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Darf
man sich selbst zugrunde richten? II
PhilTalk Philosophieforen
Praktische Philosophie >> Ethik >> Darf man sich selbst zugrunde richten? II
(Thema begonnen von: Eberhard am 14. Sept. 2005, 10:11 Uhr)
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Titel: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 14.
Sept. 2005, 10:11 Uhr
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Hallo allerseits und herzlich willkommen zur Fortsetzung unserer Diskussion über
ethische Fragen der Sucht.
Eine weiterhin produktive und sachliche
Diskussion
wünscht sich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
14. Sept. 2005, 14:17 Uhr
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Hallo Vordenker,
ja für mich ist es auch bequemer, wenn wir eine 2. Runde
beginnen.
Deine Positionen:
Position1:
Ein Mensch darf
sich nicht selber zerstören ... Man darf und soll ihn daran hindern, notfalls
durch zeitlich begrenzten Zwangsentzug.
In der Begründung lassen sich
zwei Positionen unterscheiden:
Position 1a:
Diese Antwort ist
Ausdruck des ethischen Wollens, das in mir (und auch in anderen?) ist.
Position 1b:
Zwangsentzug ist auch gegenüber dem Süchtigen zu
rechtfertigen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der ehemals Süchtige
nach der Überwindung der Sucht dem Zwangsentzug nachträglich selber zustimmen
wird.
Position 2:
Erwachsene Menschen sollten in ihrer
Selbstbestimmung niemals eingeschränkt werden, auch wenn sie sich selber
zerstören. Voraussetzung ist jedoch, dass sie dadurch anderen nicht zur Last
fallen. Sie haben deshalb keinen Anspruch auf Hilfe, es sei denn, diese Hilfe
wird von den Süchtigen über eine Drogensteuer selber getragen.
Position
3:
Wenn Menschen sich selbst zerstören, dann sind sie psychisch krank
und brauchen eine Behandlung. Eine Zwangsbehandlung ist ein unzulässiger
Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung. In jedem Fall haben die Süchtigen
einen uneingeschränkten Anspruch auf Hilfe.
Mein Kommentar:
Zu
Position 1a + b: Ob "ethisches Wollen" oder die Erwartung einer nachträglichen
Rechtfertigung: Es besteht kein Zweifel, dass hier in die Freiheit des
"Selbstzerstörers" eingegriffen wird. Es handelt sich also um eine
De-facto-Entmündigung. Wenn ein ordentliches Gericht zur Erkenntnis kommt, dass
§ 6 BGB vorliegt, stimme ich zu, sonst nicht.
Position 2 ist mir
sympathischer, Position 3 sehe ich lediglich als eine Variante von Position 1
an.
Gruß HP (Nachdenker [cheesy])
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
14. Sept. 2005, 22:40 Uhr
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Hi,
Position 2 ist mir, so, wie sie zur Zeit vertreten wird, zu
oberflächlich. Alle Moralen haben sich auf ein abstraktes Tötungsverbot
geeinigt. Na und? Die Frage ist doch, warum! Denn wenn es dafür keinen Grund
gibt, kann man das auch wieder ändern.
Die Nazis haben das geändert.
Ihrer Auffassung nach waren Juden Antimenschen, sie systematisch zu ermorden
eine gute Tat zum Wohle des Überlebens der wirklichen Menschheit. Die Ermordung
der Juden und die Unterjochung der Nicht-Arier galt ihnen als Voraussetzung für
die Entwicklung des natur/gottgewollten höheren Menschentums. Geht also.
Eine weitere Alternative finden wir im Tierreich. Nicht nur bei den Löwen,
sondern auch bei etlichen anderen Rudeltieren (und Menschen sind Rudeltiere) ist
es üblich und normal, dass, wenn ein neuer Chef das Rudel erobert, erst mal der
gesamte noch nicht selbständige Nachwuchs des alten besiegten Chefs getötet
wird. Durchaus sinnvoll: die Weiber kümmern sich danach ausschließlich um den
Nachwuchs, der vom neuen Chef stammt. Was spricht aus Vernunftsgründen dagegen,
das beim Menschen genau so zu handhaben (ich habs gesagt, man muss die Medusa
ins Auge fassen, sonst schafft man solche Probleme nicht)?
Also: warum
lehnen Menschen dieses natürliche und sinnvolle Verfahren ab?
Ethik
verhält sich zur Moral wie Ästhetik zu ArtDesign. Auch die
Verständnisproblematik ist die gleiche. Ein Ästhetiker hat keine Probleme damit,
ArtDesign zu verstehen. Aber versuche mal einem ArtDesigner zu erklären, was
Ästhetik ist! Der wird dich im Zweifelsfalle gar nicht verstehen, denn er ist
der Auffassung, Ästhetik, das seien die Regeln, die man ihm beim
ArtDesign-Studium beigebracht hat. Warum diese Regeln? Achselzucken. Die sind
eben da.
Philosophisch ist das nicht.
Zwangsentzug ist auch gegenüber
dem Süchtigen zu rechtfertigen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der
ehemals Süchtige nach der Überwindung der Sucht dem Zwangsentzug nachträglich
selber zustimmen wird.
Setzt du, Eberhard, damit nicht voraus, dass der
Süchtige dem Zwangsentzug nachträglich zustimmen wird? (Er wird übrigens. Ich
habe keinen Langzeitabhängigen kennen gelernt, der nicht lieber nicht-abhängig
gewesen wäre. Sie betrachteten die Abhängigkeit entweder als persönliches
Schicksal oder als eine Art Strafe für ihre Fahrlässigkeit, damit angefangen zu
haben.) Warum setzt du das voraus? Ist es nicht so, dass es für dich außerhalb
der Vorstellung ist, dass man sich sinnlos zerstören wollen kann?
Ich
habe schon mal angedeutet, das Argument der Freiheit halte ich für ideologisch.
Und zwar aus dem schlichten Grund, weil ein Toter von seiner Freiheit nix mehr
hat. Freiheit ist ausschließlich eine Angelegenheit für lebendige Leute. Das
Beharren auf dem Argument Freiheit denkt im Grunde den Toten genau so lebendig,
wie Augustinus die Seele des gefolterten Ketzers über seinen Feuertod hinaus
lebendig dachte.
Meines Wissens können nur Menschen bewusst Selbstmord
begehen. Sie können eben sogar über ihr Leben hinaus denken. Was sie dabei
übersehen ist, dass sie nach dem Selbstmord eben tot sind. Is nix mit Ruhe und
ewiger Schlaf. Denn wer schläft, lebt noch. Oder: theoretisch wird der treulose
Liebhaber sich ungeheuerliche Vorwürfe machen. Praktisch kann man das nicht mehr
genießen.
Sie haben deshalb keinen Anspruch auf Hilfe, es sei denn, diese
Hilfe wird von den Süchtigen über eine Drogensteuer selber getragen.
Kategorisches Nein. Der Anspruch, den ein Süchtiger zu haben meint oder auch,
wat dat kost', ist für mich als Mensch völlig irrelevant, wenn es um die
Zerstörung menschlichen Lebens geht, auch wenn der Betroffene das selbst
bewerkstelligt. Denn es geht allgemein um die Zerstörung menschlichen Lebens.
Wer das macht, ist egal. Entweder ich will keine Zerstörung menschlichen Lebens,
dann wende ich mich dagegen und frage nicht, was das kostet und ob ggf. meine
Unkosten von einer Versicherung getragen werden. Oder es ist mir gleichgültig,
ob einer sich zerstört. Wenn mir aber der Selbstmord eines anderen gleichgültig
ist, warum sollte mir dann Mord nicht genau so gleichgültig sein? Was habe ich
persönlich damit zu tun, wenn im Haus gegenüber ein Sexualstraftäter ein Kind
vergewaltigt und umbringt? Es ist ja nicht mein Kind. Mein Kind telefoniert
putzmunter mit Freunden, und über der Wohnungstür wacht Herr Hund. Also, was
habe ich damit zu tun?
Position 3 - na ja. Mir erscheint sie so, als
suche man sich 'irjendswie' Gründe zusammen, dass Selbstmord eigentlich gar
nicht geht - weil man ihn nicht will und das Argument des Willens nicht mag.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
15. Sept. 2005, 02:05 Uhr
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Hallo Abrazo,
zum Anfang deiner Ausführungen:
Du fragst, warum
sich die Methode des Nachwuchstötens und des Genozids nicht durchgesetzt haben
bzw. von der derzeitigen Staatsmoral abgelehnt werden.
Der Genozid war
keineswegs eine Erfindung der Nazis, weitest gefehlt!! Genozid gibt es, seit es
Menschen gibt, der erste Fall dürfte übrigens die Beseitung des Neandertalers
gewesen sein.
Die meisten Völker diese Erde mussten zu ihrer Existenz
irgendwelche Völker ausrotten. Im Alten Testament haben die Juden fein
säuberlich alle Völker notiert, die sie vernichteten. Und, um ein neueres
Beispiel zu nennen, praktisch alle Staaten Amerikas entstanden nach oder
basieren auf dem Ausrotten der indigenen Bevölkerung.
Dass die Nazis keinen
Erfolg hatten, lag daran, dass sich die Juden effektiv gewehrt hatten und
entsprechend Unterstützung bekamen.
Das Modell "Kindermord", wie zB bei
Löwen dokumentiert, hat sich ebenfalls nicht durchgesetzt. Nicht einmal bei den
Löwen ist es die Norm. Letztlich bringt es auch nichts, weil der Löwe dann zwar
schneller Nachwuchs bekommt, dafür aber auch seine Nachkommen am Ende seiner
Zeit nicht mehr durchbringt.
Mit anderen Worten: Moralische Normen
unterliegen ebenfalls der Evolution. Ob also der Genozid auf Dauer verschwindet
oder sich nicht doch wieder verstärkt durchsetzt (auch ein "Ideologozid" wäre ja
denkbar), weiß man nicht.
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
15. Sept. 2005, 08:57 Uhr
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Hallo,
ich möchte Hanspeter ergänzen: das Modell "Kindermord" oder auch
"Königsmord" hatte auch seine menschlichen Nachfolger. Denkt doch mal an unser
Mittelalter, als die deutschen Staaten und das "heilige" Römische Reich
deutscher Nation" von Rudeln regiert wurde, die sich "Königshäuser" nannten
(Salier, Ottonen usw.). Die Könige lebten gefährlich, die meisten wurden
ermordet, waren aber auch durch Ermordung ihres Amtsvorgängers an die Macht
gekommen.
"Moral" galt damals nur für das gemeine Volk.
Das Volk hat sich
inzwischen (bei uns in Europa) von dieser Moral befreit und eine Vernunftsethik
an ihre Stelle gesetzt, die für alle gilt, auch für die "da oben" - was
womöglich noch nicht konsequent praktiziert wird. Aber die Grundlage ist da.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am
15. Sept. 2005, 11:47 Uhr
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on 09/14/05 um 22:40:59, Abrazo wrote:Ich habe schon mal angedeutet, das
Argument der Freiheit halte ich für ideologisch. Und zwar aus dem schlichten
Grund, weil ein Toter von seiner Freiheit nix mehr hat. Freiheit ist
ausschließlich eine Angelegenheit für lebendige Leute.
Denn es geht
allgemein um die Zerstörung menschlichen Lebens. Wer das macht, ist egal.
Entweder ich will keine Zerstörung menschlichen Lebens, oder es ist mir
gleichgültig, ob einer sich zerstört. Wenn mir aber der Selbstmord eines anderen
gleichgültig ist, warum sollte mir dann Mord nicht genau so gleichgültig sein?
nein, da gibt es einen ganz elementaren unterschied! es hat in
sofern etwas mit freiheit zu tun, als dass der selbstmörder die freiheit haben
sollte sein leben abzulehen. wenn du ihn zwingst weiterzuleben, zwingst du ihn
(seiner meinung nach) auch, das weiterzuführen, was er hasst, nicht mehr
ertragen kann oder will. wieso ist das ideologisch? natürlich gibt es danach
nicht mehr die möglichkeit sich über den geglückten selbstmord, also die
gewonnene freiheit zu freuen, logisch, aber er hat doch den ungeliebten zustand
verlassen.
es ist in etwa so (wenn wir schon bei weithergeholten vergleichen
sind... ;-)) wie bei zwei verschiedenen wahlen: einmal kannst du wählen zwischen
4 oder was weiß ich wievielen parteien und bei der anderen hast du nur die
möglichkeit mit nein zu stimmen. es ist dann keine stimme für jemanden oder
irgendwas sondern ausschließlich gegen diesen. du entscheidest dich damit nicht
für irgendeine andere alternative sondern lehnst bloß die eine ab.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 15.
Sept. 2005, 12:42 Uhr
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on 09/14/05 um 22:40:59, Abrazo wrote:Alle Moralen haben sich auf ein
abstraktes Tötungsverbot geeinigt. Na und? Die Frage ist doch, warum! Denn wenn
es dafür keinen Grund gibt, kann man das auch wieder ändern.
ich
kann mir ja die finger wund schreiben, das bringt offensichtlich nichts, deshalb
versuch ichs mal ad hominem:
" Offenbar haben Gefühle eine ähnliche
Bedeutung für die moralische Rechtfertigung von Handlungsweisen wie
Wahrnehmungen für die theoretische Erklärung von Tatsachen. "
J. Habermas,
Diskursethik - Notizen zu einem Begründungsprogramm in Moralbewusstsein und
kommunikatives Handeln.
"Man hat es nämlich in unseren Tagen
allererst einzusehen angefangen: dass das Vermögen, das Wahre vorzustellen, die
Erkenntnis, dasjenigen aber, das Gute zu empfinden, das Gefühl sei, und das
beide ja nicht mit einander müssen verwechselt werden. Gleichwie es nun
unzergliederliche Begriffe des Wahren [...] gibt, also gibt es auch ein
unauflösliches Gefühl des Guten."
I. Kant, Untersuchungen über die
Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral.
"Über das eine möge hierbei im vorhinein Übereinstimmung festgestellt sein, dass
von einer Untersuchung über ethische Fragen nur umrisshafte Gedankenführung,
nicht aber wissenschaftliche Strenge gefordert werden darf."
Aristoteles,
Nikomachische Ethik
Ursachenbedingtheit ist gerade die voraussetzung
für veränderung.
gruss
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am
15. Sept. 2005, 13:42 Uhr
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on 09/14/05 um 14:17:23, Hanspeter wrote:Position 3 sehe ich lediglich als
eine Variante von Position 1 an.
ich halte 3 eher für eine
variante von 2, weil beide im grunde darauf hinauslaufen, in die
selbstbestimmung des individuums nicht einzugreifen. der unterschied liegt
lediglich in der mir-doch-egal-haltung von 2 zu der hilfe-idee der 3. position.
ganz allgemein sehe ich das problem in der nur schwer zu fassenenden
bestimmung des "eigenen willens" bei süchtigen. der charakter einer sucht liegt
ja eben darin, dass die grenzen zwischen fremd- (durch die droge) und
eigenbestimmung (durch den willen des betroffenen) verschwimmen.
ich
persönlich sehe mich bei position 3; ich denke (und das auch allgemein auf
andere, ähnliche "selbstbestimmungsprobleme bezogen), dass einem mensch, der in
der lage is, die fakten zu überblicken, gut informiert ist und dem auch in
alltäglicheren fragen eine eigene, selbstverantwortliche entscheidung zugetraut
wird, diese kompetenz nich plötzlich entzogen werden sollte. wenn ich nicht
allgemein dem oben charaterisierten individuum eine entscheidungsfähigkeit
absprechen will/kann, dann sollte ich dies auch nich auf diesem bestimmten
gebiet tun. mit welchen begründungen ziehe ich wo die grenze zwischen
hier-hat-er-mitspracherecht und nö-hier-nicht-mehr.
da ich bis jetz noch
niemanden getroffen habe, der dem menschen allgemein seine
entscheidungsfähigkeit abspricht (bzw. das recht eine eigene entscheidung zu
fällen), sehe ich nicht, wieso dies in bestimmten fällen geschehen sollte.
wie gesagt, die frage ist für mich eher, ob diese obigen, nötigen
eigenschaften einem süchtigen zugesprochen werden können - einfacher ist die
frage imo beim thema selbstmord.
jemand anderer meinung?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
15. Sept. 2005, 15:35 Uhr
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@ Chefkoch:
Position 3 ist etwas unklar formuliert. Betrachtet man den Wunsch
zur "Selbstzerstörung" als Krankheit, wird der behandelnde "Arzt"
selbstverständlich alles tun, um die "Selbstzerstörung" zu verhindern, was de
facto auch einen Zwang impliziert. Jedenfalls akzeptiert Position 3 nicht die
freie Entscheidung des "Selbstzerstörers" und entspricht darin Position 1
@psi
Moralische Probleme kann man nicht durch Zitate von Leuten
lösen, die wie der Sklavenhalter Aristoteles eine von uns vollkommen
verschiedene Moral vertreten. Abgesehen davon gibt es keinen Schwachsinn, für
den man nicht irgend ein philosophisches Zitat findet, wenn man lang genug
sucht. [grin]
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am
15. Sept. 2005, 18:53 Uhr
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naja, dem text nach nich unbedingt. da steht ja eindeutig, dass eine
zwangsbehandlung unzulässig ist. zwar mag man als "positionsvertreter" der
ansicht sein, dass der andere theoretisch hilfe bräuchte, aber dass sie
aufgezwungen werden soll, steht nich zur debatte. das verneint 3. ganz klar.
aber letzlich gehts hier ja auch nich drum gesetzestexte zu interpretieren,
diese drei positionen sollten ja nur mal eine darstellung der bereits genannten
punkte sein oder nich? da müssen wir uns ja jetz nich dran festfressen.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
15. Sept. 2005, 21:39 Uhr
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Hi, zusammen,
manche machen sich die Sache imho ein bisschen zu einfach.
Unsere Frage ist nicht, ob Genozid möglich war und ist (natürlich ist er das),
sondern warum er als schlecht oder böse gilt. Wobei man auch differenzieren
sollte: als Kaiserin Agrippina ihren kaiserlichen Ehemann um die Ecke brachte,
beging sie keinen Genozid, sondern einen ganz normalen Mord. Kommt bekanntlich
schon mal vor. Auch unter unseren modernen Gesetzen. Dieses Argument zieht also
nicht.
Deine Erklärungen, Hanspeter, halte ich langsam für sehr
bedenklich. Die meisten Völker diese Erde mussten zu ihrer Existenz irgendwelche
Völker ausrotten Woher hast du die Weisheit, dass sie das mussten? Mir ist
bisher nur eine Gruppierung bekannt, die meinte, man müsse zwecks
Existenzsicherung ein Volk ausrotten: die Nazis. Mir fällt auch kein Volk ein,
das aus Existenzbedrohung einen Aggressionskrieg begonnen hätte. Fällt dir eins
ein? Statt dessen fällt mir auf, dass dieses Notwehrrecht eigentlich immer die
stärkere Partei beansprucht.
Auch in der Geschichte hast du anscheinend
ein paar Neuerungen zu bieten. Denn ich habe eigentlich immer nur gehört, dass
die Juden sich weitgehend nicht gewehrt haben - und dass die Alliierten sich
erst nach dem Krieg mit den Judenmorden befassten, vorher hatten sie an
'wichtigeres' zu denken. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Juden die
Alliierten dazu gebracht haben sollen, den Nazis den Krieg zu erklären; ich
dachte bisher immer, das hätte zuerst was mit Bundnisverpflichtungen und Polen
zu tun gehabt (ist zwar abseits des Themas, aber muss sein).
Meinst du,
der Löwenmann oder die Biologie sei in der Lage, so weit zu denken, dass sie
entscheiden, mit Rücksicht auf den Fortbestand der Art keine Löwenjungen
umzubringen? Kümmert sich überhaupt irgend ein Tier um den Fortbestand seiner
Art? Ich denke, ein Tier kümmert sich in erster Linie um den eigenen
Fortbestand. Entsprechend ein Rudeltier um den Fortbestand des Rudels. Das
Rudel, das sind aber in erster Linie die Weiber. Die Männer nur insofern, als
sie brav und folgsam sind und nicht gegen den Boss aufmucken. Und Welpen sind
völlig wertlos, wenn es nicht die eigenen sind.
Es gibt bei kriegerischen
Auseinandersetzungen durchaus auch heute Menschen, die sehr ähnlich denken. Und
damit zurück zu unserer Frage: die Ethik stellt nicht die Frage, wie gehandelt
wird, sondern wie dieses Handeln beurteilt wird. Wie wird es denn beurteilt,
wenn wild gewordene Soldaten Frauen die Kinder aus den Armen reißen (oder gar
Schwangeren die Bäuche aufschlitzen) und sie umbringen? Sagen wir, nun ja, das
ist halt die dort gesellschaftlich vereinbarte Moral? Und finden die Menschen,
die von solch einem Krieg betroffen sind, so etwas auch zu Kriegszeiten
moralisch in Ordnung?
Wenn moralische Normen der Evolution unterliegen:
wieso ist dann unsere Evolution anders verlaufen als die des Viehzeugs?
Ich denke, auch du, doc rudi, solltest zwischen Handlung(sstatistik) und Moral
bzw. Ethik unterscheiden. Ich hatte schon geschrieben, Ethik setzt eine
bestimmte Qualität des Denkens voraus, nämlich räumlich und zeitlich umfassend
zu denken. Da das wahrscheinlich die Mehrheit zumindest zeitweise nicht tut,
gibt es die Moral (und die Gesetze).
der selbstmörder die freiheit haben
sollte sein leben abzulehen
Warum sollte er sie haben? Warum soll überhaupt
ein Mensch Freiheit haben? Weil wir das in unserer Gesellschaft so beschlossen
haben? Nun, das kann man auch wieder abschaffen.
Will sagen: wer sich auf
gesellschaftlichen Beschluss beruft, muss alle ethischen 'Normen' zur
Disposition stellen, auch die Freiheit, auf die er sich beruft. Ohne
überzeugende Begründung, warum ein Mensch überhaupt Freiheit haben soll, ist die
Freiheit als Norm nicht viel wert.
Und eine Wahl, Chefkoch, ist nur dann
sinnvoll, wenn über zukünftig umzusetzende Entscheidungen bzw. die Personen, die
diese fällen sollen, abgestimmt wird. Über welche zukünftig umzusetzende
Entscheidung stimmt der Selbstmörder ab? Und - meinst du, man könnte einem
Selbstmord zwingend den Diskurs über selbigen voraussetzen, meinetwegen als eine
Art Beratung, ähnlich wie bei einem Schwangerschaftsabbruch? ;-)
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 15.
Sept. 2005, 22:25 Uhr
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on 09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:Warum sollte er sie haben? Warum soll
überhaupt ein Mensch Freiheit haben? Weil wir das in unserer Gesellschaft so
beschlossen haben?
genauso ist es.
trivial eigentlich. warum man
jemandem seine freiheit lässt? weil man sonst womöglich eine aufs maul kriegt.
du bist doch sonst nicht um erfahrungen der strasse verlegen. freiheit erkämpft
man sich. wenn ich das richtig erinnere die menschenrechte mit der guillotine.
freiheit als norm? es gibt kein normatives system das nicht intuitiv begründet
werden müsste. es gibt für axiomatische festlegungen keine begründung. siehe
habermas/kant/aristoteles
kann doch nicht so schwer sein...
gruss
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
15. Sept. 2005, 22:58 Uhr
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Und warum haben wir sie so und nicht anders festgelegt?
Du machst es dir ein
bisschen zu einfach. Philosophie bleibt im Gegensatz zu den Naturwissenschaften
nicht bei den Axiomen als etwas quasi gottgegebenem stehen.
Nichts gegen
Habermas, der meint damit etwas - es ist nur offenbar nicht das, was du damit
meinst [grin]
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 15.
Sept. 2005, 23:11 Uhr
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on 09/15/05 um 22:58:43, Abrazo wrote:Und warum haben wir sie so und nicht
anders festgelegt?
Du machst es dir ein bisschen zu einfach. Philosophie
bleibt im Gegensatz zu den Naturwissenschaften nicht bei den Axiomen als etwas
quasi gottgegebenem stehen.
Nichts gegen Habermas, der meint damit etwas
- es ist nur offenbar nicht das, was du damit meinst [grin]
nun
das scheint das momentan akzeptable gleichgewicht der kräfte zu sein. oder
meinst du es wäre so wenn jemand der stark genug wäre etwas anderes
durchzusetzen willens wäre das zu tun?
so, dann findet philosophie wohl im
luftleeren raum ohne verankerung in der wirklichkeit statt? den eindruck hat man
allerdings manchmal.
und BITTE lass mich nicht dumm sterben und erklär mir
diesen so völlig unmissverständlichen für habermas selten
allgemeinverständlichen satz der einer völlig klaren abhandlung mit ebendiesem
thema der begründung der moral so sinnentstellend entrissen wurde. und den von
kant doch auch gleich. denn ich hab schon verstanden dass nur derjenige der wie
du ganzheitlich umfassend denkt ethisch ist ...blöd nur das man das auch nicht
nachprüfen kann...um bei gelegenheit wieder mit der strasse zu argumentieren.
wenn man schnell genug oszilliert erkennt mans auch kaum...
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am
15. Sept. 2005, 23:49 Uhr
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on 09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:der selbstmörder die freiheit haben
sollte sein leben abzulehen
Warum sollte er sie haben? Warum soll überhaupt
ein Mensch Freiheit haben?
sämtlichen menschen alle freiheiten
abzusprechen, ist ein ding der unmöglichkeit, dann müssten sie aufhören zu
existieren! wie stellst du dir das praktisch vor, alle menschen ohne freiheit zu
irgendwas? das geht nich, sorry!
hier geht es um die freiheit zu sagen (um
das ganze zu vereinfachen, reduzier ichs mal auf selbstmord): ich hab keine lust
mehr!
die beweislast liegt hier auf deiner seite; wenn du dem selbstmörder
antwortest: das hast du aber nich zu bestimmen! dann frag ich mich, wer das denn
sonst zu bestimmen hätte. der staat? wieso? gott? wieso? eltern/freunde/ärzte?
wieso?
on 09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:Und eine Wahl,
Chefkoch, ist nur dann sinnvoll, wenn über zukünftig umzusetzende Entscheidungen
bzw. die Personen, die diese fällen sollen, abgestimmt wird. Über welche
zukünftig umzusetzende Entscheidung stimmt der Selbstmörder ab?
das
habe ich erklärt, es ist eine negative wahl, die nur die akzeptanz oder
ablehnung eines status quo beinhaltet. der selbstmörder wählt die verneinung,
entscheidet sich gegen sein leben und die aktuelle situation.
on
09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:Und - meinst du, man könnte einem Selbstmord
zwingend den Diskurs über selbigen voraussetzen, meinetwegen als eine Art
Beratung, ähnlich wie bei einem Schwangerschaftsabbruch?
wer redet
denn hier von zwang? und so wie ich das verstanden hab, geht es in der
philosophie auch nich in erster linie darum, gesetzestexte zu entwerfen, die
ohne probleme morgen umgesetzt werden können. mir ging es lediglich darum, fälle
momentaner verzweiflung, die möglicherweise aus missverständnissen,
übertriebenen ängsten o.ä. herrühren und affekt-handlungen auszuschließen.
und wieso nich? bei einer legalisierung der aktiven sterbehilfe könnte ich mir
solche auflagen durchaus vorstellen, sie helfen in jedem fall, missbrauch und
unüberlegten entscheidungen vorzubeugen!
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
16. Sept. 2005, 02:40 Uhr
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Hallo Abrazo,
mich interessiert die theoretische Moral etwas mehr, als
das momentane praktische Beispiel, daher kommentiere ich nur deine
diesbezüglichen Beiträge.
Du schreibst: "...als Kaiserin Agrippina ihren
kaiserlichen Ehemann um die Ecke brachte, beging sie keinen Genozid, sondern
einen ganz normalen Mord."
Wo habe ich das behauptet? Bitte meine
Beiträge genau lesen!
Weiter: "Mir ist bisher nur eine Gruppierung
bekannt, die meinte, man müsse zwecks Existenzsicherung ein Volk ausrotten: die
Nazis."
Das liegt an mangelnder Geschichtskenntnis. Der Vorwurf geht
nicht an dich, sondern an den derzeit üblichen Geschichtsunterricht, der so tut,
als habe die Menschheit Jahrtausende in Frieden gelebt, bis dann Wilhelm II und
Hitler auftauchten.
Ich nannte bereits Beispiele: Die Juden des Alten
Testaments, die meisten der heutigen Länder Amerikas (Nord und Süd). Die
Ureinwohner Tasmaniens wurden im 19. Jahrhundert ausgerottet, für jeden erlegten
Indianer Feuerlands zahlten die vorzugsweise britischen Farmer 8$ Prämie usw.
Weiter "Mir fällt auch kein Volk ein, das aus Existenzbedrohung
einen Aggressionskrieg begonnen hätte. Fällt dir eins ein?"
Ja, die
indigenen Völker Amerikas haben verzweifelt gegen die Weißen gekämpft, viele
davon wurden ausgerottet "Der letzte Mohikaner". Und die Geschichte der
Völkerwanderung (so etwa 4. - 6. Jahrhundert) hatte vorzugsweise dieses eine
Thema. Zugegeben, die damaligen Genozids waren nicht so systematisch wie die der
Nazis, aber Ziel war es stets, die in "guten Landschaften" lebenden Völker zu
beseitigen.
Weiter: "Auch in der Geschichte hast du anscheinend ein
paar Neuerungen zu bieten. Denn ich habe eigentlich immer nur gehört, dass die
Juden sich weitgehend nicht gewehrt haben"
Die Juden im Einflussbereich
der Nazis konnten sich nicht erfolgreich wehren, richtig, wohl aber die
außerhalb, vor allem die in den USA.
Hitler hat den 2. Weltkrieg
heraufbeschworen, nicht um die Juden zu vernichten. Die systematische
Judenvernichtung begann mit der Wannseekonferenz anfangs 1942.
Aber bereits
1939 empfahlen Einstein & Co den Bau der Atombombe als Waffe gegen Hitler. Den
2. Weltkrieg gewannen die USA und die dort sehr einflussreichen Juden waren
verständlicherweise sehr daran engagiert.
Weiter: "Meinst du, der
Löwenmann oder die Biologie sei in der Lage, so weit zu denken, dass sie
entscheiden, mit Rücksicht auf den Fortbestand der Art keine Löwenjungen
umzubringen?"
Natürlich nicht. Die Natur experimentiert. Und wenn die
Methode "Kindermord" erfolgreich ist, setzt sie sich durch.
Die Frage
Arterhalt oder Generhalt ist noch nicht entschieden, spielt in diesem
Zusammenhang aber keine Rolle, denn wenn die Art nicht mehr existiert, sind auch
die Gene futsch.
Wie ich schon sagte, hat sich die Methode Kindsmord
nicht erfolgreich durchgesetzt. Sozial lebende Robben (gehören ja auch zu den
Carnivoren) töten nicht gezielt ihre Jungen. Das passiert nur gelegentlich aus
Versehen, wenn ein liebeshungriger Seeelefant mit seinen 3,5 Tonnen über ein
Junges fährt, das nicht schnell genug Reißaus nimmt.
Weiter: "Wenn
moralische Normen der Evolution unterliegen: wieso ist dann unsere Evolution
anders verlaufen als die des Viehzeugs?"
Unsere Evolution ist nicht
prinzipiell anders verlaufen als beim "Viehzeugs". Und vergleicht man die
moralischen Normen einer Schimpansenherde mit der Menschen, so sind die
Ähnlichkeiten enorm. Doch die sieht man nicht, wenn man sich nicht mit ihnen
beschäftigt.
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von MiaoMiao am
16. Sept. 2005, 04:50 Uhr
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Wenn der Mensch sich zugrunde richten WILL, dann kann ihn niemand aufhalten.
Ich kannte mal eine Bulimie-Kranke, die SICH ABSOLUT WEIGERTE etwas zu
essen, weil sie Angst hatte dick zu werden (was bei 35kg bei 165cm eigentlich
nicht so schlimm waere). Wenn man sie zwang etwas zu essen, musste man hoellisch
aufpassen, dass sie es sich nicht wieder aus dem Magen kratzte. Am Ende wurde
sie an den Tropf gehaengt.
Der Arzt meinte, dass es nicht besser werden
kann, solange sie keine Besserung WILL.
Man kann versuchen einen davon
abzuhalten sich zugrunde zu richten oder versuchen, dass er wenigstens keine
anderen Leute mit ins Grab nimmt z.B. Amoklaeufer, aber solange der Mensch sich
zugrunde richten WILL, kann ihn auch niemand davon abhalten.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 16. Sept. 2005, 10:12 Uhr
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....... genau !
das ist ja auch das problem bei der 6h9 selbst
mord heit ..........
sie will sich um bringen
und ich kann sie nicht
auf halten !
sie ist ein fach nicht in der lage die wahr heit zu er
kennen
und die ent sprechenden hand lungen ver wirk lichen ........
weil sie liebe will
und nur den tod dafür an bietet !
und das ist nur
für geistig be hinderte .......
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
16. Sept. 2005, 20:19 Uhr
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Hallo allerseits,
darf man sich selbst zerstören?
Gibt es darauf
eine konsensfähige Antwort?
Es muss dazu wohl zwischen zwei Formen der
Selbstzerstörung unterschieden werden, der Selbsttötung eines Lebensmüden und
dem gesundheitlichen Raubbau des Rauschmittelabhängigen.
Meiner Meinung
nach gibt es Situationen, in denen gegen eine Selbsttötung moralisch nichts
einzuwenden ist. Ich denke etwa an einen alten, allein lebenden Menschen, der
unter einer schmerzhaften, unheilbaren Krankheit leidet, die ihn ans Bett
fesselt. Wenn dieser Mensch sich dafür entscheidet, sein Leben selbst bestimmt
und bei klarem Verstand zu beenden, so sollte man diese Entscheidung
respektieren.
Diese moralische Unbedenklichkeit gilt selbstverständlich
nicht für jede Selbsttötung.
Dagegen ist der gesundheitliche Raubbau des
Drogensüchtigen immer abzulehnen. Bei einer entwickelten Sucht ist die Frage, ob
der Süchtige die gesundheitsschädlichen Drogen konsumieren darf, eigentlich
schon obsolet, denn der moralische Appell ist gegenüber der Sucht machtlos.
Moral spielt allerdings eine wichtige Rolle bei allen Handlungen, die zur
Sucht hinführen.(Dabei verstehe ich unter Sucht nicht jede kleine „Schwäche“,
sondern den Konsum von Stoffen, die zu körperlichen und psychischen
Entzugserscheinungen führen. Ich halte Sucht nicht für ein Randproblem sondern
für eines der Hauptprobleme unserer Zeit.)
Den Dealer, der andere – die
womöglich noch im jugendlichen Alter sind - zur Sucht verleitet, trifft zu Recht
die tiefste moralische Verachtung.
Jeder, der an der Sucht der anderen
verdient und deshalb deren Sucht fördert, handelt moralisch verwerflich.
Aber auch das leichtfertige Spielen mit und Probieren von „harten“ Suchtmitteln
ist moralisch zu verurteilen, weil die Abhängigkeit schleichend und unmerklich
eintritt, gedeckt von Verharmlosung und Selbsttäuschung.
Die zeitlich
begrenzte Entmündigung Süchtiger, die immer größere Mengen an Drogen benötigen,
halte ich für moralisch gerechtfertigt, wenn sie dadurch vor dem absehbaren
vorschnellen Tod bewahrt werden. Das wird auch der Süchtige selber in seinen
klaren Momenten akzeptieren.
Ich denke, es gibt „gute Gründe“ zur
moralischen Verurteilung der Sucht und aller Handlungen, die deren Verbreitung
fördern. Das dadurch erzeugte Elend kann niemand wollen.
Ich höre schon
den Widerspruch: „Doch, der Dealer will es.“
Gibt es allgemein akzeptable
Gründe, den Dealer moralisch zu verurteilen? Oder ist das eine Frage der
ethischen Intuition, wie Abrazo sie beschreibt?
Bleiben wir dicht am
Thema (es gibt hier genug zu diskutieren) und lassen wir die zahlreichen anderen
Kontroversen mal aus dem Spiel,
Es grüßt alle Nachdenklichen Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
16. Sept. 2005, 20:40 Uhr
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Hi, Eberhard,
es funktioniert nicht. Du kannst es drehen und wenden wie
du willst, es funktioniert nicht. So kannst du keine allgemeingültigen
moralischen Normen aufstellen. Dazu sind die einzelnen, individuellen
Situationen viel zu unterschiedlich. Letztlich wirst du bei der altbekannten
Moral landen, über die sich Intellektuelle und Freigeister wie zu allen Zeiten
lustig machen und die Ethiker vehement ablehnen, bis sie zusammen bricht.
Gibt es allgemein akzeptable Gründe, den Dealer moralisch zu verurteilen?
Es gibt eigentlich nur einen allgemein anerkannten Grund: wenn ein
erwachsener Dealer Heroin an Kinder und Jugendliche vertickt. Wobei man da schon
bei sechzehnjährigen Prostituierten und ebenso alten professionellen
Autoknackern Abstriche macht.
Und sonst?
Der Drogenfahndung ist es
lieber, ein heroinabhängiger Dealer verdient das Geld für seine Sucht mit Dealen
unter Süchtigen, als dass er einbricht, Kioske überfällt, Omas niederschlägt
oder den Stricher für Perverse abgibt.
Für Drogenabhängige ist der Dealer
der wichtigste Freund, denn er versorgt sie trotz Risiko mit quasi
lebenswichtigem Stoff.
Afghanische Mohnbauer haben ebenso wie
südamerikanische Koka-Züchter nicht die geringsten Gewissensbisse, Drogen in den
Westen zu liefern, der sie jahrzehntelang auf arrogante Weise ausgebeutet hat.
'Sie brauchen sie ja nicht zu nehmen', meinen wohl die meisten von ihnen, 'dass
sie es tun, zeigt ihre Dekadenz und Morbidität, selbst dran schuld'.
Und
nicht abhängige Dealer sehen kein Problem darin, Leuten Stoff zu verkaufen, die
sowieso kriminell sind und alles andere als seriöse, gut bürgerliche Leute.
Schlag mal vor, nen vernünftigen, allgemein akzeptierten Grund.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
16. Sept. 2005, 21:03 Uhr
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Hi, Hanspeter,
du hast recht, die Königsmörder hat doc rudi ins Spiel
gebracht.
Zu allem anderen könnte ich dir eine Menge sagen, tu es aber mit
Rücksicht auf das Thema, das hier verhandelt wird, nicht.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
17. Sept. 2005, 01:47 Uhr
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Hallo an Alle,
gut, bleiben wir beim Thema.
Und lassen wir den
Selbsttöter aus dem Spiel (der Begriff Selbstmörder ist sehr unglücklich, weil
nach dem deutschen Strafrecht Mord das Töten aus "niedrigen Beweggründen" ist.)
Eberhard schreibt: "Jeder, der an der Sucht der anderen verdient und deshalb
deren Sucht fördert, handelt moralisch verwerflich."
Das ist nicht
haltbar. Jeder, der in der Tabak- oder Alkoholindustrie verdient, würde danach
unmoralisch handeln. Jeder Winzer, jeder Bierbrauer müsste sich seiner Existenz
schämen.
Das entscheidende Problem ist, Sucht und Selbstzerstörung klar
zu definieren. Solange das nicht geschieht, gibt es keinen Fortschritt in der
Diskussion.
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
17. Sept. 2005, 07:46 Uhr
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sehr richtig.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
17. Sept. 2005, 08:44 Uhr
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Hi, Hanspeter,
das mit den niedrigen Beweggründen ist so 'ne Sache. Die
verschwinden nämlich hinter dem Umstand, dass der Selbstmörder keinen anderen,
sondern sich selbst umbringt. Streich diesen Umstand doch mal und guck dir an,
wie die Sache dann aussieht!
Eine Frau schluckt mehrfach Schlaftabletten,
um damit ihren Ex zur Rückkehr zu erpressen. Einmal geht's schief. Sie
hinterlässt zwei kleine Kinder.
Ein Manager hängt sich auf, weil es ihm
nicht passt, die Verantwortung für Wirtschaftskriminalität in einem
Gerichtsverfahren übernehmen zu müssen.
Ein Drogenabhängiger gibt
unmittelbar nach Notfallbehandlung wg Überdosis auf die Mahnung, 'du hättest tot
sein können!' die Antwort 'war aber geiles Zeug'.
Gut, Selbstmord kann
auch gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge sein. Aber es geht hier einzig
und allein um die Motive. Wie sind sie zu bewerten?
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 17. Sept. 2005, 09:59 Uhr
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... die massen selbst zer störung findet da hin gehend statt
daß
eine blamage mit der andern konkuriert
andere blamagen zu be geistern
und ein mensch weis ab solut nichts mit alle an zu fangen
weil alles eine
blamage
wie ge habt !
und weil mit blamagen keine zukunft zu ge
stalten ist
gibt es auch keine .........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 17.
Sept. 2005, 10:14 Uhr
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on 09/16/05 um 20:40:18, Abrazo wrote:Hi, Eberhard,
es funktioniert
nicht. Du kannst es drehen und wenden wie du willst, es funktioniert nicht. So
kannst du keine allgemeingültigen moralischen Normen aufstellen. Dazu sind die
einzelnen, individuellen Situationen viel zu unterschiedlich. Letztlich wirst du
bei der altbekannten Moral landen, über die sich Intellektuelle und Freigeister
wie zu allen Zeiten lustig machen und die Ethiker vehement ablehnen, bis sie
zusammen bricht.
darüber besteht seit seite eins letztlich
einvernehmen. eberhard erwähnt es in seinem eingangbeitrag und will trotzdem
eine antwort.
auch wenn abrazos moral-ethik unterscheidung nicht unbedingt
landläufig ist, so stimmt doch dass man keine letzgültigen normen aufstellen
kann. aber nicht weil die situationen zu unterschiedlich sind. sondern weil ein
moralisches/ethisches urteil standpunktabhängig ist. weil nicht einmal unbedingt
erkannt wird dass die situation ein solches urteil verlangt.
wird die
situation nicht als eine moralisch/ethische erkannt, wie sollten solche
kriterien eine rolle spielen?
a muschg hat ein nettes büchlein geschrieben,
"zeichenverschiebungen", in denen er über missverständnisse zwischen japanern
und europäern berichtet. die haben zum teil ganz gewaltige ethisch/moralische
dimensionen. der grosse unterschied liegt einfach in der wahrnehmung der
situation. der europäer erschauert, der japaner sieht nicht mal wegen was.
verhälten sich die japaner kollektiv ethisch verwerflicher als europäer? ein
echter konsens kann nur über anpassungen in der wahrnehmung erfolgen. was
natürlich eine rationale reflektion darüber nicht ausschliesst.
klar machen
sich "freigeister" lustig über die verklemmte sexualmoral der missionare. aber
man macht sich das zu einfach wenn man sich einfach auf den standpunkt einer
hehren ethik im gegensatz zur kleinkarierten moral zurückzieht. an der
empfindung der abscheulichkeit sexueller freizügigkeit bei bestimmten menschen
führt ja nun mal kein weg vorbei.
schaue man sich doch nur die gräben an die
sich durchs eigene land ziehen. ich kann jedenfalls mit der katholischen
morallehre sicher keinen konsens finden. allerdings lassen die sich nicht so
einfach in eine moral ecke im gegensatz zur ganzheitlichen ethik drücken.
aussichtslos sich mit denen auf argumentationen einzulassen, weil die
basiswahrnehmungen andere sind, im zweifelsfall argumentieren die besser nach
2000jähriger erfahrung mit "ketzern". und offenbar sind die ja sogar so gut dass
der ratzinger den habermas um den finger gewickelt hat. alles reibt sich die
augen...
die bedeutung von ethik(ethos), moral und dem deutschen sitte
ist eben der brauch, das gewohnte verhalten. insoweit ist es ja auch genormt bis
zu einem gewissen grad. und bestimmte sitten sind auch immer und überall im kern
gleich. mord und diebstahl sind wohl nirgends gute sitte. aber ansonsten ist das
spektrum ja ziemlich breit. und über unsere europäische art die sache zu
betrachten lachen sich andere völker einen ast ab.
konsens ist schön,
aber weil man sich einigt hat man deshalb nicht DIE ethik/moral/sitte gefunden.
sondern einen konsens.
und rationale letztbegründungen gibt es nicht.
irgendwo am anfang muss ein erkenntnisschritt stehen oder eben eine
empfindung/wahrnehmung.
gruss
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
17. Sept. 2005, 15:16 Uhr
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Hallo Abrazo,
zu deinen Fallbeispielen.
1. Frau/Schlaftabletten:
Verantwortungslos, die Sorge für ihre 2 Kinder hätten wichtiger sein sollen.
2. Manager: Ok. Er hat die Verantwortung übernommen und sich selbst
verurteilt. Ob er im Gefängnis oder im Grab dafür büsst, ist seine Sache.
3. Drogenfreak. Ok, sofern er nicht selbst die Notfallretter gerufen hat
bzw. die Kosten dafür selbst übernimmt. Für ihn ist Drogenkonsum wichtiger als
sein Leben.
Alles klar?
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
17. Sept. 2005, 15:34 Uhr
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Hallo,
Hanspeter #21: "Das entscheidende Problem ist, Sucht und
Selbstzerstörung klar zu definieren. Solange das nicht geschieht, gibt es keinen
Fortschritt in der Diskussion."
Wenn man über Selbstzerstörung philosophiert,
sollte man diese tatsächlich zuerst definieren. Ein Beispiel, wie der Süchtige,
ist gut, aber es gibt eben sehr viel unterschiedliche Süchtige. Das ist der
Haken. Vielleicht finden wir besser eine allgemeingültige Definition von
Selbstzerstörung, die den Süchtigen als Spezialität mit abdeckt.
Psi #25:
"rationale letztbegründungen gibt es nicht. irgendwo am anfang muss ein
erkenntnisschritt stehen"
Auch richtig. Habe ich nicht nur gesagt, sondern
praktiziert.
Ethisch war immer das, was dem Funktionieren des Systems
höherer Ordnung diente, und das definierten die Herrschenden. Die haben die
Definitionsgewalt. Nun herrscht das Volk, und auch das "Establishment" (ein
schöner Begriff aus der APO-Zeit) sollte sich auch an die Gesetze halten, die im
Namen des Volks von Volksvertretern für das Volk gemacht werden. Jedes
Individuum überlegt natürlich, wie es für sich persönlich das beste erreichen
kann, eventuell am Gesetz vorbei. Aber am Ende sieht jeder den Vorteil: Verzicht
auf einen Teil der persönlichen Wünsche ist der Preis für ein friedliches
Zusammenleben, nur: es muss sich auch jeder dran halten. Unser Rechtssystem ist
doch die Summe der Regeln, die das friedliche Zusammenleben regeln, wenn man so
will, eine Volksethik. Das demokratische Recht hat sich gegen die religiös
begründete Moral durchgesetzt.
Träger der Moral ist übrigens die Mitte:
nämlich die Mitte zwischen oben und unten, reich und arm.
Bei uns. Bei
unseren Mitbürgern moslemischen Glaubens ist das jedoch bisweilen noch wie im
Mittelalter: ein Mädchen, das sich seinen Freund selbst aussuchen will, wird von
ihren Brüdern im Namen der moslemischen Moral auf offener Straße hingerichtet,
um die Familienehre zu retten.
Das kriegen wir natürlich nicht unter einen
Hut.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
17. Sept. 2005, 16:16 Uhr
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Hi, doc rudi,
bleib beim Thema und laber nich rum.
('Ehrenmorde' sind
übrigens auch nach islamischem Recht strafbar.)
Hi, Psi,
Ethik, Moral,
Sitte und Brauch - letzteres übrigens auch ein juristischer Begriff - sind klar
unterscheidbare Begriffe. Ich hab was dagegen, mit Begriffen Eintopf zu kochen.
Hi, Hanspeter,
im Grab büsst man nicht, wenn man nicht gerade Aida heißt.
Und den Notarzt hatten andere Süchtige geholt, nachdem sie merkten, dass sie es
alleine nicht schaffen, ihn zurück zu holen.
Er hätte den Notarzt nicht
geholt. Er war ja bewusstlos *g*.
Gegen das Kostenargument steht der
medizinische Eid. Haste keine Chance mit deinen Vorstellungen, denn der
medizinische Eid basiert auf der humanen Ethik. Die is nach aller Erfahrung
machtvoller als positive moralische Normen.
Mal abgesehen davon, dass Penner
kein Geld haben.
Also: gemessen an der Lebenspraxis ...
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
17. Sept. 2005, 16:27 Uhr
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Hi abrazo,
zum Glück sind Ehrenmorde auch bei uns strafbar. Bei uns ist die
subjektive Moral weder strafverschärfend noch strafmildernd. Sie ist
bedeutungslos. Das ist unsere Rechts"ethik" (wer denn so will).
Aber bring
doch mal was Konstruktives und definier mal Selbstzerstörung.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
17. Sept. 2005, 19:42 Uhr
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Hi, doc rudi,
so ganz stimmt das nicht, was du sagst. Zwar ist es
irrelevant, wenn einer sich seine eigene subjektive Moral zusammen baut (wenn er
sich auf das Gewissen beruft, sieht die Sache aber schon anders aus!), aber
kulturbedingte andersartige Moralvorstellungen oder gar Rechtsnormen können sich
durchaus strafmildernd auswirken (Verbotsirrtum z.B.). Um das festzustellen,
holt man allerdings einen Gutachter. Denn jeder Verbrecher trachtet danach,
seine Strafe abzumildern. Der Deutsche wühlt in der Psychologie nach Gründen,
der Ausländer behauptet, das sei in seiner Kultur aber so üblich; kann mal
stimmen, meist stimmt es nicht.
Selbstzerstörung:
Um Zerstörung
handelt es sich m.E., wenn man ein Objekt so beschädigt, dass es nicht mehr
funktionsfähig und auch nicht mehr reparabel ist. Um Selbstzerstörung handelt es
sich, wenn man diese Beschädigung an sich selbst vornimmt. Wobei es, vom
Ergebnis gesehen, nicht wichtig ist, ob man dies sozusagen in einem Schlag
erledigt, oder ob man einen selbstzerstörerischen Prozess in Gang setzt und
nicht aufhält. Beim Drogenabhängigen (auch Alkoholiker) kommt noch hinzu, dass
sich der Zerstörungsprozess auch auf die Gehirnfunktionen und damit auf die
Persönlichkeit und auf die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfunktionen auswirkt.
Und zwar durchaus ad hoc: stark Alkoholisierte können hoch aggressiv werden,
ebenso Leute unter Kokain, während Leute unter PCB z.B. sich schon mal im Rausch
ein Bein abhacken oder aus dem Fenster springen können.
Vorschlag:
Der ethische Wille fließt m.E. aus mir (=aus dem Ich) und ist
deswegen ebensowenig begründbar und analysierbar wie das Ich. Allerdings richtet
er sich auf die Welt, sein Indikator ist die Handlung, und das ist erkennbar und
analysierbar. Sollten wir nicht lieber versuchen zu eruieren, worauf er sich
richtet, also, in welchen Situationen er aktiv wird? Das könnte m.E. auch ein
Moralist mitmachen, denn es dürfte nicht so viel anders sein als die 'Fahndung'
nach den Grundprinzipien der Moral.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
17. Sept. 2005, 21:01 Uhr
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Hi abrazo
Zugegeben, so ganz stimmte das nicht, aber was Du meinst, stimmt
auch nicht so ganz: Verbotsirrtum führt zu Freispruch und nicht zu
Schuldminderung. Aber lassen wir das Geplänkel.
Du definierst zunächst
Zerstörung eines Objekts und dann kommt die Wendung gegen "sich", "Zerstörung an
sich selbst". Na gut.
Da möchte ich differenzieren und ergänzen: "sich
selbst" könnte der eigene Körper sein. In meiner Philosophie gehört dazu auch:
mein materielles Eigentum, mein Geld, mein Geist. Alles das kann "ich" zerstören
(rein theoretisch).
Du machst u.a. noch die Ergänzung:
"Beim
Drogenabhängigen (auch Alkoholiker) kommt noch hinzu, dass sich der
Zerstörungsprozess auch auf die Gehirnfunktionen und damit auf die
Persönlichkeit und auf die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfunktionen auswirkt."
Alles das: Persönlichkeit, Wahrnehmung, Verarbeitung (Denken) sind Bestandteile
eines umfassend verstandenen Ichs.
Da möchte ich einen besonderen Aspekt
des Ichs hervorheben: den Willen
Du hast offenbar die gleiche Idee und
kommst auf den "ethischen Willen", den Du, wie das "Ich", als unbegründbar
ansiehst.
Nun kommt der Punkt, an dem wir uns treffen, nämlich:
"sein
Indikator ist die Handlung, und das ist erkennbar und analysierbar"
Wir
sehen also beide die gleiche Handlung eines Menschen: er nimmt eine Droge zu
sich und springt aus dem Fenster. Wenn Du von der Handlung auf den Willen
zurückschließt (das mache ich auch), fragst Du Dich: worauf ist der Wille
gerichtet? Deine Antwort: auf das Zerschmettern des eigenen Körpers (den
Effekt).
Meine Frage:
Erstens: ich nehme für jeden Menschen nur 2
(beide positiv) Grundwillen an (Selbsterhaltung, Selbstentfaltung), einen
zusätzlichen "ethischen Willen" benötige ich nicht zur Erklärung des Handelns.
Wenn Du einen "ethischen Willen" annimmst, komme ich nicht damit klar, dass
dieser aufs Körpervernichten gerichtet sein soll. Oder worauf ist der von Dir
postulierte ethische Wille gerichtet? Dieser ethische Wille soll aus dem Ich
fließen. Widerspricht sich das nicht? Ein aus dem Ich fließender Wille, der den
eigenen Körper vernichtet.
Wie stellst Du Dir das also vor?
Ist es
nicht besser, die beiden von mir postulierten Willen anzunehmen und die
Handlungen folgendermaßen zu interpretieren:
Eine Droge einnehmen ist
zunächst in Ordnung. Dies ist Ausdruck des Willens nach Selbstentfaltung (neue
Erfahrungen machen, Wunsch nach Genuss, und was noch so drinstecken mag).
Diese Droge wirkt jedoch, und darüber sollte sich der Konsument vorher
informieren, auf die Hirnfunktion und kann damit auch die Umsetzung von
Willensentschlüssen in Handlung verändern.
Die von uns beobachtete
Folgehandlung, das Körperzerschmettern, ist demnach nicht mehr nur Ausdruck des
eigenen Willen, sondern des durch Veränderung der Hirnfunktion fehlgeleiteten
Willens. Vielleicht hat der Betreffende durch die Droge auch nur Vergessen, dass
man zum Fliegen einen Paragleiter oder ähnliches benötigt (vielleicht steckt
sogar noch der natürliche Wunsch dahinter, es den Vögeln gleich zu tun,
sozusagen der Einfluss der Vogelgene in uns).
Allgemein gesagt: die
Handlungen eines Menschen unter Drogeneinfluss sind Ergebnis zweier Einflüsse:
Erstens der Kräfte, die aus dem Wollen des Menschen entspringen.
Zweitens
auch Resultat des Drogeneinflusses.
Also: wenn Du zum Willen des Menschen
kommen willst, musst Du von den beobachteten Handlungen die Wirkungen der Droge
abziehen.
Kannst Du das nachvollziehen?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
17. Sept. 2005, 21:28 Uhr
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Hallo allerseits,
Ich schlage folgende Definition vor: „Sucht“ ist die
Abhängigkeit von stark gesundheitsschädigenden Drogen, deren Konsum zwanghaft
ist, weil eine Konsumunterbrechung zu Entzugserscheinungen führt.
(Damit
ist klar, dass es hier nicht um das eine Glas Rotwein oder Bier geht oder um ein
paar Zigaretten, sondern um den ständigen, zwanghaften Konsum schädlicher
Drogen, um künstlich angenehme Gefühle zu erzeugen.)
Die so definierte
Sucht ist ein negativ zu bewertendes Verhalten, weil es den Süchtigen und auch
der Allgemeinheit einen beträchtlichen Schaden zufügt. (Ich erspare es mir, die
Schäden hier im Einzelnen zu benennen und größenmäßig zu bestimmen.)
Dieser Schaden wird durch die zeitlich begrenzten, als lustvoll bzw. angenehm
erlebten Bewusstseinszustände beim Drogenkonsum nicht aufgewogen.
Der
Drogenkonsum ist deshalb nicht zu billigen.
Soweit meine Gründe dafür,
dass man sich nicht durch Drogenkonsum zugrunde richten darf.
Zu den
Einwänden:
“So kannst du keine allgemeingültigen moralischen Normen
aufstellen. Dazu sind die einzelnen, individuellen Situationen viel zu
unterschiedlich.“
Wenn gezeigt wird, dass zwischen Sucht und Sucht
normativ relevante Unterschiede bestehen, dann können wir differenzieren,
meinetwegen bis hin zur moralischen Beurteilung eines Einzelfalls. Unzulässige
Generalisierung ist also kein Argument, das habe ich bereits am Beispiel
„Hindenburg ernennt Hitler zum Reichskanzler“ dargelegt.
“Sollten wir
nicht lieber versuchen zu eruieren, worauf (der ethische Wille) sich richtet,
also, in welchen Situationen er aktiv wird?“
Eins schließt das andere
nicht aus. Das Problem ist nur, dass der „ethische Wille“ (ich würde sagen, das
verinnerlichte Ethos) von Mensch zu Mensch differiert.
“Rationale
letztbegründungen gibt es nicht. irgendwo am anfang muss ein erkenntnisschritt
stehen oder eben eine empfindung/wahrnehmung.“
Hat jemand etwas anderes
behauptet? Es gibt allerdings eine Prämisse, die jeder von uns akzeptieren muss.
Ich meine die Prämisse, dass wir durch Argumente (wozu ich auch Sätze zähle wie
„Ich sehe den Zeiger ebenfalls bei 100 Grad Celsius“ oder „Mir ist es ebenfalls
wichtiger, gesund zu sein als angenehme Halluzinationen zu haben“) zu einer
gemeinsamen Antwort auf die gestellte Frage kommen wollen. Wenn jemand diese
Prämisse nicht akzeptiert, dann ist es sinnlos, sich mit ihm über Behauptungen
zu streiten.
(Das gilt auch für den Dealer, den Drogenfreak oder den
Mohnbauer, falls deren Argumente hier als ernstzunehmende Behauptungen
eingebracht werden.)
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am
17. Sept. 2005, 22:16 Uhr
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Hallo Eberhard,
Du hast bei Deiner letzten Ausführung zur Sucht etwas
entscheidendes nicht bedacht. Der Süchtige nimmt seinen Stoff letztendlich nicht
mehr wegen der angenehmen Gefühle, die Du postulierst und worauf sich Dein
Verbot der Selbstzerstörung stützt, weil die Gesellschaft nicht bereit ist die
besonderen Gefühle Einzelner zu bezahlen, sondern der richtig Süchtige braucht
seinen Stoff, um sich Normal zu fühlen! Anders könnte Deine Frage so nun lauten:
Darf man alles tuen um sich für eine Zeitlang normal zu fühlen, auch wenn man
sich (und andere) dabei langfristig zu Grunde richtet? Da würde ich widerrum im
Gegensatz zu Deiner Anfangsfrage eindeutig nein, nicht alles zu sagen können.
Allerdings nützt auch diese andere Frage nichts, denn Verbote haben da bisher
überhaupt nichts ausgerichtet, außer eben als Hinweis für Vernünftige überhaupt
erst, dass es etwas sein könnte, was zu Grunde richtet. Wer weiß das schon
vorher, bevor sich nicht schon ein paar zu Grunde gerichtet haben. Das Argument,
dass man mit seinem Verhalten den gesellschaftlichen Finanzrahmen sprengt und
sonstiges gesellschaftliches Zusammensein in Unwürde bringt , darauf ist jemand,
der dabei ist sich zu Grunde richten wohl kaum mehr ansprechbar, schon gar nicht
auf einer instituitionalen Ebene wie sie an den Tag gelegt wird.
Präventivmaßnahmen zu den ein oder anderen Problemen als Diskussionsbasis, sowie
Gespräche darüber wie Mensch sich als Mensch in der Gesellschaft gesund fühlen
kann, würde ich für sinnvoller halten. Im übrigen hat jeder das Recht sich als
vollwertiges Gesellschaftsmitglied zu fühlen. Das man sich dafür zugrunde
richten muß ist, ist eine Frage der Moral, ja. Muß man sich dafür selbst
zugrunde richten? Weil wie gesagt, ein Süchtiger braucht seinen Stoff
letztendlich um sich normal zu fühlen. Ich beobachte manchmal diese Chliquen am
Bahnhof. Das ist eine Gesellschaft für sich, die sind im Prinzip nicht anders,
die haben die gleichen Macken, das gleiche Herdenverhalten herrscht, sieht nur
nicht ganz so schön aus.
Für mich ist aber dieses ganze Thema kein
normatives Thema, sondern eine Frage der Medizin-Ethik. Wäre schön, wenn ich
davon etwas mehr hier lesen könnte. Würde mich sehr freuen. Ehrlich. Da könnte
ich vielleicht auch etwas praktisch mit anfangen.
Gruß
Lina
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
17. Sept. 2005, 22:31 Uhr
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Hallo Eberhard,
Deine Definition von Sucht ist aus meiner Sicht ganz o.k., so
dass wir diesbezüglich die gleiche Diskussionsgrundlage haben.
Bei der
Verfassung des Beitrags hattest Du meine Einwände aus #31 offensichtlich noch
nicht gelesen. Ich bin auf Deine Stellungnahme gespannt.
Hier mein Einwand:
Die Handlung "Selbstschädigung" ist Resultat zumindest zweier Ursachen:
Eine
Ursache ist Wunsch des Menschen, neue Erfahrungen zu machen, etwas neues zu
Erleben, Genuss zu erleben o.ä. (alles Motive, die aus der Selbstentfaltung
entstammen). Hinzu kommt nun eine zweite Einwirkung als zweite Ursache der
Wirkung "Selbstschädigung", nämlich die Wirkung der Droge: diese beeinträchtigt
das Gedächtnis (der Konsument vergisst bestimmte Folgewirkungen), sie verändert
die Wahrnehmung, auch die Selbstwahrnehmung, sie wirkt auf die Urteilsfähigkeit
(Gefahren werden verkannt), sie wirkt auf die Emotionen (Angst wird z.B. nicht
wahrgenommen) usw..
Um also von der Handlung "Selbstzerstörung" auf den
zugrunde liegenden Entschluss des Menschen zurückzuschließen, muss Du erst
einmal die Wirkung der Droge auf die Handlung abziehen, dann hast Du den Anteil
des Willens des Betreffenden, der hinter dem Resultat "Selbstzerstörung" steckt.
Falls Du dem folgst: welchen Willen oder welches Ziel erkennst oder siehst Du
dann?
Ich zweifle daran, dass dieser Entschluss "Selbstzerstörung" lautet.
Ein zweiter Hinweis:
Du selbst weist in Deiner Sucht-Definition auf das
Auftreten von Entzugserscheinungen hin.
Die erste Einnahme der Droge erfolgt
sicher nicht, weil der Betreffende Entzugserscheinungen beabsichtigt. Die
Drogeneinnahme des später dann Abhängigen erfolgt weder deshalb weil der
Konsument die Entzugserscheinungen so schön findet oder weil er sich selbst
zerstören will, sondern weil er normal sein will, weil er die
Entzugserscheinungen weghaben will - oder weil er das anfängliche Rauscherlebnis
sucht (je nach Suchtstadium oder Suchtmittel, siehe Linas Einwand, der sich mit
meinem überschnitten hat). Er will, wenn das Stadium der Abhängigkeit erreicht
ist, einfach nur die seine normale Funktionsfähigkeit störenden
Entzugserscheinungen beseitigen (bei Heroin oer Alkohol) und erreicht als
Nebeneffekt die Aufrechterhaltung der Sucht mit fortschreitender
Selbstzerstörung. Dieses Ergebnis entsprach jedoch nicht seinem Willen. - Oder?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
17. Sept. 2005, 23:51 Uhr
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Hi, Eberhard,
zunächst: wieso tust du die Argumente eines Dealers oder
eines Mohnbauern so einfach ab? Sie sind nämlich durchaus vernünftig. Und ich
gehe nicht davon aus, dass ein Konsens nicht angestrebt wird. Im Falle des
Junkie-Dealers besteht er sogar de facto.
deren Konsum zwanghaft ist,
weil eine Konsumunterbrechung zu Entzugserscheinungen führt Am Rande bemerkt:
Entzugserscheinungen sind kein Indikator für Sucht. Kokain z.B. macht erst nach
langem Gebrauch ein wenig körperlich abhängig. Ohnehin ist die körperliche
Abhängigkeit vergleichsweise harmlos und in weniger als 3 Wochen zu beseitigen.
Das Suchtproblem ist die psychische Abhängigkeit, die regelrecht zu einem
Todestrieb führen kann. Der Tod tritt wohl am häufigsten durch grobe
Fahrlässigkeit ein: verschleppte Krankheiten, Verkehrsunfälle, Überdosen,
Provokation von Gewalttaten usw., alles Dinge, die Mensch normalerweise zu
vermeiden trachtet.
Das Problem ist nur, dass der „ethische
Wille“ (ich würde sagen, das verinnerlichte Ethos) von Mensch zu Mensch
differiert.
Eberhard, das ist nicht ausgemacht.
Der ethische Willen ist
zwar grundlos, gehört eben zu den Empfindungen / Wahrnehmungen am Anfang, aber
sein Auftreten ist nicht grundlos. Er ist ebenso eine Reaktion auf äußere
Bedingungen wie die biologischen Steuerung; er bietet die alternative
Entscheidungsmöglichkeit auf sie.
Das setzt allerdings voraus, dass die
Situation erkannt wird, und zwar, wie ich schon mal sagte, vollständig und
überzeitlich, was bei biologischen Reaktionen nicht der Fall ist. Das heißt,
wenn ein Mensch in einer Situation nicht ethisch entscheidet, kann das daran
liegen, dass er die Situation nicht erkennt, und ich meine, man sollte doch erst
einmal das prüfen, bevor man andersartige Ethik unterstellt. Zudem ist der
ethische Willen eine Alternative. Zumindest im Moment kenne ich keinen Grund,
warum er zwingend sein sollte. Die Wahl zwischen Biologie und Ethik könnte genau
so gut willkürlich sein (mit allen Vorbehalten).
Ich denke, wogegen der
ethische Willen auch protestiert, ist das Leiden. Dazu muss Mensch aber erst
einmal Leid erkennen können. Ist ein Wurm leidensfähig? Ich weiß es nicht. Aber
ich gehe davon aus, dass der Angler sich darüber keine Gedanken macht, wenn er
ihn auf den Haken zieht.
Meine Katze hatte keine Probleme damit, mit
einer Maus zu spielen, der schon die Gedärme heraushingen. Ich hingegen hatte
damit Probleme und habe die Maus tot geschlagen. Ist das meine Natur?
Bekanntlich gibt es Menschen, die keine Probleme damit haben, Tiere zu quälen.
Haben die eine andere Natur?
Wenn im Baggerloch einer einen Kopfsprung
ins Wasser macht, muss ich, wenn ich gerade mit meinem Hund schwimme, ihn daran
hindern, schnell zu dem Versunkenen zu schwimmen um ihn zu retten (was wegen der
Krallen durchaus unangenehm werden kann). Er sieht also, dass da einer in Gefahr
ist, ein anderes Lebewesen als er selbst, aber eines, dem er offenbar genug
(emotionalen) Wert beimisst, um ihn aus der Gefahr retten zu wollen. Das ist
seine Natur, er ist ein Hund. Meine Katzen wären nie auf die Idee gekommen. Weil
ihre Natur anders ist.
Nun könnte man sagen, es gibt Katzenvölker und es
gibt Hundevölker unter den Menschen. Klassischer Rassismus. Nur, wie gesagt,
unter 'Hundevölkern' gibt es Katzen und unter 'Katzenvölkern' Hunde. Widerspruch
durch die Tatsachen.
Man könnte aber auch sagen, Katzenvölker und
Hundevölker unterscheiden sich durch die unterschiedliche Enkulturation. Das ist
die derzeit vorherrschende US-amerikanische Position. Die Schlussfolgerung ist,
dass die Hundevölker die Katzenvölker zu Hundevölkern machen, qua Enkulturation
- unter ihrer Herrschaft. Eine äußerst gefährliche und moralisch sehr
angreifbare Position (vor allem dann, wenn das Hundevolk anderen eher als
Katzenvolk erscheint). Man will da den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.
Könnte nicht auch der ethische Willen in anderen Kulturen sich deswegen auf
anderes richten, weil die von ihnen erkannten Situationen andere sind? Wobei wir
nicht von vorn herein sagen können, wer die Situation umfassender erkennt?
Und damit zurück zur Drogenszene, denn das ist eine andere Kultur mit
eigenen Normen und eigener Moral, die sich sorgfältig gegen die als bedrohlich
empfundene bürgerliche Gesellschaft abgrenzt. Da kann man auch selber durchaus
fragwürdig entscheiden.
Bei einem Junkie entdeckte ich eine frische Wunde
am Hals. Gefragt, woher, sagte er, ein Mitbewohner seines Heimes habe ihn im
Streit in den Hals gestochen. Bat mich jedoch inständig, niemandem etwas davon
zu erzählen. Die typische Omertá. Na gut. Da er hochgradig suizidgefährdet war
und Gewalt in der Szene nicht gar so unnormal ist, entschied ich mich, seinem
Wunsch zu folgen. Ne Woche später war er trotzdem an Überdosis verstorben.
Problem war, der Mann, der ihn in den Hals gestochen hatte (unter Zeugen
übrigens, die natürlich auch alles taten, die Sache zu verbergen) nahm ein
halbes Jahr später eine Eisenstange, ging zum Bett eines Kumpanen und schlug ihn
tot.
Hätte ich mit dieser Möglichkeit gerechnet, hätte ich natürlich
anders gehandelt. Ich habe aber nicht damit gerechnet. Meinetwegen war ich zu
dumm, diese Möglichkeit der Aggressivitätsentwicklung zu bedenken. Ändert aber
nichts. Und damit haben wir eigentlich den Fall, dass der ethische Wille
abhängig ist von der Erkenntnis, von der Erkenntnis, welche Entwicklung etwas in
der Zukunft nehmen kann. Das gleiche gilt, wenn man eine Entscheidung in einem
bestimmten Bereich für problemlos hält, die sich aber in einem Bereich, den man
nicht überblickt, zur Katastrophe auswachsen kann und die man, hätte man ihn
überblickt, so nie getroffen hätte.
Also, ohne die
Erkenntnismöglichkeiten einzubeziehen, kann man brauchbare Aussagen über den
ethischen Willen nicht treffen.
Mir ist übrigens kein Drogenabhängiger
bekannt, der gemerkt hätte, dass er sich in die Abhängigkeit begibt. Die haben
immer geglaubt, sie könnten im Gegensatz zu allen anderen aufpassen und die
Sache mit dem Konsum im Griff halten (und beim ersten Turkey gedacht, sie hätten
eine Grippe). Was m.E. Verbot und Zwang rechtfertigt: wer eine Entscheidung
unter mangelndem Überblick trifft, dessen Entscheidung kann man nicht als
verständig ansehen.
Es gibt aber noch einen anderen Punkt, auf den ich in
diesem Zusammenhang hinweisen möchte: die Reue. Was ist Reue? Ist es nicht so,
dass sie die Folge davon ist, dass man die eigenen vergangenen Handlungen unter
einer anderen Perspektive betrachtet und deswegen auf einmal andere
Zusammenhänge und Folgen sieht, die man zuvor nicht gesehen hat? Und dass man
die Handlung nicht begangen hätte, hätte man sie damals unter der gleichen
Perspektive wie heute gesehen?
Schließlich noch: die Rechtfertigung. Die
ist sehr schwer von mangelnder Erkenntnis abzugrenzen. Man kann im Grunde alles
vernünftig erklären, ohne dass dabei selbst bei größten Verbrechen mehr als paar
erbärmliche Tröpflein Schuld für einen selber heraus kommen. Das geht
problemlos. Vor Gericht ist so was leicht erklärbar. Aber wie ist es mit den
ungefragten Rechtfertigungen, die man manchmal im ganz normalen Alltag (also, in
der Drogenszene ist das jedenfalls häufig) zu hören bekommt? Sind sie nicht
Indiz dafür, dass einer seine Entscheidungen und Handlungen schön redet - weil
er weiß, dass sie nicht schön sind?
Also, die Sache mit dem
unterschiedlichen Ethos, die ist imho noch nicht ausgemacht.
Fazit: wenn
wir wissen wollen, worauf der ethische Wille sich richtet, dürfen wir nicht von
der Situation ausgehen, wie wir sie sehen, sondern wir müssen von der Situation
ausgehen, wie ein anderer sie sieht. Und die Möglichkeit einbeziehen, dass er
die Wahl hat, pro Biologie oder pro Ethik zu entscheiden.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
17. Sept. 2005, 23:56 Uhr
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Hi, Sheelina und doc rudi,
erklärt doch mal bitte, warum die meisten nach
Entgiftung und Therapie rückfällig werden.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von paul am 18.
Sept. 2005, 01:00 Uhr
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on 09/17/05 um 23:56:18, Abrazo wrote:Hi, Sheelina und doc rudi,
erklärt doch mal bitte, warum die meisten nach Entgiftung und Therapie
rückfällig werden.
Gruß
(Ersatz-Antwort)
Die Mediziner
(nicht alle) und die Sozialrichter nannten es eine Krankheit, ich bin so grausam
und nenne es schwachen Willen oder neutraler einen "software-Fehler" des Systems
Mensch, der zum Systemabsturz führen kann.
Gruss
Paul
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
18. Sept. 2005, 02:16 Uhr
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Hallo an Alle.
@abrazo
schreibt: "im Grab büsst man nicht".
Die
meisten Straftäter ziehen eine lebenslange Haftstrafe dem Tod vor. Machen sie
das nur, weil sie sich lieber der Verantwortung stellen und büßen?
Weiter: "Er hätte den Notarzt nicht geholt. Er war ja bewusstlos *g*.
Schön,
dann trägt er für dessen Kommen und damit die Kosten keine Verantwortung. Der
Eid des Hippokrates ist nicht sein Problem, er hat ihn nicht zu verantworten.
Also schadet er der Gesellschaft nicht und kann mit seinem Leben machen was er
will. Wenn die Gesellschaft sich verpflichtet fühlt, ihm zu helfen, ist das
Sache der Gesellschaft, nicht seine.
@Eberhard
definiert:
"'Sucht' ist die Abhängigkeit von stark gesundheitsschädigenden Drogen, deren
Konsum zwanghaft ist, weil eine Konsumunterbrechung zu Entzugserscheinungen
führt."
Also, du beziehst dich ausschließlich auf Drogen, Spielsucht,
Gefallsucht usw. rechnest du nicht dazu.
Gut, akzeptieren wir das.
Der entscheidende Punkt aber bleibt der Schaden gegenüber der Gesellschaft.
Schadet er n u r sich selbst, kann ich keine moralische Verpflichtung gegenüber
anderen erkennen und ob er sich selbst gegenüber moralische Verpflichtungen hat,
ist nicht deine (unsere) Sache.
Es ist richtig, dass die Gesellschaft
sich das Recht nehmen kann, Schäden durch Selbstzerstörern abzuwehren. Sie darf
das aber nur, wenn ihr der Selbstzerstörer auch wirklich schadet. Zu sagen, du
schadest uns, weil du uns gemäß unserer Moral zwingst, dir zu helfen, ist nicht
akzeptabel.
Abgesehen davon steht eine genaue Schadensrechnung noch aus.
Alkohol- und Nikotinsteuer sind nicht von Pappe.
Ergebnis: Wenn die
Gesellschaft moralischen Druck auf Süchtige ausübt, so hat das den
ausschließlichen Zweck, ihre Moralvorstellungen durchzusetzen. Es ist haargenau
dieselbe Ebene, mit der zB. das Christentum früher (zum Teil auch nocht heute)
den Wahren Glauben durchsetzte. "Der wahre Christ sorgt sich um das Seelenheil
seines Nächsten". Die hier vorgebrachten Argumente kann man im Prinzip bei
Augustin oder Thomas v. Aquin nachlesen, übrigens auch im Hexenhammer! [cheesy]
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am
18. Sept. 2005, 06:33 Uhr
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on 09/17/05 um 23:56:18, Abrazo wrote:Hi, Sheelina und doc rudi,
erklärt doch mal bitte, warum die meisten nach Entgiftung und Therapie
rückfällig werden.
Gruß
Hallo Abrazo,
ich weiß
nicht, ob die meisten tatsächlich rückfällig werden. Das hat zum Beispiel damit
zu tuen, dass sie ja in die gleiche Welt, in die gleiche Gesellschaft, in die
gleichen Verhältnisse entlassen werden, wo sie sich vorher auch schon drin
befunden haben. Da kann gleiches natürlich auch wieder gleiches oder ähnliches
auslösen. Man wird sozusagen an ein Mittel als Möglichkeit erinnert und diese
Erinnerung damit gilt es umzugehen. Wobei vielleicht noch eine Chance darin
liegen könnte, ähnlich des Methadon-Programmes, als Ersatz, auf die
Ähnlichkeiten schon im Vorfeld des Griffes auf das Mittel, bevor es zur Sucht
kommt, hinzuweisen. Und da kann bei der Intensität der Stofflichkeit einer Droge
kaum ein anderes nichtstoffliches Mittel mit seiner Intensität mithalten.
Deswegen sind die auch so mächtig.
Gruß
Lina
Gruß
Lina
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
18. Sept. 2005, 08:55 Uhr
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Hi, Sheelina,
du hast leider keine Ahnung.
Vor ca. 5 Jahren betrug
die offizielle, von den entsprechenden Fachkliniken errechnete Rückfallquote bei
Alkohol und Drogen 97%. Das heißt, kaum einer schafft es im ersten Anlauf.
Falsch ist auch, dass sie in die gleichen Verhältnisse zurück kehren, aus
denen sie kamen. Das Einstiegsalter ist etwa zwischen 14 und 18 (nur bei Alkohol
ist es öfter mal später). Wenn sie ca. 10 Jahre später aussteigen (wollen),
haben sie Herz-Kreislaufprobleme, keine Zähne, Hepatiden, keinen Schulabschluss,
keine Ausbildung, Vorstrafen, erhebliche Sozialisationsmängel, Ängste,
Schuldgefühle, keine Beziehungen, kein Eigentum und dabei das Bild
Gleichaltriger vor Augen, die sie von früher kennen und die uneinholbar an ihnen
vorbei gezogen sind.
Methadon hat erhebliche Nachteile: es bringt keinen
'Kick' wie Heroin. Nicht wenige versuchen, sich diesen 'Kick' oder den
Betäubungszustand durch Beikonsum zu verschaffen (wer sich mit Drogensucht
befasst, muss immer im Auge behalten, dass Drogen Betäubungsmittel sind, die
Gehirnfunktionen außer Kraft setzen). Was vor den behandelnden Ärzten und
Therapeuten selbstverständlich sorgfältig verborgen wird. Lüge ist
selbstverständlicher Alltag.
Zur WHO-Studie beim Schweizer
Heroinabgabeversuch gab es eine Minderheitenmeinung (der die Studie auswertenden
WHO-Experten), die der Auffassung war, maßgebend für den Erfolg sei nicht das
Mittel, sondern die intensive Begleitung und Betreuung, die allerdings so
aufwendig ist, dass es fraglich ist, ob sie außerhalb einer mit besonderen
finanziellen und personellen Mitteln überhaupt geleistet werden kann (Hanspeter
würde sie also alle verrecken lassen).
Unter zahlreichen
Schwerstabhängigen kenne ich zwei, die es geschafft haben (so eingermaßen).
Einen älteren Alkoholiker, den ich halb tot aus einem Zelt gezogen und per
Krankenwagen in die Entgiftung transportieren ließ und ein Junkie-Frau, der man
ihren Sohn entgültig wegnehmen wollte (nicht wenige schaffen es auch dann
nicht). Der Alki wolllte nicht sterben und die Junkie-Frau ihren Sohn nicht
verlieren. Voraussetzung bei beiden war, dass sie beide wussten, dass sie keine
Chance hatten, ihr Ziel zu erreichen, wenn sie nicht ihre Willensfreiheit, ihre
Autonomie ihren Helfern überantworten. Eine Sache, die mir ganz und gar nicht
gefällt. Aber es scheint eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwöhnung zu
sein.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
18. Sept. 2005, 09:36 Uhr
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Hallo allerseits,
Vorweg zum Verfahren: Ich bin kein Drogen- oder
Suchtexperte und in dieser Diskussionsrunde geht es nicht um die Beantwortung
der Frage: Was ist Sucht und wie bekämpft man sie am besten? Sondern es geht um
eine Frage der Ethik: Hat sich jemand, der sich durch den Konsum von
Suchtmitteln zu Grunde richtet, deswegen etwas vorzuwerfen? Und wenn ja, aus
welchem Grunde? Ist sein Verhalten zu billigen? Und wenn nein, warum nicht?
Ich schlage vor, dass wir uns auf diese Frage beschränken und andere Fragen
nur dann erörtern, wenn deren Beantwortung eine Vorraussetzung für die
Beantwortung dieser Frage ist.
Also: Hat sich derjenige, der nach einigen
Jahren Alkohol- oder Heroingenusses ein körperliches und geistiges Wrack ist,
etwas vorzuwerfen?
Ich sehe dazu verschiedene Meinungen.
1. Dies
geht niemanden etwas an, sofern er nur sich selber geschadet hat. Alles andere
ist eine unzulässige Einmischung in die privaten Angelegenheiten eines Menschen
unter einem zweifelhaften Vorwand nach dem Muster: Ich muss mich um dein
Seelenheil kümmern, deshalb muss ich mich in alles einmischen, was du denkst und
tust.
2. Dagegen steht der Einwand, dass niemand für sich allein in
dieser Welt lebt und dass praktisch immer andere in Mitleidenschaft gezogen
werden. Fast jeder hat z.B. Eltern, die viel für ihn getan haben und deren
Hoffnungen durch eine solche Suchtkarriere aufs tiefste enttäuscht werden.
Entsprechendes gilt für Kinder oder Partner, die ebenfalls darunter zu leiden
haben.
Dass eine solche Suchtkarriere die anderen zu kostspieliger Hilfe
verpflichtet, ist dann relevant, wenn der Süchtige diese Hilfe selber als sein
gutes Recht fordert oder auf diese Hilfe rechnet.
3. Durch Drogenkonsum
und Drogenabhängigkeit wird der normale Wille eines Menschen geschädigt. Seine
Fähigkeit zur Selbststeuerung ist beeinträchtigt. Deshalb darf man diesen
Menschen nicht sich selbst überlassen.
4. Jeder hat in sich ein Ethos,
einen ethischen Willen hat, der - bei angemessener Wahrnehmung und Kenntnis der
Sachlage - das Verhalten des Süchtigen missbilligt und einen selbst
verpflichtet, helfend einzugreifen.
Um Ergänzungen und um Argumente für
oder gegen diese Positionen
bittet Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
18. Sept. 2005, 10:02 Uhr
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Hi,
Gegenposition zu Argument 1: dieses Argument unterscheidet sich
insofern nicht von dem des Augustinus, als dass ein theoretisches Modell vom
Menschen vorgestellt wird (dem der Mensch gefälligst nachzukommen hat), das der
Überprüfung in der Praxis nicht stand hält.
Den Menschen als Einzelwesen
anzusehen ist reine Theorie und diese Theorie ist falsch. Mensch ist als
Einzelwesen von Geburt an nicht lebensfähig, auch später nicht wegen unserer
arbeitsteiligen Gesellschaftsorganisation. Daraus folgt: anzunehmen es sei
möglich, sich selbst zu zerstören, ohne dass irgend ein anderer Mensch davon
betroffen würde, ist Unsinn, weil et dat nicht jibt.
Dieser Unsinn wäre
nur unter dem Postulat zu verwirklichen, du hast als Erwachsener als
Einzelmensch zu leben. Das aber ist eine moralische Soll-Vorschrift, womit wir
wieder bei Augustinus wären (gleiche Form, nur der Inhalt ist unterschiedlich).
Der Freiheit des Selbstzerstörers steht zudem der ethische Wille anderer
gegenüber, der mit der Zerstörung von Menschen, auch der Selbstzerstörung,
unvereinbar ist. Was ist mit deren Willensfreiheit? Will man sie etwa aus
moralischen Gründen daran hindern, ihrem Gewissen zu folgen? Entsprechende
Versuche gab es öfter mal. Abgesehen davon, dass sie alle langfristig
gescheitert sind, setzen sie eine gesellschaftliche Ordnung voraus, die nicht
der unsrigen entspricht.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von paul am 18.
Sept. 2005, 11:48 Uhr
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ABRAZO
mir gefällt Dein Beitrag sehr gut, ich stimme allem zu, nur eine
Anmerkung,
Dein Zitat:
<<Methadon hat erhebliche Nachteile: es bringt
keinen 'Kick' wie Heroin. Nicht wenige versuchen, sich diesen 'Kick' oder den
Betäubungszustand durch Beikonsum zu verschaffen (wer sich mit Drogensucht
befasst, muss immer im Auge behalten, dass Drogen Betäubungsmittel sind, die
Gehirnfunktionen außer Kraft setzen).>>
Die Opiatwirkung (Sammelbegriff)
und der Kick führt zu einem Kernproblem der Süchtigen. Natürlich führen sie alle
zu einer Art "Betäubung".
Und Methadon macht prinzipiell ebenso abhängig wie
Heroin, das ist auch die Hauptkritik am ganzen Methadon-Konzept. Trotzdem gibt
es einen grossen Unterschied zwischen "normalen" Abhängigen und süchtigen
Menschen. Opiate werden schliesslich bei Krankheiten tonnenweise verabreicht,
ohne süchtig zu machen und zwar nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig
(Schmerztherapie) und ausser ein wenig Obstipation sind sie praktisch
nebenwirkungsfrei, die Menschen führen ein weitgehend normales Leben, auch
Berufsleben. Ist die Schmerzursache vorbei (was oft nicht möglich ist), kann man
es auch wieder absetzen.
Bei sachgemässer Schmerztherapie wird dabei aber
bewusst der Kick vermieden, das ist, einfach ausgedrückt, der schnelle Übergang
von Schmerz zur Schmerzfreiheit. Es wird dauerdosiert und ggf. relativ hoch
dosiert um eine Dauerschmerzfreiheit (ohne Kick) zu erreichen. Bekannt ist ein
englischer berufstätiger Busfahrer, der täglich 600mg Morfin benötigt. Er ist
nicht süchtig im Sinne der Drogensüchtigen.
Der Kick macht den Unterschied,
der macht auch den Alkoholiker (dosisabhängig) und den Raucher (nicht
dosisabhängig) aus.
Rehabilitation muss sich also auf den Verzicht auf den
Kick konzentrieren, die reine Entgiftung der schweren! körperlichen
Entzugssymptome ist vergleichsweise ein leichtes medizinisches Problem. Es geht
um die Psyche.
@HP
zitat:
<<Abgesehen davon steht eine genaue
Schadensrechnung noch aus. Alkohol- und Nikotinsteuer sind nicht von Pappe. >>
haha, die übliche Ausrede aller Raucher, völliger Quatsch, das ist oft genug
ausgerechnet worden, natürlich ist der angerichtete (solidarisch getragene)
Gesamtschaden wesentlich höher als alle Steuern.
Raucher produzieren neben
vielen nicht tödlichen Erkrankungen (Kinder) mehr Tote als alle Kriege, alle
Verkehrstote und noch AIDS auf der ganzen Welt zusammen genommen (WHO).
Raucher zeichnen sich mit ihrem Laster durch besondere Uneinsichtigkeit und
Rücksichtslosigkeit aus, sie verlangen Toleranz ihrer nichtrauchenden Umgebung.
Dabei schafft es heute aber eine zunehmende Mehrheit erwachsener Männer, das
Rauchen aufzugeben (Frauen weniger). Merkwürdigerweise ist das "ordentliche"
Deutschland hier aber Schlusslicht aller "westlichen" Länder und unsere
Regierungen waren bisher stolz darauf, die Einschränkungen bei der Tabakwerbung
durch die EU (2x) verhindert zu haben. Ich denke, das ist nicht nur etwas
verantwortungslos, sondern auch etwas inkompetent, dumm, so Politik aus dem
Bauch, weniger aus dem Kopf. Sogar die "ungebildeten" Amerikaner sind hier etwas
weiter, toleranter (grins).
Gruss
Paul
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
18. Sept. 2005, 13:15 Uhr
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Hallo Abrazo,
Du schreibst: „Der Freiheit des Selbstzerstörers steht …
der ethische Wille anderer gegenüber, der mit der Zerstörung von Menschen, auch
der Selbstzerstörung, unvereinbar ist. … Will man sie etwa aus moralischen
Gründen daran hindern, ihrem Gewissen zu folgen?“
Interpretiere ich diese
Äußerung richtig, wenn ich daraus folgere, dass für Dich das Gewissen des
Einzelnen eine unfehlbare moralische Instanz ist und jeglicher moralischen
Argumentation überlegen?
Deine Auffassung, dass es in jedem Menschen
einen ethischen Willen gibt, der bei gleicher Sicht der Fakten zu intersubjektiv
übereinstimmenden normativen Urteilen führt, kann ich nicht teilen.
Ich
denke da etwa an die Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs.
Hier kommt
das Gewissen der christlichen Fundamentalisten offensichtlich zu einem andern
Urteile als mein Gewissen. Ich denke nicht, dass sich dieser Dissens durch eine
Angleichung der Wahrnehmungen etc. beseitigen lässt.
Deshalb wäre es
problematisch, wenn man jedem „Überzeugungstäter“ einen Freibrief ausstellen
wollte. Ein solcher Freibrief trägt den Keim des Bürgerkrieges bereits in sich.
Position 4 ist deshalb keine Lösung des Problems, das die Moral gerade
entschärfen soll: den zwischenmenschlichen Konflikt,
meint Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am
18. Sept. 2005, 15:23 Uhr
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on 09/18/05 um 08:55:53, Abrazo wrote:Hi, Sheelina,
du hast leider
keine Ahnung.
Mit Erlaub Abrazo, bist Du blöd oder was? Ich
schrieb doch selbst schon:
"ich weiß nicht, ob die meisten tatsächlich
rückfällig werden."
Deine weiteren Ausführungen habe ich natürlich nicht
gelesen, weil sie mir an meinem Thema komplett vorbeigehen. Etwas, war da noch
auf was ich da in Deinem vorherigen Text sehr gerne eingegangen wäre, aber Du
scheinst ja Scheuklappen anzuhaben. Bin nicht interessiert, schon gar nicht an
Argumentationen von Leuten, die meinen sie wüßten alles besser, Herr
Schlaumeiergedönsrat. Klar, dass das Wesentlichste so für Deine Augen unsichtbar
bleiben wird.
Keine Grüße
Lina
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am
18. Sept. 2005, 15:30 Uhr
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Achso PS: Ich meinte Frau Schlaumeiergedönsrat, nicht Herr, falls Du darauf wert
legst. Unverschämtes Balg... meint beurteilen zu können, wovon ich Ahnung habe,
macht doch Euren Scheiß allein...
Zufrieden Gnädige Frau?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
18. Sept. 2005, 16:01 Uhr
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Hallo an Alle,
@ paul.
Da kennst du im Falle des Rauchens die
wirklich exakten Rechnungen leider nicht. Der Raucher ist ein Gewinn für die
Gesellschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass er preisgünstig und rentensparend so
um die 60 herum zB an Lungekrebs stirbt, ist groß. Und die Kosten, wenn er mit
80 zB an Altersdiabetes stirbt, sind sehr hoch....
Deinen Kommentar "Mörder"
kannst du dir in diesem Zusammenhang übrigens sparen.
@ eberhard:
schreibt: "Dagegen steht der Einwand, dass niemand für sich allein in dieser
Welt lebt und dass praktisch immer andere in Mitleidenschaft gezogen werden."
Das kann man so sehen, richtig. Die Konsequenz wäre aber dann letztlich der
depressiv strukturierte Mensch, der immer nur überlegt, schadet mein Handeln in
irgend einer Weise irgendwelchen anderen Menschen. Das aber ist keine
Lebensgrundlage, jedenfalls keine, die mir erstrebenswert scheint.
Fast jede
Handlungsweise schadet auch irgendwelchen anderen Menschen. Wenn du dich ins
Auto setzt (Erdölverbrauch, CO2-Ausstoß), Ressourcen verbrauchst usw.
Wer
sich aber mit einem recyclebaren Jutestrick aus ökologisch nachhaltigem Anbau,
fairem Handel und garantiert frei von Kinderarbeit aufhängt, nützt der
Gesellschaft: Keine Umweltbelastung, Arbeitsplatz wird frei, Rentenkasse wird
entlastet, Erben freuen sich, Bestattungsunternehmen ebenso..... [grin] [grin]
[grin] [grin] [grin]
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Berny am 18.
Sept. 2005, 17:06 Uhr
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Hallo Hanspeter und Interessierte,
oh du ganzheitlich rational denkender
Vertreter eines scheinbar superradikalen Ökonomismus, bei dem selbst der Humor
im Rhythmus einfach mitmuss!
Dir traue ich doch tatsächlich zu, dass du
mit deiner Schocktherapie sogar den Unverstand „zu Grunde richten“ könnest!
Mit sonntäglichen Grüßen
Berny (BernhardLayer)
Ps. In einer Stunde
schließen die Wahllokale. Richte ich mich oder einen anderen Menschen zugrunde,
wenn ich nun doch noch zur Wahl gehe oder wenn ich es unterlasse?
Natürlich versuche ich abwägend zu bedenken, was meiner Überlegung und der
Überlegung eines anderen zu Grunde liegt, der mir meine schwierige Überlegung
heute überhaupt erst aufgenötigt hat.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
18. Sept. 2005, 17:14 Uhr
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Hi, Sheelina,
wie wärs damit?
http://www.benehmen-sie-sich.de/
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am
18. Sept. 2005, 17:46 Uhr
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Hol Dir noch nen Hund dazu Abrazo, dann braucht Deine Katze Dich auch nicht auf
Menschen loszulassen. Gescheckt?
Danke reicht.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
18. Sept. 2005, 21:42 Uhr
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Hallo,
Die Handlung "Selbstschädigung" ist Resultat zumindest zweier
Ursachen:
Eine Ursache ist Wunsch des Menschen auf einen Rausch.
Hinzu
kommt nun eine zweite Einwirkung als zweite Ursache der Wirkung
"Selbstschädigung", nämlich die Wirkung der Droge: diese beeinträchtigt das
Gedächtnis (der Konsument vergisst bestimmte Folgewirkungen), sie verändert die
Wahrnehmung, auch die Selbstwahrnehmung, sie wirkt auf die Urteilsfähigkeit
(Gefahren werden verkannt), sie wirkt auf die Emotionen (Angst wird z.B. nicht
wahrgenommen) usw..
Um also von der Handlung "Selbstzerstörung" auf den
zugrunde liegenden Entschluss des Menschen zurückzuschließen, muss Du erst
einmal die Wirkung der Droge auf die Handlung abziehen, dann hast Du den Anteil
des Willens des Betreffenden, der hinter dem Resultat "Selbstzerstörung" steckt.
Die erste Einnahme der Droge erfolgt sicher nicht, weil der Betreffende
Entzugserscheinungen beabsichtigt. Die Drogeneinnahme des später dann Abhängigen
erfolgt weder deshalb weil der Konsument die Entzugserscheinungen so schön
findet oder weil er sich selbst zerstören will, sondern weil er normal sein
will, weil er die Entzugserscheinungen weghaben will - oder weil er das
anfängliche Rauscherlebnis sucht (je nach Suchtstadium oder Suchtmittel, siehe
Linas Einwand, der sich mit meinem überschnitten hat). Er will, wenn das Stadium
der Abhängigkeit erreicht ist, einfach nur die seine normale Funktionsfähigkeit
störenden Entzugserscheinungen beseitigen (bei Heroin oder Alkohol) und erreicht
als Nebeneffekt die Aufrechterhaltung der Sucht mit fortschreitender
Selbstzerstörung. Dieses Ergebnis entsprach jedoch nicht seinem Willen.
Wieso vergeudet Ihr Zeit mit Unsachlichkeit anstatt Euch mit meinen Argumenten
auseinanderzusetzen?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
18. Sept. 2005, 23:32 Uhr
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Hi,
@Paul: ich habe nicht die allergeringsten Einwände gegen den Einsatz
von Opiaten bei der Schmerztherapie. Das sehe ich genau so wie du. Und eine
vernünftige Dosis Opiate halte ich allemal für besser als eine lebensfeindliche
Euthanasie-Diskussion, womit wir wieder beim Thema wären: wer als unheilbar
Kranker wegen unerträglicher Schmerzen den Selbstmord will, dem sollte man doch
lieber erst mal Opiate geben.
Aber den Kick sehe ich nicht als das
Hauptproblem, zumal Langzeitabhängige erzählen, dass sie den Kick kaum noch
kriegen. Schau, es gibt auch Alkohol-, Kokain-, Cannabis- (ja!) und
Tablettenabhängige. Gerade bei letzteren ist es am offensichtlichsten: das
vorrangige Ziel ist die Betäubung. Nicht mehr sehen müssen, nicht mehr denken
müssen, nicht mehr alles mitbekommen müssen von sich und der Umwelt, in seinen
Illusionen leben können, ohne mit der sich für ihn immer weiter verschlimmernden
Realität leben zu können, das halte ich für das Hauptmotiv. Eine spezielle Form
des Ausstiegs aus der Wirklichkeit zugunsten einer qua Betäubung abgeschirmten
Egozentrik. In Kliniken und bei Therapiesitzungen ist das vielleicht nicht so
offensichtlich, aber draußen, in der Szene, im locker-entspannten Gespräch, da
ist es unübersehbar.
Wir finden dieses Phänomen ja auch in anderen
suchtartigen Praktiken.
Ich habe die Szene als ein radikales Spiegelbild
unserer Gesellschaft gesehen (deswegen war sie so interessant für mich), in dem
viele Phänomene viel klarer und schärfer zutage treten. Ob Drogenabhängigkeit,
zunehmende Brutalisierung, Missachtung der Zahlungsmoral, Ausbeutung von
Arbeitnehmer und Staat durch Arbeitgeber, Sozial-, Steuer- und
Versicherungsbetrug durch Bürger, ich sehe hinter allem einen gemeinsamen
Nenner, der auch hinter manchen Diskussionsbeiträgen aufscheint: die
Verweigerung von Pflichten. Pflichten sich selbst gegenüber, Pflichten seinen
Mitmenschen gegenüber, Pflichten dem Dasein gegenüber. Viele Argumente lassen
sich zu einem einzigen zusammenfassen: wahr oder nicht wahr ist mir wurscht, ich
will einfach nichts und niemandem gegenüber Pflichten haben. Da wird dann auch
der altehrwürdige Hippokratische Eid zu einer privaten Schrulle.
@Eberhard: du siehst die Sache zu einfach. Erstmal, nicht in allem, wo Gewissen
drauf steht, ist auch Gewissen drin. Das Wort Gewissen hat einen hohen Rang,
also wird es für allen möglichen Unfug missbraucht. Vor allem in Ideologien.
Interpretiere ich diese Äußerung richtig, wenn ich daraus folgere, dass für
Dich das Gewissen des Einzelnen eine unfehlbare moralische Instanz ist und
jeglicher moralischen Argumentation überlegen?
Nein, das sehe ich ganz
anders. Zum einen ist das Gewissen (hier mal mit dem ethischen Willen
gleichgesetzt) keine moralische Instanz, sondern eine ethische. Das heißt, es
richtet sich nicht nach positiven (=gesetzten) Normen. Es ist spontan und
intuitiv. Nicht erkennbar, sondern erfahrbar.
Die Frage nach der
Individualität ist ja genau die, die m.E. zu prüfen ist. Eben mit der Frage: auf
welche Situationen reagiert der ethische Willen? Ist diese Reaktion tatsächlich
so individuell, wie behauptet? Oder handelt es sich nicht doch um eine
spezifisch menschliche Reaktion? Was natürlich voraussetzt, dass das Individuum
die Situation überhaupt erkennt.
Ich denke da etwa an die Bewertung des
Schwangerschaftsabbruchs.
Hier kommt das Gewissen der christlichen
Fundamentalisten offensichtlich zu einem andern Urteile als mein Gewissen.
Ich denke nicht, dass der ethische Willen bewertet. Bewertung ist das Ergebnis
einer Überlegung. Der ethische Wille überlegt nicht.
Aber nimm an, der
ethische Willen richtet sich gegen sinnlose Zerstörung. Dann kann man eine
Gegenrede zum Schwangerschaftsabbruch akzeptieren. Aber würden aggressive Akte
bis hin zum Bombenlegen da hineinpassen? Mal abgesehen davon: wie rechtfertigen
das denn Fundamentalisten? Mit ihrem Gewissen - oder mit ihrem Dogma? Das ist
nicht dasselbe.
Deshalb wäre es problematisch, wenn man jedem
„Überzeugungstäter“ einen Freibrief ausstellen wollte. Wieso wäre
denn das die Konsequenz?
Wenn du zwischenmenschliche Konflikte vermeiden
willst, dann zeig mir erst mal, wie du das machen willst. Auf welche Instanz
willst du dich berufen bei der allgemeinen Anerkennung? Denk daran, ich halte es
keineswegs für eine Tatsache, dass der ethische Willen rein individuell ist.
Individuell ist die Erkenntnis der Sachlage - aber das ist was anderes.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
19. Sept. 2005, 01:44 Uhr
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Hallo Rudi,
wenn ich mich recht erinnere, gab es einmal Gruppierungen,
die allen Ernstes ein gesetzlich verankertes Recht auf einen Rausch forderten.
Vielleicht wäre es ja für manche besser, sich zu betrinken, als zur
Wahlurne zu schreiten! [cheesy]
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
19. Sept. 2005, 07:58 Uhr
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Hallo Hanspeter,
ich glaube, es war im Rahmen der Diskussion um die
Haschischfreigabe, dass ein Richter das Argument vortrug, dass es ein Recht auf
Rausch gibt, das er aus dem Grundgesetzt - freie Entfaltung der Persönlichkeit -
ableitete.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 19. Sept. 2005, 10:08 Uhr
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.... wenn es die ver sklavung fördert
wird selbst das oberste ge
richt hier zu lande
es er lauben !
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
19. Sept. 2005, 14:32 Uhr
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Danke Rudi,
ich erinnere mich ebenfalls!
Also, freie Entfaltung der
Persönlichkeit - meine Worte. [applause] [applause] [applause]
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
19. Sept. 2005, 17:59 Uhr
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Hallo allerseits,
ich versuche mal, ein paar Dinge zu klären.
Doc
rudi, Du beklagst, dass zu wenig auf deine Argumente eingegangen wird. Was mich
betrifft, so liegt der Grund darin, dass du eine andere Fragestellung verfolgst.
Dir geht es um den Nachweis, dass lebendige Systeme keinen Willen zur
Selbstzerstörung in sich tragen.
Das ist eine ganz andere Frage als die
ethische oder moralische Frage, (ich gebrauche beide Worte synonym) ob man ruhig
zu sehen darf, wie sich Leute selber zu Grunde richten.
Abrazo, Du willst
herausbekommen, wann und wie sich der von dir postulierte ethische Wille im
Menschen zeigt (Auf welche Situationen reagiert der ethische Willen? Ist diese
Reaktion tatsächlich so individuell, wie behauptet? Oder handelt es sich nicht
doch um eine spezifisch menschliche Reaktion?).
Ich halte dies für eine
Frage, die nur durch eine empirische Untersuchung zu beantworten ist, die wir
hier aber nicht leisten können.
Was wir hier tun können, ist, dass wir
bestimmte normative Behauptungen (ich benutzte einmal dies neutrale Wort) wie z.
B. „Jeder hat das Recht, sich selbst zu schaden, so viel er will, und da hat ihm
niemand hinein zu reden“ nehmen und fragen, welche Gründe es für oder gegen
diese Behauptung gibt.
Dagegen gab es das Argument, dass jede
Selbstzerstörung auch andere in Mitleidenschaft zieht, schon weil man Eltern und
Angehörigen hat.
Dem wurde entgegnet, dass es dann überhaupt keine freie
Selbstentfaltung geben könne, weil durch jede noch so banale Tätigkeit irgendein
anderer irgendwie betroffen wird.
Hier muss man meines Erachtens die
moralische und die rechtliche Ebene unterscheiden:
Was moralisch geboten
sein kann, muss nicht gleichzeitig auch rechtlich geboten sein.
Moralische Sensibilität ist in der Tat für jede Handlung angebracht. Die
Rücksichtnahme auf andere und eine Abwägung der beteiligten Güter bzw.
Interessen ist moralisch immer geboten. Insofern kann es kein moralisches Recht
auf bedingungslose Selbstentfaltung geben.
Andererseits wäre es unsinnig,
entsprechende rechtliche Normen aufzustellen. So ist es sinnvoll, bestimmte
Bereiche abzugrenzen, über die jeder allein bestimmen darf, weil sonst unlösbare
ständige Abstimmungsprobleme mit anderen entstehen würden.
Dies ist
einer der Gründe für die Institution des Eigentums. Über sein Eigentum darf
jeder nach Belieben verfügen. Der Wille des Eigentümers setzt die Norm, und
diese Norm ist von jedermann zu respektieren.
Ein solches Eigentum ist
außerdem eine Bedingung dafür, dass überwiegend eigeninteressierte Wesen, wie es
Menschen nun mal sind, sich bei der Arbeit anstrengen. Schließlich wollen sie
etwas von ihren Mühen haben, sei es eine Ernte nach der Saat, sei es Mich von
der gut gefütterten Kuh, sei es das monatliche Gehalt auf dem Konto für den
Stress des beruflichen Alltags.
Es kann also sein, dass ich rechtlich
volle Verfügungsgewalt über mein Eigentum habe und dass ich gleichzeitig eine
moralische Verpflichtung habe, einen Teil davon für wertvolle Vorhaben zu
spenden.
Die Frage ist, ob es sich bei den Drogenwracks um den Fall
handelt, dass ich mein Auto anlasse und dadurch Dieselruß ausstoße, oder ob ich
einen defekten Diesel-LKW fahre, der die hinter ihm fahrenden Autos in schwarzen
Rußwolken verschwinden lässt.
Ersteres wäre ein Fall für die Moral (Denk
beim Kauf eines Autos auch an die drohende Klimakatastrophe für kommende
Generationen). Letzteres wäre ein Fall für das Recht (Verstoss gegen die
Abgasvorschriften).
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
19. Sept. 2005, 19:28 Uhr
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Hi Eberhard,
Du meinst: "Dir geht es um den Nachweis, dass lebendige Systeme
keinen Willen zur Selbstzerstörung in sich tragen."
Ich glaube kaum, dass ich
dies hier prinzipiell nachweisen könnte. Diese These könnte hier jedoch
falsifiziert werden, insofern enthalten meine Beiträge ein Risiko für meine
Philosophie lebender Systeme.
Deine Gleichsetzung des Beobachteten: es gibt
Personen, die sich durch ihr süchtiges Verhalten selbst zugrunde richten (ohne
weiteres eine wahre Beobachtung, die ich teile),
mit der inhärenten
Schlussfolgerung: dieser Effekt ist vom Drogensüchtigen beabsichtigt, es gebe
hier einen Entschluss zur Selbstzerstörung, ist eine falsche Voraussetzung für
die Frage nach der Ethik des Verhalten und des Eingreifens durch andere.
Auch
Abrazos Annahme eines ethischen Willens zäumt das Pferd vom Schwanz auf.
Aus
meiner Sicht kann die Diskussion zu keinem allgemein nachvollziehbaren Ergebnis
kommen und wird sich im Kreis drehen, wenn die Grundannahmen nicht zutreffend
sind.
Im letzten Beitrag gehst Du auf unseren Eigentumsbegriff ein: "Über
sein Eigentum darf jeder nach Belieben verfügen. Der Wille des Eigentümers setzt
die Norm, und diese Norm ist von jedermann zu respektieren."
In unserem
Rechtssystem ist auch dies andersherum geregelt, und ich würde vorschlagen, vom
allgemein verbindlichen Eigentumsbegriff auszugehen. Nämlich: das, worüber Du
verfügen kannst und darfst, ist Dein Eigentum (und umgekehrt). Aber es gilt auch
der Grundsatz: Eigentum verpflichtet. Nicht Dein Wille setzt hier die Normen,
sondern die Allgemeinheit: wenn Dein Eigentum schaden anrichtet (z.B. wenn ein
morscher Ast Deines Baumes herunterfällt und einen vorbeigehenden Fußgänger
verletzt), musst Du den Schaden zahlen usw.. Eine andere Verpflichtung, auf die
Du schon hingewiesen hast, ist die Abgabe eines Teils Deines Geldeigentums zum
Nutzen der Gemeinschaft (das Zahlen von Steuern). Das ist eben keine moralische
Verpflichtung, sondern rechtlich ein Muss. Übrigens bist Du auch zur
Hilfeleistung in Notfällen rechtlich verpflichtet: Du musst erste Hilfe leisten,
sonst machst Du Dich einer Unterlassungstat schuldig (unterlassene
Hilfeleistung).
In Notfällen musst Du dem Drogensüchtigen helfen, wenn Du
kannst.
Dein Körper gilt allerdings als Dein Eigentum, deshalb ist Selbstmord
nicht strafbar. In anderen Ländern ist das anders geregelt.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
19. Sept. 2005, 21:42 Uhr
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Hi,
gut, dass du, Eberhard, die Rechtsnormen einbringst. Rechtsnormen
sind Spielregeln unserer Gesellschaft.
Nun verlangst du aber zusätzlich
noch moralische Normen. Wozu? Womit willst du die begründen? Im Falle des
Drogenkonsums mit den gesellschaftlichen Schäden? Gut. Aber was folgt daraus?
Dass einer, der Drogen bis zur Sucht konsumiert, moralisch falsch handelt. Na
und? Interessiert ihn das? Deine Ansicht, aber nicht seine. Und was soll daraus
folgen? Eine neue Rechtsnorm? Welche? Drogen sind bereits illegal.
Wenn
moralische Normen anerkannt werden sollen, brauchen sie eine Begründung. Eine
Begründung, die jeder Mensch, dem man sie in beiderseits vernünftigem Gespräch
darlegt, auch einsieht. Sonst sind sie nichts wert. Reines Blahblah. Deswegen
bestehe ich auf dem ethischen Willen, der etwas spezifisch Menschliches ist.
Oder hast du eine andere Begründung?
Moralische Normen müssen freiwillig
einsichtig sein, oder auch, einleuchten. Das unterscheidet sie von Rechtsnormen.
Wem die Rechtsnormen nicht einleuchten, der wird, wenn er keine überzeugenden
Argumente für seine Sicht bringen kann, vom Gericht dazu gezwungen, sich
trotzdem nach ihnen zu richten, widrigenfalls. Geht bei moralischen Normen
nicht.
Ich habe übrigens erhebliche Zweifel, ob der ethische Willen
empirisch erforschbar ist. Zum einen sind etliche, die man als Probanden
befragen könnte, längst vermodert, zum anderen wird eine entsprechende kritische
Situation in Laboratmosphäre kaum herstellbar sein - und wenn sie künstlich
hergestellt wird, ist sie kaum allgemein glaubhaft.
Ich denke schon, dass
man da nicht umhin kommt, seinen analytischen Grips zu bemühen und zu fragen,
welche Voraussetzungen muss eine Theorie haben, damit sie nicht zu den
gegenwärtigen oder bezeugten vergangenen Tatsachen in Widerspruch gerät.
In diesem Sinne:
Moralische Sensibilität ist in der Tat für jede Handlung
angebracht.
Warum?
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
19. Sept. 2005, 23:40 Uhr
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Hallo Abrazo,
herzlichen Glückwunsch zu Deiner Einsicht.
Dass unsere
Rechtsnormen die Spielregeln unserer Gesellschaft sind, darauf hatte ich mit
diesen Worten bereits hingewiesen, und die gleiche Frage wie Du gestellt,
nämlich wozu wir moralische Normen noch benötigen.
Meine Frage geht noch
weiter und an Dich:
Wozu benötigst Du noch einen ethischen Willen?
Beides
ist von der Geschichte überholt.
Die moralischen Normen und die Ethik hatten
eine bestimmte Funktion für den Zusammenhalt eines lebenden Systems höherer
Ordnung.
Diese Funktion ist inzwischen von unseren Rechtsnormen übernommen
worden.
Sie nützen dem friedlichen Zusammenleben der Menschen.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am
20. Sept. 2005, 01:09 Uhr
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Abrazo schreibt:
"Rechtsnormen sind Spielregeln unserer Gesellschaft. Nun
verlangst du aber zusätzlich noch moralische Normen. Wozu?"
In einer
Demokratie sollte das Recht ein Spiegel der moralischen Vorstellungen der
Bevölkerung sein, klar. Doch das Recht kann die Moral nicht ersetzen.
Jeder
Verheiratete hat zB. das Recht, sich scheiden zu lassen. Ob eine Scheidung aber
stets moralisch gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt.
Insofern ist es vernünftig, den Menschen ein "Recht auf einen Rausch" (=
Selbstzerstörung) zuzugestehen. Wie die Inanspruchnahme dieses Rechts aber im
jeweiligen Einzelfall zu bewerten ist (= Prüfung ihrer Moralität), kann nur eine
Einzelfalluntersuchung (= Güterabwägung) bringen.
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
20. Sept. 2005, 08:25 Uhr
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Hi,
@doc rudi:
Wozu benötigst Du noch einen ethischen Willen?
Die
Antwort ist ganz einfach: weil es ihn offenbar gibt.
Es ist unredlich, sich
aus einzeln herausgegriffenen Phänomenen Theorien zusammen zu basteln, denen
beobachtete Phänomene in der Wirklichkeit widersprechen oder die sie ignorieren.
Ich erwähne vor allem drei:
1. Menschen beurteilen ihr und fremdes
Handeln. Dabei richten sie sich offenbar nach anderen Maßstäben, als in der
Natur üblich.
2. Es gibt Religionen. Zu ihren zentralen Inhalten gehört die
Annahme eines Gottes, der im Kern ethische Gesetze gibt und ihre Nichteinhaltung
über den Tod hinaus bestraft, die also ultimativen Anspruch haben. Wichtig ist
nicht die Frage, warum solche Religionen erfunden wurden, sondern, warum sie
geglaubt wurden und sich allgemein verbreitet haben (wobei man bei der
Untersuchung dieser Frage ein bisschen über die Zinnen des deutschen
Elfenbeinturmes schauen muss).
3. Es gab Menschen, die trotz im wesentlichen
gleicher Sozialisation aus ethischen Gründen vehement Einspruch einlegten gegen
offenbar allgemein als üblich angesehene Praktiken und dabei durchaus den
eigenen Tod in Kauf nahmen, was, im Gegensatz zum landläufigen Selbstmord, sogar
als ehrenwert galt und gilt.
Eine Moraltheorie, die darauf basiert, dass
sie solche Phänomene ignoriert, taugt nichts, weil sie irreal ist.
@Hanspeter:
In einer Demokratie sollte das Recht ein Spiegel der moralischen
Vorstellungen der Bevölkerung sein, klar.
Eine Diskussion darüber, wie
Normen sein sollen, finde ich nicht besonders prickelnd. Unser modernes Recht
basiert zudem letztlich auf dem Römischen Recht und geht sogar zurück auf Drakon
und Solon. Ein ziemlich kontinuierlicher Entwicklungsprozess, der die meiste
Zeit nicht in Demokratien stattfand. Welche moralischen Vorstellungen werden im
BGB oder im HGB gespiegelt?
Doch das Recht kann die Moral nicht ersetzen.
Die Frage lautet, gerade in der Gegenüberstellung Recht und Moral, warum es
so etwas wie Moral überhaupt gibt, wodurch ihre Vorstellungen letztlich
begründet sind.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
20. Sept. 2005, 09:53 Uhr
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Hallo doc rudi,
Du vertrittst die Ansicht, das Recht habe die Moral
abgelöst, die man nun nicht mehr benötige.
Dies ist meiner Ansicht nach
falsch, aber vielleicht beruht unser Dissens nur auf einem unterschiedlichen
Gebrauch der Worte.
Für mich ist eine rechtliche Norm daran zu erkennen,
dass diese Norm staatlich sanktioniert und durchgesetzt wird. „Wer x tut, wird
mit y bestraft“. Die Wirkung der Rechtsnorm beruht auf dem angedrohten Übel.
Der Satz: „Man sollte die Rechtsnormen einhalten, auch wenn man sie
ungestraft übertreten könnte“ ist jedoch keine Rechtsnorm. Wozu rechnest Du
diese Norm?
Viele Probleme sind wegen der unvermeidlichen
Schwerfälligkeit der rechtlichen Institutionen nicht „justiziabel“ und werden
nach „ungeschriebenen Gesetzen“ geregelt. Das Auge und der Arm des Rechts
reichen bekanntlich nicht überall hin.
Wozu rechnest Du Normen wie: „In
einer Diskussion soll man andern nicht ins Wort fallen“
oder „Sei
hilfsbereit und rücksichtsvoll“?
fragt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 20. Sept. 2005, 10:02 Uhr
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> Du meinst: "Dir geht es um den Nachweis, dass lebendige Systeme keinen Willen
zur Selbstzerstörung in sich tragen."
Ich glaube kaum, dass ich dies hier
prinzipiell nachweisen könnte. Diese These könnte hier jedoch falsifiziert
werden, insofern enthalten meine Beiträge ein Risiko für meine Philosophie
lebender Systeme.
.... der grund
warum sich eine tier
art immer selber zer stört
ist folgender >>>>
da frau immer ihre eitel
keit im spiele hat
keine zu kunft
müßen immer viel männer mit ein
ander konkurieren
diese ein bildung zu liefern
und da dies mit dem
tod aller ausser einem endet ........
und frau dann nicht mehr ge liebt
wird
weil sie die männer gegen seitig auf hetzt
wird sie nicht mehr leben
wollen
damit ist diese tier art aus ge storben !
alles klar ?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
20. Sept. 2005, 12:57 Uhr
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Hallo Abrazo,
Du schreibst:
“Wenn moralische Normen anerkannt werden
sollen, brauchen sie eine Begründung. Eine Begründung, die jeder Mensch, dem man
sie in beiderseits vernünftigem Gespräch darlegt, auch einsieht. Sonst sind sie
nichts wert. ... Deswegen bestehe ich auf dem ethischen Willen, der etwas
spezifisch Menschliches ist. Oder hast du eine andere Begründung?“
Ausgangspunkt ist für mich ein tatsächlicher oder möglicher Konflikt zwischen
dem, was die verschiedenen Individuen wollen und tun. Menschen, die miteinander
Konflikte haben und die versuchen, ihren Willen mit allen ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln durchzusetzen, bringen sich gegenseitig in Gefahr und sind
nicht in der Lage, die Vorteile der Zusammenarbeit wahrzunehmen.
Wer dies
nicht will, wer die Konflikte nicht durch überlegene Macht entscheiden lassen
will, der muss nach Regelungen suchen, die für alle Beteiligten konsensfähig
sind, von denen also alle Beteiligten überzeugt werden können.
Grundlage
der Moral ist für mich also der Wille, Konflikte gewaltfrei zu lösen, indem man
zu Regelungen gelangt, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden. Das
heißt, es müssen moralische und rechtliche Normen gefunden werden, die Ausdruck
eines gemeinsamen Wollens sind.
Ich bezweifle, dass dies dadurch erreicht
werden kann, dass jeder auf den ethischen Willen hört, also auf das, was
landläufig als „Gewissen“ oder „innere Stimme“ bezeichnet wird. Auf jeden Fall
müsste dies Phänomen, das sich Deiner Meinung nach empirischer Untersuchung
entzieht, noch näher bestimmt werden.
Aus dem Willen zur gewaltlosen
Einigung lassen sich meines Erachtens weitere Kriterien ableiten, z.B. die
Forderung nach Unparteilichkeit und Personunabhängigkeit der Normen und ihrer
Begründungen.
Inwieweit die gefundenen Normen in Rechtsnormen umgesetzt
werden sollten, ist dabei eine nachgeordnete Frage.
Soviel erstmal von
Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
20. Sept. 2005, 19:26 Uhr
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Hallo allerseits,
machen wir die von Hanspeter geforderte Unterscheidung
zwischen Fällen, wo andere in Mitleidenschaft gezogen werden und wo dies nicht
der Fall ist.
Angenommen, jemand schadet durch seinen Drogenkonsum
wirklich nur sich selbst, ruiniert seine Gesundheit und geht einem vorzeitigen
Ende entgegen.
Man würde sich wohl weitgehend einig sein, dass dieser
Mensch falsch gehandelt hat, und wenn der Betreffende selber ehrlich Bilanz
zieht, dann wird er wohl zu demselben Ergebnis kommen.
Aber hat er
moralisch falsch gehandelt? Kann man ihn einen schlechten Menschen nennen? Ich
glaube nicht. Eher wird man ihn einen (willens-)schwachen Menschen nennen.
Er wird sich in seinen klaren Momenten Vorwürfe machen, wird seine
Drogenkarriere vielleicht bereuen, wird sich als Versager fühlen, aber nicht als
moralisch schlechter Mensch.
Dagegen ist die Frage: Darf man tatenlos
zusehen, wie sich ein Mensch in seiner Sucht selbst zerstört? eine moralische
Frage.
Hier neige ich dazu, dass in diesem Fall eine moralische
Verpflichtung zur Hilfeleistung besteht – auch gegen den erklärten Willen des
Süchtigen, denn er ist zu keiner „vernünftigen“ Entscheidung und zu keiner
Selbststeuerung im Sinne dieser Entscheidung mehr fähig.
Könnt Ihr damit
leben? fragt Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
20. Sept. 2005, 23:32 Uhr
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Hi, Eberhard,
Grundlage der Moral ist für mich also der Wille, Konflikte
gewaltfrei zu lösen, indem man zu Regelungen gelangt, die den Interessen aller
Beteiligten gerecht werden. Das heißt, es müssen moralische und rechtliche
Normen gefunden werden, die Ausdruck eines gemeinsamen Wollens sind.
Missverstehe mich nicht, ich meine es wirklich nicht als ironischen Angriff -
aber dieses Zitat erinnert mich nur an eines: an das diplomatische Protokoll.
Allerdings hat das nach allgemeinem Verständnis überhaupt nichts mit Moral zu
tun. Es sind alt hergebrachte, ausgefeilte, international anerkannte
Verhaltensregeln, landläufig auch Manieren oder Benimm genannt, die genau damit
begründet werden: Konflikte gewaltfrei zu lösen, in dem alles, was zu
persönlichen Animositäten führen könnte, qua Regel von vorn herein verhindert
wird. Nichts anderes hat das ganze komplizierte höfische Reglement im Sinn.
Aber unter Moral verstehen wir doch halbwegs etwas, was mit dem zu tun hat,
was gut ist. Damit hat das Protokoll aber nun gar nichts im Sinn. Vielmehr
klammert es genau diese Frage sorgfältigst aus, denn - das ist eine ganz
gefährliche Streitfrage.
Aus protokollarischer Sicht (m.E. ein nicht
uninteressanter Aspekt) darf man sich also mit gut und böse überhaupt nicht
befassen, wenn man Konflikte gewaltfrei lösen will.
Allerdings - schau
dir unsere Asis an. Hältst du es praktisch für möglich, protokollarische
Verhaltensnormen, die fast schon eine Wissenschaft und hoch kompliziert sind,
auf unsere Gesellschaft zu übertragen?
Und auch hier ein Hinweis auf die
Praxis:
Angenommen, jemand schadet durch seinen Drogenkonsum wirklich nur
sich selbst, ruiniert seine Gesundheit und geht einem vorzeitigen Ende entgegen.
Wie kann einer durch Drogenkonsum nur sich selbst schaden? Er muss sie sich
beschaffen, geht auf die Dauer nur illegal, denn sie sind verboten. Deine
Annahme wäre also nur möglich unter der Voraussetzung, dass Selbstzerstörung
durch unfachmännische Selbstmedikation zum Zwecke des Missbrauchs legalisiert
werden würde. Eine ethische und juristische Frage, bei der man auch die
Konsequenzen bedenken muss.
Zur Zeit jedenfalls sieht es so aus (und das
würde auch bei einer Legalisierung so weiter gehen, denn Alkohol ist legal, und
da sieht es graduell nur leicht abgeschwächt genau so aus), dass nur sich selbst
schaden in aller Regel ausgeschlossen ist. Denn Süchtige brauchen viel Geld,
sind aber kaum arbeitsfähig. Also beschafft ein Süchtiger sich das nötige Geld
auf moralisch höchst fragwürdige Weise, weiß auch, warum, weswegen er sich in
klaren Momenten durchaus moralisch schuldig fühlt.
In den Komplex unseres
realen gesellschaftlichen Lebens gestellt wird die Frage also unsinnig.
Was
nützt uns die Erörterung moralischer Probleme anhand unmöglicher Sachverhalte?
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 20. Sept. 2005, 23:53 Uhr
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Hallo Eberhard!
Quote:Dagegen ist die Frage: Darf man tatenlos
zusehen, wie sich ein Mensch in seiner Sucht selbst zerstört? eine moralische
Frage.
Hier neige ich dazu, dass in diesem Fall eine moralische
Verpflichtung zur Hilfeleistung besteht – auch gegen den erklärten Willen des
Süchtigen, denn er ist zu keiner „vernünftigen“ Entscheidung und zu keiner
Selbststeuerung im Sinne dieser Entscheidung mehr fähig.
Vor
einer solchen gutgemeinten Entmündigung möchte ich dringend warnen.
Selbsternannte Vernünftige sind keinesfalls dazu berechtigt (oder gar moralisch
verpflichtet!), sich über den erklärten Willen anderer hinwegzusetzen und in
deren Lebensgestaltung - natürlich nur "helfend" - einzugreifen.
Wie so oft,
wo im Namen von Vernunft und Moral (oder Gott) gesprochen wird, sehe ich hier
latente Machtgelüste aufscheinen. ("With God on our side.") Wenn ich dergleichen
höre, bin ich heilfroh, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem moralische
Ansichten Privatsache sind und Selbstbestimmung ein so ein hohes Rechtsgut ist.
Die Entmündigung, die hier moralisch legitimiert werden soll, ist eine
dreifache:
Erstens wird vorausgesetzt, dass man im Besitz eines
verbindlichen Begriffs von gutem Leben ist, so dass man auch als Beobachter
glaubt beurteilen zu können, wann jemand sich "zugrunde richtet".
Zweitens
wird der "erklärte Wille" des Betroffenen übergangen.
Drittens wird ihm
überhaupt die Fähigkeit abgesprochen, für sich selbst zu sprechen und zu
entscheiden. (Dies wiegt am schwersten.)
- - - -
Der Rede "im
Namen der Vernunft" (oder im Namen anderer "höherer" Instanzen) ist
grundsätzlich zu misstrauen - und dieses gesunde Misstrauen stand auch Pate bei
der Konzeption des modernen Rechtsstaates. Denn diese "höheren" Instanzen leiden
unter dem strukturellen Mangel, dass sie nicht selbst sprechen können. So
braucht Gott fehlbare menschliche Individuen, die seine Worte auslegen und
seinen allweisen und allgütigen Ratschluss verkündigen müssen. Nicht anders ist
es mit der "intersubjektiv" gültigen und verbindlichen Vernunft: Sie kann immer
nur durch Individuen sprechen, die "fehlbar" insofern sind, als sie niemals nur
von vernünftigen Motiven angetrieben werden.
Dieser chronische Mangel
"höherer" Instanzen führt dazu, dass die "Stimme der Vernunft" (oder des
Anstandes oder der Moral oder Gottes...) im faktischen Spiel der Meinungen mit
schöner Regelmäßigkeit Partei ist. Und wenn man 5 Politiker verschiedener
Couleur oder Wissenschaftler oder Philosophen miteinander streiten hört, stellt
man rasch fest, dass jeder von ihnen "im Namen der Vernunft" spricht, oft sogar
nach bestem Wissen und Gewissen. Die rechtsstaatlichen Konsequenzen aus diesem
Strukturproblem sind das institutionalisierte freie Spiel der Meinungen und
Kräfte, "one man, one vote", Gewaltenteilung, Ausübung der Gewalt durch
abwählbare Mandatare, Revidierbarkeit von Entscheidungen usw. Zu vertraut ist
eben der Anspruch einzelner, irgendwie doch verbindlich "für alle" zu sprechen
statt nur für sich.
Schöne Grüße
Urs
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
21. Sept. 2005, 08:53 Uhr
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Hallo Abrazo,
mich erstaunt es, dass Du den „Willen, Konflikte gewaltfrei
zu lösen, indem man zu Regelungen gelangt, die den Interessen aller Beteiligten
gerecht werden“ als ein Prinzip ansiehst, das dem diplomatischen Protokoll
zugrunde liegt.
Das diplomatische Protokoll hat seinen Sinn doch darin,
störende Reibungsverluste zufälliger Art im Umgang miteinander zu vermeiden.
Aber mit der Sache, der Regelung der Interessenkonflikte, hat das Protokoll doch
überhaupt nichts zu tun.
Du hast in einem früheren Beitrag geschrieben:
„Wenn moralische Normen anerkannt werden sollen, brauchen sie eine
Begründung. Eine Begründung, die jeder Mensch, dem man sie in beiderseits
vernünftigem Gespräch darlegt, auch einsieht.“
Ich gehe davon aus, dass
Menschen Interessen haben, deren Erfüllung sie anstreben. Deshalb könnten sie
umso eher einer normativen Regelung zustimmen, je mehr diese Regelung ihren
individuellen Interessen entspricht.
Damit stellt sich die Frage:
Wie kann ein Mensch einsehen und deshalb freiwillig zustimmen, dass es nicht
nach seinen Interessen gehen soll sondern gemäß bestimmten moralischen Normen?
Ich würde zu diesem Menschen sagen:
Wenn Du eine Situation der
sozialen Kooperation willst und wenn Du nicht die Konfliktaustragung mit allen
verfügbaren Mitteln willst, dann musst Du eine Regelung finden, der die andern
ebenfalls zustimmen können und die damit den Konflikt friedlich löst.
Wenn die andern zustimmen sollen, dann kannst Du aber nicht auf Deinen
individuellen Interessen beharren, sondern musst bei der Formulierung der Norm
die Interessen der andern Beteiligten unparteiisch und wohlwollend so
berücksichtigen, wie Du es mit Deinen eigenen Interessen tust.
Wie ich
Dich bisher verstehe würdest Du zu diesem Menschen sagen:
Folge nicht
Deinen Interessen sondern höre auf Deinen ethischen Willen. Die Norm, die Deinem
ethischen Willen entspricht, entspricht auch dem ethischen Willen der andern.
Deshalb ist mit der Berufung auf den ethischen Willen eine allgemein einsichtige
Begründung dieser Norm möglich.
Habe ich Dich richtig verstanden?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 21. Sept. 2005, 10:02 Uhr
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..... wenn ihr doch aber dumm sein sollt !
arbeit schaffen !
für das arbeits lager ....
mit bürger ver sklaven nach diesem sibirien !
sonst dürft ihr keine katastrophen mehr kreieren ........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
21. Sept. 2005, 11:50 Uhr
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Hallo Urs,
ich freue mich, dass Du unsere Runde mit Deinen Argumenten
bereicherst. Deine Warnung vor den Gefahren, die mit der Ermöglichung einer
Entmündigung verbunden sind, halte ich für begründet.
Aber ich denke,
wir kommen nicht umhin, eine solche Möglichkeit ins Auge zu fassen und nüchtern
das Für und Wider zu erörtern. Ich bin da für alle Argumente offen.
Vorweg: In der letzten, von Dir zitierten Formulierung hatte ich weggelassen,
dass diese Entmündigung des Süchtigen immer nur zeitlich begrenzt erfolgen darf
und nach dem Abschluss des Zwangsentzuges automatisch aufgehoben wird. Dann hat
der Betroffene auch die Gelegenheit, zu sagen, ob er nachträglich mit dem
Zwangsentzug einverstanden ist oder nicht.
Damit ist deutlich, dass
letztlich das betreffende Individuum selber darüber entscheidet, was zu seinem
Wohl ist und was nicht.
Wenn stattdessen jemandem aufgrund seiner
Suchtkrankheit prinzipiell die Fähigkeit abgesprochen wird, für sich selber zu
sprechen und Träger gültiger Argumente zu sein, so wird damit einer
erkenntnisorientierten Diskussion die Grundlage entzogen. Denn jedes Argument
des für unmündig Erklärten kann durch den Hinweis entkräftet werden, dessen
Meinung zähle nicht, weil er unter dem Einfluss der Droge zur vernünftigen
Einsicht nicht fähig sei.
Das heißt jedoch, dass man sich gegenüber dem
Entmündigten der Pflicht zu einer intersubjektiv nachvollziehbaren Begründung
entledigt hat und dass das Verhältnis zum Entmündigten ein Gewaltverhältnis ist,
das höchstens verbal verbrämt wird.
Dies ist das Problem, wenn man
jemandem eine prinzipielle Unmündigkeit unterstellt.
Ich denke
andererseits, dass man wegen der Möglichkeit des Missbrauchs zumindest eine
zeitlich begrenzte Entmündigung nicht völlig ausschließen sollte. Dafür ist das
Elend unter den Süchtigen zu groß und dafür sind die Betroffenen am Anfang ihrer
Drogenkarriere auch noch zu jung.
Unser Rechtsstaat, der von Dir lobend
erwähnt wird, sah früher im § 6 des Bürgerlichen Gesetzbuches die Möglichkeit
der Entmündigung durch Gerichtsbeschluss vor. Dieser Paragraph ist inzwischen
gestrichen worden.
Es gibt jedoch weiterhin die Möglichkeit einer
„Rechtlichen Betreuung“ (§§ 1896 ff.) Dort heißt es: „Kann ein Volljähriger auf
Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder
seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen,
so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für
ihn einen Betreuer.“ Und: „Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so
zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht.“
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von paul am 21.
Sept. 2005, 14:05 Uhr
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on 09/18/05 um 16:01:04, Hanspeter wrote:Hallo an Alle,
@ paul.
Da kennst du im Falle des Rauchens die wirklich exakten Rechnungen leider
nicht. Der Raucher ist ein Gewinn für die Gesellschaft. Die Wahrscheinlichkeit,
dass er preisgünstig und rentensparend so um die 60 herum zB an Lungekrebs
stirbt, ist groß. Und die Kosten, wenn er mit 80 zB an Altersdiabetes stirbt,
sind sehr hoch....
Deinen Kommentar "Mörder" kannst du dir in diesem
Zusammenhang übrigens sparen.
du irrst gewaltig, lieber HP, aber
manche können die Wahrheit nicht verkraften. Die Rechnung hab ich hier schon
früher mal erläutert, lies halt mal nach, sie ist eindeutig, ebenso bedienst Du
ein längst widerlegtes Vorurteil der hohen Medizin-Kosten alter Menschen. Es ist
vielmehr nachgewiesen (beschämend), dass bei der exakt gleichen Erkrankung,
sagen wir Herzinfarkt, bei alten Menschen (70) erheblich weniger Aufwand
getrieben wird, als bei einem 50.-jährigen (das kann man in Euro oder Dollar
beziffern).
Wenn Du noch einen Restfunken Moral hättest, würdest du einsehen,
dass die Rente im wesentlichen kein Almosen ist sondern selbst verdiente frühere
Leistung, sei es nun die direkte eigene Einzahlung in die Rentenkasse, oder die
"kostenlose" Aufzucht der Kinder, bis diese denn mal soweit sind was zu leisten.
An der Generationenverantwortung hat sich also im Prinzip überhaupt nichts
geändern, sie wird nur durch "Kollektivierung" soweit verschleiert, das Du und
andere "Solipsisten" sie nicht mehr erkennen können, oder wollen. Dies ist
natürlich auch ein Versäumnis der Politik.
Pardon, musste einfach mal gesagt
werden, da hier so viel von Moral geschrieben wird.
Gruss
Paul
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
21. Sept. 2005, 23:26 Uhr
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Hi, zusammen,
ich möchte mal paar Positionen kritisierend zusammenfassen:
Menschen, die miteinander Konflikte haben und die versuchen, ihren Willen
mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen, bringen sich
gegenseitig in Gefahr und sind nicht in der Lage, die Vorteile der
Zusammenarbeit wahrzunehmen. (Eberhard)
Das gilt in der Praxis für die
Schwächeren, nicht aber für die Starken. Starke nehmen die Vorteile der
Zusammenarbeit dadurch wahr, dass sie sich ein Gefolgschaftsrudel schaffen. Wie
im Tierreich: wer dem Leitwolf folgt, kommt sicherer durchs Leben. Schau dir
unsere Leitwölfe an: glaubst du, du kannst bei ihnen den Willen zur gewaltfreien
Einigung voraussetzen (Gewalt muss ja nicht immer Bracchialgewalt sein)? "Wenn
man es voraussetzen kann" - und wenn nicht?
Gegenargument: wenn der
Leitwolf stark, aber dämlich ist, kann er das Rudel auch ins Verderben führen.
Weswegen ein verständiger, kritischer Mensch immer lieber der Vernunft trauen
wird, als einem Leitwolf. Allerdings - ein solcher Mensch ist selber stark und
ggf. leitwolfgeeignet.
Ich erinnere hier an Nietzsche und an seine
beißende Kritik an der christlichen Moral und ihrer Förderung des Kranken und
Schwachen.
Selbsternannte Vernünftige sind keinesfalls dazu berechtigt
(oder gar moralisch verpflichtet!), sich über den erklärten Willen anderer
hinwegzusetzen und in deren Lebensgestaltung - natürlich nur "helfend" -
einzugreifen. (Urs)
Woher weißt du denn, Urs, dass es ihr erklärter Wille
ist? Und was bedeutet hier Wille? Was will er denn? Worauf bezieht sich sein
Wille? Nach meiner Erfahrung bezieht sich dieser Wille immer auf eine Welt, die
es so gar nicht gibt. Denn von dieser Welt werden unter Drogeneinfluss nur
Bruchstücke wahrgenommen, vermischt mit Halluzinationen, Gedankengänge sind
unzusammenhängend, Wahrnehmungslücken werden durch Bezüge überspielt, die es gar
nicht gibt - also, der Wille ist unsinnig, weil er sich auf Unsinniges richtet.
Wobei der Unsinn keine Meinung ist, sondern nachweisbar.
Lasst uns keine
fiktiven Ideen diskutieren. Bleiben wir doch in der Wirklichkeit. Fragen wir
doch, bevor wir das Was-wäre-wenn diskutieren, ob dieses Was-wäre-wann überhaupt
möglich ist. Es gibt auch keine Fälle an sich, keine moralischen oder sonstigen
Probleme an sich. Alle diese Fälle, diese Probleme stehen in einem Kontext mit
der Welt, und den sollten wir doch nicht übersehen, sonst führen wir unsinnige
Diskussionen.
Hier steht das Problem Hilfe oder nicht bei Drogensüchtigen zur
Debatte. Drogensüchtigen ist es nun mal zueigen, mit einem teilweise betäubten
Gehirn herum zu laufen. Da kann man nun mal nicht unkritisch von einem Willen
sprechen, den man gleichberechtigt neben den Willen nicht betäubter Gehirne
setzen kann. Das ist zwar gut gemeint, aber irreal.
Ähnliches gilt für
deine durchaus stimmige und zutreffende Kritik an der von Konfliktparteien
behaupteten Vernunft, in deren Besitz sich jeder alleinig wähnt. Gut. Aber
trifft dieses Argument denn auf unser banales Alltagsbeispiel zu?
Ich
gehe davon aus, dass Menschen Interessen haben, deren Erfüllung sie anstreben.
Deshalb könnten sie umso eher einer normativen Regelung zustimmen, je mehr diese
Regelung ihren individuellen Interessen entspricht. (Eberhard)
In einer gut
bürgerlichen Gesellschaft kannst du davon ausgehen. Aber wie viele
Gesellschaften sind denn gut bürgerlich? Wie oft kommt es denn vor, dass
normative Regelungen den individuellen Interessen überhaupt nicht entsprechen,
dass sie demjenigen nur ein Hindernis sind, der problemlos in der Lage ist,
seine individuellen Interessen ohne solche Normen viel besser und eher
durchzusetzen? Wenn wir über Moral sprechen, hat es keinen Sinn, davon
auszugehen, dass die Menschheit nur aus ungefähr gleich starken, gleich
gewaltlosen, gleich vernünftigen Leuten besteht, denn genau das ist nicht der
Fall.
Das ist ein Ideal, ähnlich der vollkommenen Konkurrenz in den
Wirtschaftswissenschaften. Es wird für Theorien bemüht, obwohl jeder weiß, dass
es das in der Realität gar nicht gibt.
Wie kann ein Mensch einsehen und
deshalb freiwillig zustimmen, dass es nicht nach seinen Interessen gehen soll
sondern gemäß bestimmten moralischen Normen? (Eberhard)
Eben. Das ist die
Frage.
Wenn Du eine Situation der sozialen Kooperation willst und wenn Du
nicht die Konfliktaustragung mit allen verfügbaren Mitteln willst, dann musst Du
eine Regelung finden, der die andern ebenfalls zustimmen können und die damit
den Konflikt friedlich löst.
Und wenn er das nicht will?
Folge nicht
Deinen Interessen sondern höre auf Deinen ethischen Willen. Die Norm, die Deinem
ethischen Willen entspricht, entspricht auch dem ethischen Willen der andern.
Deshalb ist mit der Berufung auf den ethischen Willen eine allgemein einsichtige
Begründung dieser Norm möglich. (Abrazo)
Nein, das würde Abrazo nicht sagen.
Ich teile ja durchaus deine Absicht, zu einleuchtenden moralischen Normen zu
gelangen. Was ich nur behaupte ist, dass du sie so, wie du es tust, nicht
begründen kannst.
Das heißt, der ethische Wille ist kein Ersatz für eine
moralische Norm (er kann ihr allerdings widersprechen), sondern Begründung für
moralische Normen. Das ist eine andere Ebene.
Ich kann einem Menschen in
ruhigem, vernünftigem Gespräch sagen, ok. Du hast vor, das und das zu tun. Es
entspricht deinem Interesse. Damit sind die und die Konsequenzen für dich und
andere verbunden und ihm argumentativ nachweisen, dass sie eine logisch
zwingende Folge sind. Erst wenn ich ihn so zu einer die Gesamtheit
überblickenden Verstandesperspektive gebracht habe, kann ich fragen: willst du
das? Vorher ist diese Frage vollkommen sinnlos - denn der ethische Wille ist in
seiner Richtung von der umfassenden Kenntnis der Tatsachen abhängig.
Unser
Problem, nämlich zu einleuchtenden moralischen Normen zu gelangen, ist damit
allerdings nicht gelöst. So etwas sind nur Lösungen für Einzelfälle (und nicht
jeder kann solche Gespräche führen). Anders gesagt: für die Masse der
Einzelfälle ist so etwas keine Lösung.
Übrigens solltest du die Macht der
Ethik nicht unterschätzen. Die sich noch nicht mal in Worten mitteilen muss. Ein
unbedingter, entschiedener ethischer Wille hat eine Ausstrahlung, die kann, im
richtigen Moment eingesetzt, Totschlag verhindern. Dat jibbet.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 22. Sept. 2005, 10:16 Uhr
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..... also ich könnte ge rade zu bei den nürnberger ge setzen .......
weil ihr habt genauso wenig die ab sicht
eine ethik der wahr heit zu er
schaffen
wie eh und je ........
ihr seid vor denker einer besseren
schlechtig keit !
und deshalb werdet ihr aus sterben
weil eines tages
selbst euerer dumm heit wird es
be wußt werden
wie schlecht euere ab
sicht ........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
22. Sept. 2005, 22:12 Uhr
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Hallo Abrazo,
es ist richtig, dass es soziale Kooperation auch ohne die
Bereitschaft zum zwangfreien Konsens aller Beteiligten gibt und insofern ist
meine Argumentation hier korrekturbedürftig.
Ein extremes Beispiel ist
die kriminelle Bande, deren Mitglieder (nach einer internen Bandenmoral)
kooperieren, und die die dadurch gewonnenen Handlungsmöglichkeiten zu ihrem
eigenen Vorteil und zum Schaden der anderen einsetzt.
Die Zusammenarbeit
von Teilen der Betroffenen führt bei Orientierung am jeweiligen Gruppeninteresse
zum Konflikt zwischen den so gebildeten Gruppen. Und dieser Konflikt kann bis
zum Bürgerkrieg führen.
Hier ist ein „vernünftiger“ Konsens deshalb
weiterhin eine ernstzunehmende Alternative.
Denkbar wäre auch der Fall,
dass ein starkes Subjekt (sei es ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen)
seinen Willen allen Beteiligten aufzwingt. Dadurch wäre nicht nur eine
allgemeine Kooperation ermöglicht sondern es würde auch die gewaltsame
Austragung von Konflikten unter den Individuen und Gruppen vermieden. Es bliebe
allerdings die Unterdrückung von Gegnern dieser Herrschaftsordnung.
Eine
solche Ordnung ist unter Umständen dem Bürgerkrieg und dem Zerfall der sozialen
Einheit vorzuziehen.
Wenn eine derartige Herrschaftsordnung etabliert
ist, wenn Ruhe die erste Bürgerpflicht ist und ein Staatssicherheitsdienst jeden
Widerstand im Keim erstickt, ist es im eigenen Interesse aller Beteiligten, sich
konform zu verhalten.
Aber wollen wir eine solche Ordnung, deren einzige
„Begründung“ im Verweis auf die Machtverhältnisse und die drohenden Sanktionen
für Ungehorsame besteht?
Was macht demgegenüber eine „gerechte“,
„vernünftige“ oder „moralische“ Ordnung aus?
Meiner Meinung nach ist das
besondere an einer solchen Ordnung, dass man sie zwangfrei bejahen kann, dass
man ihre Geltung und die Pflicht zu ihrer Befolgung ohne Drohungen rechtfertigen
kann.
Ich breche hier erstmal ab.
Wir sind hier an einem
zentralen Punkt unseres Selbstverständnisses als Gesellschaft und Gemeinwesen
angelangt. Wie man sich hier entscheidet, hat meines Erachtens weit reichende
Konsequenzen.
Es grüßt alle Interessierten Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 23. Sept. 2005, 10:40 Uhr
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> Ein extremes Beispiel ist die kriminelle Bande, deren Mitglieder (nach einer
internen Bandenmoral) kooperieren, und die die dadurch gewonnenen
Handlungsmöglichkeiten zu ihrem eigenen Vorteil und zum Schaden der anderen
einsetzt.
... jetzt hat eberhard aber wirklich seine bande
einmal richtig be schrieben !
klasse !!!
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
23. Sept. 2005, 12:45 Uhr
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Hallo Eberhard, HansPeter, abrazo u. sonstige Mitstreiter,
ich empfehle
GEOkompakt Nr.4, Titel: Die Evolution des Menschen (kostet leider 8 Euro). Zitat
auf S.35: "Im Grunde haben alle Verhaltensweisen, die wir bei Menschen
beobachten, ihre Wurzeln bereits bei den Menschenaffen oder noch früher."
(Gottfried Hohmann, Primatenforscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre
Anthropologie).
Wir beobachten bestimmte Verhaltensweisen.
Das sind
Tatsachen (auf der Beobachtungsebene).
Alles andere, was wir daraus
schlussfolgern, z.B. einen Willen zu ethischem Handeln anzunehmen, sind
Hypothesen, auch wenn sie bereits 2000 Jahre alt sind.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 23.
Sept. 2005, 15:39 Uhr
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abrazo,
on 09/17/05 um 16:16:20, Abrazo wrote:Hi, Psi,
Ethik,
Moral, Sitte und Brauch - letzteres übrigens auch ein juristischer Begriff -
sind klar unterscheidbare Begriffe. Ich hab was dagegen, mit Begriffen Eintopf
zu kochen.
keiner mag begriffseintopf. aber erstens ist dein
gebrauch von und insbesondere deine unterscheidung zwischen ethik und moral eben
nicht allgemeine praxis. zweitens ist die übersetzung von ethik und moral eben
nun mal die sitte. auch die sitte ist ein juristischer begriff. was darunter zu
verstehen ist ist aber immer einigermassen nebulös. mit sittenwidrigkeit wird
auch nur dann ein urteil begründet wenn man angst haben muss das gerichtsgebäude
würde sonst gestürmt.
es schadet mitunter nicht sich daran zu erinnern was
diese begriffe ethik und moral bedeuten. und das ist nunmal sitte.
das ist
keine wortspielerei sondern spielt von anfang an in der "philosophie der ethik"
eine entscheidende rolle. man kann das gerne bei aristoteles nachlesen.
gruss
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
23. Sept. 2005, 17:00 Uhr
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Hi, Psi,
wenn man definierte Termini gebraucht, befasst man sich nicht
mit ursprünglichen Wortbedeutungen, weil man durch diese Umdefinition die
Einigung auf eine Bedeutung aufheben würde und damit den Dialog über diesen
Terminus.
Ich habe bereits gesagt, dass ich das Wort Ethik verwende wie
Moore und Wittgenstein: Ethik ist die allgemeine Untersuchung dessen, was gut
ist. Es gibt auch andere Definitionen, aber ich habe nun mal klar gestellt, dass
ich diese verwende.
Moralen bestehen im Gegensatz dazu aus
Soll-Vorschriften.
Sitte umfasst im üblichen Sprachgebrauch vor allem
Benehmen und Manieren, die nicht allzu viel mit dem Guten zu tun haben. Es ist
weder eine Frage von Ethik noch von Moral, wer wen zuerst zu begrüßen hat oder
wie bei einem Diner der Tisch gedeckt wird.
Ein juristischer Terminus ist
Sitte nicht. Zwar taucht er im OWiG in Form von 'sittenwidrig' auf, jedoch so
gut wie ausschließlich in sexuellem Zusammenhang.
Brauch hingegen ist
noch ein juristischer Terminus. Er taucht im HGB als Handelsbrauch auf.
Juristischer Terminus insofern, als er stillschweigend Vertragscharakter hat,
also bindend ist.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
23. Sept. 2005, 17:50 Uhr
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Hallo allerseits,
wichtig für das Verständnis von Moral ist m.E. der
Unterschied zwischen einem Befehl, den man im eigenen Interesse befolgt, und
einer moralischen Norm, die man aus begründeter Einsicht befolgt.
Dieser
Unterschied wird auch dadurch verdeckt, dass beide Fälle mit den gleichen Worten
beschrieben werden. In beiden Fällen ist von „vernünftig“, „rational“,
„einsichtig“, „Anerkennung“ und „Geltung“ die Rede.
Der Räuber, der einem
nächtlichen Passanten die Pistole in den Rücken drückt und dabei fordert: „Her
mit der Brieftasche!“ verleiht seiner Forderung mit der Pistole Nachdruck.
Vielleicht sagt der Räuber noch: „Sei vernünftig und mach keine Spirenzchen!
Wenn Dir Dein Leben lieb ist, dann gib den Zaster her – aber sofort!“
Es
ist für den Überfallenen tatsächlich „vernünftig“ im Sinne von „es entspricht
unter den gegebenen Umständen seinem eigenen Interesse“, den Befehl des Räubers
zu befolgen, denn er verzichtet lieber auf seine Brieftasche als auf sein Leben.
(In diesem eingeschränkten Sinne von „dem eigenen Interesse entsprechend“
werden die Worte „rational“ bzw. „rationality“ auch im Englischen benutzt.)
Die Norm: „Her mit der Brieftasche!“ besitzt für den Überfallenen auch eine
(faktische) „Geltung“ und er „erkennt sie an“, indem er sie befolgt. Unter dem
Gesichtspunkt seines Eigeninteresses ist für den Überfallenen auch „richtig“,
die Brieftasche herauszugeben. Denn er hat „eingesehen“, dass in diesem Fall
Widerstand oder Flucht aussichtslos sind.
Es gibt jedoch keine
Verpflichtung des Überfallenen, die Brieftasche herauszugeben. Der Befehl
besitzt keinerlei Gültigkeit, er gilt zwar faktisch, aber seine Geltung ist
nicht gerechtfertigt. Sowie die Drohung entfällt – z.B. weil der Überfallene
merkt, dass es sich bei der Pistole nur um eine Attrappe handelt – gibt es
keinen Grund mehr zur Befolgung dieser Norm. Durch Veränderung der
Kräfteverhältnisse ist die Norm „Her mit der Brieftasche!“ weder rational, noch
einsichtig, noch vernünftig, noch besitzt sie Geltung.
Nehmen wir
demgegenüber eine Situation, wo ein Autofahrer einen offenbar verunglückten
Motorradfahrer schwer verletzt am Rande der Landstraße liegen sieht und er sich
mit der Norm konfrontiert sieht: „Auch wenn Du eigentlich keine Zeit hast und in
Eile bist: Es ist Deine Pflicht, anzuhalten und Dich um den Verunglückten
kümmern.“ (Dass unterlassene Hilfeleistung bei uns auch ein Straftatbestand ist,
sei einmal ausgeklammert.)
Die Verpflichtung zur Hilfeleistung gegenüber
einem Verunglückten ist unabhängig von den wechselnden Macht- bzw.
Stärkeverhältnissen „einsichtig“ „vernünftig“ oder „richtig“. Die Geltung dieser
Verpflichtung kann ohne Sanktionen begründet werden.
Ich halte diese
Ausführungen selber nicht für das Gelbe vom Ei, aber vielleicht ist dennoch
deutlich geworden, was ich meine.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
23. Sept. 2005, 22:20 Uhr
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Hi zusammen, hi Eberhard,
lass mich zuerst dein zweites Posting erörtern.
Deine Argumente widerlegen m.E. die These, Moral oder Ethik hätten sich aus
den Interesselagen von Einzelnen oder Gruppen oder gar der Gesellschaft
entwickelt.
Nebenbei bemerkt: wie bestimmt/erkennt man die Interessen der
Gesellschaft?
Wichtig erscheint mir der Hinweis auf das vernünftige
Handeln. Es ist im Interesse aller potentiellen Opfer (natürlich nicht im
Interesse aller potentiellen Täter) eines Raubüberfalles, diesen unter Strafe zu
stellen. (Wie du ebenso vernünftig begründen willst, warum man keinen
Raubüberfall begehen soll, wenn man die Möglichkeit dazu hat und er nicht unter
Strafe steht, das weiß ich allerdings nicht und nur das wäre eine moralische
Begründung.) Es ist aber ebenso vernünftig und im Interesse des akuten Opfers,
den Raubüberfall nicht nur zu dulden, sondern ihm sogar zum Erfolg zu verhelfen
- indem man die Brieftasche heraus rückt. Urteilt die Vernunft im Einklang mit
der Moral? Oder zeigt dieses Beispiel nicht auch, dass der Vernunft moralische
Normen im Ernstfalle herzlich gleichgültig sind?
Wenn dies der Fall wäre:
wie könnte es dann vernünftige Moralen geben? Oder ist nicht das Wort Moral
ebenso doppeldeutig? Das erinnert jetzt an Wittgenstein, der feststellte, dass
manche Wörter, 'gut' zum Beispiel, immer in zwei Bedeutungen gebraucht werden:
einer relativen - das ist ein guter Stuhl - und einer absoluten - das ist ein
guter Mensch -. So könnten wir auch dem Opfer sagen: es war gut, dass du ihm die
Brieftasche gegeben hast. Aber meinen tun wir damit die relative Bedeutung von
gut. So, wie wir auch die relative Bedeutung von gut meinen, wenn wir dem Täter
sagen würden: es war gut, dass du ihn mit der Waffe bedroht hast, denn so bist
du ohne Probleme an sein Geld gekommen.
Ist nicht 'gut' im relativen Sinne
beinahe Synonym für vernünftig und sinnvoll? Aber mit Ethik hat das nichts zu
tun, auch nicht mit der meist mitgedachten Bedeutung von Moral.
Mein
zweiter Gedankengang hierzu: wie wichtig ist das für unsere Diskussion? Denn das
Opfer wird zwar der Gewalt weichen und die Brieftasche heraus rücken, aber es
wird doch deswegen die Tat nicht billigen. Seine persönliche Ansicht dazu bleibt
trotz Gewalt unverändert.
Aber: das muss nicht zwingend so sein. Herrn
Hunds Opfer, Rüden, den er verprügelt und unterworfen hat, machen meist nicht
den Eindruck, dass sie das als 'Unrecht' empfinden. Sie weichen ihm ehrerbietig
aus, es sei denn, es droht Gefahr von einem anderen großmächtigen Kerl. Dann
suchen sie seine Nähe, denn wer sie verprügeln kann, ist stark und bietet
Schutz.
Ist das bei etlichen Menschen so viel anders (denk an die Mafia)?
Litten und fluchten die mittelalterlichen Bauern nicht unter der Fron ihrer
Grundherren, und lehnten sich meist dennoch nicht auf, weil sie in diesen
unsicheren Zeiten bei Gefahr in die Zwingburg fliehen konnten? Was schuf und
garantierte den Freien Reichsstädten die Freiheit? Die Stadtmauer. Die brauchten
keinen Burgherren, die lebten selber in einer Burg.
Wie weit ist also die
Gültigkeit moralischer Normen abhängig von der Freiheit vor Not und Bedrohung?
Der kölner Kardinal Frings erlaubte den Kohlenklau zur Sicherung
lebensnotwendiger Bedürfnisse. Ein Beispiel übrigens für Differenzen zwischen
Ethik und Moral. Moralisch war der Kohlenklau eher schlecht; ethisch
unproblematisch.
Nur in der Freiheit von Not und Unterdrückung kann sich
das Menschliche voll entfalten.
Du sagst:
Die Verpflichtung zur
Hilfeleistung gegenüber einem Verunglückten ist unabhängig von den wechselnden
Macht- bzw. Stärkeverhältnissen "einsichtig" "vernünftig" oder "richtig". Die
Geltung dieser Verpflichtung kann ohne Sanktionen begründet werden.
Dann
begründe doch mal!
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
23. Sept. 2005, 23:08 Uhr
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Hi,
zu Eberhards obigem vorhergehenden Posting:
Es gibt dazu eine
Gegenposition, die längere Zeit recht erfolgreich war:
(Das Ziel war es,
die Menschen zu befreien vom Zwange eines zum) "... Selbstzweck gewordenen
Geistes, von den schmutzigen und erniedrigenden Selbstpeinigungen einer Gewissen
und Moral genannten Chimäre und von den Ansprüchen einer Freiheit und
persönlichen Selbständigkeit, denen immer nur ganz wenige gewachsen sein können.
Der christlichen Lehre von der unendlichen Bedeutung der menschlichen
Einzelseele und der persönlichen Verantwortung setze ich mit eiskalter Klarheit
die erlösende Lehre von der Nichtigkeit und Unbedeutendheit des einzelnen
Menschen und seines Fortlebens in der sichtbaren Unsterblichkeit der Nation
gegenüber. An die Stelle des Dogmas von dem stellvertretenden Leiden und Sterben
eines göttlichen Erlösers tritt das stellvertretende Leben und Handeln des neuen
Führergesetzgebers, das die Masse der Gläubigen von der Last der Entscheidung
entbindet.
Hitler zu Rauschning.
Entscheidung kann eine Last sein. Vor
allem dann, wenn man die Verantwortung dafür gar nicht übernehmen kann, weil man
zu wenig von den Dingen weiß. Ich z.B. würde mich weigern darüber zu
entscheiden, ob ein psychisch kranker Straftäter aus der Forensik entlassen
werden soll oder nicht, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne; ich
verstehe davon zu wenig. Auch hierzu gibt es ja eine altehrwürdige Ansicht:
Platon, der Philosophenstaat, in der nur diejenigen diktatorische
Entscheidungsbefugnis haben, die von der Sache etwas verstehen.
(Angesichts der Wahlergebnisse sage ich allerdings, dass der gesammelte Verstand
der Bürger unseres Staaten um einiges größer ist als der etlicher
praktizierender Politiker.)
Gegen die Diktatorenargumente setze ich zwei,
erst mal probeweise subjektiv:
1. Aber wollen wir eine solche Ordnung,
deren einzige "Begründung" im Verweis auf die Machtverhältnisse und die
drohenden Sanktionen für Ungehorsame besteht?
Nö.
2. Wenn ich mangels
Wissens über eine Angelegenheit nicht entscheiden kann, kann ich sie mir immer
noch erklären lassen. Das ist jedoch mühsam und kostet Gehirnschmalz. Die
Alternative wäre jedoch die (sehr wahrscheinliche) Möglichkeit, dass eine
Diktatur mich und die ganze Gesellschaft dazu zwingt, unmoralische, der Ethik
widersprechende, unmenschliche Entscheidungen und Taten zu dulden oder gar
mitzumachen - und das will ich nicht verantworten.
In einem autoritären
Staat ist mir ein gut Teil persönliche Freiheit genommen. Na und? Kann man
sagen, musste dich halt anpassen oder: ertrage es zum Wohle des Ganzen,
Staatsraison.
Aber das ist imho nicht der springende Punkt. Der
springende Punkt ist, in einer Diktatur besteht kein einfach und gefahrlos
auszuübendes Mitspracherecht, kein legitimes Widerstandsrecht, wenn die
Menschlichkeit, die Ethik missachtet wird. Und das wird sie zwangsläufig. Daran
bin ich als ruhiger, mitlaufender Bürger dann mitverantwortlich und mitschuldig.
Das Risiko ist mir zu groß.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 24. Sept. 2005, 04:10 Uhr
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Hallo Rudi!
Reden wir nicht drumherum: Im Grunde SIND wir Schimpansen.
Der Unterschied zwischen ihnen und uns beträgt nur 1,3 %. Das ist nichts!
Trotzdem erführe ich ZU gern, wie die "Wurzel" jener absonderlichen
menschlichen Verhaltensweise, die man "Evolutionsbiologie treiben" nennen
könnte, bei unseren schwarzfelligen Artgenossen aussieht.
Einstweilen
hoffe ich, dass unsere Primatenforscher nicht insgeheim von ihren
Studienobjekten abschreiben...
Schöne Grüße
Urs
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
24. Sept. 2005, 08:05 Uhr
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Hi Urs,
die 1,3% beziehen sich auf den Unterschied in der genetischen
Speicherung von Erfahrung.
Sie reichen für den Sprung vom Schimpansen zum
Menschen aus, bei dem das Entscheidende ist, dass er seine Erkenntnisse
hirnextern speichern kann.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 24. Sept. 2005, 10:24 Uhr
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..... und ich sage euch !
ihr ver wechselt immer ursache und aus
wirkung !
weil der geist !
hat die änderung bei der genetik er
wirkt
nicht die genetik
den geist .......
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
24. Sept. 2005, 22:24 Uhr
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Hi, doc rudi,
Sie reichen für den Sprung vom Schimpansen zum Menschen
aus, bei dem das Entscheidende ist, dass er seine Erkenntnisse hirnextern
speichern kann.
Meinst du damit, ein paar Schimpansen haben irgendwann
einmal Schreiben gelernt und sich daraufhin zu Menschen entwickelt?
[smiley=atomicplus.gif]
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
24. Sept. 2005, 22:36 Uhr
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Hallo allerseits,
ich will noch mal zusammenfassen, wo wir uns in der
Diskussion gegenwärtig befinden.
Wir sind – ausgehend von der konkreten
moralischen Frage – („Was macht man angesichts von Menschen, die ihre Gesundheit
und ihr soziales Leben durch Rauschmittel ruinieren?“) – bei der übergeordneten
Frage angelangt, wie man überhaupt Antworten auf moralische Fragen finden kann
und was die geeigneten Kriterien für die Richtigkeit solcher Antworten sind.
Wir diskutieren dazu verschiedene Positionen.
Die eine Position geht
von einem „ethischen Willen“ im Menschen aus, der – vorausgesetzt die Sachlage
ist geklärt und bekannt – eine einheitliche Stellungnahme hervorbringt. Ich
nenne diese Position einmal die „intuitionistische Position“ in der normativen
Ethik.
Für diese Position, die es in der Geschichte der Moralphilosophie
in verschiedenen Varianten gibt („moral sense“, „Werteschau“ etc.) spricht, dass
wir in uns soziale Impulse vorfinden wie Gewissensbisse, Mitleid,
Identifizierung mit dem Schicksal anderer, Gerechtigkeitsgefühl, moralische
Empörung, Dankbarkeit, mütterliches oder väterliches Gefühl, Hilfsbereitschaft,
Opferbereitschaft, Idealismus oder Bereitschaft zur Ein- und Unterordnung. Diese
Impulse sind offensichtlich nicht das Ergebnis von Denkprozessen.
Gegen
eine Gründung der normativen Ethik auf den „Ethischen Willen“ bzw. den
„moralischen Sinn“ spricht, dass dieser ethische Wille von Individuum zu
Individuum und von Kultur zu Kultur unterschiedlich stark ausgebildet ist und
inhaltlich nicht einheitlich ist (was allerdings erst noch zu belegen wäre).
Die andere Position geht von dem aus, was Menschen wollen, oder anders
ausgedrückt: von ihren Interessen. Dabei müssen diese Interessen nicht unbedingt
nur auf das eigene Wohlergehen gerichtet sein, sondern können auch auf das
Wohlergehen anderer Individuen gerichtet sein. Die oben genannten Impulse wie
Mitleid oder Mutterliebe werden also einbezogen.
Diese Interessen
harmonieren nun nicht in jedem Fall. So gibt es z.B. Konflikte, wenn es um nur
begrenzt verfügbare Mittel der Bedürfnisbefriedigung geht. Konflikte können zum
gewaltsamen Kampf eskalieren, verbunden mit Gefahren für die am Kampf
Beteiligten.
Dies kann durch die Formulierung von Normen vermieden
werden, an die sich alle Beteiligte halten.
Ein solches Normensystem kann
nun auf verschiedene Weise geschaffen werden.
Es kann von mächtigen
Individuen oder Gruppen den Beteiligten aufgezwungen werden. Dies ist auch ohne
offene Gewaltanwendung möglich, wenn der Ausgang eines Kampfes angesichts der
Kräfteverhältnisse vorherzusehen ist. Dies kann man die „Position vom Recht des
Stärkeren“ nennen. Ein Normensystem gewinnt allein dadurch, dass es da ist und
durchgesetzt wird, eine Autorität.
Für diejenigen, denen das
Normensystem aufgezwungen wurde, gibt es keinen Grund zu dessen Befolgung außer
der drohenden Sanktion. Sofern in diesem Normensystem elementare Interessen an
Leben und Gesundheit gesichert sind, gilt das Argument „Besser irgendeine
Ordnung als gar keine Ordnung“.
Eine andere Möglichkeit ist das
Aushandeln eines Normensystems in Form eines für alle verbindlichen Vertrages.
Man kann diese Position als die „vertragstheoretische Position“ bezeichnen. Für
die Befolgung dieses Normenssystems gibt es den Grund, dass man sich selber zur
Befolgung der Normen verpflichtet hat.
Aber warum soll man Verträge
halten? Noch dazu in einer sich verändernden Welt?
Außerdem wird das
Verhandlungsergebnis durch die unterschiedliche Verhandlungsmacht („bargaining
power“) der Beteiligten beeinflusst. Der Starke kann warten, bis der „stumme
Zwang der Verhältnisse“ den Schwachen zum Nachgeben zwingt, weil er auf die
vertragliche Einigung angewiesen ist.
Solange kein Vertrag abgeschlossen
ist, bleibt es beim Status quo – und dieser kann für die Vertragsparteien
unterschiedlich erträglich sein. Im Extremfall bedeutet die Beibehaltung des
Status quo, dass die eine Partei von der anderen „an den Verhandlungstisch
gebombt“ wird, wie es während des Vietnamkrieges einmal hieß..
Eine
dritte Möglichkeit ist die Bestimmung desjenigen Normensystem, das von allen
Beteiligten angesichts der gegebenen Interessenstruktur am ehesten gemeinsam
akzeptiert werden kann, wobei nur Argumente ausgetauscht werden und kein anderer
Zwang für die Individuen besteht als der Zwang, sich zu einigen und einen
gemeinsamen Willen zu formulieren. Man kann diese Position als
„diskurstheoretische Position“ bezeichnen, da das Ergebnis allein aus einem
Austausch von Argumenten, also aus einer vernünftigen Diskussion, hervorgehen
soll.
Es muss also nach solchen Argumenten gesucht werden, die allgemein
akzeptabel sind und es müssen solche Argumente als ungeeignet methodisch
ausgeschlossen werden, die einen Konsens unmöglich machen. Dabei ist das Ziel
eines allgemeinen und dauerhaften Konsens über die zu befolgenden Normen eher
eine „regulative Idee“, die der Orientierung dient, als ein Punkt, den man ein
für allemal erreichen kann.
Um das Ganze nicht in dieser hochabstrakten
Form stehen zu lassen, nenne ich mal einige methodische Konsequenzen für die
ethische Diskussion, die sich aus dem Zwang zum zwanglosen Konsens ergeben
können:
Wer den Konsens will, der darf den Konsens nicht für
unerreichbar erklären sondern muss um ihn bemüht bleiben.
Wer den Konsens
will, der muss sich um eine verständliche Sprache bemühen.
Wer den
Konsens will, der muss argumentieren und darf nicht drohen.
Wer den
Konsens will, der muss sich um ein Verständnis für die Lage des andern bemühen.
Wer den Konsens will, muss mögliche Abstriche an seinen Interessen
akzeptieren, denn im Konfliktfall ist sonst kein Konsens möglich.
Wer den
Konsens will, der muss auf gleichartige Fälle auch gleichartige Normen anwenden.
Was faktisch gleich ist, muss auch gleich bewertet werden und durch gleiche
Normen geregelt werden.
Wer den Konsens will, der muss die
unterschiedliche Behandlung von Individuen mit faktischen Unterschieden
begründen, die in Bezug auf die Interessen der Betroffenen von Bedeutung sind.
Wer den Konsens will, der darf anderen nicht größere Opfer zumuten als
er selber unter den gleichen Umständen zu tragen bereit ist.
Wer den
Konsens will, der muss andern unter den gleichen Umständen auch diejenigen
Rechte zugestehen, die er für sich selbst beansprucht.
Wer den Konsens
will, der muss für sich selbst die gleichen Pflichten anerkennen, die er unter
gleichen Umständen den andern zugeschrieben hat.
Wer den Konsens will,
der muss bereit sein, eine von ihm befürwortete Norm auch dann zu akzeptieren,
wenn er sich in der Position des schlechter Gestellten befinden würde.
Wer den Konsens will, der muss die Interessen aller Betroffenen wohlwollend und
unparteiisch berücksichtigen und gegeneinander abwägen.
Wie weit man
damit kommt, bleibt offen. Der argumentative Diskurs gerantiert kein definitives
Ergebnis. Da der Streit der Gelehrten sprichwörtlich endlos ist, muss der
Diskurs unter konkretem Handlungsdruck der Praxis immer durch Verfahren der
verbindlichen Setzung von Normen ergänzt werden (Eigentumsrechte, Verträge,
Abstimmungen, Hierarchien etc.).
In der Hoffnung, dass dieser etwas lang
geratene Beitrag trotzdem ein "verdaulicher" Brocken ist,
grüßt Euch
Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
25. Sept. 2005, 14:34 Uhr
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Hi zusammen,
sofern es um die Erarbeitung praktischer moralischer Normen
geht, scheint mir die diskurstheoretische Position und die aufgeführten
praktischen Konsequenzen für den Diskurs vernünftig und akzeptabel zu sein.
Sie krankt jedoch an einem entscheidenden Punkt: Wer den Konsens will. Und
wer ihn nicht will (und ich behaupte mal auf Verdacht, dass das die Mehrheit der
heute auf der Erde lebenden Menschheit ist)? Dann gehst du mit deinem
Diskursangebot baden. Streng zuende gedacht bleibt dann nur die Lösung, die
Unwilligen als Unzivilisierte auszustoßen bzw. zu eliminieren, eine Lösung, die
mir nicht passt.
Die Frage ist also: warum sollte man den Konsens wollen
bzw. warum sollte man ihn nicht wollen?
Das heißt: es geht mir nicht
darum, die diskurstheoretische Position abzulehnen, sondern es geht mir darum,
sie auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Die Voraussetzung 'wenn man den
Konsens will' ist kein tragfähiges Fundament.
Anders gesagt: es geht mir
um die Axiome, auf denen ein solcher Diskurs aufbauen kann. Hier bringe ich den
ethischen Willen ins Spiel, das einzige, was m.E. aufgrund seiner Evidenz
(=jedem einleuchtend) axiomatischen Charakter haben kann.
Ein Axiom kann
nicht logisch/vernünftig her- oder ableitbar sein. Es muss evident sein. Es muss
sich zeigen. Sonst ist es kein Axiom, keine Basis, sondern basiert seinerseits
auf etwas anderem.
Andererseits operiert man im Alltag nicht mit Axiomen.
Ein Ingenieur benutzt für seine Berechnungen zuverlässig entwickelte und
geprüfte Formeln. Er beginnt seine Berechnungen z.B. nicht mit Peanos Axiomen.
Zum einen käme er dann aus Zeitmangel gar nicht erst zu seinen Berechnungen, zum
anderen ist es keine sinnvolle Tätigkeit, dauernd das Rad neu erfinden zu
wollen. Er kann sich aber darauf verlassen, dass die Mathematik, die er benutzt,
auf (auch wenn das manchmal bestritten wird) evidenten Axiomen basiert. Sonst
könnte er es nicht verantworten, die erlernten Formeln zu benutzen ohne jedesmal
nachzuprüfen, ob sie auch richtig sind.
Wenn ich also auf den humanen
ethischen Willen hinweise, der sich hier und da in bestimmten Situationen zeigt
(wobei das Gemeinsame dieser Situationen heraus zu finden wäre), dann meine ich
damit nicht, dass einer im Alltag alle moralischen Normen ignorieren und immer
nur 'Gewissenserforschung' betreiben soll, um zu guten Entscheidungen zu kommen.
Abgesehen davon, dass das in der Praxis ebensowenig funktioniert wie die
Herleitung von Formeln aus Axiomen beim Ingenieur, der ethische Wille zeigt sich
in Situationen, die erst einmal erkannt werden müssen. Dieses Erkennen ist,
bezogen auf das Individuum, subjektiv und damit fehleranfällig. Das heißt, der
ethische Wille kann das richtige wollen, kann aber dennoch zu objektiv falschen
Handlungen führen, weil die Situation falsch erkannt ist.
Der ethische
Wille ist also nichts für den Alltagsgebrauch.
Es ist m.E. aber
unverzichtbar - wenn man keine andere, tragfähige Lösung anbieten kann - sich in
diesem Sinne mit der Ethik zu befassen, hier nach erkennbaren und evidenten
Grundprinzipien des Humanen zu suchen, da nur dann, wenn diese allgemein
einleuchtend gezeigt werden können (sozusagen entmüllt vom ganzen sie in der
alltäglichen Praxis beeinflussenden Beiwerk), Aussicht auf einen allgemeinen
Willen zum Konsens bestehen kann, der die Voraussetzung ist für eben die
diskurstheoretische Position in der Moraldiskussion.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
25. Sept. 2005, 18:27 Uhr
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Hi zusammen,
Eberhard #87 hat ja schön beschrieben, an was er bei ethischem
Handeln denkt: "... Gewissensbisse, Mitleid, Identifizierung mit dem Schicksal
anderer, Gerechtigkeitsgefühl, moralische Empörung, Dankbarkeit, mütterliches
oder väterliches Gefühl, Hilfsbereitschaft, Opferbereitschaft, Idealismus oder
Bereitschaft zur Ein- und Unterordnung." Er beschreibt hier zum Teil Gefühle,
zum Teil beobachtbares Verhalten. Das kann jeder nachvollziehen, weil es
Tatsachen sind. So etwas gibt es. Wir fragen nun, warum hat man diese Gefühle,
oder warum handelt jemand so?
Abrazo will dies mit einem ethischen Willen
erklären. Dies sei ein Axiom. Abrazo #88: "Ein Axiom ... muss evident sein.
Dass ein Axiom evident sein muss, ist zwar Konsens.
Aber: ein ethischer
Wille ist eine Hypothese, und diese ist mir nicht evident.
Evident ist, dass
die von Eberhard bezeichneten Gefühle in bestimmten Situationen auftreten
können. Sie passen als Reaktionen zu bestimmten Erlebnissen. Evident ist jedoch,
dass diese Gefühle biologisch determiniert sind. Wir wissen auch, dass der
Mensch, entsprechend dieser Determinierung handeln kann, aber dass er auch
anders handeln kann, wenn er will. (Er ist eben Mensch und unterscheidet sich
gerade darin vom Tier)
Fragen an Abrazo:
Warum soll der ethische Wille
denn unverzichtbar sein?
Oder: für welchen Zweck ist er unverzichtbar?
Im Prinzip weiß jeder zwar, was mit einer ethischen Handlung gemeint ist. Das
ist ihm von Kindheit an eingetrichtert worden. Einen Willen kann man aber nicht
eintrichtern. Da man ethisch handeln kann, es aber auch lassen kann, gibt es
entweder keinen ethischen Willen, oder es gibt auch den unethischen Willen und
noch zig andere Willen. Welche Willen gibt es denn außerdem noch?
Ich
vermute, der ethische Wille entspringt einem Wunsch. Einem frommen und achtbarem
Wunsch, aber der ethische Wille ist keine Realität. Es wäre ja schön, wenn es
ihn gäbe.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
25. Sept. 2005, 21:05 Uhr
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Hi, doc rudi,
ethischer Wille ist ein Begriff. Ebenso wie biologischer
Wille. Ein Begriff kann nicht evident sein.
Evident sein kann nur, was
unmittelbar einleuchtet, und das sind im Zweifelsfalle Wahrnehmungen (oder - wie
in der Mathematik - Aussagen, die unmittelbar als Prinzipien längst angewandter
Regeln einleuchten).
Zu untersuchen ist also zunächst nicht 'der Wille',
sondern auf Willen beruhende Phänomene, also insbesondere Handlungen. Bei
solchen Phänomenen ist zu untersuchen, inwieweit sie mit der Biologie erklärbar
sind, dann fallen sie in die Menge biologischer Willen, und inwieweit nicht.
Beispiele aus jüngerer Zeit findet man z.B. im nationalsozialistischen
Widerstand. Hier frage ich dich, wie willst du z.B. die Handlung von Pater
Maximilian Kolbe biologisch erklären? Oder die der Geschwister Scholl z.B.?
Aber es gibt auch ganz einfache, alltägliche Beispiele. Einer, Gegner der
Existenz des ethischen Willen, verstummte wegen des Todes einer Ratte, die er,
offenbar vergiftet, vor seinem Hauseingang fand und erschlug. "Warum hast du sie
erschlagen und nicht einfach liegen lassen?" - "Weil sie offenkundig litt." -
"Was geht dich die Ratte an?" Eben. Was ging sie ihn an?
Meine Katze
hatte keine Probleme damit, einem schreienden lebendigen Kaninchen das Bein
abzufressen. Warum haben wir Probleme damit? Warum würden wir einen Menschen,
der das täte, in die Psychiatrie stecken?
Warum finden wir in allen
Kulturen das Gebot 'du sollst nicht töten' richtig, auch wenn wir es nicht immer
befolgen? Welcher vernünftige Grund spricht dagegen, Fremde nicht umgehend in
die Wildnis oder in den Sumpf zu jagen oder gleich um die Ecke zu bringen?
Zur Zeit Mohammeds war es üblich, neugeborene Mädchen, die man nicht haben
wollte, in die Wüste zu tragen und dort im Sand zu vergraben. Der Koran meinte
dazu, am jüngsten Tag würden diese Mädchen aufstehen und anklagen, wegen welcher
Schuld man sie umgebracht hat. Warum wurde der Brauch daraufhin als Verbrechen
angesehen? Weil man Angst vor Gott hatte? Na, an den musste man erst mal
glauben, die alten Götter hatten offenbar nichts dagegen gehabt.
Meiner
Ansicht nach sind solche und zahlreiche andere Phänomene biologisch nicht
erklärbar. Sie widersprechen sogar der biologischen Logik.
Wenn du
anderer Ansicht bist, dann liefere eine biologische Erklärung. Aber bitte
sorgfältig abgeleitet von biologischen Grundprinzipien - nicht irgendwelche
spekulativen Scheinbegründungen!
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Armes_Kind
am 25. Sept. 2005, 23:25 Uhr
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Heil!
Solange der Mensch, die höchste Schöpfung von allem ist. So wird er
weiterhin die Natur sowie die Tierwelt ausbeuten wie es ihn behagt. Machen wir
es doch nicht so einfach. Der Mensch hat Freunde um sein Bedürfnis nach
Zweisamkeit zu stillen wie er eine Kuh mit einem Stück Stahl ins Hirn schießt um
sie sein Bedürfnis nach Nahrung zu stillen. Der Mensch handelt nach
Bedürfnissen. Der Mensch ist ... böse ...
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
26. Sept. 2005, 09:00 Uhr
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Hallo abrazo,
ich nahm an, Du wollstest den ethischen Willen als Hypothese
verstanden wissen, die sogenanntes ethisches Verhalten erklärt, also das Warum
beantwortet. Es soll also nur ein Begriff sein, der tatsächlich zu Beobachtendes
zusammenfasst.
Mit meinen Begriffen Selbsterhaltung (Überleben) und
Selbstentfaltung (Wachstum. Vergrößerung) ist es anders: sie erklären das
Verhalten lebender Systeme, wie die Begriffe Trägheit und Gravitation das
Verhalten nichtlebender Objekte erklären.
Gefunden habe ich diese übrigens
anlässlich einer Untersuchung zur Aggression (gibt es einen Aggressionstrieb?
Meine Antwort: nein). In 10-jähriger Beobachtung fand ich dann, dass sie auf
alle lebende Systeme zutreffen, nicht nur auf meine anfänglichen
Untersuchungsobjekte. Dazu musste ich allerdings meine Konstruktion der Welt
ändern und streng zwischen lebenden Systemen der Ordnungshöhe Individuum und
lebenden Systemen höherer Ordnung unterscheiden lernen.
Deine Beispiele für
ethisches Verhalten sind vielfältig, so dass ich sie umfangreich an anderer
Stelle beantworte, ich möchte erst einmal das Verhalten der Geschwister Scholl
herausgreifen.
Das Individuum fungiert im Staat nur als Baustein eines
Systems höherer Ordnung, d.h. es ordnet seine Interessen denen des Staates
unter. Bei gruppenlebenden Primaten ist das biologisch begründet. Es gibt dort
eine Hierarchie, in der jeder Aufgaben, Pflichten und auch Rechte hat. Bestimmte
Verhaltensweisen scheinen von der Brutpflege auf andere Mitglieder der Gruppe
"übertragen" (ein Begriff von Freud) zu werden. Da denke ich an Mitleid mit
Schwachen, das mit Verhalten einhergeht, das der Gruppe nützt. Entscheidend ist
der Erhalt der Gruppe und deren Wachstum, die Interessen des Individuums müssen
zurückstehen.
Beim Menschen ist das lockerer. Nach meiner Beobachtung geht
die Entwicklung dahin, dass das Individuum immer mehr Freiheiten erwirbt. So
kann der Mensch auch ausscheren aus der Gruppe, Nein sagen, und seine Interessen
dem Interesse des Staats entgegensetzen. Das hängt wahrscheinlich damit
zusammen, dass die Größe der "Gruppe" zugenommen hat, die Horde zum Volk oder
Staat gewachsen ist, und die Mitglieder sich nicht persönlich kennen.
Die
ursprünglich natürliche Verhaltensweise der Einordnung in eine Gemeinschaft muss
daher beim Menschen einerseits durch Propaganda, andererseits durch normative
Ethik und Strafrecht unterstützt werden.
Deutschland entwickelte nach dem
ersten Weltkrieg eine neue Identität, wobei ein Identitätskern die Wut über die
Versailler Verträge und die finanzielle Ausbeutung Deutschlands war. Die Nazis
boten dem Volk die Juden als Objekt für die zunächst ungezielte Wut an und
erreichten sozusagen eine Solidarisierung, nämlich eine Identitätsbildung. Die
Identifizierung mit positiven und negativen Werten (Ich und Nicht-Ich) des
Systems höherer Ordnung stärkt das Selbstwertgefühl des Individuums und gibt ihm
dadurch narzisstische Befriedigung. Das betraf die große Masse in Deutschland.
In jeder Masse gibt es jedoch auch Abweichungen nach beiden Seiten (Gaussche
Verteilungskurve), also Individuen, die die offizielle Sichtweise nicht teilen.
Im Fall der Geschwister Scholl war es nun nicht einmal eine individuelle
Identität, die diese der Nazi-Identität der Deutschen entgegensetzten, sondern
die Identität einer anderen Gruppe, der sie angehörten. Mit dem Verhalten des
Menschen in der Masse haben sich im übrigen auch le Bon und Elias Canetti, und
auch Freud, beschäftigt. Wichtig ist hier, dass das Individuum bestimmte
Denkinhalte, die mit seiner Identität bzw. auch seiner Gruppenidentität nicht
vereinbar sind, verdrängt. Also: die Identifizierung der Deutschen mit dem
wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Deutschland führt nur dann zu
narzisstischem Gewinn, wenn gleichzeitig der Gedanke an den Umgang mit den
Juden, deren Eliminierung ja Teil der Identitätsfindung war, ins Unbewusste
verdrängt wurde. Die Geschwister Scholl und andere haben eben diese Verdrängung
nicht mitgemacht, sie hatten eine andere Gruppenidentität, die ihnen
Selbstwertgefühl vermittelte. Sie haben dadurch die negative Seite an der
deutschen Identitätsfindung klar gesehen und dagegen opponiert. Hierdran war
wahrscheinlich auch ein Mitleid mit den Opfern beteiligt, also ein biologisch
bedingtes Gefühl (s.o.).
Biologisch begründet ist aus meiner Sicht auch das
Verhalten des Individuums, sich für eine höhere Sache zu opfern, die
Selbsterhaltung des Systems höherer Ordnung als wertvoller zu beurteilen als die
persönliche Selbsterhaltung. Das betrifft das Verhalten des Soldaten im Krieg,
besonders des Kamikaze-Fliegers, des Sprengstoffgürtelattentäters und auch das
Verhalten des Pater Maximilian Kolbe. Aus der Sicht des jeweiligen Systems
höherer Ordnung, dem sich der Betreffende unterordnet, wird dies als Heldentat
bewertet. Diesen narzisstischen Gewinn nimmt der Betreffende mit – auch bei
Kolbe ist diese Rechnung aufgegangen: er wurde heilig gesprochen.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
26. Sept. 2005, 09:50 Uhr
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Hallo Abrazo,
Deine kritische Frage zur diskurstheoretischen Begründung
von Normen des Handelns lautet: Was ist mit denen, die den Konsens, also die
zwangfreie Einigung durch den Austausch von Argumenten, nicht wollen?
Meine Antwort:
Dem nicht in dieser Weise Konsenswilligen kann ich erklären,
welche Konsequenzen diese Haltung für sein Verhältnis zu den andern Menschen
hat.
Wichtig ist, dass er damit bewusst Konflikte erhält, also keinen
Frieden will.
Dadurch, dass er sich nicht auf die Suche nach einer
zwangfreien Einigung festlegen lässt, behält er sich die Möglichkeit vor, ohne
Rücksicht auf andere zu handeln. Damit entfällt auch die Vertrauensbasis
zwischen ihm und den anderen Menschen.
Es bleibt höchstens noch eine
Berechenbarkeit seines Handelns, gesetzt den Fall, dass er sich zu einer
bestimmten (dogmatischen) Moral bekennt und sich konform zu deren Normen
verhält.
Wer sich nicht zwangfrei einigen will, der gehört für mich nicht
zu den „Menschen guten Willens“, Vor ihm muss ich mich in Acht nehmen.
Das bedeutet noch nicht, dass ich ihn als Feind betrachte, den ich unschädlich
machen muss. Ich kann aus meiner Sicht seine Interessen mit berücksichtigen und
ihm seine Rechte erhalten in der Hoffnung, dass er doch noch einsichtig wird.
Diesen Prozess kann ich mit pädagogischen oder therapeutischen Mitteln
unterstützen
Außerdem ist wichtig, dass der nicht Konsenswillige keine
Grundlage für eine Kritik am Handeln anderer mehr besitzt. Er kann zwar noch
sagen: „Das passt mir nicht, was Du da machst“, aber er kann keine Kritik mit
einem Anspruch auf allgemeine Geltung mehr äußern, es gibt keine Grundlage für
einen moralischen Vorwurf oder eine moralische Rechtfertigung, die mehr aussagen
als ein rein subjektives „pfui“ oder „bravo“. Kurz gesagt: Er kann in der
Befürwortung oder Ablehnung von Verhaltensweisen anderer nicht mehr
beanspruchen, „recht“ zu haben.
Er kann zwar noch versuchen, mich
immanent zu kritisieren, mir innere Widersprüche in meiner Position
nachzuweisen, aber er kann sich nicht darauf berufen, dass ich mich an meine
eigenen moralischen Prinzipien zu halten hätte. (So wie ein Gegner der
Meinungsfreiheit sich für die Verbreitung seiner Ansichten nicht auf das
geltende Recht der Meinungsfreiheit berufen kann.)
Für die
Moralphilosophie stellt der nicht Konsenswillige kein theoretisches Problem dar,
weil er seine Normen ohne den Anspruch auf nachvollziehbare Begründbarkeit
vertritt, womit sie wissenschaftlich irrelevant sind. (Was jedoch nicht
ausschließt, dass der nicht Konsenswillige weiterhin ein großes praktisches
Problem darstellt.)
Die Aufgabe der Moralphilosophie ist erfüllt, wenn
sie den nicht Konsenswilligen als solchen identifiziert. Seine Bekämpfung kann
nicht mit Argumenten erfolgen sondern bedarf anderer Mittel.
Es grüßt
Dich und alle Interessierten, Eberhard.
p.s.: Ich höre so wenig Kritik
von sonst recht lautstarken Philtalkern.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 26. Sept. 2005, 10:10 Uhr
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> Wichtig ist, dass er damit bewusst Konflikte erhält, also keinen Frieden will.
.... von euerem fried hof
wo nur mamas lieb linge auf diese
auf passen wollen
zum menschen ver achtende nicht zukunft be treiben
will kein mensch etwas !
weil absolut ohne wahr heit
deshalb ohne
nutzen für jede inteligenz ..........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
26. Sept. 2005, 17:25 Uhr
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Hi, doc rudi,
Mit meinen Begriffen Selbsterhaltung (Überleben) und
Selbstentfaltung (Wachstum. Vergrößerung) ist es anders: sie erklären das
Verhalten lebender Systeme, wie die Begriffe Trägheit und Gravitation das
Verhalten nichtlebender Objekte Biologische Erklärungen gibt es viele und
meistens treffen sie auch zu. Sie treffen aber nicht immer zu, und genau das
sind die Fälle, die mich im Zusammenhang mit Ethik interessieren. Das heißt: ich
nehme die Hypothese der biologischen Erklärung an und schaue dann, wo Verhalten
diesen Erklärungen widerspricht. Das revidiert nicht alle biologischen
Erklärungen, es führt aber zu dem Schluss, dass es beim Menschen über die
Biologie hinaus noch andere Gründe für sein Verhalten gibt. Krampfhaft an einer
scheinbar allumfassenden Erklärung festhalten zu wollen ist m.E. ideologisch.
(gibt es einen Aggressionstrieb? Meine Antwort: nein)
Dürfte darauf
ankommen, wie man Aggressionstrieb definiert. Mir ist die Definition von Trieb
ohnehin sehr unklar; mir reicht es eigentlich, dass Lebewesen Gefühle haben, von
denen sie gesteuert werden. Ohne Zweifel wird Aggressivität vielfach mit
Lustgefühl belohnt.
Entscheidend ist der Erhalt der Gruppe und deren
Wachstum, die Interessen des Individuums müssen zurückstehen
Das Rudel wird
nach meinen Beobachtungen bei Hunden als persönliches Eigentum des Leitwolfes
betrachtet.
So kann der Mensch auch ausscheren aus der Gruppe, Nein
sagen, und seine Interessen dem Interesse des Staats entgegensetzen. Das hängt
wahrscheinlich damit zusammen, dass die Größe der "Gruppe" zugenommen hat, die
Horde zum Volk oder Staat gewachsen ist, und die Mitglieder sich nicht
persönlich kennen
Mensch kann genau so gut aus Gruppen ausscheren, die er
seit langem kennt (Lafontaine)
Ich halte nichts davon, Grundprinzipien mit
statistischem Denken untermauern zu wollen, indem man sich an das (scheinbar)
Normale hält und das Abweichende schlicht und einfach mit dem Argument
Gauss'schen Glockenkurve ignoriert. So was nenne ich geistige Schlampigkeit.
Denn auch Abweichungen, gerade sie, haben Gründe.
Deutschland entwickelte
nach dem ersten Weltkrieg eine neue Identität
Wenn du den ersten Teil von
Hitlers "mein Kampf" liest, dazu auch noch z.B. Nietzsche und Otto Weininger,
wirst du feststellen, dass genau das nicht der Fall war. Die neue Identität
entwickelte sich tatsächlich mit der de-facto Abschaffung des Föderalismus
zugunsten eines preussischen Zentralstaates. Folge war die Entwicklung einer
Aggressivität nach außen, die aber nicht die Juden umfasste, sondern die
benachbarten Länder und Völker. Das Judenproblem ist etwas ganz anderes, das man
damit nicht in Zusammenhang bringen darf. Hitler galten die Juden wg. Altes
Testament, Paulus & Co. als Urheber der Ethik, einer Ethik des Mitleids mit den
Schwachen, die er (wie auch Nietzsche) als zerstörerisch für die Entwicklung des
'wahren', des 'Übermenschen' ansah und die die Juden zwecks eigenem Überleben
als Schmarotzer am wahren Menschentum entwickelt haben sollten. Hier stand in
der Tat die biologistische Auffassung vom Menschen und seinem Verhalten (gut
ist, was die Natur will) im Vernichtungskrieg mit dem - im weitesten Sinne -
Humanismus.
Sie haben dadurch die negative Seite an der deutschen
Identitätsfindung klar gesehen
Warum war das denn eine negative Seite? Das
ist doch die eigentliche Frage! Irgendwie mogelst du dich permanent an unserer
Fragestellung vorbei. Du sprichst von normativer Ethik, lässt dich aber nicht
auf unsere Frage ein, nämlich wie sie begründet sein soll. Aber genau das ist
es, was uns interessiert - und die Begründungen haben genau für die Fälle auch
zu gelten, die außerhalb des Normalintervalls liegen.
Hierdran war
wahrscheinlich auch ein Mitleid mit den Opfern beteiligt, also ein biologisch
bedingtes Gefühl
Belege doch mal, wo in der Natur Mitleid außerhalb (!) des
eigenen Rudels ein biologisches Gefühl ist! Du darfst eines nicht übersehen: die
Verhaltensweisen innerhalb einer geschlossenen Gruppe werden in der Natur nicht
auf Gruppen und Gruppenmitglieder übertragen, die außerhalb dieser Gruppe
stehen!
Biologisch begründet ist aus meiner Sicht auch das Verhalten des
Individuums, sich für eine höhere Sache zu opfern, die Selbsterhaltung des
Systems höherer Ordnung als wertvoller zu beurteilen als die persönliche
Selbsterhaltung
Belege, dass Tiere ihr Verhalten beurteilen! Belege, dass sie
da eine Wahlmöglichkeit haben!
auch bei Kolbe ist diese Rechnung
aufgegangen: er wurde heilig gesprochen.
Und was hatte Kolbe davon? Mal
abgesehen davon, dass das einfach nicht wahr ist. Kein geistig gesunder Mensch
lässt sich umbringen um eines narzisstischen Gewinnes willen, von dem er mehr
als Einbildung gar nicht haben kann. Auch ein Selbstmordattentäter nicht.
Vielmehr dürfte da (aber nach allem, was man weiß, nicht bei Kolbe) die
Befriedigung maßgebend sein, dass das Recht durchgesetzt wird (was ihrer Ansicht
nach Recht ist natürlich). Der Grund für Ermittlungen, für Prozesse mit Urteil -
und für den Glauben an das Jüngste Gericht bei den Religionen.
Tatsachen,
Rudi. Zwar sagte, zumindest früher, der landläufige berüchtigte Sozialarbeiter,
tief in deinem Unterbewußtsein willst du, was ich will, denkst du, was ich sage,
du weißt es nur noch nicht, doch selbst wenn das stimmten sollte - was ich
bezweifele - erklärt es nicht, warum der Angesprochene in seinem Bewusstsein
anders denkt. Alles 'irjendswie' in die Theorie hineinpfriemeln, das überzeugt
nicht.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
26. Sept. 2005, 17:55 Uhr
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Hi, Eberhard,
Für die Moralphilosophie stellt der nicht Konsenswillige
kein theoretisches Problem dar, weil er seine Normen ohne den Anspruch auf
nachvollziehbare Begründbarkeit vertritt, womit sie wissenschaftlich irrelevant
sind. (Was jedoch nicht ausschließt, dass der nicht Konsenswillige weiterhin ein
großes praktisches Problem darstellt.)
Die Aufgabe der Moralphilosophie
ist erfüllt, wenn sie den nicht Konsenswilligen als solchen identifiziert
Um Himmels willen, Eberhard, denk mal daran, was du da sagst!
Wir dürften
nicht den jeweiligen Kontext aus den Augen verlieren. Es gibt die nicht
konsenswillige Einzelperson und die nicht konsenswillige Subkultur innerhalb
einer geschlossenen Gesellschaft. Es gibt aber auch andere nicht konsenswillige,
Gruppen, die Millionen Menschen umfassen, nämlich Angehöriger anderer Kulturen
und Staaten. Soll es die Konsequenz der Moralphilosophie sein, zu ihnen Kontakte
abzubrechen, ggf. Kriege zu führen? Das kann dann keine Moralphilosophie sein.
In der Theorie klingt das alles ja recht nett. Auch die Sache mit dem
Verzichten auf eigene Interessen. Aber wie sieht das bitte in der Praxis aus?
Vor etlichen Jahren gab es in der Staatengemeinschaft eine Diskussion
über Menschenrechte, die wg Unvereinbarkeit zu keinem Konsens führte. Es ging um
das Recht auf Arbeit. Es gab Staaten, die forderten, dies als Menschenrecht
anzuerkennen. Die westlichen Staaten lehnten es rigoros ab. Und nu? Meiner
Ansicht nach ist Arbeit ein Menschenrecht, für dessen Verwirklichung der Staat,
also die Gesellschaft einzutreten hat, sobald es einem Menschen unmöglich ist,
sich seine Arbeitsmöglichkeit selbst zu schaffen, etwa indem er in die Wildnis
zieht und ein Stück Land urbar macht, um davon zu leben. Solche und ähnliche
Möglichkeiten verweigern unsere modernen Gesellschaften, also sind sie in der
Pflicht.
Oder die Interpretation des Begriffes Freiheit. Auch da stimme
ich denen zu die sagen, die Voraussetzung für die Verwirklichung der
persönlichen Freiheit ist die Freiheit vom Kampf um das Überleben aus Mangel am
Notwendigen. Aber du weißt, darüber ist mit unseren Gesellschaften zumindest zur
Zeit kein Konsens zu erzielen.
Und nun? Wer ist willig, wer unwillig? Wer
hat Recht, wer nicht? Wer ist als Konsensunwilliger zu isolieren ggf. zu
bekriegen?
Lassen wir die Finger davon, Eberhard. Die Frage nach
Konsenswilligkeit oder nicht stellt sich frühestens dann, wenn wir tatsächlich
Normen finden, die von allen Menschen anerkannt werden können - womit wir wieder
bei meinem humanen ethischen Willen wären [sun]
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 26. Sept. 2005, 18:11 Uhr
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Hallo Rudi!
Was ich mich frage: Worauf willst Du mit Deiner
biologistischen Theorie eigentlich hinaus? Welche Nutzanwendung hast Du im
Hinterkopf?
Du willst menschliche Verhaltensweisen kausal erklären, na
schön. Kausale Erklärungen in den Naturwissenschaften haben immer zugleich den
Sinn, die erklärten Phänomene technisch zu beherrschen. Denn wenn man im
Experiment regelmäßig die Bedingungen x, y, z produzieren kann, die das Phänomen
P erzwingen, dann gilt P als „erklärt“. Was es „an sich“ sein mag, interessiert
nicht; man kann damit rechnen und arbeiten, das genügt.
Diese
Einstellung den Phänomenen gegenüber willst Du also auch am „lebenden System“
von der Sorte „Mensch“ exerzieren. Mit welchem Ziel? Möchtest Du die Mittel
einer Art „Sozialtechnologie“ zur besseren Beherrschung dieser „lebenden
Systeme“ bereitstellen? Welche Menschen würden denn diese Sozialtechnik auf
welche Menschen anwenden? Ich vermute mal, dass Du lieber zu den Anwendern
gehören möchtest, nicht zu den Objekten. Aber mit welcher Begründung?
Was Du in meinen Augen de facto betreibst, ist eine theoretische Schule der
Verrohung und Entdifferenzierung. Abrazo zeigt ja sehr schön, mit welchen
Vernachlässigungen Deine zu „Erklärungen“ aufgemotzten Vermutungen erkauft sind,
wie viele feine Unterschiede, die im Umgang von Menschen mit Menschen wichtig
sind, Du unter den Tisch fallen lassen musst und – offenbar auch willst.
Schönen Gruß
Urs
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
26. Sept. 2005, 18:33 Uhr
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Hi Abrazo,
Du sagst, und das ist Dein wesentlicher Einwand: "ich nehme die
Hypothese der biologischen Erklärung an und schaue dann, wo Verhalten diesen
Erklärungen widerspricht. Das revidiert nicht alle biologischen Erklärungen, es
führt aber zu dem Schluss, dass es beim Menschen über die Biologie hinaus noch
andere Gründe für sein Verhalten gibt."
Theoretisch sehr schön, aber ich
habe den Eindruck, dass Du hier "biologische Erklärung" gleichsetzt mit
Determiniertheit und Freiheitsverlust.
Du solltest Dir einmal klar vor Augen
führen, wie die Natur (oder die Biologie) das Verhalten genetisch programmiert:
Es handelt sich nicht um eine Handlungsprogrammierung (also eine Festlegung
bestimmter eindeutiger Reaktionen auf einen Reiz), jedenfalls nicht heute beim
Menschen. Die Programme haben sich im Lauf der Evolution verändert, nämlich in
Richtung Zielprogrammierung.
Derartige zielorientierte Programme sind
übrigens einfacher und kürzer als handlungsdeterminierende Programme.
Das
Erreichen des biologisch gesetzten Ziels wird belohnt und dem Menschen die
Entscheidungsfreiheit darüber gegeben, wie er diese Ziele erreicht.
Im
Grunde hat der Mensch sogar im Extrem die Freiheit, auch auf die biologisch
vorgesehene Belohnung zu verzichten und gewinnt dadurch ein Optimum an Freiheit.
Deine Beobachtung, dass es beim Menschen über die Biologie hinaus noch
andere Gründe für sein Verhalten zu geben scheint, trifft also zu.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
26. Sept. 2005, 19:41 Uhr
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Hi, doc rudi,
die Frage ist doch, warum der Mensch auf eine von der
Biologie in Aussicht gestellte Belohnung verzichten kann, aus welchem Grund.
Übrigens habe ich nie etwas von exakter Programmierung durch die Biologie
gehalten (deswegen zweifle ich auch am Begriff Trieb). Dann wären nämlich die
Lebewesen kaum überlebensfähig, weil die Situationen, die sie zu bestehen haben,
zu vielfältig sind, als dass sie sie mit simplen Programmierungen bestehen
könnten.
Deswegen gehe ich davon aus, dass die Gefühle die biologischen
Steuerungsmechanismen sind. Dass die sogar miteinander konkurrieren können,
erkennt man z.B. am Katzbuckel. Und Gefühlserfahrungen gehen z.B. in die
Erinnerung ein - wie das bei Trieben funktionieren soll, ist mir schleierhaft.
Es gibt aber beim Menschen Empfindungen, die einfach nicht biologisch
erklärbar sind. Am deutlichsten wird das bei der Ästhetik (Musik, Dichtung,
Kunst).
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
26. Sept. 2005, 21:20 Uhr
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Hallo Abrazo,
Du sagst: "Übrigens habe ich nie etwas von exakter
Programmierung durch die Biologie gehalten (deswegen zweifle ich auch am Begriff
Trieb). Dann wären nämlich die Lebewesen kaum überlebensfähig, weil die
Situationen, die sie zu bestehen haben, zu vielfältig sind, als dass sie sie mit
simplen Programmierungen bestehen könnten."
Deine Zweifel sind zwar
begründet, aber Du hast immer noch eine falsche Vorstellung von
Zielprogrammierung. Zielprogrammierung ist eben nicht exakt, was Handlungen
betrifft. Die Handlung ist frei. Du kannst Dir den Geschlechtspartner frei nach
Schnauze aussuchen usw., aber das Ziel willst Du erreichen, hier den sexuellen
Orgasmus. Es handelt sich bei der Selbstentfaltung um Regelkreise mit positiver
Rückkopplung. Programmiert ist nur, dass es bei Reizung der Eichel zum Orgasmus
kommt. Der Orgasmus ist das Ziel, das Du anstrebst. Wie Du dahin kommst, ist
offen. Oder: Ziel ist das Überleben. Mit welchen Mitteln Du das erreichst, ist
offen, Deine Wahl. Bei Tieren: wer die erfolgreichen Mittel anwendet bei der
Tarnung vor dem Fressfeind, überlebt und vererbt die erfolgreichen Gene weiter.
Die Ziele sind: Überleben und Ausbreiten (Wachstum, Selbstentfaltung). Die
Programmierung besteht lediglich darin, das Erreichen der Ziele mit Lustgefühlen
(oder Befriedigung) zu belohnen.
Die Gefühle, die Du ansprichst, sind unser
Erleben von Sollwertabweichungen (Beispiel: Hunger bekommst Du bei der
Erniedrigung des Glucosespiegels unter den Sollwert.) Solche Gefühle spornen
Dich zu den entsprechenden Handlungen an. Da gibt es Konkurrenzen und auch
Synergien: eine Handlung kann gleichzeitig mehrere Istwerte in den
Sollwertbereich bringen. (was Gefühle für Musik anbetrifft, habe ich mal
gelesen, dass sogar Pflanzen auf gute Musik – Harmonien – reagieren, Hunde nicht
auch?)
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 27. Sept. 2005, 09:55 Uhr
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> Entscheidend ist der Erhalt der Gruppe und deren Wachstum, die Interessen des
Individuums müssen zurückstehen
Das Rudel wird nach meinen Beobachtungen bei
Hunden als persönliches Eigentum des Leitwolfes betrachtet.
.....
also wie beim homo catastrophicus !
dieser welt .......
aber für einen
homo sapiens ist das zu dumm
er braucht keinen aus er wählten zum aus sterben
und sich damit rühmen !
er braucht nur andere weise ...........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
27. Sept. 2005, 16:27 Uhr
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Hallo Abrazo,
Deine Reaktion auf meinen letzten Beitrag ist so, als hätte ich
zum Problem des nicht Konsenswilligen geschrieben: "Und willst Du nicht mein
Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein."
Ich sage doch
stattdessen: Wer sich angesichts von Konflikten nicht gewaltlos mittels
akzeptabler Argumente auf eine Regelung einigen will, der hat damit die Ebene
der Argumentation verlassen und der behält sich vor, ohne Rücksicht auf die
Interessen anderer zu handeln.
Was ist daran falsch?
Die
Beispiele, die Du bringst, betreffen gescheiterte Versuche, zu einem Konsens zu
kommen. Wenn bestimmte Fragen nicht beantwortet werden können, dann ist es ohne
weiteres möglich, dass der Dissens weiter besteht und dass mehrere Positionen
nebeneinander rational vertretbar bleiben.
Wenn trotzdem gehandelt und
eine praktische Entscheidung getroffen werden muss, dann verlässt man die Ebene
der Diskussion, die auf inhaltliche Richtigkeit ausgerichtet ist, und geht über
zu Verfahren der verbindlichen Setzung von Normen, also Abstimmungen, Befehlen
von Vorgesetzten, Entscheidungen von Schlichtern usw.
Analyse und
Bewertung derartiger Institutionen ist Gegenstand der politischen Philosophie
und der Rechtsphilosophie.
Die Aufgabe der Ethik ist es, genauer zu
klären, welche Art von Argumenten intersubjektiv nachvollziehbar und akzeptabel
ist und welche nicht. Denn Konsensunwilligkeit kann sich auch hinter
Scheinargumenten verstecken, die einen Konsens gerade verhindern.
Um ein
krasses Beispiel zu nennen: Wenn im Nahen Osten die Grenzverläufe regelt werden
sollen, dann kann es kein intersubjektiv nachvollziehbares Argument sein zu
sagen: „Dies Land ist uns von Gott versprochen worden, deshalb gehört es uns”,
wenn die Parteien unterschiedlichen Religionen angehören.
Die Wege und die
Hindernisse auf dem Wege zum argumentativen Konsens zu bestimmen halte ich für
eine wichtige und dringliche Aufgabe der Philosophie.
Mit diesem
programmatischen Satz sagt ‚tschüs’
Eberhard,
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
27. Sept. 2005, 21:30 Uhr
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Hi, Eberhard,
Die Aufgabe der Moralphilosophie ist erfüllt, wenn sie den
nicht Konsenswilligen als solchen identifiziert. Seine Bekämpfung kann nicht mit
Argumenten erfolgen sondern bedarf anderer Mittel.
Vielleicht ist es dir gar
nicht aufgefallen, weil es außerhalb deines Denkens ist. Aber die Konsequenz zu
ziehen, dass nicht Konsenswillige dann eben mit Gewalt 'zur Vernunft' hin
gezwungen werden müssen, ist heute sehr populär. Auch Popper z.B. vertritt sie.
Von daher sind deine Sätze tatsächlich missverständlich.
Weiter schreibst
du:
Die Aufgabe der Ethik ist es, genauer zu klären, welche Art von
Argumenten intersubjektiv nachvollziehbar und akzeptabel ist und welche nicht.
und
Die Wege und die Hindernisse auf dem Wege zum argumentativen Konsens
zu bestimmen halte ich für eine wichtige und dringliche Aufgabe der Philosophie.
und damit stimme ich dir vollkommen zu.
Aber du schreibst auch
Ich
sage doch stattdessen: Wer sich angesichts von Konflikten nicht gewaltlos
mittels akzeptabler Argumente auf eine Regelung einigen will, der hat damit die
Ebene der Argumentation verlassen und der behält sich vor, ohne Rücksicht auf
die Interessen anderer zu handeln.
Was ist daran falsch?
'Falsch'
daran ist 'mittels akzeptabler Argumente'. Damit wären wir nämlich auf den Wegen
und Hindernissen auf dem Wege zum argumentativen Konsens. Denn hängt nicht die
Akzeptanz eines Argumentes wesentlich davon ab, als was ich die Welt, den
Menschen und nicht zuletzt meinen Verhandlungspartner sehe? Ich hatte gesagt,
der ethische Willen richtet sich immer auf eine Situation. Und wenn diese
Situation von verschiedenen Menschen völlig anders gesehen wird?
Weiter
kommt es darauf an, welchen Zielen Priorität eingeräumt wird. Auch das kann sehr
unterschiedlich sein - ich erinnere an Reagans Satz: "Lieber tot als rot", der
in den USA, ich glaube sogar, bejubelt wurde, während bei uns die Leute
lautstark Protest brüllten.
Wie findet man einen argumentativen Konsens
mit Gläubigen von Ideologien? Schau, es ist z.B. unmöglich, missionsversessenen
Evangelikalen beizubringen, dass sie nicht alles dürfen. Die begreifen einfach
nicht, dass die Bewohner entschieden etwas dagegen haben, wenn sie auf dem
Marktplatz von Medina lautstark vom Christentum predigen und sie ne Tracht
Prügel oder schlimmeres kassieren. Ist vollkommen unmöglich, die kapieren das
nicht. Ich bin sogar mit dem Beispiel gekommen, wenn die vor meinem Balkon
anfangen würden zu predigen und trotz mehrfacher Mahnung nicht damit aufhören
würden, ich würd ihnen den Hund schicken. Nix zu machen, die betrachten so was
als Christenverfolgung. Das heißt, du musst nicht nur Konsenswilligkeit
voraussetzen, du musst auch Konsensfähigkeit voraussetzen. Und das scheint mir
sogar das größere Problem zu sein: Wat machste mit denen, die nicht konsensfähig
sind? Da fällt mir nämlich, muss ich sagen, zur Zeit gar nichts ein.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
27. Sept. 2005, 22:46 Uhr
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Hallo urs,
da Deine Frage nicht in den Kontext passt, habe ich Dir hier die
Frage, was meine Absicht ist, beantwortet:
http://www.philtalk.de/cgi-bin/YaBB.cgi?board=sozial;action=display;num=1083137042;start=150
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 28. Sept. 2005, 10:05 Uhr
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> Die Aufgabe der Ethik ist es, genauer zu klären, welche Art von Argumenten
intersubjektiv nachvollziehbar und akzeptabel ist und welche nicht. Denn
Konsensunwilligkeit kann sich auch hinter Scheinargumenten verstecken, die einen
Konsens gerade verhindern.
..... inter subjektivität hat weder
zwingend mit menschen würde
mit gerechtig keit
oder mit der wahr heit zu
tun !
das sieht mensch ja hier immer so jeden tag be wiesen ...
sondern mit den über ein künften eines macht rudels !
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
28. Sept. 2005, 23:20 Uhr
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Hi, doc rudi,
meinst du nicht, zumindest die Menschen aus unserem
Kulturkreis wären schon egozentrisch genug? Meinst du, das müsse man noch
fördern?
Meinst du nicht, es wäre mal angebracht, den Kopf zu heben um
festzustellen, dass nicht der eigene Bauchnabel die Mitte der Welt ist?
Wenn du gewisse Phänomene, wie durch Werbung provozierte Kaufwut, kritisierst -
ja, wie soll denn einer merken, dass er mit dem Produkt, das er kauft, nicht
sein Bedürfnis befriedigt, sondern das des Produzenten, wenn er nur sich und
seine eigenen Interessen im Blick hat? Je mehr Mensch zurückgeführt wird auf
sein 'einzigartiges individuelles Ich', desto dümmer wird er der Außenwelt
gegenüber.
Übrigens, Herr Hund hört außerordentlich gerne Hörspiele. Am
liebsten große Literatur. Aber irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass
er dafür andere Gründe hat als ich.
;-)
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
29. Sept. 2005, 00:39 Uhr
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Hallo Abrazo,
heute leider nur kurz. Es geht um die Wege zu einem Konsens
in moralischen Fragen. Du betonst zu Recht, dass eine übereinstimmende
moralische Beurteilung eine übereinstimmende Sicht des betreffenden Sachverhalts
voraussetzt.
Wahrscheinlich geht der überwiegende Teil des moralischen
Dissens auf das Konto von unterschiedlichen Annahmen über die Beschaffenheit der
Welt.
Deshalb sehe ich die Bemühungen um eine rationale Ethik in engem
Zusammenhang mit den Bemühungen um eine rationale Erkenntnis der Wirklichkeit.
In Bezug auf empirische Fragen nach dem, was ist, sind wir hinsichtlich
der Konsens stiftenden Methoden jedoch schon entschieden weiter als in Bezug auf
normative Fragen, nach dem, was sein soll. Hier müssen wir erst lernen,
konsequent nach der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit aller Argumente und
Behauptungen zu fragen.
Es gibt noch viel zu roden und noch mehr zu
pflanzen im Bereich der Philosophie,
meint Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 29. Sept. 2005, 10:47 Uhr
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...... vor allem die wahr heit sollten wir pflanzen !
nicht diese
roden !
ignorieren ?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
29. Sept. 2005, 11:04 Uhr
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Hallo,
@abrazo: wie kommst Du auf Egozentriker? Der Mensch soll unterscheiden
können zwischen seinen Interessen und den Interessen anderer (und denen von
Systemen höherer Ordnung: Interessen des Staats vor allem). Ich sehe dies als
Selbstbewusstsein an, nicht als Egozentrik.
Meine Rodungsarbeiten sind
übrigens zunächst mal abgeschlossen. Begriffe wie Bewusstsein, Subjekt u.a. habe
ich abgeschafft und neue Pflanzen gesetzt (z.B. System Mensch, Effektor,
Dominator, geistiger Raum u.a.) und nehme vor allem keine Wertungen vor.
Bestimmte Pflanzen habe ich auch stehen gelassen (Ich und Nicht-Ich,
Wahrnehmung, u.a.)
Man kann ja nicht nur hin und her grübeln, sondern muss
auch mal zu Entscheidungen kommen.
Was hast Du denn eigentlich abgerodet?
@Eberhard: Du sprichst von einer rationalen Erkenntnis der Wirklichkeit. Die
Wirklichkeit wird nach meiner Überzeugung nicht wie in einem guten Spiegel von
uns erkannt, sondern von jedem von uns aktiv konstruiert. Bereits unsere
Wahrnehmung ist eine Konstruktion, auf die wir gar keinen bewussten Einfluss
nehmen können.
Die Wahrheit sollten wir allerdings stehen lassen, da gebe ich
homo sapiens Recht. Nur: sie steht nicht irgendwo versteckt herum, sondern
sie ist ein Ziel, von dem wir nicht einmal wissen, wie es aussieht und wo es
ist.
Wie sollten wir sie da pflanzen?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 29. Sept. 2005, 11:47 Uhr
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> Der Mensch soll unterscheiden können zwischen seinen Interessen und den
Interessen anderer (und denen von Systemen höherer Ordnung: Interessen des
Staats vor allem). Ich sehe dies als Selbstbewusstsein an, nicht als Egozentrik.
..... es be deutet aber dumm heit !
weil wenn ich den staat
um bringe
die andern
was dann ?
und wenn mich die andern nicht
kümmern
was werden die wohl für mich dann tun ?
lang fristig .....
> Die Wahrheit sollten wir allerdings stehen lassen, da gebe ich
homo
sapiens Recht. Nur: sie steht nicht irgendwo versteckt herum, sondern sie ist
ein Ziel, von dem wir nicht einmal wissen, wie es aussieht und wo es ist.
Wie
sollten wir sie da pflanzen?
....... sie ist doch soooo er sicht
lich
ausser für einen blinden .........
der für gerade zu diesen >>
bösen staat <<
die subjekte gegen diesen auf stacheln will
damit sie
noch mehr auf ihn an ge wiesen
weil wer wird sich um sie kümmern
wenn sie soooo >> ich << be sessen ????
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
29. Sept. 2005, 13:22 Uhr
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Hallo homo sapiens,
wer will den bösen Staat umbringen?
Ich selbst treffe
gar keine Wertungen, für mich ist nichts böse oder gut, sondern verständlich
(oder sehr selten: unverständlich). Das System Staat ist als außenpolitisch
tätiges System (ein lebendes System handelt, auch der Staat) überflüssig. Das
betrifft z.B. Kriege. Diese Selbstentfaltung ist passe. Als Ordnungshüter nach
innen (das betrifft die Selbsterhaltung), und daher zum Interessenausgleich
zwischen den Individuen, also also als Steuern-Erheber und Steuern- Verteiler
(und Recht Sprecher und - Durchsetzer) ist dieses System höherer Ordnung
erforderlich und eine sinnvolle Einrichtung für das Zusammenleben von
Menschen-Massen.
Dieses Zusammenleben muss organisiert werden. Und dafür
braucht es Regeln und Institutionen, die die Einhaltung der Regeln von allen
überwachen.
Diese Regeln gibt es schon und Eberhard möchte diese anscheinend
einer Prüfung unterziehen. Sie könnten eventuell verbesserungsfähig sein. Zum
Teil sind sie auch gar nicht bewusst und nicht schriftlich fixiert.
So
verstehe ich das Ziel dieses threads, das aus meiner Sicht in der Überschrift
etwas ungünstig formuliert ist, aber Eberhard hat es ja erläutert.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
29. Sept. 2005, 18:10 Uhr
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Hallo doc rudi,
Du schreibst: „Ich selbst treffe gar keine Wertungen“.
Wenn ich Deine Beiträge durchsehe, dann stoße ich jedoch immer wieder auf
positive Stellungnahmen (dass etwas so sein, bleiben oder werden soll) oder
negative Stellungnahmen (dass etwas nicht so sein, bleiben oder werden soll).
Oder enthalten die folgenden Zitate von Dir keine Wertungen?
ZUM GLÜCK
sind Ehrenmorde auch bei uns strafbar.
Diese Droge wirkt jedoch, und
darüber SOLLTE sich der Konsument vorher informieren, auf die Hirnfunktion und
kann damit auch die Umsetzung von Willensentschlüssen in Handlung verändern.
Wieso VERGEUDET IHR ZEIT MIT UNSACHLICHKEIT anstatt Euch mit meinen
Argumenten auseinanderzusetzen?
Dass unsere Rechtsnormen die Spielregeln
unserer Gesellschaft sind, darauf hatte ich mit diesen Worten bereits
hingewiesen, und die gleiche Frage wie Du gestellt, nämlich WOZU WIR MORALISCHE
NORMEN NOCH BENÖTIGEN.
Meine Frage geht noch weiter und an Dich:
Wozu
benötigst Du noch einen ethischen Willen?
Beides ist VON DER GESCHICHTE
ÜBERHOLT.
Die moralischen Normen und die Ethik hatten eine bestimmte
Funktion für den Zusammenhalt eines lebenden Systems höherer Ordnung.
Diese
Funktion ist inzwischen von unseren Rechtsnormen übernommen worden.
Sie
NÜTZEN DEM FRIEDLICHEN ZUSAMMENLEBEN Der Menschen.
Ich EMPFEHLE
GEOkompakt Nr.4,
Der ethische Wille ist keine Realität. ES WÄRE SCHÖN,
wenn es ihn gäbe.
Die ursprünglich natürliche Verhaltensweise der
Einordnung in eine Gemeinschaft MUSS daher beim Menschen einerseits durch
Propaganda, andererseits durch normative Ethik und Strafrecht ÜNTERSTÜTZT
WERDEN.
Im Grunde hat der Mensch sogar im Extrem die Freiheit, auch auf
die biologisch vorgesehene Belohnung zu verzichten und gewinnt dadurch ein
OPTIMUM AN FREIHEIHEIT.
Als Steuern-Erheber und Steuern- Verteiler (und
Recht Sprecher und - Durchsetzer) ist dieses System höherer Ordnung (der Staat)
erforderlich und eine SINNVOLLE EINRICHTUNG für das Zusammenleben von
Menschen-Massen.
Dieses Zusammenleben MUSS organisiert werden. Und dafür
BRAUCHT ES Regeln und Institutionen, die die Einhaltung der Regeln von allen
überwachen.
Soweit die Zitate. Es scheint gar nicht so leicht zu sein,
ohne Wertungen auszukommen und keine Stellung zu nehmen.
Zu einem Wert
bekennst Du Dich übrigens sogar ausdrücklich, wenn Du schreibst:
„Die
Wahrheit sollten wir allerdings stehen lassen, … Nur: sie steht nicht irgendwo
versteckt herum, sondern sie ist ein Ziel.“
Ohne die Orientierung an
diesem Ziel wüsste ich auch nicht, warum wir hier diskutieren sollten.
Es
grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
29. Sept. 2005, 18:42 Uhr
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Hallo Eberhard,
der Ausgangspunkt meiner Philosophie besteht darin, die
Bewegungen lebender Systeme wertungsfrei zu betrachten.
Aus der Philosophie
heraus ergeben sich dann selbstverständlich Voraussagen und Wertungen dazu, was
die Entwicklung fördert und was sie hemmt.
Außerdem erlaube ich mir
selbstverständlich gelegentlich auch, meine Gefühle und Gedanken unzensiert zu
äußern.
Meine Stellungnahmen sind dadurch nicht stringent.
Regeln und
Gesetze zu finden, ist die eine Sache.
Sie zu brechen oder wieder in Frage zu
stellen, die andere.
Vorsätze zu haben und sie nicht einzuhalten - scheint
mir menschlich, und ich bin nun einmal Mensch.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
29. Sept. 2005, 20:35 Uhr
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Hi, Eberhard,
dass ich jemandem hundertprozentig zustimmen kann, ist so
selten, dass es für mich immer ein ehrlicher Grund zur Freude ist.
[bounce]
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
29. Sept. 2005, 20:43 Uhr
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Hi, doc rudi,
Begriffe wie Bewusstsein, Subjekt u.a. habe ich abgeschafft
und neue Pflanzen gesetzt (z.B. System Mensch, Effektor, Dominator, geistiger
Raum u.a.) und nehme vor allem keine Wertungen vor.
Und du meinst, man löst
ein Problem dadurch, dass man Begriffe abschafft?
[grin]
Hast du dir auch
mal überlegt, wen es interessieren sollte, dass du diese Begriffe deiner Ansicht
nach abgeschafft hast?
Regeln und Gesetze zu finden, ist die eine Sache.
Sie zu brechen oder wieder in Frage zu stellen, die andere.
Damit
bewegst du dich ausschließlich im Bereich von Normierungen, Soll-Vorschriften,
und das setzt Wertungen voraus.
Du wertest also. Aber warum sollte irgend
einer deiner Wertung folgen, wo du sie doch nie begründest?
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
29. Sept. 2005, 22:27 Uhr
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Hallo doc rudi,
das Problem bei Deinem Ansatz sehe ich darin, dass Du
entgegen Deinen erklärten Absichten wertende Konsequenzen aus Deiner in
systemtheoretischen Begriffen formulierten Weltsicht ziehst, ohne dass diese
Wertungen als solche kenntlich gemacht werden. Man nennt dies den
„naturalistischen Fehlschluss“ (naturalistic fallacy), weil die Normen aus der
Natur der Sache zu folgen scheinen.
Bei Dir geschieht dieser heimliche
Übergang von der Beschreibung und Erklärung dessen, was ist, zu wertenden
Stellungnahmen (dass das was ist, auch so sein soll oder nicht so sein soll)
durch die positiv-normative Doppeldeutigkeit von Begriffen wie „Ziel“,
„Entwicklung“, „Selbstentfaltung“, „(System-)Erfordernis“, „notwendige
Funktion“, „höhere Ordnung“ und ähnlichem.
„Das System Staat ist als
außenpolitisch tätiges System (ein lebendes System handelt, auch der Staat)
überflüssig. Das betrifft z.B. Kriege. Diese Selbstentfaltung ist passe. Als
Ordnungshüter nach innen (das betrifft die Selbsterhaltung), und daher zum
Interessenausgleich zwischen den Individuen, also als Steuern-Erheber und
Steuern- Verteiler (und Recht Sprecher und - Durchsetzer) ist dieses System
höherer Ordnung erforderlich und eine sinnvolle Einrichtung für das
Zusammenleben von Menschen-Massen.
Dieses Zusammenleben muss organisiert
werden. Und dafür braucht es Regeln und Institutionen, die die Einhaltung der
Regeln von allen überwachen. Diese Regeln gibt es schon.“
Das Problem ist
also nicht das allzumenschliche gelegentliche Verstoßen gegen selbst gesetzte
methodische Regeln, sondern eine systematische Schwäche der Theorie. Denn:
Welche Phänomene kannst Du mit Deiner Theorie erklären, die andere Theorien
nicht erklären können? Wo ist die empirische Forschung und die Überprüfung von
Gesetzeshypothesen bzw. empirischen Regelmäßigkeiten oder Zusammenhängen?
Was kann z.B. Deine Theorie höherer Systeme über die Gründe für das
Zusammenbrechen des Systems „Deutsches Reich“, das Entstehen der Systeme
„Bundesrepublik Deutschland“ und „Deutsche Demokratische Republik“ und den
Untergang des letzteren Systems sagen?
Ich habe den Eindruck, dass Deine
Beschreibung der Welt in systemtheoretischer Terminologie - ohne dass Du Dir
dessen bewusst bist - eher anderen Zwecken dient als der Erklärung von Fakten.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
29. Sept. 2005, 23:09 Uhr
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ja welchen Zwecken soll sie denn dienen, außer, die beobachtbaren Tatsachen
besser beschreiben und einfacher begründen zu können - die Frage nach dem Warum
zu beantworten?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
29. Sept. 2005, 23:14 Uhr
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Aber du begründest doch gar nicht!
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
01. Okt. 2005, 08:37 Uhr
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Hallo,
ein bisschen viel auf einmal.
Auf Eberhards Fragen muss ich in
Ruhe antworten und bitte um etwas Geduld. Die Geschichte Deutschlans ist sehr
interessant und hat mich überhaupt mit dazu gebracht, zwischen lebenden Systemen
der Ordnungshöhe Individuum und lebenden Systemen höherer Ordnung zu
unterscheiden. Das Kapitel "Die Geschichte Deutschlands" habe ich allerdings aus
meinem ersten Buch gestrichen, um Missverständnisse zu vermeiden. Auf die stoße
ich alerdings dennoch laufend.
Abrazo fragt: "Und du meinst, man löst ein
Problem dadurch, dass man Begriffe abschafft?"
Die Begriffe, mit denen
Philosophie derzeit immer noch hantiert: Subjekt, Bewusstsein usw. resultieren
aus einer überholten Weltsicht.
Die Welt ist nicht aus kleinsten Bausteinen
(Atomen) zusammengesetzt, und auch nicht aus mehreren Substanzen, deren
Mischungsverhältnis die Objekte ergibt,
sondern:
die Welt besteht aus
Systemen.
Es gibt Nicht-lebende und Lebende Systeme. Und die Systeme sind
ineinander verschachtelt (größere sind aus kleineren zusammengesetzt, Lebende
sind aus Nicht-lebenden zusammengesetzt).
Systeme Verhalten sich entsprechend
bestimmten Regeln (Gesetzen).
Ein weiterer wichtiger Begriff ist: Daten.
Die Frage ist doch, mit welchen Begriffen die Welt einfacher beschreibbar ist.
Die Abschaffung der alten Begriffe ergibt sich aus der neuen Weltsicht.
Damit sind naürlich nicht alle Probleme beseitigt,
sondern:
es ergeben
sich ganz neue Probleme und Fragestellungen.
Schönes Wochenende (vielleicht
komme ich mal zum Nachdenken)
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
01. Okt. 2005, 09:32 Uhr
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Hi, doc rudi,
ob du von Atomen sprichst oder von Systemen, bleibt sich
völlig gleich. In jedem Falle sprichst du von an sich existierenden Dingen. Und
wenn du von Gesetzmäßigkeiten sprichst, stellt sich die Frage, woher die denn
kommen. Wissen ist Wissen aus den Ursachen, sagte schon der olle Aristoteles,
die Philosophie ist da also sehr gründlich. Wenn du z.B. von Gesetzen sprichst,
wird ein Philosoph dich früher oder später fragen, wat meinste eigentlich mit
Gesetz?
Übrigens, so neu ist diese Sicht nicht. Schau dir mal die Sprache
an. Wir reden nicht von vielen Bäumen, wir reden von Wald. Nicht von paar
Häusern nebeneinander, sondern von einem Dorf. Nicht von einer Gruppe Wölfe,
sondern von einem Rudel. Es für solche Einheiten sehr alte Wörter, das heißt,
sie wurden schon immer als System gesehen.
Die Frage, aus welchen
Einzeleinheiten bestehen solche Systeme und wie bilden sie ein System, sprich,
wie funktioniert so ein System, ist eine Frage, mit der sich die Makrosoziologie
befasst.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am 01. Okt. 2005, 10:15 Uhr
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> Hallo homo sapiens,
wer will den bösen Staat umbringen?
.....
wer redet denn von um bringen !
rudi und alle > selbst be wußten <
die
alle samt ohne ge samt be wußt sein !
haben doch die ganze welt schon um
ge bracht !
sonst würde doch keine partei von arbeit schaffen reden ?
von
> menschen würdigen < staat lich lizenzierten wölfen !
von konsum ge sell
schafft !
von aus sterbe qualität !
sonst würde doch ein ge samt be
wußter
etwas freudiges finden irgend wo
an diesen selbst be wußten aus
sterbenden
lange weilern !
die noch nicht ein mal eine inteligente
diskusion führen können !
ge schweige denn die daraus folgenden lösungen um
setzen .....
hättet ihr etwas an zu bieten
dann könntet ihr doch mit
andern reden ......
nicht nur den massen wahn sinn propagieren !
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
01. Okt. 2005, 16:32 Uhr
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Hallo Abrazo,
zum Ethischen Willen, der nach Deiner Ansicht in jedem
Menschen existiert.
Kann man daraus allgemeingültige Regeln des Umgangs
miteinander gewinnen?
Vieles spricht dafür, dass ethische Einstellungen
stark kulturabhängig sind.
Wenn man Schamgefühle zum ethischen Willen
rechnet (nach Nietzsche unterscheidet das den Menschen von den andern Tieren:
Der Mensch ist das Tier, das sich schämt), so zeigen sich in Bezug auf die
Verhüllung des Körpers große Unterschiede, z.B. bei der weiblichen Brust.
Wenn der vorhandene Ethische Wille das Fundament ist, dann kann die
Moralphilosophie eigentlich nur die Sachverhalte klären und die dazu vorhandenen
ethischen Intuitionen registrieren und systematisieren.
Allerdings
stellen die - unbestritten vorhandenen - moralischen Gefühle für Positionen, die
Normen aus einer Abwägung der beteiligten Interessen gewinnen wollen, eine
Schwierigkeit dar. Denn niemand kann über seinen Schatten springen: Wer prüde
erzogen wurde, ist davon lebenslang geprägt, selbst wenn er seine Schamgefühle
und Hemmungen bei vernünftiger Betrachtung als unbegründet ansieht.
Es
grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
02. Okt. 2005, 08:23 Uhr
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Hallo abrazo,
Du fragst, was ich mit Gesetz meine.
Mit Gesetz meine ich
das, was Naturwissenschaftler darunter verstehen. Bezogen auf den Menschen sind
es die Ursachen (Antriebe) des Verhaltens. Die lassen sich beim Menschen
natürlich schlecht mathematisch formulieren. Im Unterschied zu den Nichtlebenden
Systemen bestimmen diese Gesetze das Ziel des Handelns und lassen den Weg offen.
Bei materiellen Objekten ist die Bewegungsbahn berechenbar, bei Lebenden
Systemen nur das Ziel.
Der Mensch in einer organisierten Masse (einem Staat
z.B.) verhält sich nun nicht nur im Sinne seiner individuellen Ziele, sondern im
Sinne der Ziele der Gruppe, des Staates (also des Systems höherer Ordnung).
Da sind wir bei der sogenannten Ethik.
Und das Ziel der Selbsterhaltung der
Gruppe ist der individuellen Selbsterhaltung übergeordnet. Ursprünglich,
natür-lich.
Deshalb verhält sich das Individuum angepasst, ordnet sich ein,
bekommt Kinder (für den Staat) opfert sich im Krieg für den Staat. Im Interesse
der Gemeinschaft kümmert sich das Individuum um Schwache.
Dieses (ethische)
Verhalten wird durch bestimmte Befriedigungsgefühle gesteuert, die genetisch
angelegt sind, für soziales Verhalten wird das Individuum gelobt (narzisstische
Befriedigung). Also: wenn Du die Ziele der Gemeinschaft verfolgst (friedliches
Zusammeleben) bist Du ein Guter. Diese Verhaltensziele sind im Über-Ich
verankert. Dieses Über-Ich bestraft Dich nicht nur, wenn Du gegen die Ziele der
Gemeinschaft verstößt ("schlechtes Gewissen"), sondern es lobt Dich auch, wenn
Du sie einhältst (Du darfst Dich gut fühlen).
Objektiv besteht daher konkret
in vielen Situationen ein Interessengegensatz zwischen den individuellen
Interessen und den Interessen der Gemeinschaft (wenn Du einen Euro in der Tasche
hast, kannst Du Dir ein Eis kaufen oder diesen einem Bettler geben, damit der
nicht Klauen geht). Und in diesem Interessenskonflikt entscheiden sich die
Individuen der westlichen Kultur mehr und mehr für ihre Eigeninteressen und
gegen das Gemeinschaftsinteresse. Zum Beispiel nimmt die Geburtenrate ab, denn
Kinderkriegen ist Gemeinschaftsinteresse.
Das muss im Einzelfall aber jedem
Individuum überlassen bleiben.
Da jedoch die Überbewertung des Eigennutzes
gefährlich für die Existenz (die Selbsterhaltung) der Gemeinschaft ist, erhebt
der Staat Steuern und sorgt damit für einen Interessenausgleich.
Er erspart
damit den besitzenden Individuen einen Interessenkonflikt.
Nun zu
Eberhards Frage zur Deutschen Geschichte, natürlich ganz kurz, da es eigentlich
nicht zum Thema gehört:
Das Deutsche Reich ist 1871 gegründet worden.
Vorher gab es kleinere Staaten. Kant war beispielsweise Preuße – und er dachte
preußisch. Fichte, unser Ich-Philosoph, dachte bereits deutsch und legte damit
einen Identifikationskern. Die Identifikation der Individuen mit bestimmten
Ideen, die das System höherer Ordnung charakterisieren, ist für die
Selbsterhaltung so eines Systems höherer Ordnung wichtig.
Ein lebendes System
ist durch seine Begrenzung definiert. Lebende Systeme haben eine offene Grenze,
sie leben im Austausch mit ihrer Umwelt bzw. anderen Systemen (höherer Ordnung).
So auch das Deutsche Reich. Lebende Systeme haben eine Vergrößerungstendenz, sie
wachsen, haben – zunächst – ein Bevölkerungswachstum (Selbstentfaltung).
So
auch das Deutsche Reich.
Wachstumsprozesse werden durch Regelkreise mit
positiver Rückkopplung gesteuert, das erwünschte Verhalten wird belohnt. Dadurch
wachsen sie ständig weiter, ein lebendes System höherer Ordnung wächst so lange
weiter, bis es sich über die gesamte Erdoberfläche ausgebreitet hat. Das
Wachstum wird nur dadurch begrenzt, dass auch andere lebende Systeme existieren,
die zu ihrem Wachstum den gleichen Raumbenötigen. Deshalb sind Kriege durch
dieses Wachstumsgesetz vorprogrammiert. Die physikalischen Grenzen der Staaten
bestimmen sich dann aufgrund der Wachstumsstärke der verschiedenen Staaten.
So auch in Mitteleuropa. Deutschland wurde also durch den Gegendruck der
Nachbarstaaten wieder verkleinert und geteilt. Wie im zwischenmenschlichen
Bereich bilden sich auch auf der Ebene der Staaten Koalitionen, Blöcke. Die
beiden Teile Deutschlands wurden jeweils als Koalitionspartner benötigt, dadurch
haben sie überlebt.
Ein System Staat benötigt zum Wachstum Energie (=Geld).
Westdeutschland wurde finanziell unterstützt und wuchs (Wachstum zeigt sich in
der Zunahme der Bevölkerungszahl und im Wirtschaftswachstum), Ostdeutschland
wurde seine Wachstumskraft (Geld, Maschinen) entzogen, konnte dadurch nur
langsam wachsen. Hinzu kommt hier noch ein besonderer Punkt: lebende Systeme
sind offen, die DDR hat sich jedoch abgeschottet, gegenüber dem Westen
verschlossen. Ein System, das seine Grenzen undurchlässig macht, stirbt jedoch.
Es erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen eines lebenden, also begrenzten und
offenen Systems.
So ganz kurz und einfach die Erklärung des Verhaltens
Deutschlands.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von gestell am
02. Okt. 2005, 10:40 Uhr
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on 10/02/05 um 08:23:17, doc_rudi wrote:Da sind wir bei der sogenannten
Ethik. / Nun zu Eberhards Frage zur Deutschen Geschichte,...
Ganz schön abgeklärt. Sehe beide Punkte ziemlich ähnlich. Ist nicht die Moral
das Unleidigste überhaupt, sofern sie nicht von mir selbst stammt?
gestell [grin]
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am
02. Okt. 2005, 15:47 Uhr
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Hallo doc rudi,
Du schreibst:
Dir geht es nicht um die
Beantwortung ethischer Fragen, wie Menschen handeln sollen, sondern Du willst
mit Deiner Theorie ohne eigene Wertung erklären, warum die ethischen Normen so
beschaffen sind, wie sie sind.
Dazu schreibst Du:
"Der Mensch in
einer organisierten Masse (einem Staat z.B.) verhält sich nun nicht nur im Sinne
seiner individuellen Ziele, sondern im Sinne der Ziele der Gruppe, des Staates
(also des Systems höherer Ordnung). Da sind wir bei der sogenannten Ethik.
Und das Ziel der Selbsterhaltung der Gruppe ist der individuellen
Selbsterhaltung übergeordnet. … Deshalb verhält sich das Individuum angepasst,
ordnet sich ein, bekommt Kinder (für den Staat) opfert sich im Krieg für den
Staat. Im Interesse der Gemeinschaft kümmert sich das Individuum um Schwache."
Was trägt das zu unserer Fragestellung bei? Ist es nun im Interesse des
Staates, den Süchtigen verkommen zu lassen oder ist es im Interesse des Staates,
dass irgendjemand das Recht zum Eingreifen erhält?
Wie verträgt sich die
Reduzierung des ethischen Handelns auf die Staatsräson mit der Tatsache, dass
für Menschen in anderen Erdteilen Geld gespendet wird?
fragt Dich
Eberhard?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
02. Okt. 2005, 17:27 Uhr
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Hallo Eberhard
Deine 1. Frage: "Ist es nun im Interesse des Staates, den
Süchtigen verkommen zu lassen oder ist es im Interesse des Staates, dass
irgendjemand das Recht zum Eingreifen erhält?
Antwort: Es ist eindeutig im
Interesse der Gemeinschaft, Süchtigen zu helfen, vom Suchtmittel wegzukommen,
notfalls sogar ohne oder gegen ihren Willen. Deshalb sind die entsprechenden
Gesetze vom Volk geschaffen worden (Entmündigung, Zwangseinweisung in
geschlossene Kliniken).
Biologische (ethische) Gründe: die genetisch
gespeicherten Verhaltensprogramme dieser Menschen sind genauso wertvoll wie die
jedes anderen Menschen, deshalb haben sie das gleiche Recht auf Vermehrung.
Zweitens können sie nach Wiederherstellung ihrer Leistungsfähigkeit wertvolle
Arbeit für die Gemeinschaft leisten.
Deine 2. Frage: "Wie verträgt sich die
Reduzierung des ethischen Handelns auf die Staatsräson mit der Tatsache, dass
für Menschen in anderen Erdteilen Geld gespendet wird?
Antwort: Gar nicht.
Die Spenden für Menschen in anderen Erdteilen ist gar keine Handlung des Systems
höherer Ordnung (also keine Handlung des System Staat), sondern das Handeln von
Individuen (von Systemen Mensch).
@abrazo
Du sagst: "ob du von Atomen
sprichst oder von Systemen, bleibt sich völlig gleich. In jedem Falle sprichst
du von an sich existierenden Dingen."
Sehr richtig, da sind wir uns einig.
Ich treffe lediglich eine andere Einteilung der Phänomene, die wir beide gleich
beobachten. Nur ist das nicht egal, wie man die Dinge einteilt. Übrigens ist ein
tatsächliches Atom (nicht die Idee des Atoms) auch ein System, nämlich ein
Nichtlebendes, das aus Elektronen, Protonen und Neutronen besteht. Tatsächlich
gibt es nämlich kein kleinstes Teilchen. Die Größe des sogenannten kleinsten
Teilchens ist lediglich durch die Feinheit unserer Messinstrumente definiert und
wird sich immer wieder als ein System entpuppen, das aus noch kleineren Teilen
besteht.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
02. Okt. 2005, 22:36 Uhr
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Hi, doc rudi,
nun halte ich aber die atomistische Sicht für falsch und
bin der Ansicht, dass es keine Dinge an sich gibt.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am
02. Okt. 2005, 23:08 Uhr
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da haben wir allerdings einen Dissens.
ich denke wie Kant, dass es Dinge
objektiv gibt, dass wir sie nur an sich nicht erkennen können.
Allerdings
sind wir selbst ebenfalls ein solches Ding und wissen daher ohne Wahrnehmung,
was wir jeweils an sich sind.
Aber: welche Sicht ist denn Deines Erachtens
wahr, wenn es kein Ding an sich gibt?
Dann existiert doch außer Dir nichts.
Was soll dann ein ethischer Wille?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
02. Okt. 2005, 23:36 Uhr
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Hi, doc rudi,
das könnte ich im Thread von Urs erläutern. Allerdings
erweist es sich schon als Problem, allein die Basis verständlich zu machen.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am
Vorgestern, 00:30 Uhr
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Hi, Eberhard,
Zunächst die Frage: was ist mit Scham überhaupt gemeint?
Man spricht von einem, der schamlos lügt. Sich in schamverletzender Weise zu
zeigen ist ein juristischer Terminus (verletzt wird dabei der, der das sieht).
Als die Scham werden auch primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale bezeichnet.
"Schämst du dich nicht" sagt man zu einem, der sich rüpelhaft benimmt.
Ich denke man kann sagen, eigene Scham soll unehrenhaftes Verhalten verhindern.
Ich denke auch, dass Nietzsche eher das gemeint hat. In dieser Hinsicht wäre
Scham dem Bereich Ethik zuzuschlagen.
Widersprechen tut dem allerdings
die 'schamverletzende Weise'. Denn warum sollte ich mich verletzt fühlen, nicht
von den Folgen der Tat, sondern von der Tat selbst, wenn ein anderer sich
unehrenhaft benimmt? Diese Formulierung würde ich eher dem Bereich Moral
zuschlagen. Denn sie betrifft die Übertretung einer moralischen Norm:
insbesondere nicht vor anderen zu masturbieren.
Du sprichst davon, dass
man körperliche Scham anerziehen kann. Aber wäre das die Anerziehung eines
ethischen Willens oder die Anerziehung einer moralischen Norm? Ich denke, einer
moralischen Norm.
Man kann Scham übrigens auch aberziehen. Am brutalsten
dadurch, dass man einen Menschen zerbricht, wie es Zuhälter traditionell mit
ihren Opfern machen. Für das Vorhandensein einer angeborenen Scham spricht
übrigens, dass das nicht vorhanden sein der Scham ein psychisches
Krankheitssymptom ist (wobei ich mich frage, ob das gewordene nicht vorhanden
sein der Scham in einer Gesellschaft nicht auch eine Art Krankheitssymptom ist).
So einfach ist das also nicht. Wir haben ein Wort, das in unterschiedlichen
Kontexten gebraucht wird. Auch in ethischem, aber offenbar auch in anderen. Ich
nehme an, es gibt sogar eine biologisch programmierte Scham. Viele Hündinnen
z.B. reagieren ausgesprochen ungehalten, wenn Rüden sich außerhalb der
Läufigkeit an ihrem Hinterteil zu schaffen machen - beim Menschen würde man das
Scham nennen.
Aus diesem ganzen Gebrauchsgewirr müsste man erst einmal
das isolieren, was Scham im ethischen Sinne genannt werden kann. Einen Tipp zum
Thema körperliche Scham gibt übrigens der Koran. In dem - außer für die Frauen
Mohammeds - definitiv kein Verschleierungsgebot steht. Dafür ein anderes Gebot:
Frauen sollen sich in Kleidung und Benehmen nicht so verhalten, dass man sie für
Prostituierte hält. Das würde zu einer ethischen Frage führen: ist es in
Ordnung, wenn ich meinen Körper, im Grunde mich selbst, anderen als Ware zum
Gebrauch verkaufe? Oder will ich das nicht?
Wenn wir dies als ethische
Frage akzeptieren, ist klar, dass die Kleidung eine kulturelle Frage ist. Dann
wäre erst einmal zu untersuchen, ob in Kulturen, in denen so gut wie keine
Kleidung getragen wird, auch die Prostitution kein Problem ist (was ich
bezweifle), und ob nicht auch dort ein Verhalten, das als Prostitutionsangebot
gilt, als unmoralisch abgelehnt wird.
Die Moralen sind ja kulturell
höchst unterschiedlich. Und sie werden auch unterschiedlich bleiben, wenn man
die Kulturen nicht zerstört. Liegt diesen unterschiedlichen Moralen nicht
dennoch eine gleiche Ethik zugrunde?
Zum zweiten denke ich nicht, dass
die Ethik die Moralphilosophie abschaffen würde. Denn dazu sind die moralischen
Fragen in aller Regel zu kompliziert. Ich denke, es verhält sich wie mit der
Mathematik. Hat man das Grundprinzip der Zahlen begriffen, kann man noch lange
nicht die Statik einer Brücke berechnen. Gut, Spezialisten können das. Aber die
Mehrheit der Menschen eben nicht. Die haben schon Schwierigkeiten, die
Quadratmeter ihrer Wohnung zu berechnen, wenn sie die erlernte Formel vergessen
haben.
Deswegen ist für mich die wichtigste Frage, auf was man eine
Moralphilosophie stützen will. Auf die gemeinsamen Interessen, wie die
Kommunisten? Oder auf die Biologie, wie z.B. Nationalsozialisten? Ich denke,
stützen kann man sie nur auf das, was gerade diesen Moralen vehement
widersprach: auf den ethischen Willen.
Wie schwierig es tatsächlich ist,
herauszufiltern, wo und wann bei Verhaltensnormen Ethik überhaupt betroffen ist,
sehen wir ja am Beispiel Scham.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens
am Gestern, 10:08 Uhr
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..... daß die meute dieses landes
sich immer nur zu neuen blamagen
zu sammmen schließt .....
und jeden menschen > ver gast <
damit sie un
ge stört dies auch tun !
weis ja ein jeder auf dieser welt
seit
spätestens 60 jahren !
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