allgemeine Geltung.
Wenn
dieser Geltungsanspruch für eine moralische Norm mehr sein soll als die
Aufforderung zur Befolgung der Norm, also mehr sein will als Aufforderung zu
gehorchen, dann müssen diejenigen, die der Norm Folge leisten sollen, diese Norm
ohne Zwang anerkennen können.
Oder anders ausgedrückt: Die moralische
Norm muss für jeden der Beteiligten mit nachvollziehbaren und übernehmbaren
Argumenten begründet sein.
Kriegen wir so Boden unter die Füße?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 26. Aug. 2006, 22:14 Uhr
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Nein, Eberhard, weil das nicht möglich ist.
Du bist bei deinen Beispielen
stets in unserem Kulturkreis geblieben und hast deshalb für die hier Anwesenden
ziemlich plausibel argumentiert.
Betrachten wir jedoch stark
unterschiedliche Kulturkreise, dann ist eine Einigung oft nicht möglich. Wenn
Kühe für einen Hindu als heilig gelten und deren Schlachtung ein Sakrileg erster
Ordnung ist, sie dagegen im Westen fabrikmäßig getötet werden, dann sind
nachvollziehbare und übernehmbare Argumente für keine Seite denkbar.
Aber
wir müssen gar nicht in die Ferne blicken. Die katholische Moral ist mit manchen
der derzeit gängigen Moralvorstellungen ebenfalls nicht kompatibel. Beispiele
gefällig?
Gruß HP
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 26. Aug. 2006, 22:38 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: Das muss man doch so verstehen, dass Du keine Gründe
mehr kennst, warum man sich weiter mit dem Thema beschäftigen sollte.
Muß man
das? Keine Alternative?
Du: ..Goldene Regel nur eine Faustregel...
Kein Einwand.
Du: dass die Problematik genauer analysiert werden müsste,
Kann durchaus. Von einem "müßte" würde ich aber erst sprechen, wenn aus der
Analyse auch etwas werden könnte, das besser ist als das bisher beste.
Natürlich kann man noch viel diskutieren.
Meine Alternative besteht aus
zwei Teilen:
a) Eine neue Regelung muß besser sein als die bisher besten.
Andenfalls hat sie keine Chance auf Umsetzung.
b) Eine neue Regelung kann nur
dann besser sein als die bisher beste, wenn sie auch machbar ist.
Die
Voraussetzungen, die mir dazu eingefallen sind, habe ich genannt.
Du:
...stellst Du als ... Grenze für mögliche Ergebnisse das Verständnis eines
Facharbeiters auf. Das halte ich allerdings für eine äußerst problematische
Einschränkung der wissenschaftlichen Diskussion....
Exakt. Die Einschränkung
auf das Machbare schränkt aber nur diejenigen ein, die das Unmachbare bedenken
wollen.
Du: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Physiker, Physiologen,
Mathematiker oder Psychologen eine derartige Einschränkung auf das Verständnis
eines Facharbeiters akzeptieren würden.
Das wirst Du schon recht haben.
Aber die Umstände sind andere - wer eine ungewöhnliche Antenne konstruiert, der
muß sich seinen Facharbeitern gegenüber verständlich machen und anderen
gegenüber nicht.
Wer aber eine allgemein gültige Moral umsetzen will, der
muß sich allen Personen verständlich machen, die diese anwenden sollen.
Du: Ich glaube nicht, dass diese methodischen Richtlinien uns weiter bringen
werden. Ich befürchte eher, dass man dann immer an der Oberfläche herumrührt...
Ob "weiter" oder nicht, das hängt von dem Ziel ab, welche Schritte in welcher
Richtung als "weiter" gelten sollen.
Wenn Du nur um der Diskussion wegen
diskutieren willst ohne jeden Anspruch auf verwertbare Ergebnisse, dann ist ist
jede Einschränkung unwillkommen.
Dann verkünde das, und dann werde ich
diesen Deinen "Funkkreis" nicht mehr stören.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
26. Aug. 2006, 23:25 Uhr
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Hi,
1. Von den allgemeinen 'goldenen Regeln' halte ich überhaupt nichts.
Sie alle sind im Kern rein subjektiv. Was man entscheidet, hängt also vom
persönlichen Geschmack ab.
1a) Nächstenliebe.
Zum einen kann man
Liebe nicht befehlen. Wer das versucht, zerstört sie de facto.
Liebe wird
immer in den Gegensatz gesetzt zu Hass. Das ist Quatsch. Wenn ich jemanden nicht
liebe, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn hasse. Vielleicht ist er mir
sogar sympathisch, vielleicht aber nur gleichgültig.
Es gibt eine Menge
Dinge, die ich weit mehr liebe als die meisten meiner Mitmenschen. Deswegen mag
ich Menschen trotzdem. Wer aber befiehlt, sie nun zu lieben, den verdächtige ich
immer, dass er überhaupt keine Ahnung hat, was Liebe ist. Sonst käme er
wahrscheinlich nicht auf solch merkwürdige Ideen.
Dass wir mit der
Nächstenliebe denkbar schlecht gefahren sind, zeigt ein Blick in die Geschichte.
Aus reiner Nächstenliebe wurden Hexen gefoltert und verbrannt, weil man meinte,
ihnen so doch noch das ewige Leben zu verschaffen, dessen sie sonst verlustig
gehen würden. Aus reiner Nächstenliebe wurden Juden zwangsgetauft, gehen uns die
fundamentalistischen Evangelikalen mit ihren Missionierungswünschen auf die
Nerven, und schließlich sei noch an Mielkes Wort erinnert: "Ich liebe euch doch
alle!"
Also, mir kann man mit der Nächstenliebe gestohlen bleiben. Und ich
möchte bitte auch nicht, dass alle möglichen Leute mich als ihren Nächsten
lieben; etwas mehr Distanz ziehe ich doch vor.
1b) "Was du nicht willst
...". Tja. Da hätten wir zunächst einmal uns' Oma. Der wir mühselig abgewöhnen
mussten, uns das nicht anzutun, von dem sie selbst nichts hielt. Vorzugsweise,
in Ruhe gelassen zu werden.
Und wie steht es mit dem Amokläufer, der gerne
sterben möchte und so freundlich ist, dabei diesen frommen Wunsch auch anderen
Leuten zu erfüllen?
Für mich sind das Allgemeinplätze, unbrauchbar im
praktischen Leben.
Ethik - Recht - Moral. Das sind Tatsachen, die
miteinander ein Spannungsfeld ergeben, damit sollte man sich befassen.
Fragen wir doch mal: warum gibt es überhaupt das Recht, und zwar nicht nur in
unserer Gesellschaft und Kultur? Wird es doch wohl einen triftigen Grund für
geben, oder?
Schauen wir uns die Moral an. Darüber wurde viel Positives
gesagt. Was ist denn mit dem Negativen?
Moral verurteilt Taten. Und zwar
ohne sich mit den Hintergründen näher zu befassen, denn Moral hat
Absolutheitsansprüche. Moral schließt aus. Der Unmoralische wird von der
moralischen Gesellschaft in Acht und Bann gelegt. Kriegt kein Bein mehr an die
Erde. Und Moral zwingt zur Gleichmacherei. M.E. genügend Gründe, Moral mit
Skepsis zu betrachten.
Und m.E. genügend Gründe, sich lieber auf das
Recht zu verlassen, das auf solche Konsequenzen nicht aus ist.
Ich möchte
noch darauf hinweisen, dass es angelsächsisches Denken ist, nicht zwischen Moral
und Ethik zu unterscheiden. Nach angelsächsischem Denken wird die Moral von der
Gesellschaft bestimmt, gemäß fiktivem Gesellschaftsvertrag. Daraus folgen andere
Staatsverfassungen und andere Rechtssysteme als das unsere. Daraus folgt aber
auch eine konstante Überheblichkeit anderen Gesellschaften mit anderen Moralen
gegenüber. Es folgt ein gesellschaftlicher Missionierungsdrang. Man meint,
andere Gesellschaften zu ihrem Glück zwingen zu dürfen, weil sie ja unter ihren
komischen Moralvorstellungen angeblich leiden müssen. Die anderen Gesellschaften
sind da allerdings anderer Auffassung.
Schließlich: was Freiwilligkeit
und Konsens betrifft, da sollte man sich keine Illusionen machen. Wann hätte es
diesen Konsens jemals gegeben? Gab es eine Zeit, in der es keine Mörder, Räuber,
Diebe gab? Keine Aggressoren und keine terroristischen Gruppen? Auch die haben
eine Moral. Eine andere.
Was geschah denn immer dann, wenn eine
beherrschende Gruppe einer Gesellschaft Recht, Moral (ihre Moral) und Ethik in
einen Topf zusammen rührte? Bürgerkrieg.
Sind wir ganz sicher, dass wir
die Schwelle zum Weltbürgerkrieg nicht bereits überschritten haben? Welchen Sinn
hat es dann, über eine zivilisierte Moral zu diskutieren, die subjektiv an
unsere Kultur gebunden ist, gleich machen will und die angeblich Unzivilisierten
mit ihren Moralen in Acht und Bann legt?
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
27. Aug. 2006, 09:43 Uhr
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Hallo allerseits,
In der Frage "Warum soll man moralisch handeln?"
bezieht sich das Wort "moralisch" nicht auf irgendeines der vorfindbaren
unterschiedlichen Moralsysteme, sondern auf diejenigen Regeln für den Umgang
miteinander, die man selber bejaht. Die Frage richtet sich dabei auf den
verpflichtenden Charakter moralischer Regeln und auf die Gründe hierfür.
Zur Erläuterung meines eigenen Sprachgebrauchs:
Wenn man sich in einer
tatsächlichen oder möglichen Konfliktsituation mit andern Menschen fragt: "Wie
soll ich - unter Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte – handeln?" dann
nenne ich das eine "moralische Frage" oder eine "Frage der normativen Ethik".
Wenn man sich fragt "Welche Regeln des Umgangs mit anderen gelten in dieser
Gesellschaft oder Subkultur?", so nenne ich das eine "moralsoziologische Frage".
Wenn man fragt: "Welche moralischen Einstellungen und Überzeugungen hat
diese Person?" so nenne ich das ein "moralpsychologische Frage".
Wenn man
fragt "Welche moralischen Regeln und Kriterien soll man in welcher Weise Kindern
vermitteln?" nenne ich das eine "moralpädagogische Frage".
Wenn man sich
in einer Konfliktsituation fragt: "Wie soll ich unter Berücksichtigung der
faktisch geltenden Moral handeln?" so ist das eine Frage nach der
vorherrschenden moralischen Konvention und ihrer Interpretation. Dies nenne ich
eine "Frage der Interpretation einer gegebenen Moral".
Wenn man sich in
einer Konfliktsituation fragt: "Wie soll ich unter Berücksichtigung des faktisch
geltenden Rechts handeln?" dann ist das eine Frage nach der faktisch geltenden
Rechtsordnung und ihrer Interpretation. Dies nenne ich eine "Frage der
Interpretation einer gegebenen Rechtsordnung" oder kurz eine "rechtliche Frage".
Wenn man sich angesichts einer moralischen Frage fragt: "Wie kann man
moralische Fragen richtig beantworten?" dann nenne ich das eine
"moralphilosophische oder (meta-)ethische Frage".
Ich schlage für unsere
weitere Diskussion vor, dass wir uns auf diese grundlegende moralphilosophische
Fragestellung ("Wie kann man moralische Fragen richtig beantworten?")
konzentrieren, weil die Beantwortung dieser Frage Konsequenzen für alle weiteren
Fragen hat – einschließlich unserer etwas vertrackten Ausgangsfrage.
Gibt
es Einwände gegen diesen Vorschlag? fragt Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 27. Aug. 2006, 10:10 Uhr
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Deine Spracheinteilung macht Sinn.
Du fragst also letztlich: Warum soll
man die moralischen Regeln, die man gut heißt, auch selbst einhalten?
Da
muss man unterscheiden zwischen moralischen Regeln, die man sich selbst
auferlegt und denen, die man von anderen erwartet. Naive Betrachter könnten
annnehmen, dass beide identisch sein sollten ("Was du nicht willst..."). Doch
das muss nicht sein. Man kann sehr wohl Wasser predigen und Wein trinken.
Man
definiert sein Handeln als moralisch korrekt und stellt an andere Menschen
Forderungen, die einem selbst nützen. Und moralische Forderungen anderer
versucht man, so gut wie möglich zu seinem eigenen Nutzen "umzuinterpretieren".
Die Antwort auf die Frage, was ist gut oder böse lautet dann: Gut ist, was
mir nützt. Damit reduziert sich die Frage, warum man moralisch sein soll auf die
Frage, warum soll ich das tun, was mir nützt. Diese Frage wiederum halte ich für
obsolet.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
27. Aug. 2006, 10:44 Uhr
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Einen schönen Sonntag an alle!
Grundsätzlich stimme ich in Eberhard's
Meinung darin überein, dass es besonders wichtig ist sich auf Moral und wie ich
dazu noch meine auf ihre Werte zu besinnen, in Zeiten in denen eine stetig
voranschreitende Globalisierung vorherrscht, und politische wie menschliche
Grenzen zu verschwinden und verschwimmen drohen. Der Faktor für den Grund einer
moralischen Handlung entsteht aus der persönlichen Einstellung und der
Erwartung, dass der andere diesen Grund akzeptiert. Ich bin nicht dafür Ethik
auf jede wie hier bezeichnet einzelne Moral (verschiedene
Gesellschaftsschichten, Religionen) zu relativieren, sondern nur dafür, diese
miteinzubeziehen.
Das Ziel der Begründung einer Ethik, die aus Verfahren
hervorgeht mit denen ein gemeinsamer Standpunkt gefunden werden soll, bleibt
dennoch attraktiv. Diskussionen im Rahmen einer vorstellbaren Ethik, mittels
rationalistischer Vorgehensweise wären kooperative Versuche gemeinsame Lösungen
für gemeinsame Probleme zu finden. (allein ich fürchte, dass dieser Rahmen hier
nicht ausreicht) Zustimmung zu Eberhard: Ethisch gerechtfertigte Prinzipien
wären dann solche, denen in jedem vernünftigen Verfahren, mit dem eine
Übereinstimmung über unsere Handlungen angestrebt würde, zugestimmt werden
könnte.
Die Fundamente der moralischen Motivation liegen zwar nicht in den
Verfahrensregeln eines solchen Diskurses, sondern sind in den Gefühlen
beheimatet (nicht nur Liebe), aber gerade sie sind es, die uns immer wieder
daran erinnern Ethik in den Vordergrund rücken zu lassen.
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
27. Aug. 2006, 11:09 Uhr
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Hi,
Wenn man sich angesichts einer moralischen Frage fragt: "Wie kann man
moralische Fragen richtig beantworten?" dann nenne ich das eine
"moralphilosophische oder (meta-)ethische Frage".
Damit bin ich
natürlich einverstanden.
Allerdings plädiere ich dafür, dass man, bevor
man sich an die Antwort macht, erst einmal eruiert, was denn der Fall ist.
Heißt, wie Menschen denn entscheiden.
Wenn wir das tun, stellen wir fest,
das ist verschieden (wäre das nicht der Fall, bräuchte man kein Recht).
"Lasst alle Hoffnung fahren" - stürzen wir uns hinein.
Ich nehme einen
aktuellen praktischen Fall. Vor paar Wochen fuhr eine anscheinend gut in ihre
Gesellschaft integrierte hochschwangere Frau, die allerdings ihre
Schwangerschaft stets abgestritten und verheimlicht hatte, mit ihren Freundinnen
nach Köln, um sich dort einen schönen Tag zu machen. Sie bekam Wehen, begab sich
in die Toilette eines Cafés und gebar dort ein Kind. Sie nabelte es ab und
steckte es kopfüber in einen Abfallbehälter für Hygieneartikel.
Warum
nicht?
Denken wir an die Herkunft des Wortes Hebamme. Das war die Frau,
die nach der Geburt das Neugeborene aufheben und damit am Leben lassen durfte -
auf Geheiß des Vaters.
Meines Wissens gibt es in Ostasien Stämme, bei
denen sich Frauen zur Geburt in ein Gebüsch zurück ziehen, das Kind auf dem
Boden 'werfen' und dann entscheiden, ob sie es aufheben oder nicht.
In
Koran Sure 81 steht über das Jüngste Gericht: "Wenn das Mädchen, das (nach der
Geburt) verscharrt worden ist, gefragt wird, wegen was für einer Schuld man es
umgebracht hat" (8f) - heißt, es war damals üblich, sich ungewollten weiblichen
Nachwuchses zu entledigen, indem man ihn kurz nach der Geburt im Sand eingrub.
Es war also normal, seinen Nachwuchs um die Ecke zu bringen. Das gute Recht
der Eltern, und keinen scherte es, wenn sie es ausübten.
Normal ist so
etwas auch für das Viehzeug. Mutterinstikt funktioniert nur in Verhältnissen,
die danach sind. Sonst nicht.
Folgt: dass wir solche Vorgänge heute
(hoffentlich) mit Entsetzen betrachten, ist unnormal.
Diese
Unnormalitäten jedoch sind einer ganzen Reihe von Menschen etwas Unantastbares,
Heiliges. Wofür andere wiederum kein rechtes Verständnis haben.
Warum?
Was ist der Grund?
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
27. Aug. 2006, 13:29 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Hanspeter,
Du schreibst: "Da muss man
unterscheiden zwischen moralischen Regeln, die man sich selbst auferlegt und
denen, die man von anderen erwartet. Naive Betrachter könnten annnehmen, dass
beide identisch sein sollten ("Was du nicht willst..."). Doch das muss nicht
sein. Man kann sehr wohl Wasser predigen und Wein trinken."
Wenn jemand
für sich andere moralische Regeln gelten lässt als für andere und sich z.B. von
der Befolgung bestimmter Regeln ausnimmt mit der Begründung "weil ich es bin",
dann verstößt er damit gegen die Eigenschaft der "Universalisierbarkeit"
(englisch universalizability), die nach Auffassung der meisten Autoren
moralischen Urteilen zukommt. Die abweichende Regel für Dich selber ("Niemand
darf einen andern beleidigen ausgenommen ich selber, weil ich es bin") wäre nach
Auffassung mancher Autoren dann keine moralische Regel mehr.
Mein
Argument gegen eine solche persönliche Spezialnorm ist, dass ich dieser
Spezialnorm nicht zustimmen kann und dass sie damit keine allgemeine Richtigkeit
(Allgemeingültigkeit) beanspruchen kann.
Die einzelnen Schritte in meiner
Argumentation sehen dann so aus:
Wir haben einen Konflikt. A belegt B
mit Schimpfwörtern. B findet das gar nicht gut.
Die moralische Frage
ist: Darf A so reden?
Hierauf wird eine Antwort gesucht, und zwar nicht
irgendeine, sondern die richtige, die richtige für alle gemeinsam
("allgemeingültig").
Wenn ein moralisches Urteil richtig sein soll, ohne
dass ich selber einsehen kann, dass es richtig ist, dann ist es für mich
ununterscheidbar von einem Dogma, das ich zu akzeptieren habe. Damit ist es
buchstäblich "indiskutabel" und kann keine allgemeine Gültigkeit besitzen.
Anders ausgedrückt:
Wir suchen auf moralische Fragen
übereinstimmende, gemeinsame Antworten.
Wenn die Antwort nicht
dogmatisch sein soll, bedeutet dies, dass die gesuchte Antwort für jeden
nachvollziehbar und einsichtig begründet oder unmittelbar evident sein muss,
dass sie - kurz gesagt - akzeptabel sein muss.
Die Bevorzugung oder
Benachteiligung von Beteiligten mit der einzigen Begründung, weil sie es seien,
ist nicht für alle akzeptabel.
Soviel erstmal von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 27.
Aug. 2006, 13:30 Uhr
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Hallo Eberhard
on 08/27/06 um 09:43:05, Eberhard wrote:Wenn man sich
angesichts einer moralischen Frage fragt: "Wie kann man moralische Fragen
richtig beantworten?" dann nenne ich das eine "moralphilosophische oder
(meta-)ethische Frage".
Ich schlage für unsere weitere Diskussion vor,
dass wir uns auf diese grundlegende moralphilosophische Fragestellung ("Wie kann
man moralische Fragen richtig beantworten?") konzentrieren, weil die
Beantwortung dieser Frage Konsequenzen für alle weiteren Fragen hat –
einschließlich unserer etwas vertrackten Ausgangsfrage.
Gibt es Einwände
gegen diesen Vorschlag? fragt Eberhard.
Das ist wirklich der Kern
aller moralischen Fragestellungen, den Du hier herausgeschält hast.
Die
Voraussetzung, eine Frage richtig oder falsch beantworten können, ist die
Existenz eines objektiv gegebenen Sachverhalts, auf den sie sich bezieht. Die
Frage, ob die Erde eine Scheibe ist, kann ich also richtig oder falsch
beantworten. Ich kann aber beim besten Willen keinen objektiven Sachverhalt
erkennen, anhand dessen ich erkenen kann, ob es moralisch falsch ist, z.B. ein
ungeborenes Kind abzutreiben, oder nicht.
Wenn Du schreibst:
Quote:Wenn man etwas als "richtig" bezeichnet, dann erhebt man dafür einen
Geltungsanspruch.
"Richtig" bedeutet hier "richtig" nicht nur für mich
sondern richtig für alle gemeinsam.
Darin steckt also ein Anspruch auf
allgemeine Geltung.
Selbst wenn alle Menschen behaupten, daß z.B.
die Erde eine Scheibe sei, wird diese Behauptung deswegen nicht richtig - in der
Bedeutung von wahr. Gleichermaßen ist auch die Übereinstimmung aller Menschen
darüber, was moralisch richtig ist, kein Maßstab für die Richtigkeit ihrer
Moralverstellungen. Bei einer Aussage über objektive Sachverhalte, habe ich
allerdings die Möglichkeit, aus einer Aussage überprübare Sachverhalte zu
folgern und das Ergebnis dieser Überprüfungen als intersubjektiven Maßstab der
Wahrheit meiner Aussage zu akzeptieren.
Wie sollte dies aber bei moralischen
Aussagen gelingen? Wenn alle Menschen glauben, etwas sei moralisch gut, anhand
welcher logischen Folgerung läßt sich auch nur theoretisch eine Übeprüfung
dieser Annahme leisten?
Meine Thesen daher:
a) Die Forderung nach
einer moralisch richtigen Handlung oder Aussage beinhaltet einen
Kategorienfehler. Denn Kategorien wie richtig / falsch oder wahr / falsch kann
ich sinnvoll nur innerhalb eines Bezugssystems geben, anhand dessen ich meine
Aussagen oder Handlungen zumindest theoretisch überprüfen kann. Während mir in
den Naturwissenschaften die Welt mit ihren Phänomenen ein solches Kriterium zur
Hand gibt, vermisse ich ein solches in der moralischen Welt.
b) Deswegen
müssen grundlegende moralische Forderungen aufgestellt werden, die weiter nicht
hinterfragt werden können. Ähnlich wie Axiome in der Mathematik. Ein Beispiel
wäre Kants Kategorischer Imperativ.
c) Es gibt keinen Grund für die
Annahme, daß irgendeine grundlegende moralische Forderung aufgestellt werden
kann, die von allen verschiedenen Kulturen gemeinsam akzeptiert wird.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
27. Aug. 2006, 14:35 Uhr
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Hallo Hel -
würdest du mir bitte Punkt c näherbringen!
Das würde
heißen du tolerierst zwar nicht, dass die Frau in Köln ihr Kind getötet hat,
aber wenn z.B. in Indien ein Mädchen auf Grund ihrer Nichtwertigkeit getötet
wird dann ist das moralisch gerechtfertigt?
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 27.
Aug. 2006, 15:20 Uhr
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on 08/27/06 um 14:35:20, Aqvileia wrote:Hallo Hel -
würdest du mir
bitte Punkt c näherbringen!
Das würde heißen du tolerierst zwar nicht,
dass die Frau in Köln ihr Kind hat, aber wenn z.B. in Indien ein Mädchen auf
Grund ihrer Nichtwertigkeit getötet wird dann ist das moralisch gerechtfertigt?
Der Fall von Köln deutet aus meiner Sicht auf eine Art
Bewußtseinsstörung der armen Frau hin. Aber letztendlich kenne ich den Fall
nicht und kann ihn deswegen auch nicht beurteilen.
Aber generell:
Hätte ich die Macht, würde ich mein Wertesystem auch dort durchsetzen, wo es
z.Z. nicht geteilt wird. Zum Beispiel würde ich ein Rechtssystem auflösen, das
geschlechtsspezifisch unterschiedliche Wertmaßstäbe ansetzt. Es bleibt aber
trotzdem MEIN Wertsystem. Ich würde nicht in Versuchung kommen, es philosophisch
als absolut gültig zu setzen. Ich richtete die Welt eben nach meinen
Vorstellungen ein, in dem Bewußtsein, daß es andere Menschen als Unrecht
empfinden könnten und sowohl deren als auch mein Standpunkt nicht weiter
begründbar ist.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
27. Aug. 2006, 15:52 Uhr
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Laaaaaaaaangsam.
Während mir in den Naturwissenschaften die Welt mit
ihren Phänomenen ein solches Kriterium zur Hand gibt, vermisse ich ein solches
in der moralischen Welt.
b) Deswegen müssen grundlegende moralische
Forderungen aufgestellt werden, die weiter nicht hinterfragt werden können.
Ähnlich wie Axiome in der Mathematik. Ein Beispiel wäre Kants Kategorischer
Imperativ.
Haste denn schon genau hingeguckt, was der Fall ist, so
dass Du sagen könntest, in der Ethik lässt sich kein Kriterium anhand der
beobachtbaren Phänomene finden? Sonst wäre das ein bisschen voreilig.
In
dem Zusammenhang erinnere ich daran, dass Kant selbst seine Moralphilosophie als
Provisorium ansah - und zwar, wie sollte es anders sein, im Zusammenhang mit
seiner Aussage, wonach es ein Skandal der Philosophie sei, dass die Realität der
Außenwelt noch nicht bewiesen ist.
Also: was ist der Fall?
Nachdem ich probeweise davon abgerückt war, kehre ich nun doch zu meiner
ursprünglichen These zurück: Ethik (man gestatte mir, dass ich es zwecks
Klarheit vorziehe, dieses Wort zu gebrauchen) hat nichts damit zu tun, was man
tun soll. Auch von daher postuliere ich einen Unterschied zwischen Ethik und
Moral. Statt dessen manifestiert sich die Ethik im rigorosen Nein zu einer ganz
normalen, natürlichen Handlung. Ein Nein, das wir mit dem Ausdruck benennen:
"ich will nicht". Und zwar auch dann nicht, wenn das Vorhaben sozial gebilligt
oder vernünftig ist.
Inzwischen habe ich erfahren, dass das sogar mit
Libets neurophysiologischen Erkenntnissen korrespondiert. Der stellte nämlich
fest, Handlungen haben sich unbewußt vorbereitet, bevor sie als Willen ins
Bewußtsein dringen, allerdings gäbe es eine winzige Zeitspanne, in der die
vorbereitete Handlung durch ein Veto abgebrochen werden kann. Das ist zwar kein
philosophisches Argument, aber immerhin interessant.
Wer sagt, man müsse
eine Moralphilosophie auf dem aufbauen, was wir wollen? Ebensogut möglich ist es
imho, eine Moralphilosophie auf dem aufzubauen, was wir nicht wollen.
Ich
behaupte, Menschen wollen im Allgemeinen (!) einander nicht umbringen. Im
Allgemeinen heißt, im Besonderen ist das dennoch üblich. Nichts desto trotz gibt
es offenbar in allen Kulturen (mir ist jedenfalls vom Gegenteil nichts bekannt)
ein mehr oder minder eingeschränktes moralisches Tötungsverbot. Ein moralisches
Verbot auf der Grundlage des ethischen Nein: und wenn noch so viele gute Gründe
dafür sprechen, ich will nicht.
Den Grund möchte ich hier vorläufig auf
Eis legen. Mir ist nämlich noch nicht einmal klar, ob es dafür überhaupt einen
Grund gibt.
Ich möchte mich nun mit dem Eingraben weiblicher Neugeborener
in vorislamischer Zeit befassen. Deswegen, weil durch das Auftreten Mohammeds
ein Umdenken statt fand. Also ein Bruch in der Sichtweise.Vorher normal, nachher
in hohem Maße verwerflich, Mord. Wie kömmt's?
Wobei ich anmerke, wenn
Religionen solche ethischen Grundprinzipien (10 Gebote z.B.) als göttliches
Gesetz ansahen, schließe ich daraus, die wussten auch nicht, warum man nicht
töten soll. Also schoben sie es dem lieben Gott als Gesetzgeber zu, der, sonst
könnte es ja Menschen eventuell nicht scheren, beim Jüngsten Gericht auch den
zur Rechenschaft zieht, der das Gebot unbemerkt und also ungestraft gebrochen
hat. Entbehrt nicht einer gewissen logischen Notwendigkeit. Denn wozu taugt ein
absolutes Gebot, wenn die Einhaltung nicht sanktioniert wird?
Dass wir
heute damit ein schwerwiegendes philosophisches Problem haben, weil wir uns
nicht mehr mit Hinweis auf den lieben Gott um die Frage herummogeln können,
dürfte klar sein.
Zurück zu Mohammed. Ich stelle zur Diskussion, der
Perspektivwechsel könnte in der Aussage liegen, "wenn das Mädchen ... gefragt
wird". Das Mädchen ist ein Neugeborenes. Das kann man fragen, so viel man will,
das antwortet nicht. Nach paar Jahren allerdings sieht die Sache schon anders
aus. Dann wäre es allerdings auch in vorislamischen Zeiten Mord gewesen, es
umzubringen. Die Entwicklung, dass das Mädchen antworten kann, wird denkend
vorweg genommen.
Und damit passiert etwas entscheidendes: aus dem
bewußtlos zappelnden Gegenstand, für den man Verwendung haben kann oder auch
nicht, wird ein Mensch. Und dieser Mensch löst, wenn es an seine Tötung geht, im
Täter das ethische Nein aus. Hingegen: so lange dieses Wesen nicht als Mensch
angesehen wird, ist die Tötung vielleicht nicht gerade eine lobenswerte
moralische Handlung, aber immerhin nichts hoch Dramatisches.
Von hier aus
springe ich in die Jetzt-Zeit.
Kurnaz wurde nach viereinhalb Jahren aus
Guantanamo freigelassen. Nach Deutschland transportiert wurde er in einer
gewaltigen Militärmaschine, angekettet auf dem Boden liegend und mit zugeklebtem
Mund. Hannibal Lecter lässt grüßen. Gibt es irgend einen vernünftigen Grund, so
mit einem Menschen umzugehen? Zu verstehen als nüchterne Frage; Empörung ist
hier fehl am Platz. Anders gefragt: was hätte er denn anrichten können, wenn man
ihn anders transportiert hätte? Das Polster des Sessels mit den Zähnen
zerreißen, auf den Sitz pinkeln und aus Protest gegen seine Freilassung
unausstehliche revolutionäre Lieder singen? Also warum?
Ich sehe nur eine
Antwort: weil er nicht als Mensch angesehen wurde.
Gewisse Dinge macht
man mit Menschen nicht. Meint man, man könne es doch tun, steht das ethische
Veto dagegen auf.
Wir kennen die Begriffe Untermensch, Gegenmensch,
Satansmensch, Barbar, Wilder. Neuerdings auch den islamisch-fundamentalistischen
Terroristen. In all diesen Fällen hieß und heißt es, dass die an sich gar nicht
in Frage gestellten Menschenrechte auf sie nicht anwendbar sind.
Vielleicht sind wir uns in Sachen moralischer Konsens gar nicht so sehr uneins.
Vielleicht steckt die Uneinigkeit eher in der Frage, was ein Mensch ist, oder
besser vielleicht, wann und warum ein Mensch nicht als Mensch angesehen wird.
Grüße
P.S.:
Der Fall von Köln deutet aus meiner Sicht auf eine Art
Bewußtseinsstörung der armen Frau hin. Aber letztendlich kenne ich den Fall
nicht und kann ihn deswegen auch nicht beurteilen.
Nach den bisherigen
Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon derzeit nicht aus.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 27.
Aug. 2006, 17:10 Uhr
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Hallo Abrazo
on 08/27/06 um 15:52:17, Abrazo wrote:Haste denn schon genau
hingeguckt, was der Fall ist, so dass Du sagen könntest, in der Ethik lässt sich
kein Kriterium anhand der beobachtbaren Phänomene finden? Sonst wäre das ein
bisschen voreilig.
Finde mir einen objektiven Sachverhalt, anhand
dessen ich z.B. Hanspeter widerlegen könnte, wenn er sagt: Moralisch gut ist,
was Hanspeter nützt, moralisch verwerflich, was ihm schadet und moralisch
neutral, was sein Leben nicht verändert; wobei nur er Auskunft geben darf, was
als nützlich und schädlich für Hanspeter gilt.
Das Problem bei einem
moralischen oder ethischen Rahmensystem erinnert mich an das von Spielregeln.
Zum Beispiel Schach. Man kann das Schachbrett nehmen und die Spielfiguren und
andere Regeln für das Ziehen und Schlagen der Figuren aufstellen. Auch ein
anderes Spielziel. ( Wie Freßschach z.B.) Aber die Behauptung, das eigentliche
Schachspiel wäre falsch und meine neuen Regeln richtig ist irgendwie aus der
Luft gegriffen und kann nicht begründet werden.
Quote:In dem
Zusammenhang erinnere ich daran, dass Kant selbst seine Moralphilosophie als
Provisorium ansah - und zwar, wie sollte es anders sein, im Zusammenhang mit
seiner Aussage, wonach es ein Skandal der Philosophie sei, dass die Realität der
Außenwelt noch nicht bewiesen ist.
Also: was ist der Fall?
Wenn man die Realität der Welt bestreitet, dann beraubt man auch die faktischen
Aussagesätze ihrer Wahrheitswerte. Das endet dann in fruchtlosen
nondualistischen Endlosschleifen.
Von mir aus kannst Du das Postulat
objektiver Sachverhalte als das Rahmensystem sehen, innerhalb dessen die
Wissenschaften ihren Konsens finden. Aber ein solches doch sehr universelles
Rahmensystem sehe ich eben im Bereich der Ethik nicht.
Quote:Wer
sagt, man müsse eine Moralphilosophie auf dem aufbauen, was wir wollen?
Ebensogut möglich ist es imho, eine Moralphilosophie auf dem aufzubauen, was wir
nicht wollen.
Natürlich, aber es bleibt ein Konstrukt, das sich
weiter nicht rechtfertigen läßt.
Quote:Anders gefragt: was hätte er [
Kurzmaz ]denn anrichten können, wenn man ihn anders transportiert hätte? Das
Polster des Sessels mit den Zähnen zerreißen, auf den Sitz pinkeln und aus
Protest gegen seine Freilassung unausstehliche revolutionäre Lieder singen? Also
warum?
Ich sehe nur eine Antwort: weil er nicht als Mensch angesehen
wurde.
Gewisse Dinge macht man mit Menschen nicht. Meint man, man könne
es doch tun, steht das ethische Veto dagegen auf.
Du übersiehst eine
psychologische Komponente. Feindschaft.
Wenn ein Tier oder gar eine
Umweltkatastrophe einen lieben Verwandten tötet, dann gibt es kein Objekt Deines
Ärgers. Wird dies aber von einem Menschen absichtlich getan, verwandelt sich
dieser (und vielleicht auch seine Freunde) in Deinen Feind. Und gerade, weil es
ein Mensch ist, kann man ihn hassen und seinerseits quälen wollen.
Quote:Vielleicht sind wir uns in Sachen moralischer Konsens gar nicht so sehr
uneins. Vielleicht steckt die Uneinigkeit eher in der Frage, was ein Mensch ist,
oder besser vielleicht, wann und warum ein Mensch nicht als Mensch angesehen
wird.
Naja, wie ist es mit Dingen wie:
Unterordnung der Frau
unter den Willen des Mannes.
Unterordnung des Individuums unter die Gemeinde.
Vorehelicher Sex. Onanie. Homosexualität. Alkoholgenuß.
Ist Lügen an sich
unmoralisch? Ist die Ehe heilig?
Religiöse Gebote generell.
etc...
Grüße
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am
27. Aug. 2006, 17:23 Uhr
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Abrazo - Regeln erstellen und Regeln befolgen sind zwei Paar Schuhe!
Meinungen aus Erfahrungen für eine allgemeingültige Regel sollten nicht aus
Glaubensvorstellungen oder usus von Indianerstämmen oder Kannibalen sein,
sondern unser derzeitiges Verständnis auf Grund von Wissen und Erfahrung unter
Einbeziehung möglicher zukünftiger Konsequenzen.
Auch wenn die Frau wie
hel meint ein eingeschränktes Bewusstsein zu diesem Zeitpunkt besaß, was auch
ich bezweifle, so ist das höchstens als mildernder Strafgrund zu werten, rüttelt
aber nicht an der Tatsache, dass sie ihr Kind tötete. Die Umstände der Geburt
sagen zwar möglicherweise etwas über das Sozialempfinden der Frau aus, aber
nichts darüber ob sie geistig zurechnungsfähig warund auch nicht darüber ob es
geistig Behinderten erlaubt ist Menschen zu töten.
Die Welt nach seinen
Vorstellungen einzurichten hieße anderen seinen Willen aufzwängen, das bedarf
keiner ethischen Regel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
27. Aug. 2006, 17:23 Uhr
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Hallo hel,
freut mich, Dich hier wieder zu treffen. Gegenwärtig sind die
Zustände hier bei PhilTalk so wie ich sie mir vorstelle: Leben und leben lassen.
Jede Art zu philosophieren verfolgt Ihre eigene Fragestellung auf ihre Art und
jeder hat die Möglichkeit, die verschiedenen Ansätze zu vergleichen. Es gibt
keine ungebetenen Dauergäste, die mit der Fragestellung und der Art, sie
anzugehen, nichts im Sinn haben, aber trotzdem – oder gerade deswegen - die
Seiten umso mehr mit ihren Traktaten füllen. Also nutzen wir die gute
Gelegenheit zur inhaltlichen Diskussion.
Ich glaube, mit Deinem schlüssig
formulierten Beitrag hast Du Hanspeter und manch anderem aus der Seele
gesprochen. Ich hatte die Frage gestellt: "Wie kann man moralische Fragen
richtig beantworten?" Du bist der Ansicht, dass man auf moralische Urteile nicht
die Kategorien "richtig" oder "falsch" (bzw. "wahr" oder "falsch") anwenden
kann, denn es gibt bei einem moralischen Urteil keinen objektiven Sachverhalt,
auf den sich das Urteil bezieht, so wie in den Naturwissenschaften.
Darin hast Du recht. Moralische Urteile besagen nicht, wie die Welt beschaffen
ist, so wie beschreibende, deskriptive Aussagen. Beschreibende Sätze sind wahr,
wenn es so ist, wie die Sätze besagen. Und wie die Welt beschaffen ist, können
wir anhand unserer intersubjektiv übereinstimmenden Wahrnehmungen entscheiden.
Wie Menschen handeln sollen, kann man jedoch nicht allein anhand von
Wahrnehmungen und Logik entscheiden. Soweit stimme ich Dir zu und soweit bin ich
logischer Empirist.
Andererseits beantworten moralische Urteile Fragen
und insofern sind sie eine Form von Erkenntnis. Außerdem haben moralische
Urteile eben Urteilscharakter und sind keine Poesie: Sie werden – ähnlich wie
deskriptive Aussagen – behauptet, bestritten, gefolgert oder als widersprüchlich
widerlegt. Man erhebt bei moralischen Behauptungen einen allgemeinen
Geltungsanspruch (das Urteil zu bejahen, zu übernehmen und dem eigenen Denken
und Handeln zu Grunde zu legen) ähnlich wie bei beschreibenden Behauptungen.
Die Frage ist, wie der Geltungsanspruch moralischer Urteile argumentativ für
jeden Verständigen nachvollziehbar eingelöst werden kann. Dass das Kriterium der
intersubjektiv übereinstimmenden Wahrnehmungen kein Kriterium für moralische
Urteile sein kann, bedeutet ja noch nicht, dass es nicht ein anderes Kriterium
geben kann, das eine intersubjektive Übereinstimmung und damit eine Begründung
des allgemeinen Geltungsanspruchs moralischer Urteile ermöglicht.
Du
könntest Dir eine wissenschaftliche Ethik oder Moralphilosophie höchstens nach
Art der Formalwissenschaften Mathematik und Logik vorstellen. Dabei würde man
von nicht weiter begründbaren normativen Axiomen ausgehen (Du nennst als
Beispiel den Kategorischen Imperativ), aus denen dann logisch-deduktiv weitere
Normen gefolgert werden.
Das Problem einer derartigen Ethik ist jedoch,
dass es keine intersubjektive Übereinstimmung hinsichtlich dieser Axiome gibt.
Dann kann es jedoch auch keine allgemein nachvollziehbare Begründung von Normen
geben. Trotzdem bleibt es sinnvoll, die logischen Implikationen bestimmter
ethischer Grundsätze, Prinzipien oder Kriterien zu entfalten und zu untersuchen,
inwiefern diese mit den real praktizierten Normen oder den Folgerungen aus
anderen Prinzipien übereinstimmen.
Was mit der Richtigkeit von
moralischen Handlungsnormen gemeint ist, lässt sich durch den Satz bestimmen:
Eine moralische Handlungsnorm ist richtig, wenn man so handeln soll, wie die
Norm besagt. Die Frage, die sich angesichts dieser Lage für die Ethik stellt
lautet: Welches allgemein akzeptable Kriterium der Richtigkeit gibt es in Bezug
auf normative Urteile, das eine auf nachvollziehbaren Argumenten beruhende
allgemeine Übereinstimmung ermöglicht (ähnlich wie es das Kriterium der
Wahrnehmung in Bezug auf empirische Aussagen tut).
Ich mache hier mal
einen Einschnitt, sonst wird der Diskussionsbeitrag zu einem Aufsatz.
Es
grüßt alle an diesen Fragen Interessierten Eberhard.
p.s. Ich habe die
inzwischen zu hel eingegangenen Beiträge noch nicht berücksichtigt.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
27. Aug. 2006, 18:22 Uhr
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Hi,
Hel schrieb:
Finde mir einen objektiven Sachverhalt, anhand
dessen ich z.B. Hanspeter widerlegen könnte, wenn er sagt: Moralisch gut ist,
was Hanspeter nützt, moralisch verwerflich, was ihm schadet und moralisch
neutral, was sein Leben nicht verändert; wobei nur er Auskunft geben darf, was
als nützlich und schädlich für Hanspeter gilt.
Mein Einwand:
Sprachmissbrauch. Moral setzt soziale Gemeinschaft voraus, in der Menschen
miteinander agieren. Robinson steht nicht vor der Frage, warum er einen Menschen
nicht umbringen soll; alldieweil kein anderer Mensch da ist außer ihm.
Bezogen einzig auf das Individuum und das, was ihm nützlich oder schädlich ist,
wäre es eine Frage der Moral, ob Robinson sich einen Fisch fängt und eine
Palisade baut oder nicht. So gebrauchen wir das Wort Moral aber nicht. Das ist
nicht damit gemeint.
Man kann das Schachbrett nehmen und die Spielfiguren
und andere Regeln für das Ziehen und Schlagen der Figuren aufstellen.
Kann man. Dann kannste aber nur mit denen Schach spielen, die Deine Regeln
übernehmen. Die anderen werden es ablehnen, das Spiel nach Deinen Regeln zu
spielen.
Außerdem sollte man nicht übersehen, die Regeln des Schachspiels
sind unsinnig ohne Schachspiel. Heißt, Regeln, nach denen Du ziehen und schlagen
kannst, setzen, sobald Du den Bereich reiner Vorstellung verlassen willst (und
das ist der Fall, wenn Du einen Mitspieler hast) die Existenz eines
Schachbrettes und von Schachfiguren voraus.
Wobei Du Dir diese Figuren im
Falle Schach selber basteln kannst. Im Falle Mensch nicht.
Natürlich,
aber es bleibt ein Konstrukt, das sich weiter nicht rechtfertigen läßt.
Das ist eine Behauptung, die ich gern bewiesen hätte.
Wenn ich sage, es gibt
Taten, die Menschen aus ethischen Gründen unabhängig von Zeit und Kultur rigoros
ablehnen, so ist dies eine Tatsachenbehauptung. Inwiefern ist es ein Konstrukt,
solche Tatsachen zur Basis einer zu entwickelnden allgemeinen Moral zu machen?
Es sei denn, Du betrachtest z.B. auch die Naturwissenschaften als Konstrukte.
Dann wird aber das Wort 'Konstrukt' entweder zum allgemeinen und damit
nichtssagenden Begriff - oder wir sind wieder bei dem Außenweltproblem; darauf
nochmals einzugehen ist mir aber die Situation hier in Philtalk noch zu labil.
Du übersiehst eine psychologische Komponente. Feindschaft.
Tatsächlich? Ist das nicht ein altbekanntes Phänomen, Ursache zunächst zur
Einführung einer neutralen Rechtssprechung und später der Übergabe des
Gewaltmonopols an den Staat? Oder meinst Du, Lynchjustiz sei zwar für Individuen
nicht angebracht, Staaten hingegen dürften sie ohne weiteres ausüben? Mal
abgesehen von der Frage: welche psychologisch bedingte Feindschaft soll denn
zwischen Kurnaz und seinen Bewachern geherrscht haben? Wen aus der
Verwandtschaft seiner Bewacher hat Kurnaz denn umgebracht?
Unterordnung
der Frau unter den Willen des Mannes.
Unterordnung des Individuums unter die
Gemeinde.
Vorehelicher Sex. Onanie. Homosexualität. Alkoholgenuß.
Ist
Lügen an sich unmoralisch? Ist die Ehe heilig?
Religiöse Gebote generell.
Nehmen wir die Frage nach der Lüge heraus. Haben die zu einer Gesellschaft
gehörenden Menschen nicht das Recht, sich nach genau diesen Maßstäben zu
organisieren? In ganz Südostasien, China eingeschlossen, ist es
selbstverständlich, dass sich das Individuum unter die Gemeinschaft
unterzuordnen hat. Mit welchem Recht willst Du ihnen andere Maßstäbe aufzwingen?
Du hast das Recht nicht. Genau so wenig, wie sie das Recht haben, uns ihre
Maßstäbe aufzuzwingen.
Du kannst mit ihnen diskutieren, inwieweit ihre
Maßstäbe der humanen Ethik entsprechen. Wobei Du selbstverständlich damit
rechnen musst, dass sie die gleiche Frage an Dich und Deine Maßstäbe richten.
Wenn etwas auf den Prüfstand kommt, dann alles, keine individuell bevorzugte
Auswahl. Doch ein solcher Prüfstand setzt eine tatsächliche Basis voraus - siehe
oben. Die erst einmal geschaffen werden muss. Erst ne Näs, und dann ne Brill,
wie mein alter Vater stets sagte.
Aqvileia schrieb:
Meinungen aus
Erfahrungen für eine allgemeingültige Regel sollten nicht aus
Glaubensvorstellungen oder usus von Indianerstämmen oder Kannibalen sein,
sondern unser derzeitiges Verständnis auf Grund von Wissen und Erfahrung unter
Einbeziehung möglicher zukünftiger Konsequenzen.
Bin ich gegen, weil
damit der Gültigkeitsanspruch aufgehoben wird. Nehmen wir zur Kenntnis, unsere
Regeln sind anderen Kulturen ein Greuel. Mindestens so, wie ihre uns. Hierüber
ist ein Diskurs nicht möglich.
Ein Diskurs ist nur möglich auf der Basis,
was alle gleichermaßen gut heißen oder - das halte ich für wahrscheinlicher -
verabscheuen.
Wenn eine Moral zu dem im Widerspruch steht, dann kann man
sagen, muss wohl was falsch sein. Vorher nicht.
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 27. Aug. 2006, 21:59 Uhr
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Eberhard schreibt:
"Wenn jemand für sich andere moralische Regeln gelten
lässt als für andere und sich z.B. von der Befolgung bestimmter Regeln ausnimmt
mit der Begründung "weil ich es bin", dann verstößt er damit gegen die
Eigenschaft der "Universalisierbarkeit" (englisch universalizability), die nach
Auffassung der meisten Autoren moralischen Urteilen zukommt."
Was heißt
hier "Universalisierbarkeit". Wenn damit gemeint ist, dass moralische Regeln
universell gelten sollen, dann ist das falsch, weil es keine universell gültige
Moral gibt.
Wenn damit gemeint ist, dass die Regel innerhalb einer bestimmten
Moral gelten soll, dann erlaube ich mir die Feststellung, dass diese Moral eben
für mich nicht gilt.
Kurz, entweder es gibt eine universell gültige
Moral oder es gilt die Beliebigkeit der Moralen. Ersteres ist de facto nicht
gegeben, also kann ich mir den Luxus erlauben, meine eigene Moral
zurechtzuzimmern und danach zu handeln. Wenn ich dann in Konflikt mit anderen
Moralen (zB der Staatsmoral)komme, ist mein Scharfsinn gefordert, für mich das
Beste herauszuholen.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
27. Aug. 2006, 22:18 Uhr
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Öhm ...
Wenn damit gemeint ist, dass moralische Regeln universell gelten
sollen, dann ist das falsch, weil es keine universell gültige Moral gibt.
Und Du meinst nicht, Mensch könne eine solche - selbstverständlich nur
rudimentäre, denn Kulturen sind verschieden, und das ist auch gut so - Moral
schaffen?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 27. Aug. 2006, 22:30 Uhr
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Natürlich könnte Mensch es schaffen. Am ehesten die Variante Amerikaner.
US-Mensch legt seine Moral als "Alleinseligmachend" fest und rottet alle anderen
Moralen aus. Ähnliche Versuche hat es bereits früher gegeben, aber sie
scheiterten. Die Päpste hatten eben niemals so tolle Waffen wie G.W.Bush.
Nur wer die Macht hat, kann seine Moral durchsetzen und sie
universalisieren.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
27. Aug. 2006, 23:15 Uhr
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Erleben wir nicht gerade das Gegenteil?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 28. Aug. 2006, 08:11 Uhr
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Auf was spielst du hier an?
Erfreulicherweise haben die USA eben nicht
die Macht, ihre Moral durchzusetzen. Atombomben und bunkerbrechende Bomben
taugen nur bedingt gegen eine ausgefeilte Guerilla-Taktik. Aber mögen täten sie
schon wollen. ;-)
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
28. Aug. 2006, 08:46 Uhr
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Hallo Hanspeter,
zur Erläuterung des Begriffs "Universalisierbarkeit",
demzufolge. moralische Normen unzulässig sind, die unter Nennung bestimmter
Personen bzw. Personengruppen formuliert werden.
Bei Sidgwick, einem
Utlitaristen des 19. Jahrhunderts, findet sich folgende Formulierung für dieses
Prinzip:
"Wenn eine bestimmte Verhaltensweise, die bei mir richtig .. ist,
bei jemand anderem nicht richtig .. ist, so darf der Grund hierfür nicht allein
darin liegen, dass er und ich zwei verschiedene Personen sind, sondern es muss
einen anderen Unterschied zwischen beiden Fällen geben." (in: Methods of Ethics,
S.379., eigene Übersetzung.)
Bei zahlreichen Autoren werden Prinzipien
formuliert, die diesem Prinzip entsprechen oder es beinhalten. Die Frage ist, ob
und wie sich ein derartiges Prinzip, das im Folgenden "Prinzip der
Personunabhängigkeit" genannt werden soll, begründen lässt. Sidgwick selbst hält
das Prinzip der Personunabhängigkeit für evident. Er zählt es zu den "absoluten
praktischen Prinzipien, deren Wahrheit manifest ist, wenn man sie explizit
formuliert." (S. 379.) (Näheres unter
www.ethik-werkstatt.de/Universalisierbarkeit.htm )
Im Recht entspricht
dies Prinzip dem Präjudiz.
Dies von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 28. Aug. 2006, 09:53 Uhr
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Hi, Hanspeter,
Wer weiter blickt, ist im Vorteil.
Begründung:
Du: ...entweder es gibt eine universell gültige Moral oder es gilt die
Beliebigkeit der Moralen.
Allgemeingültig sind die Naturgesetze und das, was
uns allen angeboren ist. Denn alles, was eine Person gemacht hat, das wird sie
schon nach ihren persönlichen Interessen gestaltet haben, zumindest werden
andere das befürchten.
Eine von den Genen diktierte Moral wäre aber
keine, sondern Selbstverwirklichung. Dazu gehören Ängste und Vorlieben,
besipielsweise unser Geschmack und Schönheitssinn und unser Gefühl bei der
Simulation verschiedener Verhaltensweisen.
Du: ...also kann ich mir den
Luxus erlauben, meine eigene Moral zurechtzuzimmern und danach zu handeln. Wenn
ich dann in Konflikt mit anderen Moralen (zB der Staatsmoral)komme, ist mein
Scharfsinn gefordert, für mich das Beste herauszuholen.
Das gilt für Dich und
andere Mündige, die also selber denken können. Es darf nicht gelten für
Unmündige, denen müssen die Eltern sagen, was gut und böse ist, oder eben der
Priester.
Betrachten wir aber zwei Personen: "Herr Bauer" und "Frau
Königin". Beide bewegen sich eigenständig auf dem Schachbrett des Lebens.
"Herr Bauer" hat einen Denkhorizont, der reicht genau ein Feld weit, und er
kennt vor jedem Zug nur vier Alternativen - nichtstun, vor, schräglinks oder
schrägrechts schlagen.
Frau Königin kann weiter ziehen - und auch weiter
denken und strategisch denken.
Folgerung: Herr Bauer muß die Chancen
nehmen, wie sie kommen. Aufgrund seiner Kurzsichtigkeit kann er nicht
investieren in seine Zukunft.
Frau Königin dagegen kann eine Gelegenheit, die
dem Bauern lohnend erscheinen würde, durchaus vorbeigehen lassen und in
Miteinander investieren mit der Absicht, später einen Return einzufahren, der
weit größer ist als der des Bauern.
Fazit: Wer weiter blickt, ist im
Vorteil.
Oder: Egoismus? Ja gern, aber bitte mit Weitblick!
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
28. Aug. 2006, 10:23 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo hel,
ich will fortfahren, auf die
grundlegenden Einwände von hel zu antworten.
Ich denke, der Einwand des
"Kategorienfehlers" gegen die Verwendung der Wörter "richtig / falsch" für die
Antworten auf moralische Fragen ist ausgeräumt, denn wie bereits gezeigt, sind
moralische Urteile mit einem Anspruch auf Geltung verbunden.
Wie lässt
sich dieser allgemeine Geltungsanspruch durch intersubjektiv nachvollziehbare
und übernehmbare, also einsichtige Argumente begründen?
Gemeinsame Normen
sind - einmal abgesehen von Koordinierungsproblemen - dort nötig, wo es
Konflikte zwischen Menschen gibt, weil der eine das tut, was der andere nicht
will. Insofern es sich um Willenskonflikte handelt, lässt sich das Problem durch
die Frage ausdrücken: Wie lässt sich durch Argumente ein allen gemeinsamer
Wille, ein Konsens über das, was gewollt wird und damit sein soll, bilden?
Wer das Ziel, durch Argumente einen Konsens zu erzielen, nicht akzeptiert,
der kann für die von ihm vertretenen Normen zwar Gehorsam fordern und
möglicherweise auch erzwingen, er kann jedoch nicht beanspruchen, in Bezug auf
diese Normen in irgendeiner Weise "Recht" zu haben oder die "Wahrheit" zu
vertreten. Der Anspruch auf "Richtigkeit" unterscheidet sich vom bloßen Anspruch
auf Glauben oder Gehorsam gerade dadurch, dass dieser Anspruch einsichtig
begründet werden kann. Auf diese Möglichkeit hat er jedoch mit seiner Haltung
verzichtet. Er scheidet damit aus der Diskussion aus.
Wenn jeder auf
seinen individuellen Willensinhalten beharrt, so ist offensichtlich kein
allgemeiner Wille herstellbar. Beharrt jemand trotzdem auf seinen individuellen
Willensinhalten, so gibt er damit das Ziel allgemein akzeptabler Normen auf und
scheidet damit ebenfalls aus der Diskussion aus.
In der Diskussion zur
Formulierung eines allgemeinen Willens kann von jedem Diskussionsteilnehmer
verlangt werden, dass er nur solche Normen vorschlägt, die allgemein akzeptabel
sind. Wenn jemand also eine Norm als "richtig" behauptet, so muss er annehmen,
dass die andern Beteiligten dieser Norm ebenfalls zustimmen können.
Deshalb muss er sich auch die Frage stellen lassen, ob er selber dieser Norm
auch dann noch zustimmen würde, wenn er in der Position eines der anderen
Beteiligten wäre.
Dazu ein Beispiel: Wenn jemand die Forschung an
menschlichen Stammzellen verurteilt, so muss er zu diesem Verbot auch dann noch
stehen, wenn er selber z. B. die Alzheimersche Krankheit bekäme. Ist er damit
nicht einverstanden, so gibt er damit implizit das Ziel auf, nach allgemein
konsensfähigen Normen zu suchen.
Das bedeutet, dass man sich bei der
Beantwortung moralischer Fragen auch in die Lage der anderen Beteiligten
versetzen muss und von diesem allgemeinen Standpunkt aus urteilen muss.
Das heißt jedoch nicht, dass man dabei auch die bestehenden moralischen
Überzeugungen der andern mit übernehmen soll. Es geht ja gerade darum, diese
miteinander unvereinbaren moralischen Überzeugungen zu überprüfen. Folglich
können sie nicht unkritisiert in die Überlegungen eingehen.
So weit
erstmal eine grobe Skizze, wie man moralische Fragen "richtig" beantworten kann.
Wenn man diesen Gedankengang in eine Formel bringen wollte so könnte man sagen:
"Wir sollen das tun, was wir alle gemeinsam dauerhaft wollen."
Oder
als methodisches Prinzip formuliert:
"Suche nach Normen, von denen alle
gemeinsam am ehesten dauerhaft wollen können, dass sie von allen befolgt werden"
Nun noch zu einem weit verbreiteten Missverständnis. Wenn ich sage, dass die
Antwort auf eine moralische Frage dann richtig ist, wenn sich über sie allein
durch Argumente ein dauerhafter Konsens herstellen lässt, so heißt das nicht,
dass diejenige Antwort richtig ist, die alle gegenwärtig tatsächlich für richtig
halten. Die Richtigkeit einer Antwort entscheidet sich nicht durch Abstimmungen.
Deshalb lautet die Formulierung auch: "Richtig ist, worüber sich ein allgemeiner
(d.h. intersubjektiver und intertemporaler) Konsens herstellen lässt" und nicht
"Richtig ist, worüber ein allgemeiner Konsens gegenwärtig besteht."
Zu
dem Einwand, dass bei Einbeziehung unterschiedlicher Kulturkreise ein Konsens
unmöglich sei (heilige Kühe, Tötung Neugeborener etc.).
Ein Großteil der
Uneinigkeit in moralischen Fragen beruht auf unterschiedlichen deskriptiven
Weltbildern. Wenn ich annehme, dass in dem Frosch vor mir die wiedergeborene
Seele eines Menschen steckt, dann werde ich in Bezug auf seine Behandlung andere
Normen aufstellen als wenn ich nicht an diese Art der Wiedergeburt glaube.
Für die Diskussion um die richtige Beantwortung moralischer Fragen heißt
dies, dass nur solche deskriptiven Aussagen zählen können, über die ein
intersubjektiver Konsens durch nachvollziehbare Argumente und übereinstimmende
Beobachtungen herstellbar ist.
Wer diese Versuche, zu vernünftig
begründeten moralischen Normen zu gelangen, abtut, der muss sich darüber im
Klaren sein, dass die Alternative zur vernünftigen Einigung der Konflikt und
damit der Kampf und letztlich der Krieg ist,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
28. Aug. 2006, 11:14 Uhr
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Hallo Diskussionsgemeinde,
Eberhard: "Wer diese Versuche, zu vernünftig
begründeten moralischen Normen zu gelangen, abtut, der muss sich darüber im
Klaren sein, dass die Alternative zur vernünftigen Einigung der Konflikt und
damit der Kampf und letztlich der Krieg ist"
Dem könnte ich beipflichten
und ergänzen: hier wird auf eine globale Einigung über moralisches Verhalten zur
Voraussetzung von Kriegsvermeidung verwiesen, die tatsächlich naturgesetzlich
gar nicht zu erzielen ist.
So lange verschiedene Staaten,
Glaubensgemeinschaften oder Kulturkreise (also Systeme höherer Ordnung) von
ihren Bürgern (Mitgliedern) jeweils eigene Glaubensinhalte verlangen (z.B.
Frosch als Wiedergeburt), was eine praktische Intoleranz anderen
Glaubensinhalten gegenüber darstellt, wird mit Krieg zu rechnen sein.
Zum
Glück werden sich derartige Systeme höherer Ordnung weiter auflösen, weil die
Individuen mehr und mehr ihre Eigeninteressen verfolgen. In den wirtschaftlich
entwickelten Staaten kann man dies seit langem deutlich beobachten. Leider
werden mancherorts moralische Normen jedoch immer noch nicht vernünftig, sondern
religiös begründet und in unserem Kulturkreis scheinen leider derzeit wieder
religiöse Begründungen überhand zu nehmen.
Global besteht eben noch nicht die
Übereinkunft, die Vernunft als Maßstab anzuerkennen und den Einfluss des
Glaubens weiter zu minimieren. Die einzige Einigkeit auf Vernunftsebene scheint
seit der Cubakrise immer noch die zu sein, einen nuklearen Krieg vermeiden zu
wollen.
Ein bisschen wenig an Konsens, meint rudi, aber zu mehr sind Systeme
höherer Ordnung nicht fähig. Er beruht auch nicht auf Vernunft, sondern ist
Ergebnis des Selbsterhaltungsinteresses.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 28. Aug. 2006, 16:39 Uhr
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@Eberhard,
das "Prinzip der Personenunabhängigkeit", wie es offenbar
diverse Moralphilosophen formulieren, ist nichts anderes als ein verkappter
Universalitätsanspruch. Dahinter steht der Glaube an die Gleichheit aller
Menschen und die Gleichheit aller Kulturen.
Mag sein, dass es Menschen gibt,
die das für wünschenswert halten, die Realität ist aber anders.
Ansonsten
stimme ich Rudi zu: Die Durchsetzung einer einheitlichen Moral bedeut Krieg und
Moral wird in der Tat meist nicht vernünftig, sondern religiös begründet. Und
das ist eben der Grund, weshalb es keine einheitliche Moral gibt. Auf eine
einheitliche Vernunft können sich die Vernünftigen einigen, eine Einigung auf
eine einheitliche Religion ist auch unter den Religiösen nicht möglich.
Das beste, was du mit deinem Unterfangen also erreichen kannst, ist es, eine
Moral für Vernünftige zu entwickeln, die aber möglicherweise einen nur sehr
kleinen Geltungsbereich haben könnte.
@Wolfgang
Deine strenge
Unterteilung in Mündige und Unmündige entspricht nicht der Realität. Ich könnte
mir vorstellen, dass auch du einmal unmündig warst und dir Eltern oder
"Priester" gesagt haben, wo es ihrer Ansicht nach lang gehen soll. Und wie
mündig dann schlussendlich der "mündige Bürger" ist, sei dahingestellt.
Weder die Dame noch der Bauer denken strategisch, genausowenig wie Keule oder
Kalaschnikov strategisch denken können.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 28. Aug. 2006, 17:09 Uhr
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Hi, Hanspeter,
eigenartige Einwände. Ich entnehme ihnen, daß Du keine
wichtigeren hattest.
Du Deine strenge Unterteilung in Mündige und
Unmündige entspricht nicht der Realität.
Natürlich ist "Unmündigkeit" keine
Eigenschaft wie die angeborene Haarfarbe. Sondern bezieht sich auf einen
bestimmtes Kompetenzgebiet.
Muß das erörtert werden, ist das nicht
selbstverständlich?
Du: Weder die Dame noch der Bauer denken strategisch,
Klar, Holz und Holzfiguren denken gar nicht.
Auch das steht wohl außer Frage.
Sie dienten als Beispiel für Personen mit unterschiedlich großem Denkhorizont
und unterschiedlichen Denkfähigkeiten.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
28. Aug. 2006, 21:35 Uhr
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ist nicht Mündigkeit ein Begriff, den Kant gern benutzte und der in der
sogenannten "Aufklärung" für den verwendet wurde, der seinen Verstand benutzt?
Weit denken nutzt natürlich nichts ohne die entsprechenden
Handlungsmöglichkeiten.
Der Einzeller hat übrigens (ohne Hirn und ohne
denken) in bestimmten Katastrophenfällen weitaus bessere Überlebenschancen als
der weit denkende Mensch. [cry]
(nicht nur) Deshalb unterscheide ich
Selbsterhaltung (da ist der Mensch schlecht ausgestattet) und Selbstentfaltung
(da macht keiner dem Menschen etwas vor). [cheesy]
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
28. Aug. 2006, 23:08 Uhr
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Hi Eberhard,
hast Du einbezogen, dass die Normfrage verbunden ist mit der
Wertfrage?
Wenn in ostasiatischen Gesellschaften die soziale Gemeinschaft
einen höheren Wert hat als das Individuum: wie willst Du dann eine das
Individuum in unserem Verständnis schützende Norm vernünftig begründen? Was uns
als Wert erscheint, kann anderen als Unwert erscheinen.
Die Vernunft
kalkuliert mit Daten. Sofern Daten unvernünftig kalkuliert werden, wirst Du
Zustimmung finden. Wie aber sieht die Sache aus, wenn mit anderen Daten
kalkuliert wird?
Bis jetzt kannst Du mich nicht davon überzeugen, dass es
einen anderen Weg gibt als den, das fest zu machen, was Menschen
unterschiedlicher Kulturen und Religionen gleichermaßen verabscheuen und auf
dieser Basis ein allgemeines Normensystem zu entwickeln, das dennoch kulturell
unterschiedliche Bewertungen ausklammert, indem es entsprechende Fragen erkennt
und das Recht zugesteht, diese Fragen nach eigenem Gusto zu beantworten, auch
wenn die Antwort anderen Moralen widerspricht.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
29. Aug. 2006, 09:45 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Hanspeter,
ich habe den Eindruck, Du
missverstehst das Prinzip der Universalisierbarkeit bzw. das Prinzip der
Verallgemeinerbarkeit, wie es auch genannt wird.
Es bedeutet nicht mehr
und nicht weniger, als dass nicht mit zweierlei Maß gemessen werden darf. Dies
ist ein elementarer Bestandteil jeder Konzeption von Gerechtigkeit.
Wenn
man einen Fall 1 moralisch beurteilt und kommt zu einem bestimmten Ergebnis, und
man hat einen Fall 2, der sich empirisch in nichts vom Fall 1 unterscheidet
außer in den Namen der Akteure, dann muss ich Fall 2 genauso beurteilen wie Fall
1. Der Grund hierfür liegt meines Erachtens darin, dass für denjenigen, der für
die eine Handlung verurteilt wird, die beim andern gebilligt wird, eine
derartige Diskriminierung nicht konsensfähig ist. Moralische Positionen, die in
dieser Weise parteiisch sind und das Prinzip der Personunabhängigkeit verletzen,
können nicht allgemein akzeptabel sein und können deshalb nicht richtig sein.
Für Dich ist dies Prinzip "nichts anderes als ein verkappter
Universalitätsanspruch. Dahinter steht der Glaube an die Gleichheit aller
Menschen und die Gleichheit aller Kulturen.
Mag sein, dass es Menschen gibt,
die das für wünschenswert halten, die Realität ist aber anders."
Wenn
ich Dich richtig verstehe, denkst Du dabei an Sprüche wie: "Wenn zwei dasselbe
tun, ist es nicht dasselbe" bzw. "Quod licet Iovi non licet bovi" ("Was Jupiter
erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt").
Der erste Spruch
ist paradox formuliert: Wenn B dasselbe tut wie A, dann tut B nicht dasselbe wie
A. Wie soll dieser Widerspruch aufgelöst werden?
Wenn damit gesagt
werden soll, dass zwei Handlungen von zwei verschiedenen Personen niemals
vollkommen und in jeder Hinsicht gleich sind, so ist das ohne weiteres
zugestanden: Gut, Person A hat eine Plombe mehr in seinen Zähnen als Person B.
Aber soll nun aus dieser Ungleichheit der beiden Akteure gefolgert werden, dass
eine bestimmte Handlung h in einer bestimmten Situation s zu billigen ist, wenn
sie durch A vollzogen wird, aber zu verurteilen ist, wenn sie von B vollzogen
wird?
Es muss sich doch um Unterschiede handeln, die für eine moralische
Beurteilung relevant sind. Diese moralisch relevanten Aspekte müssen jedoch in
der Beschreibung des Falles und in der Begründung dafür, warum das Handeln von A
zu billigen ist, genannt werden.
Wenn auf die Handlung von B genau die
Beschreibung zutrifft, die für die Handlung von A gegeben wird, dann gleichen
sich Fall 1 und Fall 2 in ihren moralisch relevanten Aspekten und müssen deshalb
moralisch gleich bewertet werden.
Wenn aber der bloße
Identitätsunterschied zwischen A und B ein moralisch relevanter Aspekt sein
soll, dann ist diese Position für die diskriminierte Person B nicht akzeptabel.
Damit lässt sich der allgemeine Geltungsanspruch für eine derartige moralische
Position nicht aufrechterhalten.
Dieser Gedankengang entspringt
sicherlich der europäischen Denktradition, er ist m. E. aber auch in anderen
Kulturen anwendbar. Die moderne Naturwissenschaft und die moderne
Maschinentechnik sind ebenfalls aus der europäischen Denktradition entstanden,
sind jedoch auch in anderen Kulturen anwendbar. Diese nicht kulturspezifisch
begründete Art von Erkenntnis und Wissen, die am Kriterium der Intersubjektiven
Nachvollziehbarkeit orientiert ist, macht gerade deren besondere
Leistungsfähigkeit aus,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
29. Aug. 2006, 10:34 Uhr
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Hi,
kleiner Einwurf:
was Du hier ansprichst, Eberhard,
Wenn
aber der bloße Identitätsunterschied zwischen A und B ein moralisch relevanter
Aspekt sein soll, dann ist diese Position für die diskriminierte Person B nicht
akzeptabel. Damit lässt sich der allgemeine Geltungsanspruch für eine derartige
moralische Position nicht aufrechterhalten.
Dieser Gedankengang
entspringt sicherlich der europäischen Denktradition, er ist m. E. aber auch in
anderen Kulturen anwendbar.
ist das Verlangen nach Rechtssicherheit (kein
glücklicher Begriff, aber ich hoffe, Du verstehst einigermaßen, was ich damit
meine). Das hat imho überhaupt nichts mit unterschiedlichen Kulturen zu tun,
auch nichts mit Geltungsansprüchen von moralischen Positionen, vielmehr nehme
ich (selbstverständlich nach einigermaßen sorgfältiger Beobachtung mit
anschließendem Überdenken) an, dass die Forderung nach Rechtssicherheit dem
Bereich der humanen Ethik zuzuordnen ist. Heißt, Un-recht im von Dir genannten
neutralen Sinne zieht, trotz aller vernünftigen Argumente, das ethische Nein
nach sich.
Noch ein (vorläufiges) Ergebnis meines Nachdenkens über Ethik,
das gerade mit der Verletzung der Rechtssicherheit in Verbindung steht: offenbar
ist, entgegen christlicher Glaubenstradition, das Humanum keineswegs
aggressions- und gewaltlos. Auch nicht in unserem Kulturraum (man denke an
Aufstände und Revolutionen). Heißt, werden ethische Prinzipien verletzt,
reagieren die Opfer mit Gewalt, bis hin zu blindwütigem Umsichschlagen. Sollte
man imho beim Bemühen, moralische Normen irgendwie festzuklopfen, unbedingt
berücksichtigen. Man kann die Wirklichkeit nicht straflos vergewaltigen.
Insofern scheint mir der islamische Dschihad - jetzt mal ganz abgesehen von
diversen Bemühungen, selbigen auszurufen - durchaus auf einen hier aus
Glaubensgründen vernachlässigten Aspekt hinzuweisen.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 29. Aug. 2006, 16:25 Uhr
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Hallo Eberhard,
du schreibst über die Universalisierbarkeit: "Es bedeutet
nicht mehr und nicht weniger, als dass nicht mit zweierlei Maß gemessen werden
darf. Dies ist ein elementarer Bestandteil jeder Konzeption von Gerechtigkeit."
Dem stimme ich zu, vorausgesetzt handelt sich um eine Gesellschaft mit eine
einheitlichen Moral. Doch wenn verschiedene Kulturen (sprich Moralen)
aufeinandertreffen, dann gibt es keine Universalisierbarkeit.
Beispiele:
Selbst in unserer Gesellschaft gelten zB für die katholische Kirche
Sonderrechte, weil ihre Kultur in einigen Dingen nicht mit der unseres Staates
kompatibel ist. Wenn sich ein kirchlicher Angestellter scheiden lässt kann er
entlassen werden. Die Kirche hat das Recht, katholische Bewerber für eine
Arbeitsstelle zu bevorzugen, sie darf also religiös diskriminieren usw.
Wenn du also nicht mit zweierlei Maß misst, dann heißt das, dass du deine
Moralvorstellungen jenen aufoktroyieren musst, die deine Moralvorstellungen
nicht akzeptieren.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
29. Aug. 2006, 16:55 Uhr
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Hallo Hanspeter,
ich bin mir nicht sicher, ob Dein Beispiel mit den
Sonderrechten für die katholische Kirche stimmt. Wenn ich mich nicht irre, gibt
es bestimmte Sonderbestimmungen für alle so genannten "Tendenzbetriebe", wozu
nicht nur weltanschauliche und religiöse Organisationen zählen, sondern z. B.
auch Gewerkschaften und Parteien.
Eine Besonderheit stellen allerdings
die Verträge zwischen der katholischen Kirche bzw. dem Vatikan und der
Bundesrepublik Deutschland dar, die es in dieser Form mit anderen Organisationen
meines Wissens nicht gibt.
Hallo allerseits,
die Kritik, die
bisher gegen meine Vorschläge zur Beantwortung moralischer Fragen vorgebracht
wurde, hat mich nicht sonderlich beeindruckt, weil sie recht pauschal daherkam.
Ich habe meine Konzeption ja als einen logischen Begründungszusammenhang
aufgebaut. Eine wirksame Kritik müsste deshalb an meinen Prämissen und
Schlussfolgerungen ansetzen, d.h. sie müsste näher am Text bleiben.
Grüße von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
29. Aug. 2006, 17:56 Uhr
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ja da könnten wir doch zur grundsätzlichen Kritik kommen, die ich schon in
anderen threads zur Moral/Ethik angeführt habe, nämlich Moral und Ethik in den
Mülleimer zu schmeißen und sich nur auf Handlungen zu konzentrieren und
Handlungsregeln aufzustellen.
Zum Beispiel: Verzicht auf Anwendung
körperlicher Gewalt bei der Durchsetzung persönlicher Interessen.
Das muss
doch gar nicht moralisch bewertet werden.
Handlungen, die das Individuum
aus Rücksichtnahme auf die Gemeinschaft lassen soll, brauchen doch nur definiert
werden und zuwiderhandeln bestraft werden.
Das heißt, die Zuwiderhandlungen
werden lediglich als Handlungen definiert, die Motivation der Personen, deren
Gründe fürs Zuwiderhandeln usw. wird nicht bewertet. Es werden nur Handlungen
sanktioniert, egal welche Persönlichkeit die Handlung begeht.
Keine
Personenbewertung, sondern lediglich eine Bewertung der Handlung.
Das reicht
doch völlig.
Beispiel: ein Mann bringt seine Frau um. Das wird bestraft, weil
das Umbringen eines Menschen verboten ist.
Ob der Täter nun meint, sie hätte
nicht des Recht gehabt, Sex mit nem anderen zu treiben oder meint, aus
religiösen Gründen, weil sie von einem anderen vergewaltigt wurde, müsse er sie
umbringen, oder weil sie ihn geärgert oder genervt hatte usw.
egal. Sein
Verhalten wird nicht moralisch bewertet, also braucht er sich auch keine
Entschuldigungen für sein Handeln auszudenken. Ihm werden auch keine Vorwürfe
gemacht. Er muss einfach 15 Jahre in den Knast (sogenanntes lebenslänglich). Das
war ihm vorher bekannt und nun wirds auch so gemacht.
Wozu noch Ethik mit
Vorwürfen und Rechtfertigungen?
Allgemein oder universal benötigen wir nur
Handlungsregeln ohne ethische Bewertung.
Die Bestrafung könnte sich einfach
nach Höhe des Schadens richten. Wer was für 10 Euro klaut wird entsprechend
weniger bestraft als der, der einen Betrugsschaden von 2 Millionen Euro
anrichtet.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von magrabs am
29. Aug. 2006, 20:15 Uhr
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Hi
moral dient der reduzierung der inneren reibung einer gemeinschaft.
befolgen alle mitglieder die gerade angesagte moral, ist diese gemeinschaft
leistungsfähig und kann sich gegen die natur durchsetzen oder erfolgreich andere
gemeinschaften verdrängen.
die form der moral hängt an den werten, wobei es
hier natürlch eine wechselwirkung gibt.
sie hängt davon ab wie hoch wir
besitz , tot, schmerz, ruhm usw bewerten.
die germanen kommen an odins tafel
wenn sie im kampfe fallen.
Degenhardt:
blut'ge löcher in den köpfen zeigte
man den knaben gern, doch von jenem loch der löcher hielt man sie mit hieben
fern.
immer wie man's braucht.
moral gilt meistens nur für mitglieder der
gemeinschaft untereinander, nach aussen zeigen sich moralische gemeinschaften
oft anders.
Beispiel: christentum und kreuzzüge..busch und todesstrafe...
Grüße
Manfred
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 29. Aug. 2006, 21:59 Uhr
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Hallo Rudi,
du machst es dir schon ein bisschen einfach. Du schaffst die
Moral ab und willst an ihrer Stelle Handlungsregeln.
Aber genau das macht
auch die Moral, die du als Handlungsregeln deklarierst.
Durch Änderung der
Begriffe löst sich das Problem nicht.
Klar, wenn hier in der BRD jemand
(s)eine Frau aus religiösen oder rituellen Gründen umbringt, gehört er in den
Knast. Weil jemand, der aus einem anderen Kulturkreis hierher kommt, auch das
hier übliche Recht akzeptieren muss. Das ändert aber nichts an der Tatsache,
dass sich der Täter möglicherweise für unschuldig hält, weil er argumentiert, in
seinem Land wäre er dafür nicht betraft worden.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
29. Aug. 2006, 22:21 Uhr
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richtig Hanspeter,
mein Vorschlag stellt eine Vereinfachung dar.
Warum
soll ich durch Verwendung überflüssiger Begriffe etwas verkomplizieren?
Ich
würde die Frage hier auch ganz anders stellen:
warum soll man den Begriff
Moral verwenden?
Für den Zweck, ein friedliches Zusammenleben der Individuen
zu ermöglichen, ist er nutzlos, ja kontraproduktiv. Er schafft Probleme und löst
keins.
Aus der Evolution lerne ich folgendes: ich selektiere.
Überflüssige Begriffe sondere ich aus. Ich muss mich doch nicht mit dem
rumplagen, wofür bisher keine Lösung gefunden wurde.
Auch unser Hirn ist so
konstruiert: je höher man kommt, desto einfacher wird es, die unteren Etagen
selektieren und lassen nur das ins Großhirn, was wichtig ist. Zum Glück
:-)
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
29. Aug. 2006, 23:28 Uhr
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Hi Eberhard,
was soll ich denn noch sagen?
Du bestehst darauf, die
Basis einer vernünftigen Moral entwickeln zu wollen.
Ich sage, das geht so
nicht, wenn Du eine vernünftige Moral entwickeln willst, brauchst Du eine andere
Basis, Tatsachenl.
Tatsachen sind die ethischen Entscheidungen von Menschen,
unabhängig von Kulturen und Religionen.
Mit denen muss man sich zunächst
befassen, daraus Prinzipien zu gewinnen trachten, dann erst kann man sich an
eine vernünftige Entwicklung machen.
Soll ich das immer wiederholen?
Also beschränke ich mich auf Hinweise, wie den, dass Du damit
Ein
Großteil der Uneinigkeit in moralischen Fragen beruht auf unterschiedlichen
deskriptiven Weltbildern. Wenn ich annehme, dass in dem Frosch vor mir die
wiedergeborene Seele eines Menschen steckt, dann werde ich in Bezug auf seine
Behandlung andere Normen aufstellen als wenn ich nicht an diese Art der
Wiedergeburt glaube.
Für die Diskussion um die richtige Beantwortung
moralischer Fragen heißt dies, dass nur solche deskriptiven Aussagen zählen
können, über die ein intersubjektiver Konsens durch nachvollziehbare Argumente
und übereinstimmende Beobachtungen herstellbar ist.
scheitern wirst.
Du wirst nämlich, außer denen, die Deiner Ansicht sind, und die wirst Du
vorwiegend in Deinem Umkreis finden, keine Diskussionspartner haben, mit denen
Du Deine Moral entwickeln kannst. Der Mehrheit der Menschen sind nun mal andere
Dinge (auch ihre Glaubensangelegenheiten) wichtiger als eine allgemeine Moral.
Hat keinen Sinn, sich idealistisch von der Wirklichkeit abzuwenden.
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 30. Aug. 2006, 07:57 Uhr
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Hallo Rudi,
du schreibst: "Aus der Evolution lerne ich folgendes: ich
selektiere. Überflüssige Begriffe sondere ich aus."
Es ist gut, aus der
Evolution zu lernen. So zeigen Beobachtungen von sozial lebenden Tieren,
besonders Paviane und Schimpansen, dass es dort ebenfalls eine Bewertung von
Handlungen nach Gut und Böse gibt und daraus resultierend einen Verhaltenskodex,
der mit unseren Begriff Moral identisch ist. Spielregeln im sozialen Miteinander
wie: Ehrfuchtsvolles Verneigen vor dem Chef, pflegen sozialer Kompetenz,
Freundlichkeit zu Kindern usw.
Gut, wenn dir der Begriff Moral nicht
gefällt, dann darfst du dir selbstverständlich einen anderen suchen. Das
Phänomen aber kannst du nicht "aussondern", höchstens neu benennen.
Gruß
HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
30. Aug. 2006, 10:30 Uhr
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Hallo allerseits,
ich schlage vor, dass wir an diesem Punkt der
Diskussion etwas freien Lauf rund um das Phänomen "Moral" lassen und sehen,
wohin wir gelangen.
"Moral":
Das sind diejenigen Regeln des
Umgangs miteinander, die nicht rein konventionell (Kleiderordnung) oder rein
koordinierend sind (Rechtsverkehr), sondern die direkt die Interessen, das Wohl
und Wehe der Mitglieder betreffen (Totschlag, Vergewaltigung, Hilfeleistung,
Belügen, Betrügen, Rauben, Gotteslästerung etc.).
Eine Moral wird
praktiziert und gilt in einer Gesellschaft, wenn die Mitglieder einer
Gesellschaft oder Gemeinschaft deren Regeln verinnerlicht haben, wenn sie diese
vertreten, ihre allgemeine Befolgung verlangen, Verletzungen missbilligen und
den Regelbrecher informell sanktionieren, sei es durch Abbrechen der sozialen
Kontakte und soziale Ausgrenzung, sei es durch Ächtung und moralische
Verurteilung, sei es durch Steinigen oder Erhängen.
Soll man in dem Sinne
moralisch sein, dass man die geltenden Regeln befolgt? Nicht unbedingt, denn
bestimmte Regeln können "veraltet" sein (Anti-Baby-Pille) oder können ungerecht
sein (Patriarchat), insbesondere unter den sich rasch wandelnden Bedingungen
einer technischen Zivilisation. Dann gibt es in der Gesellschaft einen
moralischen Dissens, es bilden sich Subkulturen (Hippies) oder die Positionen
bekämpfen sich offen (Fundamentalisten zum Schwangerschaftsabbruch).
Wenn
man davon ausgeht, dass der rasche soziale Wandel - bedingt durch technische
Neuerungen - anhalten wird, dann ist es für den Bestand einer Gesellschaft
wichtig, wie sie auf den Wandel der Bedingungen reagiert. Meines Erachtens
bedarf es der ständigen Diskussion und Überprüfung der tradierten moralischen
Regeln. In einer auf Meinungsfreiheit und freien Abstimmungen beruhenden
Demokratie sind die Grundvoraussetzungen dafür gegeben. Woran es jedoch mangelt
ist ein Konsens über das, was man eigentlich mit der Richtigkeit oder Gültigkeit
eines moralischen Urteils meint. Was ist das Kriterium hierfür und inwieweit
kann man hier vernünftig argumentieren und begründen?
Was ich hier für
die einzelne Gesellschaft gesagt habe, trifft auch auf die Weltgesellschaft als
Ganzer zu: Die Staaten, Kulturen und Religionen rücken sich ständig näher,
Teheran ist wenige Flugstunden entfernt, Shanghai 1 Internetsekunde. Dass sich
eine einzige Kultur und Religion weltweit als herrschend durchsetzen wird, halte
ich für unwahrscheinlich. Also werden die Spannungen und Reibungen weiter
zunehmen, vor allem, wenn es sich um Moralsysteme und Weltanschauungen handelt,
die gegenüber "Fremden" und "Ungläubigen" keinerlei moralische Verpflichtungen
kennen.
Deutschland hat den 30jährigen Krieg durchgemacht, der die
Bevölkerung erheblich dezimierte, bis schließlich ein geregeltes Nebeneinander
der Konfessionen gefunden wurde.
Um derartiges zu vermeiden, muss eine
übergreifende Methode der Verständigung über Moral entwickelt werden. Ich habe
meine Gedanken dazu hier skizziert. Kernpunkt meiner Überlegungen ist dabei der
Grundsatz, dass nur intersubjektiv nachvollziehbare Argumente in die Entwicklung
einer solchen "universalen" Moral eingebracht werden dürfen, wenn es sich um
mehr als ein neues Dogma handeln soll.
Hallo Abrazo,
Du versuchst
einen anderen Weg. Du schlägst vor, von Tatsachen auszugehen. Die Tatsachen, die
Du meinst, sind in allen Kulturen gleichermaßen vorfindbare ethische
Entscheidungen in Form einer Ablehnung bzw. Verabscheuung bestimmter
Handlungsweisen. Eine derartige allen Menschen gemeinsame Grundlage der Moral
würde die Lösung des Problems natürlich erheblich vereinfachen.
Ob es
derartige Tatsachen gibt, ist eine empirische Frage. Ich kenne allerdings keine
empirische Untersuchung zu dieser Frage. Das einzige, was mir in Bezug auf
universal vorkommende moralische Normen bekannt ist, ist die Tatsache, dass es
in allen menschlichen Gesellschaften Verbote hinsichtlich inzestuöser
Beziehungen gibt.
Hallo rudi,
das Wort "Moral" muss kein rotes
Tuch sein, bei dem gleich alle Alarmglocken klingeln. Der Begriff ist für mich
gegenwärtig unverzichtbar, wenn ich z. B. die tradierten und verinnerlichten
Regeln von den kodifizierten Regeln der Großorganisationen unterscheiden will.
Wie willst Du das Verhältnis zwischen beiden Normensystemen diskutieren, wenn
Dir die unterscheidenden Begriffe (Moral, Recht) fehlen?
Grüße an alle
Interessierten von Eberhard.
p.s.: Ich freue mich über das angenehme
Diskussionsklima und hoffe, dass es so bleibt.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 30. Aug. 2006, 11:22 Uhr
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Hi, doc_rudi.
Du: Aus der Evolution lerne ich folgendes: ich selektiere.
Überflüssige Begriffe sondere ich aus.
Klasse [applause] [applause]
[applause]
Ich werde Dich zitieren.
Du hast Ockhams Regel gerade in einen
Zusammenhang mit der Evolution gebracht. Fein.
Naturwissenschaft als die
Evolution - nicht der Arten, sondern der Modelle über die Wirklichkeit.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
30. Aug. 2006, 13:32 Uhr
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Hallo Diskussionsrunde,
Begriffe haben im Lauf der Evolution des Geistes
immer ihre Bedeutung geändert und manche sind fallen gelassen worden. Ich halte
aus oben genannten Gründen den Begriff Moral für nicht mehr angebracht.
Die
zu beobachtenden Phänomene – z.B. Verhaltensweisen in Primatengruppen, von
Hanspeter angeführt -, die ethisches oder moralisches Verhalten zeigen,
bezeichne ich als Sozialverhalten. Schon hier scheint mir dieses Verhalten
einerseits genetisch angelegt, anderseits erworben, bei Affen in erster Linie
durch Imitation.
Der Mensch sucht nach Begründungen für sein Verhalten und
hat dazu Theorien erfunden, die sich zu Theoriegebäuden und Ideologien
entfalten. Diese Ideologiebildung und ihre Tradierung lag lange in den Händen
von Priestern u.a. Religionsführern. Die monotheistischen Religionen betrachte
ich als Ideologien, die weitgehend austauschbar sind: ein katholischer Priester
und ein gläubiger Katholik wären, wenn sie in Israel aufgewachsen wären, dort in
vergleichbarer Funktion, ebenso im Moslemischen Kulturkreis, der Nichtgläubige
wäre überall nichtgläubig.
Das Problem ist die Trennung in unterschiedliche
Glaubensinhalte und Glaubenseinflussbereiche und die allen gemeinsame jeweilige
Aussonderung des Andersgläubigen.
Eberhard hat bereits auf den 30jährigen
Krieg hingewiesen. In Europa hatten wir dann noch (den 7jährigen Krieg),
Aufklärung, die (französische) Revolution, die industrielle Revolution, den
Marxismus und in der Summe die Trennung von religiösen und weltanschaulichen
Ideologien. Noch bis vor kurzem gab es auf der Erde 2 durch einen eisernen
Vorhang getrennte ideologische Blöcke, derzeit bilden sich neue Blöcke, deren
Ideologien auf beiden Seiten mehr religiösen Inhalts sind, was ich sehr bedaure.
Jede Ideologie hat ihre Moral und nutzt diese zur moralischen Bewertung
menschlichen Handels und Trennung in Gut und Böse.
Wir sind uns wohl einig
darüber, dass wir uns um die Zukunft der Menschheit Sorgen machen müssen, wenn
das so bleiben sollte.
Neben dieser Entwicklung auf der Ebene der Systeme
höherer Ordnung sehe ich jedoch auch eine Entwicklung auf der Ebene der
Individuen:
Der einzelne Mensch ist im Durchschnitt selbstbewusster geworden,
hat sich dem Einfluss der Ideologien mehr und mehr entzogen stellt
dementsprechend seine persönlichen Interessen denen des Staats entgegen. Die
Menschenrechte sind verkündet worden usw..
Wie kommt das?
Meine
Erklärung: Ideologien wirken als „Gewissen“ im „Über-Ich“. Das Über-Ich hat
psychodynamisch die Funktion, sozial störende triebhafte Verhaltensweisen, die
aus dem „Es“ kommen, gegenzuregulieren. Die Moral hat eine triebsteuernde
Funktion. Dies hat Freud erkannt und er hat ebenfalls erkannt, dass diese Kräfte
des Es und des Über-Ich weitgehend unbewusst wirken. Die allgemeine
Bewusstwerdung dieser bislang unbewussten Verhaltenssteuerung ist ein Faktor,
der die Wirksamkeit von „Moral“ zum Glück beeinträchtigt und den Moralbegriff
überflüssig macht.
Der zweite Faktor ist die zunehmende Bedeutung des Geldes:
das Individuum benötigt keine moralischen Vorschriften mehr zur Steuerung seines
Verhaltens, weil seine Handlungsmöglichkeiten und insbesondere seine
Befriedigungsmöglichkeiten weitgehend von der Geldmenge begrenzt werden, die ihm
zur Verfügung steht.
Das „Ich“ (im Freudschen Modell psychischer Instanzen)
der Individuen ist im Schnitt stärker geworden und übernimmt zunehmend die
Steuerung des Handelns.
Deshalb ist aus meiner Sicht die Verwendung der
Begriffs Moral nicht mehr zeitgemäß.
Das Individuum ist
kulturkreisübergreifend mehr und mehr ein selbststeuerndes lebendes System, so
dass sich die Menschen sehr gut auf vernünftige Verhaltensregeln einigen
könnten, die ihr friedliches Zusammenleben und die Entfaltung persönlicher
Interessen erleichtern.
Es gilt einfach nur, die Interessen des Individuums
mit denen der Menschengemeinschaft in Einklang zu bringen.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
30. Aug. 2006, 14:59 Uhr
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Hi,
Eberhard, die Crux empirischer Untersuchungen ist Dir gewiss bekannt:
die Fragestellung. Du bekommst immer Antworten auf Fragen, also darauf, wie die
gestellte Frage verstanden wird. Wie aber willst Du eine präzise Frage stellen,
die Du gar nicht präzise kennst? An ethische Fragen kann man imho nicht
vermittels Stichprobenerhebung heran gehen, denn die kann immer nur den
unüberlegten Status quo festhalten. Das kann bei zeit- und kulturübergreifenden
Fragen nicht zu brauchbaren Ergebnissen führen.
Tatsächlich liegen die
'Ergebnisse' bereits vor, nämlich in den mehr oder minder codifizierten
unterschiedlichen Normenkomplexen. Die warten nicht auf empirische Erhebung,
sondern auf Analyse.
Beispiel Tötungsverbot. Mir ist keine derzeitige
oder vergangene Kultur bekannt, in der das Töten eines Menschen generell erlaubt
ist. Alle enthalten jedoch eine Menge Ausnahmen, die nach Analyse verlangen.
Übrigens gibt es, falls ich nicht falsch informiert bin, auch beim Inzestverbot
Ausnahmen. Nicht nur bei den Inkas, sondern auch in der Bibel: Lot.
Eine
generelle Ausnahme ist das Notwehrrecht. Relativ unproblematisch, da konkurriert
Leben gegen Leben.
Weitere Ausnahme: Krieg. Speziell der
Verteidigungskrieg. Heißt, die Tötung von Menschen ist erlaubt oder gar
erwünscht, um überlebenswichtige Interessen der eigenen sozialen Gemeinschaft
gegen einen Aggressor zu schützen. Also praktisch auch Notwehrrecht,
Konkurrenzsituation. Hätte also das Tötungsverbot absolute Gültigkeit, dürfte es
keine Angriffskriege geben.
Gibt es auch nicht. Jeder kriegerische
Angriff wird nämlich als Verteidigung ausgelegt. Heißt, der Sachverhalt, auf den
sich das ethische Nein bezieht, wird anders dargestellt, als er ist. Daraus
folgt ein Grundsatz, den man m.E. bei Ethikdiskussionen mit Blick auf die
Tatsachen beachten muss:
Die Verschleierung eines Sachverhalts bestätigt
das Vorhandensein eines ethischen Prinzips, das bei einem unverschleierten
Sachverhalt zu einer anderen Entscheidung zwingen würde.
Betrachte unter
diesem Aspekt mal die systematische Ermordung der Juden unter den Nazis. Setzen
die das ethische Tötungsverbot außer Kraft? Keineswegs. Denn diese Ermordung war
nur möglich, weil ihnen die Juden qua Biologie nicht als Menschen galten,
sondern als Parasiten am Menschentum in einigermaßen menschlicher Gestalt
getarnt. Für Fliegen, Ratten, Wanzen, Mücken, Schlangen und ähnliches Geziefer
gibt es kein ethisches Tötungsverbot (bei Säugetieren und Vögeln hingegen in
abgeschwächter Form durchaus). Hitler sprach vom Antimenschen oder
Gegenmenschen. Schädel wurden vermessen, um 'objektiv belegbare' Gründe zu
erhalten, Menschen von 'Scheinmenschen' zu unterscheiden. In der Propaganda
wurden Juden entsprechend dargestellt. Und schließlich wurden zwar nicht die
'legitimen' Angriffe = 'Selbstverteidigungshandlungen' und Deportationen geheim
gehalten, wohl aber die Vernichtungslager, denn wären sie öffentlich gewesen,
man hätte mit dem ethischen Nein der eigenen Bevölkerung rechnen müssen. Wobei
zu bemerken ist, um nicht selbst in Gewissenskonflikte zu kommen, dürften die
meisten gar kein Interesse daran gehabt haben, zu erfahren, was denn nun mit den
deportierten Juden geschehe. Hätte ja zwingend Probleme geben können.
Vermeidungstaktik. Eine Vermeidungstaktik, die aber ohne (intuitives) Wissen um
das Vorhandensein der Ethik gar nicht nötig gewesen wäre.
Ich skizziere
hier nur, in welche Richtung ich denke. Aber ich halte diesen Weg für
fruchtbarer, um zu einem wirklich tragfähigen allgemeinen Konsens zu kommen.
Noch eine übergeordnete Anmerkung: Wesentlich für die ethische Entscheidung
ist die Erkenntnis des Sachverhaltes (die Hauptaufgabe der Normenfindung besteht
m.E. darin, den allgemeinen Sachverhalt präzise zu definieren, zu beschreiben,
für den die ethisch begründete Norm gilt, sonst sind solche Normen das Papier
nicht wert, auf das sie niedergeschrieben werden sollen). Darum ist m.E. der
Kern aller Philosophie die Ethik. Denn Wahrheit heißt, wie kann ich sicher sein,
dass ich den Sachverhalt nicht falsch erkenne - und daraufhin ethisch falsch
handle, was ich als Mensch nicht will.
Deswegen ist Wahrheit ein zentraler
ethischer Wert.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
30. Aug. 2006, 15:22 Uhr
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Hi Rudi,
Die zu beobachtenden Phänomene – z.B. Verhaltensweisen in
Primatengruppen, von Hanspeter angeführt -, die ethisches oder moralisches
Verhalten zeigen, bezeichne ich als Sozialverhalten.
Der Mensch
unterscheidet sich vom übrigen Viehzeug durch seine Fähigkeit zur Reflexion.
Ethik und Ästhetik gehören zu diesem Bereich.
Ethik zeigt sich darin,
dass Menschen gegen ihre natürliche, biologisch programmierte Verhaltensweise
ein ethisches Veto einlegen, was Reflexion über eben diese biologisch
programmierten Verhaltensweisen voraussetzt.
Das Tier ist amoralisch,
weil es über seine Verhaltensweisen (Gründe, Folgen) nicht reflektieren kann.
Herr Hund verprügelt junge Rüden nicht aus moralischen Gründen, sondern um
sie in die soziale Hierarchie des Rudels einzubinden, in dem diese Tierart
überlebt.
Menschen sind zwar vergleichbare Verhaltensweisen biologisch
einprogrammiert, sie merken das aber und können sie deswegen ändern.
Der
Mensch sucht nach Begründungen für sein Verhalten
Warum sollte er - wenn er
keine Alternativen hätte?
Der einzelne Mensch ist im Durchschnitt
selbstbewusster geworden, hat sich dem Einfluss der Ideologien mehr und mehr
entzogen stellt dementsprechend seine persönlichen Interessen denen des Staats
entgegen.
Wird bestritten. Deutschland ist nicht die Welt. In der Welt
sieht es genau andersherum aus.
Es gilt einfach nur, die Interessen des
Individuums mit denen der Menschengemeinschaft in Einklang zu bringen.
In Südostasien leben erheblich mehr Menschen als in Europa und dort gelten
individuelle Interessen allgemein als erheblich weniger schwerwiegend als
Gemeinschaftsinteressen - auch bei den Individuen. Europäischen Individualismus
dort verbreiten zu wollen dürfte auf massiven Widerstand treffen.
Ich
fürchte, Deine Sichtweise ist allzu sehr eurozentrisch.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
30. Aug. 2006, 16:09 Uhr
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richtig abrazo,
meine Sichtweise ist eurozentrisch und ich halte diese
Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner Evolutionstheorie
(Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der genetischen
Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich naturgesetzlich
ausbreiten wird.
Du benutzt den Begriff "ethisches Veto". Der ist
ausgezeichnet. Er beschreibt nämlich, dass der Mensch dem Trieb eine bewusste
Entscheidung entgegensetzen kann und dass der Beginn seiner Freiheit im
Neinsagen besteht.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 30. Aug. 2006, 17:49 Uhr
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Hi, doc_rudi
Du: meine Sichtweise ist eurozentrisch und ich halte diese
Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner Evolutionstheorie
(Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der genetischen
Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich naturgesetzlich
ausbreiten wird.
Wieso "ausbreiten wird"?
Egozentrisch fühlen und
denken alle Menschen, die ich kenne.
Egozentrisches fühlen und denken halte
ich den Menschen angeboren, und zwar schon vor der Zeit, als sie lernten,
begrifflich zu sprechen.
Hier besteht die Gefahr der Verwechslung und
Verwischung von "egozentrisch fühlen und handeln" mit "kurzfrist-egoistisch
denken und handeln auf Kosten des Mitmenschen."
Das einzelne Mitglied im
Team will "Zukunft und Wachstum für mein Einkommen", das ist egozentrisch, der
Gemeinwille im Beruf ist "Zukunft und Wachstum für unsere Firma!"
Das
Engagement für den Gemeinwillen dient auch dem individuellen, egozentrischen
Willen.
Allerdings ist dieser egozentrische Wille ein weitdenkender, und
wer so weit denkt, der ist auch zu Opfern zugunsten seiner Gemeinschaft bereit.
Weil er weiß, diese dienen dem Gemeinwohl und dann auch seinem eigenen.
(Der Sündenfall ist hier, wenn Unternehmer die Belegschaft zu Opfern aufrufen,
diese einkassieren und dann die Firma platt machen.)
Also:
Egozentrisch fühlen und denken, das tun alle Menschen, die ich kenne. ist also
schon längst verbreitet.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
30. Aug. 2006, 19:36 Uhr
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Hallo Wolfgang,
kann weitblickende Egozentrik Grundlage des
Zusammenlebens der Individuen sein?
Offenbar bejahst Du die Frage.
Ich habe da meine Zweifel. Richtig ist, dass sich eigeninteressiertes
Handeln und moralisches Handeln über weite Strecken decken. Wenn der Reiche für
die Armen spendet, verhindert er möglicherweise einen gewaltsamen Aufstand der
Armen, der für ihn gefährlich sein könnte. Heute weit verbreitet ist auch die
Image-Pflege.
Trotzdem dürfte ich dem Egozentriker nicht völlig
vertrauen. Denn in günstigen Situationen ("kein Mensch wird je wissen, dass ich
das getan habe") wird der Egozentriker meine Interessen missachten und etwas
außerhalb der geltenden Regeln seinen Reibach machen,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
30. Aug. 2006, 19:47 Uhr
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Hallo rudi,
Du schreibst: " meine Sichtweise ist eurozentrisch und ich
halte diese Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner
Evolutionstheorie (Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der
genetischen Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich
naturgesetzlich ausbreiten wird."
Kann Deine Theorie den Gang der
Geschichte vorhersagen? Ist dies eine Bewegung zum Besseren?
Bei den
Marxisten nannte ich das "Fortschrittsglaube".
Und bei Dir?
fragt
sich Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 30. Aug. 2006, 19:58 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: kann weitblickende Egozentrik Grundlage des
Zusammenlebens der Individuen sein? Offenbar bejahst Du die Frage. Ich habe da
meine Zweifel.
Kann: Ja. Muß: Nein. Zweifel sind also angebracht.
Du: Wenn der Reiche für die Armen spendet, verhindert er möglicherweise
einen gewaltsamen Aufstand der Armen, der für ihn gefährlich sein könnte.
Mein Musterbeispiel: Werner von Siemens und seine Arbeitnehmerwohnungen. Für
nur seine Arbeitnehmer.
Manche halten das für ein Zeichen "sozialer
Einstellung" und altruistisch.
Ich halte es für knallhart-wirtschaftlich und
langfristig-egoistisch. Je wohler sich seine Arbeiter in Siemens-Wohnungen
fühlen, desto engagierter im Betrieb, desto geringer die Fluktuation, dsto
gebremster die Streiklust. Desto größer auch Erfahrung und Können in der
Belegschaft - all das dient der Zukunft und dem Wachstum des Siemens-Vermögens.
Du: Trotzdem dürfte ich dem Egozentriker nicht völlig vertrauen.
Völlig
klar. Wem denn? Außer Du Dir selbst.
Du: Denn in günstigen Situationen
("kein Mensch wird je wissen, dass ich das getan habe") wird der Egozentriker
meine Interessen missachten und etwas außerhalb der geltenden Regeln seinen
Reibach machen,
Zustimmung, je größer der Schatz, je geringer das Risiko,
desto schwächer unsere Schwäche.
Aber in der Frage "Soll man moralisch
handeln oder nicht?" bietet das langfristig-egoistische Denken eine dritte
Möglichkeit, die ich für die Synthese halte.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
30. Aug. 2006, 20:22 Uhr
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Ich habe in diesem Thread das moralische Gesetz angesprochen. Wie könnte das
konkret aussehen?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
30. Aug. 2006, 23:29 Uhr
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Hi Wolfgang,
an Deinen Überlegungen fehlt was, damit sie rund und
vollständig sind: die Heilung des zerrissenen wölfischen Menschen durch den
protestantischen Glauben, der ihn Wolf sein lässt, ihm aber durch den Glauben
dennoch Erlösung von allem Übel (auch dem seiner eigenen Natur) im Jenseits
verspricht.
Warum? Weil Menschen nun mal nicht so sind, wie Du dir das
vorstellst. Wenn sie so sein sollen, fühlen sie sich unvollständig; ihnen fehlt
was. Gibt etliche Leute, die sofort bereit sind, für Ersatz zu sorgen.
Heißt, bei dem, was Du sagst, drängt sich mir umgehend die Assoziation Max Weber
auf.
Doc_Rudi, Adolfen meinte, nach seiner Evolutionstheorie müssten die
Deutschen naturgesetzlich den Endsieg davon tragen.
Als er feststellte, dem
sei nicht so, korrigierte er seine Theorie und meinte, dann sollten sie eben
untergehen, sie hätten es nicht besser verdient.
Nebenbei bemerkt, was Du
fortschrittlich im Sinne Deiner Evolutionstheorie nennst, nennen andere Leute
morbide und dekadent.
Willste's drauf ankommen lassen, dass die Faust
entscheidet, wer Recht hat?
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 01:18 Uhr
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Hi, Abrazo,,
Du: an Deinen Überlegungen fehlt was, damit sie rund und
vollständig sind:
"Rund und vollständig" verglichen mit welchem Maßstab?
Sollte es da einen Maßstab geben? Dann erzähl mal.
Ich suche nur die
beste Erklärung für die beobachtbaren Phänomene. Wenn Du eine bessere hast,
stell sie vor und verteidige, warum sie besser sei.
Hast Du keine bessere,
dann nörgle nicht rum.
Du:..die Heilung des zerrissenen wölfischen
Menschen durch den protestantischen Glauben, der ihn Wolf sein lässt, ihm aber
durch den Glauben dennoch Erlösung von allem Übel (auch dem seiner eigenen
Natur) im Jenseits verspricht.
Klar, das war mal sehr attraktiv für
Personen, die die Bibel für wahr hielten, die ihr Leben als Eintrittskarte ins
Paradies verstanden und die katholische Lehre ablehnten.
Du: Warum? Weil
Menschen nun mal nicht so sind, wie Du dir das vorstellst.
Erstens ist
mir das klar, weil meine Sinne und mein Gehirn nun mal nicht perfekt sind.
Deshalb suche ich auch gar nicht die perfekte Beschreibung des Menschen, sondern
nur die beste.
Zweitens: Ah. Du weißt, "wie die menschen sind". Du kannst
es belegen?
Das interessiert mich. Stells vor, begründe, warum Deine
Vorstellung als die bessere zu gelten hat - oder nörgle nicht rum.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
31. Aug. 2006, 06:56 Uhr
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Hallo Wolfgang,
wenn ich Deine im Telegrammstil gehaltenen Sätze richtig
verstehe, dann kann man niemandem vertrauen außer sich selbst. Ich kenne
allerdings einige Menschen, denen ich meine gefüllte Brieftasche zur
Aufbewahrung geben kann ohne vorher nachgezählt zu haben, wie viel drin ist. Das
sind die Menschen, "für die man die Hand in's Feuer legen würde." Ich brauche
solche Menschen, sonst könnte ich mit Ihnen nicht eng zusammenleben.
Ich
sehe auch, dass kein Mensch vollkommen ist und dass jeder schwach werden kann
(deshalb beten die Christen: "und führe uns nicht in Versuchung").
Aber
wenn Du den weitsichtigen Egoismus als Alternative zum moralischen Handeln
propagierst, dann geht es nicht um menschliche Schwächen, sondern dann lebe ich
mit Menschen zusammen, für die ich nur solange tauge, wie ich Ihnen nützlich
sein kann, die meine Interessen nur so lange berücksichtigen, wie es ihren
Interessen entspricht. Das heißt: Das gegenseitige Misstrauen gehört zur
Grundlage unserer Gemeinsamkeit,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
31. Aug. 2006, 09:44 Uhr
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Das moralische Gesetz scheint hier kein Thema zu sein. Warum spricht Kant von
einem Gesetz? Und warum "in mir"? Weil es unausweichlich ist und das ignorieren
dieses Gesetzes Konsequenzen haben muss, sonst wär es keins. Also nochmals die
Frage. Was könnte damit konkret gemeint sein?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 31. Aug. 2006, 09:58 Uhr
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Hallo Wolfgang und Eberhard!
Mir scheint, dass der Ausdruck
"Egozentrik" etwas überstrapaziert wird, wenn er auch eine Rücksicht auf das
Gemeinwohl integrieren soll. Denn die Perspektive des Gemeinwohls ("Was ist gut
für alle?") ist der egozentrischen ("Was ist gut für mich, unabhängig davon, was
gut für die anderen ist") doch entgegengesetzt.
Wolfgangs
"weitsichtiger" Egozentriker hat einen Lernprozess durchgemacht, in dem er
seinen ursprünglich desinteressierten, gegen die Interessen anderer
abgeblendeten "Standpunkt" verließ. Seine Motivation mag dabei durchaus
egozentrisch gewesen sein; sein "Bewusstsein" ist es nach dem Sinneswandel nicht
mehr. Denn er kann nun sein eigenes Bestreben und Handeln auch aus der
Perspektive der anderen kritisch beurteilen - er hat eine "soziale" Perspektive
"internalisiert".
Wenn er sich nach diesem Lernprozess immer noch im vollen
Brustton "Egozentriker" nennt, unterliegt er m.E. einem Selbstmissverständnis.
Oder er gebraucht einen überstrapzierten, also unklaren Begriff.
Was Eberhards "Vertrauen" in andere angeht: Dieses Vertrauen halte ich auch
für grundlegend im Umgang der Menschen miteinander - sowohl im privaten wie im
öffentlichen. Aber ich möchte bezweifeln, dass es sich allein rational erklärt.
Um es pointiert zu sagen: Ich vertraue jemandem nicht, weil ich erkenne, dass er
nur solche Normen befolgt, deren Begründung allgemein konsensfähig wäre.
Und so sind auch Normen, die nach Eberhards Sprachgebrauch "dogmatisch"
genannt werden müssten, nicht per se "irrational". Um es allgemein zu sagen:
Angesichts der sozialen Wirklichkeit, in der Normen eigentlich gar nicht anders
"existieren" als in den Handlungen und Handlungsweisen von Menschen, scheint es
mir überzogen, die Geltung von Normen "rein rational" begründen zu wollen.
Wolfgangs "Egozentrik" und Eberhards "Rationalismus" erscheinen mir je auf
ihre Weise als theoretische Konstruktionen, die beide nicht geeignet sind, die
ethische Wirklichkeit (und die Geltung von Normen) verständlich zu machen.
Grüß Euch,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 10:10 Uhr
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Hallo,
erst mal muss ich einen interessanten Lesefehler aufklären:
Abrazo
befürchtete bei mir eine eurozentrische Sichtweise, nicht eine
egozentrische.(#104)
Ich musste seine Befürchtung, weil ich ja bei der
Wahrheit bleiben möchte, bestätigen und fügte hinzu, dass sich nach meiner
Analyse diese eurozentrische Sichtweise ausbreiten wird.
„... ich halte diese
Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner Evolutionstheorie
(Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der genetischen
Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich naturgesetzlich
ausbreiten wird.“ (#105)
Wolfgang Horn (#106) fragt nun „wieso ausbreiten
wird?“ und Eberhard: „Kann Deine Theorie den Gang der Geschichte vorhersagen?
Ist dies eine Bewegung zum Besseren?“
Mit meiner Evolutionstheorie meine
ich die Sichtweise, dass sich die biologische Evolution in der Evolution des
Geistes fortsetzt, dass also der wissenschaftliche Fortschritt eine Fortsetzung
der Evolution (im Sinne der Biologie) nach analogen Regeln ist. Die
Überproduktion von Nachkommen setzt sich in der Überproduktion
wissenschaftlicher Hypothesen fort und das Experiment, das die eine Theorie
falsifiziert und die andere verifiziert, ist das Analogon zur „Selektion“.
Dahinter steht meine Idee, dass beides ein Vorgang ist, durch den sich Daten
ausbreiten und die Welt immer präziser abbilden (zunächst genetisch gespeicherte
Daten, nunmehr geistige Daten).
@Eberhard: ob dies eine Bewegung zum Besseren
ist und ich die Geschichte vorhersagen kann, ist ganz allgemein eine Frage an
jegliche Evolutionstheorie. Besser und Schlechter macht sich immer an einem
Bezugspunkt fest und mit geht es nicht um (Moral) Bewertung, sondern um die
Frage, in welcher Weise sich die Daten, die sich dort ausbreiten, verändern.
Da sehe ich beispielsweise die Veränderung, dass es sich anfangs um
Handlungsprogramme handelt (z.B. angeborene Auslösemechanismen), dass die
Entwicklung jedoch zu zielprogrammiertem Verhalten geht: das Programm legt nur
noch das Ziel fest (Sollwerte) und überlässt es dem lebenden System, mittels
eines Hirns den besten Weg zur Erreichung dieses Ziels zu finden (das ist unsere
Freiheit).
Was mich daran fasziniert ist, dass derartige Programme insgesamt
viel einfacher sind, in meinen Augen lassen sie sich auf 2 reduzieren, nämlich
auf das Programm Selbsterhaltung und das Programm Selbstentfaltung (im Tierreich
sind es hingegen viele unterschiedliche Programme, die bestimmte Handlungen zur
Erreichung dieser Ziele genau festlegen).
Da ich nun aber nicht nur
wissenschaftlich denke, sondern auch Gefühle habe, muss ich gestehen, dass ich
diese Entwicklung für einen Fortschritt halte, für einen Weg hin zum Besseren,
weil Einfacheren.
Dieser evolutionäre Fortschritt betrifft nun allerdings
keine Art und keine menschliche Rasse (das zu abrazos Hinweis auf die
Rassenideologie der Nazis, die ja Rassenreinheit wollten, was der Evolution
widerspricht: diese will Durchmischung), sondern
Individuen.
Das
menschliche Individuum zeigt jeweils in seinem Verhalten Hinweise auf eine mehr
oder weniger fortgeschrittene Evolution und macht sich im Schnitt immer
unabhängiger von den Einflüssen der Systeme höherer Ordnung, in denen es lebt
(Staat, Religionsgemeinschaft).
Ein Kriterium dafür ist beispielsweise die
Kinderzahl: Zeugung biologischer Nachkommen ist ein genetisch gesteuertes
Verhalten zur Evolution genetisch gespeicherter Daten. Wissenschaftliche
Tätigkeit hingegen fördert die Evolution des Geistes.
Gemessen an dieser
für mich sichtbaren Entwicklungstendenz kann ich sagen: der europäische Mensch
ist in seiner Evolution im Durchschnitt weiter fortgeschritten als der
vorderasiatische Mensch.
Und weil sich das Fortschrittliche stets
durchsetzt, meine ich, dass die Evolution der Gene von der Evolution des Geistes
weiter abgelöst werden wird, und für Eberhard eine Prognose:
Auf längere
Sicht wird die Anzahl der Menschen auf dem System Erde sinken.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
31. Aug. 2006, 10:19 Uhr
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Hi,
trotz Übereinstimmung im Großen und Ganzen mit Urs' Aussagen, in
diesem Punkt möchte ich eine Korrektur anbringen:
Denn er kann nun sein
eigenes Bestreben und Handeln auch aus der Perspektive der anderen kritisch
beurteilen - er hat eine "soziale" Perspektive "internalisiert".
An
'andere zu denken' heißt noch lange nicht, die Dinge auch aus der Perspektive
des anderen zu betrachten bzw. sich um eine solche zu bemühen. Kennzeichnend für
den Egozentriker ist doch, dass er eine andere Perspektive als die seine
entweder ausschließt oder als minderwertig und deswegen vernachlässigenswert
betrachtet.
Ganz schlichtes Beispiel: der Egozentriker beschallt sein
Wohnhaus mit Heavy Metal. Er denkt an die anderen - die sollen diese Musik auch
genießen, ohne sich CD's und Lautsprecher für teures Geld kaufen zu müssen. Dass
darunter Leute sind, die keine laute Fremdmusik, schon gar nicht Heavy Metal
ausstehen können, kommt ihm entweder nicht in den Sinn - oder er hält sie für
vernachlässigenswerte Unkundige.
Tatsächlich wird unsere Gesellschaft von
Egozentrikern erheblich belästigt. Allein schon die Werber z.B., die uns über
alle Medienkanäle bombardieren, müssten, wären sie keine Egozentriker, erkennen,
wie sehr sie uns belästigen.
Egozentrisch auch G.B. in seiner Erwartung,
die Iraker müssten die US-Truppen freudig begrüßen; dass denen andere Dinge
wertvoll sind als ihm und seiner Gesellschaft, war offenbar außerhalb seines
Vorstellungsvermögens und ist es wohl noch immer - sonst würde man nicht vom
Bösen sprechen, wenn Leute etwas einfach nur anders sehen.
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 10:25 Uhr
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Hey Abrazo: wieso Egozentrik??
Was soll die Themenabweichung?
Du hast mich
doch selbst der Eurozentrik bezichtigt. Darüber diskutieren wir. Lies doch erst
mal meinen Beitrag 116.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 31. Aug. 2006, 11:00 Uhr
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Hallo Mondial,
du fragst nach dem moralischen Gesetz, das Kant in sich
fühlte?
Für Gesetze gilt.
1. Sie lassen sich nachweisen und gelten
unter allen Umständen (Naturgesetze, Gesetze der Logik)
2. Sie werden
erlassen und von einer entsprechende Macht durchgesetzt (Rechts-Gesetze).
Kants moralisches Gesetz gehört zu keinem der genannten Fälle, es existierte
nur in seiner Vorstellung.
Für alles was mit Moral zu tun hat, gilt
ausschließlich Fall Nr. 2. Und da haben sich die Mächte seit Kant grundlegend
geändert.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
31. Aug. 2006, 11:26 Uhr
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Eine interessante Theorie doc.Ich weiss zwar nicht wo jetzt der direkte Bezug
zur Fragestellung des Threads gefunden werden soll, aber ich geb mal trotzdem
meine 2 Cents dazu. Ich pflichte dir bezüglich deines Postulates einer geistigen
(durch den Menschen initierten) Evolution bei. Die von dir genannten Systeme wie
Staat, Religion etc. sind allerdings durchaus als Individuen zu verstehen. Sie
treten als Einheit auf. Ich meine dein Verständnis von (evolutionär
vorangetriebener) Durchmischung kann man noch von andere Seite betrachten. Die
Natur macht keine Versuche, sie präsentiert immer ein fertiges Endprodukt. Als
sichtbaren Beweis möchte ich die Einzigartigkeit des menschlichen Fingerprints
und andere Merkmale anführen. Man kann das aus menschlicher Sicht als Variation
ansehen, tatsächlich so meine Überlegung ist es immer ein fertiges Produkt. Das
Individuum ist immer ein vollständig beendetes Projekt der Natur und vergeht als
solches. Der Versuch ist immer definitiv und gültig, von dieser Warte her
eigentlich gar nicht Versuch zu nennen. Der menschliche Versuch und hier meine
ich kann man von Versuch sprechen, besteht darin die Natur zu manipulieren um
erwünschte Ergebnisse zu erzielen (Genforschung.) Der Geist will die Natur, wozu
selbstredend auch seine eigene gehört vollständig vereinnahmen. Eine Diktatur
des Geistes ist zu befürchten. Um zum Thema zurück zu kommen, ist die
Genforschung, Forschung überhaupt nun jeglicher moralischer Gesetzmässigkeit
enthoben? Kann sie sich ungestraft an sich sich selbst vergehen? Ich bin
natürlich vollkommen überzeugt das dies nicht geht.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
31. Aug. 2006, 11:38 Uhr
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on 08/31/06 um 11:00:09, Hanspeter wrote:Hallo Mondial,
du fragst
nach dem moralischen Gesetz, das Kant in sich fühlte?
Für Gesetze gilt.
1. Sie lassen sich nachweisen und gelten unter allen Umständen (Naturgesetze,
Gesetze der Logik)
2. Sie werden erlassen und von einer entsprechende Macht
durchgesetzt (Rechts-Gesetze).
Kants moralisches Gesetz gehört zu keinem
der genannten Fälle, es existierte nur in seiner Vorstellung.
Für alles
was mit Moral zu tun hat, gilt ausschließlich Fall Nr. 2. Und da haben sich die
Mächte seit Kant grundlegend geändert.
Gruß HP
Hallo
Hanspeter,
also ich habe als erstes eine frohe Botschaft für dich. Nicht
nur das Genie Kant konnte das moralische Gesetzt in sich finden. Jeder kann es.
;-)
Zu deinem Punkt eins. Du hast vollkommen recht. Naturgesetze und
logische Gesetze lassen sich nachweisen. Und wie sollte es bei einem moralischen
Gesetz anders sein? Ursache, Wirkung.
Zum Punkt zwei. Gut das du und
nicht ich das gesagt habe. Sonst wäre ich sicher wieder in die esoterische Ecke
gedrängt worden. ;-)
Ich glaube du greifst da in deiner Schlussüberlegung
mit deiner Logik etwas zu kurz. Das Gesetz ist in mir und nicht von aussen
aufdoktriert. Es garantiert mir mich als freier Mensch meinen Möglichkeiten nach
zu entfalten.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 12:45 Uhr
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Hallo mondial,
(mit deiner Frage, warum hier? hast du recht, aber warum fragt
mich sowas keiner im thread: Fragen zur Philosophie lebender Systeme)
Ich
sehe einiges anders als Du:
Du: „Der menschliche Versuch und hier meine ich
kann man von Versuch sprechen, besteht darin die Natur zu manipulieren um
erwünschte Ergebnisse zu erzielen (Genforschung.)
Der Geist will die Natur,
wozu selbstredend auch seine eigene gehört vollständig vereinnahmen.
Eine
Diktatur des Geistes ist zu befürchten.“
Aus meiner Sicht der Evolution
stellt sich das anders dar:
Da die Evolution des Geistes die Fortsetzung der
Datenausbreitung mit anderen Mitteln darstellt, gehorcht sie den gleichen
Regeln: Überproduktion von Ideen (geistigen Kindern) und Selektion, ich sage:
Verifizierung der Wahreren.
Die zwei Zielvorgaben sind: Überleben
(Selbsterhaltung) und Ausbreitung (Selbstentfaltung).
Was nun die
Entwicklung genetisch gespeicherter Handlungsprogramme (beim Menschen bereits
überwiegend zielorientiert) betrifft, so ist diese ja durch die
wissenschaftliche Entwicklung (=Evolution des Geistes) überflüssig.
Das
bedeutet:
Es wäre in Anbetracht dieser Entwicklung falsch (bzw., um mit
Eberhard zu sprechen: unmoralisch), durch Manipulation des menschlichen Erbguts
an seinen Eigenschaften oder Fähigkeiten herumzumanipulieren. Denn eine
Verbesserung der menschlichen Gene wird für die allgemeine Evolution nicht
benötigt.
Positiv gesagt: die allgemeine Evolution zielt nicht in
Richtung Verbesserung von Körperorganen. Diesbezüglich ist beim Menschen das
Optimum erreicht: seine Fähigkeiten erlauben ihm sogar eine hirnexterne
Datenspeicherung, damit Wissenschaft und damit den Bau körperexterner Organe.
Es müssen nicht mehr durch genetische Veränderungen irgendwelche Organe
verbessert oder hinzuerfunden werden, weil es das Großhirn gestattet, Organe zu
bauen, die den Vorteil haben, nicht mehr mit herumgetragen zu werden zu müssen:
das Auto als körperexterne Ergänzung der Beine, das nur bei Bedarf benutzt wird,
ebenso der Computer als Ergänzung zum Gedächtnisteil des Hirn. Der Mensch hat
sich sogar Organe geschaffen, die viele Individuen gemeinsam nutzen, wie
beispielweise das Flugzeug als körperexterner Flügel usw. usw.
Für unsere
Zwecke benötigt nicht jeder seine eigenen Flügel, vielleicht einige Manager.
Die technische Entwicklung ist also die Fortsetzung der genetischen
Anstrengungen, Organe zu optimieren.
Genetische Forschung zur Verbesserung
der Regenerationsfähigkeit menschlicher Körperorgane bzw. zu medizinischen
Zwecken ist etwas anderes.
Auf der anderen Seite:
die derzeitigen
„unmoralischen“ Handlungen der Menschen - nämlich die Kriege und die Vernichtung
von Mitmenschen - sind Aktionen, die der Entwicklung der genetisch gespeicherten
Handlungsprogramme dienen, sie regen einerseits die Nutzung wissenschaftlicher
Forschungsergebnisse zur Verbesserung der Waffentechnik an und dienen
andererseits der Selektion.
Auch diese, nämlich die Staaten, die Soldaten,
die Waffen und die Kriege, werden nicht mehr benötigt, weil ja unsere
wissenschaftliche und technische Entwicklung die Verbesserung der Gene
überflüssig gemacht hat.
Der Geist will die Natur nicht vereinnahmen,
sondern er ist von der Natur geschaffen, sein Denken gehorcht den Regeln der
Natur und sein Ziel ist lediglich seinen Trägern (nämlich den menschlichen
Individuen) das Leben, nämlich das Überleben und das sich Entfalten (z.B. durch
Genussoptimierung) zu erleichtern.
Der Missbrauch der wissenschaftlichen
Ideen, die „unmoralischen“ Handlungen sind lediglich Folge des Einflusses
unserer steinzeitlichen genetisch gespeicherten Handlungsprogramme.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 31.
Aug. 2006, 13:24 Uhr
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Hallo miteinander,
Hallo Eberhard
Ich möchte meinen Vorwurf des
Kategorienfehlers doch noch ein bisschen verteidigen. Eberhard schreibt:
Quote:Ich denke, der Einwand des "Kategorienfehlers" gegen die Verwendung der
Wörter "richtig / falsch" für die Antworten auf moralische Fragen ist
ausgeräumt, denn wie bereits gezeigt, sind moralische Urteile mit einem Anspruch
auf Geltung verbunden.
Der Anspruch auf Geltung bedeutet noch nicht,
dass ein solcher berechtigt ist. Wenn z.B. zwei Gourmets darüber streiten, ob
ein bestimmtes Gericht gut gelungen ist, oder nicht, ist deren Diskussion nur
dann sinnvoll, wenn sie sich auf gemeinsame Kriterien geeinigt haben, nach denen
qualifiziert wird. Und selbst wenn sie untereinander Konsens gefunden haben ist
natürlich ein universeller Geltungsanspruch ihres Geschmacksurteils nicht
gefunden.
Bei der Frage Eberhards:
Quote:Wie lässt sich dieser
allgemeine Geltungsanspruch durch intersubjektiv nachvollziehbare und
übernehmbare, also einsichtige Argumente begründen?
möchte ich also
noch offen lassen, ob ein solcher Geltungsanspruch durch Argumente überhaupt
möglich ist.
Ich gehe mal auf Eberhards Beispiel ein:
Quote:In
der Diskussion zur Formulierung eines allgemeinen Willens kann von jedem
Diskussionsteilnehmer verlangt werden, dass er nur solche Normen vorschlägt, die
allgemein akzeptabel sind. Wenn jemand also eine Norm als "richtig" behauptet,
so muss er annehmen, dass die andern Beteiligten dieser Norm ebenfalls zustimmen
können.
Deshalb muss er sich auch die Frage stellen lassen, ob er selber
dieser Norm auch dann noch zustimmen würde, wenn er in der Position eines der
anderen Beteiligten wäre.
Dazu ein Beispiel: Wenn jemand die Forschung
an menschlichen Stammzellen verurteilt, so muss er zu diesem Verbot auch dann
noch stehen, wenn er selber z. B. die Alzheimersche Krankheit bekäme. Ist er
damit nicht einverstanden, so gibt er damit implizit das Ziel auf, nach
allgemein konsensfähigen Normen zu suchen.
Mein Kritikpunkt (ich
glaube Hanspeter ist auch schon darauf eingegangen) ist, dass die Forderung
ihrerseits Wertmaßstäbe beinhaltet:
1.) Jedes Individuum ist gleich
wertvoll, wie das andere.
2.) Ein Wertmaßstab kann nur dann richtig sein,
wenn darüber theoretisch Konsens erzielt
kann.
Ein Alzheimer-Kranker
kann aber argumentieren, dass er zu einer Gruppe Menschen gehört, die aus seiner
Sicht wertvoller ist, als andere. Während im allgemeinen das Recht ungeborener
Menschen als höher zu bewerten sei, als die Heilung gewöhnlicher Sterblicher,
müsse für eine Gruppe X eine Ausnahme gemacht werden, und er gehöre dazu. Diese
Gruppe zeichnet sich z.B. durch besonders hohe geisteswissenschaftliche Bildung
aus – er könne Latein, Griechisch und Althebräisch. Dieses Wissen trägt seinen
Wert in sich und es ist für ihn vollkommen evident, dass jemand mit dieser
Bildung wertvoller sei, als andere. Ein Nutzen für die Allgemeinheit sei
irrelevant. Angenommen, er kann diesen Bildungsgrad nachweisen, dann hört die
Diskussion an diesem Punkt auf, sie ist bei einer Letztbegründung angelangt, die
entweder akzeptiert werden kann, oder nicht.
Aus meiner Sicht ist dies
das Kernproblem bei moralischen Fragestellungen. Wenn ich jemandem sage, er
solle soundso handeln, kann er mich zurecht nach dem Warum fragen. Und jede
meiner Antworten – denn sie entbehrt ja zwangsläufig des Rückgriffes auf
irgendeine eine objektiv entscheidbare Tatsache – kann wiederum nach dem Warum
hinterfragt werden, bis ich bei einer Letztbegründung angelangt bin. Diese kann
aber ihrerseits entweder akzeptiert werden, oder nicht.
Beispiel:
A:
Du sollst nicht stehlen!
B: Warum?
A: Es schädigt das Opfer!
B: Warum
ist sein Schaden höher zu bewerten als mein Nutzen?
A: Es geht nicht darum,
sondern du müsstest dann auch akzeptieren, dass man dich bestiehlt.
B: Warum?
....etc. ad infinitum oder bis zu einer Letztbegründung die sowohl A als auch B
akzeptieren.
Ich halte deswegen jede Diskussion, in der man gewisse
Handlungen als richtig oder falsch beurteilt nur dann für sinnvoll, wenn man
sich über gewisse Grundwerte (Die ich als Axiome bezeichnet hatte) geeinigt hat
und man die Spielregeln einhält, dass Handlungen, welche diese Grundwerte
verletzen als falsch und diejenigen, die es nicht tun als richtig oder moralisch
neutral bezeichnet. Die von Eberhard gesetzten Grundwerte können als
Ausgangsbasis dienen. Man sollte sich nur darüber im klaren sein, dass sie zwar
einen sehr weiten Rahmen bilden, aber keinen Anspruch auf Universalität haben.
Der Vorschlag von Eberhard:
Quote:Wir sollen das tun, was wir
alle gemeinsam dauerhaft wollen."
Oder als methodisches Prinzip
formuliert:
"Suche nach Normen, von denen alle gemeinsam am ehesten
dauerhaft wollen können, dass sie von allen befolgt werden"
verabschiedet sich aus meiner Sicht ohnehin von einem Moralsystem, das
universelle Gültigkeit beansprucht und sucht nach einem, das von allen Menschen
akzeptiert werden kann.
Ich habe nur die Befürchtung, dass die Menge der
von allen akzeptierbaren Regeln eine leere Menge sein wird. Der Hauptgrund dafür
basiert auf der von Eberhard genannten Tatsache, dass die unterschiedlichen
Moralregeln großteils auf unterschiedlichsten inkompatiblen Weltbildern beruhen,
die als Glaubenssysteme gegen jede Kritik immunisiert sind.
Denn:
Quote:Für die Diskussion um die richtige Beantwortung moralischer Fragen heißt
dies, dass nur solche deskriptiven Aussagen zählen können, über die ein
intersubjektiver Konsens durch nachvollziehbare Argumente und übereinstimmende
Beobachtungen herstellbar ist.
Diese Forderung ist sehr vernünftig,
schließt aber die Unzahl Gläubiger – ich befürchte sogar, die Mehrheit aller
Menschen – aus der Diskussion aus.
Jetzt aber ein positiver Beitrag für
das Programm zur Suche nach einem konsensfähigen moralischen Regelsystem. Jeder
Mensch will glücklich sein. Basisaxiome für moralisches Handeln könnten also
sein:
A) „Der Mensch soll danach streben mit seinen Handlungen das
größtmögliche Glück für eine größtmögliche Menge von Menschen zu fördern.
Diejenige Handlung ist moralisch neutral, die das Glück der Menschen nicht
tangiert. Handlungen, die das Glück der Menschen verringern, sind moralisch
schlecht.“
B) (Eberhard implizit) „Jeder Mensch ist gleich wertvoll, sein
Glück wiegt nicht mehr oder weniger
als das anderer“
C) (Eberhard
explizit) „Intersubjektiv nicht überprüfbare Weltbilder können nicht
berücksichtigt werden“. Beispiel: Das Verbrennen einer Hexe, um ihre Seele zu
läutern und ihr die ewige Glückseligkeit zu verschaffen ist moralisch schlecht,
solange die Existenz einer unsterblichen Seele, die dadurch im Himmel glücklich
wird, nicht intersubjektiv nachweisbar ist.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
31. Aug. 2006, 13:28 Uhr
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hallo zusammen,
"Jetzt aber ein positiver Beitrag für das Programm
zur Suche nach einem konsensfähigen moralischen Regelsystem. Jeder Mensch will
glücklich sein."
ist glück nicht das gegenteil von pech, also
etwas kontingentes?
wenn nicht, was ist es dann?
viele
grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
31. Aug. 2006, 13:50 Uhr
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Hallo doc,
Zitat:
"Denn eine Verbesserung der menschlichen Gene wird
für die allgemeine Evolution nicht benötigt."
Und:
"Der Geist will die
Natur nicht vereinnahmen, sondern er ist von der Natur geschaffen, sein Denken
gehorcht den Regeln der Natur ..."
Was, wenn nun das Programm
Genmanipulation zur Verbesserung der Physis um den damit verquickten Geist in
deinem Sinne effizienter zu gestalten von der Natur dem Geist zur
Selbstverbesserung aufgegeben ist, zBsp. um "steinzeitliche Programme" auf
Hardware-Ebene zu tilgen? (Das wäre ja in deinem Sinne konsequent gedacht.)
Gerät deine Theorie dadurch nicht in Konflikt mit seinem 'moralischen' Anspruch.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 14:09 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: Deine im Telegrammstil gehaltenen Sätze
Ich
bekenne mich halt zur Denk- und Schreibfaulheit - wie kann ich das, was ich dem
Leser mitteilen will, mit einem Minimum an Worten und Mühen für ihn und mich
rüberbringen?
Das ist die Gegenbewegung seit meiner Vorliebe zu meiner
Abiturzeit, alles möglichst geschachtelt auszudrücken.
Macht Dir dieser
knappe Stil Schwierigkeiten?
Zur Sache.
Du: ..richtig verstehe, dann
kann man niemandem vertrauen außer sich selbst.
Manche Personen halten
"Vertrauen" für eine Primärtugend. Da wird sogar gefordert "vertrauen sie mir".
Gleichzeitig erleben wir heute in der Wirtschaft tiefste Klüfte zwischen
Mitarbeitern und ihrem Vorgesetzten. Also alles andere als Vertrauen, sondern
Mißtrauen, Gegeneinander, Minderproduktivität, Verluste von Kapital und
Arbeitsplätzen.
Die Phänoene rund um das, was wir Vertrauen nennen,
lassen sich mit Prozessen leichter erklären, mit weniger Unbekannten, und nach
Ockham ist diese Erklärung daher als eher wahr einzuschätzen.
[Betriebsart Scharfdenken on]
Die Bezeichnung "Vertrauen" ist eine
nützliche, letztlich aber überflüssige Bezeichnung. Sie läßt sich als
Nominalisierung verstehen von "ich fühle Vertrauen in meine Mutter".
Im Leben
wird mit weniger Blessuren vorankommen, wer "Vertrauen" als "Berechenbarkeit"
versteht.
Vorausgesetzt, er ist in sich eins, er ist innerlich weitgehend
frei von Konflikten, insbesondere von Konflikten zwischen seiner Intuition
(=nichtbegriffliches, sinnesnahes Denken) und seinem Intellekt (begriffliches,
logisches Denken).
Als die Menschen in der Entwicklung der Menschheit
noch nicht begrifflich reden und denken konnten, da mußten sie dennoch treffend
entscheiden, vor wem sie sich besser verstecken und wem sie besser folgen.
Solche vorbegrifflichen Entscheidungen muß das Gehirn sich ja irgendwie
selbst mitteilen, und das Gefühl "Vertrauen" scheint mir dazu geeignet.
Das Gefühl "Vertrauen" entsteht nicht zufällig. Auch nicht aufgrund
begrifflicher, logischer Überlegungen. Sondern da muß ein Entscheitungsprozeß
angeboren sein.
Dieser angeborene Entscheidungsprozeß muß simpel sein. Die
Sinneserfahrungen, auf denen er beruht, müssen ebenfalls simpel sein, nämlich so
simpel, wie die Gehirne unserer ältesten Urahnen winzig waren.
Zu diesen
Merkmalen zähle ich:
* Körperbau und Gesichtsform. Knuddelteddys sind uns
sympathischer als Wolfsfiguren mit gefletschten Zähnen oder lauerndem Blick.
Anwendung: Bitte einen Notar, das Sinnbild für Vertrauen, sich leicht nach
Mephistopheles schminken zu lassen. Miß dann, wieviele Erstkunden nach dem
Erstgespräch seine Dienste in Anspruch nehmen und wievele lieber zum Kollegen
gehen.
*der Nichtangriff. Wenn das Baby bemerkt, daß den starken Armen mit
dem spezifischen Geruch keine Reißzähne folgen, dann wäre das schon erster Grund
für Entspannung.
* Zeichen der Liebe und Fürsorge: Wenn es statt Reißzähnen
Streicheln und Herzen erfährt, dannn ist das ein weiterer Grund, sich wohl zu
fühlen.
* Harmonie der Personen. Wir erleben sie, wenn wir ein Kind in den
Armen wiegen und es sich wiegen läßt. Später, wenn wir singen, und es singt mit.
Wir erleben die Harmonie nicht, wenn wir es wiegen wollen und es zu strampeln
beginnt. Wir können einem Duo im Biergarten auf Sichtweite ansehen, ob die sich
eher verstehen oder eher nicht. An der Harmonie ihrer Bewegungen.
*
Nahrungsopfer. Wer uns Nahrung wegnimmt, den empfinden wir sofort als Feind. Wer
uns aber nährt, der tut uns wohl.
* Stimmigkeit, Widerspruchsfreiheit. Das,
was die Person sagt, erscheint frei von Widersprüchen. Sie tut auch das, was sie
gesagt hat.
* Verständnis der Absichten. Beim Notar wissen wir: Er will die
Zukunft seines Einkommens und nicht in den Knast. Er ist vereidigt, Vertöße
gegen seine Pflichten als Notar bringen ihn in den Knast. So teuer diese
Verstöße gegen den Vorteil, den er gewinnen könnte, wenn er die Hypothek auf das
falsche Grundstück ausstellt, so sorgfältig wird er sein.
Diese Zeichen
empfinden wir durch angeborene Prozesse der Wahrnehmung und des Urteils, und
das, was uns angeboren ist, hat unsere Menschheit sehr erfolgreich gemacht.
Gelegentlich müssen wir uns gegen besonders erfolgreiche Verkäufer und
Demagogen wehren, die diese Zeichen des Vertrauens sehr geschickt vortäuschen.
Dann ist unser Intellekt gefragt, der das Auto der Drückerkolonne in der
Nebenstraße in Verbindung bringt mit dem unschuldig aussehenden Aboverkäufer in
der Tür.
Du: Ich kenne allerdings einige Menschen, denen ich meine
gefüllte Brieftasche zur Aufbewahrung geben kann ohne vorher nachgezählt zu
haben, wie viel drin ist. Das sind die Menschen, "für die man die Hand in's
Feuer legen würde." Ich brauche solche Menschen, sonst könnte ich mit Ihnen
nicht eng zusammenleben.
Das macht die Brisanz der Millionendollar-Frage
aus. Der Milliardär auf dem Polterabend zur Braut eines anderen: "Wenn ihnen 1
Million biete, würden sie mir das Recht der ersten Nacht gewähren?"
Ziemlicher Schlag für den Bräutigam, nicht wahr?
Du: Aber wenn Du den
weitsichtigen Egoismus als Alternative zum moralischen Handeln propagierst, dann
geht es nicht um menschliche Schwächen, sondern dann lebe ich mit Menschen
zusammen, für die ich nur solange tauge, wie ich Ihnen nützlich sein kann, die
meine Interessen nur so lange berücksichtigen, wie es ihren Interessen
entspricht.
Und das wäre klar noch zu wenig, dann würde der Staat Kosten
sparen und Greisen ohne Verwandte einen seligen Tod spendieren und sie in der
Abdeckerei entsorgen.
Meinen "weitsichtigen Egoismus" zeitlich nur auf
das Ende der Transaktionen von Person A mit Person B zu beschränken ist zu noch
kurz gedacht.
Die Weitsicht, die ich meine, die endet erst am eigenen
Grabstein.
Ob mein zukünftiger Weg eine Autobahn ist oder ein Labyrinth mit
Geröll, Dschungel, Schlingpflanzen, das programmiere ich heute schon mit meinem
Verhalten, indem mein Verhalten die Saat ist, deren Ernte mein Ruf ist.
Die
Qualität meines Rufes hängt von meinen weitreichenden Absichten ab, meiner
Weitsicht und meiner Konsequenz.
Das Verhalten von Person A gegenüber Person
B ist dann kein Einzelkalkül mehr, welches Du völlig zu Recht bemängelst,
sondern ist Ausdruck meines persönlichen Stils.
Wenn wir in unserer
Gemeinschaft bestehen wollen gegen konkurrierende Gemeinschaften, dann arbeiten
wir besser produktiver zusammen.
Im Miteinander und bei gegenseitigem
Vertrauen sind wir deutlich produktiver als ohne.
Gegenseitiges Vertrauen
benötigt Stimmigkeit im Verhalten unserer Gemeinschaft, insbesondere auch dem
Einzelnen gegenüber.
Und genau deshalb wird solch eine Gesellschaft ihre
Senioren in Ehren halten.
[Betriebsart Normaldenken on]
Nu is doch
etwas länger geworden, aber das lag nicht an Gelaber, sondern an der Menge der
Aussagen.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 14:11 Uhr
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Hi mondial,
leider ist durch ein Missverständnis ein Nebendiskussionszweig
über Vertrauen eröffnet worden. Dazu kann ich kurz sagen: Vertrauen haben wir
nie in andere, sondern immer nur in unsere eigene Einschätzung dazu, wie ein
anderer, in den wir angeblich Vertrauen haben, handeln wird. In das
Brutpflegeverhalten können wir natürlich auch deshalb Vertrauen haben, weil das
nun genetisch besonders festgelegt ist.
also mondial,
fürwahr, die
Versuchung wäre groß, durch Genmanipulation aggressive Methoden der
Datenverbreitung "wegzuoperieren", damit diese sich nicht genetisch
weiterverbreiten. Das mit dem Ziel, zukünftige Kriege zu verhindern. Diese
Absicht fände eine gute moralische Begründung.
Was kommt heraus, wenn man
das theoretisch durchdenkt?
Erstens gäbe es technische Schwierigkeiten:
diese Operation müsste bei allen Menschen durchgeführt werden, insbesondere
natürlich bei denen konkurrierender Staaten. Auch aus Kostengründen käme das
nicht in Betracht.
Viel praktischer und billiger wäre eine globale Einigung
über die Geburtenrate.
Aber zum Anderen: Aggressivität ist ja nicht nur
körperlicher Art, sondern auch geistiger Art: die Wissenschaftler handeln im
Grunde sehr aggressiv, besonders die Quantenphysiker: sie zerstören möglichst
gründlich das Atom und seine immer kleineren Bausteine. (den Schrott, den sie
damit produzieren, erklären sie zu den kleinsten Bausteinen der Natur. So ein
Schwachsinn)
Aber abgesehen von diesem Negativbeospiel:
Aggressivität als
solche wird benötigt, z.B. als Konkurenz in Wissenschaft und Technik. Dieses
Konkurrenzprinzip ist ja auch der Motor unseres geistigen Fortschritts.
Deshalb die sich ergebende ("ethische") Forderung: keine Genmanipulation zur
"Verbesserung" des menschlichen Genoms.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
31. Aug. 2006, 17:00 Uhr
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Hallo Wolfgang,
ich gebe zu ich habe Probleme mit dem Telegrammstil a la;
"Kann: Ja. Muß: Nein. Zweifel sind also angebracht."
Was die Inhalte
betrifft, bleibe ich auch nach Deinen längeren Ausführungen dabei, dass ich
gegenüber einem "weitsichtigen Egoisten" auf der Hut sein sollte, auch wenn er
seinen guten Ruf und seinen Stil bis zum Grabstein erhalten will.
Denn
für bestimmte "günstige" Situationen kann ich im Voraus berechnen, dass der
weitsichtige Egoist mein Wohl seinem Wohl opfern wird.
(Ich würde hier
nicht sagen: "Ich vertraue darauf, dass er mein Wohl dem seinigen opfern wird."
'Vertrauen' beinhaltet im Unterschied zur 'Berechenbarkeit' ein wohlwollendes
Verhältnis zu einander)
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 17:57 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: ich gebe zu ich habe Probleme mit dem Telegrammstil a
la;
"Kann: Ja. Muß: Nein. Zweifel sind also angebracht."
Welche
Unklarheiten, wenn sich knapp sagen läßt, was sich auch weitschweifiger erzählen
ließe.
Mit Schwierigkeiten meinte ich "Verständnisschwierigkeiten", also,
ist etwas unklar geblieben?
Du: ...bleibe ich auch nach Deinen längeren
Ausführungen dabei, dass ich gegenüber einem "weitsichtigen Egoisten" auf der
Hut sein sollte
Natürlich. Nach dem Stande meiner Erkenntnisse ist das
vernünftig. Für ein Vertrauen in Person A, das über deren Grabstein hinaus geht,
müßte es einen Anlaß geben.
Solchen finden wir z.B. im Hochadel. Wo der
Einzelne nicht allein in seinem Namen handelt, sondern im Namen seiner Familie,
die noch viele Generationen lang erfolgreich sein will.
Oder wo sich der
Einzelne der irrigen Hoffnung hingibt, nach seinem Tode warte ein Platz im
Paradies auf ihn.
Du: 'Vertrauen' beinhaltet im Unterschied zur
'Berechenbarkeit' ein wohlwollendes Verhältnis zu einander)
Diese Färbung ist
vorhanden, ganz klar.
Und nun: Hast Du einen besseren an junge Leute, wie
sie einerseits flott voran kommen im Miteinander, und andererseits sich hüten
vor "blindem Vertrauen" in ihren Ausbeuter?
@doc_rudi, jetzt noch
zu Deiner Bemerkung Nebendiskussionszweig über Vertrauen eröffnet worden.
Der
Begriff "Vertrauen" kam hinzu, ja.
Ich habe diesen Faden aufgenommen, weil
die Entscheidung der Person A, moralisch und tugendhaft ein Opfer für ihre
Gemeinschaft zu geben, auch von ihrem Vertrauen in die Gemeinschaft abhängt, daß
auch sie sich tugendhaft verhalten werde, daß sie Person A fair beteiligt an
ihren Vorteilen aus solchen Opfern.
Tugendhafte Opfer ohne Vertrauen sind
Torheit.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
31. Aug. 2006, 19:09 Uhr
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Hallo doc,
Dr. Frankenstein hätte seine wahre Freude an solchen Visionen.
Natürlich müsste die Veränderung nicht bei allen Menschen sondern nur bei
Neugeburten stattfinden. Ansonsten scheint mir deine Argumentation hin zum
ethischen Standpunkt schlüssig zu sein. Man könnte das noch ausspinnen aber das
geht mir dann doch zu weit. Vielleicht ein Thema für einen Science-Fiction
Thriller.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mbl am 31.
Aug. 2006, 20:10 Uhr
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Quote:Geberländer versprechen 730 Millionen Euro für Libanon
Erst
jetzt wird das Ausmaß der Zerstörung im Libanon bekannt: 1800 Gebäude und
Hunderte Straßen sind nach Angaben der EU während des Krieges zerstört worden.
Eine Hilfskonferenz in Stockholm sagte großzügige Unterstützung zu. Spiegel
Seltsam. Erst wird alles willkürlich zerstört und dann "hilft" man.
Warum die Zerstörung nicht gleich bleiben lassen?
Aber das ist eben Moral.
Auf beiden Augen blind. (Falls Ihr immer noch nicht wisst, was Moral ist.) ;-)
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
31. Aug. 2006, 20:28 Uhr
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laertes,
das "Regelsystem" ist ja bereits vorhanden. Wie du ganz richtig
feststellst, will jeder Mensch glücklich sein. Verhält er sich so wie es das
moralische Gesetz, welches als Harmoniegesetz verstanden werden kann von ihm
fordert, so bereitet er sich den Weg zum glücklich sein. Es ist innere Pflicht,
Selbstverpflichtung. Verhält er sich nicht danach, so bestraft er im Grunde sich
selbst mit Disharmonie. Vergleichbar mit einem falsch gestimmten Instrument.
So und jetzt harre ich in aller Harmonie darauf, dass mir gleich der
berufene louisquinze seinen Aggro um die Ohren schlägt.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 21:02 Uhr
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Hi mondial,
schade, dass Du angst hast, in die Zukunft zu extrapolieren.
Wer sollte das sonst tun, als die Philosophen? [applause]
Willst Du das
science-fiction Autoren überlassen? [nixweiss]
(die Prognosen von science
fiction werden übrigens immer zutreffender, während Philosophie diesbezüglich
völlig versagt)
@Wolfgang
wie schon gesagt: Vertrauen gibts nur in das
eigene Denken, in die eigenen Überzeugungen, in die eigenen Vorstellungen, in
die eigenen Vermutungen von dem, was der andere tun wird.
@mbl
geplant
sind die Zerstörungen von Menschen, von Genträgern, von Vätern, die Kinder
zeugen könnten, von Überzeugungen und Absichten. Erreicht wird nur das
Gegenteil: die Verstärkung der Aggressivität. Das hat nichts mit Moral zu tun,
sondern mit Dummheit und Schwäche.
Die Kollateralschäden an Häusern und
Infrastruktur schaffen Arbeitsplätze. Hoffentlich bei uns.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 31.
Aug. 2006, 21:15 Uhr
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Hallo Laertes
on 08/31/06 um 13:28:24, laertes wrote:hallo zusammen,
"Jetzt aber ein positiver Beitrag für das Programm zur Suche nach einem
konsensfähigen moralischen Regelsystem. Jeder Mensch will glücklich sein."
ist glück nicht das gegenteil von pech, also etwas kontingentes?
wenn
nicht, was ist es dann?
Ich meine nicht "Glück" das im Gegensatzpaar
Glück-Pech zum Ausdruck kommt, sondern
Glück als Gegenteil zum Unglück. Das,
was Freude macht im Gegensatz zu Trauer.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 21:23 Uhr
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Hi, doc_rudi,
Du: wie schon gesagt: Vertrauen gibts nur in das eigene
Denken, in die eigenen Überzeugungen, in die eigenen Vorstellungen, in die
eigenen Vermutungen von dem, was der andere tun wird.
Und nur, solange Du
lebendes System mit Dir selbst einig bist.
Ein Dr. Jekyll muß mißtrauisch
sein gegenüber seinem Dr. Hyde.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 21:28 Uhr
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hel, was soll das nun fürn moralisches Regelwerk sein, das jeden zum Glück
führt?
Eine Anleitung zum Umgang mit Drogen?
@Wolfgang: umgekehrt auch.
wer aus 2 Systemen besteht, hat natürlich Probleme und sollte die
ungeschlechtliche Vermehrung durch Teilung bemühen. Dann können sich 2 Arten
entwickeln.
Du bist doch doch das beste Beispiel dafür, dass es nur das
Vertrauen in sich selbst gibt - oder vertraust Du irgend jemandem?
Abrazo
vertraut natürlich seinem Hund mehr als jedem Menschen.
(übrigens:
eigentlich gings um egozentrisch statt eurozentrisch)
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter
am 31. Aug. 2006, 21:45 Uhr
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Hallo Mondial,
du schreibst: "Zum Punkt zwei. Gut das du und nicht ich
das gesagt habe. Sonst wäre ich sicher wieder in die esoterische Ecke gedrängt
worden."
Was hat die Durchsetzung des Rechts mit Esoterik zu tun?
Weiter schreibst du über das "Moralische Gesetz": "Das Gesetz ist in mir und
nicht von aussen aufdoktriert. Es garantiert mir mich als freier Mensch meinen
Möglichkeiten nach zu entfalten."
Wen dem so wäre, müssten alle Menschen
das gleich moralische Gesetz in sich haben. Doch das ist offensichtlich nicht
der Fall. Denn sie haben nachweislich nicht dieselbe Moral.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 21:52 Uhr
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haben alle Menschen eine Moral in sich?
woher käme die, Hanspeter?
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 31.
Aug. 2006, 22:25 Uhr
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Hallo doc
on 08/31/06 um 21:28:38, doc_rudi wrote:hel, was soll das nun
fürn moralisches Regelwerk sein, das jeden zum Glück führt?
Eine Anleitung
zum Umgang mit Drogen?
Ich persönlich glaube nicht, daß Drogen
das einzige Mittel zum Glück darstellen. Aber, vorausgesetzt ein Staat sieht
ein, daß er den Drogenkonsum nicht repressiv verhindern kann, ohne durch die
Verletzung der Bürgerlichen Freiheitsrechte quasi auf der anderen Seite Unglück
zu stiften, könnte es moralisch sein, ein staatliches Drogenmonopol zu errichten
und Drogen sauber und günstig abzugeben. Dadurch können mafiöse Strukturen
zerschlagen werden und die Drogensüchtigen können u.U. sozial angepaßt und
glücklich leben.
Ziel: möglichst großes Glück einer größtmöglichen Anzahl von
Individuen.
Der Rest ist purer Utilitarismus. Die Regeln ergeben sich aus der
Erkenntnis, was zum Ziel führt.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2006, 22:35 Uhr
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natürlich sind Drogen nicht der einzige Weg zum Glück.
Aber was macht unser
Staat?
Anstatt gleich Heroin zu verteilen und damit der Drogenmafia den Hahn
abzudrehen, verteilen sie Mathadon über die Ärzte. Ein Mittel, das gar keine
Glücksgefühle macht.
Aber soll Glücksgefühl tatsächlich im Interesse des
Individuums sein? Liegt es nicht vielmehr im Interesse des Systems höherer
Ordnung - um die Individuen ruhig zu stellen?
Galeerensklaven bekamen
Heroin.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 31. Aug. 2006, 23:14 Uhr
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Hallo Abrazo!
Quote:An 'andere zu denken' heißt noch lange nicht,
die Dinge auch aus der Perspektive des anderen zu betrachten bzw. sich um eine
solche zu bemühen. Kennzeichnend für den Egozentriker ist doch, dass er eine
andere Perspektive als die seine entweder ausschließt oder als minderwertig und
deswegen vernachlässigenswert betrachtet.
Nun, Wolfgang sprach
vom "Gemeinwohl", und die Berücksichtigung dessen, was für alle gut ist oder
sein könnte, ist doch unbestritten etwas anderes als
eine ich-zentrierte
Ausblendung anderer als der eigenen Interessen. Ich sehe bei dem, der den
Gesichtspunkt des Gmeinwohls berücksichtigt, jedenfalls einen Lernschritt, eine
"Bewusstseinserweiterung". Es handelt sich dann nicht mehr um Egozentrik im
strikten, asschließlichen Sinne. Und das ist doch unbedingt zu begrüßen - oder?
Umgekehrt ist doch zu fragen, ob das Interesse am eigenen Wohl nicht
sogar eine völlig legitime Motivation ist, wenn sie die Einsicht anbahnt, dass
das eigene Wohl mit dem Gemeinwohl verflochten ist. Eine völlige Preisgabe der
eigenen Interessen - "Selbstlosigkeit" - kann wohl von niemandem
vernünftigerweise verlangt werden.
Ich erinnere mich an eine Diskussion
mit Eberhard, in der er das Gemeinwohl durch die Rückbindung an die Interessen
der Gemeinschaftsmitglieder legitimierte. Und wenn Normen letztlich dadurch
begründet sind, dass sie von allgemein akzeptablen Argumenten gestützt werden,
so verweist auch das darauf, dass die subjektive Einsicht jedes Einzelnen nicht
übergangen werden darf. Die angemessene Berücksichtigung individueller
Interessen und persönlicher Akzeptanz bei allen Betroffenen ist eben das, was
eine rational begründete Norm von einer rücksichtslos diktierten unterscheidet.
Nach meinem Verständnis ist in der Tat das Gemeinwohl nicht auf eine
Summe von Einzelinteressen zurückzuführen - oder durch eine solche Rückführung
zu legitimieren. Ich halte die Vorstellung für irrig, derzufolge Individuen und
ihre ("atomistischen") Interessen die Legitimationsbasis für alle Arten von
Restriktionen bilden, die das gemeinschaftliche Zusammenleben den Individen
auferlegt. Dieser - in sich bereits rechtsförmige - Begründungstyp scheint mir
nur für das Recht zu passen, nicht für die Moral.
Grüße,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
31. Aug. 2006, 23:16 Uhr
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freude und glück würde ich nicht gleichsetzen.
freude ist innere
aktivität, die nach aussen strahlt. kann grundlos sein.
ist stärker als
realität.
glück ist von aussen eingelöste erwartungshaltung, also
reaktion auf eigene vorstellungen. (drogen, strandferiengewinn,
karrieredurchsetzung, erfüllter kinderwunsch, volles bankkonto, sexualleben nach
wunsch, etc.)
all diese dinge garantieren aber noch keine freude.
wie
will man also aus glück eine moral basteln?
und freude kann nicht
vermoralisiert werden - viel zu beweglich.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
01. Sept. 2006, 08:11 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Wolfgang
Du empfiehlst das Handeln gemäß einem
weitsichtigen Eigeninteresse. Ist das die richtige Antwort auf die Frage: Wie
sollen wir handeln?
Ich meine: "Nein". Der Egoismus – auch wenn er
weitsichtig ist – kann keine richtigen Antworten auf die Frage geben: "Wie
sollen wir handeln?"
Ein Beispiel: Ich bin mit einem alleinstehenden
älteren Herrn ohne Anhang befreundet, dem ich manchmal behilflich bin und zu
dessen Wohnung ich auch einen Schlüssel besitze. Er ist vermögend und hat mich
in seinem Testament als Alleinerben eingesetzt. Als ich eines Tages in seine
Wohnung komme, stelle ich fest, dass er verstorben ist. Ich ziehe die Schublade
von seinem Schreibtisch auf, da fällt mir ein handgeschriebenes Testament
neueren Datums in die Hände, in dem nur die eine Hälfte des Vermögens an mich
gehen soll und die andere Hälfte an Greenpeace.
Wie soll ich in dieser
Situation handeln? Ich erinnere mich an das, was bei PhilTalk empfohlen wurde.
Da keinerlei Entdeckung zu befürchten ist, folge ich meinem Eigeninteresse und
verbrenne das Testament.
War es richtig, was ich getan habe? Muss ich
keinerlei Schuldgefühle haben deswegen?
fragt Dich Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
01. Sept. 2006, 09:19 Uhr
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Hallo Hel,
vorweg meine Anerkennung für Deinen Beitrag und die darin
vorgetragenen Kritik an meiner Position. Ich denke, wenn wir in dieser Art
verfahren, sind Erkenntnisfortschritte möglich.
Aber zur Sache:
Kategorienfehler
Macht man einen Kategorienfehler, wenn man nach
"richtigen" Antworten auf moralische Fragen sucht?
Ich meine nein, denn
moralische Urteile werden mit dem Anspruch auf Geltung verbunden und dieser
Anspruch kann argumentativ begründet und bestritten werden (A: "Das hättest Du
nicht tun dürfen!" B: "Aber warum denn nicht?" ….) Es macht Sinn zu fragen: Wer
hat recht? Wessen Urteil ist richtig?
Der Vergleich mit den
Feinschmeckern hinkt. Wenn sich zwei Feinschmecker streiten und A sagt: "Der
Heringssalat schmeckt gut" und B sagt: "Nein, falsch! Der Heringssalat schmeckt
nicht gut", so ist das so etwas wie ein Kategorienfehler, weil die Geschmäcker
verschieden sein können und weil das, was dem einem gut schmeckt, dem andern
noch lange nicht gut schmecken muss. Genauer müssten sie deshalb sagen: "Das
schmeckt mir gut." Dann kann A sagen: "Das schmeckt mir gut" und B kann sagen:
"Das schmeckt mir nicht gut", wobei beide recht haben können.
Dies ist
jedoch bei moralischen Fragen nicht so, und darin unterscheiden sie sich von
Geschmacksfragen. Es ist immer ein Widerspruch wenn A sagt: "Das hättest du
nicht tun dürfen!" und B sagt: "Aber sicherlich durfte ich das tun". Hier kann
nur einer recht haben, und das heißt: Hier geht es um so etwas wie
'Richtigkeit'.
Setze ich implizit die Gleichwertigkeit von Menschen als
normative Prämisse voraus?
Das tue ich nicht. Allerdings kommt durch das
Ziel, zu einem allgemeinen Konsens zu gelangen, insofern eine gewisse
Gleichstellung der Individuen ins Spiel, als es egal ist, wer es ist, der nicht
zustimmt, wenn der Konsens verfehlt wird. Der Konsens wird genauso verfehlt,
wenn A nicht zustimmen kann wie wenn B nicht zustimmen kann. Die Einbeziehung
aller Individuen in dieser Weise wird durch den Anspruch der allgemeinen Geltung
notwendig ("allgemein" <> "alle gemeinsam").
Es ist durch den Ansatz
übrigens keineswegs ausgeschlossen, dass jemand meint, die Erhaltung seines
Lebens sei wichtiger als die Erhaltung des Lebens anderer Personen. Er wird
allerdings Schwierigkeiten haben, diese Position einsichtig zu begründen und auf
argumentative Wege eine Zustimmung aller anderen zu erreichen. Für mich sind
Situationen denkbar, in denen das Leben von Menschen einen unterschiedlichen
Wert hat. So ist bei einer gefährlichen Expedition durch den Dschungel das Leben
des einzigen Ortskundigen besonders wertvoll, weil von seinem Überleben das
Überleben aller anderen abhängt.
Benötigt man gemeinsame Grundwerte, die
nicht weiter begründet werden können?
Im Alltagsleben werden
Meinungsverschiedenheiten über moralische Fragen sicherlich meist in der Weise
beigelegt, dass man versucht, gemeinsame Prämissen zu finden, von denen her sich
ein gemeinsames Urteil ableiten lässt.
Allerdings ist ein solcher Zustand
nicht sehr befriedigend, weil möglicherweise keine gemeinsamen Grundwerte
gefunden werden können.
Das Kriterium, das ich vorgeschlagen habe und das
ich der Kürze halber als "argumentative Konsensfähigkeit" moralischer Urteile
bezeichnen will, ist jedoch kein willkürlich bestimmter Grundwert.
Das
Kriterium der "argumentativen Konsensfähigkeit" ist von besonderer Art. Wenn
jemand die Frage stellt: "Warum soll ich denn meine Position nachvollziehbar
begründen?" dann verlangt er damit eine derartige nachvollziehbare Begründung.
Seine Frage nimmt das bereits in Anspruch, was in der Frage noch offen zu
sein scheint.
Er verlangt Gründe für die Widerlegung seiner These, dass
man keine Gründe verlangen darf.
(Ich gebe zu, diese "transzendentale",
"reflexive" Art zu denken ist gewöhnungsbedürftig und führt leicht zur
Verwirrung.)
Hier ist ein Endpunkt der Warum?-Fragen erreicht, ohne dass
man die logische Deduktion willkürlich abgebrochen hat. Dies ist insofern eine
"Letztbegründung", als es für die Notwendigkeit von Begründungen selber keiner
Begründung mehr bedarf. Denn wer das bestreitet, kann dies wiederum nur mit
Begründungen tun: Bestreiten als Element einer Diskussion ist immer an Gründe
gebunden.
Damit ist allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass jemand auf
das Ganze pfeift und ohne jede Begründung handelt. Das kann man machen, aber
damit hat man sich selber jede Möglichkeit der Argumentation und der Kritik
genommen.
Grüße an Dich und an alle, denen es um Klarheit der Gedanken
und der Argumente geht von
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
01. Sept. 2006, 09:52 Uhr
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Hallo Urs,
willkommen in den ungeschützten Gefilden von PhilTalk, wo
Diskussionen, die auf großes Interesse stoßen, immer in der Gefahr sind, zu
andern Zwecken benutzt zu werden. Aber Dein Name "Urs" bürgt für produktive
Sebstdisziplin im Umgang mit frei zugänglichen Foren wie diesem.
Du
schreibst kritisch zu meiner Position, dass es Dir "überzogen (scheint), die
Geltung von Normen 'rein rational' begründen zu wollen".
Wie kann den
Geltungsanspruch von Normen anders begründen (im Sinne von 'rechtfertigen') als
rational? fragt Dich
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 01. Sept. 2006, 09:57 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: Wie sollen wir handeln?... Testament
In der
Sache hast Du Deine Entscheidung ja schon getroffen und GreanPeace hat sich auch
gefreut.
Meine Antwort Deine Frage, die Du stellvertretend für so viele
in der Menschheitsgeschichte stellst, "Wie sollen wir handeln?": Für mündige
Fragesteller ist die Frage an sich eine falsche Frage.
Ich könnt' auch
sagen: Ein Denkfehler. Und zwar dieser: Wenn Du Dir bewußt bist, daß Du mündig
bist, also selbst verantwortlich für Deine Entscheidungen, dann kommt Dir die
Frage "wie soll ich handeln?" an eine andere Person gar nicht erst in den Sinn.
Deshalb stimme ich vorbehaltlos zu mit: "Nein". Der Egoismus – auch wenn
er weitsichtig ist – kann keine richtigen Antworten auf die Frage geben: "Wie
sollen wir handeln?"
Und ergänze: Nichts und niemand kann das. Kein Buch
kann das. Keine Lehre. Keine Ideologie. Kein Mensch.
Auch die Goldene
Regel nicht, weil viel zu pauschal. Auch nicht das "Liebe Deinen Nächsten wie
auch Dich selbst", denn in Notwehr muß man den Bösen umbringen können, oder das
Böse siegt.
Wer sich die Frage "wie soll ich handeln mit dem Testament?"
selbst stellt, den kann man allerdings unterstützen mit Modellen (wie z.B.
Landkarten für den Routenplaner) und Prozessen (beispielsweise erfordert die
Reiseplanung bestimmte Denkprozesse wie "zielorientiertes Denken".
Bisher
gab es solche Hilfestellung aus der theologisch geprägten Tradition. Als
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor dem Kreuz gemeinsam das Knie beugten und sich
damit zu den kirchlichen Lebensregeln bekannten, da waren die hervorragend
geeignet, das Volk zu einigen.
Diese Regeln haben ihre Legitimation
verloren, sind deswegen aber nicht falsch geworden, sondern das Gebot "Liebe
deinen Nächsten wie auch dich selbst" hat zwar die göttliche Legitimation
verloren, wird bei sachlicher Betrachtung aber zum persönlichen Erfolgsfaktor.
Wir brauchen heute etwas, das für die Menschen von heute geeignet ist, für
mündige Personen, die auch sehr kritisch sind.
Da arbeite ich an einem
naturwissenschaftlichen Modell vom menschlichen Verhalten. Das hat einen
kleinen. aber überaus mächtigen Teil, der angeboren ist und allgemeingültig für
homo sapiens, und einen großen, aber schwachten Teil der Phantasie und des
Individuellen. (Jeder hat seine eigene Vorstellung von seinem Lieblingsessen.
Das ist das Individuelle. Aber kein gesunder auf der Welt trinkt konzentrierte
Schwefelsäure gern - all unser Geschmack bevorzugt das Nahrhafte, das ist das
allgemeingültige.)
Mein Gedanke mit dem weitblickenden Egoismus ist mit
diesem Modell entstanden. Wer weiter denkt, denkt deswegen noch nicht absolut
richtig, aber besser.
Deswegen halte ich mein Modell und den Appell
Mensch! Strebe allein die Realisierung Deiner persönlichen Wünsche an! Meide
alle Mühen, die Du dafür für unnötig hältst! Aber entscheide nicht fahrlässig,
sondern mit Weitblick nach vorn, zu den Seiten und nach hinten. Und Du wirst
erkennen: Deine Ziele erreichst Du im Miteinander leichter!
für den derzeit
besten Appell für mündige Individuen.
Aber ich gern bereit, das mit
ähnlichen, konkurrierenden Appellen zu vergleichen, welcher als Leitlinie ein
Individuums in seiner Gemeinschaft erfolgreicher werden lasse.
Also,
Eberhard, Fazit: Die Fragestellung an sich ist falsch. Nicht kann sie
beantworten. Aber meine Antwort ist die beste. Ätsch:-)
Ciao
Wolfgang
Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
01. Sept. 2006, 10:36 Uhr
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Hallo Wolgang,
das verblüfft mich nun etwas, wenn Du schreibst, dass die
Fragestellung ("Wie sollen wir handeln?") an sich falsch ist und von nichts und
niemand beantwortet werden kann. In der Konsequenz müsstest Du damit ja auf
Sätze wie "Das hättest Du nicht tun sollen!" verzichten.
Ich weiß nicht, wie
ernst Du genommen werden möchtest, wenn Du in einer Zeile schreibst; "Die
Fragestellung an sich ist falsch" und "Aber meine Antwort ist die beste."
Aber Du wirst schon wissen, auf welche Frage Deine Antwort antwortet, meint
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
01. Sept. 2006, 10:44 Uhr
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on 08/31/06 um 21:45:59, Hanspeter wrote:Hallo Mondial,
du schreibst:
"Zum Punkt zwei. Gut das du und nicht ich das gesagt habe. Sonst wäre ich sicher
wieder in die esoterische Ecke gedrängt worden."
Was hat die Durchsetzung des
Rechts mit Esoterik zu tun?
Weiter schreibst du über das "Moralische
Gesetz": "Das Gesetz ist in mir und nicht von aussen aufdoktriert. Es garantiert
mir mich als freier Mensch meinen Möglichkeiten nach zu entfalten."
Wen
dem so wäre, müssten alle Menschen das gleich moralische Gesetz in sich haben.
Doch das ist offensichtlich nicht der Fall. Denn sie haben nachweislich nicht
dieselbe Moral.
@Hanspeter
ein bisschen Vorstellungskraft
brauchts schon in der Philosophie. ;-)
Denk mal an eine Schöpfungsinstanz
ungeachtet dessen als was oder wo du sie verorten willst.
Ja HP, alle
Menschen haben das gleiche moralische bzw. harmonische Gesetz in sich, aber
weder sind sich dessen alle Menschen bewusst noch befolgen es alle
(bewusst/unbewusst). Es enthält nach dem überaus konstruktiven Entwurf von
Lüscher (Psychologe mit starkem philosophischen Background) vier Säulen:
Selbstachtung, innere Freiheit, Zufriedenheit, Selbstvertrauen. Dieses
Harmoniegesetz in dem ich das moralische Gesetz ausgekleidet wieder erkenne ist
so zutreffend das ich mir eigene weitere Überlegungen dazu sparen kann. Ich kann
gerne einen Buchtipp im "Buchthread" hinterlassen.
Bevor jetzt der Hammer
der Anti-Psychologie Vertreter auf mich niedersaust, schicke ich schon mal
voraus das es sich nicht um eine von Freud geprägte Psycholgie handelt.
Dringende Bitte erst lesen, dann kritisieren.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 01. Sept. 2006, 11:29 Uhr
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Hallo Eberhard!
Quote:Wie kann den Geltungsanspruch von Normen
anders begründen (im Sinne von 'rechtfertigen') als rational?
Das weiß ich auch nicht, weil "Begründung" und "Rechtfertigung" die
"Rationalität" sozusagen analytisch einschließen. Eine "irrationale
Rechtfertigung" wäre ein hölzernes Eisen.
Meine Kritik richtet sich auch
nicht gegen eine rationale Begründung von Normen schlechthin, sondern gegen die
"Reinheit" (im Sinne von Ausschließlichkeit) Deines Begründungsmodells. Deine
Argumentation ist, so weit ich sie verstehe, in sich schlüssig. Aber ihr
Ergebnis befriedigt mich intuitiv mit Regelmäßigkeit nicht, und wenn ich nach
Gründen für dieses Missbehagen suche, stoße ich immer auf Deine Voraussetzungen
und ihr Verhältnis zur sozialen Wirklichkeit, das in meinen Augen ein
Miss-Verhältnis ist.
Um es mit einem Bild vorläufig anzudeuten: Wenn wir
alle Engel wären, wäre die Begründung von Normen durch ihre "argumentative
Konsensfähigkeit" völlig angemessen. Keiner von uns würde auf "Dogmen"
verweisen, sondern alle würden nur konsensfähige Argumente vorbringen und jeder
würde ihre Konsensfähigkeit unmittelbar einsehen und daher auch faktisch sofort
zustimmen können. Nur: Wenn wir Engel wären, hätten wir keine
Begründungsdiskurse nötig, weil wir nämlich gar keine Konflikte hätten. Schon
gar nicht über Normen - denn brauchen Engel überhaupt Normen? Offenbar nicht,
weil ihnen die zweifelnde Frage: "Wie soll ich handeln?" niemals in den Sinn
käme. (Ich lasse mal die "gefallenen Engel" außen vor. :-) )
Das
Missverhältnis, das ich in Deinem Modell sehe, besteht also zwischen der reinen
Rationalität der Begründung und der Faktizität unserer menschlichen
Beschränktheit, die die Quelle aller Konflikte sein dürfte. Ich ziele damit auf
die Voraussetzungen Deines Modells, also die faktischen "Bedingungen seiner
Möglichkeit", die mir in der Schlüssigkeit seiner Argumentationsfolge in
Vergessenheit zu geraten scheinen. Was nützt am Ende ein schlüssiges Modell,
wenn es nur unvollkommen zu praktizieren ist und wenn seine Anwendung, die den
"Dogmatismus der Faktizität" bekämpfen soll, womöglich nur eine andere Art von
Dogmatismus hervorbringt (einen, der dann "vernünftig begründet" heißen darf)?
Bleibt dann nicht am Ende nur die Hoffnung, dass wir durch konsequent
praktizierte Vernunft auf die Dauer vielleicht ein bisschen engelähnlicher
werden?
:-)
Das ist jetzt alles sehr "allgemein" gesagt, aber im
Moment kann ich nicht ins Detail gehen. Kommt schon noch.
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
01. Sept. 2006, 11:52 Uhr
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Hallo doc,
Deinem "Vertrauensvotum" kann ich nur beipflichten. Die
Enttäuschung bei gegebenem Anlass überkommt schliesslich nicht den anderen
sondern uns. Der andere ist seiner Empathie überlassen. Es ist im eigentlichen
die Enttäuschung über die Fehlerhaftigkeit unserer Einschätzung. Vertrauen
(geben) hat einen funktionellen Charakter. Die darunter liegenden Schichten
(Zweck, Absicht) mögen variieren.
Es ist nicht Angst, die mich davon
abhält in die Zukunft zu extrapolieren. Ich bin aber der Überzeugung das die
Zukunft eine Ein-Bild-ung in die Gegenwart bedeutet, die sich notwendig aus dem
Nach-denken über die Vergangenheit speist. Ich bin kein Wahrsager, auch wenn die
Versuchung zugegeben manchmal gross ist.
Was liesse sich dazu noch sagen?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 01. Sept. 2006, 13:25 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: das verblüfft mich nun etwas, wenn Du schreibst, dass
die Fragestellung ("Wie sollen wir handeln?") an sich falsch ist...und "Aber
meine Antwort ist die beste."
Dann lies noch mal und schärfer die
Formulierung: "Denke weit...und du wirst erkennen..."
Ich gebe eben keine
Anleitung zum Handeln als direkte Antwort auf die Frage "soll ich das Testament
ernst nehmen oder verbrennen?", sondern eine Anleitung zum "richtigeren Denken",
damit der Klient sich seine Anleitung zum Handeln selber ausdenken kann.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
01. Sept. 2006, 14:00 Uhr
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Ich denke, dass Deine Theorie abscheulich ist.
Welche Anleitung hast Du
dafür?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
01. Sept. 2006, 14:06 Uhr
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Hi Mondial,
ich bin auch kein Wahrsager, kenne jedoch die Regeln, nach denen
Menschen handeln. Deshalb kann ich sagen, dass die Menschheit in Zukunft
schrumpfen wird.
Ein Grund dafür ist die Größenzunahme der Individuen, die
man bei den Individuen in den wirtschaftlich entwickelten Ländern schon jetzt
beobachten kann, und die sich in anderen Ländern fortsetzen wird. Wie man sieht,
ist aufgrund dieser Größenzunahme die Geburtenrate beispielsweise in den
westeuropäischen Ländern bereits rückläufig.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am
01. Sept. 2006, 16:59 Uhr
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Hi doc,
Prognosen sind immer von verschiedenen Parametern abhängig. Sie
sind damit beschränkt gültig.
Ich kann z.Bsp. folgende Vorhersage
treffen:
WENN es mit Funkdichte und Intensität ungebremst so weitergeht wie
es sich bisher abgezeichnet hat,
DANN wird in ca. 20 Jahren die elektronische
Abschirmung beim Bau von Häusern eine Normalität sein.
Diese Aussage bezieht
sich auf einen aktuellen Trend. Ändert sich dieser, so wird die Aussage
hinfällig.
Ob sich dieser ändert, hängt wiederum davon ab, wie abhängig sich
die Gesellschaft von den positiven Effekten der rundum-jederzeit-Verfügbarkeit
abhängig macht. Oder allenfalls sich die Politik dazu gezwungen sieht der
Wirtschaft einen Riegel vorzuschieben, weil die Kosten für die Behandlung von
Dauerbestrahlungsschäden, den Nutzen der solche Dauerberieselung beinhaltet
überwiegt.
Was nun genau eintreten wird, vermag ich nicht zu sagen. Es
ist eine Trendanalyse. (Hier als Beispiel ohne exakte Zahlen, sprich ohne
Gewähr.)
(Ja, wir driften vom Thema ab...)
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am
01. Sept. 2006, 17:14 Uhr
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meine Prognose ist nicht von Parametern abhängig. Die derzeitigen Parameter
würden zu einer gegenteiligen Prognose führen, wie Du weißt (mit dem
Bevölkerungswachstum der Erde beschäftigen sich - mit gegenteiligem Ergebnis -
viele kluge Leute. Die haben keider alle "vergessen", zunächst einmal eine
Definition des Menschen zu geben. Deshalb kommen sie zu falschen Ergebnissen.
Eberhard fragte übrigens nach Prognosen, die sich aus meiner Philosophie
ergeben.
Vielleicht kann er die Diskussion mal wieder auf einen Nenner
bringen
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
01. Sept. 2006, 19:19 Uhr
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Vielleicht könnt Ihr selber die Kurve zum Thema wieder kriegen oder Eure
Diskussion in der Runde zu den lebenden Systemen weiterführen.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 01. Sept. 2006, 19:33 Uhr
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Hi, Abrazo,
Du: ...dass Deine Theorie abscheulich ist...
Wertung
entgegen genommen.
Hast Du etwas besseres? Hast Du eine bessere und
allgemeinverständliche Anleitung zum besseren Handeln, und wie sieht die aus?
Du: Welche Anleitung hast Du dafür?
Natürlich keine. Dein Geschmack
ist Dein Geschmack.
Darüber zu diskutieren bringt nix.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
01. Sept. 2006, 19:50 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Wolfgang,
wenn aus Deinen Überlegungen
nichts zur Beantwortung der Frage folgt, wie man in bestimmten Situationen
handeln soll ("Soll man Testamente, die zum eigenen Nachteil sind, unauffällig
verschwinden lassen?"), dann nehme ich das zur Kenntnis.
Wenn Du
allerdings meinst, dass mündige Menschen sich die Frage, wie man handeln soll,
nicht stellen, dann bist Du im Irrtum. Es gibt soziale Regeln. Gerade das ist
ein Zeichen der Mündigkeit, dass man wagt, diese Regeln in Frage zu stellen und
zu fragen: "Welche Gründe gibt es für oder gegen diese Regeln?" Und es ist ein
Zeichen von Mündigkeit, dass jeder Regeln für die es keine ihm einsichtigen
Gründe gibt, als Dogmen kennzeichnet und kritisiert. (Das bedeutet übrigens
nicht, dass man sich an diese Regeln nicht hält. Es gibt Regeln, die verbindlich
sind, obwohl sie inhaltlich falsch sind.)
Wenn man fragt: "Wie soll man
in dieser bestimmten Situation handeln?" dann wendet man sich nicht an eine
Autorität, die einem sagt, was richtig ist, sondern man fragt nach Argumenten,
um ein eigenes Urteil in dieser Sache abzugeben.
So machen das auch die
modernen Menschen von heute. Meint
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 01.
Sept. 2006, 20:24 Uhr
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Hallo Eberhard,
es ist schon schrecklich mit Dir. Du zwingst einen richtig
zum Nachdenken :-(
Ich konzentriere mich auf den m. E. zentralen
Hauptpunkt:
Benötigt man gemeinsame Grundwerte, die nicht weiter
begründet werden können?
Denn wenn Du in diesem Punkt schon recht hast,
dann kann ich den Anspruch auf Kategorienfehler ohnedies nicht aufrechterhalten.
Meine Argumentation geht ja dahin, dass der Anspruch auf „richtig / falsch“ bei
moralischen Urteilen solange ein Kategorienfehler ist, als sich die Argumente
der Beteiligten nicht auf gemeinsame (aber nicht mehr weiter begründbare)
Grundwerte beziehen lassen, die als Maßstab für die Richtigkeit der jeweiligen
Argumente dienen.
Du verwirfst aber deutlich diesen Ansatz:
Quote:Im Alltagsleben werden Meinungsverschiedenheiten über moralische Fragen
sicherlich meist in der Weise beigelegt, dass man versucht, gemeinsame Prämissen
zu finden, von denen her sich ein gemeinsames Urteil ableiten lässt.
Allerdings ist ein solcher Zustand nicht sehr befriedigend, weil möglicherweise
keine gemeinsamen Grundwerte gefunden werden können.
und setzt
folgendes dagegen:
Quote:Das Kriterium, das ich vorgeschlagen habe
und das ich der Kürze halber als "argumentative Konsensfähigkeit" moralischer
Urteile bezeichnen will, ist jedoch kein willkürlich bestimmter Grundwert.
Das Kriterium der "argumentativen Konsensfähigkeit" ist von besonderer Art.
Wenn jemand die Frage stellt: "Warum soll ich denn meine Position
nachvollziehbar begründen?" dann verlangt er damit eine derartige
nachvollziehbare Begründung.
Die Forderung „Du sollst Deine
Position nachvollziehbar begründen?“ bedeutet, dass, wenn ich Dich recht
verstanden habe, jede moralische Wertung einer Handlung (als richtig oder
falsch) einem Gesprächspartner rational begründet werden können muß.
Wie
kann so ein Begründungsschema aussehen?
Setzen wir voraus, dass sowohl A
und B dasselbe intersubjektiv nachvollziehbare Weltbild teilen und die
Faktenlage zwischen den beiden geklärt ist. Ihr Wissensstand diesbezüglich ist
identisch.
A: Du sollst X tun.
B: Warum?
Wonach fragt dieses
Warum? Irgendein objektiver Sachverhalt kann es nicht sein, denn erstens gibt
ein solcher keine Antwort auf Werturteile und zweitens haben A und B den
gleichen Wissensstand. Die Frage kann nur bedeuten, dass B die moralische
Geltung der Handlung an sich nicht akzeptiert und nachfragt, welchen
eigentlichen moralischen Zweck diese Handlung erfüllt.
A: Wenn Du X tust,
erzielst Du E(rgebnis) X und es ist moralisch richtig EX anzustreben anstatt EY,
was das Ergebnis wäre, wenn Du X nicht tust.
Aber auch hier ist es
möglich, dass B die Evidenz, dass „ EX besser EY“ nicht nachvollziehen kann und
nach dem moralischen Zweck von EX oder der Vermeidung von EY fragt.
B: Warum
ist „EX besser EY“?
A: Weil EX zu EX2 führt, was man anstreben soll, während
EY EY2 impliziert, was moralisch verwerflich ist.
und so weiter, bis ein
moralischer Zweck auf irgendeiner Ebene der Begründungskette des A vom
Gesprächspartner B akzeptiert wird. Angenommen A und B stimmen bezüglich EX2
überein. Was ist das aber, worüber sie übereinstimmen? Der Zweck einer
moralischen Handlung, der aber, egal auf welcher Ebene der Begründungen, selbst
nur eine moralische Forderung sein kann (EX2 ist anzustreben). Und eine solche
muß nach Deiner Forderung „argumentativen Konsensfähigkeit“ auch als gemeinsame
Position von A und B ihrerseits weiter begründbar sein. Das ergibt also für jede
beliebige moralische Position die Forderung einer unendlichen Kette von
Begründungen. (Zirkelbegründungen sind natürlich verboten!).
Dein
Kriterium der „argumentativen Konsensfähigkeit“ verlangt also, dass nur solche
moralischen Forderungen das Prädikat richtig (oder falsch) erhalten können, die
eine infinite Kette von Begründungen aufweisen.
Genügen dir aber die
Begründungen, die einer bestimmten endlichen Anzahl von Begründungsschritten
möglichst großen Konsens erzielen, hast Du nur diesen Konsens, aber nicht die
„Richtigkeit“ einer moralischen Begründung bewiesen.
Meine These aber
ist, dass alle moralischen Forderungen nach ein paar Begründungsebenen
irgendwann nicht weiter begründbar sind sondern demjenigen, der sie vertritt als
„vollkommen evident“, oder „universell gültig“ erscheinen. „Jeder Mensch bei
klarem Verstand muß sie vertreten“. Oder: „Mein Gewissen sagt es mir so.“
Als Beispiel nehme ich eine Variante deines Testament-Beispiels
(interessant, dass wir unabhängig voneinander auf eine sehr ähnliche
Problemstellung gestoßen sind (beim Spenden-Empfänger hatte ich allerdings an
den WWF gedacht).
Angenommen der alleinstehende ältere Herr ohne Anhang
gibt einem Familienvater P vor einer dringenden Operation sein Barvermögen mit
dem Auftrag, er möge es, falls er den Eingriff nicht überlebt an den WWF
spenden. Der Rest seiner Angelegenheiten sei schon geregelt. Leider überlebt er
die Operation nicht.
P erzählt die Geschichte seiner Frau F und will sich
aufmachen, die Spende einzuzahlen.
Dabei entspinnt sich aber folgender
Dialog.
F: Tu das nicht. Wer weiß schon, was der WWF mit dem Geld anfängt.
Aber genau mit dieser Summe könnten wir unserem Kind das heiß ersehnte
Auslandsstudium finanzieren. Wir würden unser Kind zum glücklichsten Menschen
der Erde machen.
P: Das ist absolut nicht möglich. Mein Freund hat mir
bedingungslos vertraut. Es wäre ein Verrat an ihm.
F: Aber er ist tot. Wir
beide wissen, dass wir ihn nicht mehr glücklich oder unglücklich machen können.
Er hat sein Leben gehabt und kann sich weder über Deinen Verrat kränken noch
sich über die Spende freuen. Aber unser Kind kannst Du glücklich machen damit.
P: Und der Schaden, den wir WWF zufügen?
F: Was ist dir wichtiger: der WWF
oder unser Kind?
P: Gut – unser Kind. Aber darum geht es nicht. Ich fühle
mich meinem Freund noch immer verpflichtet.
F: Aber das ist doch irrational!
Du sagst doch selbst, dass dich der Schaden am WWF, den der sowieso nicht einmal
merken würde, für dich nicht relevant ist. Aber das Glück Deines Kindes ist dir
weniger Wert als die Verpflichtung jemandem gegenüber, dem es jetzt nichts mehr
bedeutet.
P: Ich würde unserem Kind die Möglichkeit ja auch gerne bieten, und
ich kann dich verstehen. Aber der Verzicht auf das Auslandsstudium ist unserem
Kind zuzumuten. Er kann schließlich auch hier studieren. In diesem Fall empfinde
ich die Verpflichtung gegenüber meinem Freund stärker.
F: Es ist doch ganz
klar, dass hier der vernünftige Wunsch, unserem Kind zu nützen, einem
sentimentalen Bedürfnis, das niemandem nützt, gegenüber steht!
P: Ich gebe
zu, dass die Verpflichtung meinem Freund gegenüber nicht rational zu
rechtfertigen ist.
Ich fühle sie einfach. Es wäre wie ein Verrat an ihm. Aber
wie ist es mit Deinem Wunsch, unserem Kind das Auslandsstudium zu ermöglichen.
Du willst es glücklich machen! Ist dieses Bedürfnis rational zu rechtfertigen?
Ich behaupte, dass auch der Wunsch, unserem Kind zu nützen nicht rational zu
rechtfertigen ist. Was ist, wenn wir diesen Wunsch eben nicht so stark empfinden
würden sondern uns mit dem Geld lieber selbst etwas Gutes damit tun? Wäre das
dann irrational?
Meine Standpunkt: Ich gebe P recht. Beide Dialogpartner
sind an einem Punkt angekommen, wo unterschiedliche Verpflichtungen und Werte –
die Freundespflicht und die Mutterliebe – einander gegenüber stehen, ohne dass
sie durch rationale Begründungen gerechtfertigt werden können. Die beiden fühlen
eben so. Eberhard, kannst Du den Dialog rein rational zu einem Ende führen, das
den Zwist klärt? Oder, wie es Dein „argumentatives Konsensprinzip“ eigentlich
verlangt, ad infinitum weiterspinnen?
Wenn nicht, dann stehen einander
zwei Empfindungen gegenüber, die beide berechtigt sind und weder P noch F sagen
dürfen, dass die eine Handlung falsch oder richtig sei.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
01. Sept. 2006, 22:00 Uhr
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Ich gebe zu, dass die Verpflichtung meinem Freund gegenüber nicht rational zu
rechtfertigen ist.
Doch. Das Geld wurde ihm treuhänderisch übergeben und
ist nicht sein Eigentum.
In diesem Falle greift § 246 StGB:
Unterschlagung
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem
Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit
schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die
Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Für die
liebreiche Gattin greift § 26 StGB:
Anstiftung
Als Anstifter
wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen
vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
Und da es sich um
eine größere Geldsumme handeln müsste, würde ich nicht darauf bauen, dass das
nicht auffällt, denn nicht zu Unrecht sind die meisten Menschen der Ansicht,
dass Geld nicht auf Straßenbäumen wächst.
Die moralische Frage entpuppt
sich also als eine schlichte und eindeutige Rechtsfrage, für die letztlich nicht
das Gewissen zuständig ist, sondern der Richter im Landgericht.
Ich
schlage vor, wir lassen solche Beispiele. Die sind nämlich längst geklärt.
Philosophie ist Grundlagenwissenschaft. In ihren Bereich gehört nicht die
Kritik an einzelnen Strafrechtsnormen (oder will man Philosophen ein neues StGB
schreiben, also quasi das Rad neu erfinden lassen?), sondern die Frage, warum es
überhaupt solche Normen gibt, und zwar schon seit so langer Zeit und in so
vielen unterschiedlichen Kulturen, dass man einen gewissen Konsens darüber
durchaus annehmen kann.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 01.
Sept. 2006, 23:30 Uhr
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on 09/01/06 um 22:00:35, Abrazo wrote:Ich gebe zu, dass die Verpflichtung
meinem Freund gegenüber nicht rational zu rechtfertigen ist.
Doch. Das
Geld wurde ihm treuhänderisch übergeben und ist nicht sein Eigentum.
In
diesem Falle greift § 246 StGB:
......
Die moralische Frage entpuppt sich
also als eine schlichte und eindeutige Rechtsfrage, für die letztlich nicht das
Gewissen zuständig ist, sondern der Richter im Landgericht.
Ich schlage
vor, wir lassen solche Beispiele. Die sind nämlich längst geklärt.
Ich sehe überhaupt keine Relevanz, ob solche Fragen rechtlich geregelt sind oder
nicht. Geltendes Recht und die Moral der Individuen sind zwei paar Schuhe.
Schön, wenn Recht und Moral harmonieren, unangenehm wenn nicht. Dann wäre
nämlich das jeweilige Individuum, dessen moralisches Empfinden mit geltendem
Recht kollidiert, moralisch verpflichtet, dagegen zu verstoßen. Ein sehr gutes
Beispiel sind z.B. einige Gesetze des nicht ganz so 1000jährigen Reiches.
Quote:Philosophie ist Grundlagenwissenschaft. In ihren Bereich gehört nicht
die Kritik an einzelnen Strafrechtsnormen (oder will man Philosophen ein neues
StGB schreiben, also quasi das Rad neu erfinden lassen?), sondern die Frage,
warum es überhaupt solche Normen gibt, und zwar schon seit so langer Zeit und in
so vielen unterschiedlichen Kulturen, dass man einen gewissen Konsens darüber
durchaus annehmen kann.
Mein Deinerseits vom Strafrechtsparagraphen
verfolgtes Beispiel dient lediglich der Verdeutlichung, dass ein moralischer
Konsens nicht so ohneweiteres herstellbar ist. Kann sein, daß es ein schlechtes
Beispiel ist. Kann aber auch sein, daß Du einfach keine Lust hast, Dich mit
meinen Argumenten abzugeben.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 01:29 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: Wenn Du allerdings meinst, dass mündige Menschen sich
die Frage, wie man handeln soll, nicht stellen, dann bist Du im Irrtum. Es gibt
soziale Regeln.
"In Fragen des sozial und ethisch korrekten Verhaltens
wenden sie sich entweder an ihre Eltern, ihren Klassenlehrer, ihren Priester,
ihren Ethikprofessor oder ihren Psychotherapeuten. Aber befragen sie nie mehr
als eine Person."
"In Fragen des nach den Gesetzen korrekten Verhaltens
befragen sie ihren Rechtsanwalt."
"In Fragen des sozial korrekten Verhaltens
fragen sie entweder ihren CDU-Politiker, ihren SPD-Politiker....WASG, aber
niemals mehr als einen."
Soziale Regeln gibt es nur dann, wenn sie
allgemein anerkannt sind, das heißt, wenn niemand im Brustton der Überzeugung
das Gegenteil behauptet.
Das ist selbst bei Gesetzen so schwer, wie sich die
Richter in dem Gesetzesdschungel tun.
Natürlich wird sich eine mündige
Person anpassen wollen - so weit, wie sie es für vorteilhaft hält.
Du:
Gerade das ist ein Zeichen der Mündigkeit, dass man wagt, diese Regeln in Frage
zu stellen....als Dogmen kennzeichnet und kritisiert.
Volle Zustimmung.
Du: (Das bedeutet übrigens nicht, dass man sich an diese Regeln nicht hält.
Es gibt Regeln, die verbindlich sind, obwohl sie inhaltlich falsch sind.)
Das ist keine Frage der Mündigkeit. Sondern der Loyalität gegenüber der
Gemeinschaft.
Du: Wenn man fragt: "Wie soll man in dieser bestimmten
Situation handeln?" dann wendet man sich nicht an eine Autorität, die einem
sagt, was richtig ist, sondern man fragt nach Argumenten, um ein eigenes Urteil
in dieser Sache abzugeben.
Volle Zustimmung, wenn diese Argumente keine
getarnten Gängelbänder sind wie Regeln nach dem Motto "man soll...."
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 02. Sept. 2006, 04:09 Uhr
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Hallo hel!
Quote:Meine Argumentation geht ja dahin, dass der
Anspruch auf „richtig / falsch“ bei moralischen Urteilen solange ein
Kategorienfehler ist, als sich die Argumente der Beteiligten nicht auf
gemeinsame (aber nicht mehr weiter begründbare) Grundwerte beziehen lassen, die
als Maßstab für die Richtigkeit der jeweiligen Argumente dienen.
Ich stimme Dir im Wesentlichen zu: Eine Diskussion über die Begründung von
Normen kann nur erfolgreich sein - und kann überhaupt nur geführt werden -, wenn
die Beteiligten sich (faktisch) schon über Werte, Normen, Lebensformen einig
sind, die in der Diskussion nicht in Frage stehen.
Aber anders als Du
betrachte ich solche "Grundwerte" nicht als "Axiome". Axiome sind theoretische,
also bewusste, reflektierte "Setzungen". Das, was die Beteiligten an einem
Begründungsdiskurs teilen, ist weit mehr als das. Es sind vor allem gemeinsame
"Lebensformen". So müssen sie sich - scheinbar ganz simpel - ja verstehen, also
eine gemeinsame Sprache mit gemeinsamen Regeln haben. Und eine Sprache ist immer
eingebettet in praktische Zusammenhänge, ohne die sie sich gar nicht verstehen
ließe.
Begründungsdiskurse, in denen einzelne Normen diskutiert werden,
lassen sich nur führen vor dem Hintergrund vieler "gelebter" Gemeinsamkeiten,
die ihrerseits nicht Thema der Diskussion sein können. So kann man ja auch
einzelne fragliche Wörter nur erklären, wenn man die Sprache im großen und
ganzen beherrscht. Man kann die gemeinsame Sprache nicht von einem Standpunkt
der Sprachlosigkeit aus konstruieren. Analog gilt das auch für Handlungsnormen.
Man hat immer schon eine (gemeinsame) Moral, bevor man moralische Normen
bezweifeln und diskutieren kann.
Aber dieser grundlegende normative
Konsens verdankt sich nicht einer reflektierten Begründung, er ist auch nicht in
reflexiver Einstellung "gesetzt" und dürfte sich auch kaum vollständig reflexiv
durchschauen lassen. Das macht ihn aber nicht per se "irrational" oder
"dogmatisch" in dem Sinne, wie Eberhard dieses Wort gebraucht: "Dogmatisch" ist
es für ihn, wenn jemand innerhalb einer Diskussion auf ein kontingentes Faktum
verweist und dies als Begründung einführt. Der gemeinte grundlegende Konsens
kann in diesem Sinne nicht "dogmatisch" sein, weil er präreflexiv besteht und
zustande gekommen ist.
Das Hauptproblem von Eberhards
Normenbegründung durch "konsensfähige Argumente" liegt m.E. darin, dass dieses
Begründngsmodell von (faktischen) Voraussetzungen abhängt, die es selbst nicht
einholen kann. Oder anders gesagt: Die vernünftige Argumentation kann nicht ihre
eigene Konsensfähigkeit erzeugen. Sie bedarf eines schon bestehenden Konsenses,
den sie selbst nicht geschaffen hat.
Eberhard möchte die faktischen
Voraussetzungen (und Hindernisse wie z.B. faktische Ungleichheit) für den
rationalen Diskurs gerne als "Randbedingungen" behandeln, die nicht zum
rationalen "Kern" gehören. So steht auch der faktische Konsens, der aus einer
Diskussion hervorgehen mag, bei ihm immer unter einem theoretischen Vorbehalt;
nicht der faktische Konsens zählt, sondern die Konsensfähigkeit seiner
Begründung und des Begründungsverfahrens. Aber irgendwo muss der Scheck der
Konsensfähigkeit durch einen faktischen Konsens gedeckt sein, denn er muss ja im
faktischen, gemeinsamen, normenkonfomren Handeln eingelöst werden. Erst da zeigt
sich, was eine vernünftige Begründung wert ist.
Das sei für den
Augenblick erst mal genug.
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 11:48 Uhr
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Hi, Urs,
danke erst mal für Dein Fußnotenzitat, ich googele gerade nach
weiteren Arbeiten von ihm.
Dein Text ist schwer verständlich. Was die
Veständlichkeit erschwert, das sind Ausdrücke wie:
"Es sind vor allem
gemeinsame "Lebensformen"" - Was genau bezeichnest Du damit?
"er ist auch
nicht in reflexiver Einstellung "gesetzt"" - Was bezeichnest Du damit?
"Kontingentes Faktum" - was heißt das denn? (Wikipedia: Ein Kontingent ist eine
im vorhinein zugeteilte Menge, aus der sich Teile einzeln entnehmen lassen.) Wie
läßt sich das auf ein Faktum anwenden?
"Der gemeinte grundlegende Konsens
kann in diesem Sinne nicht "dogmatisch" sein, weil er präreflexiv besteht und
zustande gekommen ist." Wie ist das zu verstehen? Irgendeine Person wird das,
was sie für den "grundlegende Konsens" hält, als "Gebot X" oder so formulieren,
und wenn sie Gebot X nicht vernünftig legitimieren kann, aber trotzdem
durchsetzen will, muß sie "Gebot X" zum Dogma erklären und Scheiterhaufen
aufschütten zur Disziplinierung der Ketzer. Nach der Formulierung des
"grundlegende Konsens" wird zeigt das Echo, ob er eine Selbsttäuschung war.
"Kern" - Welchen Kern meinst Du, was unterscheidet den Inhalt vom Kern vom Rest?
Kannst Du das ganze auch einfacher ausdrücken?
So kann ich damit nix
anfangen, kann Deine Thesen weder bestätigen noch widerlegen.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
02. Sept. 2006, 12:33 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Wolfgang,
Regeln nach dem Motto "Man
soll…" sind dann keine getarnten Gängelbänder, wenn man eingesehen hat, dass es
vernünftigen Gründe für diese Regeln gibt.
Hallo hel,
versuchen
wir, die Positionen zu klären.
Du bist der Ansicht, dass sich eine
moralische Regel wiederum nur durch Ableitung aus einer anderen moralischen
Regel begründen lässt. Deshalb kommst du zu dem Schluss, dass ich mit dem
Kriterium des "argumentativen Konsens" praktisch eine unendliche Kette von
Begründungen verlange.
Das sehe ich anders. Wenn ich eine moralische Norm
daraufhin untersuche, ob sie von allen gemeinsam gewollt werden kann, dann wende
ich nicht nur moralische Normen an sondern zusätzlich methodologische Normen.
(Unter "Methodologie" verstehe ich die Regeln der wissenschaftlichen
Erkenntnisgewinnung.)
Ein Vergleich mit der Methodologie der
Erfahrungswissenschaften kann dies verdeutlichen. Wenn ich einen positiven (=
das Gegebene betreffenden), empirischen Satz, wie z. B. "Ein Quader Granit ist
schwerer als ein gleich großer Quader Marmor", begründen will, dann tue ich dies
nicht allein dadurch, dass ich den zu begründenden Satz aus anderen positiven
Sätzen logisch ableite. Die Begründung erfolgt zusätzlich durch meine
Wahrnehmungen ("Ich sehe, dass die Waage auf der Seite nach unten geht, wo der
Quader aus Granit liegt").
Die methodologische Regel, die hier zur
Anwendung kommt lautet: "Leite aus der zu begründenden Aussage eine Prognose ab
und prüfe, ob die Prognose mit deiner Wahrnehmung übereinstimmt." Dies ist
selber kein positiver Satz sondern eine methodologische Regel. Es kommt deshalb
hier auch nicht zu einem unendlichen Regress.
In ähnlicher Weise verhält
es sich bei normativen Sätzen. Die methodologische Regel "Prüfe die behauptete
Norm daraufhin, ob ihr alle Individuen gemeinsam zustimmen könnten " erfordert
keinen unendlichen Regress. Ein konkretes Beispiel hierfür habe ich bereits
gegeben, indem ich zu zeigen versucht habe, dass der Egoismus eines Individuums
nicht allgemein konsensfähig sein kann.
Hier mache ich erstmal eine
Pause, damit die Brocken nicht zu groß werden, die man zu zerbeißen und zu
verdauen hat.
Grüße an alle, die sich über ungestörte Diskussionen unter
gleich Interessierten freuen von
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
02. Sept. 2006, 14:07 Uhr
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Hi,
super, Urs. Das war überfällig, dass einer unsere Diskussion auf das
solide Fundament bestehender philosophischer Erkenntnisse stellt. Spart die
Klärung längst geklärten Beiwerks.
Diese Argumentation, Wolfgang, findest
Du bei Ludwig Wittgenstein, z.B. in den Philosophischen Untersuchungen. Mit dem
würde ich mich an Deiner Stelle nicht anlegen, ohne ihn gelesen zu haben.
dient lediglich der Verdeutlichung, dass ein moralischer Konsens nicht so
ohneweiteres herstellbar ist.
Das ist auch nicht nötig, Hel, siehe Urs.
Der besteht nämlich längst (siehe auch meine Äußerungen im Thread "Vertrauen").
Denn auf diesen Konsens vertrauen wir, auch wenn einige ihn nicht einhalten.
Woher dieses Vertrauen und auf was vertraut wird, das ist eine Frage der
Ethik. Denn es ist eine Frage nach dem, was ist, und nicht danach, wie es sein
soll.
Damit werden Eberhards Bemühungen nicht nutzlos, im Gegenteil. Sie
bekommen dadurch erst 'Fleisch'. Denn wenn wir das Fundament freigelegt haben,
auf dem Moral aufbaut, können wir uns der Forderung widmen, dass die praktischen
moralischen 'Vorschriften' sich von diesem Fundament logisch abzuleiten haben.
Eine klare, einsichtige Struktur erscheint mir nämlich die Voraussetzung eines
Konsenses zu sein.
Dir, Hel, liefere ich ein anderes Beispiel, das mir
gerade wieder über den Weg gelaufen ist. Das ist nämlich nicht rechtlich
geregelt:
In unserem Haus wohnt eine immer noch attraktive über
siebzigjährige Witwe, die seit anderthalb Jahren, also seit ihr Mann gestorben
ist, ihr Leben entspannt genießt.
Dazu hat sie auch allen Grund, denn ihr
Mann saß über 10 Jahre lang im Rollstuhl, baute geistig immer mehr ab und war
die letzten zweieinhalb Jahre seines Lebens gar nicht mehr vernünftig
ansprechbar. Sie pflegte ihn.
Der Mann, den sie wohl liebte, war er also
schon lange nicht mehr, was ihr klar war. Sie hat nicht übermäßig getrauert, als
er verstorben war, war im Grunde erleichtert, und doch hätte sie nie anders
gehandelt, als - ihre Pflicht zu tun. Sie sagte, ihn wegzugeben und ein eigenes
Leben zu führen (was man natürlich, trotz Hilfe, nicht kann, wenn man einen
pflegt, der mangels Verstand unberechenbar ist und dauernder Aufsicht bedarf)
sei ihr niemals in den Sinn gekommen. So etwas tue 'man' nicht, jedenfalls nicht
in ihren Kreisen. Natürlich konnte sie, bodenständig und gut gebildet, dennoch
nicht den Grund präzise angeben. Ich denke, es trifft diesen Grund, wenn ich
sage, in ihren Augen wäre es unmoralisch gewesen.
Die Frage, warum soll
man moralisch handeln, stellte sich ihr nicht. Sie handelte so, fertig. Was
findest Du als Letztbegründung beim Überdenken der Möglichkeit, den Mann in ein
Heim zu geben? Vernunft? Weitreichenden Egoismus?
Ich erkenne nur das
ethische Nein.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 15:54 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: Regeln nach dem Motto "Man soll…" sind dann keine
getarnten Gängelbänder, wenn man eingesehen hat, dass es vernünftigen Gründe für
diese Regeln gibt.
Wozu dann das Wort "soll"? Dann wäre "du darfst"
besser.
Gerade die Wahl des Wortes "soll" ist das kennzeichnende Merkmal
für eine Anleitung zum Handeln, welche die Zielgruppe nicht freiwillig ausführen
würde. Deswegen ist der Begriff "Gängelband" eher treffend als falsch.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
02. Sept. 2006, 16:01 Uhr
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Hallo hel,
ich setze die Auseinadersetzung mit Deiner Kritik fort.
Du demonstrierst Deine Position anhand eines Beispiels ("Soll man ein
Versprechen gegenüber einem Verstorbenen einhalten?")
Abrazo ist mit dem
Beispiel nicht einverstanden, weil hier – so wie in meinem Beispiel ("Darf man
ein unvorteilhaftes Testament vernichten?") die moralische Frage sich als
Rechtsfrage entpuppe.
Ich gebe Abrazo insofern recht, als sich die
moralische Situation ändert, wenn eine einschlägige Rechtsnorm existiert. Dann
stellt sich wohl als erstes die (moralische) Frage: "Soll ich die Rechtsnorm
befolgen?" und die Situation wird sehr viel komplexer.
Andererseits kann
man das Beispiel trotzdem diskutieren und die rechtliche Regelung ausklammern.
Mir ist aufgefallen, dass die Frau eigentlich keine moralische Argumente
vorträgt, wenn Sie vorschlägt, das Geld des verstorbenen Freundes für die
Ausbildung ihres Sohnes zu verwenden. Sie argumentiert damit, dass das Geld dem
Sohne nützt und das müsse dem Vater doch wichtiger sein als die Einhaltung eines
Versprechens oder die Unterstützung des World Wildlife Fonds.
Ich sehe
nicht, wie diese Argumente eine allgemeine Anerkennung finden könnten. Ich sehe
Millionen von Leuten, die eine bessere Verwendung für das fremde Geld hätten,
als es dem Sohn von Frau X für dessen Ausbildung zu geben.
Auch der Mann
argumentiert eigentlich nur schwach moralisch, wenn sein Hauptargument das
vernünftig nicht zu rechtfertigende Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem
verstorbenen Freund ist. Wenn man Versprechen halten soll, dann ist er doch
verpflichtet, das Geld nach dem Willen des Eigentümers zu verwenden und wie
versprochen weiter zu geben. Wie will er hier für eine Ausnahme plädieren?
Ich kann also auch in Deinem Beispiel nicht die Problematik des infiniten
Regresses erkennen und sehe keine unlösbaren Widersprüche.
Es grüßt Dich
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 02. Sept. 2006, 17:56 Uhr
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Hallo Wolfgang!
Quote:ein Text ist schwer verständlich. Was die
Veständlichkeit erschwert, das sind Ausdrücke wie:
"Es sind vor allem
gemeinsame "Lebensformen"" - Was genau bezeichnest Du damit?
Als
Lebensformen bezeichne ich faktische Handlungsschemata von unterschiedlicher
Komplexität. Das morgendliche Kaffeekochen ist ebenso eine Lebensform wie eine
arbeitsteilig organisierte Institution. Auch ein eingebürgerter Sprachgebrauch
kann eine "Lebensform" genannt werden. Handlungsschemata sind nicht ohne
weiteres durch empirische Sätze zu beschreiben, sie enthalten wegen ihrer
Zweckstruktur auch normative Momente. So kann etwa das Handlungsschema des
Kaffeekochens durch eine Gebrauchsanweisung beschrieben werden, die angibt,
welche Teilhandlungen in welcher Reihenfolge auszuführen sind, damit das
Handlungsziel nicht verfehlt wird. Handlungen, die für einen ahnungslosen
Beobachter dem Kaffeekochen zwar sehr ähneln mögen, die aber keinen brauchbaren
Kaffee hervorbringen, kann man eben nicht "Kaffeekochen" nennen.
Quote:"er ist auch nicht in reflexiver Einstellung "gesetzt"" - Was
bezeichnest Du damit?
Eine Handlung vollziehen ist nicht
dasselbe wie über sie sprechen, sie beschreiben oder analysieren. Oben habe ich
nicht Kaffee gekocht, sondern in "reflexiver Einstellung" über das Kaffeekochen
gesprochen. Es diente dabei nur als Beispiel für ein Handlungsschema.
Wenn es nun um Normen, Zwecke oder "Werte" geht, so nenne ich sie "gesetzt",
wenn sie in der Reflexion erkannt und als "gültig" erklärt werden. Solange man
über Normen oder Zwecke nur nachdenkt/diskutiert, hat man sie noch nicht "in
Geltung gesetzt" oder "beschlossen".
Zweifellos besteht die Möglichkeit,
zweckmäßige Handlungen zu vollziehen, über deren Zwecke man sich nicht im klaren
ist. So wird einem auch erst in einer ernstlich lebensgefährlichen Situation
bewusst, wie sehr man "am Leben hängt"; man hat eben sehr deutlich den "Kampf"
in sich erfahren. Für Schüler ist es Alltag, Fertigkeiten lernen zu müssen, ohne
eine klare Vorstellung davon zu haben, wofür sie eigentlich gut sein sollen. Und
es gibt sehr viele Dinge in unserem Leben, die wir "einfach so" tun, ohne je
einen Gedanken an ihren Nutzen verschwendet zu haben. Solche Handlungen müssen
keineswegs nutzlos oder irrational sein; nur spielt die explizite Formulierung
des Nutzens oder der Zweckmäßigkeit keine Rolle für uns.
Quote:"Kontingentes Faktum" - was heißt das denn? (Wikipedia: Ein Kontingent ist
eine im vorhinein zugeteilte Menge, aus der sich Teile einzeln entnehmen
lassen.) Wie läßt sich das auf ein Faktum anwenden?
Kontingenz
ist ein alter philosophischer Terminus, der das "So-oder-anders-sein-können"
einer Aussage oder eines Sachverhalts bezeichnet. "Kontingent" ist eine Aussage,
wenn sie entweder wahr oder falsch sein kann. "Notwendig" wird sie genannt, wenn
sie entweder nur wahr oder nur falsch sein kann.
Fakten ("bestehende
Sachverhalte") sind eigentlich immer kontingent. - Eine Gesetzesaussage, die
Variable enthält, ist ihrer "Form" nach "notwendig"; d.h. sie gilt z.B. für alle
x oder y. Solange aber die Variablen nicht durch Werte ersetzt werden, handelt
es sich nicht um eine empirische Aussage. Die - kontingenten! - Werte, die x
oder y nun annehmen kann, machen aus der Formel erst einen Erfahrungssatz.
Quote:"Der gemeinte grundlegende Konsens kann in diesem Sinne nicht
"dogmatisch" sein, weil er präreflexiv besteht und zustande gekommen ist." Wie
ist das zu verstehen? Irgendeine Person wird das, was sie für den "grundlegende
Konsens" hält, als "Gebot X" oder so formulieren, und wenn sie Gebot X nicht
vernünftig legitimieren kann, aber trotzdem durchsetzen will, muß sie "Gebot X"
zum Dogma erklären und Scheiterhaufen aufschütten zur Disziplinierung der
Ketzer. Nach der Formulierung des "grundlegende Konsens" wird zeigt das Echo, ob
er eine Selbsttäuschung war.
Nach meiner Erläuterung der
"reflexiven Einstellung" und der "Setzung" oben müsstest Du das Gemeinte
verstehen können. "Dogmatisch" - so hatte ich Eberhards Wortgebrauch erläutert -
sei der Hinweis auf ein Faktum als Argument in einem Begründungsdiskurs.
Beispiel: "Sex vor der Ehe ist unmoralisch, weil der Papst ihn verboten hat." Es
wäre aber denkbar, dass in einer Gesellschaft seit eh und je Sex vor der Ehe
verpönt ist, ohne dass jemand die Frage beantworten könnte, wieso eigentlich. Es
wäre dann einfach ein zwanglos "gelebter" Konsens, der nicht in Frage gestellt
und explizit begründet wurde und wird. So einen Konsens kann man m.E. nicht
"dogmatisch" nennen.
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 20:05 Uhr
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Hi, Urs
Du: Als Lebensformen bezeichne ich faktische Handlungsschemata
von unterschiedlicher Komplexität...arbeitsteilig organisierte
Institution....0eingebürgerter Sprachgebrauch kann eine "Lebensform" genannt
werden.
Habe ich Dich dann richtig begriffen, wenn ich dies so
beschreibe: "Das Paar hat eine morgendliche Routine entwickelt, zu deren
Beschreibung sich die Regel formulieren ließe: 'Wer zuerst in die Senkrechte
kommt, der schmeißt die Espresso-Maschine für zwei Tassen an.'"
Du:
Handlungsschemata sind nicht ohne weiteres durch empirische Sätze zu beschreiben
Wenn ich das Beispiel "Schachspiel" denke, dann kommen sogar Supercokputer
ins Schwitzen.
Du: sie enthalten wegen ihrer Zweckstruktur auch normative
Momente
Was bezeichnest Du hier wieder mit "normatives Element"?
Normieren muß ich doch nur, was man sinnvoll auch anders machen könnte.
Beispielsweise kann man auf den Straßen Linksverkehr oder Rechtsverkehr
einführen, beides geht gut, es darf nur keine Geisterfahrer geben. Das muß ich
normieren.
Daß ich für den Espresso erst Kaffeebohnen einfüllen muß,
bevor ich starte, ergibt sich aus den sachlichen Notwendigkeiten aber so
zwingend, daß ich gerade das nicht normieren muß.
Du: Eine Handlung
vollziehen ist nicht dasselbe wie über sie sprechen, sie beschreiben oder
analysieren.
In welche Diskussionsrunde mußt Du das betonen?
Du:
Wenn es nun um Normen, Zwecke oder "Werte" geht, so nenne ich sie "gesetzt",
wenn sie in der Reflexion erkannt und als "gültig" erklärt werden.
Ist
die Reflektion dazu aus Deiner Sicht notwendig? Wer in eine Firma eintritt, der
lernt sehr schnell, sich zu benehmen, manches wird ihm gesagt, Vieles lernt er
durch Nachahmung.
Du: Für Schüler ist es Alltag, Fertigkeiten lernen zu
müssen, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, wofür sie eigentlich gut
sein sollen.
Halte ich für einen Mangel des Pädagogen.
Du:
"Kontigent" ist eine Aussage, wenn sie entweder wahr oder falsch sein kann.
Dann reg mal die Aufnahme in phillex an, und wenn Du solche seltenen
Begriffe hier einführst, dann definiere sie bitte gleich.
Du: Eine
Gesetztesaussage, die Variable enthält, ist ihrer "Form" nach "notwendig"; d.h.
sie gilt z.B. für alle x oder y.
Welche Art von x oder y bezeichnest Du
hier?
Nee, ich brech ab.
Ich kann das Wertvolle in Deinem Text
nicht sehen, daß es die Mühe wett machen würde, ihn verstehen zu wollen.
Wir regen mit Moral über etwas, das sich im Verhalten unserer Urahnen schon
gefunden haben muß, als deren Schädel noch zu winzig waren für kluge Gedanken.
Denn auch eine Affenhorde muß zusammen halten, sie muß sich auf gemeinsame
Verhaltensweisen einigen, notfalls, indem der Affenhäuptling droht oder das
Alphaweibchem ihm die kalte Schulter zeigt.
Die Vorgänge dabei können
nicht so kompliziert sein, wie Deine Beschreibung schildert.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
02. Sept. 2006, 20:39 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Urs,
was Du über grundlegende
Voraussetzungen vernünftiger Argumentation sagst, kann ich über weite Strecken
akzeptieren, mit dem Vorbehalt, dass du Deine angedeuteten Bezüge
konkretisierst. Ohne Zweifel: Wir brauchen eine gemeinsame Sprache
einschließlich ihrer grammatischen Regeln, wir brauchen funktionierende Gehirne
und Sinnesorgane, wir brauchen Zeit zum Argumentieren und Nachdenken, wir
brauchen ein Vorverständnis des Problems, um das es geht, wir brauchen die
Fähigkeit zum Verstehen der Argumente, wir brauchen eine gewisse Mündigkeit,
damit man sich überhaupt an eine derartige Frage heranwagt usw. usw.
Diese Voraussetzungen werden nicht durch rationale, intersubjektiv
nachvollziehbare Argumente geschaffen. Das habe ich jedoch auch gar nicht
behauptet: Mir geht es ja um die Geltung moralischer Normen nicht um die Genesis
dieser Normen. Dein Motto ist ja die Theorie, die der gelungenen Praxis folgt,
sie aber nicht schafft.
Es gab schon eine Marktwirtschaft und
Optimierungsprozesse, bevor die Theorie der Marktwirtschaft formuliert wurde.
Und es gab schon Echolote in der Natur, bevor die zugrunde liegende Technik
erforscht war.
Probleme bekomme ich allerdings, wenn Du die notwendigen
Voraussetzungen für vernünftiges Denken und Argumentieren als "grundlegenden
normativen Konsens" bezeichnest, "der sich auch kaum vollständig reflexiv
durchschauen lassen" dürfte.
Kann man angeben, was der Inhalt dieses Konsens
ist? Wenn ja, dann sollte man das tun, wenn nein, sollte man nicht von "Konsens"
sprechen. Eine Zustimmung, von der der Zustimmende nicht angeben kann, wem oder
was er zustimmt, ist eine Überdehnung des Begriffs.
Ich sehe deshalb
nicht, an welchem Punkt meine Ausführungen korrekturbedürftig sind. Dies auch zu
Abrazo. Ich habe niemals auch nur den Anschein erweckt, man könne so ohne
weiteres einen Konsens in moralischen Fragen erzielen. Ich bin sogar der
Meinung, dass eine Gesellschaft nicht mittels eines "argumentativen Konsens"
geordnet werden kann. Der Streit der Gelehrten ist niemals definitiv beendet und
viele Fragen bleiben angesichts beschränkter Erkenntnis unbeantwortbar.
Deshalb wird unsere Gesellschaft nur teilweise durch Normen geordnet, wie man
handeln oder häufiger noch, wie man nicht handeln soll. Von größter Bedeutung
sind die so genannten Ermächtigungsnormen, wie: "Die Kinder haben den Eltern zu
gehorchen", "Streit über die Einhaltung von Verträgen wird durch Gerichte
entschieden", "Der Untergebene hat den Anordnungen des Vorgesetzten Folge zu
leisten", "Der Eigentümer einer Sache darf über diese nach seinem Belieben
verfügen", "Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik", "Jede
mündige Person kann sich durch Versprechen selbst verpflichten", "Jeder hat das
Recht, seinen Beruf frei zu wählen" etc.
Diese Normen beziehen sich auf
Verfahren, die ihrerseits Normen setzen, die Verbindlichkeit beanspruchen, weil
sie formgerecht zustande gekommen sind und nicht, weil sie inhaltlich
einwandfrei sind.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
02. Sept. 2006, 20:42 Uhr
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Hallo Wolfgang,
schreibt Eure Mahnabteilung an die säumigen Zahler, dass
sie zahlen sollen oder dass sie zahlen dürfen?
Eine Welt ohne Pflichten
findest Du nur auf Wolke neun,
vermutet Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 02.
Sept. 2006, 21:12 Uhr
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Hallo urs
on 09/02/06 um 04:09:27, Urs_meinte_Euch wrote:.... anders als
Du betrachte ich solche "Grundwerte" nicht als "Axiome". Axiome sind
theoretische, also bewusste, reflektierte "Setzungen". Das, was die Beteiligten
an einem Begründungsdiskurs teilen, ist weit mehr als das. Es sind vor allem
gemeinsame "Lebensformen". So müssen sie sich - scheinbar ganz simpel - ja
verstehen, also eine gemeinsame Sprache mit gemeinsamen Regeln haben.
Deine Bemerkung, daß diese Grundwerte keine Axiome sind, ist natürlich
richtig. Ich wollte vor allem deutlich machen, daß sie allerdings etwas mit
Axiomen gemeinsam haben: sie sind nicht weiter begründbar und sie sind die
notwendigen Ankerpunkte, mit deren Hilfe Handlungen als moralisch richtig oder
falsch beurteilt werden können. Bei dem Fehlen eines gemeinsamen grundlegenden
Konsens, wie du es nennst, wird die Diskussion über den moralischen Wert von
Handlungen sinnlos bleiben.
Quote:Aber dieser grundlegende normative
Konsens verdankt sich nicht einer reflektierten Begründung, er ist auch nicht in
reflexiver Einstellung "gesetzt" und dürfte sich auch kaum vollständig reflexiv
durchschauen lassen. Das macht ihn aber nicht per se "irrational" oder
"dogmatisch" in dem Sinne, wie Eberhard dieses Wort gebraucht
Nun
irrational nicht. Aber unrational, indem die moralische Norm selbst rational
nicht begründbar ist. Außer in dem Sinne, als Verhaltensforscher, Psychologen,
Anthropologen etc. vielleicht begründen können, wie moralische Maßstäbe
entstehen. Aber das ist ja nicht der Gegenstand unserer Erörterungen.
Quote:....Die vernünftige Argumentation kann nicht ihre eigene Konsensfähigkeit
erzeugen. Sie bedarf eines schon bestehenden Konsenses, den sie selbst nicht
geschaffen hat.
exakt! Um Mißverständnisse zu vermeiden, sage ich es
aber noch mit eigenen Worten. Moralische Werte sind an sich weder vernünftig
noch unvernünftig. Die Vernunft selbst kommt erst bei der Erkenntnis und
Erreichung der sich aus ihnen ergebenden Ziele zu tragen. Die Werte selbst aber
können durch vernünftige Argumentation weder widerlegt noch gesetzt werden.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fort
Beitrag von Urs_meinte_Euch am
02. Sept. 2006, 23:45 Uhr
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Hallo Wolfgang!
on 09/02/06 um 20:05:41, Wolfgang_Horn wrote:Du: Als
Lebensformen bezeichne ich faktische Handlungsschemata von unterschiedlicher
Komplexität...arbeitsteilig organisierte Institution....0eingebürgerter
Sprachgebrauch kann eine "Lebensform" genannt werden.
Habe ich Dich dann
richtig begriffen, wenn ich dies so beschreibe: "Das Paar hat eine morgendliche
Routine entwickelt, zu deren Beschreibung sich die Regel formulieren ließe: 'Wer
zuerst in die Senkrechte kommt, der schmeißt die Espresso-Maschine für zwei
Tassen an.'"
Ja, das wäre ein Beispiel.
Quote:Was
bezeichnest Du hier wieder mit "normatives Element"?
Normieren muß ich doch
nur, was man sinnvoll auch anders machen könnte. Beispielsweise kann man auf den
Straßen Linksverkehr oder Rechtsverkehr einführen, beides geht gut, es darf nur
keine Geisterfahrer geben. Das muß ich normieren.
Daß ich für den
Espresso erst Kaffeebohnen einfüllen muß, bevor ich starte, ergibt sich aus den
sachlichen Notwendigkeiten aber so zwingend, daß ich gerade das nicht normieren
muß.
Dass sich eine technische Handlungsfolge "zwingend" ergibt,
ist aber doch kein Naturereignis. Den Beeren des Kaffeestrauchs ist es nicht an
der Wiege gesungen worden, dass sie getrocknet, geröstet, zermahlen und mit
kochendem Wasser übergossen zu einem belebenden Getränk werden sollten. Die
Grundschritte dieser Zubereitung ergeben sich nur zwingend, wenn man Kaffee
kochen will. Die technische Verfeinerung und Normierung des
Herstellungsverfahrens ergibt sich aus dieser Zielsetzung und - das Verfahren
muss sich vor allem auch daran messen lassen!
Abgesehen davon: Man kann
Kaffee selbstverständlich kochen, ohne die Imperative einer Gebrauchsanleitung
im Kopf zu haben. Man muss da nichts explizit normieren. Aber da die Handlung
des Kaffeekochens durch eine Gebrauchsanleitung angemessen "beschrieben" werden
kann - so dass sie intersubjektiv verfüg- und reproduzierbar wird -, muss das
Verfahren impliziten Normen folgen. Allerdings ergibt sich aus der
Gebrauchsanleitung (oder dem Rezept) kein anschauliches "Bild" des
Kaffeekochens; was Kaffeekochen bedeutet, wird vielmehr durch den Nachvollzug
der Handlungsschritte verstanden.
In diesem Verhältnis "impliziter"
Normen zu "expliziten" liegt die Pointe meiner Argumentation. Diese Pointe
scheint Dir aber, wie Deine Antwort zeigt, leider entgangen zu sein. Du denkst
bei "Normen" immer nur an die expliziten Imperative. (Das hast Du übrigens mit
Eberhard gemein).
Ich empfehle als Verfahren bei der Antwort, nicht Satz
für Satz aufzugreifen und gesondert zu kommentieren, sondern zunächst den
Gedankengang im Ganzen zur Kenntnis zu nehmen, damit klar werden kann, worauf er
abzielt.
:-)
Quote:Dann reg mal die Aufnahme in phillex an,
und wenn Du solche seltenen Begriffe hier einführst, dann definiere sie bitte
gleich.
Pardon, aber "Kontingenz" und "kontingent" sind in der
philosophischen Literatur seit 2000 Jahren "eingeführt". Es handelt sich um
einen geläufigen und wichtigen Terminus. Als die Philosophie Deutsch zu sprechen
begann - also im 18. Jahrhundert -, wurde "kontingent" ziemlich irreführend mit
"zufällig" übersetzt.
Quote:Ich kann das Wertvolle in Deinem
Text nicht sehen...
Offenbar nicht, nein. :-)
Quote:Wir reden mit Moral über etwas, das sich im Verhalten unserer Urahnen
schon gefunden haben muß, als deren Schädel noch zu winzig waren für kluge
Gedanken.
Denn auch eine Affenhorde muß zusammen halten (...)
Die
Vorgänge dabei können nicht so kompliziert sein, wie Deine Beschreibung
schildert.
Naja, eine Affenhorde muss ja auch keinen Kaffee
kochen (um von noch etwas komplizierteren, spezifisch menschlichen
"Lebensformen" zu schweigen).
Gruß,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 03. Sept. 2006, 00:22 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: schreibt Eure Mahnabteilung an die säumigen Zahler,
dass sie zahlen sollen oder dass sie zahlen dürfen? Eine Welt ohne Pflichten
findest Du nur auf Wolke neun,
Nix, ungültiger Einwurf. Denn in dem
Moment, in dem ich einen Kauf zugesagt habe, habe ich auch meine Gegenleistung
zugesagt. Damit bin ich freiwillig Pflichten eingegangen, die ich dann auch zu
erfüllen habe.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
03. Sept. 2006, 00:56 Uhr
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Kann man angeben, was der Inhalt dieses Konsens ist? Wenn ja, dann sollte man
das tun, wenn nein, sollte man nicht von "Konsens" sprechen.
Langsam,
Eberhard. So schnell geht dat nich. Da muss man noch was buddeln.
Aber
ganz unberechtigt ist Dein Einwand nicht.
Zunächst: rational kann der
Grundkonsens deswegen nicht sein, weil er dann abgeleitet wäre und damit eben
kein Grundkonsens mehr.
Auch die gemeinsame Zustimmung kann keine
Zustimmung in dem Sinne sein, dass man dem zustimmt, was man genau so gut
ablehnen könnte. Denn auch dann wäre es kein Grundkonsens mehr. Zustimmung und
Ablehnung wären abhängig von etwas anderem. Das ist halt die generelle
Schwierigkeit, wenn man im menschlichen Urgrund stochert.
Ich komme
zurück zu der Frage: warum soll man moralisch handeln?
Du weißt, ich
unterscheide Moral, das, was sein soll, von Ethik, das, was ist. Danach wäre die
Frage, warum man moralisch handeln soll, selbst eine moralische Frage. Daraus
ergibt sich, dass sie gar nicht moralisch beantwortet werden kann.
Im Bereich
der Ethik hingegen stellt sie sich vergleichbar gar nicht. Denn ethisch wird
nicht gefragt, warum man dies oder das tun soll, es wird getan. Oder vielmehr
nicht getan.
Danach ist die Frage "warum soll ich moralisch handeln" eine
Frage a posteriori. Heißt für die Ethik, daraus, dass mir bewußt ist, dass ich
ethische Entscheidungen treffe, folgt die Möglichkeit, auch anders zu
entscheiden.
Was aber bedeutet diese mögliche andere Entscheidung? Was ziehe
ich dann als das bessere vor?
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
03. Sept. 2006, 02:13 Uhr
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hey abrazo,
langsam steigerst du dich wieder in hochform!
"Zunächst: rational kann der Grundkonsens deswegen nicht sein, weil er dann
abgeleitet wäre und damit eben kein Grundkonsens mehr."
richtig.
"Auch die gemeinsame Zustimmung kann keine Zustimmung in dem Sinne sein,
dass man dem zustimmt, was man genau so gut ablehnen könnte. Denn auch dann wäre
es kein Grundkonsens mehr. Zustimmung und Ablehnung wären abhängig von etwas
anderem. Das ist halt die generelle Schwierigkeit, wenn man im menschlichen
Urgrund stochert."
auch richtig, deshalb ist moral fern vom
menschlichen 'urgrund'.
"Ich komme zurück zu der Frage: warum
soll man moralisch handeln?
Du weißt, ich unterscheide Moral, das, was
sein soll, von Ethik, das, was ist."
hä?
ethik ist das, was ist?
war das nicht die ontologie?
"Danach wäre die Frage, warum man
moralisch handeln soll, selbst eine moralische Frage."
das habe ich
schon geschrieben und gezeigt. schön, dass du es auch erfasst hast!
"Daraus ergibt sich, dass sie gar nicht moralisch beantwortet werden kann."
nein, sie kann nur moralisch bewortet werden und das wird nie zu einem
schluss führen, wie der verlauf des threads zeigt, ausser man weitet die frage
aus, indem man die frage ausserhalb der moral neu befragt.
"Denn
ethisch wird nicht gefragt, warum man dies oder das tun soll, es wird getan.
Oder vielmehr nicht getan."
was soll daran ethisch sein?
"Heißt für die Ethik, daraus, dass mir bewußt ist, dass ich ethische
Entscheidungen treffe, folgt die Möglichkeit, auch anders zu entscheiden."
a posteriori kann man sich immer einreden, dass man auch anderes hätte
handeln können. doch was bringt das ausser tatenloser selbstbespiegelung?
"Was aber bedeutet diese mögliche andere Entscheidung?"
nichts ausser virtuelle denkspielsachen.
"Was ziehe ich dann als das
bessere vor?"
die exakt gleiche situation kommt nie wieder.
und
urteilen und handeln kannst du nicht gleichzeitig.
ausserdem ist das bessere
des guten feind.
moral und ethik sind nicht zu trennen.
ethik ist
allenfalls eine metamoral, auf den knien vor dem konjunkitv.
viele
grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
03. Sept. 2006, 09:13 Uhr
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Hallo Wolfgang,
wir kommen uns näher: Man soll seine freiwillig
eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Oder?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
03. Sept. 2006, 11:32 Uhr
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Hallo allerseits,
da die Worte "Moral" und "Ethik" von den
Diskussionsteilnehmern mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet werden, will
ich versuchen, möglichst ohne diese Worte auszukommen.
Es geht um die in
einer sozialen Gemeinschaft einzuhaltenden Regeln des Verhaltens, die man als
"soziale (Handlungs-)Normen" bezeichnen kann.
Es geht also nicht um
bloße Regelmäßigkeiten des Verhaltens wie etwa der, dass zu Sylvester geknallt
wird. Solche "Gewohnheiten" unterscheiden sich von einzuhaltenden Regeln oder
Normen dadurch, dass man von Gewohnheiten problemlos abweichen kann, von Normen
jedoch nicht. Die Einhaltung von Normen wird durch Lob und Tadel, durch
Belohnung und Bestrafung "sanktioniert".
Dabei kann man verschiedene
Arten von sozialen Normen unterscheiden: Benimmregeln, Spielregeln,
Protokollvorschriften u. a. m. Außerdem gibt es neben den für alle geltenden
Normen auch noch Normen für das Verhalten bestimmter sozialer Positionen.
Uns interessieren hier diejenigen Normen, die für alle Mitglieder einer
Gesellschaft gelten und die unbedingt gelten, die also nicht nur unter der
Bedingung gelten, dass man einen bestimmten Zweck verfolgt (gesund bleiben) oder
dass man eine bestimmte Position (Mutter) innehat.
Beispiele für solche
unbedingten und an alle gerichteten (allgemeinen adressierten) Normen sind: "Man
soll andere nicht grundlos beschuldigen" oder "Man soll Rücksicht auf andere
nehmen" oder "Man soll Menschen helfen, die unverschuldet in Not geraten sind".
Die Norm "Man soll einmal im Jahr richtig Urlaub machen" ist dagegen keine
unbedingte Norm, sondern ein gesundheitlicher Ratschlag.
Die Frage ist,
ob die staatlich erlassenen Gesetze wie z.B. das Strafrecht in diesem Sinne
unbedingt geltende Normen sind, da sie nur unter der Bedingung gelten, dass der
Gesetzgeber sie in Kraft gesetzt hat.
Wir sind uns wohl – bis auf wenige
Ausnahmen - einig, dass in unserer Gesellschaft solche allgemein adressierten
unbedingt geltenden Normen praktiziert werden. Man fordert die Einhaltung
bestimmter Normen, man lobt und tadelt, belohnt und bestraft entsprechend.
Man kann nun an dieses Phänomen verschiedenste Fragen herantragen. So kann
man sich fragen: Warum soll ich diese Normen denn befolgen? Damit fragt man nach
einer Rechtfertigung der in den Normen enthaltenen Forderungen an das eigene
Verhalten. (Eine solche Frage muss natürlich nicht gestellt werden und in
traditionellen Gesellschaften wäre schon die Frage ungewöhnlich. In
pluralistischen Demokratien mit Gruppen unterschiedlicher kultureller Tradition
ist diese Frage sinnfälliger.)
Meine Position dazu ist: Wenn von mir ein
bestimmtes Handeln gefordert wird, ohne dass mir eine einsichtige, d. h. eine
nachvollziehbare und übernehmbare Begründung dafür gegeben wird, handelt es sich
um einen bloßen Gehorsamsanspruch.
Ich stelle deshalb die Frage, welche
Normen alle gemeinsam wollen können und wie bei der Bestimmung solcher
konsensfähigen Normen argumentiert werden kann und muss. Wenn wir dabei von
intakten Gemeinsamkeiten ausgehen können, die nicht weiter hinterfragt werden
müssen – um so besser,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 03. Sept. 2006, 12:32 Uhr
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Hi, Eberhard,
Du: wir kommen uns näher: Man soll seine freiwillig
eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Oder?
Der Unmündige soll, das ist
Bestandteil der Erziehung.
Der Mündige wird es aus weitblickender
Einsicht tun: Denn wenn er seine Versprechen nicht einhält, und sich das
rumspricht, dann hat er mindestens die Kosten der Vorauszahlung zu tragen.
Meine Zielgruppe sind diejenigen, die sich als mündig begreifen.
Du:
Ich stelle deshalb die Frage, welche Normen alle gemeinsam wollen können und wie
bei der Bestimmung solcher konsensfähigen Normen argumentiert werden kann und
muss. Wenn wir dabei von intakten Gemeinsamkeiten ausgehen können, die nicht
weiter hinterfragt werden müssen – um so besser,
Damit setzt Du die
Diskussion am Anfang wieder auf, nur mit einem anderen Begriff.
Ich
erkläre die technischen Grenzen des Forums dafür für verantwortlich und sehe in
einem Weiterdenken in dieser Sache keinen Nutzen mehr.
Ciao
Wolfgang
Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
03. Sept. 2006, 13:27 Uhr
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Dann man tschüs!
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
03. Sept. 2006, 15:56 Uhr
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Denn wenn er seine Versprechen nicht einhält, und sich das rumspricht, dann hat
er mindestens die Kosten der Vorauszahlung zu tragen.
Tja.
Das
heißt also, der Vertrag war wg beschränkter Geschäftsfähigkeit wg Unmündigkeit
schwebend unwirksam, den ich mit einem Kunden abgeschlossen hatte. Der hat
nämlich nicht gezahlt. Als Ergebnis habe ich einen Titel, den ich mir zur
Dekoration in's Klo hängen kann, alldieweil der Kunde die durch das
Gerichtsverfahren gewonnene Zeit genutzt hat, seine Ltd. dicht zu machen.
Beschränkte Haftung, tralala, guckste inne Röhre.
Heißt, bevor ich mit
einem einen Vertrag abschließe, sollte ich zum Vormundschaftsgericht marschieren
und mich nach der Mündigkeit erkundigen? Das Amtsgericht hat ihn offenbar für
mündig erklärt. Könnte das Vormundschaftsgericht das anfechten?
Leeven
Wolfjang, siehe, Theorie und Praxis sind zwei verschiedene paar Stiefel. Und der
landläufige Philosoph ist nicht gar so praxisfremd, wie es scheint.
[balloon]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
03. Sept. 2006, 18:03 Uhr
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Hi,
Eberhard schrieb:
Die Frage ist, ob die staatlich erlassenen
Gesetze wie z.B. das Strafrecht in diesem Sinne unbedingt geltende Normen sind,
da sie nur unter der Bedingung gelten, dass der Gesetzgeber sie in Kraft gesetzt
hat.
Ich halte es nun für nötig, ein Beispiel dafür zu geben, dass
unsere Rechtsnormen ganz und gar nicht mehr oder minder staatlich-willkürlich
gesetzte Normen sind, die Gehorsam verlangen (obwohl man auch solche finden
wird), und zwar mit der Normenkontrollklage gegen das Luftsicherheitsgesetz.
Es handelt sich um folgenden Paragrafen:
§ 14
Einsatzmaßnahmen, Anordnungsbefugnis
(1) Zur Verhinderung des Eintritts
eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die Streitkräfte im Luftraum
Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt
androhen oder Warnschüsse abgeben.
(2) Von mehreren möglichen Maßnahmen
ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit
voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Maßnahme darf nur so lange und
so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert. Sie darf nicht zu einem
Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.
(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach
den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von
Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser
gegenwärtigen Gefahr ist.
(4) Die Maßnahme nach Absatz 3 kann nur der
Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung
berechtigte Mitglied der Bundesregierung anordnen...
§ 15
Sonstige
Maßnahmen
(1) Die Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 dürfen erst nach
Überprüfung sowie erfolglosen Versuchen zur Warnung und Umleitung getroffen
werden. Zu diesem Zweck können die Streitkräfte auf Ersuchen der für die
Flugsicherung zuständigen Stelle im Luftraum Luftfahrzeuge überprüfen, umleiten
oder warnen...
(2) Der ... Inspekteur der Luftwaffe hat den
Bundesminister der Verteidigung unverzüglich über Situationen zu informieren,
die zu Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 führen könnten.
(3) Die sonstigen
Vorschriften und Grundsätze der Amtshilfe bleiben unberührt.
BVerfG
urteilt:
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet das Recht auf Leben als
Freiheitsrecht. ... Jedes menschliche Leben ist als solches gleich wertvoll.
Obwohl es innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert darstellt,
steht allerdings auch dieses Recht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter
Gesetzesvorbehalt. Auch in das Grundrecht auf Leben kann deshalb auf der
Grundlage eines förmlichen Parlamentsgesetzes eingegriffen werden. Voraussetzung
dafür ist aber, ... nach Art. 19 Abs. 2 GG den Wesensgehalt des Grundrechts
unangetastet lassen und darf auch sonst den Grundentscheidungen der Verfassung
nicht widersprechen.
...
Das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete
Grundrecht auf Leben steht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter dem Vorbehalt des
Gesetzes. Das einschränkende Gesetz muss aber seinerseits im Lichte dieses
Grundrechts und der damit eng verknüpften Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs.
1 GG gesehen werden. Das menschliche Leben ist die vitale Basis der
Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert.
Jeder Mensch besitzt als Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine
Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und
seinen sozialen Status. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist
aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt. Das gilt unabhängig auch von
der voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen Lebens. ...
Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und
Menschenwürde einerseits untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen
das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben
einzugreifen. Andererseits ist er auch gehalten, jedes menschliche Leben zu
schützen. Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen Organen, sich
schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen zu stellen; das heißt vor
allem, es auch vor rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu
bewahren...
Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen nicht nur vor
Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen durch
Dritte oder durch den Staat selbst. Ausgehend von der Vorstellung des
Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich
selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen
kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit
Eigenwert anerkannt zu werden, schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum
Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt
des Staates zu machen. Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des
Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status
als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt, indem sie die Achtung des
Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines
Personseins, zukommt...
In dieser Extremsituation, die zudem durch die
räumliche Enge eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs geprägt ist, sind
Passagiere und Besatzung typischerweise in einer für sie ausweglosen Lage. Sie
können ihre Lebensumstände nicht mehr unabhängig von anderen selbstbestimmt
beeinflussen.
Dies macht sie zum Objekt nicht nur der Täter. Auch der
Staat, der in einer solchen Situation zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG
greift, behandelt sie als bloße Objekte seiner Rettungsaktion zum Schutze
anderer. Die Ausweglosigkeit und Unentrinnbarkeit, welche die Lage der als Opfer
betroffenen Flugzeuginsassen kennzeichnen, bestehen auch gegenüber denen, die
den Abschuss des Luftfahrzeugs anordnen und durchführen. Flugzeugbesatzung und
-passagiere können diesem Handeln des Staates auf Grund der von ihnen in keiner
Weise beherrschbaren Gegebenheiten nicht ausweichen, sondern sind ihm wehr- und
hilflos ausgeliefert mit der Folge, dass sie zusammen mit dem Luftfahrzeug
gezielt abgeschossen und infolgedessen mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit getötet werden. Eine solche Behandlung missachtet die
Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten.
Sie
werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird,
verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen
einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen
Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen
zukommt...
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist allein
entscheidend, dass der Gesetzgeber nicht durch Schaffung einer gesetzlichen
Eingriffsbefugnis zu Maßnahmen der in § 14 Abs. 3 LuftSiG geregelten Art
gegenüber unbeteiligten, unschuldigen Menschen ermächtigen, solche Maßnahmen
nicht auf diese Weise als rechtmäßig qualifizieren und damit erlauben darf. Sie
sind als Streitkräfteeinsätze nichtkriegerischer Art mit dem Recht auf Leben und
der Verpflichtung des Staates zur Achtung und zum Schutz der menschlichen Würde
nicht zu vereinbaren...
Auch die Einschätzung, diejenigen, die sich als
Unbeteiligte an Bord eines Luftfahrzeugs aufhalten, das im Sinne des § 14 Abs. 3
LuftSiG gegen das Leben anderer Menschen eingesetzt werden soll, seien ohnehin
dem Tode geweiht, vermag der mit einer Einsatzmaßnahme nach dieser Vorschrift im
Regelfall verbundenen Tötung unschuldiger Menschen in einer für sie ausweglosen
Lage nicht den Charakter eines Verstoßes gegen den Würdeanspruch dieser Menschen
zu nehmen. Menschliches Leben und menschliche Würde genießen ohne Rücksicht auf
die Dauer der physischen Existenz des einzelnen Menschen gleichen
verfassungsrechtlichen Schutz. Wer dies leugnet oder in Frage stellt, verwehrt
denjenigen, die sich wie die Opfer einer Flugzeugentführung in einer für sie
alternativlosen Notsituation befinden, gerade die Achtung, die ihnen um ihrer
menschlichen Würde willen gebührt.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt
auch nicht die Annahme, wer an Bord eines Luftfahrzeugs in der Gewalt von
Personen festgehalten werde, die das Luftfahrzeug im Sinne des § 14 Abs. 3
LuftSiG als Tatwaffe gegen das Leben anderer Menschen einsetzen wollen, sei
selbst Teil dieser Waffe und müsse sich als solcher behandeln lassen. Diese
Auffassung bringt geradezu unverhohlen zum Ausdruck, dass die Opfer eines
solchen Vorgangs nicht mehr als Menschen wahrgenommen, sondern als Teil einer
Sache gesehen und damit selbst verdinglicht werden. Mit dem Menschenbild des
Grundgesetzes und der Vorstellung vom Menschen als einem Wesen, das darauf
angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen, und das deshalb nicht zum
reinen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf, lässt sich dies nicht
vereinbaren.
Die Anordnung und Durchführung der unmittelbaren Einwirkung
auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt nach dieser Vorschrift lässt außer
Betracht, dass auch die in dem Luftfahrzeug festgehaltenen Opfer eines Angriffs
Anspruch auf den staatlichen Schutz ihres Lebens haben. Nicht nur, dass ihnen
dieser Schutz seitens des Staates verwehrt wird, der Staat greift vielmehr
selbst in das Leben dieser Schutzlosen ein. Damit missachtet jedes Vorgehen nach
§ 14 Abs. 3 LuftSiG, wie ausgeführt, die Subjektstellung dieser Menschen in
einer mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise und das daraus für den
Staat sich ergebende Tötungsverbot. Daran ändert es nichts, dass dieses Vorgehen
dazu dienen soll, das Leben anderer Menschen zu schützen und zu erhalten.
Schlussspruch: das Gesetz ist nichtig.
Dafür fand das BVerfG noch
etliche andere Gründe, die aber imho philosophisch nicht so interessant sind.
Dennoch lohnt es sich, sich dieses natürlich staubtrockene und nüchterne Ding
mal zu Gemüte zu führen:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060215_1bvr035705.html
Jetzt, in der Zusammenfassung, fällt mir auf, dass das Verfahren im Grunde
den menschlichen ethischen Entscheidungen entspricht. Man erwählt eine auf eine
konkrete Situation hin ausgerichtete Handlungsmöglichkeit. Die
Handlungsmöglichkeit ist vernünftig und dient durchaus nicht als negativ
bewerteten Zielen. Es wurde auch (fast) alles gründlich bedacht, was den
Sachverhalt betrifft, in der Abwägung denkt man, in Ordnung, mache ich das.
Und dann kommt die humane Ethik und sagt nein.
Nun, das BVerfG
begründet das. Was es aber nicht mehr begründen kann, ist das Grundprinzip: die
Würde des Menschen ist unantastbar.
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
03. Sept. 2006, 21:10 Uhr
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Hallo allerseits,
ein paar verstreute Gedanken.
Bevor man sich der
Frage zuwendet: "Warum soll man moralisch handeln?" muss man die Frage
beantwortet haben "Ist so etwas wie Moral (im Sinne eines Systems von
Verhaltensregeln, die von allen einzuhalten sind) überhaupt nötig?"
Meine
Antwort darauf ist:
Das, was die verschiedenen Menschen wollen, ist
nicht immer miteinander vereinbar, es kann zum Konflikt kommen. Um diese
Konflikte nicht durch Gewalt entscheiden zu lassen (Recht des Stärkeren), muss
das Verhalten in solchen Konfliktsituationen geregelt werden.
Viele Ziele
kann man nur in Kooperation und Koordination mit anderen erreichen. Auch dazu
braucht man Regeln.
Es gibt meist mehrere Möglichkeiten der Regelung.
Deshalb kann es über die kollektiv zu wählende Regelung verschiedene Meinungen
geben. Ein zentrales Problem jeder Gesellschaft ist die Art und Weise, wie die
Auswahl der einzuhaltenden Regeln erfolgt.
Für die Frage, wie man für oder
gegen bestimmte Regeln argumentieren kann, ist nicht zuletzt die (Meta-)Ethik
oder Moralphilosophie zuständig.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
03. Sept. 2006, 22:29 Uhr
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Hi Eberhard,
wenn Du von Moral und Regeln sprichst, habe ich immer die
internationale politische Landschaft im Kopf.
Wir sind alle Menschen,
also von gleicher Art. Es ist kein unlösbar schweres Problem, uns auf die
universale Gültigkeit höchstens einer Hand voll Normen zu einigen. Oder, besser
gesagt, Grundwerte. Schau, das BVerfG braucht letzlich nur einen einzigen, die
Unantastbarkeit der Menschenwürde. Auch wenn es seine Entscheidung mit Hilfe
wissenschaftlicher juristischer Dogmatik (Dogmatik gilt bei denen als
Gütezeichen!) untermauert und andere Grundrechte als Kontext zur Interpretation
des Grundwertes heran zieht, im Notfall würde der Grundwert alleine genügen. Die
Möglichkeit, dass alle Menschen sich auf wenige universale Grundwerte einigen,
die besteht alle Mal; zumal es ja bereits die UN-Deklaration der Menschenrechte
gibt, ein Konsens auch unter Feinden.
Für ein Problem allerdings sehe ich
keine philosophische Lösung: die Rechtssicherheit. Selbst das drakonischste
Recht sehen die Menschen als besser an denn gar keins. Siehe die Verbreitung der
aus dem 7. Jahrundert stammenden Scharia. Schon im islamischen Mittelalter
längst aufgrund gesellschaftlicher Wandlungen modifiziert, kehrt sie in ihrer
urspünglichen Gestalt zurück. Wieder wird verlangt, notorischen Dieben die Hand
abzuhacken, obwohl es längst Gefängnisse gibt. Gehen wir davon aus, dass die,
die das verlangen, eine andere Art Menschen sind, sind wir empört und schütteln
den Kopf. Gehen wir aber davon aus, dass sie sich trotz unterschiedlicher
Lebensbedingungen im Kern nicht sonderlich von uns unterscheiden, dann können
wir fragen, ob sie dafür nicht vielleicht vernünftige Gründe haben. Diesen
vernünftigen Grund sehe ich in der mangelnden Rechtssicherheit. Wenn, je nach
Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsschicht, die Gesetze das Papier nicht wert
sind, auf dem sie geschrieben stehen, dann sind heute als barbarisch empfundene
Gesetze, für die man die Unantastbarkeit des Heiligen beanspruchen kann, immer
noch besser, als unberechenbarer Willkür aus der eigenen Gesellschaft
unterworfen zu sein. Beanspruchen kann man vor allem vor sich selber, dass man
diese Gewaltmaßnahmen zum Schutz der schlichtesten und allgemein anerkannten
Normen ausüben darf, dass es gut und richtig und moralisch ist. Und auch damit
haben sie Recht: es ist unmoralisch und nicht zu billigen, Leuten, die selber
kaum was haben, das Wenige auch noch straflos wegzustehlen.
Wie aber ist
das Problem im internationalen Maßstab zu lösen? Wie schützt man sich in dieser
Rechtlosigkeit, denn die haben wir dort (bzw. Rechtsverletzungen werden nur bei
einigen geahndet, wie in einer Bananenrepublik)? Wie in jeder Favella auch:
einigeln, bewaffnen und 'Bullen' hinterrücks abschießen. Von hinten durch die
Brust ins Auge. Bis sie sich nicht mehr reintrauen. Normal.
Hast Du ne
Lösung?
Mehr als "versuchen wir's mal mit Ächtung" fällt mir nicht ein.
In gut organisierten Gesellschaften unter friedlichen Bedingungen hingegen
stellt sich ein anderes Problem
Die Grundwerte sind hauptsächlich Veto-Macht.
Eine Norm, die dem Grundwert widerspricht, wird für nichtig erklärt. Darüber
hinaus bieten sich jede Menge Freiheiten, die Gesellschaft mit Hilfe von Normen
bewußt zu gestalten. Die Frage also nach den positiven Normen. Die Zukunft
meiner Gesellschaft zu gestalten. Was das betrifft, würde ich - vage und
provisorisch, vorbehaltlich tieferer Untersuchungen also - auf die Frage "warum
soll man moralisch handeln" antworten, einerseits, um Solidarität mit meinen mir
gleichwertigen Mitmenschen in meiner Gesellschaft zu üben, andererseits aber,
und da fällt mir jetzt ein, das die weithin grassierende Staatsverdrossenheit,
die im Prinzip schwer undemokratische Froschperspektive des "ihr Bonzen da oben,
wir Schmuddelkinder hier unten" (leeven Jott, wat bau ich heute wieder für
schauerliche Schachtelsätze!), dass also diese Staats- und Politikverdrossenheit
mit der ebenso grassierenden Ablehnung jeglicher Moral einher gehen könnte. Denn
wenn ich jede Moral ablehne, verzichte ich darauf, meine Gesellschaft mit zu
gestalten. Durch die Mitgestaltung der Moral. Damit überlasse ich aber die
Gestaltung der Gesellschaft anderen. Und fühle mich - selffulfilling prophecy -
in meiner ablehnenden Haltung zu jeglicher Moral bestätigt, denn ich kann nicht
erwarten, dass die moralische Normen nach meinem Geschmack anlegen und nicht
nach ihrem.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
04. Sept. 2006, 09:43 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Abrazo,
ein Hinweis vorweg: Ich kann
leichter auf einen Beitrag eingehen, wenn darin ein, zwei Punkte angesprochen
werden. Mit sehr langen Beiträgen, die zu mehreren verschiedenen Punkten
Stellung nehmen, habe ich meine Schwierigkeiten.
Du sprichst das Problem
an, dass die besten Normen (also einzuhaltende soziale Regeln) nichts taugen,
wenn sie nicht eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang noch einige
Gedanken zum "Zwangscharakter" der Moral, der für einige Diskussionsteilnehmer
offenbar ein rotes Tuch ist, weshalb schon das Wort "sollen" für sie ein
Reizwort ist.
Angenommen, eine Gemeinschaft ist sich darin einig, dass es
für alle gemeinsam das Beste ist, wenn verbrauchte Batterien und Akkus wegen der
giftigen Schwermetalle auf besonders gesicherte Deponien gebracht werden.
Obwohl alle gemeinsam der Norm zustimmen können: "Batterien gehören nicht in
den Hausmüll" bleibt es für jeden Einzelnen dennoch vorteilhafter und bequemer,
sie einfach in die Mülltonne zu schmeißen. Es wäre vergeblich, hier an das
weitsichtige Eigeninteresse zu appellieren, denn für Peter Müller ist die
Regelung "Niemand darf seine Altbatterien in den Hausmüll werfen außer mir,
Peter Müller" vorteilhafter als die Regelung "Niemand darf seine Altbatterien in
den Hausmüll werfen".
Sicherlich wäre eine Regelung mit einer Ausnahme
für Peter M. nicht allgemein akzeptabel sondern würde als ungerecht angesehen.
Denn Peter M. würde die Vorteile der Regelung in Anspruch nehmen (keine
Vergiftung des Grundwassers), ohne die Nachteile (höherer Entsorgungsaufwand)
mitzutragen.
Es ist also keineswegs widersprüchlich sondern man handelt
rational (im Sinne von "den eigenen Zielen entsprechend"), wenn man (unbemerkt)
gegen diejenige Regel verstößt, die man selber als die für alle gemeinsam beste
Regelung hält.
Man handelt damit allerdings nicht moralisch (d. h. gemäß
den einzuhaltenden Regeln) und auch nicht "vernünftig" (weil man hinter die
Einsicht zurückfällt, dass Regeln notwendig sind, die für alle gelten und von
allen anerkannt werden können).
Wer nicht moralisch handelt, der
praktiziert eine ungerechte Regel mit persönlichen Ausnahmen.
Wenn die
ursprüngliche Regel von anderen (ungestraft) missachtet wird, dann ist der
Regeltreue "der Dumme" und er wird sich irgendwann ebenfalls nicht mehr an diese
Regel gebunden fühlen. Und wenn der Schlendrian erstmal eingerissen ist, kann
das Vertrauen in die Normtreue der andern nur schwer wieder hergestellt werden
("Die andern machen es ja genauso!"). Deshalb heißt es hier: "Wehret den
Anfängen!"
Warum also soll man moralisch handeln?
Weil
unmoralisches Handeln die Regel zerstört, von der man selber weiß, dass diese
Regel die für alle gemeinsam beste ist.
Um das zu verhindern, muss dem
Eigeninteresse an der Normverletzung durch eine Strafandrohung bei
Normverletzung entgegengewirkt werden,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 04. Sept. 2006, 11:25 Uhr
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Hallo Eberhard,
nur ein kurzer Einwurf.
Quote:Weil
unmoralisches Handeln die Regel zerstört, von der man selber weiß, dass diese
Regel die für alle gemeinsam beste ist.
Um das zu verhindern, muss dem
Eigeninteresse an der Normverletzung durch eine Strafandrohung bei
Normverletzung entgegengewirkt werden.
Du begreifst Moral im
Grunde nicht anders als das (Zwangs-) Recht. Moralische Normen sind für Dich
primär explizite Imperative. Es gilt "Gleiches Recht für alle!", und den
gleichbemessenen Freiheitsspielräumen jedes einzelnen stehen Sanktionen für die
Überschreitung gegenüber.
Mit diesem Konzept von Moral kannst Du so
etwas wie "eingelebte", "verinnerlichte" - und darum zwanglose - Lebensformen
ohne explizite Soll-Vorschriften gar nicht in den Blick bekommen. Aber diese,
behaupte ich, sind die Grundlage jedes expliziten Norm-Systems, also des Rechts
und - bei Dir - auch der Moral.
Eine Moralbegründung, die diese
Grundlage nicht zur Kenntnis nimmt bzw. für sie keinen Platz hat, ist
unvollständig und - unrealistisch.
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
04. Sept. 2006, 13:55 Uhr
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Joy, Du hattest erklärt, dass Du keine Texte mehr in diese Diskussionsrunde
einstellen wirst. Bitte halte Dich daran!
p.s. 04.09. Danke für die
Löschung!
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
04. Sept. 2006, 17:35 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Urs,
Du sprichst von "eingelebten",
"verinnerlichten" Lebensformen ohne explizite Soll-vorschriften. Diese seien die
Grundlage jedes expliziten Norm-Systems.
Ich habe bereits gesagt, dass
ich auf Deine Aussagen nur schwer eingehen kann, solange nicht konkreter gesagt
wird, auf was Du Dich im Einzelnen beziehst.
Ich bin mir völlig im
Klaren, dass Homo sapiens und dessen Vorfahren in überschaubaren Gemeinschaften
(Horden) gelebt haben, die sich aus einzelnen Familien zusammensetzten – so wie
es heute noch die wenigen übrig gebliebenen Gorillas tun.
Schon unsere
affenähnlichen Vorfahren kooperierten (z. B. bei der Bekämpfung von Feinden),
sie koordinierten ihre Aktivitäten (z. B. beim Entfernen von Ungeziefer aus dem
Rückenfell des andern), sie begrüßten freudig Angehörige der eigenen Gruppe bei
Rückkehr nach längerer Abwesenheit, als Eltern ließen sie ihre Nachkommen
geduldig herumtoben, sie versorgten die Kleinen mit Nahrung usw. Hanspeter hat
ja bereits auf diese Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Primaten hingewiesen.
Da ich bei den Affen noch keine moralphilosophischen Überlegungen ausmachen
kann, muss das Zusammenleben in einer Gruppe nach bestimmten Regeln folglich
tiefer im Menschen verankert sein als die Vernunft. Der Mensch wird also nicht
erst durch einen rational kalkulierten Gesellschaftsvertrag oder ähnliches zum
sozialen Wesen.
Zu nennen sind die nicht zu unterschätzenden
Gefühlsbindungen innerhalb der Familie, die Liebe und Verbundenheit zwischen
Mann und Frau, die elterliche Liebe zu den Kindern und die kindliche Liebe zu
den Eltern. Bindungen der weiteren Verwandtschaft aufgrund gemeinsamer
Vorfahren, das Mitleid mit anderen, das besonders starke Gefühl der
Hilfsbereitschaft gegenüber kleinen Kindern (Kindchenschema), die Identifikation
mit der eigenen Gruppe in Form eines "Wir-Gefühls, das Gefühl der
Zusammengehörigkeit, das durch gemeinsame Sprache und Dialekt hervorgerufen
wird, die kulturellen Gemeinsamkeiten in den Festen und ihren Zeremonien.
All diese Eigenschaften des Menschen bewirken eine Identifikation mit den
anderen und der Gemeinschaft, die eine Orientierung an den eigenen Interessen in
den Hintergrund drängen. Über die Identifikation mit den Eltern vollzieht sich
der Sozialisierungsprozess, erfolgt die "Verinnerlichung" der tradierten Werte
und Normen. (Lernen durch Nachahmen, Rollenspiel der Kinder 'Vater, Mutter,
Kind').
Diese angeborenen Identifkationsmechanismen (Liebe, Mitleid,
Sympathie, Vorbild-Orientierung) erleichtern das Zusammenleben und entlasten die
Moral. Aber gerade in den heutigen, weithin anonymen Großgesellschaften mit
ihren religiösen und ethnischen Subkulturen können diese Mechanismen nur
begrenzt wirksam werden. Hier geht es um Interessen, sei es von Einzelnen oder
gesellschaftlichen Gruppen, und um die notwendige Regelung möglicher Konflikte.
Hier ist Vernunft gefragt, die ihren Beitrag zur "Verinnerlichung" von
Werten und Normen leisten kann, indem sie die Notwendigkeit und die Richtigkeit
bestimmter Regeln des Zusammenlebens begründen kann.
Es grüßt alle
Interessierten Eberhard.
p.s.: Das große Interesse, auf das diese bisher
störungsfreie Diskussionsrunde stößt (mehr als 1,700 Hits in knapp 2 Wochen) ist
offenbar einigen ein Dorn im Auge.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04.
Sept. 2006, 17:41 Uhr
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Hallo Eberhard,
on 09/02/06 um 12:33:36, Eberhard wrote:Du bist der
Ansicht, dass sich eine moralische Regel wiederum nur durch Ableitung aus einer
anderen moralischen Regel begründen lässt. Deshalb kommst du zu dem Schluss,
dass ich mit dem Kriterium des "argumentativen Konsens" praktisch eine
unendliche Kette von Begründungen verlange.
.....
Das sehe ich anders.
Wenn ich eine moralische Norm daraufhin untersuche, ob sie von allen gemeinsam
gewollt werden kann, dann wende ich nicht nur moralische Normen an sondern
zusätzlich methodologische Normen.
In ähnlicher Weise verhält es sich
bei normativen Sätzen. Die methodologische Regel "Prüfe die behauptete Norm
daraufhin, ob ihr alle Individuen gemeinsam zustimmen könnten " erfordert keinen
unendlichen Regress.
Ich stimme Dir zu. Die Überprüfung, ob eine
behauptete Norm allgemein konsensfähig ist, bedeutet keinen unendlichen Regress.
Wenn Du solch eine Norm gefunden hast - für eine Gemeinschaft oder gar für alle
Menschen, dann kann sie eine praktikable Grundlage für ein gemeinsames
Moralsystem bilden. Ausgehend von dieser Norm können dann manche Handlungen als
moralisch oder unmoralisch gelten, je nachdem sie die Regeln, die durch diese
Norm direkt oder indirekt gesetzt werden, verletzen oder nicht.
Mein
Punkt ist nur: diese Norm selber, auch wenn sich alle Menschen auf sie einigen,
ist dadurch weder richtig noch falsch. Und jederzeit kann jemand über diese Norm
nachdenken und fragen: warum soll ich dieser Norm folgen?
Gemeinsame
moralische Grundsätze oder Normen fördern normalerweise die friedliche
Kooperation der Menschen, die sie miteinander teilen. Und das ist selbst ein
Grundwert, den ich sehr schätze. Deshalb halte ich die Suche nach gemeinsamen
Spielregeln, die auch unterschiedlichste Kulturen untereinander einhalten
könnten, für wichtig.
Aber die Grundwerte selbst stehen außerhalb der
Moral: diese wird durch jene erst gesetzt.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Sheelina am
04. Sept. 2006, 18:00 Uhr
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Hallo zur Zeit ungestörte Runde und liebe Leser!
on 09/04/06 um
17:35:23, Eberhard wrote:p.s.: Das große Interesse, auf das diese bisher
störungsfreie Diskussionsrunde stößt (mehr als 1,700 Hits in knapp 2 Wochen) ist
offenbar einigen ein Dorn im Auge.
Da muss ich leider
enttäuschen. Diese Angabe ist in diesem Forum ganz normaler Durchschnitt, also
nicht von einem besonderen Interesse bei Lesern auszugehen. Wem ein solcher
Durchschnitt ein Dorn im Auge sein soll, ist mir schleierhaft. Überhaupt wie man
darauf in einem Philosophieforum besonderes Gewicht legen kann.
Nur mal
so zur nettgemeinten Klarstellung, damit hier keiner unter Einbildung leiden
braucht. :-)
viele Grüße
Sheelina
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04.
Sept. 2006, 18:29 Uhr
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Hallo Eberhard
zu meinem Beispiel bzgl. Versprechen gegenüber einem
Verstorbenen.
Quote:Mir ist aufgefallen, dass die Frau eigentlich
keine moralische Argumente vorträgt, .......Ich sehe nicht, wie diese Argumente
eine allgemeine Anerkennung finden könnten. Ich sehe Millionen von Leuten, die
eine bessere Verwendung für das fremde Geld hätten,.....
Du gehst
davon aus, daß eine moralische Haltung nur dann gültig sein kann, wenn sie
zumindest theoretisch allgemeine Anerkennung finden kann. Ich sehe das nicht.
Wenn die Frau ihrer Familie gegenüber eine stärkere moralische Verpflichtung
empfindet, als den Fremden, dann sind das eben ihre Werte. Ich hatte es nicht
explizit ausgeführt. Sagen wir: "Du sollst in erster Linie für das Wohl
derjenigen sorgen, die Du liebst"
Quote:Auch der Mann argumentiert
eigentlich nur schwach moralisch, .......Wenn man Versprechen halten soll, dann
ist er doch verpflichtet, das Geld nach dem Willen des Eigentümers zu verwenden
und wie versprochen weiter zu geben. Wie will er hier für eine Ausnahme
plädieren?
Ich habe mein Beispiel nochmal gelesen. Er plädiert nicht
für eine Ausnahme. Für den Mann hat "Du sollst Deine Versprechen halten" seinen
moralischen Wert. Er hat nur kein rationales Gegenargument gegen die Moral
seiner Frau "Du sollst für das Wohl derjenigen sorgen, die Du liebst".
Die
beiden Moralsysteme widersprechen sich einfach.
Quote:Ich kann also
auch in Deinem Beispiel nicht die Problematik des infiniten Regresses erkennen
und sehe keine unlösbaren Widersprüche.
Ich hoffe, ich konnte den
Widerspruch zwischen F und P etwas verdeutlichen.
Zum infiniten Regress:
ich hatte dich mißverstanden und gedacht, daß die Forderung des "argumentativen
Konsens" auch darin besteht, daß jede moralische Position begründbar sein muß,
unabhängig ob darüber schon ein allgemeiner Konsens besteht oder nicht. Wenn Du
jeden Wert, auch den grundlegendsten, begründen willst, kommst Du m.E. schon in
einen infiniten Regress.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04.
Sept. 2006, 19:31 Uhr
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Hallo Abrazo
on 09/02/06 um 14:07:23, Abrazo wrote:Hi,
dient
lediglich der Verdeutlichung, dass ein moralischer Konsens nicht so ohneweiteres
herstellbar ist.
Das ist auch nicht nötig, Hel, siehe Urs. Der besteht
nämlich längst (siehe auch meine Äußerungen im Thread "Vertrauen"). Denn auf
diesen Konsens vertrauen wir, auch wenn einige ihn nicht einhalten.
Ich finde den Beitrag von urs auch gut. Eine Gemeinschaft könnte wahrscheinlich
gar nicht existieren, wenn sich durch das Zusammenleben nicht ein gewisser
Grundkonsens einstellt (Vielleicht ist das auch eine der wenigen positiven
Funktionen von Religion?). Aber selbst innerhalb einer engen Gemeinschaft ist er
kaum vollständig und läßt in den nicht ganz zentralen Punkten verschiedene
Auffassungen zu. Und zwischen verschiedenen Kulturen ist der Grundkonsens
wesentlich geringer, vielleicht auch gar nicht vorhanden.
Quote:Dir, Hel,
liefere ich ein anderes Beispiel, das mir gerade wieder über den Weg gelaufen
ist.
..... Ich denke, es trifft diesen Grund, wenn ich sage, in ihren Augen
wäre es unmoralisch gewesen.
Die Frage, warum soll man moralisch handeln,
stellte sich ihr nicht. Sie handelte so, fertig. Was findest Du als
Letztbegründung beim Überdenken der Möglichkeit, den Mann in ein Heim zu geben?
Vernunft? Weitreichenden Egoismus?
Ich erkenne nur das ethische Nein.
Du rennst mit Deiner Argumentation bei mir offene Türen ein.
Nur:
warum bestehst Du immer auf der negativen Formulierung? Ist nicht das Nein zum
Heim auch das Ja zur inneren Verpflichtung, den Mann bei sich im Hause zu
pflegen?
Und dann noch:
wer sich in einer identischen Situation dazu
entschließt, ja zum Heim und Nein zur häuslichen Pflege zu sagen, handelt
deswegen nicht zwingend unmoralisch. Wer die Verpflichtung zur Selbstaufopferung
nicht spürt, hat einfach anderes Moralempfinden.
Eigentlich seltsam,
moralische Werte kann nur der verletzen, der sie auch besitzt.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04.
Sept. 2006, 20:33 Uhr
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Hallo Abrazo
on 09/03/06 um 22:29:04, Abrazo wrote:zumal es ja bereits
die UN-Deklaration der Menschenrechte gibt, ein Konsens auch unter Feinden.
Widersprechen sich die Menschenrechte und einige Interpretationen der
Scharia in manchen islamischen Staaten nicht? Ähnliches gilt auch für viele
Diktaturen weltweit. Wie kann man da von Konsens sprechen?
Quote:.....Wieder wird verlangt, notorischen Dieben die Hand abzuhacken, obwohl
es längst Gefängnisse gibt.
....dann können wir fragen, ob sie dafür nicht
vielleicht vernünftige Gründe haben. Diesen vernünftigen Grund sehe ich in der
mangelnden Rechtssicherheit.
Wenn, je nach Zugehörigkeit zu einer
Bevölkerungsschicht, die Gesetze das Papier nicht wert sind, auf dem sie
geschrieben stehen, dann sind heute als barbarisch empfundene Gesetze, für die
man die Unantastbarkeit des Heiligen beanspruchen kann, immer noch besser, als
unberechenbarer Willkür aus der eigenen Gesellschaft unterworfen zu sein.
Irgendwo hat der Gedankengang einen Bruch. Warum sollen bei
Rechtsunsicherheit, wo schon die bestehenden Gesetze nicht eingehalten werden
oder mißbräuchlich verwendet, die wesentlich strengeren Gesetze Abhilfe
schaffen? Die Gefahr, daß jemand zu Unrecht verurteilt wird hat sich dann nicht
gemindert, aber die möglichen Folgen werden durch die größere Grausamkeit der
Gesetze schlimmer. Das Problem liegt ja an der Willkür der Regierung und/oder
korrupten Verwaltung aber nicht am Gesetzestext.
Ich glaube daß es anders
ist: die Leute erhoffen von einer islamischen Regierung mehr Gerechtigkeit als
von der jew. bestehenden Diktatur und mit dem Islamismus wird eben auch die
Scharia eingekauft.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
05. Sept. 2006, 10:55 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo hel,
Du schreibst:
"Mein Punkt ist nur:
diese (allgemein konsensfähige) Norm selber, auch wenn sich alle Menschen auf
sie einigen, ist dadurch weder richtig noch falsch. Und jederzeit kann jemand
über diese Norm nachdenken und fragen: warum soll ich dieser Norm folgen?"
Ich habe das Gefühl, dass ich mich noch nicht richtig verständlich
machen konnte. Deshalb ein etwas ausführlicherer Versuch, meine Position
dazulegen, um auf Deine Einwände einzugehen. Da Du mit der Methodologie der
Erfahrungswissenschaften offensichtlich vertraut bist, will ich meinen
Gedankengang in Parallele dazu erläutern. Ich werde mich bemühen, den
Gedankengang in seinen einzelnen Teilschritten darzulegen, damit für jeden klar
ist, welcher Gedankenschritt für ihn nachvollziehbar ist und welcher nicht.
.
Als Ausgangspunkt nehme ich einmal eine positive (auf das Gegebene
bezogene) Aussage "Goethe starb 1832" und eine normative (auf das Gesollte
bezogene) Aussage: "Die Kriegserklärung der USA gegen den Irak ist moralisch zu
verurteilen".
Beide Aussagen können behauptet werden, also mit dem
Anspruch auf Richtigkeit geäußert werden.
"Richtig" bedeutet dabei
"richtig für alle" (intersubjektiv richtig) und "dauerhaft richtig"
(intertemporal richtig). Statt zu sagen "für alle und dauerhaft richtig" sage
ich auch kurz "allgemein richtig".
Zum Sinn des Wortes "Richtigkeit"
gehört ein Geltungsanspruch. Das, was richtig ist, soll man übernehmen und
seinem eigenen Denken und Handeln zu Grunde legen.
Ein allgemeiner
(intersubjektiver und intertemporaler) Geltungsanspruch bezüglich einer
Behauptung kann mit oder ohne Begründung erhoben werden. Unter der "Begründung"
einer Behauptung verstehe ich dabei die Angabe von anderen – als akzeptabel
vermuteten – Sätzen (Argumenten), aus denen sich logisch oder unmittelbar
einsichtig die zu begründende Behauptung ergibt.
Begründet wird immer
gegenüber Personen. Ein Argument ist dann für eine Person "akzeptabel", wenn die
Person das Argument nachvollziehen und aus freier Einsicht übernehmen kann.
Die Nachvollziehbarkeit eines Argumentes wird nicht dadurch beeinträchtigt,
dass eine Person das Argument nicht nachvollziehen kann, weil sie das Argument
nicht versteht.
Ich spreche von einer "wissenschaftlichen" Behauptung,
wenn der Geltungsanspruch in Bezug auf diese Behauptung nur insoweit erhoben
wird, als allgemein akzeptable Argumente dafür vorliegen.
Behauptungen
mit allgemeinem Geltungsanspruch nenne ich "dogmatisch", wenn dieser Anspruch
nicht durch Argumente eingelöst wird.
Wenn gegenüber einer Person eine
dogmatische Behauptung geäußert wird, (deren Geltungsanspruch also nicht
akzeptabel begründet wird), so ist diese Behauptung für die betreffende Person
nicht zu unterscheiden von einer Forderung nach Glauben (im Falle von positiven
Aussagen) oder Gehorsam (im Falle von normativen Aussagen).
Behauptungen,
die allgemein akzeptabel begründet sind, kann jeder (Verständige) zustimmen. Ich
nenne solche Behauptungen auch "argumentativ konsensfähig", denn über sie lässt
sich allein durch Argumentation Übereinstimmung herstellen.
Über positive
Aussagen lässt sich durch logische Argumentation und durch den HInweis auf
gemachte Wahrnehmungen in Bezug auf viele Aussagen ein argumentativer Konsens
herstellen, dank der auf intersubjektive Nachprüfbarkeit angelegten Methoden der
Erfahrungswissenschaften.
In Bezug auf die normativen Aussagen kann von
einer auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit angelegten Methodik bisher kaum
gesprochen werden.
Vielleicht ist Dir in der Gegenüberstellung mit der
Erfahrungswissenschaft klarer geworden, warum das Kriterium der Konsensfähigkeit
für mich kein Grundwert unter anderen wie z. B, Gesundheit, Frieden, Wohlstand,
Gleichheit etc. ist, sondern gewissermaßen das Kriterium der Richtigkeit selber.
Natürlich kann jeder eine allgemein konsensfähige Norm wieder in Frage stellen,
so wie er auch jederzeit eine gut bestätigte positive Aussage wieder in Zweifel
ziehen kann. Aber dann sind ja die Argumente da, die die Konsensfähigkeit
begründen.
Gegen ein häufiges Missverständnis: Mit "konsensfähig" ist
nicht gemeint, dass faktisch eine einstimmige Zustimmung vorliegt. Auch die
hochgradig konsensfähigen Ergebnisse der Naturwissenschaften finden faktisch
keine einmütige Zustimmung. Trotzdem gibt es dort für Verständige einen stetigen
Erkenntnisprozess.
Soviel erstmal (hoffentlich nicht zuviel) von
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 05. Sept. 2006, 14:44 Uhr
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Hallo Eberhard!
Um auf Deine Fragen zu antworten, möchte ich zuerst noch
im Allgemeinen näher erläutern, wie sich reflexive Normbegründung und
präreflexive Geltung von Normen zu einander verhalten. Dazu zwei Selbstzitate.
Ich hatte geschrieben:
Quote:Aber irgendwo muss der Scheck der
Konsensfähigkeit durch einen faktischen Konsens gedeckt sein, denn er muss ja im
faktischen, gemeinsamen, normenkonformen Handeln eingelöst werden. Erst da zeigt
sich, was eine vernünftige Begründung wert ist.
Und in einem anderen
Beitrag:
Wenn es nun um Normen, Zwecke oder "Werte" geht, so nenne
ich sie "gesetzt", wenn sie in der Reflexion erkannt und als "gültig" erklärt
werden. Solange man über Normen oder Zwecke nur nachdenkt/diskutiert, hat man
sie noch nicht "in Geltung gesetzt" oder "beschlossen".
In der
Reflexion - z.B. in einer Diskussion über die Frage: „Wie soll ich im Fall X
handeln?“ – werden Normen virtualisiert. Die gegebenen Antworten sind nur
Vorschläge, für die dies oder jenes spricht. Gesetzt, eine Diskussionsrunde
einigte sich auf eine bestimmte Antwort, so wird daraus doch erst eine gültige
Norm, wenn sie in einem von der Begründung gesonderten Schritt „beschlossen und
verkündet“ wird, d.h. wenn die Beteiligten ausdrücklich ihren gemeinsamen
„Willen“ erklären, dass die vorgeschlagene Norm ab jetzt befolgt werden soll.
Erst dann gilt diese Norm faktisch.
Die „Geltung“ einer Norm umfasst
also zwei Momente, die durch die Reflexion von einander getrennt werden: ein
kognitives Moment und ein „volitives“ Moment. In einer Diskussion um die
Begründung der Norm wird das kognitive Moment isoliert; die Willenserklärung
kommt dadurch als gesonderter Schritt im Verfahren zur Abhebung. So wird klar:
Die beste Begründung der Norm – dass sie von allen möglichen Subjekten gewollt
werden kann - macht eine Norm noch nicht gültig. Gültig wird die Norm erst, wenn
sie faktisch gewollt wird, und zwar von empirischen Subjekten, die niemals „alle
möglichen“ sind, sondern immer nur abzählbar viele.
Wie verhält es
sich mit der Dualität des Kognitiven und des Volitiven bei Normen, die auf
unreflektierte Weise gelten? Das wären Normen, die in einer bestimmten
Gesellschaft niemals angezweifelt wurden, so dass auch niemand Fragen danach
beantworten musste, warum diese Regel von jedermann befolgt werden solle. Die
Norm wird „einfach so“ befolgt. Ja, sie tritt gar nicht einmal als Norm –
nämlich als expliziter Soll-Satz - in irgendjemandes Bewusstsein. Alle wissen
nur: „Bei uns macht man es faktisch immer schon so.“ Dabei ist auch nicht davon
die Rede, dass alle es ausdrücklich so (und nicht anders) „wollen“. Ein
ausdrückliches Wollen kommt m.E. nämlich erst dort zur Abhebung, wo es mit
möglichen Alternativen verbunden ist, wo also zwischen einem möglichen „so oder
anders“ entschieden werden muss. (Man könnte das auch so formulieren, dass man
schon wissen muss, was eine „Entscheidung“ ist, bevor man versteht, was „Wille“
bedeutet.)
Man kann also im Falle der präreflexiv geltenden „Normen“ gar
nicht zwischen Wollen und Sollen unterscheiden. Was in der Reflexion einen
Gegensatz bildet, ist im präreflexiven Handlungsvollzug eine ungeschiedene
Einheit. Es ist eine Weise des Handelns, ein (intersubjektives) Handlungsschema
oder eine „Lebensform“. In der Reflexion gilt, dass man das Sollen nicht aus dem
Sein ableiten kann: nur weil man etwas bisher immer so und nicht anders getan
hat, muss man es nicht zwingend auch in Zukunft so tun. Im unreflektierten
Handlungsvollzug spielt aber eine offene Zukunft, in der alles auch ganz anders
kommen könnte, gar keine Rolle. Erst wenn die bisher gelingende Praxis an
veränderten Umständen scheitert, womöglich mehrmals, kann bewusst werden, dass
die bisherige Praxis kontingent ist und ihr Gelingen von veränderlichen
Umständen mit abhängt.
In einer unreflektiert gelingenden, gemeinsamen
Praxis gibt es auch keinen Zwang, also äußere Handlungsrestriktionen, zu denen
auch Forderungen oder Imperative anderer gehören können. Zwang – verstanden als
Beschränkung der Handlungsfreiheit – kann es nur geben, wo es überhaupt Freiheit
gibt. Aber „Freiheit“ – verstanden als bewusste Fähigkeit, zwischen möglichen
Alternativen zu entscheiden – gibt es im vorliegenden Fall gar nicht, weil die
eingespielte Handlungsweise alternativlos vollzogen wird. „Wo kein Kläger, da
kein Richter“, ist ein bekannter Rechtsgrundsatz. Und bei einer gelingenden
gemeinsamen Praxis gibt es eben niemanden, der sich darüber beklagt, dass er
nicht tun könne, was er wolle.
Dass ich hier nicht von paradiesischen
Zuständen in irgendwelchen versunkenen traditionalen Gesellschaften spreche,
wird klar, wenn wir unser tagtägliches Routinehandeln beobachten. Denn das hat
dieselbe irreflexive Struktur, bei der Wollen und Sollen nicht auseinander
treten und von „Zwang“ und „Freiheit“ keine Rede ist. Zweifellos besteht unser
Leben nicht nur aus Routinehandlungen; jederzeit kann eine gelingende Praxis
scheitern, kann sie in Frage gestellt werden, können Meinungsverschiedenheiten
auftreten. Aber niemals bei allen unseren Lebensformen zugleich, sondern immer
nur an verhältnismäßig wenigen Punkten. Wäre es anders, würde unser Leben
zusammenbrechen; denn man kann sein Leben nicht in der Dauerreflexion zubringen.
Es muss gehandelt werden, und zwar gemeinsam. Und während eine bisher gängige
Praxis in Frage steht, wird sie doch noch in der gewohnten Weise vollzogen,
schlicht deshalb, weil man es sich nicht leisten kann, nichts zu tun, ehe nicht
über die neue Praxis entschieden ist.
So ist es zu verstehen, wenn ich
sage, dass die Lebensformen, also die „gelebten“ Konsense, die Grundlage der
expliziten, reflektierten und ausdrücklich „gesetzten“ Normen bilden. Und so
begründe ich meine Behauptung, dass eine Normenbegründung, die aussschließlich
nach dem Vorbild der neuzeitlichen Naturrechtstradition vorgeht, zu kurz greift,
gleichsam in der Luft hängt, also unrealistisch ist.
Das neuzeitliche
Naturrecht, (grob gesagt) anfangend mit Hobbes, geht nämlich von einer
natürlichen „Freiheit“ aus: Im „Naturzustand“ können alle Individuen tun, was
sie wollen, sie haben ein „natürliches Recht“ darauf. Normen werden hier
eingeführt als intelligenter Ersatz der faktischen Zwänge und Risiken, die ein
ungeregeltes Zusammenleben der natürlich Freien zur Folge hätte. Normen sind
also rational eingesehene und ausdrücklich gewollte Einschränkungen der Freiheit
aller, und zwar um der Freiheit willen. Dieser Begründungsansatz setzt lauter
Begriffe voraus (Freiheit, Zwang, Wollen, Norm), die in den basalen,
irreflexiven Lebensformen einer Gesellschaft gegenstandslos sind.
Der
naturrechtliche Ansatz ist, wie ich schon bei anderen Gelegenheiten gesagt habe,
vollkommen überzeugend, nämlich für das Recht und den rechtsförmig verfassten
Staat. Aber es ist verfehlt, Handlungsnormen grundsätzlich nach diesem Modell zu
begründen bzw. dieses Modell auf die Ethik auszuweiten. Die Moral einer
Gesellschaft ist kein Zwangsrecht.
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 06.
Sept. 2006, 01:50 Uhr
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Hallo Eberhard
on 09/05/06 um 10:55:05, Eberhard wrote:..............
Über positive Aussagen lässt sich durch logische Argumentation und durch den
Hinweis auf gemachte Wahrnehmungen in Bezug auf viele Aussagen ein
argumentativer Konsens herstellen, dank der auf intersubjektive Nachprüfbarkeit
angelegten Methoden der Erfahrungswissenschaften.
In Bezug auf die
normativen Aussagen kann von einer auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit
angelegten Methodik bisher kaum gesprochen werden.
..........
Ich
glaube fast, daß ich Dich jetzt verstanden habe. Nur sehe ich selbst keinen Weg,
eine geeignete Methodik im Bereich der moralischen Normen zu finden.
Das
methodische Instrument der Naturwissenschaften, Anhand von Wahrnehmungen zu
begründen, fehlt uns bei der Aufstellung moralischer Normen.
Um einen
infiniten Regreß an Begründungen zu vermeiden, darf die Begründung einer Norm
auch nicht immer auf eine weitere Norm verweisen.
Weiters ist die
allgemeine Anerkennung einer Norm kein Beweis dafür, daß sie wirklich
konsensfähig ist.
Du schreibst:
Quote:Eine moralische
Handlungsnorm ist richtig, wenn man so handeln soll, wie die Norm besagt. Die
Frage, die sich angesichts dieser Lage für die Ethik stellt lautet: Welches
allgemein akzeptable Kriterium der Richtigkeit gibt es in Bezug auf normative
Urteile, das eine auf nachvollziehbaren Argumenten beruhende allgemeine
Übereinstimmung ermöglicht
Dein Kriterium der "argumentativen
Konsensfähigkeit" ist aber kein Kriterium, das auf diese Frage eine Antwort
gibt, sondern streicht diesen Punkt nur nocheinmal heraus: daß eine moralische
Norm nur dann als richtig akzeptiert werden kann, wenn es allgemein
nachvollziehbare Argumente für sie gibt.
Welche Art von Argumenten das
sein können, sagt sie uns nicht. Uns fehlt also noch jeder konkrete Ansatz einer
Methode, nach der wir feststellen können, ob eine moralische Norm allgemein
konsensfähig ist.
Du schreibst
Quote:Dass das Kriterium der
intersubjektiv übereinstimmenden Wahrnehmungen kein Kriterium für moralische
Urteile sein kann, bedeutet ja noch nicht, dass es nicht ein anderes Kriterium
geben kann, das eine intersubjektive Übereinstimmung und damit eine Begründung
des allgemeinen Geltungsanspruchs moralischer Urteile ermöglicht.
Außer den intersubjektiv geteilten Wahrnehmungen fällt mir nur noch die Logik
und die Mathematik ein. Und ich glaube nicht, daß die beiden allein dabei
hilfreich sind.
Aber vielleicht fällt Dir noch etwas ein.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Tombola am
06. Sept. 2006, 02:05 Uhr
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Hi. Ich hab eure Diskussion nicht ganz mitverfolgt, aber ich hab einen kleinen
Beitrag zu dem, was hel grad geschrieben hat.
hel Meinte, die Ableitung
von Normen darf nicht selbst wieder auf Normen gründen, weil sonst der
moralische Komplex selbstbezüglich wäre.
Es ist doch aber meisstens so,
dass der Charakter von Aussagen/Sätzen auf das zurückgeht, was man als Axiome
formuliert hat.
In diesem Fall wäre es vieleicht so: Man muss sich
fragen, ob handlungsanleitende Sätze (vieleicht abstrakt in der Form: Wenn
"Situation" dann "Handlung") überhaupt aus anderen Sätzen und Axiomen abgeleitet
werden können.
Wenn das nicht so ist (ich vermute es nur mal), wäre eine
weitere Möglichkeit, axiomatische Normen einzuführen, die von allen eingesehen
werden können.
Sowas bieten eben die Menschenrechte.
Ein wenig läuft
das auf ein Erziehungproblem hinaus, wobei das Problem eher eine Chance ist...
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 06.
Sept. 2006, 02:30 Uhr
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Hallo Tombola,
Du müßtest Dich ein bißchen einlesen.
Quote:Man
muss sich fragen, ob handlungsanleitende Sätze (vieleicht abstrakt in der Form:
Wenn "Situation" dann "Handlung") überhaupt aus anderen Sätzen und Axiomen
abgeleitet werden können.
Wenn das nicht so ist (ich vermute es nur mal),
wäre eine weitere Möglichkeit, axiomatische Normen einzuführen, die von allen
eingesehen werden können.
Sowas bieten eben die Menschenrechte.
Das ist eigentlich auch mein Standpunkt. Aber Eberhard versucht, eine Ethik ohne
"dogmatischen Endpunkt" zu finden sondern bei "moralischen Naturgesetzen" zu
landen. Ich halte das für einen interessanten Versuch, aber fürchte, daß wir
dabei scheitern werden.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
06. Sept. 2006, 09:21 Uhr
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Hi,
wir diskutieren hier auf zwei verschiedenen Ebenen: die präreflexiven
Normen und die reflexiven Normen.
Ich halte nichts davon, wenn wir diese
beiden Ebenen gleichzeitig diskutieren. Zwei unterschiedliche Themen im gleichen
Thread zu diskutieren führt nur zur Verwirrung.
Der m.E. seit alters her
bestehende Konflikt zwischen biologisch gesteuertem Verhalten, das die
entsprechenden selbstverständlichen nicht hinterfragten präreflexiven Normen
generiert und der ihnen widersprechenden humanen Ethik gehört zum Bereich
präreflexive Normen, den wir vielleicht besser in einem eigenen Thread
diskutieren sollten. Hier, schlage ich vor, sollten wir uns auf die reflexiven
Normen beschränken. Soweit das möglich ist; denn gänzlich, fürchte ich, wird das
nicht gehen.
Auf die Frage, warum soll ich moralisch handeln, gibt
Eberhard die folgende Antwort:
Es ist also keineswegs widersprüchlich
sondern man handelt rational (im Sinne von "den eigenen Zielen entsprechend"),
wenn man (unbemerkt) gegen diejenige Regel verstößt, die man selber als die für
alle gemeinsam beste Regelung hält.
Man handelt damit allerdings nicht
moralisch (d. h. gemäß den einzuhaltenden Regeln) und auch nicht "vernünftig"
(weil man hinter die Einsicht zurückfällt, dass Regeln notwendig sind, die für
alle gelten und von allen anerkannt werden können).
Diese Aussage
enthält allerdings eine Voraussetzung: nämlich die, dass man überhaupt an
gemeinschaftlichem Handeln interessiert ist. Das ist nicht notwendigerweise der
Fall. Ein Egozentriker kann ohne weiteres anerkennen, dass einer bestimmte Norm
aus rationalen Gründen zuzustimmen ist, weil dies der Gemeinschaft zuträglich
ist. Er kann sie aus ebenso rationalen Gründen für sich selbst ablehnen, weil
sie seine Selbstverwirklichung behindert. Soweit wiederhole ich so ziemlich
Eberhard.
Jetzt kann argumentiert werden, du profitierst ja von der
Einhaltung der Normen, also musst du vernünftigerweise dafür sein und sie selber
einhalten.
Der Egozentriker kann ebenso vernünftig entgegnen: ich bin
entschieden für die Absegnung und Sanktionierung dieser Normen, gerade weil ich
davon profitiere. Ich lasse sie aber nicht für mich gelten, da genau das meinen
Profit schmälert.
Für den Egozentriker hat damit die Gesellschaft
Objektcharakter. Er nimmt sich aus der Gesellschaft heraus und wird dadurch zum
Subjekt, dem die Gesellschaft als Objekt gegenüber steht, ein Objekt, mit dem er
agiert.
Schließt der Egozentriker sich mit anderen Egozentrikern zu
Zweckverbänden zusammen, erkennen wir ein politisches System.
Wie ist das
denn nun mit der Moral? Mit welcher Begründung lässt sich der Egozentriker dazu
bewegen, selber die Normen einzuhalten, denen er zustimmt?
Daran
anschließend die Frage: muss nicht sicher gestellt werden, dass reflexive Normen
nicht so aufgestellt werden, dass sie überhaupt nur für bestimmte
gesellschaftliche Gruppen gelten können?
Beispiel: Schutz der
Privatsphäre ist eine allgemeine Norm.
Diese Norm gilt aber nicht für
diejenigen, die Transferleistungen der Gesellschaft benötigen, also z.B. Hartz
IV. Die Norm, dass Transferleistungen den Schutz der Privatsphäre weitgehend
aushebeln, kann gar nicht allgemein gelten, weil sie an die Bedingung geknüpft
ist, dass einer seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann. Wir haben hier
also eine Norm, der aus rationalen Gründen alle zustimmen können, obwohl sie für
den Großteil der Zustimmenden gar nicht gelten kann. Unmoralisch handeln kann
demnach nur der Hartz IV-Empfänger, die anderen können es gar nicht.
Da
stellt sich dann die Frage nach der Moralität von Gesetzen, die von vornherein
nur für einen Teil der Gesellschaft gelten können.
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
06. Sept. 2006, 09:28 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Urs
zu Deinen – sehr überzeugend
vorgetragenen – Einwänden oder Ergänzungen. Du betonst, dass die durch
Erkenntnis (kognitiv) erreichte Findung der Norm noch nicht die Einführung der
Norm bedeutet, sondern dass es eines zusätzlichen (volitiven) Willensaktes der
In-Kraft-Setzung bedarf.
Dies halte ich grundsätzlich für richtig. Die
Beantwortung der Frage: "Was ist die für alle gemeinsam beste Regelung?" ist
nicht identisch mit der Frage: "Gemäß welchen Regeln soll man handeln?", denn es
kann zusätzlich ein Koordinierungsproblem bestehen. Wenn z.B. Rechtsfahrgebot
und Linksfahrgebot gleichwertig sind, bedarf es einer zusätzlichen Entscheidung,
welche Norm gelten soll. Das Handeln unmittelbar gemäß dem als richtig Erkannten
kann also die soziale Koordination stören. (Der "Überzeugungstäter" ist u.U.
noch problematischer als der Normverletzer aus Eigeninteresse.)
Oder ein
anderes Beispiel. Angenommen in einer Gesellschaft der Kavaliere begrüßt man
immer zuerst die "Damen". Jemand, der diese Kavaliersmoral mit die damit
verbundene unselbständige Stellung von Frauen nicht akzeptiert und für eine
Gleichstellung von Männern und Frauen ist, hält es deshalb für richtig, den
"Damen" keine Sonderstellung zu geben, was sich auch darin aus drückt, dass er
die Anwesenden der Reihe nach begrüßt. Dann kann es vorkommen, dass er eine Frau
erst nach einem Mann begrüßt.
Wenn die Frau den Hintergrund seines
Verhaltens nicht kennt, so wird sie dies Verhalten als eine Missachtung ihrer
Weiblichkeit und ihrer Würde als Dame interpretieren.
Die Unterschied
zwischen der Frage "Was ist die für alle gemeinsam beste und somit richtige
Norm?" und der Frage: "Gemäß welcher Norm soll man handeln?" wird übrigens auch
beim Kategorischen Imperativ nicht beachtet, der unmittelbar auf das Handeln
bezogen ist ("Handle so, dass …). Dass die Vernachlässigung dieser
Unterscheidung problematisch sein kann, zeigt das folgende Beispiel.
Angenommen, man käme zu dem Schluss, dass es die für alle gemeinsam beste
Regelung ist, wenn alle ihre Waffen vernichten und auf das Mittel der
bewaffneten Auseinandersetzung verzichten. Auch wenn dies richtig sein mag,
folgt daraus nicht, dass ich jetzt entsprechend handeln und meine Waffen
vernichten soll. Denn es braucht nur eine Partei die gefundene Lösung nicht zu
befolgen und man hat eine Situation, in der der eine bewaffnet und der andere
entwaffnet ist. Eine solche Situation wird aber kaum für alle gemeinsam die
beste sein.
Andererseits scheint mir gerade bei den allgemein
menschlichen Normen der Moral dieser formelle Akt der In-Kraft-Setzung nicht
unbedingt erforderlich zu sein. Wenn man die Moral im Unterschied zum Recht als
eine normative Orientierung ansieht, die nicht kodifiziert ist sondern sich in
den Einstellungen der Individuen ausdrückt, so bilden und verändern sich diese
moralischen Einstellungen unter dem Einfluss veränderter Lebensverhältnisse in
gewisser Weise "von selbst".
Du schreibst weiter: " Man kann also im
Falle der präreflexiv geltenden 'Normen' gar nicht zwischen Wollen und Sollen
unterscheiden. Was in der Reflexion einen Gegensatz bildet, ist im präreflexiven
Handlungsvollzug eine ungeschiedene Einheit. Es ist eine Weise des Handelns, ein
(intersubjektives) Handlungsschema oder eine 'Lebensform'". Hier ist die Frage,
was ist bloße Gewohnheit oder Brauchtum bei diesen Lebensformen und was ist
Moral. Leider nennst Du kaum konkrete Beispiele für derart präreflexive
'Normen'. Ich sehe den Unterschied zwischen dem regelmäßigen Handeln aus
Gewohnheit und dem regelgemäßen Handeln entsprechend einer Moral darin, dass man
von einer Gewohnheit abweichen kann, ohne Tadel oder Sanktionen befürchten zu
müssen, was bei Moral nicht der Fall ist.
Abschließend noch der Hinweis,
dass es auch bei den Erfahrungswissenschaften eine Kluft zwischen Theorie und
Praxis gibt. Diese zeigt sich u.a. bei der Rolle von Sachverständigen in
Gerichtsprozessen. Ihre Ausführungen gehen nur insoweit in das Urteil ein, wie
der Richter diese in freier Beweiswürdigung anerkennt.
Grüße an alle, die
über Moralbegründung nachdenken von
Eberhard.
p.s.: So macht mir
die Diskussion Spaß und so bringt sie auch für alle einen Erkenntnisgewinn.
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Titel: Moralspostel oder Diktator?
Beitrag von Wolfgang_Horn am 06. Sept.
2006, 10:30 Uhr
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Hallo Freunde,
ich setze die Schneide des scharfen Denkens zwischen
den "Moralapostel" mit seiner Frage "warum sollen meine Nächsten sich nach
meinen Moralvorgaben verhalten?"
und den Diktator, der diese Frage schon
beantwortet hat: "Ihr alle sollt meinen Tankstellen euer Öl spenden,
Widerstrebende werden zu Terroristen erklärt, ich habe schöne Gitterkäfige fuir
euch!"
Krass, nicht wahr? Moralapostel mit der "most evil peson on
earth" zu verbinden, das gemeinsame Böse herauszuarbeiten?
Ja. Das
Krasse, das Unerträgliche beginnt mit dem Wort "sollen".
Darin steckt
nämlich schon die Anmaßung des Moralapostels, seine Mitmenschen zwingen zu
wollen.
Und diese Anmaßung läßt meinen Zoll lodern.
Um richtig böse zu
werden fehlt ihm dann nur noch die Macht.
These: Jeder Moralapostel ist
ein Möchtegern-Diktatator, und welche Moral er immer vorschlägt, seine üble
Einstellung entlarvt alle seine hehre klingenden Worte nach Moral als
heuchlerisches Feigenblatt seines scheußlichen Strebens nach Macht über seine
Opfer.
Den besseren Weg finde ich bei Jesus Christus, dem alten Fritz,
Mahatma Gandhi und gerade bei Marc Aurel - diese Personen setzten tatsächlich
jeweils ihre Moral, indem sie als Vorbilder glaubhafte voran gingen. Zum Teil
ihr Leben für ihre Überzeugung riskierten - oder es sogar einsetzten wie Jesus
Christus.
Sie alle wirkten nach der Methode: "Ich tue selbst, was ich für
richtig halte".
Damit überzeugten sie mehr als der Ölräuber und "Satan der
Gitterkäfige" von Washington.
Und jetzt ziehe ich mich warm an und
neugierig, wer in diesem Forum sich outet als Möchtegern-Diktator und wer mir
vorwirft, ich hätte ihn falsch verstanden.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am
06. Sept. 2006, 10:37 Uhr
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hi wolfgang,
voll einverstanden mit deinem posting!
aber:
überlege mal ob, das was du als 'wahrheit' und deren ockhmansche annäherung
bezeichnest, nicht auch schon moral ist.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.Idie
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 06. Sept. 2006, 12:40 Uhr
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Hallo Eberhard, hallo Abrazo!
Mit den irreflexiven Lebensformen
meine ich ganz sicher keine instinktiven (und insofern "natürlichen")
Verhaltensweisen, sondern Handlungsschemata, die kulturell erworben - also
erlernt - sind. Zur "Gewohnheit" müssen solche Handlungsweisen allerdings
geworden sein, damit sie ohne ausdrückliche Überlegung vollzogen werden können.
Letztlich zielt der größte Teil unseres Lernens darauf ab, dass uns
Handlungsschemata "selbstverständlich" werden, dass sie uns "in Fleisch und Blut
übergehen", dass wir sie "im Schlaf" vollziehen können - also "unwillkürlich"
und ohne das zeitraubende Zögern, das eine Überlegung und bewusste Entscheidung
verursacht.
Man kann allerdings auch die Reflexion gezielt lernen, z.B.
das "Probleme lösen" oder das Argumentieren oder die "rasche Auffassungsgabe".
So bekommt etwa ein Richter unweigerlich Routine darin, das komplizierte
Gerichtsverfahren in immer wechselnden "Fällen" zu überschauen, Unnötiges
wegzulassen, Zeugen geschickt zu befragen usw. So lernen Psychotherapeuten, sich
auf die individuellen Eigenheiten und Problemlagen ihrer sehr unterschiedlichen
Klienten möglichst einfühlsam und doch sachlich einzustellen.
Auch Reflexion
kann also ihrerseits zum Routinehandeln, d.h. als zielgerichtetes
Handlungsschema irreflexiv vollzogen werden. Reflexiv sind solche
Handlungsschemata dann nur im Verhältnis zu ihren jeweiligen Gegenständen; der
Vollzug "als solcher" geschieht "unmittelbar" und ist somit nicht das "Thema"
der Reflexion.
Es ist angesichts der riesigen Menge unserer
erworbenen Routinehandlungen nicht ganz leicht zu bestimmen, welche davon
moralisch relevant und welche - gewissermaßen als bloße "Techniken" - moralisch
indifferent sind, obwohl sie für das gesellschaftliche Zusammenleben
unverzichtbar sein mögen und von ihren Folgen viele andere Menschen mittelbar
und unmittelbar betroffen sein können. - Intuitiv vermute ich, dass die Grenze
in der Theorie nicht ein für alle Mal zu ziehen ist, dass man es aus
theoretischer Warte vielmehr mit einem fließenden Übergang zu tun hat und nur
bei der Prüfung von Einzelfällen bestimmen kann, ob irreflexive Handlungsweisen
als moralisch indifferent (also quasi-technisch) aufzufassen sind oder nicht.
Dass die Irreflexivität des Routinehandelns ihrerseits moralisch
problematisch werden kann, ist bekannt. Hier muss man gar nicht an "Schlendrian"
(juristisch: "Fahrlässigkeit") denken, dessen Folgen verheerend sein können. In
vielen Bereichen wird es bereits zu einer moralischen Frage, ob man routiniert,
quasi-technisch mit anderen Menschen umgehen darf (Behörden, Medizin). Eine
andere Facette des Routine-Problems ist das "Burn out"-Syndrom, also eine
(scheinbare) Gewöhnung an die ständige Überforderung durch Verantwortung,
Mitgefühl usw. -
Routine ist also schon als solche ein moralisches Thema:
Einerseits wird sie für einen "reibungslosen Ablauf" des Zusammenlebens
gebraucht (z.B. im Straßenverkehr, in der Medizin), andererseits kann die
"Versachlichung" durch routinierten Umgang miteinander in Missachtung und
völlige Rücksichtslosigkeit umschlagen. (So kann man auch Routine im Töten und
Foltern bekommen - erleichtert durch eine distanzschaffende Technik.)
Aber ich möchte Beispiele für intersubjektive Handlungsweisen nennen, die
eindeutig als "moralisch" zu erkennen und doch "eingespielt" sind, also
irreflexiv vollzogen werden.
In unserer Gesellschaft ist eine gewisse
Distanziertheit im alltäglichen Umgang miteinander üblich. Es gilt als
"unhöflich" oder "rücksichtslos" oder "unfein" oder "verletzend", dem anderen
"zu nahe zu treten". Das "Zu-nahe-treten" kann ganz buchstäblich gemeint sein;
man denke an die typische angespannte Betretenheit, die sich regelmäßig in
vollen U-Bahnen oder Aufzügen ausbreitet, wenn man gezwungenermaßen dicht
gedrängt steht. Zu nahe kann man dem anderen aber auch durch persönliche Fragen
oder Bemerkungen treten. Es genügt ja schon das Zeigen mit dem Finger auf einen
Dritten oder das unverhohlene, neugierige oder gar lüsterne Anstarren. Sogar
Freundlichkeit kann als "aufdringlich" empfunden werden, weswegen wir meist auch
darin vorsichtige Zurückhaltung üben (im auffälligen Gegensatz z.B. zum Umgang
der US-Amerikaner miteinander).
Zum Anstarren fällt mir ein Ereignis
aus meiner Kindheit ein, das sozusagen "prägend" war. - Ich muss etwa 7 oder 8
Jahre alt gewesen sein, als mein Vater einmal zwei Kollegen zu uns nach Hause
einlud; der eine war ein Thailänder, der andere ein sehr dunkelhäutiger
Äthiopier. Diese Begegnung fand ich natürlich sehr spannend; damals war es noch
sehr selten, dass man einen Afrikaner oder Asiaten aus der Nähe betrachten
konnte, und nun saßen zwei von ihnen an unserem Esstisch. Eine der Beilagen war
Frisée-Salat, und ich erinnere mich noch gut, dass ich fasziniert davon war, wie
der Äthiopier (der übrigens den gleichen Vornamen hat wie ich) diesen Salat aß -
mit kurzen und entschiedenen Kaubewegungen, die ein deutlich hörbares
"ratsch-ratsch-ratsch" bewirkten. Und ich bin beinahe erschrocken
zusammengefahren, als ich bei einer Kopfwendung den tadelnden, kopfschüttelnden
Blick meiner Eltern auffing, der eindeutig zu verstehen gab: "Starr den Mann
nicht so an!"
Mein Blick war völlig unbefangen gewesen, einfach
neugierig und interessiert, wie das für Kinder typisch ist. Aber er scheint
gleich gegen mehrere "Normen" verstoßen zu haben: Man starrt andere nicht
unverwandt an; man diskriminiert Fremde nicht, nur weil sie fremd sind - wobei
unverhohlene Neugier schon diskriminierend sein kann; man schaut tolerant über
persönliche Eigenheiten hinweg, auch wenn sie, gemessen an den eigenen Maßstäben
des "Benimms", auffällig sind...
Diese Szene hat sich mir stark
eingeprägt, obwohl meine Eltern sie später nicht noch einmal in einem
"moralischen Gespräch" thematisierten. Bestimmt habe ich bei anderen
Gelegenheiten auch ausdrückliche Ermahnungen zum taktvollen Umgang von ihnen
erhalten. Sonst hätte ich vermutlich ihren tadelnden Blick gar nicht verstanden.
Mir scheint das ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie subtil einerseits
"moralische Erziehung" stattfindet und wie tief andererseits "Normen" in den
unwillkürlichen Umgang miteinander, hinein bis in unsere Körperbewegungen,
"einbeschrieben" sind. Dort sind sie als "Normen" nicht mehr bewusst; trotzdem
lassen sie sich in der Reflexion als vorhanden "rekonstruieren". Ja uns fällt
meist nur an Ausnahmesituationen auf, dass unsere kleinen Handlungsschemata
nicht "natürlich" und "selbstverständlich" sind, sondern dass wir sie irgendwann
einmal erlernt haben und dass es dafür ein "richtig" und ein "falsch" gibt.
Im Verhältnis zu diesem subtilen und komplexen "Unterbau" unseres erlernten
sozialen Handelns wird deutlich, wie "oberflächlich" und exzeptionell die
bewusste Diskussion über moralische Normen und ihre Rationalität immer nur sein
kann. Moral nistet sich sehr viel "tiefer" ein, nämlich dort, wo sie der
Reflexion meist entzogen bleibt und wo ein Umlernen darum auch sehr schwer
fällt.
Aber, wie schon mehrfach betont, nur weil sich diese Basis unseres
Ethos der Reflexion überwiegend entzieht, ist sie doch nicht per se "irrational"
oder "willkürlich" oder "autoritär" zustande gekommen.
Es grüßt Euch
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 06. Sept. 2006, 13:35 Uhr
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Hi, laertes,
Du: voll einverstanden mit deinem posting!
Danke, bin
erleichtert.
Du;: das was du als 'wahrheit' und deren ockhmansche
annäherung bezeichnest, nicht auch schon moral ist.
Verschiedene
Erklärungen nach Okhams Regel miteinander zu vergleichen für die Entscheidung,
welche Eklärung man gemeinsam für solange eher wahr halten wolle, bis neue
Erkenntnisse vorliegen, ist eine Vereinbarung unter Naturwissenschaftlern.
Wer sich dem entzieht, der wird einfach nicht ernst genommen. Wer ein
besseres Kriterium vorstellen will, soll das tun. Wenn es vernünftig klingt und
Chancen hat, Okhams Regel zu toppen.
Ob das die Merkmale erfüllt, die für
eine Moral gelten, mögen die prüfen, die dafür kompetent sind.
Ich will
mir nur übrflüssige Mühen ersparen, ich will treffend entscheiden, ich will die
besten Karten und Modelle der Wirklichkeit.
Mir ist klar, Esoteriker und
andere Personen, die untaugliche Modelle favorisieren, lehnen Ockhams Regel ab.
Genau diese Ablehnung ist das Merkmal ihrer Untauglichkeit als
Naturwissenschaftler.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 06.
Sept. 2006, 14:16 Uhr
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Hallo Abrazo
on 09/06/06 um 09:21:39, Abrazo wrote:.....
Daran
anschließend die Frage: muss nicht sicher gestellt werden, dass reflexive Normen
nicht so aufgestellt werden, dass sie überhaupt nur für bestimmte
gesellschaftliche Gruppen gelten können?
Beispiel: Schutz der
Privatsphäre ist eine allgemeine Norm.
Diese Norm gilt aber nicht für
diejenigen, die Transferleistungen der Gesellschaft benötigen, also z.B. Hartz
IV. Die Norm, dass Transferleistungen den Schutz der Privatsphäre weitgehend
aushebeln, kann gar nicht allgemein gelten, weil sie an die Bedingung geknüpft
ist, dass einer seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann. Wir haben hier
also eine Norm, der aus rationalen Gründen alle zustimmen können, obwohl sie für
den Großteil der Zustimmenden gar nicht gelten kann. Unmoralisch handeln kann
demnach nur der Hartz IV-Empfänger, die anderen können es gar nicht.
Wenn man es so formuliert:
Wer jemandem Hilfe unter einer bestimmten
Bedingung anbietet, ist moralisch berechtigt, sich zu vergewissern, daß diese
Bedingung auch eingehalten wird, bevor diese Hilfe geleistet wird. Oder
umgekehrt:
Der Anspruch auf Hilfeleistung verpflichtet zum Nachweis der
Bedürftigkeit.
Dann gilt diese Norm auch für jedermann.
Grüße,
hel
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Titel: Re: Moralspostel oder Diktator?
Beitrag von Joy am 06. Sept. 2006,
17:28 Uhr
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on 09/06/06 um 10:30:14, Wolfgang_Horn wrote:These: Jeder Moralapostel ist
ein Möchtegern-Diktatator, und welche Moral er immer vorschlägt, seine üble
Einstellung entlarvt alle seine hehre klingenden Worte nach Moral als
heuchlerisches Feigenblatt seines scheußlichen Strebens nach Macht über seine
Opfer.
Den besseren Weg finde ich bei Jesus Christus, dem alten Fritz,
Mahatma Gandhi und gerade bei Marc Aurel - diese Personen setzten tatsächlich
jeweils ihre Moral, indem sie als Vorbilder glaubhafte voran gingen. Zum Teil
ihr Leben für ihre Überzeugung riskierten - oder es sogar einsetzten wie Jesus
Christus.
Sie alle wirkten nach der Methode: "Ich tue selbst, was ich für
richtig halte".
Damit überzeugten sie mehr als der Ölräuber und "Satan der
Gitterkäfige" von Washington.
[applause] [applause]
[applause]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
06. Sept. 2006, 17:46 Uhr
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Joy, Du hast öffentlich erklärt, dass Du in diesen Thread keine Texte einstellen
wirst. Bitte halte Dich daran.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
06. Sept. 2006, 17:48 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Abrazo,
Du fragst, wie man einem erklärten
Egozentriker gegenüber argumentieren kann, der die Position vertritt: "Ich bin
entschieden für die Absegnung und Sanktionierung dieser Normen, gerade weil ich
davon profitiere. Ich lasse sie aber nicht für mich gelten, da genau das meinen
Profit schmälert."
Ich denke, dass die Argumentation hier sehr einfach
ist, da es sich um einen argumentierenden Egozentriker handelt. Ein
Egozentriker, der der allgemeinen Norm zustimmt und sie gleichzeitig brechen
will, verwickelt sich in einen logischen Widerspruch: Wenn es z.B. richtig ist,
dass niemand seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und belästigen
soll, dann kann nicht richtig sein, dass ich mir diese Aufdringlichkeit erlaube.
Zu der Frage der allgemeinen Geltung von Normen und ihrer Relevanz nur für
einen Teil der Gesellschaft. Ich glaube Marx hat die rechtliche Gleichstellung
der Individuen in einer Klassengesellschaft als Illusion kritisiert, indem er
als Beispiel auf das Gesetz verwies: "Es ist (für alle) verboten, unter den
Brücken zu schlafen." Trotz der Gleichbehandlung aller Individuen im
Gesetzestext sei dies faktisch ein Gesetz, das nur die Armen und Obdachlosen
einschränke, die keine Wohnung hätten. Aber ich will diesen Aspekt hier nicht
weiter vertiefen. Sei gegrüßt von
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Joy am 06.
Sept. 2006, 18:29 Uhr
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on 09/06/06 um 17:46:20, Eberhard wrote:Joy, Du hast öffentlich erklärt,
dass Du in diesen Thread keine Texte einstellen wirst. Bitte halte Dich daran.
Das tue ich doch auch! Oder ist das hier vielleicht "Text":
[applause] [applause] [applause]
Aber Du siehst, mit dem, was
ich im Thread I über die "Moral" schrieb, stehe ich nicht allein. Eure
Moraldiskussion ist und bleibt eine heuchlerische Pseudodiskussion, auch wenn
Ihr Euch dabei noch so gewählt ausdrückt. Wolfgang hat das sehr gut auf den
Punkt gebracht.
Und im übrigen, Eberhard, lasse ich mir von Dir nicht das
Schreiben verbieten...
Joy
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
06. Sept. 2006, 20:42 Uhr
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Hi Eberhard,
mach es Dir nicht einfacher, als es in der Wirklichkeit ist.
Ein Egozentriker, der der allgemeinen Norm zustimmt und sie gleichzeitig
brechen will, verwickelt sich in einen logischen Widerspruch: Wenn es z.B.
richtig ist, dass niemand seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und
belästigen soll, dann kann nicht richtig sein, dass ich mir diese
Aufdringlichkeit erlaube.
Dass er sich in einen Widerspruch verwickelt,
setzt etwas voraus, was nicht so selbstverständlich angenommen wird, wie Du
glaubst, nämlich die Gleichwertigkeit aller Mitglieder einer Gesellschaft.
Für einen Egozentriker, der sich für höherwertiger hält, gibt es da keinen
Widerspruch.
Bessere Rasse, besseres Geschlecht, bessere Herkunft,
wahrerer Glauben, höhere Bildung, mehr Reichtum, mehr Kraft, mehr Macht, mehr
Intelligenz, bis hin zum König von Gottes Gnaden findest Du jede Menge Gründe,
warum Menschen der Auffassung sind, für sie gelten die gleichen Normen wie für
andere nicht.
Auch unser Gesetz macht ja Ausnahmen: Meinungsfreiheit kann
eingeschränkt werden, Wissenschaft und Kunst aber sind frei.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
06. Sept. 2006, 20:58 Uhr
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Hi Hel,
Wer jemandem Hilfe unter einer bestimmten Bedingung anbietet, ist
moralisch berechtigt, sich zu vergewissern, daß diese Bedingung auch eingehalten
wird, bevor diese Hilfe geleistet wird.
Das ist aber kein Angebot,
sondern Pflicht der Gesellschaft, abgeleitet vom Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit, ein Recht, das faktisch beseitigt wird, wenn einer nicht weiß,
wovon er leben soll. Es gibt da also keine Bedingung - außer der, dass einer
seinen Lebensunterhalt nicht selbst erwerben kann. Hier ist die Frage zu
stellen, warum er das nicht kann. Die Antwort ist klar: weil es nicht genügend
Arbeitsplätze gibt.
Und das heißt im Klartext: unsere Gesellschaft ist so
verfasst, dass nicht jeder von seiner eigenen Arbeit leben kann. Davon sind die
Mitglieder aber abhängig. Es ist nicht mehr so, dass man auswandern und irgendwo
in der Ferne ein Stück Land in Besitz nehmen und beackern kann; das hat schon
einen Besitzer. Heißt: wenn die so verfasste GEsellschaft keinen Unterhalt für
diejenigen zahlt, die ihn aufgrund ihrer Verfassung nicht selbst beschaffen
können, verstößt diese Gesellschaft gegen sämtliche fundamentalen Grundsätze
inklusive Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Also ganz klar
nicht soziale Menschenfreundlichkeit, sondern Pflicht.
Wir haben in Köln
gerade das Problem, dass die Stadt sich überlegt hat, man könne doch prima Hartz
IV Empfänger als 1-Euro-Job Kloleute auf den Schülerklos Kölner Schulen
einsetzen. 40 wurden gesucht, ich glaube, 2 fanden sich. Fand die Stadt
unmöglich.
Wem das Geld mehr gilt als die Menschenwürde, der kann schon
auf die Idee kommen zu sagen, was interessiert mich die Menschenwürde einer
aufgrund der EDV-Rationalisierung arbeitslos gewordenen 50-jährigen
Normalsekretärin, die eh keinen Job mehr findet; zwingen wir sie dazu, den
Arbeitsplatz Schülerklo anzunehmen.
Würde man für diese Tätigkeit echtes
Geld zahlen, also einen Lohn, der von mir aus Hartz IV entspricht, ohne jedoch
die zahllosen damit verbundenen Eingriffe in den Privatbereich zu enthalten,
würde man eventuell welche finden. Aber so? Ist es menschenwürdig, Arbeitslose
dermaßen zu unwürdigen Sklaven zu degradieren?
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am
06. Sept. 2006, 21:34 Uhr
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Hi Urs,
Mit den irreflexiven Lebensformen meine ich ganz sicher keine
instinktiven (und insofern "natürlichen") Verhaltensweisen, sondern
Handlungsschemata, die kulturell erworben - also erlernt - sind.
Es geht
um Moral, nicht wahr?
Nun gut. Ich befrage Herrn Hund nach seiner Moral.
Aus der Beobachtung von Junghunden entnehme ich, dass zumindest den Rüden wohl
der Wille (verstanden als psychisches Erlebnis) angeboren (Instinkt) ist, sich
gegen andere durchzusetzen. Machen schon die Welpen unmittelbar nach ihrer
Geburt; dient nicht nur dem Kampf um Nahrung, sobald sie beweglich genug sind,
um zu spielen, machen sie das auch gegen ihre Wurfgeschwister (Katzen übrigens
auch).
So etwa ab 9 Monaten machen zumindest die noch halbwegs naturnahen
Gebrauchshunde sich mausig. Sie sind keine 'Kinder' mehr, werden ernst genommen
- und verhalten sich respektlos gegenüber den Erwachsenen. Heißt, sie halten
keine Distanz. Als Ergebnis kriegen sie von den Erwachsenen, zumindest von den
dominanten 'Leitwölfen', Prügel. Keine Beißereien, keine Verletzungen, bekommen
aber unmissverständlich klar gemacht: ich kann dich jetzt töten. Mit dem
Ergebnis, dass sie so Manieren lernen.
Manieren heißt:
Man schaut den
Dominanten niemals direkt an.
Man wartet auf Erlaubnis, ob man sich ihm
nähern darf.
Man hat sich nicht für ein Weib zu interessieren, für das der
Dominante sich interessiert.
Man hat nicht vor ihm wegzulaufen.
Man hat
sich friedlich kontrollieren zu lassen.
Man darf nicht nach seinen Stöcken /
Bällen / Hundekuchen schnappen.
Man darf sich auch seiner Herrschaft nicht
ohne Erlaubnis nähern.
Usw.
Frage: inwiefern unterscheiden sich diese
Sitten von etlichen unserer Sitten - und hat das wirklich etwas mit dem zu tun,
was wir unter Kultur verstehen? Oder Moral?
Könntest Du die Hunde einer
halbwegsen, miteinander bekannten Gemeinschaft befragen, würdest Du in Sachen
Manieren gewiss einen Konsens feststellen. Manieren vermeiden Konflikte, machen
das Leben friedlich und sicher. Der Dominante herrscht, aber was er tut, kann
man nachmachen, denn das ist lebenssicher. Und im Falle eines Konfliktes mit
einem Fremden sorgt er allein durch sein Auftreten dafür, dass der Fremde
vorzieht, sich zu verdrücken, wenn er ihn sieht. Hat also durchaus Vorteile für
alle, sich an die Manieren zu halten.
Das ist es nicht, ne?
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 07. Sept. 2006, 01:07 Uhr
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Hallo Abrazo!
Quote:Frage: inwiefern unterscheiden sich diese
[hündischen] Sitten von etlichen unserer Sitten - und hat das wirklich etwas mit
dem zu tun, was wir unter Kultur verstehen? Oder Moral?
Keine
Ahnung. Ich habe auch nirgends von Hunden gesprochen.
Quote:Könntest Du die Hunde einer halbwegsen, miteinander bekannten Gemeinschaft
befragen, würdest Du in Sachen Manieren gewiss einen Konsens feststellen.
Das ist ein typischer - und zudem spekulativer - Anthropomorphismus.
Anthropomorphismus ist es bereits, dass Du immer von "Herrn Hund" sprichst.
Die Voraussetzungen, die Du bei solchen Tiervergleichen machst, habe ich
schon öfter und in extenso kritisiert (im Thread "Ich, Person Subjekt"). Um es
auf den Punkt zu bringen: Es ist nicht einzusehen, was es für das Verständnis
des Menschen bringen soll, wenn man zunächst Tiere mit anthropomorphen Begriffen
beschreibt, um dann vom so beschriebenen Tier wieder auf den Menschen
zurückzuschließen. Das ist zirkulär.
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 07. Sept. 2006, 01:48 Uhr
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Hi, Urs
Du: Das ist ein typischer - und zudem spekulativer -
Anthropomorphismus.
Hier aber angebracht, eher wahr als falsch.
These: Alle geselligen Arten müssen über angeborene Verhaltensweisen verfügen,
die das Zusmmenleben dieser Variante der Art produktiver macht als das
konkurrierender Arten.
Dazu gehört die "Beißhemmung", wie es mal hies,
oder auch "Höflichkeit", und "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist kein
Gebot, sondern Ausdruck für angeborenes Mitgefühl.
Begründung:
Vergleichen wir zwei Varianten einer Art. Beide Varianten seien absolut
identisch bis auf einen Unterschied: Der einen Art ist Beißhemmung gegenüber den
Nächsten angeboren, der anderen nicht. Welche von beiden hat wohl Aussicht auf
mehr Nachkommen als die andere?
Diese Art wird sich durchsetzen.
Folgerung: Sollte im Verlaufe der Jahrmillionen Entwicklung einer Art solch eine
Mutation stattgefunden haben, dann wird den heutigen Vertretern dieser Art
Beißhemmung angeboren sein.
Folgerung, Freunde: Ihr könnt Euren Diskurs
über allgemeingültige Moral über die Art "homo sapiens" hinaus ausdehen auf alle
gesellige Arten, angefangen vielleicht bei den Orang Utans, Erdmännchen,
Delphinen und Fledermäusen...
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 07. Sept. 2006, 02:35 Uhr
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Quote:Folgerung, Freunde: Ihr könnt Euren Diskurs über allgemeingültige
Moral über die Art "homo sapiens" hinaus ausdehen auf alle gesellige Arten,
angefangen vielleicht bei den Orang Utans, Erdmännchen, Delphinen und
Fledermäusen...
Wir können es aber auch genauso gut lassen, Wenn
unsere Erkenntnisse sich so problemlos von einer Art auf die andere übertragen
lassen, beschränken wir uns auf den Menschen, getreu Ockhams Rasierapparat,
demzufolge man sich nicht mit überflüssigem Ballast beladen sollte.
Mein Guter, wenn Wissenschaft aus lauter solchen Nullsummen-Einsichten bestehen
würde wie in Deinem letzten Beitrag, wäre sie eine blödsinnige Zeit- und
Geldverschwendung.
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 07.
Sept. 2006, 07:13 Uhr
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Hallo Abrazo
on 09/06/06 um 20:58:06, Abrazo wrote:Wer jemandem Hilfe
unter einer bestimmten Bedingung anbietet, ist moralisch berechtigt, sich zu
vergewissern, daß diese Bedingung auch eingehalten wird, bevor diese Hilfe
geleistet wird.
Das ist aber kein Angebot, sondern Pflicht der
Gesellschaft,
Selbstverständlich, der Bedürftige hat das Recht auf
Hilfe. Die einzige Bedingung ist hier die Bedürftigkeit auf Hilfe.
Quote:Wir haben in Köln gerade das Problem, dass die Stadt sich überlegt hat,
man könne doch prima Hartz IV Empfänger als 1-Euro-Job Kloleute auf den
Schülerklos Kölner Schulen einsetzen.
Was Du da beschreibst, grenzt
ja schon an Sklaverei. Die 1-Euro Bezahlung hält die Person vom Staat abhängig
und ermöglicht es ihr nicht, sich z.B. für einen besseren Job auszubilden. Und:
war da nicht irgendwann die Regelung, daß der Job irgendwie der Ausbildung
angepasst sein muß?
Ist das rechtens?
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
07. Sept. 2006, 09:06 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo hel,
Deine Kritik an meinen Ausführungen
trifft den Kern des Problems, wenn du schreibst:
"Welches allgemein
akzeptable Kriterium der Richtigkeit gibt es in Bezug auf normative Urteile, das
eine auf nachvollziehbaren Argumenten beruhende allgemeine Übereinstimmung
ermöglicht?… Außer den intersubjektiv geteilten Wahrnehmungen fällt mir nur noch
die Logik und die Mathematik ein. Und ich glaube nicht, daß die beiden allein
dabei hilfreich sind."
Ich will versuchen, auf Deine Frage eine Antwort
zu geben. Also: Welches konsensstiftende Kriterium der Gültigkeit gibt es für
normative Aussagen?
Wenn wir erfahrungswissenschaftlich arbeiten, dann
suchen wir nach einem für alle gemeinsamen Weltbild, dass möglichst wenig
korrekturbedürftig ist. Entscheidendes Kriterium für das, was ist, ist unserer
Wahrnehmung.
Wonach suchen wir, wenn wir normative Fragen allgemein
gültig beantworten wollen? Ausgangspunkt sind hier miteinander unvereinbare
Soll-Sätze und wir fragen uns, welcher der richtige ist.
Hinter einem
Normenkonflikt steht immer einen Willenskonflikt, denn "Sollen" kommt von
"Wollen". Es ist nicht sinnvoll zu sagen: "Du sollst x tun und niemand will,
dass du x tust." Normsätze drücken genau genommen Willensinhalte aus, ohne einen
Träger des Willens zu nennen.
Wenn dies richtig ist, dann stellt sich das
Problem allgemeingültiger Normen dar als das Problem, einen für alle gemeinsamen
und stabilen Willen zu finden. Die Frage ist also: "Welche Normen können alle
gemeinsam am ehesten möglichst dauerhaft wollen?"
Soweit erstmal von
Eberhard.
p.s.: Für manche Leute scheint das Wort "sollen" in der Tat ein
Fremdwort zu sein, weshalb Sätze wie "Man soll auf andere Menschen Rücksicht
nehmen" oder "Jedes PhilTalk-Mitglied sollte die Fragestellung anderer
Mitglieder respektieren" für sie unverständlich sind.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 07. Sept. 2006, 10:17 Uhr
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Hi, Urs,
Du: , wenn Wissenschaft aus lauter solchen Nullsummen-Einsichten
Deine Wertung zeugt von einer böswilligen Verachtung un zugleich von
Inkompetenz im naturwissenschaftlichen Denken.
Ich habe eine These
vorgestellt, wie gesellige Arten in der Evolution bestehen, indem sie passende
Verhaltensweisen finden, die schließlich sogar angeboren sind.
Ich bin
sogar ein wenig stolz auf die Kürze der Beweisführung.
So gut Du doch
wissenschaftlich denken kannst, widerlege meine These, finde einen logischen
Fehler oder präsentiere eine Antithese, die nach Ockham als eher wahr zu gelten
habe.
Aber solche giftigen Wertungen schleudere, wenn schon, dann in
Deinen Spiegel.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
07. Sept. 2006, 11:43 Uhr
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Hallo Abrazo,
ich bleibe dabei: Die beiden Sätze:
"Niemand darf seine
Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und belästigen" und
"Herr X darf
seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und belästigen"
sind logisch
widersprüchlich.
Nicht widersprüchlich ist dagegen die Norm:
"Niemand
außer Herr X darf seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören."
Du
schreibst, dass man genügend Gründe findet, dass bestimmte Regeln zwar für
andere aber nicht für einen selbst gelten. Ich würde sagen: vorgebrachte Gründe
mag es viele geben, aber es sind keine guten Gründe.
Wir sind hier wieder
bei der Frage der notwendigen Verallgemeinerbarkeit von moralischen Urteilen.
Wenn Herr X etwas darf, warum soll Herr Y, der Herrn X in allen relevanten
Punkten gleicht, dies nicht auch dürfen? Wenn allein die unterschiedliche
Identität der Grund sein soll, dann kann eine solche Position keine allgemeine
Zustimmung finden, kann also nicht richtig sein.
Wenn Du jetzt faktische
Unterschiede anführst (bezüglich Rasse, Macht, Geld, Geschlecht etc.), dann
verletzt Du nicht das "Gebot der Personunabhängigkeit", das ein wichtiger
Bestandteil der Methodologie normativer Erkenntnis ist.
Die Frage ist
aber, ob die Privilegien durch die vorgebrachten Unterschiede nun für jedermann
einsichtig begründet werden können. Da bestehen sicher begründete Zweifel.
Dass Regeln Ausnahmen haben können ist unbestritten, aber es darf keine
Ausnahmen allein unter Bezug auf die Identität eines Beteiligten geben,
meint Eberhard.
p.s.: Komisch, wenn man manche Leute an ihre eigenen
Worte erinnert, dann nimmt man ihnen die Redefreiheit ...
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 07.
Sept. 2006, 13:10 Uhr
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Hallo Wolfgang,
daß auch die menschliche Moral genauso wie die Tatsache,
daß Menschen Gefühle haben und abstrakter Gedanken fähig sind, eine
evolutionsbiologische Grundlage haben, das ist an sich eine interessante und
diskutierbare These. Genauso wie die Annahme, daß man durch die Beobachtung der
Tiere viel über den Menschen lernen kann.
Es hat nur nichts mit unserem
Thema zu tun.
Wenn ich z.B. jemandem erklären will, warum die Menge der
Primzahlen unendlich groß sein muß, dann ist mir die Theorie, daß ich dies mit
meinem Gehirn, welches sich evolutionsbiologisch entwickelt hat, denke, (Bitte
jetzt nicht über die Formulierung meckern - ihr wißt schon was ich meine) gar
nicht von Nutzen. Bei der Frage, ob dieser mathematische Satz wahr ist oder
nicht, hilft mir mein Wissen über das Gehirn und seine Abstammung nichts.
Und Du kommst mir vor wie ein Anthropologe, der sich in das mathematische
Gespräch einschaltet und mir erklären will, daß Mathematik lediglich Ergebnis
angeborener Verhaltensweisen und Denkmuster ist und die Diskussion darüber
vollkommen überflüssig. Denn entweder sei unser Denkmuster für das überleben
förderlich, dann würde es sich schon erhalten, oder nicht, dann sterben die,
welche das glauben, mit der Zeit aus. Und wenn es für das Überleben irrelevant
ist, ist die Frage sowieso generell sinnlos.
Dieser Anthropologe begeht wie
Du den Fehler der Themenverfehlung.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von
Wolfgang_Horn am 07. Sept. 2006, 13:44 Uhr
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Hi, hel,
Du: daß auch die menschliche Moral genauso wie die Tatsache, daß
Menschen Gefühle haben und abstrakter Gedanken fähig sind, eine
evolutionsbiologische Grundlage haben, das ist an sich eine interessante und
diskutierbare These.
War gar nicht meine Absicht. Es genügt mir, Urs
Vorwurf des "spekulativen Anthropomorphismus" an Abrzo widerlegt zu haben.
Ciao
Wolfgang Horn
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 07.
Sept. 2006, 15:30 Uhr
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Hallo Eberhard,
es wird zunehmend mühsam diesen Thread zum Antworten und
Zitieren zu öffnen. Beim Versuch, Dein letztes Posting an mich mit "Zitieren" zu
öffnen, bin ich dreimal hintereinander mit "Server error" gescheitert.
Würde
es Dir was ausmachen, ein "Warum soll man moralisch sein? III" anzulegen?
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am
07. Sept. 2006, 19:37 Uhr
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Hallo hel,
Du brauchst Deinen Computer nicht mehr zu quälen: Ich habe
eine neue Runde unter dem Titel "Warum soll man moralisch handeln?" eröffnet.
Stellt also Eure Beiträge zum Thema dort ein.
Ich danke allen, die mit
Argumenten zur Diskussion beigetragen haben, sowie allen Nur-Lesern, die die
nötige Geduld aufgebracht haben.
Auf ein Neues!
Eberhard.
p.s.: Mit dem, was möglicherweise anschließend an dies Schlusswort hier
eingestellt wird, habe ich nichts zu tun. Leider kann man bei PhilTalk als
Initiatior einer Diskussion diese nicht auch schließen.
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