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Darf 
man sich selbst zugrunde richten? II 
PhilTalk Philosophieforen  
Praktische Philosophie >> Ethik >> Darf man sich selbst zugrunde richten? II 
(Thema begonnen von: Eberhard am 14. Sept. 2005, 10:11 Uhr) 
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Titel: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 14. 
Sept. 2005, 10:11 Uhr 
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Hallo allerseits und herzlich willkommen zur Fortsetzung unserer Diskussion über 
ethische Fragen der Sucht.
Eine weiterhin produktive und sachliche 
Diskussion 
wünscht sich Eberhard. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
14. Sept. 2005, 14:17 Uhr 
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Hallo Vordenker,
ja für mich ist es auch bequemer, wenn wir eine 2. Runde 
beginnen.
Deine Positionen: 
Position1: 
Ein Mensch darf 
sich nicht selber zerstören ... Man darf und soll ihn daran hindern, notfalls 
durch zeitlich begrenzten Zwangsentzug. 
In der Begründung lassen sich 
zwei Positionen unterscheiden: 
Position 1a: 
Diese Antwort ist 
Ausdruck des ethischen Wollens, das in mir (und auch in anderen?) ist. 
Position 1b: 
Zwangsentzug ist auch gegenüber dem Süchtigen zu 
rechtfertigen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der ehemals Süchtige 
nach der Überwindung der Sucht dem Zwangsentzug nachträglich selber zustimmen 
wird. 
Position 2: 
Erwachsene Menschen sollten in ihrer 
Selbstbestimmung niemals eingeschränkt werden, auch wenn sie sich selber 
zerstören. Voraussetzung ist jedoch, dass sie dadurch anderen nicht zur Last 
fallen. Sie haben deshalb keinen Anspruch auf Hilfe, es sei denn, diese Hilfe 
wird von den Süchtigen über eine Drogensteuer selber getragen. 
Position 
3: 
Wenn Menschen sich selbst zerstören, dann sind sie psychisch krank 
und brauchen eine Behandlung. Eine Zwangsbehandlung ist ein unzulässiger 
Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung. In jedem Fall haben die Süchtigen 
einen uneingeschränkten Anspruch auf Hilfe. 
Mein Kommentar: 
Zu 
Position 1a + b: Ob "ethisches Wollen" oder die Erwartung einer nachträglichen 
Rechtfertigung: Es besteht kein Zweifel, dass hier in die Freiheit des 
"Selbstzerstörers" eingegriffen wird. Es handelt sich also um eine 
De-facto-Entmündigung. Wenn ein ordentliches Gericht zur Erkenntnis kommt, dass 
§ 6 BGB vorliegt, stimme ich zu, sonst nicht. 
Position 2 ist mir 
sympathischer, Position 3 sehe ich lediglich als eine Variante von Position 1 
an. 
Gruß HP (Nachdenker [cheesy]) 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
14. Sept. 2005, 22:40 Uhr 
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Hi,
Position 2 ist mir, so, wie sie zur Zeit vertreten wird, zu 
oberflächlich. Alle Moralen haben sich auf ein abstraktes Tötungsverbot 
geeinigt. Na und? Die Frage ist doch, warum! Denn wenn es dafür keinen Grund 
gibt, kann man das auch wieder ändern. 
Die Nazis haben das geändert. 
Ihrer Auffassung nach waren Juden Antimenschen, sie systematisch zu ermorden 
eine gute Tat zum Wohle des Überlebens der wirklichen Menschheit. Die Ermordung 
der Juden und die Unterjochung der Nicht-Arier galt ihnen als Voraussetzung für 
die Entwicklung des natur/gottgewollten höheren Menschentums. Geht also.
Eine weitere Alternative finden wir im Tierreich. Nicht nur bei den Löwen, 
sondern auch bei etlichen anderen Rudeltieren (und Menschen sind Rudeltiere) ist 
es üblich und normal, dass, wenn ein neuer Chef das Rudel erobert, erst mal der 
gesamte noch nicht selbständige Nachwuchs des alten besiegten Chefs getötet 
wird. Durchaus sinnvoll: die Weiber kümmern sich danach ausschließlich um den 
Nachwuchs, der vom neuen Chef stammt. Was spricht aus Vernunftsgründen dagegen, 
das beim Menschen genau so zu handhaben (ich habs gesagt, man muss die Medusa 
ins Auge fassen, sonst schafft man solche Probleme nicht)?
Also: warum 
lehnen Menschen dieses natürliche und sinnvolle Verfahren ab?
Ethik 
verhält sich zur Moral wie Ästhetik zu ArtDesign. Auch die 
Verständnisproblematik ist die gleiche. Ein Ästhetiker hat keine Probleme damit, 
ArtDesign zu verstehen. Aber versuche mal einem ArtDesigner zu erklären, was 
Ästhetik ist! Der wird dich im Zweifelsfalle gar nicht verstehen, denn er ist 
der Auffassung, Ästhetik, das seien die Regeln, die man ihm beim 
ArtDesign-Studium beigebracht hat. Warum diese Regeln? Achselzucken. Die sind 
eben da. 
Philosophisch ist das nicht.
Zwangsentzug ist auch gegenüber 
dem Süchtigen zu rechtfertigen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der 
ehemals Süchtige nach der Überwindung der Sucht dem Zwangsentzug nachträglich 
selber zustimmen wird. 
Setzt du, Eberhard, damit nicht voraus, dass der 
Süchtige dem Zwangsentzug nachträglich zustimmen wird? (Er wird übrigens. Ich 
habe keinen Langzeitabhängigen kennen gelernt, der nicht lieber nicht-abhängig 
gewesen wäre. Sie betrachteten die Abhängigkeit entweder als persönliches 
Schicksal oder als eine Art Strafe für ihre Fahrlässigkeit, damit angefangen zu 
haben.) Warum setzt du das voraus? Ist es nicht so, dass es für dich außerhalb 
der Vorstellung ist, dass man sich sinnlos zerstören wollen kann?
Ich 
habe schon mal angedeutet, das Argument der Freiheit halte ich für ideologisch. 
Und zwar aus dem schlichten Grund, weil ein Toter von seiner Freiheit nix mehr 
hat. Freiheit ist ausschließlich eine Angelegenheit für lebendige Leute. Das 
Beharren auf dem Argument Freiheit denkt im Grunde den Toten genau so lebendig, 
wie Augustinus die Seele des gefolterten Ketzers über seinen Feuertod hinaus 
lebendig dachte.
Meines Wissens können nur Menschen bewusst Selbstmord 
begehen. Sie können eben sogar über ihr Leben hinaus denken. Was sie dabei 
übersehen ist, dass sie nach dem Selbstmord eben tot sind. Is nix mit Ruhe und 
ewiger Schlaf. Denn wer schläft, lebt noch. Oder: theoretisch wird der treulose 
Liebhaber sich ungeheuerliche Vorwürfe machen. Praktisch kann man das nicht mehr 
genießen.
Sie haben deshalb keinen Anspruch auf Hilfe, es sei denn, diese 
Hilfe wird von den Süchtigen über eine Drogensteuer selber getragen. 
Kategorisches Nein. Der Anspruch, den ein Süchtiger zu haben meint oder auch, 
wat dat kost', ist für mich als Mensch völlig irrelevant, wenn es um die 
Zerstörung menschlichen Lebens geht, auch wenn der Betroffene das selbst 
bewerkstelligt. Denn es geht allgemein um die Zerstörung menschlichen Lebens. 
Wer das macht, ist egal. Entweder ich will keine Zerstörung menschlichen Lebens, 
dann wende ich mich dagegen und frage nicht, was das kostet und ob ggf. meine 
Unkosten von einer Versicherung getragen werden. Oder es ist mir gleichgültig, 
ob einer sich zerstört. Wenn mir aber der Selbstmord eines anderen gleichgültig 
ist, warum sollte mir dann Mord nicht genau so gleichgültig sein? Was habe ich 
persönlich damit zu tun, wenn im Haus gegenüber ein Sexualstraftäter ein Kind 
vergewaltigt und umbringt? Es ist ja nicht mein Kind. Mein Kind telefoniert 
putzmunter mit Freunden, und über der Wohnungstür wacht Herr Hund. Also, was 
habe ich damit zu tun?
Position 3 - na ja. Mir erscheint sie so, als 
suche man sich 'irjendswie' Gründe zusammen, dass Selbstmord eigentlich gar 
nicht geht - weil man ihn nicht will und das Argument des Willens nicht mag.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
15. Sept. 2005, 02:05 Uhr 
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Hallo Abrazo, 
zum Anfang deiner Ausführungen:
Du fragst, warum 
sich die Methode des Nachwuchstötens und des Genozids nicht durchgesetzt haben 
bzw. von der derzeitigen Staatsmoral abgelehnt werden.
Der Genozid war 
keineswegs eine Erfindung der Nazis, weitest gefehlt!! Genozid gibt es, seit es 
Menschen gibt, der erste Fall dürfte übrigens die Beseitung des Neandertalers 
gewesen sein. 
Die meisten Völker diese Erde mussten zu ihrer Existenz 
irgendwelche Völker ausrotten. Im Alten Testament haben die Juden fein 
säuberlich alle Völker notiert, die sie vernichteten. Und, um ein neueres 
Beispiel zu nennen, praktisch alle Staaten Amerikas entstanden nach oder 
basieren auf dem Ausrotten der indigenen Bevölkerung. 
Dass die Nazis keinen 
Erfolg hatten, lag daran, dass sich die Juden effektiv gewehrt hatten und 
entsprechend Unterstützung bekamen. 
Das Modell "Kindermord", wie zB bei 
Löwen dokumentiert, hat sich ebenfalls nicht durchgesetzt. Nicht einmal bei den 
Löwen ist es die Norm. Letztlich bringt es auch nichts, weil der Löwe dann zwar 
schneller Nachwuchs bekommt, dafür aber auch seine Nachkommen am Ende seiner 
Zeit nicht mehr durchbringt. 
Mit anderen Worten: Moralische Normen 
unterliegen ebenfalls der Evolution. Ob also der Genozid auf Dauer verschwindet 
oder sich nicht doch wieder verstärkt durchsetzt (auch ein "Ideologozid" wäre ja 
denkbar), weiß man nicht. 
Gruß HP 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
15. Sept. 2005, 08:57 Uhr 
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Hallo,
ich möchte Hanspeter ergänzen: das Modell "Kindermord" oder auch 
"Königsmord" hatte auch seine menschlichen Nachfolger. Denkt doch mal an unser 
Mittelalter, als die deutschen Staaten und das "heilige" Römische Reich 
deutscher Nation" von Rudeln regiert wurde, die sich "Königshäuser" nannten 
(Salier, Ottonen usw.). Die Könige lebten gefährlich, die meisten wurden 
ermordet, waren aber auch durch Ermordung ihres Amtsvorgängers an die Macht 
gekommen. 
"Moral" galt damals nur für das gemeine Volk.
Das Volk hat sich 
inzwischen (bei uns in Europa) von dieser Moral befreit und eine Vernunftsethik 
an ihre Stelle gesetzt, die für alle gilt, auch für die "da oben" - was 
womöglich noch nicht konsequent praktiziert wird. Aber die Grundlage ist da.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am 
15. Sept. 2005, 11:47 Uhr 
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on 09/14/05 um 22:40:59, Abrazo wrote:Ich habe schon mal angedeutet, das 
Argument der Freiheit halte ich für ideologisch. Und zwar aus dem schlichten 
Grund, weil ein Toter von seiner Freiheit nix mehr hat. Freiheit ist 
ausschließlich eine Angelegenheit für lebendige Leute. 
Denn es geht 
allgemein um die Zerstörung menschlichen Lebens. Wer das macht, ist egal. 
Entweder ich will keine Zerstörung menschlichen Lebens, oder es ist mir 
gleichgültig, ob einer sich zerstört. Wenn mir aber der Selbstmord eines anderen 
gleichgültig ist, warum sollte mir dann Mord nicht genau so gleichgültig sein?
nein, da gibt es einen ganz elementaren unterschied! es hat in 
sofern etwas mit freiheit zu tun, als dass der selbstmörder die freiheit haben 
sollte sein leben abzulehen. wenn du ihn zwingst weiterzuleben, zwingst du ihn 
(seiner meinung nach) auch, das weiterzuführen, was er hasst, nicht mehr 
ertragen kann oder will. wieso ist das ideologisch? natürlich gibt es danach 
nicht mehr die möglichkeit sich über den geglückten selbstmord, also die 
gewonnene freiheit zu freuen, logisch, aber er hat doch den ungeliebten zustand 
verlassen.
es ist in etwa so (wenn wir schon bei weithergeholten vergleichen 
sind... ;-)) wie bei zwei verschiedenen wahlen: einmal kannst du wählen zwischen 
4 oder was weiß ich wievielen parteien und bei der anderen hast du nur die 
möglichkeit mit nein zu stimmen. es ist dann keine stimme für jemanden oder 
irgendwas sondern ausschließlich gegen diesen. du entscheidest dich damit nicht 
für irgendeine andere alternative sondern lehnst bloß die eine ab. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 15. 
Sept. 2005, 12:42 Uhr 
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on 09/14/05 um 22:40:59, Abrazo wrote:Alle Moralen haben sich auf ein 
abstraktes Tötungsverbot geeinigt. Na und? Die Frage ist doch, warum! Denn wenn 
es dafür keinen Grund gibt, kann man das auch wieder ändern. 
ich 
kann mir ja die finger wund schreiben, das bringt offensichtlich nichts, deshalb 
versuch ichs mal ad hominem:
" Offenbar haben Gefühle eine ähnliche 
Bedeutung für die moralische Rechtfertigung von Handlungsweisen wie 
Wahrnehmungen für die theoretische Erklärung von Tatsachen. "
J. Habermas, 
Diskursethik - Notizen zu einem Begründungsprogramm in Moralbewusstsein und 
kommunikatives Handeln.
"Man hat es nämlich in unseren Tagen 
allererst einzusehen angefangen: dass das Vermögen, das Wahre vorzustellen, die 
Erkenntnis, dasjenigen aber, das Gute zu empfinden, das Gefühl sei, und das 
beide ja nicht mit einander müssen verwechselt werden. Gleichwie es nun 
unzergliederliche Begriffe des Wahren [...] gibt, also gibt es auch ein 
unauflösliches Gefühl des Guten."
I. Kant, Untersuchungen über die 
Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral.
"Über das eine möge hierbei im vorhinein Übereinstimmung festgestellt sein, dass 
von einer Untersuchung über ethische Fragen nur umrisshafte Gedankenführung, 
nicht aber wissenschaftliche Strenge gefordert werden darf."
Aristoteles, 
Nikomachische Ethik
Ursachenbedingtheit ist gerade die voraussetzung 
für veränderung. 
gruss
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am 
15. Sept. 2005, 13:42 Uhr 
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on 09/14/05 um 14:17:23, Hanspeter wrote:Position 3 sehe ich lediglich als 
eine Variante von Position 1 an. 
ich halte 3 eher für eine 
variante von 2, weil beide im grunde darauf hinauslaufen, in die 
selbstbestimmung des individuums nicht einzugreifen. der unterschied liegt 
lediglich in der mir-doch-egal-haltung von 2 zu der hilfe-idee der 3. position.
ganz allgemein sehe ich das problem in der nur schwer zu fassenenden 
bestimmung des "eigenen willens" bei süchtigen. der charakter einer sucht liegt 
ja eben darin, dass die grenzen zwischen fremd- (durch die droge) und 
eigenbestimmung (durch den willen des betroffenen) verschwimmen.
ich 
persönlich sehe mich bei position 3; ich denke (und das auch allgemein auf 
andere, ähnliche "selbstbestimmungsprobleme bezogen), dass einem mensch, der in 
der lage is, die fakten zu überblicken, gut informiert ist und dem auch in 
alltäglicheren fragen eine eigene, selbstverantwortliche entscheidung zugetraut 
wird, diese kompetenz nich plötzlich entzogen werden sollte. wenn ich nicht 
allgemein dem oben charaterisierten individuum eine entscheidungsfähigkeit 
absprechen will/kann, dann sollte ich dies auch nich auf diesem bestimmten 
gebiet tun. mit welchen begründungen ziehe ich wo die grenze zwischen 
hier-hat-er-mitspracherecht und nö-hier-nicht-mehr.
da ich bis jetz noch 
niemanden getroffen habe, der dem menschen allgemein seine 
entscheidungsfähigkeit abspricht (bzw. das recht eine eigene entscheidung zu 
fällen), sehe ich nicht, wieso dies in bestimmten fällen geschehen sollte.
wie gesagt, die frage ist für mich eher, ob diese obigen, nötigen 
eigenschaften einem süchtigen zugesprochen werden können - einfacher ist die 
frage imo beim thema selbstmord.
jemand anderer meinung? 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
15. Sept. 2005, 15:35 Uhr 
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@ Chefkoch:
Position 3 ist etwas unklar formuliert. Betrachtet man den Wunsch 
zur "Selbstzerstörung" als Krankheit, wird der behandelnde "Arzt" 
selbstverständlich alles tun, um die "Selbstzerstörung" zu verhindern, was de 
facto auch einen Zwang impliziert. Jedenfalls akzeptiert Position 3 nicht die 
freie Entscheidung des "Selbstzerstörers" und entspricht darin Position 1
@psi
Moralische Probleme kann man nicht durch Zitate von Leuten 
lösen, die wie der Sklavenhalter Aristoteles eine von uns vollkommen 
verschiedene Moral vertreten. Abgesehen davon gibt es keinen Schwachsinn, für 
den man nicht irgend ein philosophisches Zitat findet, wenn man lang genug 
sucht. [grin]
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am 
15. Sept. 2005, 18:53 Uhr 
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naja, dem text nach nich unbedingt. da steht ja eindeutig, dass eine 
zwangsbehandlung unzulässig ist. zwar mag man als "positionsvertreter" der 
ansicht sein, dass der andere theoretisch hilfe bräuchte, aber dass sie 
aufgezwungen werden soll, steht nich zur debatte. das verneint 3. ganz klar.
aber letzlich gehts hier ja auch nich drum gesetzestexte zu interpretieren, 
diese drei positionen sollten ja nur mal eine darstellung der bereits genannten 
punkte sein oder nich? da müssen wir uns ja jetz nich dran festfressen. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
15. Sept. 2005, 21:39 Uhr 
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Hi, zusammen,
manche machen sich die Sache imho ein bisschen zu einfach. 
Unsere Frage ist nicht, ob Genozid möglich war und ist (natürlich ist er das), 
sondern warum er als schlecht oder böse gilt. Wobei man auch differenzieren 
sollte: als Kaiserin Agrippina ihren kaiserlichen Ehemann um die Ecke brachte, 
beging sie keinen Genozid, sondern einen ganz normalen Mord. Kommt bekanntlich 
schon mal vor. Auch unter unseren modernen Gesetzen. Dieses Argument zieht also 
nicht.
Deine Erklärungen, Hanspeter, halte ich langsam für sehr 
bedenklich. Die meisten Völker diese Erde mussten zu ihrer Existenz irgendwelche 
Völker ausrotten Woher hast du die Weisheit, dass sie das mussten? Mir ist 
bisher nur eine Gruppierung bekannt, die meinte, man müsse zwecks 
Existenzsicherung ein Volk ausrotten: die Nazis. Mir fällt auch kein Volk ein, 
das aus Existenzbedrohung einen Aggressionskrieg begonnen hätte. Fällt dir eins 
ein? Statt dessen fällt mir auf, dass dieses Notwehrrecht eigentlich immer die 
stärkere Partei beansprucht.
Auch in der Geschichte hast du anscheinend 
ein paar Neuerungen zu bieten. Denn ich habe eigentlich immer nur gehört, dass 
die Juden sich weitgehend nicht gewehrt haben - und dass die Alliierten sich 
erst nach dem Krieg mit den Judenmorden befassten, vorher hatten sie an 
'wichtigeres' zu denken. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Juden die 
Alliierten dazu gebracht haben sollen, den Nazis den Krieg zu erklären; ich 
dachte bisher immer, das hätte zuerst was mit Bundnisverpflichtungen und Polen 
zu tun gehabt (ist zwar abseits des Themas, aber muss sein).
Meinst du, 
der Löwenmann oder die Biologie sei in der Lage, so weit zu denken, dass sie 
entscheiden, mit Rücksicht auf den Fortbestand der Art keine Löwenjungen 
umzubringen? Kümmert sich überhaupt irgend ein Tier um den Fortbestand seiner 
Art? Ich denke, ein Tier kümmert sich in erster Linie um den eigenen 
Fortbestand. Entsprechend ein Rudeltier um den Fortbestand des Rudels. Das 
Rudel, das sind aber in erster Linie die Weiber. Die Männer nur insofern, als 
sie brav und folgsam sind und nicht gegen den Boss aufmucken. Und Welpen sind 
völlig wertlos, wenn es nicht die eigenen sind.
Es gibt bei kriegerischen 
Auseinandersetzungen durchaus auch heute Menschen, die sehr ähnlich denken. Und 
damit zurück zu unserer Frage: die Ethik stellt nicht die Frage, wie gehandelt 
wird, sondern wie dieses Handeln beurteilt wird. Wie wird es denn beurteilt, 
wenn wild gewordene Soldaten Frauen die Kinder aus den Armen reißen (oder gar 
Schwangeren die Bäuche aufschlitzen) und sie umbringen? Sagen wir, nun ja, das 
ist halt die dort gesellschaftlich vereinbarte Moral? Und finden die Menschen, 
die von solch einem Krieg betroffen sind, so etwas auch zu Kriegszeiten 
moralisch in Ordnung?
Wenn moralische Normen der Evolution unterliegen: 
wieso ist dann unsere Evolution anders verlaufen als die des Viehzeugs?
Ich denke, auch du, doc rudi, solltest zwischen Handlung(sstatistik) und Moral 
bzw. Ethik unterscheiden. Ich hatte schon geschrieben, Ethik setzt eine 
bestimmte Qualität des Denkens voraus, nämlich räumlich und zeitlich umfassend 
zu denken. Da das wahrscheinlich die Mehrheit zumindest zeitweise nicht tut, 
gibt es die Moral (und die Gesetze).
der selbstmörder die freiheit haben 
sollte sein leben abzulehen
Warum sollte er sie haben? Warum soll überhaupt 
ein Mensch Freiheit haben? Weil wir das in unserer Gesellschaft so beschlossen 
haben? Nun, das kann man auch wieder abschaffen.
Will sagen: wer sich auf 
gesellschaftlichen Beschluss beruft, muss alle ethischen 'Normen' zur 
Disposition stellen, auch die Freiheit, auf die er sich beruft. Ohne 
überzeugende Begründung, warum ein Mensch überhaupt Freiheit haben soll, ist die 
Freiheit als Norm nicht viel wert.
Und eine Wahl, Chefkoch, ist nur dann 
sinnvoll, wenn über zukünftig umzusetzende Entscheidungen bzw. die Personen, die 
diese fällen sollen, abgestimmt wird. Über welche zukünftig umzusetzende 
Entscheidung stimmt der Selbstmörder ab? Und - meinst du, man könnte einem 
Selbstmord zwingend den Diskurs über selbigen voraussetzen, meinetwegen als eine 
Art Beratung, ähnlich wie bei einem Schwangerschaftsabbruch? ;-)
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 15. 
Sept. 2005, 22:25 Uhr 
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on 09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:Warum sollte er sie haben? Warum soll 
überhaupt ein Mensch Freiheit haben? Weil wir das in unserer Gesellschaft so 
beschlossen haben? 
genauso ist es. 
trivial eigentlich. warum man 
jemandem seine freiheit lässt? weil man sonst womöglich eine aufs maul kriegt. 
du bist doch sonst nicht um erfahrungen der strasse verlegen. freiheit erkämpft 
man sich. wenn ich das richtig erinnere die menschenrechte mit der guillotine.
freiheit als norm? es gibt kein normatives system das nicht intuitiv begründet 
werden müsste. es gibt für axiomatische festlegungen keine begründung. siehe 
habermas/kant/aristoteles
kann doch nicht so schwer sein...
gruss
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
15. Sept. 2005, 22:58 Uhr 
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Und warum haben wir sie so und nicht anders festgelegt?
Du machst es dir ein 
bisschen zu einfach. Philosophie bleibt im Gegensatz zu den Naturwissenschaften 
nicht bei den Axiomen als etwas quasi gottgegebenem stehen.
Nichts gegen 
Habermas, der meint damit etwas - es ist nur offenbar nicht das, was du damit 
meinst [grin] 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 15. 
Sept. 2005, 23:11 Uhr 
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on 09/15/05 um 22:58:43, Abrazo wrote:Und warum haben wir sie so und nicht 
anders festgelegt?
Du machst es dir ein bisschen zu einfach. Philosophie 
bleibt im Gegensatz zu den Naturwissenschaften nicht bei den Axiomen als etwas 
quasi gottgegebenem stehen.
Nichts gegen Habermas, der meint damit etwas 
- es ist nur offenbar nicht das, was du damit meinst [grin] 
nun 
das scheint das momentan akzeptable gleichgewicht der kräfte zu sein. oder 
meinst du es wäre so wenn jemand der stark genug wäre etwas anderes 
durchzusetzen willens wäre das zu tun?
so, dann findet philosophie wohl im 
luftleeren raum ohne verankerung in der wirklichkeit statt? den eindruck hat man 
allerdings manchmal. 
und BITTE lass mich nicht dumm sterben und erklär mir 
diesen so völlig unmissverständlichen für habermas selten 
allgemeinverständlichen satz der einer völlig klaren abhandlung mit ebendiesem 
thema der begründung der moral so sinnentstellend entrissen wurde. und den von 
kant doch auch gleich. denn ich hab schon verstanden dass nur derjenige der wie 
du ganzheitlich umfassend denkt ethisch ist ...blöd nur das man das auch nicht 
nachprüfen kann...um bei gelegenheit wieder mit der strasse zu argumentieren. 
wenn man schnell genug oszilliert erkennt mans auch kaum...
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von chefkoch am 
15. Sept. 2005, 23:49 Uhr 
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on 09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:der selbstmörder die freiheit haben 
sollte sein leben abzulehen
Warum sollte er sie haben? Warum soll überhaupt 
ein Mensch Freiheit haben? 
sämtlichen menschen alle freiheiten 
abzusprechen, ist ein ding der unmöglichkeit, dann müssten sie aufhören zu 
existieren! wie stellst du dir das praktisch vor, alle menschen ohne freiheit zu 
irgendwas? das geht nich, sorry!
hier geht es um die freiheit zu sagen (um 
das ganze zu vereinfachen, reduzier ichs mal auf selbstmord): ich hab keine lust 
mehr!
die beweislast liegt hier auf deiner seite; wenn du dem selbstmörder 
antwortest: das hast du aber nich zu bestimmen! dann frag ich mich, wer das denn 
sonst zu bestimmen hätte. der staat? wieso? gott? wieso? eltern/freunde/ärzte? 
wieso? 
on 09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:Und eine Wahl, 
Chefkoch, ist nur dann sinnvoll, wenn über zukünftig umzusetzende Entscheidungen 
bzw. die Personen, die diese fällen sollen, abgestimmt wird. Über welche 
zukünftig umzusetzende Entscheidung stimmt der Selbstmörder ab? 
das 
habe ich erklärt, es ist eine negative wahl, die nur die akzeptanz oder 
ablehnung eines status quo beinhaltet. der selbstmörder wählt die verneinung, 
entscheidet sich gegen sein leben und die aktuelle situation.
on 
09/15/05 um 21:39:32, Abrazo wrote:Und - meinst du, man könnte einem Selbstmord 
zwingend den Diskurs über selbigen voraussetzen, meinetwegen als eine Art 
Beratung, ähnlich wie bei einem Schwangerschaftsabbruch? 
wer redet 
denn hier von zwang? und so wie ich das verstanden hab, geht es in der 
philosophie auch nich in erster linie darum, gesetzestexte zu entwerfen, die 
ohne probleme morgen umgesetzt werden können. mir ging es lediglich darum, fälle 
momentaner verzweiflung, die möglicherweise aus missverständnissen, 
übertriebenen ängsten o.ä. herrühren und affekt-handlungen auszuschließen. 
und wieso nich? bei einer legalisierung der aktiven sterbehilfe könnte ich mir 
solche auflagen durchaus vorstellen, sie helfen in jedem fall, missbrauch und 
unüberlegten entscheidungen vorzubeugen!
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
16. Sept. 2005, 02:40 Uhr 
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Hallo Abrazo,
mich interessiert die theoretische Moral etwas mehr, als 
das momentane praktische Beispiel, daher kommentiere ich nur deine 
diesbezüglichen Beiträge. 
Du schreibst: "...als Kaiserin Agrippina ihren 
kaiserlichen Ehemann um die Ecke brachte, beging sie keinen Genozid, sondern 
einen ganz normalen Mord."
Wo habe ich das behauptet? Bitte meine 
Beiträge genau lesen!
Weiter: "Mir ist bisher nur eine Gruppierung 
bekannt, die meinte, man müsse zwecks Existenzsicherung ein Volk ausrotten: die 
Nazis."
Das liegt an mangelnder Geschichtskenntnis. Der Vorwurf geht 
nicht an dich, sondern an den derzeit üblichen Geschichtsunterricht, der so tut, 
als habe die Menschheit Jahrtausende in Frieden gelebt, bis dann Wilhelm II und 
Hitler auftauchten.
Ich nannte bereits Beispiele: Die Juden des Alten 
Testaments, die meisten der heutigen Länder Amerikas (Nord und Süd). Die 
Ureinwohner Tasmaniens wurden im 19. Jahrhundert ausgerottet, für jeden erlegten 
Indianer Feuerlands zahlten die vorzugsweise britischen Farmer 8$ Prämie usw.
Weiter "Mir fällt auch kein Volk ein, das aus Existenzbedrohung 
einen Aggressionskrieg begonnen hätte. Fällt dir eins ein?" 
Ja, die 
indigenen Völker Amerikas haben verzweifelt gegen die Weißen gekämpft, viele 
davon wurden ausgerottet "Der letzte Mohikaner". Und die Geschichte der 
Völkerwanderung (so etwa 4. - 6. Jahrhundert) hatte vorzugsweise dieses eine 
Thema. Zugegeben, die damaligen Genozids waren nicht so systematisch wie die der 
Nazis, aber Ziel war es stets, die in "guten Landschaften" lebenden Völker zu 
beseitigen. 
Weiter: "Auch in der Geschichte hast du anscheinend ein 
paar Neuerungen zu bieten. Denn ich habe eigentlich immer nur gehört, dass die 
Juden sich weitgehend nicht gewehrt haben"
Die Juden im Einflussbereich 
der Nazis konnten sich nicht erfolgreich wehren, richtig, wohl aber die 
außerhalb, vor allem die in den USA. 
Hitler hat den 2. Weltkrieg 
heraufbeschworen, nicht um die Juden zu vernichten. Die systematische 
Judenvernichtung begann mit der Wannseekonferenz anfangs 1942. 
Aber bereits 
1939 empfahlen Einstein & Co den Bau der Atombombe als Waffe gegen Hitler. Den 
2. Weltkrieg gewannen die USA und die dort sehr einflussreichen Juden waren 
verständlicherweise sehr daran engagiert. 
Weiter: "Meinst du, der 
Löwenmann oder die Biologie sei in der Lage, so weit zu denken, dass sie 
entscheiden, mit Rücksicht auf den Fortbestand der Art keine Löwenjungen 
umzubringen?"
Natürlich nicht. Die Natur experimentiert. Und wenn die 
Methode "Kindermord" erfolgreich ist, setzt sie sich durch. 
Die Frage 
Arterhalt oder Generhalt ist noch nicht entschieden, spielt in diesem 
Zusammenhang aber keine Rolle, denn wenn die Art nicht mehr existiert, sind auch 
die Gene futsch. 
Wie ich schon sagte, hat sich die Methode Kindsmord 
nicht erfolgreich durchgesetzt. Sozial lebende Robben (gehören ja auch zu den 
Carnivoren) töten nicht gezielt ihre Jungen. Das passiert nur gelegentlich aus 
Versehen, wenn ein liebeshungriger Seeelefant mit seinen 3,5 Tonnen über ein 
Junges fährt, das nicht schnell genug Reißaus nimmt. 
Weiter: "Wenn 
moralische Normen der Evolution unterliegen: wieso ist dann unsere Evolution 
anders verlaufen als die des Viehzeugs?"
Unsere Evolution ist nicht 
prinzipiell anders verlaufen als beim "Viehzeugs". Und vergleicht man die 
moralischen Normen einer Schimpansenherde mit der Menschen, so sind die 
Ähnlichkeiten enorm. Doch die sieht man nicht, wenn man sich nicht mit ihnen 
beschäftigt.
Gruß HP 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von MiaoMiao am 
16. Sept. 2005, 04:50 Uhr 
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Wenn der Mensch sich zugrunde richten WILL, dann kann ihn niemand aufhalten. 
Ich kannte mal eine Bulimie-Kranke, die SICH ABSOLUT WEIGERTE etwas zu 
essen, weil sie Angst hatte dick zu werden (was bei 35kg bei 165cm eigentlich 
nicht so schlimm waere). Wenn man sie zwang etwas zu essen, musste man hoellisch 
aufpassen, dass sie es sich nicht wieder aus dem Magen kratzte. Am Ende wurde 
sie an den Tropf gehaengt. 
Der Arzt meinte, dass es nicht besser werden 
kann, solange sie keine Besserung WILL. 
Man kann versuchen einen davon 
abzuhalten sich zugrunde zu richten oder versuchen, dass er wenigstens keine 
anderen Leute mit ins Grab nimmt z.B. Amoklaeufer, aber solange der Mensch sich 
zugrunde richten WILL, kann ihn auch niemand davon abhalten.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 16. Sept. 2005, 10:12 Uhr 
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....... genau !
das ist ja auch das problem bei der 6h9 selbst 
mord heit ..........
sie will sich um bringen 
und ich kann sie nicht 
auf halten !
sie ist ein fach nicht in der lage die wahr heit zu er 
kennen
und die ent sprechenden hand lungen ver wirk lichen ........
weil sie liebe will
und nur den tod dafür an bietet !
und das ist nur 
für geistig be hinderte .......
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
16. Sept. 2005, 20:19 Uhr 
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Hallo allerseits,
darf man sich selbst zerstören?
Gibt es darauf 
eine konsensfähige Antwort?
Es muss dazu wohl zwischen zwei Formen der 
Selbstzerstörung unterschieden werden, der Selbsttötung eines Lebensmüden und 
dem gesundheitlichen Raubbau des Rauschmittelabhängigen.
Meiner Meinung 
nach gibt es Situationen, in denen gegen eine Selbsttötung moralisch nichts 
einzuwenden ist. Ich denke etwa an einen alten, allein lebenden Menschen, der 
unter einer schmerzhaften, unheilbaren Krankheit leidet, die ihn ans Bett 
fesselt. Wenn dieser Mensch sich dafür entscheidet, sein Leben selbst bestimmt 
und bei klarem Verstand zu beenden, so sollte man diese Entscheidung 
respektieren. 
Diese moralische Unbedenklichkeit gilt selbstverständlich 
nicht für jede Selbsttötung.
Dagegen ist der gesundheitliche Raubbau des 
Drogensüchtigen immer abzulehnen. Bei einer entwickelten Sucht ist die Frage, ob 
der Süchtige die gesundheitsschädlichen Drogen konsumieren darf, eigentlich 
schon obsolet, denn der moralische Appell ist gegenüber der Sucht machtlos.
Moral spielt allerdings eine wichtige Rolle bei allen Handlungen, die zur 
Sucht hinführen.(Dabei verstehe ich unter Sucht nicht jede kleine „Schwäche“, 
sondern den Konsum von Stoffen, die zu körperlichen und psychischen 
Entzugserscheinungen führen. Ich halte Sucht nicht für ein Randproblem sondern 
für eines der Hauptprobleme unserer Zeit.)
Den Dealer, der andere – die 
womöglich noch im jugendlichen Alter sind - zur Sucht verleitet, trifft zu Recht 
die tiefste moralische Verachtung. 
Jeder, der an der Sucht der anderen 
verdient und deshalb deren Sucht fördert, handelt moralisch verwerflich.
Aber auch das leichtfertige Spielen mit und Probieren von „harten“ Suchtmitteln 
ist moralisch zu verurteilen, weil die Abhängigkeit schleichend und unmerklich 
eintritt, gedeckt von Verharmlosung und Selbsttäuschung.
Die zeitlich 
begrenzte Entmündigung Süchtiger, die immer größere Mengen an Drogen benötigen, 
halte ich für moralisch gerechtfertigt, wenn sie dadurch vor dem absehbaren 
vorschnellen Tod bewahrt werden. Das wird auch der Süchtige selber in seinen 
klaren Momenten akzeptieren.
Ich denke, es gibt „gute Gründe“ zur 
moralischen Verurteilung der Sucht und aller Handlungen, die deren Verbreitung 
fördern. Das dadurch erzeugte Elend kann niemand wollen.
Ich höre schon 
den Widerspruch: „Doch, der Dealer will es.“
Gibt es allgemein akzeptable 
Gründe, den Dealer moralisch zu verurteilen? Oder ist das eine Frage der 
ethischen Intuition, wie Abrazo sie beschreibt?
Bleiben wir dicht am 
Thema (es gibt hier genug zu diskutieren) und lassen wir die zahlreichen anderen 
Kontroversen mal aus dem Spiel,
Es grüßt alle Nachdenklichen Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
16. Sept. 2005, 20:40 Uhr 
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Hi, Eberhard,
es funktioniert nicht. Du kannst es drehen und wenden wie 
du willst, es funktioniert nicht. So kannst du keine allgemeingültigen 
moralischen Normen aufstellen. Dazu sind die einzelnen, individuellen 
Situationen viel zu unterschiedlich. Letztlich wirst du bei der altbekannten 
Moral landen, über die sich Intellektuelle und Freigeister wie zu allen Zeiten 
lustig machen und die Ethiker vehement ablehnen, bis sie zusammen bricht.
Gibt es allgemein akzeptable Gründe, den Dealer moralisch zu verurteilen?
Es gibt eigentlich nur einen allgemein anerkannten Grund: wenn ein 
erwachsener Dealer Heroin an Kinder und Jugendliche vertickt. Wobei man da schon 
bei sechzehnjährigen Prostituierten und ebenso alten professionellen 
Autoknackern Abstriche macht.
Und sonst?
Der Drogenfahndung ist es 
lieber, ein heroinabhängiger Dealer verdient das Geld für seine Sucht mit Dealen 
unter Süchtigen, als dass er einbricht, Kioske überfällt, Omas niederschlägt 
oder den Stricher für Perverse abgibt.
Für Drogenabhängige ist der Dealer 
der wichtigste Freund, denn er versorgt sie trotz Risiko mit quasi 
lebenswichtigem Stoff.
Afghanische Mohnbauer haben ebenso wie 
südamerikanische Koka-Züchter nicht die geringsten Gewissensbisse, Drogen in den 
Westen zu liefern, der sie jahrzehntelang auf arrogante Weise ausgebeutet hat. 
'Sie brauchen sie ja nicht zu nehmen', meinen wohl die meisten von ihnen, 'dass 
sie es tun, zeigt ihre Dekadenz und Morbidität, selbst dran schuld'.
Und 
nicht abhängige Dealer sehen kein Problem darin, Leuten Stoff zu verkaufen, die 
sowieso kriminell sind und alles andere als seriöse, gut bürgerliche Leute.
Schlag mal vor, nen vernünftigen, allgemein akzeptierten Grund.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
16. Sept. 2005, 21:03 Uhr 
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Hi, Hanspeter,
du hast recht, die Königsmörder hat doc rudi ins Spiel 
gebracht.
Zu allem anderen könnte ich dir eine Menge sagen, tu es aber mit 
Rücksicht auf das Thema, das hier verhandelt wird, nicht.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
17. Sept. 2005, 01:47 Uhr 
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Hallo an Alle,
gut, bleiben wir beim Thema.
Und lassen wir den 
Selbsttöter aus dem Spiel (der Begriff Selbstmörder ist sehr unglücklich, weil 
nach dem deutschen Strafrecht Mord das Töten aus "niedrigen Beweggründen" ist.)
Eberhard schreibt: "Jeder, der an der Sucht der anderen verdient und deshalb 
deren Sucht fördert, handelt moralisch verwerflich."
Das ist nicht 
haltbar. Jeder, der in der Tabak- oder Alkoholindustrie verdient, würde danach 
unmoralisch handeln. Jeder Winzer, jeder Bierbrauer müsste sich seiner Existenz 
schämen.
Das entscheidende Problem ist, Sucht und Selbstzerstörung klar 
zu definieren. Solange das nicht geschieht, gibt es keinen Fortschritt in der 
Diskussion. 
Gruß HP 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
17. Sept. 2005, 07:46 Uhr 
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sehr richtig.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
17. Sept. 2005, 08:44 Uhr 
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Hi, Hanspeter,
das mit den niedrigen Beweggründen ist so 'ne Sache. Die 
verschwinden nämlich hinter dem Umstand, dass der Selbstmörder keinen anderen, 
sondern sich selbst umbringt. Streich diesen Umstand doch mal und guck dir an, 
wie die Sache dann aussieht!
Eine Frau schluckt mehrfach Schlaftabletten, 
um damit ihren Ex zur Rückkehr zu erpressen. Einmal geht's schief. Sie 
hinterlässt zwei kleine Kinder.
Ein Manager hängt sich auf, weil es ihm 
nicht passt, die Verantwortung für Wirtschaftskriminalität in einem 
Gerichtsverfahren übernehmen zu müssen.
Ein Drogenabhängiger gibt 
unmittelbar nach Notfallbehandlung wg Überdosis auf die Mahnung, 'du hättest tot 
sein können!' die Antwort 'war aber geiles Zeug'.
Gut, Selbstmord kann 
auch gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge sein. Aber es geht hier einzig 
und allein um die Motive. Wie sind sie zu bewerten?
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 17. Sept. 2005, 09:59 Uhr 
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... die massen selbst zer störung findet da hin gehend statt
daß 
eine blamage mit der andern konkuriert
andere blamagen zu be geistern
und ein mensch weis ab solut nichts mit alle an zu fangen
weil alles eine 
blamage 
wie ge habt !
und weil mit blamagen keine zukunft zu ge 
stalten ist
gibt es auch keine .........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 17. 
Sept. 2005, 10:14 Uhr 
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on 09/16/05 um 20:40:18, Abrazo wrote:Hi, Eberhard,
es funktioniert 
nicht. Du kannst es drehen und wenden wie du willst, es funktioniert nicht. So 
kannst du keine allgemeingültigen moralischen Normen aufstellen. Dazu sind die 
einzelnen, individuellen Situationen viel zu unterschiedlich. Letztlich wirst du 
bei der altbekannten Moral landen, über die sich Intellektuelle und Freigeister 
wie zu allen Zeiten lustig machen und die Ethiker vehement ablehnen, bis sie 
zusammen bricht. 
darüber besteht seit seite eins letztlich 
einvernehmen. eberhard erwähnt es in seinem eingangbeitrag und will trotzdem 
eine antwort. 
auch wenn abrazos moral-ethik unterscheidung nicht unbedingt 
landläufig ist, so stimmt doch dass man keine letzgültigen normen aufstellen 
kann. aber nicht weil die situationen zu unterschiedlich sind. sondern weil ein 
moralisches/ethisches urteil standpunktabhängig ist. weil nicht einmal unbedingt 
erkannt wird dass die situation ein solches urteil verlangt. 
wird die 
situation nicht als eine moralisch/ethische erkannt, wie sollten solche 
kriterien eine rolle spielen? 
a muschg hat ein nettes büchlein geschrieben, 
"zeichenverschiebungen", in denen er über missverständnisse zwischen japanern 
und europäern berichtet. die haben zum teil ganz gewaltige ethisch/moralische 
dimensionen. der grosse unterschied liegt einfach in der wahrnehmung der 
situation. der europäer erschauert, der japaner sieht nicht mal wegen was. 
verhälten sich die japaner kollektiv ethisch verwerflicher als europäer? ein 
echter konsens kann nur über anpassungen in der wahrnehmung erfolgen. was 
natürlich eine rationale reflektion darüber nicht ausschliesst. 
klar machen 
sich "freigeister" lustig über die verklemmte sexualmoral der missionare. aber 
man macht sich das zu einfach wenn man sich einfach auf den standpunkt einer 
hehren ethik im gegensatz zur kleinkarierten moral zurückzieht. an der 
empfindung der abscheulichkeit sexueller freizügigkeit bei bestimmten menschen 
führt ja nun mal kein weg vorbei. 
schaue man sich doch nur die gräben an die 
sich durchs eigene land ziehen. ich kann jedenfalls mit der katholischen 
morallehre sicher keinen konsens finden. allerdings lassen die sich nicht so 
einfach in eine moral ecke im gegensatz zur ganzheitlichen ethik drücken. 
aussichtslos sich mit denen auf argumentationen einzulassen, weil die 
basiswahrnehmungen andere sind, im zweifelsfall argumentieren die besser nach 
2000jähriger erfahrung mit "ketzern". und offenbar sind die ja sogar so gut dass 
der ratzinger den habermas um den finger gewickelt hat. alles reibt sich die 
augen...
die bedeutung von ethik(ethos), moral und dem deutschen sitte 
ist eben der brauch, das gewohnte verhalten. insoweit ist es ja auch genormt bis 
zu einem gewissen grad. und bestimmte sitten sind auch immer und überall im kern 
gleich. mord und diebstahl sind wohl nirgends gute sitte. aber ansonsten ist das 
spektrum ja ziemlich breit. und über unsere europäische art die sache zu 
betrachten lachen sich andere völker einen ast ab. 
konsens ist schön, 
aber weil man sich einigt hat man deshalb nicht DIE ethik/moral/sitte gefunden. 
sondern einen konsens.
und rationale letztbegründungen gibt es nicht. 
irgendwo am anfang muss ein erkenntnisschritt stehen oder eben eine 
empfindung/wahrnehmung.
gruss
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
17. Sept. 2005, 15:16 Uhr 
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Hallo Abrazo,
zu deinen Fallbeispielen.
1. Frau/Schlaftabletten: 
Verantwortungslos, die Sorge für ihre 2 Kinder hätten wichtiger sein sollen.
2. Manager: Ok. Er hat die Verantwortung übernommen und sich selbst 
verurteilt. Ob er im Gefängnis oder im Grab dafür büsst, ist seine Sache.
3. Drogenfreak. Ok, sofern er nicht selbst die Notfallretter gerufen hat 
bzw. die Kosten dafür selbst übernimmt. Für ihn ist Drogenkonsum wichtiger als 
sein Leben. 
Alles klar?
Gruß HP 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
17. Sept. 2005, 15:34 Uhr 
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Hallo,
Hanspeter #21: "Das entscheidende Problem ist, Sucht und 
Selbstzerstörung klar zu definieren. Solange das nicht geschieht, gibt es keinen 
Fortschritt in der Diskussion."
Wenn man über Selbstzerstörung philosophiert, 
sollte man diese tatsächlich zuerst definieren. Ein Beispiel, wie der Süchtige, 
ist gut, aber es gibt eben sehr viel unterschiedliche Süchtige. Das ist der 
Haken. Vielleicht finden wir besser eine allgemeingültige Definition von 
Selbstzerstörung, die den Süchtigen als Spezialität mit abdeckt.
Psi #25: 
"rationale letztbegründungen gibt es nicht. irgendwo am anfang muss ein 
erkenntnisschritt stehen"
Auch richtig. Habe ich nicht nur gesagt, sondern 
praktiziert.
Ethisch war immer das, was dem Funktionieren des Systems 
höherer Ordnung diente, und das definierten die Herrschenden. Die haben die 
Definitionsgewalt. Nun herrscht das Volk, und auch das "Establishment" (ein 
schöner Begriff aus der APO-Zeit) sollte sich auch an die Gesetze halten, die im 
Namen des Volks von Volksvertretern für das Volk gemacht werden. Jedes 
Individuum überlegt natürlich, wie es für sich persönlich das beste erreichen 
kann, eventuell am Gesetz vorbei. Aber am Ende sieht jeder den Vorteil: Verzicht 
auf einen Teil der persönlichen Wünsche ist der Preis für ein friedliches 
Zusammenleben, nur: es muss sich auch jeder dran halten. Unser Rechtssystem ist 
doch die Summe der Regeln, die das friedliche Zusammenleben regeln, wenn man so 
will, eine Volksethik. Das demokratische Recht hat sich gegen die religiös 
begründete Moral durchgesetzt.
Träger der Moral ist übrigens die Mitte: 
nämlich die Mitte zwischen oben und unten, reich und arm. 
Bei uns. Bei 
unseren Mitbürgern moslemischen Glaubens ist das jedoch bisweilen noch wie im 
Mittelalter: ein Mädchen, das sich seinen Freund selbst aussuchen will, wird von 
ihren Brüdern im Namen der moslemischen Moral auf offener Straße hingerichtet, 
um die Familienehre zu retten.
Das kriegen wir natürlich nicht unter einen 
Hut.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
17. Sept. 2005, 16:16 Uhr 
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Hi, doc rudi,
bleib beim Thema und laber nich rum.
('Ehrenmorde' sind 
übrigens auch nach islamischem Recht strafbar.)
Hi, Psi,
Ethik, Moral, 
Sitte und Brauch - letzteres übrigens auch ein juristischer Begriff - sind klar 
unterscheidbare Begriffe. Ich hab was dagegen, mit Begriffen Eintopf zu kochen.
Hi, Hanspeter,
im Grab büsst man nicht, wenn man nicht gerade Aida heißt.
Und den Notarzt hatten andere Süchtige geholt, nachdem sie merkten, dass sie es 
alleine nicht schaffen, ihn zurück zu holen.
Er hätte den Notarzt nicht 
geholt. Er war ja bewusstlos *g*.
Gegen das Kostenargument steht der 
medizinische Eid. Haste keine Chance mit deinen Vorstellungen, denn der 
medizinische Eid basiert auf der humanen Ethik. Die is nach aller Erfahrung 
machtvoller als positive moralische Normen.
Mal abgesehen davon, dass Penner 
kein Geld haben.
Also: gemessen an der Lebenspraxis ...
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
17. Sept. 2005, 16:27 Uhr 
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Hi abrazo,
zum Glück sind Ehrenmorde auch bei uns strafbar. Bei uns ist die 
subjektive Moral weder strafverschärfend noch strafmildernd. Sie ist 
bedeutungslos. Das ist unsere Rechts"ethik" (wer denn so will).
Aber bring 
doch mal was Konstruktives und definier mal Selbstzerstörung.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
17. Sept. 2005, 19:42 Uhr 
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Hi, doc rudi,
so ganz stimmt das nicht, was du sagst. Zwar ist es 
irrelevant, wenn einer sich seine eigene subjektive Moral zusammen baut (wenn er 
sich auf das Gewissen beruft, sieht die Sache aber schon anders aus!), aber 
kulturbedingte andersartige Moralvorstellungen oder gar Rechtsnormen können sich 
durchaus strafmildernd auswirken (Verbotsirrtum z.B.). Um das festzustellen, 
holt man allerdings einen Gutachter. Denn jeder Verbrecher trachtet danach, 
seine Strafe abzumildern. Der Deutsche wühlt in der Psychologie nach Gründen, 
der Ausländer behauptet, das sei in seiner Kultur aber so üblich; kann mal 
stimmen, meist stimmt es nicht.
Selbstzerstörung:
Um Zerstörung 
handelt es sich m.E., wenn man ein Objekt so beschädigt, dass es nicht mehr 
funktionsfähig und auch nicht mehr reparabel ist. Um Selbstzerstörung handelt es 
sich, wenn man diese Beschädigung an sich selbst vornimmt. Wobei es, vom 
Ergebnis gesehen, nicht wichtig ist, ob man dies sozusagen in einem Schlag 
erledigt, oder ob man einen selbstzerstörerischen Prozess in Gang setzt und 
nicht aufhält. Beim Drogenabhängigen (auch Alkoholiker) kommt noch hinzu, dass 
sich der Zerstörungsprozess auch auf die Gehirnfunktionen und damit auf die 
Persönlichkeit und auf die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfunktionen auswirkt. 
Und zwar durchaus ad hoc: stark Alkoholisierte können hoch aggressiv werden, 
ebenso Leute unter Kokain, während Leute unter PCB z.B. sich schon mal im Rausch 
ein Bein abhacken oder aus dem Fenster springen können.
Vorschlag:
Der ethische Wille fließt m.E. aus mir (=aus dem Ich) und ist 
deswegen ebensowenig begründbar und analysierbar wie das Ich. Allerdings richtet 
er sich auf die Welt, sein Indikator ist die Handlung, und das ist erkennbar und 
analysierbar. Sollten wir nicht lieber versuchen zu eruieren, worauf er sich 
richtet, also, in welchen Situationen er aktiv wird? Das könnte m.E. auch ein 
Moralist mitmachen, denn es dürfte nicht so viel anders sein als die 'Fahndung' 
nach den Grundprinzipien der Moral.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
17. Sept. 2005, 21:01 Uhr 
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Hi abrazo
Zugegeben, so ganz stimmte das nicht, aber was Du meinst, stimmt 
auch nicht so ganz: Verbotsirrtum führt zu Freispruch und nicht zu 
Schuldminderung. Aber lassen wir das Geplänkel.
Du definierst zunächst 
Zerstörung eines Objekts und dann kommt die Wendung gegen "sich", "Zerstörung an 
sich selbst". Na gut.
Da möchte ich differenzieren und ergänzen: "sich 
selbst" könnte der eigene Körper sein. In meiner Philosophie gehört dazu auch: 
mein materielles Eigentum, mein Geld, mein Geist. Alles das kann "ich" zerstören 
(rein theoretisch).
Du machst u.a. noch die Ergänzung: 
"Beim 
Drogenabhängigen (auch Alkoholiker) kommt noch hinzu, dass sich der 
Zerstörungsprozess auch auf die Gehirnfunktionen und damit auf die 
Persönlichkeit und auf die Wahrnehmungs- und Verarbeitungsfunktionen auswirkt."
Alles das: Persönlichkeit, Wahrnehmung, Verarbeitung (Denken) sind Bestandteile 
eines umfassend verstandenen Ichs. 
Da möchte ich einen besonderen Aspekt 
des Ichs hervorheben: den Willen
Du hast offenbar die gleiche Idee und 
kommst auf den "ethischen Willen", den Du, wie das "Ich", als unbegründbar 
ansiehst.
Nun kommt der Punkt, an dem wir uns treffen, nämlich: 
"sein 
Indikator ist die Handlung, und das ist erkennbar und analysierbar"
Wir 
sehen also beide die gleiche Handlung eines Menschen: er nimmt eine Droge zu 
sich und springt aus dem Fenster. Wenn Du von der Handlung auf den Willen 
zurückschließt (das mache ich auch), fragst Du Dich: worauf ist der Wille 
gerichtet? Deine Antwort: auf das Zerschmettern des eigenen Körpers (den 
Effekt).
Meine Frage: 
Erstens: ich nehme für jeden Menschen nur 2 
(beide positiv) Grundwillen an (Selbsterhaltung, Selbstentfaltung), einen 
zusätzlichen "ethischen Willen" benötige ich nicht zur Erklärung des Handelns. 
Wenn Du einen "ethischen Willen" annimmst, komme ich nicht damit klar, dass 
dieser aufs Körpervernichten gerichtet sein soll. Oder worauf ist der von Dir 
postulierte ethische Wille gerichtet? Dieser ethische Wille soll aus dem Ich 
fließen. Widerspricht sich das nicht? Ein aus dem Ich fließender Wille, der den 
eigenen Körper vernichtet.
Wie stellst Du Dir das also vor?
Ist es 
nicht besser, die beiden von mir postulierten Willen anzunehmen und die 
Handlungen folgendermaßen zu interpretieren:
Eine Droge einnehmen ist 
zunächst in Ordnung. Dies ist Ausdruck des Willens nach Selbstentfaltung (neue 
Erfahrungen machen, Wunsch nach Genuss, und was noch so drinstecken mag).
Diese Droge wirkt jedoch, und darüber sollte sich der Konsument vorher 
informieren, auf die Hirnfunktion und kann damit auch die Umsetzung von 
Willensentschlüssen in Handlung verändern. 
Die von uns beobachtete 
Folgehandlung, das Körperzerschmettern, ist demnach nicht mehr nur Ausdruck des 
eigenen Willen, sondern des durch Veränderung der Hirnfunktion fehlgeleiteten 
Willens. Vielleicht hat der Betreffende durch die Droge auch nur Vergessen, dass 
man zum Fliegen einen Paragleiter oder ähnliches benötigt (vielleicht steckt 
sogar noch der natürliche Wunsch dahinter, es den Vögeln gleich zu tun, 
sozusagen der Einfluss der Vogelgene in uns).
Allgemein gesagt: die 
Handlungen eines Menschen unter Drogeneinfluss sind Ergebnis zweier Einflüsse:
Erstens der Kräfte, die aus dem Wollen des Menschen entspringen.
Zweitens 
auch Resultat des Drogeneinflusses.
Also: wenn Du zum Willen des Menschen 
kommen willst, musst Du von den beobachteten Handlungen die Wirkungen der Droge 
abziehen.
Kannst Du das nachvollziehen?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
17. Sept. 2005, 21:28 Uhr 
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Hallo allerseits,
Ich schlage folgende Definition vor: „Sucht“ ist die 
Abhängigkeit von stark gesundheitsschädigenden Drogen, deren Konsum zwanghaft 
ist, weil eine Konsumunterbrechung zu Entzugserscheinungen führt. 
(Damit 
ist klar, dass es hier nicht um das eine Glas Rotwein oder Bier geht oder um ein 
paar Zigaretten, sondern um den ständigen, zwanghaften Konsum schädlicher 
Drogen, um künstlich angenehme Gefühle zu erzeugen.)
Die so definierte 
Sucht ist ein negativ zu bewertendes Verhalten, weil es den Süchtigen und auch 
der Allgemeinheit einen beträchtlichen Schaden zufügt. (Ich erspare es mir, die 
Schäden hier im Einzelnen zu benennen und größenmäßig zu bestimmen.) 
Dieser Schaden wird durch die zeitlich begrenzten, als lustvoll bzw. angenehm 
erlebten Bewusstseinszustände beim Drogenkonsum nicht aufgewogen. 
Der 
Drogenkonsum ist deshalb nicht zu billigen.
Soweit meine Gründe dafür, 
dass man sich nicht durch Drogenkonsum zugrunde richten darf.
Zu den 
Einwänden:
“So kannst du keine allgemeingültigen moralischen Normen 
aufstellen. Dazu sind die einzelnen, individuellen Situationen viel zu 
unterschiedlich.“
Wenn gezeigt wird, dass zwischen Sucht und Sucht 
normativ relevante Unterschiede bestehen, dann können wir differenzieren, 
meinetwegen bis hin zur moralischen Beurteilung eines Einzelfalls. Unzulässige 
Generalisierung ist also kein Argument, das habe ich bereits am Beispiel 
„Hindenburg ernennt Hitler zum Reichskanzler“ dargelegt.
“Sollten wir 
nicht lieber versuchen zu eruieren, worauf (der ethische Wille) sich richtet, 
also, in welchen Situationen er aktiv wird?“ 
Eins schließt das andere 
nicht aus. Das Problem ist nur, dass der „ethische Wille“ (ich würde sagen, das 
verinnerlichte Ethos) von Mensch zu Mensch differiert.
“Rationale 
letztbegründungen gibt es nicht. irgendwo am anfang muss ein erkenntnisschritt 
stehen oder eben eine empfindung/wahrnehmung.“ 
Hat jemand etwas anderes 
behauptet? Es gibt allerdings eine Prämisse, die jeder von uns akzeptieren muss. 
Ich meine die Prämisse, dass wir durch Argumente (wozu ich auch Sätze zähle wie 
„Ich sehe den Zeiger ebenfalls bei 100 Grad Celsius“ oder „Mir ist es ebenfalls 
wichtiger, gesund zu sein als angenehme Halluzinationen zu haben“) zu einer 
gemeinsamen Antwort auf die gestellte Frage kommen wollen. Wenn jemand diese 
Prämisse nicht akzeptiert, dann ist es sinnlos, sich mit ihm über Behauptungen 
zu streiten.
(Das gilt auch für den Dealer, den Drogenfreak oder den 
Mohnbauer, falls deren Argumente hier als ernstzunehmende Behauptungen 
eingebracht werden.)
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am 
17. Sept. 2005, 22:16 Uhr 
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Hallo Eberhard,
Du hast bei Deiner letzten Ausführung zur Sucht etwas 
entscheidendes nicht bedacht. Der Süchtige nimmt seinen Stoff letztendlich nicht 
mehr wegen der angenehmen Gefühle, die Du postulierst und worauf sich Dein 
Verbot der Selbstzerstörung stützt, weil die Gesellschaft nicht bereit ist die 
besonderen Gefühle Einzelner zu bezahlen, sondern der richtig Süchtige braucht 
seinen Stoff, um sich Normal zu fühlen! Anders könnte Deine Frage so nun lauten: 
Darf man alles tuen um sich für eine Zeitlang normal zu fühlen, auch wenn man 
sich (und andere) dabei langfristig zu Grunde richtet? Da würde ich widerrum im 
Gegensatz zu Deiner Anfangsfrage eindeutig nein, nicht alles zu sagen können. 
Allerdings nützt auch diese andere Frage nichts, denn Verbote haben da bisher 
überhaupt nichts ausgerichtet, außer eben als Hinweis für Vernünftige überhaupt 
erst, dass es etwas sein könnte, was zu Grunde richtet. Wer weiß das schon 
vorher, bevor sich nicht schon ein paar zu Grunde gerichtet haben. Das Argument, 
dass man mit seinem Verhalten den gesellschaftlichen Finanzrahmen sprengt und 
sonstiges gesellschaftliches Zusammensein in Unwürde bringt , darauf ist jemand, 
der dabei ist sich zu Grunde richten wohl kaum mehr ansprechbar, schon gar nicht 
auf einer instituitionalen Ebene wie sie an den Tag gelegt wird. 
Präventivmaßnahmen zu den ein oder anderen Problemen als Diskussionsbasis, sowie 
Gespräche darüber wie Mensch sich als Mensch in der Gesellschaft gesund fühlen 
kann, würde ich für sinnvoller halten. Im übrigen hat jeder das Recht sich als 
vollwertiges Gesellschaftsmitglied zu fühlen. Das man sich dafür zugrunde 
richten muß ist, ist eine Frage der Moral, ja. Muß man sich dafür selbst 
zugrunde richten? Weil wie gesagt, ein Süchtiger braucht seinen Stoff 
letztendlich um sich normal zu fühlen. Ich beobachte manchmal diese Chliquen am 
Bahnhof. Das ist eine Gesellschaft für sich, die sind im Prinzip nicht anders, 
die haben die gleichen Macken, das gleiche Herdenverhalten herrscht, sieht nur 
nicht ganz so schön aus. 
Für mich ist aber dieses ganze Thema kein 
normatives Thema, sondern eine Frage der Medizin-Ethik. Wäre schön, wenn ich 
davon etwas mehr hier lesen könnte. Würde mich sehr freuen. Ehrlich. Da könnte 
ich vielleicht auch etwas praktisch mit anfangen. 
Gruß
Lina 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
17. Sept. 2005, 22:31 Uhr 
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Hallo Eberhard,
Deine Definition von Sucht ist aus meiner Sicht ganz o.k., so 
dass wir diesbezüglich die gleiche Diskussionsgrundlage haben.
Bei der 
Verfassung des Beitrags hattest Du meine Einwände aus #31 offensichtlich noch 
nicht gelesen. Ich bin auf Deine Stellungnahme gespannt.
Hier mein Einwand:
Die Handlung "Selbstschädigung" ist Resultat zumindest zweier Ursachen:
Eine 
Ursache ist Wunsch des Menschen, neue Erfahrungen zu machen, etwas neues zu 
Erleben, Genuss zu erleben o.ä. (alles Motive, die aus der Selbstentfaltung 
entstammen). Hinzu kommt nun eine zweite Einwirkung als zweite Ursache der 
Wirkung "Selbstschädigung", nämlich die Wirkung der Droge: diese beeinträchtigt 
das Gedächtnis (der Konsument vergisst bestimmte Folgewirkungen), sie verändert 
die Wahrnehmung, auch die Selbstwahrnehmung, sie wirkt auf die Urteilsfähigkeit 
(Gefahren werden verkannt), sie wirkt auf die Emotionen (Angst wird z.B. nicht 
wahrgenommen) usw..
Um also von der Handlung "Selbstzerstörung" auf den 
zugrunde liegenden Entschluss des Menschen zurückzuschließen, muss Du erst 
einmal die Wirkung der Droge auf die Handlung abziehen, dann hast Du den Anteil 
des Willens des Betreffenden, der hinter dem Resultat "Selbstzerstörung" steckt.
Falls Du dem folgst: welchen Willen oder welches Ziel erkennst oder siehst Du 
dann?
Ich zweifle daran, dass dieser Entschluss "Selbstzerstörung" lautet.
Ein zweiter Hinweis:
Du selbst weist in Deiner Sucht-Definition auf das 
Auftreten von Entzugserscheinungen hin.
Die erste Einnahme der Droge erfolgt 
sicher nicht, weil der Betreffende Entzugserscheinungen beabsichtigt. Die 
Drogeneinnahme des später dann Abhängigen erfolgt weder deshalb weil der 
Konsument die Entzugserscheinungen so schön findet oder weil er sich selbst 
zerstören will, sondern weil er normal sein will, weil er die 
Entzugserscheinungen weghaben will - oder weil er das anfängliche Rauscherlebnis 
sucht (je nach Suchtstadium oder Suchtmittel, siehe Linas Einwand, der sich mit 
meinem überschnitten hat). Er will, wenn das Stadium der Abhängigkeit erreicht 
ist, einfach nur die seine normale Funktionsfähigkeit störenden 
Entzugserscheinungen beseitigen (bei Heroin oer Alkohol) und erreicht als 
Nebeneffekt die Aufrechterhaltung der Sucht mit fortschreitender 
Selbstzerstörung. Dieses Ergebnis entsprach jedoch nicht seinem Willen. - Oder?
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
17. Sept. 2005, 23:51 Uhr 
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Hi, Eberhard,
zunächst: wieso tust du die Argumente eines Dealers oder 
eines Mohnbauern so einfach ab? Sie sind nämlich durchaus vernünftig. Und ich 
gehe nicht davon aus, dass ein Konsens nicht angestrebt wird. Im Falle des 
Junkie-Dealers besteht er sogar de facto.
deren Konsum zwanghaft ist, 
weil eine Konsumunterbrechung zu Entzugserscheinungen führt Am Rande bemerkt: 
Entzugserscheinungen sind kein Indikator für Sucht. Kokain z.B. macht erst nach 
langem Gebrauch ein wenig körperlich abhängig. Ohnehin ist die körperliche 
Abhängigkeit vergleichsweise harmlos und in weniger als 3 Wochen zu beseitigen. 
Das Suchtproblem ist die psychische Abhängigkeit, die regelrecht zu einem 
Todestrieb führen kann. Der Tod tritt wohl am häufigsten durch grobe 
Fahrlässigkeit ein: verschleppte Krankheiten, Verkehrsunfälle, Überdosen, 
Provokation von Gewalttaten usw., alles Dinge, die Mensch normalerweise zu 
vermeiden trachtet.
Das Problem ist nur, dass der „ethische 
Wille“ (ich würde sagen, das verinnerlichte Ethos) von Mensch zu Mensch 
differiert. 
Eberhard, das ist nicht ausgemacht.
Der ethische Willen ist 
zwar grundlos, gehört eben zu den Empfindungen / Wahrnehmungen am Anfang, aber 
sein Auftreten ist nicht grundlos. Er ist ebenso eine Reaktion auf äußere 
Bedingungen wie die biologischen Steuerung; er bietet die alternative 
Entscheidungsmöglichkeit auf sie.
Das setzt allerdings voraus, dass die 
Situation erkannt wird, und zwar, wie ich schon mal sagte, vollständig und 
überzeitlich, was bei biologischen Reaktionen nicht der Fall ist. Das heißt, 
wenn ein Mensch in einer Situation nicht ethisch entscheidet, kann das daran 
liegen, dass er die Situation nicht erkennt, und ich meine, man sollte doch erst 
einmal das prüfen, bevor man andersartige Ethik unterstellt. Zudem ist der 
ethische Willen eine Alternative. Zumindest im Moment kenne ich keinen Grund, 
warum er zwingend sein sollte. Die Wahl zwischen Biologie und Ethik könnte genau 
so gut willkürlich sein (mit allen Vorbehalten).
Ich denke, wogegen der 
ethische Willen auch protestiert, ist das Leiden. Dazu muss Mensch aber erst 
einmal Leid erkennen können. Ist ein Wurm leidensfähig? Ich weiß es nicht. Aber 
ich gehe davon aus, dass der Angler sich darüber keine Gedanken macht, wenn er 
ihn auf den Haken zieht.
Meine Katze hatte keine Probleme damit, mit 
einer Maus zu spielen, der schon die Gedärme heraushingen. Ich hingegen hatte 
damit Probleme und habe die Maus tot geschlagen. Ist das meine Natur? 
Bekanntlich gibt es Menschen, die keine Probleme damit haben, Tiere zu quälen. 
Haben die eine andere Natur?
Wenn im Baggerloch einer einen Kopfsprung 
ins Wasser macht, muss ich, wenn ich gerade mit meinem Hund schwimme, ihn daran 
hindern, schnell zu dem Versunkenen zu schwimmen um ihn zu retten (was wegen der 
Krallen durchaus unangenehm werden kann). Er sieht also, dass da einer in Gefahr 
ist, ein anderes Lebewesen als er selbst, aber eines, dem er offenbar genug 
(emotionalen) Wert beimisst, um ihn aus der Gefahr retten zu wollen. Das ist 
seine Natur, er ist ein Hund. Meine Katzen wären nie auf die Idee gekommen. Weil 
ihre Natur anders ist.
Nun könnte man sagen, es gibt Katzenvölker und es 
gibt Hundevölker unter den Menschen. Klassischer Rassismus. Nur, wie gesagt, 
unter 'Hundevölkern' gibt es Katzen und unter 'Katzenvölkern' Hunde. Widerspruch 
durch die Tatsachen.
Man könnte aber auch sagen, Katzenvölker und 
Hundevölker unterscheiden sich durch die unterschiedliche Enkulturation. Das ist 
die derzeit vorherrschende US-amerikanische Position. Die Schlussfolgerung ist, 
dass die Hundevölker die Katzenvölker zu Hundevölkern machen, qua Enkulturation 
- unter ihrer Herrschaft. Eine äußerst gefährliche und moralisch sehr 
angreifbare Position (vor allem dann, wenn das Hundevolk anderen eher als 
Katzenvolk erscheint). Man will da den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.
Könnte nicht auch der ethische Willen in anderen Kulturen sich deswegen auf 
anderes richten, weil die von ihnen erkannten Situationen andere sind? Wobei wir 
nicht von vorn herein sagen können, wer die Situation umfassender erkennt?
Und damit zurück zur Drogenszene, denn das ist eine andere Kultur mit 
eigenen Normen und eigener Moral, die sich sorgfältig gegen die als bedrohlich 
empfundene bürgerliche Gesellschaft abgrenzt. Da kann man auch selber durchaus 
fragwürdig entscheiden.
Bei einem Junkie entdeckte ich eine frische Wunde 
am Hals. Gefragt, woher, sagte er, ein Mitbewohner seines Heimes habe ihn im 
Streit in den Hals gestochen. Bat mich jedoch inständig, niemandem etwas davon 
zu erzählen. Die typische Omertá. Na gut. Da er hochgradig suizidgefährdet war 
und Gewalt in der Szene nicht gar so unnormal ist, entschied ich mich, seinem 
Wunsch zu folgen. Ne Woche später war er trotzdem an Überdosis verstorben.
Problem war, der Mann, der ihn in den Hals gestochen hatte (unter Zeugen 
übrigens, die natürlich auch alles taten, die Sache zu verbergen) nahm ein 
halbes Jahr später eine Eisenstange, ging zum Bett eines Kumpanen und schlug ihn 
tot.
Hätte ich mit dieser Möglichkeit gerechnet, hätte ich natürlich 
anders gehandelt. Ich habe aber nicht damit gerechnet. Meinetwegen war ich zu 
dumm, diese Möglichkeit der Aggressivitätsentwicklung zu bedenken. Ändert aber 
nichts. Und damit haben wir eigentlich den Fall, dass der ethische Wille 
abhängig ist von der Erkenntnis, von der Erkenntnis, welche Entwicklung etwas in 
der Zukunft nehmen kann. Das gleiche gilt, wenn man eine Entscheidung in einem 
bestimmten Bereich für problemlos hält, die sich aber in einem Bereich, den man 
nicht überblickt, zur Katastrophe auswachsen kann und die man, hätte man ihn 
überblickt, so nie getroffen hätte. 
Also, ohne die 
Erkenntnismöglichkeiten einzubeziehen, kann man brauchbare Aussagen über den 
ethischen Willen nicht treffen.
Mir ist übrigens kein Drogenabhängiger 
bekannt, der gemerkt hätte, dass er sich in die Abhängigkeit begibt. Die haben 
immer geglaubt, sie könnten im Gegensatz zu allen anderen aufpassen und die 
Sache mit dem Konsum im Griff halten (und beim ersten Turkey gedacht, sie hätten 
eine Grippe). Was m.E. Verbot und Zwang rechtfertigt: wer eine Entscheidung 
unter mangelndem Überblick trifft, dessen Entscheidung kann man nicht als 
verständig ansehen.
Es gibt aber noch einen anderen Punkt, auf den ich in 
diesem Zusammenhang hinweisen möchte: die Reue. Was ist Reue? Ist es nicht so, 
dass sie die Folge davon ist, dass man die eigenen vergangenen Handlungen unter 
einer anderen Perspektive betrachtet und deswegen auf einmal andere 
Zusammenhänge und Folgen sieht, die man zuvor nicht gesehen hat? Und dass man 
die Handlung nicht begangen hätte, hätte man sie damals unter der gleichen 
Perspektive wie heute gesehen?
Schließlich noch: die Rechtfertigung. Die 
ist sehr schwer von mangelnder Erkenntnis abzugrenzen. Man kann im Grunde alles 
vernünftig erklären, ohne dass dabei selbst bei größten Verbrechen mehr als paar 
erbärmliche Tröpflein Schuld für einen selber heraus kommen. Das geht 
problemlos. Vor Gericht ist so was leicht erklärbar. Aber wie ist es mit den 
ungefragten Rechtfertigungen, die man manchmal im ganz normalen Alltag (also, in 
der Drogenszene ist das jedenfalls häufig) zu hören bekommt? Sind sie nicht 
Indiz dafür, dass einer seine Entscheidungen und Handlungen schön redet - weil 
er weiß, dass sie nicht schön sind?
Also, die Sache mit dem 
unterschiedlichen Ethos, die ist imho noch nicht ausgemacht.
Fazit: wenn 
wir wissen wollen, worauf der ethische Wille sich richtet, dürfen wir nicht von 
der Situation ausgehen, wie wir sie sehen, sondern wir müssen von der Situation 
ausgehen, wie ein anderer sie sieht. Und die Möglichkeit einbeziehen, dass er 
die Wahl hat, pro Biologie oder pro Ethik zu entscheiden.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
17. Sept. 2005, 23:56 Uhr 
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Hi, Sheelina und doc rudi,
erklärt doch mal bitte, warum die meisten nach 
Entgiftung und Therapie rückfällig werden.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von paul am 18. 
Sept. 2005, 01:00 Uhr 
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on 09/17/05 um 23:56:18, Abrazo wrote:Hi, Sheelina und doc rudi,
erklärt doch mal bitte, warum die meisten nach Entgiftung und Therapie 
rückfällig werden.
Gruß 
(Ersatz-Antwort)
Die Mediziner 
(nicht alle) und die Sozialrichter nannten es eine Krankheit, ich bin so grausam 
und nenne es schwachen Willen oder neutraler einen "software-Fehler" des Systems 
Mensch, der zum Systemabsturz führen kann.
Gruss
Paul
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
18. Sept. 2005, 02:16 Uhr 
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Hallo an Alle.
@abrazo
schreibt: "im Grab büsst man nicht".
Die 
meisten Straftäter ziehen eine lebenslange Haftstrafe dem Tod vor. Machen sie 
das nur, weil sie sich lieber der Verantwortung stellen und büßen?
Weiter: "Er hätte den Notarzt nicht geholt. Er war ja bewusstlos *g*.
Schön, 
dann trägt er für dessen Kommen und damit die Kosten keine Verantwortung. Der 
Eid des Hippokrates ist nicht sein Problem, er hat ihn nicht zu verantworten. 
Also schadet er der Gesellschaft nicht und kann mit seinem Leben machen was er 
will. Wenn die Gesellschaft sich verpflichtet fühlt, ihm zu helfen, ist das 
Sache der Gesellschaft, nicht seine. 
@Eberhard
definiert: 
"'Sucht' ist die Abhängigkeit von stark gesundheitsschädigenden Drogen, deren 
Konsum zwanghaft ist, weil eine Konsumunterbrechung zu Entzugserscheinungen 
führt."
Also, du beziehst dich ausschließlich auf Drogen, Spielsucht, 
Gefallsucht usw. rechnest du nicht dazu.
Gut, akzeptieren wir das. 
Der entscheidende Punkt aber bleibt der Schaden gegenüber der Gesellschaft. 
Schadet er n u r sich selbst, kann ich keine moralische Verpflichtung gegenüber 
anderen erkennen und ob er sich selbst gegenüber moralische Verpflichtungen hat, 
ist nicht deine (unsere) Sache.
Es ist richtig, dass die Gesellschaft 
sich das Recht nehmen kann, Schäden durch Selbstzerstörern abzuwehren. Sie darf 
das aber nur, wenn ihr der Selbstzerstörer auch wirklich schadet. Zu sagen, du 
schadest uns, weil du uns gemäß unserer Moral zwingst, dir zu helfen, ist nicht 
akzeptabel. 
Abgesehen davon steht eine genaue Schadensrechnung noch aus. 
Alkohol- und Nikotinsteuer sind nicht von Pappe.
Ergebnis: Wenn die 
Gesellschaft moralischen Druck auf Süchtige ausübt, so hat das den 
ausschließlichen Zweck, ihre Moralvorstellungen durchzusetzen. Es ist haargenau 
dieselbe Ebene, mit der zB. das Christentum früher (zum Teil auch nocht heute) 
den Wahren Glauben durchsetzte. "Der wahre Christ sorgt sich um das Seelenheil 
seines Nächsten". Die hier vorgebrachten Argumente kann man im Prinzip bei 
Augustin oder Thomas v. Aquin nachlesen, übrigens auch im Hexenhammer! [cheesy]
Gruß HP
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am 
18. Sept. 2005, 06:33 Uhr 
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on 09/17/05 um 23:56:18, Abrazo wrote:Hi, Sheelina und doc rudi,
erklärt doch mal bitte, warum die meisten nach Entgiftung und Therapie 
rückfällig werden.
Gruß 
Hallo Abrazo,
ich weiß 
nicht, ob die meisten tatsächlich rückfällig werden. Das hat zum Beispiel damit 
zu tuen, dass sie ja in die gleiche Welt, in die gleiche Gesellschaft, in die 
gleichen Verhältnisse entlassen werden, wo sie sich vorher auch schon drin 
befunden haben. Da kann gleiches natürlich auch wieder gleiches oder ähnliches 
auslösen. Man wird sozusagen an ein Mittel als Möglichkeit erinnert und diese 
Erinnerung damit gilt es umzugehen. Wobei vielleicht noch eine Chance darin 
liegen könnte, ähnlich des Methadon-Programmes, als Ersatz, auf die 
Ähnlichkeiten schon im Vorfeld des Griffes auf das Mittel, bevor es zur Sucht 
kommt, hinzuweisen. Und da kann bei der Intensität der Stofflichkeit einer Droge 
kaum ein anderes nichtstoffliches Mittel mit seiner Intensität mithalten. 
Deswegen sind die auch so mächtig.
Gruß
Lina 
Gruß
Lina 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
18. Sept. 2005, 08:55 Uhr 
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Hi, Sheelina,
du hast leider keine Ahnung.
Vor ca. 5 Jahren betrug 
die offizielle, von den entsprechenden Fachkliniken errechnete Rückfallquote bei 
Alkohol und Drogen 97%. Das heißt, kaum einer schafft es im ersten Anlauf.
Falsch ist auch, dass sie in die gleichen Verhältnisse zurück kehren, aus 
denen sie kamen. Das Einstiegsalter ist etwa zwischen 14 und 18 (nur bei Alkohol 
ist es öfter mal später). Wenn sie ca. 10 Jahre später aussteigen (wollen), 
haben sie Herz-Kreislaufprobleme, keine Zähne, Hepatiden, keinen Schulabschluss, 
keine Ausbildung, Vorstrafen, erhebliche Sozialisationsmängel, Ängste, 
Schuldgefühle, keine Beziehungen, kein Eigentum und dabei das Bild 
Gleichaltriger vor Augen, die sie von früher kennen und die uneinholbar an ihnen 
vorbei gezogen sind.
Methadon hat erhebliche Nachteile: es bringt keinen 
'Kick' wie Heroin. Nicht wenige versuchen, sich diesen 'Kick' oder den 
Betäubungszustand durch Beikonsum zu verschaffen (wer sich mit Drogensucht 
befasst, muss immer im Auge behalten, dass Drogen Betäubungsmittel sind, die 
Gehirnfunktionen außer Kraft setzen). Was vor den behandelnden Ärzten und 
Therapeuten selbstverständlich sorgfältig verborgen wird. Lüge ist 
selbstverständlicher Alltag.
Zur WHO-Studie beim Schweizer 
Heroinabgabeversuch gab es eine Minderheitenmeinung (der die Studie auswertenden 
WHO-Experten), die der Auffassung war, maßgebend für den Erfolg sei nicht das 
Mittel, sondern die intensive Begleitung und Betreuung, die allerdings so 
aufwendig ist, dass es fraglich ist, ob sie außerhalb einer mit besonderen 
finanziellen und personellen Mitteln überhaupt geleistet werden kann (Hanspeter 
würde sie also alle verrecken lassen).
Unter zahlreichen 
Schwerstabhängigen kenne ich zwei, die es geschafft haben (so eingermaßen). 
Einen älteren Alkoholiker, den ich halb tot aus einem Zelt gezogen und per 
Krankenwagen in die Entgiftung transportieren ließ und ein Junkie-Frau, der man 
ihren Sohn entgültig wegnehmen wollte (nicht wenige schaffen es auch dann 
nicht). Der Alki wolllte nicht sterben und die Junkie-Frau ihren Sohn nicht 
verlieren. Voraussetzung bei beiden war, dass sie beide wussten, dass sie keine 
Chance hatten, ihr Ziel zu erreichen, wenn sie nicht ihre Willensfreiheit, ihre 
Autonomie ihren Helfern überantworten. Eine Sache, die mir ganz und gar nicht 
gefällt. Aber es scheint eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwöhnung zu 
sein.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
18. Sept. 2005, 09:36 Uhr 
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Hallo allerseits,
Vorweg zum Verfahren: Ich bin kein Drogen- oder 
Suchtexperte und in dieser Diskussionsrunde geht es nicht um die Beantwortung 
der Frage: Was ist Sucht und wie bekämpft man sie am besten? Sondern es geht um 
eine Frage der Ethik: Hat sich jemand, der sich durch den Konsum von 
Suchtmitteln zu Grunde richtet, deswegen etwas vorzuwerfen? Und wenn ja, aus 
welchem Grunde? Ist sein Verhalten zu billigen? Und wenn nein, warum nicht? 
Ich schlage vor, dass wir uns auf diese Frage beschränken und andere Fragen 
nur dann erörtern, wenn deren Beantwortung eine Vorraussetzung für die 
Beantwortung dieser Frage ist.
Also: Hat sich derjenige, der nach einigen 
Jahren Alkohol- oder Heroingenusses ein körperliches und geistiges Wrack ist, 
etwas vorzuwerfen?
Ich sehe dazu verschiedene Meinungen.
1. Dies 
geht niemanden etwas an, sofern er nur sich selber geschadet hat. Alles andere 
ist eine unzulässige Einmischung in die privaten Angelegenheiten eines Menschen 
unter einem zweifelhaften Vorwand nach dem Muster: Ich muss mich um dein 
Seelenheil kümmern, deshalb muss ich mich in alles einmischen, was du denkst und 
tust.
2. Dagegen steht der Einwand, dass niemand für sich allein in 
dieser Welt lebt und dass praktisch immer andere in Mitleidenschaft gezogen 
werden. Fast jeder hat z.B. Eltern, die viel für ihn getan haben und deren 
Hoffnungen durch eine solche Suchtkarriere aufs tiefste enttäuscht werden. 
Entsprechendes gilt für Kinder oder Partner, die ebenfalls darunter zu leiden 
haben.
Dass eine solche Suchtkarriere die anderen zu kostspieliger Hilfe 
verpflichtet, ist dann relevant, wenn der Süchtige diese Hilfe selber als sein 
gutes Recht fordert oder auf diese Hilfe rechnet.
3. Durch Drogenkonsum 
und Drogenabhängigkeit wird der normale Wille eines Menschen geschädigt. Seine 
Fähigkeit zur Selbststeuerung ist beeinträchtigt. Deshalb darf man diesen 
Menschen nicht sich selbst überlassen.
4. Jeder hat in sich ein Ethos, 
einen ethischen Willen hat, der - bei angemessener Wahrnehmung und Kenntnis der 
Sachlage - das Verhalten des Süchtigen missbilligt und einen selbst 
verpflichtet, helfend einzugreifen.
Um Ergänzungen und um Argumente für 
oder gegen diese Positionen
bittet Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
18. Sept. 2005, 10:02 Uhr 
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Hi,
Gegenposition zu Argument 1: dieses Argument unterscheidet sich 
insofern nicht von dem des Augustinus, als dass ein theoretisches Modell vom 
Menschen vorgestellt wird (dem der Mensch gefälligst nachzukommen hat), das der 
Überprüfung in der Praxis nicht stand hält.
Den Menschen als Einzelwesen 
anzusehen ist reine Theorie und diese Theorie ist falsch. Mensch ist als 
Einzelwesen von Geburt an nicht lebensfähig, auch später nicht wegen unserer 
arbeitsteiligen Gesellschaftsorganisation. Daraus folgt: anzunehmen es sei 
möglich, sich selbst zu zerstören, ohne dass irgend ein anderer Mensch davon 
betroffen würde, ist Unsinn, weil et dat nicht jibt.
Dieser Unsinn wäre 
nur unter dem Postulat zu verwirklichen, du hast als Erwachsener als 
Einzelmensch zu leben. Das aber ist eine moralische Soll-Vorschrift, womit wir 
wieder bei Augustinus wären (gleiche Form, nur der Inhalt ist unterschiedlich).
Der Freiheit des Selbstzerstörers steht zudem der ethische Wille anderer 
gegenüber, der mit der Zerstörung von Menschen, auch der Selbstzerstörung, 
unvereinbar ist. Was ist mit deren Willensfreiheit? Will man sie etwa aus 
moralischen Gründen daran hindern, ihrem Gewissen zu folgen? Entsprechende 
Versuche gab es öfter mal. Abgesehen davon, dass sie alle langfristig 
gescheitert sind, setzen sie eine gesellschaftliche Ordnung voraus, die nicht 
der unsrigen entspricht.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von paul am 18. 
Sept. 2005, 11:48 Uhr 
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ABRAZO
mir gefällt Dein Beitrag sehr gut, ich stimme allem zu, nur eine 
Anmerkung,
Dein Zitat:
<<Methadon hat erhebliche Nachteile: es bringt 
keinen 'Kick' wie Heroin. Nicht wenige versuchen, sich diesen 'Kick' oder den 
Betäubungszustand durch Beikonsum zu verschaffen (wer sich mit Drogensucht 
befasst, muss immer im Auge behalten, dass Drogen Betäubungsmittel sind, die 
Gehirnfunktionen außer Kraft setzen).>>
Die Opiatwirkung (Sammelbegriff) 
und der Kick führt zu einem Kernproblem der Süchtigen. Natürlich führen sie alle 
zu einer Art "Betäubung".
Und Methadon macht prinzipiell ebenso abhängig wie 
Heroin, das ist auch die Hauptkritik am ganzen Methadon-Konzept. Trotzdem gibt 
es einen grossen Unterschied zwischen "normalen" Abhängigen und süchtigen 
Menschen. Opiate werden schliesslich bei Krankheiten tonnenweise verabreicht, 
ohne süchtig zu machen und zwar nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig 
(Schmerztherapie) und ausser ein wenig Obstipation sind sie praktisch 
nebenwirkungsfrei, die Menschen führen ein weitgehend normales Leben, auch 
Berufsleben. Ist die Schmerzursache vorbei (was oft nicht möglich ist), kann man 
es auch wieder absetzen.
Bei sachgemässer Schmerztherapie wird dabei aber 
bewusst der Kick vermieden, das ist, einfach ausgedrückt, der schnelle Übergang 
von Schmerz zur Schmerzfreiheit. Es wird dauerdosiert und ggf. relativ hoch 
dosiert um eine Dauerschmerzfreiheit (ohne Kick) zu erreichen. Bekannt ist ein 
englischer berufstätiger Busfahrer, der täglich 600mg Morfin benötigt. Er ist 
nicht süchtig im Sinne der Drogensüchtigen.
Der Kick macht den Unterschied, 
der macht auch den Alkoholiker (dosisabhängig) und den Raucher (nicht 
dosisabhängig) aus.
Rehabilitation muss sich also auf den Verzicht auf den 
Kick konzentrieren, die reine Entgiftung der schweren! körperlichen 
Entzugssymptome ist vergleichsweise ein leichtes medizinisches Problem. Es geht 
um die Psyche.
@HP
zitat:
<<Abgesehen davon steht eine genaue 
Schadensrechnung noch aus. Alkohol- und Nikotinsteuer sind nicht von Pappe. >>
haha, die übliche Ausrede aller Raucher, völliger Quatsch, das ist oft genug 
ausgerechnet worden, natürlich ist der angerichtete (solidarisch getragene) 
Gesamtschaden wesentlich höher als alle Steuern.
Raucher produzieren neben 
vielen nicht tödlichen Erkrankungen (Kinder) mehr Tote als alle Kriege, alle 
Verkehrstote und noch AIDS auf der ganzen Welt zusammen genommen (WHO).
Raucher zeichnen sich mit ihrem Laster durch besondere Uneinsichtigkeit und 
Rücksichtslosigkeit aus, sie verlangen Toleranz ihrer nichtrauchenden Umgebung.
Dabei schafft es heute aber eine zunehmende Mehrheit erwachsener Männer, das 
Rauchen aufzugeben (Frauen weniger). Merkwürdigerweise ist das "ordentliche" 
Deutschland hier aber Schlusslicht aller "westlichen" Länder und unsere 
Regierungen waren bisher stolz darauf, die Einschränkungen bei der Tabakwerbung 
durch die EU (2x) verhindert zu haben. Ich denke, das ist nicht nur etwas 
verantwortungslos, sondern auch etwas inkompetent, dumm, so Politik aus dem 
Bauch, weniger aus dem Kopf. Sogar die "ungebildeten" Amerikaner sind hier etwas 
weiter, toleranter (grins).
Gruss
Paul 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
18. Sept. 2005, 13:15 Uhr 
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Hallo Abrazo,
Du schreibst: „Der Freiheit des Selbstzerstörers steht … 
der ethische Wille anderer gegenüber, der mit der Zerstörung von Menschen, auch 
der Selbstzerstörung, unvereinbar ist. … Will man sie etwa aus moralischen 
Gründen daran hindern, ihrem Gewissen zu folgen?“
Interpretiere ich diese 
Äußerung richtig, wenn ich daraus folgere, dass für Dich das Gewissen des 
Einzelnen eine unfehlbare moralische Instanz ist und jeglicher moralischen 
Argumentation überlegen?
Deine Auffassung, dass es in jedem Menschen 
einen ethischen Willen gibt, der bei gleicher Sicht der Fakten zu intersubjektiv 
übereinstimmenden normativen Urteilen führt, kann ich nicht teilen.
Ich 
denke da etwa an die Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs.
Hier kommt 
das Gewissen der christlichen Fundamentalisten offensichtlich zu einem andern 
Urteile als mein Gewissen. Ich denke nicht, dass sich dieser Dissens durch eine 
Angleichung der Wahrnehmungen etc. beseitigen lässt. 
Deshalb wäre es 
problematisch, wenn man jedem „Überzeugungstäter“ einen Freibrief ausstellen 
wollte. Ein solcher Freibrief trägt den Keim des Bürgerkrieges bereits in sich.
Position 4 ist deshalb keine Lösung des Problems, das die Moral gerade 
entschärfen soll: den zwischenmenschlichen Konflikt,
meint Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am 
18. Sept. 2005, 15:23 Uhr 
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on 09/18/05 um 08:55:53, Abrazo wrote:Hi, Sheelina,
du hast leider 
keine Ahnung. 
Mit Erlaub Abrazo, bist Du blöd oder was? Ich 
schrieb doch selbst schon:
"ich weiß nicht, ob die meisten tatsächlich 
rückfällig werden." 
Deine weiteren Ausführungen habe ich natürlich nicht 
gelesen, weil sie mir an meinem Thema komplett vorbeigehen. Etwas, war da noch 
auf was ich da in Deinem vorherigen Text sehr gerne eingegangen wäre, aber Du 
scheinst ja Scheuklappen anzuhaben. Bin nicht interessiert, schon gar nicht an 
Argumentationen von Leuten, die meinen sie wüßten alles besser, Herr 
Schlaumeiergedönsrat. Klar, dass das Wesentlichste so für Deine Augen unsichtbar 
bleiben wird.
Keine Grüße
Lina 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am 
18. Sept. 2005, 15:30 Uhr 
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Achso PS: Ich meinte Frau Schlaumeiergedönsrat, nicht Herr, falls Du darauf wert 
legst. Unverschämtes Balg... meint beurteilen zu können, wovon ich Ahnung habe, 
macht doch Euren Scheiß allein...
Zufrieden Gnädige Frau? 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
18. Sept. 2005, 16:01 Uhr 
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Hallo an Alle,
@ paul.
Da kennst du im Falle des Rauchens die 
wirklich exakten Rechnungen leider nicht. Der Raucher ist ein Gewinn für die 
Gesellschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass er preisgünstig und rentensparend so 
um die 60 herum zB an Lungekrebs stirbt, ist groß. Und die Kosten, wenn er mit 
80 zB an Altersdiabetes stirbt, sind sehr hoch....
Deinen Kommentar "Mörder" 
kannst du dir in diesem Zusammenhang übrigens sparen.
@ eberhard:
schreibt: "Dagegen steht der Einwand, dass niemand für sich allein in dieser 
Welt lebt und dass praktisch immer andere in Mitleidenschaft gezogen werden."
Das kann man so sehen, richtig. Die Konsequenz wäre aber dann letztlich der 
depressiv strukturierte Mensch, der immer nur überlegt, schadet mein Handeln in 
irgend einer Weise irgendwelchen anderen Menschen. Das aber ist keine 
Lebensgrundlage, jedenfalls keine, die mir erstrebenswert scheint. 
Fast jede 
Handlungsweise schadet auch irgendwelchen anderen Menschen. Wenn du dich ins 
Auto setzt (Erdölverbrauch, CO2-Ausstoß), Ressourcen verbrauchst usw.
Wer 
sich aber mit einem recyclebaren Jutestrick aus ökologisch nachhaltigem Anbau, 
fairem Handel und garantiert frei von Kinderarbeit aufhängt, nützt der 
Gesellschaft: Keine Umweltbelastung, Arbeitsplatz wird frei, Rentenkasse wird 
entlastet, Erben freuen sich, Bestattungsunternehmen ebenso..... [grin] [grin] 
[grin] [grin] [grin]
Gruß HP 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Berny am 18. 
Sept. 2005, 17:06 Uhr 
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Hallo Hanspeter und Interessierte, 
oh du ganzheitlich rational denkender 
Vertreter eines scheinbar superradikalen Ökonomismus, bei dem selbst der Humor 
im Rhythmus einfach mitmuss!
Dir traue ich doch tatsächlich zu, dass du 
mit deiner Schocktherapie sogar den Unverstand „zu Grunde richten“ könnest! 
Mit sonntäglichen Grüßen
Berny (BernhardLayer)
Ps. In einer Stunde 
schließen die Wahllokale. Richte ich mich oder einen anderen Menschen zugrunde, 
wenn ich nun doch noch zur Wahl gehe oder wenn ich es unterlasse?
Natürlich versuche ich abwägend zu bedenken, was meiner Überlegung und der 
Überlegung eines anderen zu Grunde liegt, der mir meine schwierige Überlegung 
heute überhaupt erst aufgenötigt hat. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
18. Sept. 2005, 17:14 Uhr 
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Hi, Sheelina,
wie wärs damit?
http://www.benehmen-sie-sich.de/
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Sheelina am 
18. Sept. 2005, 17:46 Uhr 
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Hol Dir noch nen Hund dazu Abrazo, dann braucht Deine Katze Dich auch nicht auf 
Menschen loszulassen. Gescheckt? 
Danke reicht. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
18. Sept. 2005, 21:42 Uhr 
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Hallo,
Die Handlung "Selbstschädigung" ist Resultat zumindest zweier 
Ursachen: 
Eine Ursache ist Wunsch des Menschen auf einen Rausch.
Hinzu 
kommt nun eine zweite Einwirkung als zweite Ursache der Wirkung 
"Selbstschädigung", nämlich die Wirkung der Droge: diese beeinträchtigt das 
Gedächtnis (der Konsument vergisst bestimmte Folgewirkungen), sie verändert die 
Wahrnehmung, auch die Selbstwahrnehmung, sie wirkt auf die Urteilsfähigkeit 
(Gefahren werden verkannt), sie wirkt auf die Emotionen (Angst wird z.B. nicht 
wahrgenommen) usw.. 
Um also von der Handlung "Selbstzerstörung" auf den 
zugrunde liegenden Entschluss des Menschen zurückzuschließen, muss Du erst 
einmal die Wirkung der Droge auf die Handlung abziehen, dann hast Du den Anteil 
des Willens des Betreffenden, der hinter dem Resultat "Selbstzerstörung" steckt.
Die erste Einnahme der Droge erfolgt sicher nicht, weil der Betreffende 
Entzugserscheinungen beabsichtigt. Die Drogeneinnahme des später dann Abhängigen 
erfolgt weder deshalb weil der Konsument die Entzugserscheinungen so schön 
findet oder weil er sich selbst zerstören will, sondern weil er normal sein 
will, weil er die Entzugserscheinungen weghaben will - oder weil er das 
anfängliche Rauscherlebnis sucht (je nach Suchtstadium oder Suchtmittel, siehe 
Linas Einwand, der sich mit meinem überschnitten hat). Er will, wenn das Stadium 
der Abhängigkeit erreicht ist, einfach nur die seine normale Funktionsfähigkeit 
störenden Entzugserscheinungen beseitigen (bei Heroin oder Alkohol) und erreicht 
als Nebeneffekt die Aufrechterhaltung der Sucht mit fortschreitender 
Selbstzerstörung. Dieses Ergebnis entsprach jedoch nicht seinem Willen. 
Wieso vergeudet Ihr Zeit mit Unsachlichkeit anstatt Euch mit meinen Argumenten 
auseinanderzusetzen?
Gruß 
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
18. Sept. 2005, 23:32 Uhr 
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Hi,
@Paul: ich habe nicht die allergeringsten Einwände gegen den Einsatz 
von Opiaten bei der Schmerztherapie. Das sehe ich genau so wie du. Und eine 
vernünftige Dosis Opiate halte ich allemal für besser als eine lebensfeindliche 
Euthanasie-Diskussion, womit wir wieder beim Thema wären: wer als unheilbar 
Kranker wegen unerträglicher Schmerzen den Selbstmord will, dem sollte man doch 
lieber erst mal Opiate geben.
Aber den Kick sehe ich nicht als das 
Hauptproblem, zumal Langzeitabhängige erzählen, dass sie den Kick kaum noch 
kriegen. Schau, es gibt auch Alkohol-, Kokain-, Cannabis- (ja!) und 
Tablettenabhängige. Gerade bei letzteren ist es am offensichtlichsten: das 
vorrangige Ziel ist die Betäubung. Nicht mehr sehen müssen, nicht mehr denken 
müssen, nicht mehr alles mitbekommen müssen von sich und der Umwelt, in seinen 
Illusionen leben können, ohne mit der sich für ihn immer weiter verschlimmernden 
Realität leben zu können, das halte ich für das Hauptmotiv. Eine spezielle Form 
des Ausstiegs aus der Wirklichkeit zugunsten einer qua Betäubung abgeschirmten 
Egozentrik. In Kliniken und bei Therapiesitzungen ist das vielleicht nicht so 
offensichtlich, aber draußen, in der Szene, im locker-entspannten Gespräch, da 
ist es unübersehbar.
Wir finden dieses Phänomen ja auch in anderen 
suchtartigen Praktiken.
Ich habe die Szene als ein radikales Spiegelbild 
unserer Gesellschaft gesehen (deswegen war sie so interessant für mich), in dem 
viele Phänomene viel klarer und schärfer zutage treten. Ob Drogenabhängigkeit, 
zunehmende Brutalisierung, Missachtung der Zahlungsmoral, Ausbeutung von 
Arbeitnehmer und Staat durch Arbeitgeber, Sozial-, Steuer- und 
Versicherungsbetrug durch Bürger, ich sehe hinter allem einen gemeinsamen 
Nenner, der auch hinter manchen Diskussionsbeiträgen aufscheint: die 
Verweigerung von Pflichten. Pflichten sich selbst gegenüber, Pflichten seinen 
Mitmenschen gegenüber, Pflichten dem Dasein gegenüber. Viele Argumente lassen 
sich zu einem einzigen zusammenfassen: wahr oder nicht wahr ist mir wurscht, ich 
will einfach nichts und niemandem gegenüber Pflichten haben. Da wird dann auch 
der altehrwürdige Hippokratische Eid zu einer privaten Schrulle.
@Eberhard: du siehst die Sache zu einfach. Erstmal, nicht in allem, wo Gewissen 
drauf steht, ist auch Gewissen drin. Das Wort Gewissen hat einen hohen Rang, 
also wird es für allen möglichen Unfug missbraucht. Vor allem in Ideologien.
Interpretiere ich diese Äußerung richtig, wenn ich daraus folgere, dass für 
Dich das Gewissen des Einzelnen eine unfehlbare moralische Instanz ist und 
jeglicher moralischen Argumentation überlegen? 
Nein, das sehe ich ganz 
anders. Zum einen ist das Gewissen (hier mal mit dem ethischen Willen 
gleichgesetzt) keine moralische Instanz, sondern eine ethische. Das heißt, es 
richtet sich nicht nach positiven (=gesetzten) Normen. Es ist spontan und 
intuitiv. Nicht erkennbar, sondern erfahrbar.
Die Frage nach der 
Individualität ist ja genau die, die m.E. zu prüfen ist. Eben mit der Frage: auf 
welche Situationen reagiert der ethische Willen? Ist diese Reaktion tatsächlich 
so individuell, wie behauptet? Oder handelt es sich nicht doch um eine 
spezifisch menschliche Reaktion? Was natürlich voraussetzt, dass das Individuum 
die Situation überhaupt erkennt.
Ich denke da etwa an die Bewertung des 
Schwangerschaftsabbruchs. 
Hier kommt das Gewissen der christlichen 
Fundamentalisten offensichtlich zu einem andern Urteile als mein Gewissen. 
Ich denke nicht, dass der ethische Willen bewertet. Bewertung ist das Ergebnis 
einer Überlegung. Der ethische Wille überlegt nicht.
Aber nimm an, der 
ethische Willen richtet sich gegen sinnlose Zerstörung. Dann kann man eine 
Gegenrede zum Schwangerschaftsabbruch akzeptieren. Aber würden aggressive Akte 
bis hin zum Bombenlegen da hineinpassen? Mal abgesehen davon: wie rechtfertigen 
das denn Fundamentalisten? Mit ihrem Gewissen - oder mit ihrem Dogma? Das ist 
nicht dasselbe.
Deshalb wäre es problematisch, wenn man jedem 
„Überzeugungstäter“ einen Freibrief ausstellen wollte. Wieso wäre 
denn das die Konsequenz?
Wenn du zwischenmenschliche Konflikte vermeiden 
willst, dann zeig mir erst mal, wie du das machen willst. Auf welche Instanz 
willst du dich berufen bei der allgemeinen Anerkennung? Denk daran, ich halte es 
keineswegs für eine Tatsache, dass der ethische Willen rein individuell ist. 
Individuell ist die Erkenntnis der Sachlage - aber das ist was anderes.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
19. Sept. 2005, 01:44 Uhr 
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Hallo Rudi,
wenn ich mich recht erinnere, gab es einmal Gruppierungen, 
die allen Ernstes ein gesetzlich verankertes Recht auf einen Rausch forderten.
Vielleicht wäre es ja für manche besser, sich zu betrinken, als zur 
Wahlurne zu schreiten! [cheesy]
Gruß HP 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
19. Sept. 2005, 07:58 Uhr 
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Hallo Hanspeter,
ich glaube, es war im Rahmen der Diskussion um die 
Haschischfreigabe, dass ein Richter das Argument vortrug, dass es ein Recht auf 
Rausch gibt, das er aus dem Grundgesetzt - freie Entfaltung der Persönlichkeit - 
ableitete.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 19. Sept. 2005, 10:08 Uhr 
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.... wenn es die ver sklavung fördert 
wird selbst das oberste ge 
richt hier zu lande 
es er lauben !
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
19. Sept. 2005, 14:32 Uhr 
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Danke Rudi, 
ich erinnere mich ebenfalls! 
Also, freie Entfaltung der 
Persönlichkeit - meine Worte. [applause] [applause] [applause] 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
19. Sept. 2005, 17:59 Uhr 
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Hallo allerseits,
ich versuche mal, ein paar Dinge zu klären.
Doc 
rudi, Du beklagst, dass zu wenig auf deine Argumente eingegangen wird. Was mich 
betrifft, so liegt der Grund darin, dass du eine andere Fragestellung verfolgst. 
Dir geht es um den Nachweis, dass lebendige Systeme keinen Willen zur 
Selbstzerstörung in sich tragen. 
Das ist eine ganz andere Frage als die 
ethische oder moralische Frage, (ich gebrauche beide Worte synonym) ob man ruhig 
zu sehen darf, wie sich Leute selber zu Grunde richten.
Abrazo, Du willst 
herausbekommen, wann und wie sich der von dir postulierte ethische Wille im 
Menschen zeigt (Auf welche Situationen reagiert der ethische Willen? Ist diese 
Reaktion tatsächlich so individuell, wie behauptet? Oder handelt es sich nicht 
doch um eine spezifisch menschliche Reaktion?).
Ich halte dies für eine 
Frage, die nur durch eine empirische Untersuchung zu beantworten ist, die wir 
hier aber nicht leisten können. 
Was wir hier tun können, ist, dass wir 
bestimmte normative Behauptungen (ich benutzte einmal dies neutrale Wort) wie z. 
B. „Jeder hat das Recht, sich selbst zu schaden, so viel er will, und da hat ihm 
niemand hinein zu reden“ nehmen und fragen, welche Gründe es für oder gegen 
diese Behauptung gibt.
Dagegen gab es das Argument, dass jede 
Selbstzerstörung auch andere in Mitleidenschaft zieht, schon weil man Eltern und 
Angehörigen hat.
Dem wurde entgegnet, dass es dann überhaupt keine freie 
Selbstentfaltung geben könne, weil durch jede noch so banale Tätigkeit irgendein 
anderer irgendwie betroffen wird.
Hier muss man meines Erachtens die 
moralische und die rechtliche Ebene unterscheiden: 
Was moralisch geboten 
sein kann, muss nicht gleichzeitig auch rechtlich geboten sein.
Moralische Sensibilität ist in der Tat für jede Handlung angebracht. Die 
Rücksichtnahme auf andere und eine Abwägung der beteiligten Güter bzw. 
Interessen ist moralisch immer geboten. Insofern kann es kein moralisches Recht 
auf bedingungslose Selbstentfaltung geben.
Andererseits wäre es unsinnig, 
entsprechende rechtliche Normen aufzustellen. So ist es sinnvoll, bestimmte 
Bereiche abzugrenzen, über die jeder allein bestimmen darf, weil sonst unlösbare 
ständige Abstimmungsprobleme mit anderen entstehen würden. 
Dies ist 
einer der Gründe für die Institution des Eigentums. Über sein Eigentum darf 
jeder nach Belieben verfügen. Der Wille des Eigentümers setzt die Norm, und 
diese Norm ist von jedermann zu respektieren.
Ein solches Eigentum ist 
außerdem eine Bedingung dafür, dass überwiegend eigeninteressierte Wesen, wie es 
Menschen nun mal sind, sich bei der Arbeit anstrengen. Schließlich wollen sie 
etwas von ihren Mühen haben, sei es eine Ernte nach der Saat, sei es Mich von 
der gut gefütterten Kuh, sei es das monatliche Gehalt auf dem Konto für den 
Stress des beruflichen Alltags.
Es kann also sein, dass ich rechtlich 
volle Verfügungsgewalt über mein Eigentum habe und dass ich gleichzeitig eine 
moralische Verpflichtung habe, einen Teil davon für wertvolle Vorhaben zu 
spenden.
Die Frage ist, ob es sich bei den Drogenwracks um den Fall 
handelt, dass ich mein Auto anlasse und dadurch Dieselruß ausstoße, oder ob ich 
einen defekten Diesel-LKW fahre, der die hinter ihm fahrenden Autos in schwarzen 
Rußwolken verschwinden lässt. 
Ersteres wäre ein Fall für die Moral (Denk 
beim Kauf eines Autos auch an die drohende Klimakatastrophe für kommende 
Generationen). Letzteres wäre ein Fall für das Recht (Verstoss gegen die 
Abgasvorschriften).
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
19. Sept. 2005, 19:28 Uhr 
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Hi Eberhard,
Du meinst: "Dir geht es um den Nachweis, dass lebendige Systeme 
keinen Willen zur Selbstzerstörung in sich tragen."
Ich glaube kaum, dass ich 
dies hier prinzipiell nachweisen könnte. Diese These könnte hier jedoch 
falsifiziert werden, insofern enthalten meine Beiträge ein Risiko für meine 
Philosophie lebender Systeme.
Deine Gleichsetzung des Beobachteten: es gibt 
Personen, die sich durch ihr süchtiges Verhalten selbst zugrunde richten (ohne 
weiteres eine wahre Beobachtung, die ich teile),
mit der inhärenten 
Schlussfolgerung: dieser Effekt ist vom Drogensüchtigen beabsichtigt, es gebe 
hier einen Entschluss zur Selbstzerstörung, ist eine falsche Voraussetzung für 
die Frage nach der Ethik des Verhalten und des Eingreifens durch andere.
Auch 
Abrazos Annahme eines ethischen Willens zäumt das Pferd vom Schwanz auf.
Aus 
meiner Sicht kann die Diskussion zu keinem allgemein nachvollziehbaren Ergebnis 
kommen und wird sich im Kreis drehen, wenn die Grundannahmen nicht zutreffend 
sind.
Im letzten Beitrag gehst Du auf unseren Eigentumsbegriff ein: "Über 
sein Eigentum darf jeder nach Belieben verfügen. Der Wille des Eigentümers setzt 
die Norm, und diese Norm ist von jedermann zu respektieren."
In unserem 
Rechtssystem ist auch dies andersherum geregelt, und ich würde vorschlagen, vom 
allgemein verbindlichen Eigentumsbegriff auszugehen. Nämlich: das, worüber Du 
verfügen kannst und darfst, ist Dein Eigentum (und umgekehrt). Aber es gilt auch 
der Grundsatz: Eigentum verpflichtet. Nicht Dein Wille setzt hier die Normen, 
sondern die Allgemeinheit: wenn Dein Eigentum schaden anrichtet (z.B. wenn ein 
morscher Ast Deines Baumes herunterfällt und einen vorbeigehenden Fußgänger 
verletzt), musst Du den Schaden zahlen usw.. Eine andere Verpflichtung, auf die 
Du schon hingewiesen hast, ist die Abgabe eines Teils Deines Geldeigentums zum 
Nutzen der Gemeinschaft (das Zahlen von Steuern). Das ist eben keine moralische 
Verpflichtung, sondern rechtlich ein Muss. Übrigens bist Du auch zur 
Hilfeleistung in Notfällen rechtlich verpflichtet: Du musst erste Hilfe leisten, 
sonst machst Du Dich einer Unterlassungstat schuldig (unterlassene 
Hilfeleistung).
In Notfällen musst Du dem Drogensüchtigen helfen, wenn Du 
kannst.
Dein Körper gilt allerdings als Dein Eigentum, deshalb ist Selbstmord 
nicht strafbar. In anderen Ländern ist das anders geregelt.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
19. Sept. 2005, 21:42 Uhr 
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Hi,
gut, dass du, Eberhard, die Rechtsnormen einbringst. Rechtsnormen 
sind Spielregeln unserer Gesellschaft.
Nun verlangst du aber zusätzlich 
noch moralische Normen. Wozu? Womit willst du die begründen? Im Falle des 
Drogenkonsums mit den gesellschaftlichen Schäden? Gut. Aber was folgt daraus? 
Dass einer, der Drogen bis zur Sucht konsumiert, moralisch falsch handelt. Na 
und? Interessiert ihn das? Deine Ansicht, aber nicht seine. Und was soll daraus 
folgen? Eine neue Rechtsnorm? Welche? Drogen sind bereits illegal.
Wenn 
moralische Normen anerkannt werden sollen, brauchen sie eine Begründung. Eine 
Begründung, die jeder Mensch, dem man sie in beiderseits vernünftigem Gespräch 
darlegt, auch einsieht. Sonst sind sie nichts wert. Reines Blahblah. Deswegen 
bestehe ich auf dem ethischen Willen, der etwas spezifisch Menschliches ist. 
Oder hast du eine andere Begründung?
Moralische Normen müssen freiwillig 
einsichtig sein, oder auch, einleuchten. Das unterscheidet sie von Rechtsnormen. 
Wem die Rechtsnormen nicht einleuchten, der wird, wenn er keine überzeugenden 
Argumente für seine Sicht bringen kann, vom Gericht dazu gezwungen, sich 
trotzdem nach ihnen zu richten, widrigenfalls. Geht bei moralischen Normen 
nicht.
Ich habe übrigens erhebliche Zweifel, ob der ethische Willen 
empirisch erforschbar ist. Zum einen sind etliche, die man als Probanden 
befragen könnte, längst vermodert, zum anderen wird eine entsprechende kritische 
Situation in Laboratmosphäre kaum herstellbar sein - und wenn sie künstlich 
hergestellt wird, ist sie kaum allgemein glaubhaft.
Ich denke schon, dass 
man da nicht umhin kommt, seinen analytischen Grips zu bemühen und zu fragen, 
welche Voraussetzungen muss eine Theorie haben, damit sie nicht zu den 
gegenwärtigen oder bezeugten vergangenen Tatsachen in Widerspruch gerät.
In diesem Sinne:
Moralische Sensibilität ist in der Tat für jede Handlung 
angebracht. 
Warum?
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
19. Sept. 2005, 23:40 Uhr 
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Hallo Abrazo,
herzlichen Glückwunsch zu Deiner Einsicht.
Dass unsere 
Rechtsnormen die Spielregeln unserer Gesellschaft sind, darauf hatte ich mit 
diesen Worten bereits hingewiesen, und die gleiche Frage wie Du gestellt, 
nämlich wozu wir moralische Normen noch benötigen.
Meine Frage geht noch 
weiter und an Dich:
Wozu benötigst Du noch einen ethischen Willen?
Beides 
ist von der Geschichte überholt.
Die moralischen Normen und die Ethik hatten 
eine bestimmte Funktion für den Zusammenhalt eines lebenden Systems höherer 
Ordnung. 
Diese Funktion ist inzwischen von unseren Rechtsnormen übernommen 
worden.
Sie nützen dem friedlichen Zusammenleben der Menschen.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Hanspeter am 
20. Sept. 2005, 01:09 Uhr 
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Abrazo schreibt:
"Rechtsnormen sind Spielregeln unserer Gesellschaft. Nun 
verlangst du aber zusätzlich noch moralische Normen. Wozu?"
In einer 
Demokratie sollte das Recht ein Spiegel der moralischen Vorstellungen der 
Bevölkerung sein, klar. Doch das Recht kann die Moral nicht ersetzen.
Jeder 
Verheiratete hat zB. das Recht, sich scheiden zu lassen. Ob eine Scheidung aber 
stets moralisch gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt.
Insofern ist es vernünftig, den Menschen ein "Recht auf einen Rausch" (= 
Selbstzerstörung) zuzugestehen. Wie die Inanspruchnahme dieses Rechts aber im 
jeweiligen Einzelfall zu bewerten ist (= Prüfung ihrer Moralität), kann nur eine 
Einzelfalluntersuchung (= Güterabwägung) bringen.
Gruß HP 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
20. Sept. 2005, 08:25 Uhr 
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Hi,
@doc rudi:
Wozu benötigst Du noch einen ethischen Willen? 
Die 
Antwort ist ganz einfach: weil es ihn offenbar gibt.
Es ist unredlich, sich 
aus einzeln herausgegriffenen Phänomenen Theorien zusammen zu basteln, denen 
beobachtete Phänomene in der Wirklichkeit widersprechen oder die sie ignorieren.
Ich erwähne vor allem drei:
1. Menschen beurteilen ihr und fremdes 
Handeln. Dabei richten sie sich offenbar nach anderen Maßstäben, als in der 
Natur üblich.
2. Es gibt Religionen. Zu ihren zentralen Inhalten gehört die 
Annahme eines Gottes, der im Kern ethische Gesetze gibt und ihre Nichteinhaltung 
über den Tod hinaus bestraft, die also ultimativen Anspruch haben. Wichtig ist 
nicht die Frage, warum solche Religionen erfunden wurden, sondern, warum sie 
geglaubt wurden und sich allgemein verbreitet haben (wobei man bei der 
Untersuchung dieser Frage ein bisschen über die Zinnen des deutschen 
Elfenbeinturmes schauen muss).
3. Es gab Menschen, die trotz im wesentlichen 
gleicher Sozialisation aus ethischen Gründen vehement Einspruch einlegten gegen 
offenbar allgemein als üblich angesehene Praktiken und dabei durchaus den 
eigenen Tod in Kauf nahmen, was, im Gegensatz zum landläufigen Selbstmord, sogar 
als ehrenwert galt und gilt.
Eine Moraltheorie, die darauf basiert, dass 
sie solche Phänomene ignoriert, taugt nichts, weil sie irreal ist.
@Hanspeter:
In einer Demokratie sollte das Recht ein Spiegel der moralischen 
Vorstellungen der Bevölkerung sein, klar. 
Eine Diskussion darüber, wie 
Normen sein sollen, finde ich nicht besonders prickelnd. Unser modernes Recht 
basiert zudem letztlich auf dem Römischen Recht und geht sogar zurück auf Drakon 
und Solon. Ein ziemlich kontinuierlicher Entwicklungsprozess, der die meiste 
Zeit nicht in Demokratien stattfand. Welche moralischen Vorstellungen werden im 
BGB oder im HGB gespiegelt?
Doch das Recht kann die Moral nicht ersetzen.
Die Frage lautet, gerade in der Gegenüberstellung Recht und Moral, warum es 
so etwas wie Moral überhaupt gibt, wodurch ihre Vorstellungen letztlich 
begründet sind.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
20. Sept. 2005, 09:53 Uhr 
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Hallo doc rudi,
Du vertrittst die Ansicht, das Recht habe die Moral 
abgelöst, die man nun nicht mehr benötige.
Dies ist meiner Ansicht nach 
falsch, aber vielleicht beruht unser Dissens nur auf einem unterschiedlichen 
Gebrauch der Worte.
Für mich ist eine rechtliche Norm daran zu erkennen, 
dass diese Norm staatlich sanktioniert und durchgesetzt wird. „Wer x tut, wird 
mit y bestraft“. Die Wirkung der Rechtsnorm beruht auf dem angedrohten Übel.
Der Satz: „Man sollte die Rechtsnormen einhalten, auch wenn man sie 
ungestraft übertreten könnte“ ist jedoch keine Rechtsnorm. Wozu rechnest Du 
diese Norm?
Viele Probleme sind wegen der unvermeidlichen 
Schwerfälligkeit der rechtlichen Institutionen nicht „justiziabel“ und werden 
nach „ungeschriebenen Gesetzen“ geregelt. Das Auge und der Arm des Rechts 
reichen bekanntlich nicht überall hin.
Wozu rechnest Du Normen wie: „In 
einer Diskussion soll man andern nicht ins Wort fallen“ 
oder „Sei 
hilfsbereit und rücksichtsvoll“?
fragt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 20. Sept. 2005, 10:02 Uhr 
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> Du meinst: "Dir geht es um den Nachweis, dass lebendige Systeme keinen Willen 
zur Selbstzerstörung in sich tragen."
Ich glaube kaum, dass ich dies hier 
prinzipiell nachweisen könnte. Diese These könnte hier jedoch falsifiziert 
werden, insofern enthalten meine Beiträge ein Risiko für meine Philosophie 
lebender Systeme. 
.... der grund 
warum sich eine tier 
art immer selber zer stört
ist folgender >>>>
da frau immer ihre eitel 
keit im spiele hat
keine zu kunft
müßen immer viel männer mit ein 
ander konkurieren 
diese ein bildung zu liefern 
und da dies mit dem 
tod aller ausser einem endet ........
und frau dann nicht mehr ge liebt 
wird
weil sie die männer gegen seitig auf hetzt
wird sie nicht mehr leben 
wollen
damit ist diese tier art aus ge storben !
alles klar ?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
20. Sept. 2005, 12:57 Uhr 
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Hallo Abrazo,
Du schreibst: 
“Wenn moralische Normen anerkannt werden 
sollen, brauchen sie eine Begründung. Eine Begründung, die jeder Mensch, dem man 
sie in beiderseits vernünftigem Gespräch darlegt, auch einsieht. Sonst sind sie 
nichts wert. ... Deswegen bestehe ich auf dem ethischen Willen, der etwas 
spezifisch Menschliches ist. Oder hast du eine andere Begründung?“
Ausgangspunkt ist für mich ein tatsächlicher oder möglicher Konflikt zwischen 
dem, was die verschiedenen Individuen wollen und tun. Menschen, die miteinander 
Konflikte haben und die versuchen, ihren Willen mit allen ihnen zur Verfügung 
stehenden Mitteln durchzusetzen, bringen sich gegenseitig in Gefahr und sind 
nicht in der Lage, die Vorteile der Zusammenarbeit wahrzunehmen.
Wer dies 
nicht will, wer die Konflikte nicht durch überlegene Macht entscheiden lassen 
will, der muss nach Regelungen suchen, die für alle Beteiligten konsensfähig 
sind, von denen also alle Beteiligten überzeugt werden können.
Grundlage 
der Moral ist für mich also der Wille, Konflikte gewaltfrei zu lösen, indem man 
zu Regelungen gelangt, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden. Das 
heißt, es müssen moralische und rechtliche Normen gefunden werden, die Ausdruck 
eines gemeinsamen Wollens sind.
Ich bezweifle, dass dies dadurch erreicht 
werden kann, dass jeder auf den ethischen Willen hört, also auf das, was 
landläufig als „Gewissen“ oder „innere Stimme“ bezeichnet wird. Auf jeden Fall 
müsste dies Phänomen, das sich Deiner Meinung nach empirischer Untersuchung 
entzieht, noch näher bestimmt werden.
Aus dem Willen zur gewaltlosen 
Einigung lassen sich meines Erachtens weitere Kriterien ableiten, z.B. die 
Forderung nach Unparteilichkeit und Personunabhängigkeit der Normen und ihrer 
Begründungen.
Inwieweit die gefundenen Normen in Rechtsnormen umgesetzt 
werden sollten, ist dabei eine nachgeordnete Frage.
Soviel erstmal von 
Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
20. Sept. 2005, 19:26 Uhr 
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Hallo allerseits,
machen wir die von Hanspeter geforderte Unterscheidung 
zwischen Fällen, wo andere in Mitleidenschaft gezogen werden und wo dies nicht 
der Fall ist.
Angenommen, jemand schadet durch seinen Drogenkonsum 
wirklich nur sich selbst, ruiniert seine Gesundheit und geht einem vorzeitigen 
Ende entgegen. 
Man würde sich wohl weitgehend einig sein, dass dieser 
Mensch falsch gehandelt hat, und wenn der Betreffende selber ehrlich Bilanz 
zieht, dann wird er wohl zu demselben Ergebnis kommen.
Aber hat er 
moralisch falsch gehandelt? Kann man ihn einen schlechten Menschen nennen? Ich 
glaube nicht. Eher wird man ihn einen (willens-)schwachen Menschen nennen.
Er wird sich in seinen klaren Momenten Vorwürfe machen, wird seine 
Drogenkarriere vielleicht bereuen, wird sich als Versager fühlen, aber nicht als 
moralisch schlechter Mensch.
Dagegen ist die Frage: Darf man tatenlos 
zusehen, wie sich ein Mensch in seiner Sucht selbst zerstört? eine moralische 
Frage. 
Hier neige ich dazu, dass in diesem Fall eine moralische 
Verpflichtung zur Hilfeleistung besteht – auch gegen den erklärten Willen des 
Süchtigen, denn er ist zu keiner „vernünftigen“ Entscheidung und zu keiner 
Selbststeuerung im Sinne dieser Entscheidung mehr fähig.
Könnt Ihr damit 
leben? fragt Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
20. Sept. 2005, 23:32 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Grundlage der Moral ist für mich also der Wille, Konflikte 
gewaltfrei zu lösen, indem man zu Regelungen gelangt, die den Interessen aller 
Beteiligten gerecht werden. Das heißt, es müssen moralische und rechtliche 
Normen gefunden werden, die Ausdruck eines gemeinsamen Wollens sind. 
Missverstehe mich nicht, ich meine es wirklich nicht als ironischen Angriff - 
aber dieses Zitat erinnert mich nur an eines: an das diplomatische Protokoll. 
Allerdings hat das nach allgemeinem Verständnis überhaupt nichts mit Moral zu 
tun. Es sind alt hergebrachte, ausgefeilte, international anerkannte 
Verhaltensregeln, landläufig auch Manieren oder Benimm genannt, die genau damit 
begründet werden: Konflikte gewaltfrei zu lösen, in dem alles, was zu 
persönlichen Animositäten führen könnte, qua Regel von vorn herein verhindert 
wird. Nichts anderes hat das ganze komplizierte höfische Reglement im Sinn.
Aber unter Moral verstehen wir doch halbwegs etwas, was mit dem zu tun hat, 
was gut ist. Damit hat das Protokoll aber nun gar nichts im Sinn. Vielmehr 
klammert es genau diese Frage sorgfältigst aus, denn - das ist eine ganz 
gefährliche Streitfrage.
Aus protokollarischer Sicht (m.E. ein nicht 
uninteressanter Aspekt) darf man sich also mit gut und böse überhaupt nicht 
befassen, wenn man Konflikte gewaltfrei lösen will.
Allerdings - schau 
dir unsere Asis an. Hältst du es praktisch für möglich, protokollarische 
Verhaltensnormen, die fast schon eine Wissenschaft und hoch kompliziert sind, 
auf unsere Gesellschaft zu übertragen?
Und auch hier ein Hinweis auf die 
Praxis:
Angenommen, jemand schadet durch seinen Drogenkonsum wirklich nur 
sich selbst, ruiniert seine Gesundheit und geht einem vorzeitigen Ende entgegen.
Wie kann einer durch Drogenkonsum nur sich selbst schaden? Er muss sie sich 
beschaffen, geht auf die Dauer nur illegal, denn sie sind verboten. Deine 
Annahme wäre also nur möglich unter der Voraussetzung, dass Selbstzerstörung 
durch unfachmännische Selbstmedikation zum Zwecke des Missbrauchs legalisiert 
werden würde. Eine ethische und juristische Frage, bei der man auch die 
Konsequenzen bedenken muss.
Zur Zeit jedenfalls sieht es so aus (und das 
würde auch bei einer Legalisierung so weiter gehen, denn Alkohol ist legal, und 
da sieht es graduell nur leicht abgeschwächt genau so aus), dass nur sich selbst 
schaden in aller Regel ausgeschlossen ist. Denn Süchtige brauchen viel Geld, 
sind aber kaum arbeitsfähig. Also beschafft ein Süchtiger sich das nötige Geld 
auf moralisch höchst fragwürdige Weise, weiß auch, warum, weswegen er sich in 
klaren Momenten durchaus moralisch schuldig fühlt. 
In den Komplex unseres 
realen gesellschaftlichen Lebens gestellt wird die Frage also unsinnig.
Was 
nützt uns die Erörterung moralischer Probleme anhand unmöglicher Sachverhalte?
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 20. Sept. 2005, 23:53 Uhr 
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Hallo Eberhard! 
Quote:Dagegen ist die Frage: Darf man tatenlos 
zusehen, wie sich ein Mensch in seiner Sucht selbst zerstört? eine moralische 
Frage. 
Hier neige ich dazu, dass in diesem Fall eine moralische 
Verpflichtung zur Hilfeleistung besteht – auch gegen den erklärten Willen des 
Süchtigen, denn er ist zu keiner „vernünftigen“ Entscheidung und zu keiner 
Selbststeuerung im Sinne dieser Entscheidung mehr fähig. 
Vor 
einer solchen gutgemeinten Entmündigung möchte ich dringend warnen. 
Selbsternannte Vernünftige sind keinesfalls dazu berechtigt (oder gar moralisch 
verpflichtet!), sich über den erklärten Willen anderer hinwegzusetzen und in 
deren Lebensgestaltung - natürlich nur "helfend" - einzugreifen. 
Wie so oft, 
wo im Namen von Vernunft und Moral (oder Gott) gesprochen wird, sehe ich hier 
latente Machtgelüste aufscheinen. ("With God on our side.") Wenn ich dergleichen 
höre, bin ich heilfroh, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem moralische 
Ansichten Privatsache sind und Selbstbestimmung ein so ein hohes Rechtsgut ist.
Die Entmündigung, die hier moralisch legitimiert werden soll, ist eine 
dreifache: 
Erstens wird vorausgesetzt, dass man im Besitz eines 
verbindlichen Begriffs von gutem Leben ist, so dass man auch als Beobachter 
glaubt beurteilen zu können, wann jemand sich "zugrunde richtet". 
Zweitens 
wird der "erklärte Wille" des Betroffenen übergangen.
Drittens wird ihm 
überhaupt die Fähigkeit abgesprochen, für sich selbst zu sprechen und zu 
entscheiden. (Dies wiegt am schwersten.) 
- - - - 
Der Rede "im 
Namen der Vernunft" (oder im Namen anderer "höherer" Instanzen) ist 
grundsätzlich zu misstrauen - und dieses gesunde Misstrauen stand auch Pate bei 
der Konzeption des modernen Rechtsstaates. Denn diese "höheren" Instanzen leiden 
unter dem strukturellen Mangel, dass sie nicht selbst sprechen können. So 
braucht Gott fehlbare menschliche Individuen, die seine Worte auslegen und 
seinen allweisen und allgütigen Ratschluss verkündigen müssen. Nicht anders ist 
es mit der "intersubjektiv" gültigen und verbindlichen Vernunft: Sie kann immer 
nur durch Individuen sprechen, die "fehlbar" insofern sind, als sie niemals nur 
von vernünftigen Motiven angetrieben werden. 
Dieser chronische Mangel 
"höherer" Instanzen führt dazu, dass die "Stimme der Vernunft" (oder des 
Anstandes oder der Moral oder Gottes...) im faktischen Spiel der Meinungen mit 
schöner Regelmäßigkeit Partei ist. Und wenn man 5 Politiker verschiedener 
Couleur oder Wissenschaftler oder Philosophen miteinander streiten hört, stellt 
man rasch fest, dass jeder von ihnen "im Namen der Vernunft" spricht, oft sogar 
nach bestem Wissen und Gewissen. Die rechtsstaatlichen Konsequenzen aus diesem 
Strukturproblem sind das institutionalisierte freie Spiel der Meinungen und 
Kräfte, "one man, one vote", Gewaltenteilung, Ausübung der Gewalt durch 
abwählbare Mandatare, Revidierbarkeit von Entscheidungen usw. Zu vertraut ist 
eben der Anspruch einzelner, irgendwie doch verbindlich "für alle" zu sprechen 
statt nur für sich. 
Schöne Grüße
Urs 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
21. Sept. 2005, 08:53 Uhr 
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Hallo Abrazo,
mich erstaunt es, dass Du den „Willen, Konflikte gewaltfrei 
zu lösen, indem man zu Regelungen gelangt, die den Interessen aller Beteiligten 
gerecht werden“ als ein Prinzip ansiehst, das dem diplomatischen Protokoll 
zugrunde liegt.
Das diplomatische Protokoll hat seinen Sinn doch darin, 
störende Reibungsverluste zufälliger Art im Umgang miteinander zu vermeiden. 
Aber mit der Sache, der Regelung der Interessenkonflikte, hat das Protokoll doch 
überhaupt nichts zu tun.
Du hast in einem früheren Beitrag geschrieben:
„Wenn moralische Normen anerkannt werden sollen, brauchen sie eine 
Begründung. Eine Begründung, die jeder Mensch, dem man sie in beiderseits 
vernünftigem Gespräch darlegt, auch einsieht.“
Ich gehe davon aus, dass 
Menschen Interessen haben, deren Erfüllung sie anstreben. Deshalb könnten sie 
umso eher einer normativen Regelung zustimmen, je mehr diese Regelung ihren 
individuellen Interessen entspricht.
Damit stellt sich die Frage: 
Wie kann ein Mensch einsehen und deshalb freiwillig zustimmen, dass es nicht 
nach seinen Interessen gehen soll sondern gemäß bestimmten moralischen Normen?
Ich würde zu diesem Menschen sagen: 
Wenn Du eine Situation der 
sozialen Kooperation willst und wenn Du nicht die Konfliktaustragung mit allen 
verfügbaren Mitteln willst, dann musst Du eine Regelung finden, der die andern 
ebenfalls zustimmen können und die damit den Konflikt friedlich löst. 
Wenn die andern zustimmen sollen, dann kannst Du aber nicht auf Deinen 
individuellen Interessen beharren, sondern musst bei der Formulierung der Norm 
die Interessen der andern Beteiligten unparteiisch und wohlwollend so 
berücksichtigen, wie Du es mit Deinen eigenen Interessen tust.
Wie ich 
Dich bisher verstehe würdest Du zu diesem Menschen sagen: 
Folge nicht 
Deinen Interessen sondern höre auf Deinen ethischen Willen. Die Norm, die Deinem 
ethischen Willen entspricht, entspricht auch dem ethischen Willen der andern. 
Deshalb ist mit der Berufung auf den ethischen Willen eine allgemein einsichtige 
Begründung dieser Norm möglich.
Habe ich Dich richtig verstanden?
fragt Eberhard. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 21. Sept. 2005, 10:02 Uhr 
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..... wenn ihr doch aber dumm sein sollt !
arbeit schaffen !
für das arbeits lager ....
mit bürger ver sklaven nach diesem sibirien !
sonst dürft ihr keine katastrophen mehr kreieren ........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
21. Sept. 2005, 11:50 Uhr 
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Hallo Urs, 
ich freue mich, dass Du unsere Runde mit Deinen Argumenten 
bereicherst. Deine Warnung vor den Gefahren, die mit der Ermöglichung einer 
Entmündigung verbunden sind, halte ich für begründet. 
Aber ich denke, 
wir kommen nicht umhin, eine solche Möglichkeit ins Auge zu fassen und nüchtern 
das Für und Wider zu erörtern. Ich bin da für alle Argumente offen.
Vorweg: In der letzten, von Dir zitierten Formulierung hatte ich weggelassen, 
dass diese Entmündigung des Süchtigen immer nur zeitlich begrenzt erfolgen darf 
und nach dem Abschluss des Zwangsentzuges automatisch aufgehoben wird. Dann hat 
der Betroffene auch die Gelegenheit, zu sagen, ob er nachträglich mit dem 
Zwangsentzug einverstanden ist oder nicht.
Damit ist deutlich, dass 
letztlich das betreffende Individuum selber darüber entscheidet, was zu seinem 
Wohl ist und was nicht.
Wenn stattdessen jemandem aufgrund seiner 
Suchtkrankheit prinzipiell die Fähigkeit abgesprochen wird, für sich selber zu 
sprechen und Träger gültiger Argumente zu sein, so wird damit einer 
erkenntnisorientierten Diskussion die Grundlage entzogen. Denn jedes Argument 
des für unmündig Erklärten kann durch den Hinweis entkräftet werden, dessen 
Meinung zähle nicht, weil er unter dem Einfluss der Droge zur vernünftigen 
Einsicht nicht fähig sei. 
Das heißt jedoch, dass man sich gegenüber dem 
Entmündigten der Pflicht zu einer intersubjektiv nachvollziehbaren Begründung 
entledigt hat und dass das Verhältnis zum Entmündigten ein Gewaltverhältnis ist, 
das höchstens verbal verbrämt wird.
Dies ist das Problem, wenn man 
jemandem eine prinzipielle Unmündigkeit unterstellt. 
Ich denke 
andererseits, dass man wegen der Möglichkeit des Missbrauchs zumindest eine 
zeitlich begrenzte Entmündigung nicht völlig ausschließen sollte. Dafür ist das 
Elend unter den Süchtigen zu groß und dafür sind die Betroffenen am Anfang ihrer 
Drogenkarriere auch noch zu jung.
Unser Rechtsstaat, der von Dir lobend 
erwähnt wird, sah früher im § 6 des Bürgerlichen Gesetzbuches die Möglichkeit 
der Entmündigung durch Gerichtsbeschluss vor. Dieser Paragraph ist inzwischen 
gestrichen worden. 
Es gibt jedoch weiterhin die Möglichkeit einer 
„Rechtlichen Betreuung“ (§§ 1896 ff.) Dort heißt es: „Kann ein Volljähriger auf 
Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder 
seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, 
so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für 
ihn einen Betreuer.“ Und: „Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so 
zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht.“
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von paul am 21. 
Sept. 2005, 14:05 Uhr 
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on 09/18/05 um 16:01:04, Hanspeter wrote:Hallo an Alle,
@ paul.
Da kennst du im Falle des Rauchens die wirklich exakten Rechnungen leider 
nicht. Der Raucher ist ein Gewinn für die Gesellschaft. Die Wahrscheinlichkeit, 
dass er preisgünstig und rentensparend so um die 60 herum zB an Lungekrebs 
stirbt, ist groß. Und die Kosten, wenn er mit 80 zB an Altersdiabetes stirbt, 
sind sehr hoch....
Deinen Kommentar "Mörder" kannst du dir in diesem 
Zusammenhang übrigens sparen. 
du irrst gewaltig, lieber HP, aber 
manche können die Wahrheit nicht verkraften. Die Rechnung hab ich hier schon 
früher mal erläutert, lies halt mal nach, sie ist eindeutig, ebenso bedienst Du 
ein längst widerlegtes Vorurteil der hohen Medizin-Kosten alter Menschen. Es ist 
vielmehr nachgewiesen (beschämend), dass bei der exakt gleichen Erkrankung, 
sagen wir Herzinfarkt, bei alten Menschen (70) erheblich weniger Aufwand 
getrieben wird, als bei einem 50.-jährigen (das kann man in Euro oder Dollar 
beziffern).
Wenn Du noch einen Restfunken Moral hättest, würdest du einsehen, 
dass die Rente im wesentlichen kein Almosen ist sondern selbst verdiente frühere 
Leistung, sei es nun die direkte eigene Einzahlung in die Rentenkasse, oder die 
"kostenlose" Aufzucht der Kinder, bis diese denn mal soweit sind was zu leisten.
An der Generationenverantwortung hat sich also im Prinzip überhaupt nichts 
geändern, sie wird nur durch "Kollektivierung" soweit verschleiert, das Du und 
andere "Solipsisten" sie nicht mehr erkennen können, oder wollen. Dies ist 
natürlich auch ein Versäumnis der Politik.
Pardon, musste einfach mal gesagt 
werden, da hier so viel von Moral geschrieben wird.
Gruss
Paul
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
21. Sept. 2005, 23:26 Uhr 
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Hi, zusammen,
ich möchte mal paar Positionen kritisierend zusammenfassen:
Menschen, die miteinander Konflikte haben und die versuchen, ihren Willen 
mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen, bringen sich 
gegenseitig in Gefahr und sind nicht in der Lage, die Vorteile der 
Zusammenarbeit wahrzunehmen. (Eberhard)
Das gilt in der Praxis für die 
Schwächeren, nicht aber für die Starken. Starke nehmen die Vorteile der 
Zusammenarbeit dadurch wahr, dass sie sich ein Gefolgschaftsrudel schaffen. Wie 
im Tierreich: wer dem Leitwolf folgt, kommt sicherer durchs Leben. Schau dir 
unsere Leitwölfe an: glaubst du, du kannst bei ihnen den Willen zur gewaltfreien 
Einigung voraussetzen (Gewalt muss ja nicht immer Bracchialgewalt sein)? "Wenn 
man es voraussetzen kann" - und wenn nicht?
Gegenargument: wenn der 
Leitwolf stark, aber dämlich ist, kann er das Rudel auch ins Verderben führen. 
Weswegen ein verständiger, kritischer Mensch immer lieber der Vernunft trauen 
wird, als einem Leitwolf. Allerdings - ein solcher Mensch ist selber stark und 
ggf. leitwolfgeeignet.
Ich erinnere hier an Nietzsche und an seine 
beißende Kritik an der christlichen Moral und ihrer Förderung des Kranken und 
Schwachen.
Selbsternannte Vernünftige sind keinesfalls dazu berechtigt 
(oder gar moralisch verpflichtet!), sich über den erklärten Willen anderer 
hinwegzusetzen und in deren Lebensgestaltung - natürlich nur "helfend" - 
einzugreifen. (Urs) 
Woher weißt du denn, Urs, dass es ihr erklärter Wille 
ist? Und was bedeutet hier Wille? Was will er denn? Worauf bezieht sich sein 
Wille? Nach meiner Erfahrung bezieht sich dieser Wille immer auf eine Welt, die 
es so gar nicht gibt. Denn von dieser Welt werden unter Drogeneinfluss nur 
Bruchstücke wahrgenommen, vermischt mit Halluzinationen, Gedankengänge sind 
unzusammenhängend, Wahrnehmungslücken werden durch Bezüge überspielt, die es gar 
nicht gibt - also, der Wille ist unsinnig, weil er sich auf Unsinniges richtet. 
Wobei der Unsinn keine Meinung ist, sondern nachweisbar. 
Lasst uns keine 
fiktiven Ideen diskutieren. Bleiben wir doch in der Wirklichkeit. Fragen wir 
doch, bevor wir das Was-wäre-wenn diskutieren, ob dieses Was-wäre-wann überhaupt 
möglich ist. Es gibt auch keine Fälle an sich, keine moralischen oder sonstigen 
Probleme an sich. Alle diese Fälle, diese Probleme stehen in einem Kontext mit 
der Welt, und den sollten wir doch nicht übersehen, sonst führen wir unsinnige 
Diskussionen.
Hier steht das Problem Hilfe oder nicht bei Drogensüchtigen zur 
Debatte. Drogensüchtigen ist es nun mal zueigen, mit einem teilweise betäubten 
Gehirn herum zu laufen. Da kann man nun mal nicht unkritisch von einem Willen 
sprechen, den man gleichberechtigt neben den Willen nicht betäubter Gehirne 
setzen kann. Das ist zwar gut gemeint, aber irreal.
Ähnliches gilt für 
deine durchaus stimmige und zutreffende Kritik an der von Konfliktparteien 
behaupteten Vernunft, in deren Besitz sich jeder alleinig wähnt. Gut. Aber 
trifft dieses Argument denn auf unser banales Alltagsbeispiel zu?
Ich 
gehe davon aus, dass Menschen Interessen haben, deren Erfüllung sie anstreben. 
Deshalb könnten sie umso eher einer normativen Regelung zustimmen, je mehr diese 
Regelung ihren individuellen Interessen entspricht. (Eberhard)
In einer gut 
bürgerlichen Gesellschaft kannst du davon ausgehen. Aber wie viele 
Gesellschaften sind denn gut bürgerlich? Wie oft kommt es denn vor, dass 
normative Regelungen den individuellen Interessen überhaupt nicht entsprechen, 
dass sie demjenigen nur ein Hindernis sind, der problemlos in der Lage ist, 
seine individuellen Interessen ohne solche Normen viel besser und eher 
durchzusetzen? Wenn wir über Moral sprechen, hat es keinen Sinn, davon 
auszugehen, dass die Menschheit nur aus ungefähr gleich starken, gleich 
gewaltlosen, gleich vernünftigen Leuten besteht, denn genau das ist nicht der 
Fall.
Das ist ein Ideal, ähnlich der vollkommenen Konkurrenz in den 
Wirtschaftswissenschaften. Es wird für Theorien bemüht, obwohl jeder weiß, dass 
es das in der Realität gar nicht gibt.
Wie kann ein Mensch einsehen und 
deshalb freiwillig zustimmen, dass es nicht nach seinen Interessen gehen soll 
sondern gemäß bestimmten moralischen Normen? (Eberhard)
Eben. Das ist die 
Frage.
Wenn Du eine Situation der sozialen Kooperation willst und wenn Du 
nicht die Konfliktaustragung mit allen verfügbaren Mitteln willst, dann musst Du 
eine Regelung finden, der die andern ebenfalls zustimmen können und die damit 
den Konflikt friedlich löst. 
Und wenn er das nicht will?
Folge nicht 
Deinen Interessen sondern höre auf Deinen ethischen Willen. Die Norm, die Deinem 
ethischen Willen entspricht, entspricht auch dem ethischen Willen der andern. 
Deshalb ist mit der Berufung auf den ethischen Willen eine allgemein einsichtige 
Begründung dieser Norm möglich. (Abrazo)
Nein, das würde Abrazo nicht sagen.
Ich teile ja durchaus deine Absicht, zu einleuchtenden moralischen Normen zu 
gelangen. Was ich nur behaupte ist, dass du sie so, wie du es tust, nicht 
begründen kannst.
Das heißt, der ethische Wille ist kein Ersatz für eine 
moralische Norm (er kann ihr allerdings widersprechen), sondern Begründung für 
moralische Normen. Das ist eine andere Ebene.
Ich kann einem Menschen in 
ruhigem, vernünftigem Gespräch sagen, ok. Du hast vor, das und das zu tun. Es 
entspricht deinem Interesse. Damit sind die und die Konsequenzen für dich und 
andere verbunden und ihm argumentativ nachweisen, dass sie eine logisch 
zwingende Folge sind. Erst wenn ich ihn so zu einer die Gesamtheit 
überblickenden Verstandesperspektive gebracht habe, kann ich fragen: willst du 
das? Vorher ist diese Frage vollkommen sinnlos - denn der ethische Wille ist in 
seiner Richtung von der umfassenden Kenntnis der Tatsachen abhängig.
Unser 
Problem, nämlich zu einleuchtenden moralischen Normen zu gelangen, ist damit 
allerdings nicht gelöst. So etwas sind nur Lösungen für Einzelfälle (und nicht 
jeder kann solche Gespräche führen). Anders gesagt: für die Masse der 
Einzelfälle ist so etwas keine Lösung.
Übrigens solltest du die Macht der 
Ethik nicht unterschätzen. Die sich noch nicht mal in Worten mitteilen muss. Ein 
unbedingter, entschiedener ethischer Wille hat eine Ausstrahlung, die kann, im 
richtigen Moment eingesetzt, Totschlag verhindern. Dat jibbet.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 22. Sept. 2005, 10:16 Uhr 
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..... also ich könnte ge rade zu bei den nürnberger ge setzen .......
weil ihr habt genauso wenig die ab sicht 
eine ethik der wahr heit zu er 
schaffen
wie eh und je ........
ihr seid vor denker einer besseren 
schlechtig keit !
und deshalb werdet ihr aus sterben
weil eines tages 
selbst euerer dumm heit wird es 
be wußt werden
wie schlecht euere ab 
sicht ........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
22. Sept. 2005, 22:12 Uhr 
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Hallo Abrazo,
es ist richtig, dass es soziale Kooperation auch ohne die 
Bereitschaft zum zwangfreien Konsens aller Beteiligten gibt und insofern ist 
meine Argumentation hier korrekturbedürftig.
Ein extremes Beispiel ist 
die kriminelle Bande, deren Mitglieder (nach einer internen Bandenmoral) 
kooperieren, und die die dadurch gewonnenen Handlungsmöglichkeiten zu ihrem 
eigenen Vorteil und zum Schaden der anderen einsetzt.
Die Zusammenarbeit 
von Teilen der Betroffenen führt bei Orientierung am jeweiligen Gruppeninteresse 
zum Konflikt zwischen den so gebildeten Gruppen. Und dieser Konflikt kann bis 
zum Bürgerkrieg führen.
Hier ist ein „vernünftiger“ Konsens deshalb 
weiterhin eine ernstzunehmende Alternative.
Denkbar wäre auch der Fall, 
dass ein starkes Subjekt (sei es ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen) 
seinen Willen allen Beteiligten aufzwingt. Dadurch wäre nicht nur eine 
allgemeine Kooperation ermöglicht sondern es würde auch die gewaltsame 
Austragung von Konflikten unter den Individuen und Gruppen vermieden. Es bliebe 
allerdings die Unterdrückung von Gegnern dieser Herrschaftsordnung. 
Eine 
solche Ordnung ist unter Umständen dem Bürgerkrieg und dem Zerfall der sozialen 
Einheit vorzuziehen.
Wenn eine derartige Herrschaftsordnung etabliert 
ist, wenn Ruhe die erste Bürgerpflicht ist und ein Staatssicherheitsdienst jeden 
Widerstand im Keim erstickt, ist es im eigenen Interesse aller Beteiligten, sich 
konform zu verhalten.
Aber wollen wir eine solche Ordnung, deren einzige 
„Begründung“ im Verweis auf die Machtverhältnisse und die drohenden Sanktionen 
für Ungehorsame besteht?
Was macht demgegenüber eine „gerechte“, 
„vernünftige“ oder „moralische“ Ordnung aus? 
Meiner Meinung nach ist das 
besondere an einer solchen Ordnung, dass man sie zwangfrei bejahen kann, dass 
man ihre Geltung und die Pflicht zu ihrer Befolgung ohne Drohungen rechtfertigen 
kann. 
Ich breche hier erstmal ab. 
Wir sind hier an einem 
zentralen Punkt unseres Selbstverständnisses als Gesellschaft und Gemeinwesen 
angelangt. Wie man sich hier entscheidet, hat meines Erachtens weit reichende 
Konsequenzen.
Es grüßt alle Interessierten Eberhard. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 23. Sept. 2005, 10:40 Uhr 
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> Ein extremes Beispiel ist die kriminelle Bande, deren Mitglieder (nach einer 
internen Bandenmoral) kooperieren, und die die dadurch gewonnenen 
Handlungsmöglichkeiten zu ihrem eigenen Vorteil und zum Schaden der anderen 
einsetzt. 
... jetzt hat eberhard aber wirklich seine bande 
einmal richtig be schrieben !
klasse !!! 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
23. Sept. 2005, 12:45 Uhr 
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Hallo Eberhard, HansPeter, abrazo u. sonstige Mitstreiter,
ich empfehle 
GEOkompakt Nr.4, Titel: Die Evolution des Menschen (kostet leider 8 Euro). Zitat 
auf S.35: "Im Grunde haben alle Verhaltensweisen, die wir bei Menschen 
beobachten, ihre Wurzeln bereits bei den Menschenaffen oder noch früher." 
(Gottfried Hohmann, Primatenforscher am Max-Planck-Institut für evolutionäre 
Anthropologie).
Wir beobachten bestimmte Verhaltensweisen.
Das sind 
Tatsachen (auf der Beobachtungsebene). 
Alles andere, was wir daraus 
schlussfolgern, z.B. einen Willen zu ethischem Handeln anzunehmen, sind 
Hypothesen, auch wenn sie bereits 2000 Jahre alt sind.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von psi am 23. 
Sept. 2005, 15:39 Uhr 
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abrazo,
on 09/17/05 um 16:16:20, Abrazo wrote:Hi, Psi,
Ethik, 
Moral, Sitte und Brauch - letzteres übrigens auch ein juristischer Begriff - 
sind klar unterscheidbare Begriffe. Ich hab was dagegen, mit Begriffen Eintopf 
zu kochen. 
keiner mag begriffseintopf. aber erstens ist dein 
gebrauch von und insbesondere deine unterscheidung zwischen ethik und moral eben 
nicht allgemeine praxis. zweitens ist die übersetzung von ethik und moral eben 
nun mal die sitte. auch die sitte ist ein juristischer begriff. was darunter zu 
verstehen ist ist aber immer einigermassen nebulös. mit sittenwidrigkeit wird 
auch nur dann ein urteil begründet wenn man angst haben muss das gerichtsgebäude 
würde sonst gestürmt. 
es schadet mitunter nicht sich daran zu erinnern was 
diese begriffe ethik und moral bedeuten. und das ist nunmal sitte. 
das ist 
keine wortspielerei sondern spielt von anfang an in der "philosophie der ethik" 
eine entscheidende rolle. man kann das gerne bei aristoteles nachlesen. 
gruss 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
23. Sept. 2005, 17:00 Uhr 
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Hi, Psi,
wenn man definierte Termini gebraucht, befasst man sich nicht 
mit ursprünglichen Wortbedeutungen, weil man durch diese Umdefinition die 
Einigung auf eine Bedeutung aufheben würde und damit den Dialog über diesen 
Terminus.
Ich habe bereits gesagt, dass ich das Wort Ethik verwende wie 
Moore und Wittgenstein: Ethik ist die allgemeine Untersuchung dessen, was gut 
ist. Es gibt auch andere Definitionen, aber ich habe nun mal klar gestellt, dass 
ich diese verwende.
Moralen bestehen im Gegensatz dazu aus 
Soll-Vorschriften.
Sitte umfasst im üblichen Sprachgebrauch vor allem 
Benehmen und Manieren, die nicht allzu viel mit dem Guten zu tun haben. Es ist 
weder eine Frage von Ethik noch von Moral, wer wen zuerst zu begrüßen hat oder 
wie bei einem Diner der Tisch gedeckt wird.
Ein juristischer Terminus ist 
Sitte nicht. Zwar taucht er im OWiG in Form von 'sittenwidrig' auf, jedoch so 
gut wie ausschließlich in sexuellem Zusammenhang.
Brauch hingegen ist 
noch ein juristischer Terminus. Er taucht im HGB als Handelsbrauch auf. 
Juristischer Terminus insofern, als er stillschweigend Vertragscharakter hat, 
also bindend ist.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
23. Sept. 2005, 17:50 Uhr 
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Hallo allerseits,
wichtig für das Verständnis von Moral ist m.E. der 
Unterschied zwischen einem Befehl, den man im eigenen Interesse befolgt, und 
einer moralischen Norm, die man aus begründeter Einsicht befolgt.
Dieser 
Unterschied wird auch dadurch verdeckt, dass beide Fälle mit den gleichen Worten 
beschrieben werden. In beiden Fällen ist von „vernünftig“, „rational“, 
„einsichtig“, „Anerkennung“ und „Geltung“ die Rede.
Der Räuber, der einem 
nächtlichen Passanten die Pistole in den Rücken drückt und dabei fordert: „Her 
mit der Brieftasche!“ verleiht seiner Forderung mit der Pistole Nachdruck. 
Vielleicht sagt der Räuber noch: „Sei vernünftig und mach keine Spirenzchen! 
Wenn Dir Dein Leben lieb ist, dann gib den Zaster her – aber sofort!“
Es 
ist für den Überfallenen tatsächlich „vernünftig“ im Sinne von „es entspricht 
unter den gegebenen Umständen seinem eigenen Interesse“, den Befehl des Räubers 
zu befolgen, denn er verzichtet lieber auf seine Brieftasche als auf sein Leben.
(In diesem eingeschränkten Sinne von „dem eigenen Interesse entsprechend“ 
werden die Worte „rational“ bzw. „rationality“ auch im Englischen benutzt.)
Die Norm: „Her mit der Brieftasche!“ besitzt für den Überfallenen auch eine 
(faktische) „Geltung“ und er „erkennt sie an“, indem er sie befolgt. Unter dem 
Gesichtspunkt seines Eigeninteresses ist für den Überfallenen auch „richtig“, 
die Brieftasche herauszugeben. Denn er hat „eingesehen“, dass in diesem Fall 
Widerstand oder Flucht aussichtslos sind.
Es gibt jedoch keine 
Verpflichtung des Überfallenen, die Brieftasche herauszugeben. Der Befehl 
besitzt keinerlei Gültigkeit, er gilt zwar faktisch, aber seine Geltung ist 
nicht gerechtfertigt. Sowie die Drohung entfällt – z.B. weil der Überfallene 
merkt, dass es sich bei der Pistole nur um eine Attrappe handelt – gibt es 
keinen Grund mehr zur Befolgung dieser Norm. Durch Veränderung der 
Kräfteverhältnisse ist die Norm „Her mit der Brieftasche!“ weder rational, noch 
einsichtig, noch vernünftig, noch besitzt sie Geltung.
Nehmen wir 
demgegenüber eine Situation, wo ein Autofahrer einen offenbar verunglückten 
Motorradfahrer schwer verletzt am Rande der Landstraße liegen sieht und er sich 
mit der Norm konfrontiert sieht: „Auch wenn Du eigentlich keine Zeit hast und in 
Eile bist: Es ist Deine Pflicht, anzuhalten und Dich um den Verunglückten 
kümmern.“ (Dass unterlassene Hilfeleistung bei uns auch ein Straftatbestand ist, 
sei einmal ausgeklammert.) 
Die Verpflichtung zur Hilfeleistung gegenüber 
einem Verunglückten ist unabhängig von den wechselnden Macht- bzw. 
Stärkeverhältnissen „einsichtig“ „vernünftig“ oder „richtig“. Die Geltung dieser 
Verpflichtung kann ohne Sanktionen begründet werden.
Ich halte diese 
Ausführungen selber nicht für das Gelbe vom Ei, aber vielleicht ist dennoch 
deutlich geworden, was ich meine.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
23. Sept. 2005, 22:20 Uhr 
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Hi zusammen, hi Eberhard,
lass mich zuerst dein zweites Posting erörtern.
Deine Argumente widerlegen m.E. die These, Moral oder Ethik hätten sich aus 
den Interesselagen von Einzelnen oder Gruppen oder gar der Gesellschaft 
entwickelt.
Nebenbei bemerkt: wie bestimmt/erkennt man die Interessen der 
Gesellschaft?
Wichtig erscheint mir der Hinweis auf das vernünftige 
Handeln. Es ist im Interesse aller potentiellen Opfer (natürlich nicht im 
Interesse aller potentiellen Täter) eines Raubüberfalles, diesen unter Strafe zu 
stellen. (Wie du ebenso vernünftig begründen willst, warum man keinen 
Raubüberfall begehen soll, wenn man die Möglichkeit dazu hat und er nicht unter 
Strafe steht, das weiß ich allerdings nicht und nur das wäre eine moralische 
Begründung.) Es ist aber ebenso vernünftig und im Interesse des akuten Opfers, 
den Raubüberfall nicht nur zu dulden, sondern ihm sogar zum Erfolg zu verhelfen 
- indem man die Brieftasche heraus rückt. Urteilt die Vernunft im Einklang mit 
der Moral? Oder zeigt dieses Beispiel nicht auch, dass der Vernunft moralische 
Normen im Ernstfalle herzlich gleichgültig sind?
Wenn dies der Fall wäre: 
wie könnte es dann vernünftige Moralen geben? Oder ist nicht das Wort Moral 
ebenso doppeldeutig? Das erinnert jetzt an Wittgenstein, der feststellte, dass 
manche Wörter, 'gut' zum Beispiel, immer in zwei Bedeutungen gebraucht werden: 
einer relativen - das ist ein guter Stuhl - und einer absoluten - das ist ein 
guter Mensch -. So könnten wir auch dem Opfer sagen: es war gut, dass du ihm die 
Brieftasche gegeben hast. Aber meinen tun wir damit die relative Bedeutung von 
gut. So, wie wir auch die relative Bedeutung von gut meinen, wenn wir dem Täter 
sagen würden: es war gut, dass du ihn mit der Waffe bedroht hast, denn so bist 
du ohne Probleme an sein Geld gekommen.
Ist nicht 'gut' im relativen Sinne 
beinahe Synonym für vernünftig und sinnvoll? Aber mit Ethik hat das nichts zu 
tun, auch nicht mit der meist mitgedachten Bedeutung von Moral.
Mein 
zweiter Gedankengang hierzu: wie wichtig ist das für unsere Diskussion? Denn das 
Opfer wird zwar der Gewalt weichen und die Brieftasche heraus rücken, aber es 
wird doch deswegen die Tat nicht billigen. Seine persönliche Ansicht dazu bleibt 
trotz Gewalt unverändert.
Aber: das muss nicht zwingend so sein. Herrn 
Hunds Opfer, Rüden, den er verprügelt und unterworfen hat, machen meist nicht 
den Eindruck, dass sie das als 'Unrecht' empfinden. Sie weichen ihm ehrerbietig 
aus, es sei denn, es droht Gefahr von einem anderen großmächtigen Kerl. Dann 
suchen sie seine Nähe, denn wer sie verprügeln kann, ist stark und bietet 
Schutz.
Ist das bei etlichen Menschen so viel anders (denk an die Mafia)? 
Litten und fluchten die mittelalterlichen Bauern nicht unter der Fron ihrer 
Grundherren, und lehnten sich meist dennoch nicht auf, weil sie in diesen 
unsicheren Zeiten bei Gefahr in die Zwingburg fliehen konnten? Was schuf und 
garantierte den Freien Reichsstädten die Freiheit? Die Stadtmauer. Die brauchten 
keinen Burgherren, die lebten selber in einer Burg.
Wie weit ist also die 
Gültigkeit moralischer Normen abhängig von der Freiheit vor Not und Bedrohung? 
Der kölner Kardinal Frings erlaubte den Kohlenklau zur Sicherung 
lebensnotwendiger Bedürfnisse. Ein Beispiel übrigens für Differenzen zwischen 
Ethik und Moral. Moralisch war der Kohlenklau eher schlecht; ethisch 
unproblematisch.
Nur in der Freiheit von Not und Unterdrückung kann sich 
das Menschliche voll entfalten.
Du sagst:
Die Verpflichtung zur 
Hilfeleistung gegenüber einem Verunglückten ist unabhängig von den wechselnden 
Macht- bzw. Stärkeverhältnissen "einsichtig" "vernünftig" oder "richtig". Die 
Geltung dieser Verpflichtung kann ohne Sanktionen begründet werden. 
Dann 
begründe doch mal!
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
23. Sept. 2005, 23:08 Uhr 
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Hi,
zu Eberhards obigem vorhergehenden Posting:
Es gibt dazu eine 
Gegenposition, die längere Zeit recht erfolgreich war:
(Das Ziel war es, 
die Menschen zu befreien vom Zwange eines zum) "... Selbstzweck gewordenen 
Geistes, von den schmutzigen und erniedrigenden Selbstpeinigungen einer Gewissen 
und Moral genannten Chimäre und von den Ansprüchen einer Freiheit und 
persönlichen Selbständigkeit, denen immer nur ganz wenige gewachsen sein können. 
Der christlichen Lehre von der unendlichen Bedeutung der menschlichen 
Einzelseele und der persönlichen Verantwortung setze ich mit eiskalter Klarheit 
die erlösende Lehre von der Nichtigkeit und Unbedeutendheit des einzelnen 
Menschen und seines Fortlebens in der sichtbaren Unsterblichkeit der Nation 
gegenüber. An die Stelle des Dogmas von dem stellvertretenden Leiden und Sterben 
eines göttlichen Erlösers tritt das stellvertretende Leben und Handeln des neuen 
Führergesetzgebers, das die Masse der Gläubigen von der Last der Entscheidung 
entbindet.
Hitler zu Rauschning.
Entscheidung kann eine Last sein. Vor 
allem dann, wenn man die Verantwortung dafür gar nicht übernehmen kann, weil man 
zu wenig von den Dingen weiß. Ich z.B. würde mich weigern darüber zu 
entscheiden, ob ein psychisch kranker Straftäter aus der Forensik entlassen 
werden soll oder nicht, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne; ich 
verstehe davon zu wenig. Auch hierzu gibt es ja eine altehrwürdige Ansicht: 
Platon, der Philosophenstaat, in der nur diejenigen diktatorische 
Entscheidungsbefugnis haben, die von der Sache etwas verstehen.
(Angesichts der Wahlergebnisse sage ich allerdings, dass der gesammelte Verstand 
der Bürger unseres Staaten um einiges größer ist als der etlicher 
praktizierender Politiker.)
Gegen die Diktatorenargumente setze ich zwei, 
erst mal probeweise subjektiv:
1. Aber wollen wir eine solche Ordnung, 
deren einzige "Begründung" im Verweis auf die Machtverhältnisse und die 
drohenden Sanktionen für Ungehorsame besteht? 
Nö.
2. Wenn ich mangels 
Wissens über eine Angelegenheit nicht entscheiden kann, kann ich sie mir immer 
noch erklären lassen. Das ist jedoch mühsam und kostet Gehirnschmalz. Die 
Alternative wäre jedoch die (sehr wahrscheinliche) Möglichkeit, dass eine 
Diktatur mich und die ganze Gesellschaft dazu zwingt, unmoralische, der Ethik 
widersprechende, unmenschliche Entscheidungen und Taten zu dulden oder gar 
mitzumachen - und das will ich nicht verantworten.
In einem autoritären 
Staat ist mir ein gut Teil persönliche Freiheit genommen. Na und? Kann man 
sagen, musste dich halt anpassen oder: ertrage es zum Wohle des Ganzen, 
Staatsraison.
Aber das ist imho nicht der springende Punkt. Der 
springende Punkt ist, in einer Diktatur besteht kein einfach und gefahrlos 
auszuübendes Mitspracherecht, kein legitimes Widerstandsrecht, wenn die 
Menschlichkeit, die Ethik missachtet wird. Und das wird sie zwangsläufig. Daran 
bin ich als ruhiger, mitlaufender Bürger dann mitverantwortlich und mitschuldig. 
Das Risiko ist mir zu groß.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 24. Sept. 2005, 04:10 Uhr 
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Hallo Rudi! 
Reden wir nicht drumherum: Im Grunde SIND wir Schimpansen. 
Der Unterschied zwischen ihnen und uns beträgt nur 1,3 %. Das ist nichts! 
Trotzdem erführe ich ZU gern, wie die "Wurzel" jener absonderlichen 
menschlichen Verhaltensweise, die man "Evolutionsbiologie treiben" nennen 
könnte, bei unseren schwarzfelligen Artgenossen aussieht. 
Einstweilen 
hoffe ich, dass unsere Primatenforscher nicht insgeheim von ihren 
Studienobjekten abschreiben... 
Schöne Grüße
Urs
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
24. Sept. 2005, 08:05 Uhr 
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Hi Urs,
die 1,3% beziehen sich auf den Unterschied in der genetischen 
Speicherung von Erfahrung.
Sie reichen für den Sprung vom Schimpansen zum 
Menschen aus, bei dem das Entscheidende ist, dass er seine Erkenntnisse 
hirnextern speichern kann.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 24. Sept. 2005, 10:24 Uhr 
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..... und ich sage euch !
ihr ver wechselt immer ursache und aus 
wirkung !
weil der geist !
hat die änderung bei der genetik er 
wirkt
nicht die genetik 
den geist .......
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
24. Sept. 2005, 22:24 Uhr 
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Hi, doc rudi,
Sie reichen für den Sprung vom Schimpansen zum Menschen 
aus, bei dem das Entscheidende ist, dass er seine Erkenntnisse hirnextern 
speichern kann. 
Meinst du damit, ein paar Schimpansen haben irgendwann 
einmal Schreiben gelernt und sich daraufhin zu Menschen entwickelt?
[smiley=atomicplus.gif] 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
24. Sept. 2005, 22:36 Uhr 
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Hallo allerseits,
ich will noch mal zusammenfassen, wo wir uns in der 
Diskussion gegenwärtig befinden. 
Wir sind – ausgehend von der konkreten 
moralischen Frage – („Was macht man angesichts von Menschen, die ihre Gesundheit 
und ihr soziales Leben durch Rauschmittel ruinieren?“) – bei der übergeordneten 
Frage angelangt, wie man überhaupt Antworten auf moralische Fragen finden kann 
und was die geeigneten Kriterien für die Richtigkeit solcher Antworten sind.
Wir diskutieren dazu verschiedene Positionen. 
Die eine Position geht 
von einem „ethischen Willen“ im Menschen aus, der – vorausgesetzt die Sachlage 
ist geklärt und bekannt – eine einheitliche Stellungnahme hervorbringt. Ich 
nenne diese Position einmal die „intuitionistische Position“ in der normativen 
Ethik.
Für diese Position, die es in der Geschichte der Moralphilosophie 
in verschiedenen Varianten gibt („moral sense“, „Werteschau“ etc.) spricht, dass 
wir in uns soziale Impulse vorfinden wie Gewissensbisse, Mitleid, 
Identifizierung mit dem Schicksal anderer, Gerechtigkeitsgefühl, moralische 
Empörung, Dankbarkeit, mütterliches oder väterliches Gefühl, Hilfsbereitschaft, 
Opferbereitschaft, Idealismus oder Bereitschaft zur Ein- und Unterordnung. Diese 
Impulse sind offensichtlich nicht das Ergebnis von Denkprozessen. 
Gegen 
eine Gründung der normativen Ethik auf den „Ethischen Willen“ bzw. den 
„moralischen Sinn“ spricht, dass dieser ethische Wille von Individuum zu 
Individuum und von Kultur zu Kultur unterschiedlich stark ausgebildet ist und 
inhaltlich nicht einheitlich ist (was allerdings erst noch zu belegen wäre).
Die andere Position geht von dem aus, was Menschen wollen, oder anders 
ausgedrückt: von ihren Interessen. Dabei müssen diese Interessen nicht unbedingt 
nur auf das eigene Wohlergehen gerichtet sein, sondern können auch auf das 
Wohlergehen anderer Individuen gerichtet sein. Die oben genannten Impulse wie 
Mitleid oder Mutterliebe werden also einbezogen.
Diese Interessen 
harmonieren nun nicht in jedem Fall. So gibt es z.B. Konflikte, wenn es um nur 
begrenzt verfügbare Mittel der Bedürfnisbefriedigung geht. Konflikte können zum 
gewaltsamen Kampf eskalieren, verbunden mit Gefahren für die am Kampf 
Beteiligten.
Dies kann durch die Formulierung von Normen vermieden 
werden, an die sich alle Beteiligte halten.
Ein solches Normensystem kann 
nun auf verschiedene Weise geschaffen werden.
Es kann von mächtigen 
Individuen oder Gruppen den Beteiligten aufgezwungen werden. Dies ist auch ohne 
offene Gewaltanwendung möglich, wenn der Ausgang eines Kampfes angesichts der 
Kräfteverhältnisse vorherzusehen ist. Dies kann man die „Position vom Recht des 
Stärkeren“ nennen. Ein Normensystem gewinnt allein dadurch, dass es da ist und 
durchgesetzt wird, eine Autorität. 
Für diejenigen, denen das 
Normensystem aufgezwungen wurde, gibt es keinen Grund zu dessen Befolgung außer 
der drohenden Sanktion. Sofern in diesem Normensystem elementare Interessen an 
Leben und Gesundheit gesichert sind, gilt das Argument „Besser irgendeine 
Ordnung als gar keine Ordnung“.
Eine andere Möglichkeit ist das 
Aushandeln eines Normensystems in Form eines für alle verbindlichen Vertrages. 
Man kann diese Position als die „vertragstheoretische Position“ bezeichnen. Für 
die Befolgung dieses Normenssystems gibt es den Grund, dass man sich selber zur 
Befolgung der Normen verpflichtet hat. 
Aber warum soll man Verträge 
halten? Noch dazu in einer sich verändernden Welt? 
Außerdem wird das 
Verhandlungsergebnis durch die unterschiedliche Verhandlungsmacht („bargaining 
power“) der Beteiligten beeinflusst. Der Starke kann warten, bis der „stumme 
Zwang der Verhältnisse“ den Schwachen zum Nachgeben zwingt, weil er auf die 
vertragliche Einigung angewiesen ist.
Solange kein Vertrag abgeschlossen 
ist, bleibt es beim Status quo – und dieser kann für die Vertragsparteien 
unterschiedlich erträglich sein. Im Extremfall bedeutet die Beibehaltung des 
Status quo, dass die eine Partei von der anderen „an den Verhandlungstisch 
gebombt“ wird, wie es während des Vietnamkrieges einmal hieß..
Eine 
dritte Möglichkeit ist die Bestimmung desjenigen Normensystem, das von allen 
Beteiligten angesichts der gegebenen Interessenstruktur am ehesten gemeinsam 
akzeptiert werden kann, wobei nur Argumente ausgetauscht werden und kein anderer 
Zwang für die Individuen besteht als der Zwang, sich zu einigen und einen 
gemeinsamen Willen zu formulieren. Man kann diese Position als 
„diskurstheoretische Position“ bezeichnen, da das Ergebnis allein aus einem 
Austausch von Argumenten, also aus einer vernünftigen Diskussion, hervorgehen 
soll. 
Es muss also nach solchen Argumenten gesucht werden, die allgemein 
akzeptabel sind und es müssen solche Argumente als ungeeignet methodisch 
ausgeschlossen werden, die einen Konsens unmöglich machen. Dabei ist das Ziel 
eines allgemeinen und dauerhaften Konsens über die zu befolgenden Normen eher 
eine „regulative Idee“, die der Orientierung dient, als ein Punkt, den man ein 
für allemal erreichen kann.
Um das Ganze nicht in dieser hochabstrakten 
Form stehen zu lassen, nenne ich mal einige methodische Konsequenzen für die 
ethische Diskussion, die sich aus dem Zwang zum zwanglosen Konsens ergeben 
können: 
Wer den Konsens will, der darf den Konsens nicht für 
unerreichbar erklären sondern muss um ihn bemüht bleiben.
Wer den Konsens 
will, der muss sich um eine verständliche Sprache bemühen.
Wer den 
Konsens will, der muss argumentieren und darf nicht drohen.
Wer den 
Konsens will, der muss sich um ein Verständnis für die Lage des andern bemühen.
Wer den Konsens will, muss mögliche Abstriche an seinen Interessen 
akzeptieren, denn im Konfliktfall ist sonst kein Konsens möglich.
Wer den 
Konsens will, der muss auf gleichartige Fälle auch gleichartige Normen anwenden. 
Was faktisch gleich ist, muss auch gleich bewertet werden und durch gleiche 
Normen geregelt werden.
Wer den Konsens will, der muss die 
unterschiedliche Behandlung von Individuen mit faktischen Unterschieden 
begründen, die in Bezug auf die Interessen der Betroffenen von Bedeutung sind.
Wer den Konsens will, der darf anderen nicht größere Opfer zumuten als 
er selber unter den gleichen Umständen zu tragen bereit ist.
Wer den 
Konsens will, der muss andern unter den gleichen Umständen auch diejenigen 
Rechte zugestehen, die er für sich selbst beansprucht.
Wer den Konsens 
will, der muss für sich selbst die gleichen Pflichten anerkennen, die er unter 
gleichen Umständen den andern zugeschrieben hat.
Wer den Konsens will, 
der muss bereit sein, eine von ihm befürwortete Norm auch dann zu akzeptieren, 
wenn er sich in der Position des schlechter Gestellten befinden würde. 
Wer den Konsens will, der muss die Interessen aller Betroffenen wohlwollend und 
unparteiisch berücksichtigen und gegeneinander abwägen.
Wie weit man 
damit kommt, bleibt offen. Der argumentative Diskurs gerantiert kein definitives 
Ergebnis. Da der Streit der Gelehrten sprichwörtlich endlos ist, muss der 
Diskurs unter konkretem Handlungsdruck der Praxis immer durch Verfahren der 
verbindlichen Setzung von Normen ergänzt werden (Eigentumsrechte, Verträge, 
Abstimmungen, Hierarchien etc.).
In der Hoffnung, dass dieser etwas lang 
geratene Beitrag trotzdem ein "verdaulicher" Brocken ist, 
grüßt Euch 
Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
25. Sept. 2005, 14:34 Uhr 
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Hi zusammen,
sofern es um die Erarbeitung praktischer moralischer Normen 
geht, scheint mir die diskurstheoretische Position und die aufgeführten 
praktischen Konsequenzen für den Diskurs vernünftig und akzeptabel zu sein.
Sie krankt jedoch an einem entscheidenden Punkt: Wer den Konsens will. Und 
wer ihn nicht will (und ich behaupte mal auf Verdacht, dass das die Mehrheit der 
heute auf der Erde lebenden Menschheit ist)? Dann gehst du mit deinem 
Diskursangebot baden. Streng zuende gedacht bleibt dann nur die Lösung, die 
Unwilligen als Unzivilisierte auszustoßen bzw. zu eliminieren, eine Lösung, die 
mir nicht passt.
Die Frage ist also: warum sollte man den Konsens wollen 
bzw. warum sollte man ihn nicht wollen?
Das heißt: es geht mir nicht 
darum, die diskurstheoretische Position abzulehnen, sondern es geht mir darum, 
sie auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Die Voraussetzung 'wenn man den 
Konsens will' ist kein tragfähiges Fundament.
Anders gesagt: es geht mir 
um die Axiome, auf denen ein solcher Diskurs aufbauen kann. Hier bringe ich den 
ethischen Willen ins Spiel, das einzige, was m.E. aufgrund seiner Evidenz 
(=jedem einleuchtend) axiomatischen Charakter haben kann. 
Ein Axiom kann 
nicht logisch/vernünftig her- oder ableitbar sein. Es muss evident sein. Es muss 
sich zeigen. Sonst ist es kein Axiom, keine Basis, sondern basiert seinerseits 
auf etwas anderem.
Andererseits operiert man im Alltag nicht mit Axiomen. 
Ein Ingenieur benutzt für seine Berechnungen zuverlässig entwickelte und 
geprüfte Formeln. Er beginnt seine Berechnungen z.B. nicht mit Peanos Axiomen. 
Zum einen käme er dann aus Zeitmangel gar nicht erst zu seinen Berechnungen, zum 
anderen ist es keine sinnvolle Tätigkeit, dauernd das Rad neu erfinden zu 
wollen. Er kann sich aber darauf verlassen, dass die Mathematik, die er benutzt, 
auf (auch wenn das manchmal bestritten wird) evidenten Axiomen basiert. Sonst 
könnte er es nicht verantworten, die erlernten Formeln zu benutzen ohne jedesmal 
nachzuprüfen, ob sie auch richtig sind.
Wenn ich also auf den humanen 
ethischen Willen hinweise, der sich hier und da in bestimmten Situationen zeigt 
(wobei das Gemeinsame dieser Situationen heraus zu finden wäre), dann meine ich 
damit nicht, dass einer im Alltag alle moralischen Normen ignorieren und immer 
nur 'Gewissenserforschung' betreiben soll, um zu guten Entscheidungen zu kommen. 
Abgesehen davon, dass das in der Praxis ebensowenig funktioniert wie die 
Herleitung von Formeln aus Axiomen beim Ingenieur, der ethische Wille zeigt sich 
in Situationen, die erst einmal erkannt werden müssen. Dieses Erkennen ist, 
bezogen auf das Individuum, subjektiv und damit fehleranfällig. Das heißt, der 
ethische Wille kann das richtige wollen, kann aber dennoch zu objektiv falschen 
Handlungen führen, weil die Situation falsch erkannt ist.
Der ethische 
Wille ist also nichts für den Alltagsgebrauch.
Es ist m.E. aber 
unverzichtbar - wenn man keine andere, tragfähige Lösung anbieten kann - sich in 
diesem Sinne mit der Ethik zu befassen, hier nach erkennbaren und evidenten 
Grundprinzipien des Humanen zu suchen, da nur dann, wenn diese allgemein 
einleuchtend gezeigt werden können (sozusagen entmüllt vom ganzen sie in der 
alltäglichen Praxis beeinflussenden Beiwerk), Aussicht auf einen allgemeinen 
Willen zum Konsens bestehen kann, der die Voraussetzung ist für eben die 
diskurstheoretische Position in der Moraldiskussion.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
25. Sept. 2005, 18:27 Uhr 
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Hi zusammen,
Eberhard #87 hat ja schön beschrieben, an was er bei ethischem 
Handeln denkt: "... Gewissensbisse, Mitleid, Identifizierung mit dem Schicksal 
anderer, Gerechtigkeitsgefühl, moralische Empörung, Dankbarkeit, mütterliches 
oder väterliches Gefühl, Hilfsbereitschaft, Opferbereitschaft, Idealismus oder 
Bereitschaft zur Ein- und Unterordnung." Er beschreibt hier zum Teil Gefühle, 
zum Teil beobachtbares Verhalten. Das kann jeder nachvollziehen, weil es 
Tatsachen sind. So etwas gibt es. Wir fragen nun, warum hat man diese Gefühle, 
oder warum handelt jemand so? 
Abrazo will dies mit einem ethischen Willen 
erklären. Dies sei ein Axiom. Abrazo #88: "Ein Axiom ... muss evident sein.
Dass ein Axiom evident sein muss, ist zwar Konsens. 
Aber: ein ethischer 
Wille ist eine Hypothese, und diese ist mir nicht evident. 
Evident ist, dass 
die von Eberhard bezeichneten Gefühle in bestimmten Situationen auftreten 
können. Sie passen als Reaktionen zu bestimmten Erlebnissen. Evident ist jedoch, 
dass diese Gefühle biologisch determiniert sind. Wir wissen auch, dass der 
Mensch, entsprechend dieser Determinierung handeln kann, aber dass er auch 
anders handeln kann, wenn er will. (Er ist eben Mensch und unterscheidet sich 
gerade darin vom Tier)
Fragen an Abrazo:
Warum soll der ethische Wille 
denn unverzichtbar sein? 
Oder: für welchen Zweck ist er unverzichtbar? 
Im Prinzip weiß jeder zwar, was mit einer ethischen Handlung gemeint ist. Das 
ist ihm von Kindheit an eingetrichtert worden. Einen Willen kann man aber nicht 
eintrichtern. Da man ethisch handeln kann, es aber auch lassen kann, gibt es 
entweder keinen ethischen Willen, oder es gibt auch den unethischen Willen und 
noch zig andere Willen. Welche Willen gibt es denn außerdem noch?
Ich 
vermute, der ethische Wille entspringt einem Wunsch. Einem frommen und achtbarem 
Wunsch, aber der ethische Wille ist keine Realität. Es wäre ja schön, wenn es 
ihn gäbe.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
25. Sept. 2005, 21:05 Uhr 
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Hi, doc rudi,
ethischer Wille ist ein Begriff. Ebenso wie biologischer 
Wille. Ein Begriff kann nicht evident sein.
Evident sein kann nur, was 
unmittelbar einleuchtet, und das sind im Zweifelsfalle Wahrnehmungen (oder - wie 
in der Mathematik - Aussagen, die unmittelbar als Prinzipien längst angewandter 
Regeln einleuchten).
Zu untersuchen ist also zunächst nicht 'der Wille', 
sondern auf Willen beruhende Phänomene, also insbesondere Handlungen. Bei 
solchen Phänomenen ist zu untersuchen, inwieweit sie mit der Biologie erklärbar 
sind, dann fallen sie in die Menge biologischer Willen, und inwieweit nicht.
Beispiele aus jüngerer Zeit findet man z.B. im nationalsozialistischen 
Widerstand. Hier frage ich dich, wie willst du z.B. die Handlung von Pater 
Maximilian Kolbe biologisch erklären? Oder die der Geschwister Scholl z.B.?
Aber es gibt auch ganz einfache, alltägliche Beispiele. Einer, Gegner der 
Existenz des ethischen Willen, verstummte wegen des Todes einer Ratte, die er, 
offenbar vergiftet, vor seinem Hauseingang fand und erschlug. "Warum hast du sie 
erschlagen und nicht einfach liegen lassen?" - "Weil sie offenkundig litt." - 
"Was geht dich die Ratte an?" Eben. Was ging sie ihn an?
Meine Katze 
hatte keine Probleme damit, einem schreienden lebendigen Kaninchen das Bein 
abzufressen. Warum haben wir Probleme damit? Warum würden wir einen Menschen, 
der das täte, in die Psychiatrie stecken?
Warum finden wir in allen 
Kulturen das Gebot 'du sollst nicht töten' richtig, auch wenn wir es nicht immer 
befolgen? Welcher vernünftige Grund spricht dagegen, Fremde nicht umgehend in 
die Wildnis oder in den Sumpf zu jagen oder gleich um die Ecke zu bringen?
Zur Zeit Mohammeds war es üblich, neugeborene Mädchen, die man nicht haben 
wollte, in die Wüste zu tragen und dort im Sand zu vergraben. Der Koran meinte 
dazu, am jüngsten Tag würden diese Mädchen aufstehen und anklagen, wegen welcher 
Schuld man sie umgebracht hat. Warum wurde der Brauch daraufhin als Verbrechen 
angesehen? Weil man Angst vor Gott hatte? Na, an den musste man erst mal 
glauben, die alten Götter hatten offenbar nichts dagegen gehabt.
Meiner 
Ansicht nach sind solche und zahlreiche andere Phänomene biologisch nicht 
erklärbar. Sie widersprechen sogar der biologischen Logik.
Wenn du 
anderer Ansicht bist, dann liefere eine biologische Erklärung. Aber bitte 
sorgfältig abgeleitet von biologischen Grundprinzipien - nicht irgendwelche 
spekulativen Scheinbegründungen!
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Armes_Kind 
am 25. Sept. 2005, 23:25 Uhr 
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Heil!
Solange der Mensch, die höchste Schöpfung von allem ist. So wird er 
weiterhin die Natur sowie die Tierwelt ausbeuten wie es ihn behagt. Machen wir 
es doch nicht so einfach. Der Mensch hat Freunde um sein Bedürfnis nach 
Zweisamkeit zu stillen wie er eine Kuh mit einem Stück Stahl ins Hirn schießt um 
sie sein Bedürfnis nach Nahrung zu stillen. Der Mensch handelt nach 
Bedürfnissen. Der Mensch ist ... böse ... 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
26. Sept. 2005, 09:00 Uhr 
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Hallo abrazo,
ich nahm an, Du wollstest den ethischen Willen als Hypothese 
verstanden wissen, die sogenanntes ethisches Verhalten erklärt, also das Warum 
beantwortet. Es soll also nur ein Begriff sein, der tatsächlich zu Beobachtendes 
zusammenfasst.
Mit meinen Begriffen Selbsterhaltung (Überleben) und 
Selbstentfaltung (Wachstum. Vergrößerung) ist es anders: sie erklären das 
Verhalten lebender Systeme, wie die Begriffe Trägheit und Gravitation das 
Verhalten nichtlebender Objekte erklären.
Gefunden habe ich diese übrigens 
anlässlich einer Untersuchung zur Aggression (gibt es einen Aggressionstrieb? 
Meine Antwort: nein). In 10-jähriger Beobachtung fand ich dann, dass sie auf 
alle lebende Systeme zutreffen, nicht nur auf meine anfänglichen 
Untersuchungsobjekte. Dazu musste ich allerdings meine Konstruktion der Welt 
ändern und streng zwischen lebenden Systemen der Ordnungshöhe Individuum und 
lebenden Systemen höherer Ordnung unterscheiden lernen.
Deine Beispiele für 
ethisches Verhalten sind vielfältig, so dass ich sie umfangreich an anderer 
Stelle beantworte, ich möchte erst einmal das Verhalten der Geschwister Scholl 
herausgreifen.
Das Individuum fungiert im Staat nur als Baustein eines 
Systems höherer Ordnung, d.h. es ordnet seine Interessen denen des Staates 
unter. Bei gruppenlebenden Primaten ist das biologisch begründet. Es gibt dort 
eine Hierarchie, in der jeder Aufgaben, Pflichten und auch Rechte hat. Bestimmte 
Verhaltensweisen scheinen von der Brutpflege auf andere Mitglieder der Gruppe 
"übertragen" (ein Begriff von Freud) zu werden. Da denke ich an Mitleid mit 
Schwachen, das mit Verhalten einhergeht, das der Gruppe nützt. Entscheidend ist 
der Erhalt der Gruppe und deren Wachstum, die Interessen des Individuums müssen 
zurückstehen.
Beim Menschen ist das lockerer. Nach meiner Beobachtung geht 
die Entwicklung dahin, dass das Individuum immer mehr Freiheiten erwirbt. So 
kann der Mensch auch ausscheren aus der Gruppe, Nein sagen, und seine Interessen 
dem Interesse des Staats entgegensetzen. Das hängt wahrscheinlich damit 
zusammen, dass die Größe der "Gruppe" zugenommen hat, die Horde zum Volk oder 
Staat gewachsen ist, und die Mitglieder sich nicht persönlich kennen.
Die 
ursprünglich natürliche Verhaltensweise der Einordnung in eine Gemeinschaft muss 
daher beim Menschen einerseits durch Propaganda, andererseits durch normative 
Ethik und Strafrecht unterstützt werden.
Deutschland entwickelte nach dem 
ersten Weltkrieg eine neue Identität, wobei ein Identitätskern die Wut über die 
Versailler Verträge und die finanzielle Ausbeutung Deutschlands war. Die Nazis 
boten dem Volk die Juden als Objekt für die zunächst ungezielte Wut an und 
erreichten sozusagen eine Solidarisierung, nämlich eine Identitätsbildung. Die 
Identifizierung mit positiven und negativen Werten (Ich und Nicht-Ich) des 
Systems höherer Ordnung stärkt das Selbstwertgefühl des Individuums und gibt ihm 
dadurch narzisstische Befriedigung. Das betraf die große Masse in Deutschland. 
In jeder Masse gibt es jedoch auch Abweichungen nach beiden Seiten (Gaussche 
Verteilungskurve), also Individuen, die die offizielle Sichtweise nicht teilen.
Im Fall der Geschwister Scholl war es nun nicht einmal eine individuelle 
Identität, die diese der Nazi-Identität der Deutschen entgegensetzten, sondern 
die Identität einer anderen Gruppe, der sie angehörten. Mit dem Verhalten des 
Menschen in der Masse haben sich im übrigen auch le Bon und Elias Canetti, und 
auch Freud, beschäftigt. Wichtig ist hier, dass das Individuum bestimmte 
Denkinhalte, die mit seiner Identität bzw. auch seiner Gruppenidentität nicht 
vereinbar sind, verdrängt. Also: die Identifizierung der Deutschen mit dem 
wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Deutschland führt nur dann zu 
narzisstischem Gewinn, wenn gleichzeitig der Gedanke an den Umgang mit den 
Juden, deren Eliminierung ja Teil der Identitätsfindung war, ins Unbewusste 
verdrängt wurde. Die Geschwister Scholl und andere haben eben diese Verdrängung 
nicht mitgemacht, sie hatten eine andere Gruppenidentität, die ihnen 
Selbstwertgefühl vermittelte. Sie haben dadurch die negative Seite an der 
deutschen Identitätsfindung klar gesehen und dagegen opponiert. Hierdran war 
wahrscheinlich auch ein Mitleid mit den Opfern beteiligt, also ein biologisch 
bedingtes Gefühl (s.o.). 
Biologisch begründet ist aus meiner Sicht auch das 
Verhalten des Individuums, sich für eine höhere Sache zu opfern, die 
Selbsterhaltung des Systems höherer Ordnung als wertvoller zu beurteilen als die 
persönliche Selbsterhaltung. Das betrifft das Verhalten des Soldaten im Krieg, 
besonders des Kamikaze-Fliegers, des Sprengstoffgürtelattentäters und auch das 
Verhalten des Pater Maximilian Kolbe. Aus der Sicht des jeweiligen Systems 
höherer Ordnung, dem sich der Betreffende unterordnet, wird dies als Heldentat 
bewertet. Diesen narzisstischen Gewinn nimmt der Betreffende mit – auch bei 
Kolbe ist diese Rechnung aufgegangen: er wurde heilig gesprochen. 
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
26. Sept. 2005, 09:50 Uhr 
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Hallo Abrazo,
Deine kritische Frage zur diskurstheoretischen Begründung 
von Normen des Handelns lautet: Was ist mit denen, die den Konsens, also die 
zwangfreie Einigung durch den Austausch von Argumenten, nicht wollen?
Meine Antwort:
Dem nicht in dieser Weise Konsenswilligen kann ich erklären, 
welche Konsequenzen diese Haltung für sein Verhältnis zu den andern Menschen 
hat. 
Wichtig ist, dass er damit bewusst Konflikte erhält, also keinen 
Frieden will.
Dadurch, dass er sich nicht auf die Suche nach einer 
zwangfreien Einigung festlegen lässt, behält er sich die Möglichkeit vor, ohne 
Rücksicht auf andere zu handeln. Damit entfällt auch die Vertrauensbasis 
zwischen ihm und den anderen Menschen.
Es bleibt höchstens noch eine 
Berechenbarkeit seines Handelns, gesetzt den Fall, dass er sich zu einer 
bestimmten (dogmatischen) Moral bekennt und sich konform zu deren Normen 
verhält.
Wer sich nicht zwangfrei einigen will, der gehört für mich nicht 
zu den „Menschen guten Willens“, Vor ihm muss ich mich in Acht nehmen.
Das bedeutet noch nicht, dass ich ihn als Feind betrachte, den ich unschädlich 
machen muss. Ich kann aus meiner Sicht seine Interessen mit berücksichtigen und 
ihm seine Rechte erhalten in der Hoffnung, dass er doch noch einsichtig wird. 
Diesen Prozess kann ich mit pädagogischen oder therapeutischen Mitteln 
unterstützen
Außerdem ist wichtig, dass der nicht Konsenswillige keine 
Grundlage für eine Kritik am Handeln anderer mehr besitzt. Er kann zwar noch 
sagen: „Das passt mir nicht, was Du da machst“, aber er kann keine Kritik mit 
einem Anspruch auf allgemeine Geltung mehr äußern, es gibt keine Grundlage für 
einen moralischen Vorwurf oder eine moralische Rechtfertigung, die mehr aussagen 
als ein rein subjektives „pfui“ oder „bravo“. Kurz gesagt: Er kann in der 
Befürwortung oder Ablehnung von Verhaltensweisen anderer nicht mehr 
beanspruchen, „recht“ zu haben.
Er kann zwar noch versuchen, mich 
immanent zu kritisieren, mir innere Widersprüche in meiner Position 
nachzuweisen, aber er kann sich nicht darauf berufen, dass ich mich an meine 
eigenen moralischen Prinzipien zu halten hätte. (So wie ein Gegner der 
Meinungsfreiheit sich für die Verbreitung seiner Ansichten nicht auf das 
geltende Recht der Meinungsfreiheit berufen kann.) 
Für die 
Moralphilosophie stellt der nicht Konsenswillige kein theoretisches Problem dar, 
weil er seine Normen ohne den Anspruch auf nachvollziehbare Begründbarkeit 
vertritt, womit sie wissenschaftlich irrelevant sind. (Was jedoch nicht 
ausschließt, dass der nicht Konsenswillige weiterhin ein großes praktisches 
Problem darstellt.) 
Die Aufgabe der Moralphilosophie ist erfüllt, wenn 
sie den nicht Konsenswilligen als solchen identifiziert. Seine Bekämpfung kann 
nicht mit Argumenten erfolgen sondern bedarf anderer Mittel.
Es grüßt 
Dich und alle Interessierten, Eberhard.
p.s.: Ich höre so wenig Kritik 
von sonst recht lautstarken Philtalkern.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 26. Sept. 2005, 10:10 Uhr 
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> Wichtig ist, dass er damit bewusst Konflikte erhält, also keinen Frieden will.
.... von euerem fried hof 
wo nur mamas lieb linge auf diese 
auf passen wollen
zum menschen ver achtende nicht zukunft be treiben
will kein mensch etwas !
weil absolut ohne wahr heit
deshalb ohne 
nutzen für jede inteligenz ..........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
26. Sept. 2005, 17:25 Uhr 
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Hi, doc rudi,
Mit meinen Begriffen Selbsterhaltung (Überleben) und 
Selbstentfaltung (Wachstum. Vergrößerung) ist es anders: sie erklären das 
Verhalten lebender Systeme, wie die Begriffe Trägheit und Gravitation das 
Verhalten nichtlebender Objekte Biologische Erklärungen gibt es viele und 
meistens treffen sie auch zu. Sie treffen aber nicht immer zu, und genau das 
sind die Fälle, die mich im Zusammenhang mit Ethik interessieren. Das heißt: ich 
nehme die Hypothese der biologischen Erklärung an und schaue dann, wo Verhalten 
diesen Erklärungen widerspricht. Das revidiert nicht alle biologischen 
Erklärungen, es führt aber zu dem Schluss, dass es beim Menschen über die 
Biologie hinaus noch andere Gründe für sein Verhalten gibt. Krampfhaft an einer 
scheinbar allumfassenden Erklärung festhalten zu wollen ist m.E. ideologisch.
(gibt es einen Aggressionstrieb? Meine Antwort: nein)
Dürfte darauf 
ankommen, wie man Aggressionstrieb definiert. Mir ist die Definition von Trieb 
ohnehin sehr unklar; mir reicht es eigentlich, dass Lebewesen Gefühle haben, von 
denen sie gesteuert werden. Ohne Zweifel wird Aggressivität vielfach mit 
Lustgefühl belohnt. 
Entscheidend ist der Erhalt der Gruppe und deren 
Wachstum, die Interessen des Individuums müssen zurückstehen
Das Rudel wird 
nach meinen Beobachtungen bei Hunden als persönliches Eigentum des Leitwolfes 
betrachtet.
So kann der Mensch auch ausscheren aus der Gruppe, Nein 
sagen, und seine Interessen dem Interesse des Staats entgegensetzen. Das hängt 
wahrscheinlich damit zusammen, dass die Größe der "Gruppe" zugenommen hat, die 
Horde zum Volk oder Staat gewachsen ist, und die Mitglieder sich nicht 
persönlich kennen
Mensch kann genau so gut aus Gruppen ausscheren, die er 
seit langem kennt (Lafontaine)
Ich halte nichts davon, Grundprinzipien mit 
statistischem Denken untermauern zu wollen, indem man sich an das (scheinbar) 
Normale hält und das Abweichende schlicht und einfach mit dem Argument 
Gauss'schen Glockenkurve ignoriert. So was nenne ich geistige Schlampigkeit. 
Denn auch Abweichungen, gerade sie, haben Gründe.
Deutschland entwickelte 
nach dem ersten Weltkrieg eine neue Identität
Wenn du den ersten Teil von 
Hitlers "mein Kampf" liest, dazu auch noch z.B. Nietzsche und Otto Weininger, 
wirst du feststellen, dass genau das nicht der Fall war. Die neue Identität 
entwickelte sich tatsächlich mit der de-facto Abschaffung des Föderalismus 
zugunsten eines preussischen Zentralstaates. Folge war die Entwicklung einer 
Aggressivität nach außen, die aber nicht die Juden umfasste, sondern die 
benachbarten Länder und Völker. Das Judenproblem ist etwas ganz anderes, das man 
damit nicht in Zusammenhang bringen darf. Hitler galten die Juden wg. Altes 
Testament, Paulus & Co. als Urheber der Ethik, einer Ethik des Mitleids mit den 
Schwachen, die er (wie auch Nietzsche) als zerstörerisch für die Entwicklung des 
'wahren', des 'Übermenschen' ansah und die die Juden zwecks eigenem Überleben 
als Schmarotzer am wahren Menschentum entwickelt haben sollten. Hier stand in 
der Tat die biologistische Auffassung vom Menschen und seinem Verhalten (gut 
ist, was die Natur will) im Vernichtungskrieg mit dem - im weitesten Sinne - 
Humanismus.
Sie haben dadurch die negative Seite an der deutschen 
Identitätsfindung klar gesehen 
Warum war das denn eine negative Seite? Das 
ist doch die eigentliche Frage! Irgendwie mogelst du dich permanent an unserer 
Fragestellung vorbei. Du sprichst von normativer Ethik, lässt dich aber nicht 
auf unsere Frage ein, nämlich wie sie begründet sein soll. Aber genau das ist 
es, was uns interessiert - und die Begründungen haben genau für die Fälle auch 
zu gelten, die außerhalb des Normalintervalls liegen.
Hierdran war 
wahrscheinlich auch ein Mitleid mit den Opfern beteiligt, also ein biologisch 
bedingtes Gefühl 
Belege doch mal, wo in der Natur Mitleid außerhalb (!) des 
eigenen Rudels ein biologisches Gefühl ist! Du darfst eines nicht übersehen: die 
Verhaltensweisen innerhalb einer geschlossenen Gruppe werden in der Natur nicht 
auf Gruppen und Gruppenmitglieder übertragen, die außerhalb dieser Gruppe 
stehen!
Biologisch begründet ist aus meiner Sicht auch das Verhalten des 
Individuums, sich für eine höhere Sache zu opfern, die Selbsterhaltung des 
Systems höherer Ordnung als wertvoller zu beurteilen als die persönliche 
Selbsterhaltung
Belege, dass Tiere ihr Verhalten beurteilen! Belege, dass sie 
da eine Wahlmöglichkeit haben!
auch bei Kolbe ist diese Rechnung 
aufgegangen: er wurde heilig gesprochen. 
Und was hatte Kolbe davon? Mal 
abgesehen davon, dass das einfach nicht wahr ist. Kein geistig gesunder Mensch 
lässt sich umbringen um eines narzisstischen Gewinnes willen, von dem er mehr 
als Einbildung gar nicht haben kann. Auch ein Selbstmordattentäter nicht. 
Vielmehr dürfte da (aber nach allem, was man weiß, nicht bei Kolbe) die 
Befriedigung maßgebend sein, dass das Recht durchgesetzt wird (was ihrer Ansicht 
nach Recht ist natürlich). Der Grund für Ermittlungen, für Prozesse mit Urteil - 
und für den Glauben an das Jüngste Gericht bei den Religionen.
Tatsachen, 
Rudi. Zwar sagte, zumindest früher, der landläufige berüchtigte Sozialarbeiter, 
tief in deinem Unterbewußtsein willst du, was ich will, denkst du, was ich sage, 
du weißt es nur noch nicht, doch selbst wenn das stimmten sollte - was ich 
bezweifele - erklärt es nicht, warum der Angesprochene in seinem Bewusstsein 
anders denkt. Alles 'irjendswie' in die Theorie hineinpfriemeln, das überzeugt 
nicht.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
26. Sept. 2005, 17:55 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Für die Moralphilosophie stellt der nicht Konsenswillige 
kein theoretisches Problem dar, weil er seine Normen ohne den Anspruch auf 
nachvollziehbare Begründbarkeit vertritt, womit sie wissenschaftlich irrelevant 
sind. (Was jedoch nicht ausschließt, dass der nicht Konsenswillige weiterhin ein 
großes praktisches Problem darstellt.) 
Die Aufgabe der Moralphilosophie 
ist erfüllt, wenn sie den nicht Konsenswilligen als solchen identifiziert
Um Himmels willen, Eberhard, denk mal daran, was du da sagst!
Wir dürften 
nicht den jeweiligen Kontext aus den Augen verlieren. Es gibt die nicht 
konsenswillige Einzelperson und die nicht konsenswillige Subkultur innerhalb 
einer geschlossenen Gesellschaft. Es gibt aber auch andere nicht konsenswillige, 
Gruppen, die Millionen Menschen umfassen, nämlich Angehöriger anderer Kulturen 
und Staaten. Soll es die Konsequenz der Moralphilosophie sein, zu ihnen Kontakte 
abzubrechen, ggf. Kriege zu führen? Das kann dann keine Moralphilosophie sein.
In der Theorie klingt das alles ja recht nett. Auch die Sache mit dem 
Verzichten auf eigene Interessen. Aber wie sieht das bitte in der Praxis aus?
Vor etlichen Jahren gab es in der Staatengemeinschaft eine Diskussion 
über Menschenrechte, die wg Unvereinbarkeit zu keinem Konsens führte. Es ging um 
das Recht auf Arbeit. Es gab Staaten, die forderten, dies als Menschenrecht 
anzuerkennen. Die westlichen Staaten lehnten es rigoros ab. Und nu? Meiner 
Ansicht nach ist Arbeit ein Menschenrecht, für dessen Verwirklichung der Staat, 
also die Gesellschaft einzutreten hat, sobald es einem Menschen unmöglich ist, 
sich seine Arbeitsmöglichkeit selbst zu schaffen, etwa indem er in die Wildnis 
zieht und ein Stück Land urbar macht, um davon zu leben. Solche und ähnliche 
Möglichkeiten verweigern unsere modernen Gesellschaften, also sind sie in der 
Pflicht.
Oder die Interpretation des Begriffes Freiheit. Auch da stimme 
ich denen zu die sagen, die Voraussetzung für die Verwirklichung der 
persönlichen Freiheit ist die Freiheit vom Kampf um das Überleben aus Mangel am 
Notwendigen. Aber du weißt, darüber ist mit unseren Gesellschaften zumindest zur 
Zeit kein Konsens zu erzielen.
Und nun? Wer ist willig, wer unwillig? Wer 
hat Recht, wer nicht? Wer ist als Konsensunwilliger zu isolieren ggf. zu 
bekriegen?
Lassen wir die Finger davon, Eberhard. Die Frage nach 
Konsenswilligkeit oder nicht stellt sich frühestens dann, wenn wir tatsächlich 
Normen finden, die von allen Menschen anerkannt werden können - womit wir wieder 
bei meinem humanen ethischen Willen wären [sun]
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 26. Sept. 2005, 18:11 Uhr 
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Hallo Rudi! 
Was ich mich frage: Worauf willst Du mit Deiner 
biologistischen Theorie eigentlich hinaus? Welche Nutzanwendung hast Du im 
Hinterkopf? 
Du willst menschliche Verhaltensweisen kausal erklären, na 
schön. Kausale Erklärungen in den Naturwissenschaften haben immer zugleich den 
Sinn, die erklärten Phänomene technisch zu beherrschen. Denn wenn man im 
Experiment regelmäßig die Bedingungen x, y, z produzieren kann, die das Phänomen 
P erzwingen, dann gilt P als „erklärt“. Was es „an sich“ sein mag, interessiert 
nicht; man kann damit rechnen und arbeiten, das genügt. 
Diese 
Einstellung den Phänomenen gegenüber willst Du also auch am „lebenden System“ 
von der Sorte „Mensch“ exerzieren. Mit welchem Ziel? Möchtest Du die Mittel 
einer Art „Sozialtechnologie“ zur besseren Beherrschung dieser „lebenden 
Systeme“ bereitstellen? Welche Menschen würden denn diese Sozialtechnik auf 
welche Menschen anwenden? Ich vermute mal, dass Du lieber zu den Anwendern 
gehören möchtest, nicht zu den Objekten. Aber mit welcher Begründung? 
Was Du in meinen Augen de facto betreibst, ist eine theoretische Schule der 
Verrohung und Entdifferenzierung. Abrazo zeigt ja sehr schön, mit welchen 
Vernachlässigungen Deine zu „Erklärungen“ aufgemotzten Vermutungen erkauft sind, 
wie viele feine Unterschiede, die im Umgang von Menschen mit Menschen wichtig 
sind, Du unter den Tisch fallen lassen musst und – offenbar auch willst. 
Schönen Gruß
Urs 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
26. Sept. 2005, 18:33 Uhr 
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Hi Abrazo,
Du sagst, und das ist Dein wesentlicher Einwand: "ich nehme die 
Hypothese der biologischen Erklärung an und schaue dann, wo Verhalten diesen 
Erklärungen widerspricht. Das revidiert nicht alle biologischen Erklärungen, es 
führt aber zu dem Schluss, dass es beim Menschen über die Biologie hinaus noch 
andere Gründe für sein Verhalten gibt." 
Theoretisch sehr schön, aber ich 
habe den Eindruck, dass Du hier "biologische Erklärung" gleichsetzt mit 
Determiniertheit und Freiheitsverlust.
Du solltest Dir einmal klar vor Augen 
führen, wie die Natur (oder die Biologie) das Verhalten genetisch programmiert:
Es handelt sich nicht um eine Handlungsprogrammierung (also eine Festlegung 
bestimmter eindeutiger Reaktionen auf einen Reiz), jedenfalls nicht heute beim 
Menschen. Die Programme haben sich im Lauf der Evolution verändert, nämlich in 
Richtung Zielprogrammierung. 
Derartige zielorientierte Programme sind 
übrigens einfacher und kürzer als handlungsdeterminierende Programme.
Das 
Erreichen des biologisch gesetzten Ziels wird belohnt und dem Menschen die 
Entscheidungsfreiheit darüber gegeben, wie er diese Ziele erreicht.
Im 
Grunde hat der Mensch sogar im Extrem die Freiheit, auch auf die biologisch 
vorgesehene Belohnung zu verzichten und gewinnt dadurch ein Optimum an Freiheit.
Deine Beobachtung, dass es beim Menschen über die Biologie hinaus noch 
andere Gründe für sein Verhalten zu geben scheint, trifft also zu. 
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
26. Sept. 2005, 19:41 Uhr 
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Hi, doc rudi,
die Frage ist doch, warum der Mensch auf eine von der 
Biologie in Aussicht gestellte Belohnung verzichten kann, aus welchem Grund.
Übrigens habe ich nie etwas von exakter Programmierung durch die Biologie 
gehalten (deswegen zweifle ich auch am Begriff Trieb). Dann wären nämlich die 
Lebewesen kaum überlebensfähig, weil die Situationen, die sie zu bestehen haben, 
zu vielfältig sind, als dass sie sie mit simplen Programmierungen bestehen 
könnten.
Deswegen gehe ich davon aus, dass die Gefühle die biologischen 
Steuerungsmechanismen sind. Dass die sogar miteinander konkurrieren können, 
erkennt man z.B. am Katzbuckel. Und Gefühlserfahrungen gehen z.B. in die 
Erinnerung ein - wie das bei Trieben funktionieren soll, ist mir schleierhaft.
Es gibt aber beim Menschen Empfindungen, die einfach nicht biologisch 
erklärbar sind. Am deutlichsten wird das bei der Ästhetik (Musik, Dichtung, 
Kunst).
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
26. Sept. 2005, 21:20 Uhr 
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Hallo Abrazo,
Du sagst: "Übrigens habe ich nie etwas von exakter 
Programmierung durch die Biologie gehalten (deswegen zweifle ich auch am Begriff 
Trieb). Dann wären nämlich die Lebewesen kaum überlebensfähig, weil die 
Situationen, die sie zu bestehen haben, zu vielfältig sind, als dass sie sie mit 
simplen Programmierungen bestehen könnten." 
Deine Zweifel sind zwar 
begründet, aber Du hast immer noch eine falsche Vorstellung von 
Zielprogrammierung. Zielprogrammierung ist eben nicht exakt, was Handlungen 
betrifft. Die Handlung ist frei. Du kannst Dir den Geschlechtspartner frei nach 
Schnauze aussuchen usw., aber das Ziel willst Du erreichen, hier den sexuellen 
Orgasmus. Es handelt sich bei der Selbstentfaltung um Regelkreise mit positiver 
Rückkopplung. Programmiert ist nur, dass es bei Reizung der Eichel zum Orgasmus 
kommt. Der Orgasmus ist das Ziel, das Du anstrebst. Wie Du dahin kommst, ist 
offen. Oder: Ziel ist das Überleben. Mit welchen Mitteln Du das erreichst, ist 
offen, Deine Wahl. Bei Tieren: wer die erfolgreichen Mittel anwendet bei der 
Tarnung vor dem Fressfeind, überlebt und vererbt die erfolgreichen Gene weiter. 
Die Ziele sind: Überleben und Ausbreiten (Wachstum, Selbstentfaltung). Die 
Programmierung besteht lediglich darin, das Erreichen der Ziele mit Lustgefühlen 
(oder Befriedigung) zu belohnen.
Die Gefühle, die Du ansprichst, sind unser 
Erleben von Sollwertabweichungen (Beispiel: Hunger bekommst Du bei der 
Erniedrigung des Glucosespiegels unter den Sollwert.) Solche Gefühle spornen 
Dich zu den entsprechenden Handlungen an. Da gibt es Konkurrenzen und auch 
Synergien: eine Handlung kann gleichzeitig mehrere Istwerte in den 
Sollwertbereich bringen. (was Gefühle für Musik anbetrifft, habe ich mal 
gelesen, dass sogar Pflanzen auf gute Musik – Harmonien – reagieren, Hunde nicht 
auch?)
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 27. Sept. 2005, 09:55 Uhr 
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> Entscheidend ist der Erhalt der Gruppe und deren Wachstum, die Interessen des 
Individuums müssen zurückstehen
Das Rudel wird nach meinen Beobachtungen bei 
Hunden als persönliches Eigentum des Leitwolfes betrachtet. 
..... 
also wie beim homo catastrophicus !
dieser welt .......
aber für einen 
homo sapiens ist das zu dumm
er braucht keinen aus er wählten zum aus sterben
und sich damit rühmen !
er braucht nur andere weise ...........
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
27. Sept. 2005, 16:27 Uhr 
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Hallo Abrazo,
Deine Reaktion auf meinen letzten Beitrag ist so, als hätte ich 
zum Problem des nicht Konsenswilligen geschrieben: "Und willst Du nicht mein 
Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein."
Ich sage doch 
stattdessen: Wer sich angesichts von Konflikten nicht gewaltlos mittels 
akzeptabler Argumente auf eine Regelung einigen will, der hat damit die Ebene 
der Argumentation verlassen und der behält sich vor, ohne Rücksicht auf die 
Interessen anderer zu handeln.
Was ist daran falsch?
Die 
Beispiele, die Du bringst, betreffen gescheiterte Versuche, zu einem Konsens zu 
kommen. Wenn bestimmte Fragen nicht beantwortet werden können, dann ist es ohne 
weiteres möglich, dass der Dissens weiter besteht und dass mehrere Positionen 
nebeneinander rational vertretbar bleiben.
Wenn trotzdem gehandelt und 
eine praktische Entscheidung getroffen werden muss, dann verlässt man die Ebene 
der Diskussion, die auf inhaltliche Richtigkeit ausgerichtet ist, und geht über 
zu Verfahren der verbindlichen Setzung von Normen, also Abstimmungen, Befehlen 
von Vorgesetzten, Entscheidungen von Schlichtern usw.
Analyse und 
Bewertung derartiger Institutionen ist Gegenstand der politischen Philosophie 
und der Rechtsphilosophie.
Die Aufgabe der Ethik ist es, genauer zu 
klären, welche Art von Argumenten intersubjektiv nachvollziehbar und akzeptabel 
ist und welche nicht. Denn Konsensunwilligkeit kann sich auch hinter 
Scheinargumenten verstecken, die einen Konsens gerade verhindern. 
Um ein 
krasses Beispiel zu nennen: Wenn im Nahen Osten die Grenzverläufe regelt werden 
sollen, dann kann es kein intersubjektiv nachvollziehbares Argument sein zu 
sagen: „Dies Land ist uns von Gott versprochen worden, deshalb gehört es uns”, 
wenn die Parteien unterschiedlichen Religionen angehören. 
Die Wege und die 
Hindernisse auf dem Wege zum argumentativen Konsens zu bestimmen halte ich für 
eine wichtige und dringliche Aufgabe der Philosophie.
Mit diesem 
programmatischen Satz sagt ‚tschüs’
Eberhard,
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
27. Sept. 2005, 21:30 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Die Aufgabe der Moralphilosophie ist erfüllt, wenn sie den 
nicht Konsenswilligen als solchen identifiziert. Seine Bekämpfung kann nicht mit 
Argumenten erfolgen sondern bedarf anderer Mittel. 
Vielleicht ist es dir gar 
nicht aufgefallen, weil es außerhalb deines Denkens ist. Aber die Konsequenz zu 
ziehen, dass nicht Konsenswillige dann eben mit Gewalt 'zur Vernunft' hin 
gezwungen werden müssen, ist heute sehr populär. Auch Popper z.B. vertritt sie. 
Von daher sind deine Sätze tatsächlich missverständlich.
Weiter schreibst 
du:
Die Aufgabe der Ethik ist es, genauer zu klären, welche Art von 
Argumenten intersubjektiv nachvollziehbar und akzeptabel ist und welche nicht.
und
Die Wege und die Hindernisse auf dem Wege zum argumentativen Konsens 
zu bestimmen halte ich für eine wichtige und dringliche Aufgabe der Philosophie.
und damit stimme ich dir vollkommen zu.
Aber du schreibst auch
Ich 
sage doch stattdessen: Wer sich angesichts von Konflikten nicht gewaltlos 
mittels akzeptabler Argumente auf eine Regelung einigen will, der hat damit die 
Ebene der Argumentation verlassen und der behält sich vor, ohne Rücksicht auf 
die Interessen anderer zu handeln. 
Was ist daran falsch? 
'Falsch' 
daran ist 'mittels akzeptabler Argumente'. Damit wären wir nämlich auf den Wegen 
und Hindernissen auf dem Wege zum argumentativen Konsens. Denn hängt nicht die 
Akzeptanz eines Argumentes wesentlich davon ab, als was ich die Welt, den 
Menschen und nicht zuletzt meinen Verhandlungspartner sehe? Ich hatte gesagt, 
der ethische Willen richtet sich immer auf eine Situation. Und wenn diese 
Situation von verschiedenen Menschen völlig anders gesehen wird?
Weiter 
kommt es darauf an, welchen Zielen Priorität eingeräumt wird. Auch das kann sehr 
unterschiedlich sein - ich erinnere an Reagans Satz: "Lieber tot als rot", der 
in den USA, ich glaube sogar, bejubelt wurde, während bei uns die Leute 
lautstark Protest brüllten.
Wie findet man einen argumentativen Konsens 
mit Gläubigen von Ideologien? Schau, es ist z.B. unmöglich, missionsversessenen 
Evangelikalen beizubringen, dass sie nicht alles dürfen. Die begreifen einfach 
nicht, dass die Bewohner entschieden etwas dagegen haben, wenn sie auf dem 
Marktplatz von Medina lautstark vom Christentum predigen und sie ne Tracht 
Prügel oder schlimmeres kassieren. Ist vollkommen unmöglich, die kapieren das 
nicht. Ich bin sogar mit dem Beispiel gekommen, wenn die vor meinem Balkon 
anfangen würden zu predigen und trotz mehrfacher Mahnung nicht damit aufhören 
würden, ich würd ihnen den Hund schicken. Nix zu machen, die betrachten so was 
als Christenverfolgung. Das heißt, du musst nicht nur Konsenswilligkeit 
voraussetzen, du musst auch Konsensfähigkeit voraussetzen. Und das scheint mir 
sogar das größere Problem zu sein: Wat machste mit denen, die nicht konsensfähig 
sind? Da fällt mir nämlich, muss ich sagen, zur Zeit gar nichts ein.
Gruß
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
27. Sept. 2005, 22:46 Uhr 
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Hallo urs,
da Deine Frage nicht in den Kontext passt, habe ich Dir hier die 
Frage, was meine Absicht ist, beantwortet:
http://www.philtalk.de/cgi-bin/YaBB.cgi?board=sozial;action=display;num=1083137042;start=150
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 28. Sept. 2005, 10:05 Uhr 
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> Die Aufgabe der Ethik ist es, genauer zu klären, welche Art von Argumenten 
intersubjektiv nachvollziehbar und akzeptabel ist und welche nicht. Denn 
Konsensunwilligkeit kann sich auch hinter Scheinargumenten verstecken, die einen 
Konsens gerade verhindern.
..... inter subjektivität hat weder 
zwingend mit menschen würde
mit gerechtig keit
oder mit der wahr heit zu 
tun !
das sieht mensch ja hier immer so jeden tag be wiesen ...
sondern mit den über ein künften eines macht rudels !
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
28. Sept. 2005, 23:20 Uhr 
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Hi, doc rudi,
meinst du nicht, zumindest die Menschen aus unserem 
Kulturkreis wären schon egozentrisch genug? Meinst du, das müsse man noch 
fördern?
Meinst du nicht, es wäre mal angebracht, den Kopf zu heben um 
festzustellen, dass nicht der eigene Bauchnabel die Mitte der Welt ist?
Wenn du gewisse Phänomene, wie durch Werbung provozierte Kaufwut, kritisierst - 
ja, wie soll denn einer merken, dass er mit dem Produkt, das er kauft, nicht 
sein Bedürfnis befriedigt, sondern das des Produzenten, wenn er nur sich und 
seine eigenen Interessen im Blick hat? Je mehr Mensch zurückgeführt wird auf 
sein 'einzigartiges individuelles Ich', desto dümmer wird er der Außenwelt 
gegenüber. 
Übrigens, Herr Hund hört außerordentlich gerne Hörspiele. Am 
liebsten große Literatur. Aber irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass 
er dafür andere Gründe hat als ich.
;-)
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
29. Sept. 2005, 00:39 Uhr 
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Hallo Abrazo,
heute leider nur kurz. Es geht um die Wege zu einem Konsens 
in moralischen Fragen. Du betonst zu Recht, dass eine übereinstimmende 
moralische Beurteilung eine übereinstimmende Sicht des betreffenden Sachverhalts 
voraussetzt. 
Wahrscheinlich geht der überwiegende Teil des moralischen 
Dissens auf das Konto von unterschiedlichen Annahmen über die Beschaffenheit der 
Welt.
Deshalb sehe ich die Bemühungen um eine rationale Ethik in engem 
Zusammenhang mit den Bemühungen um eine rationale Erkenntnis der Wirklichkeit.
In Bezug auf empirische Fragen nach dem, was ist, sind wir hinsichtlich 
der Konsens stiftenden Methoden jedoch schon entschieden weiter als in Bezug auf 
normative Fragen, nach dem, was sein soll. Hier müssen wir erst lernen, 
konsequent nach der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit aller Argumente und 
Behauptungen zu fragen.
Es gibt noch viel zu roden und noch mehr zu 
pflanzen im Bereich der Philosophie,
meint Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 29. Sept. 2005, 10:47 Uhr 
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...... vor allem die wahr heit sollten wir pflanzen !
nicht diese 
roden !
ignorieren ?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
29. Sept. 2005, 11:04 Uhr 
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Hallo,
@abrazo: wie kommst Du auf Egozentriker? Der Mensch soll unterscheiden 
können zwischen seinen Interessen und den Interessen anderer (und denen von 
Systemen höherer Ordnung: Interessen des Staats vor allem). Ich sehe dies als 
Selbstbewusstsein an, nicht als Egozentrik.
Meine Rodungsarbeiten sind 
übrigens zunächst mal abgeschlossen. Begriffe wie Bewusstsein, Subjekt u.a. habe 
ich abgeschafft und neue Pflanzen gesetzt (z.B. System Mensch, Effektor, 
Dominator, geistiger Raum u.a.) und nehme vor allem keine Wertungen vor.
Bestimmte Pflanzen habe ich auch stehen gelassen (Ich und Nicht-Ich, 
Wahrnehmung, u.a.)
Man kann ja nicht nur hin und her grübeln, sondern muss 
auch mal zu Entscheidungen kommen.
Was hast Du denn eigentlich abgerodet?
@Eberhard: Du sprichst von einer rationalen Erkenntnis der Wirklichkeit. Die 
Wirklichkeit wird nach meiner Überzeugung nicht wie in einem guten Spiegel von 
uns erkannt, sondern von jedem von uns aktiv konstruiert. Bereits unsere 
Wahrnehmung ist eine Konstruktion, auf die wir gar keinen bewussten Einfluss 
nehmen können.
Die Wahrheit sollten wir allerdings stehen lassen, da gebe ich
homo sapiens Recht. Nur: sie steht nicht irgendwo versteckt herum, sondern 
sie ist ein Ziel, von dem wir nicht einmal wissen, wie es aussieht und wo es 
ist.
Wie sollten wir sie da pflanzen?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 29. Sept. 2005, 11:47 Uhr 
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> Der Mensch soll unterscheiden können zwischen seinen Interessen und den 
Interessen anderer (und denen von Systemen höherer Ordnung: Interessen des 
Staats vor allem). Ich sehe dies als Selbstbewusstsein an, nicht als Egozentrik.
..... es be deutet aber dumm heit !
weil wenn ich den staat 
um bringe
die andern 
was dann ?
und wenn mich die andern nicht 
kümmern
was werden die wohl für mich dann tun ?
lang fristig .....
> Die Wahrheit sollten wir allerdings stehen lassen, da gebe ich 
homo 
sapiens Recht. Nur: sie steht nicht irgendwo versteckt herum, sondern sie ist 
ein Ziel, von dem wir nicht einmal wissen, wie es aussieht und wo es ist.
Wie 
sollten wir sie da pflanzen? 
....... sie ist doch soooo er sicht 
lich
ausser für einen blinden .........
der für gerade zu diesen >> 
bösen staat << 
die subjekte gegen diesen auf stacheln will
damit sie 
noch mehr auf ihn an ge wiesen
weil wer wird sich um sie kümmern
wenn sie soooo >> ich << be sessen ????
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
29. Sept. 2005, 13:22 Uhr 
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Hallo homo sapiens,
wer will den bösen Staat umbringen?
Ich selbst treffe 
gar keine Wertungen, für mich ist nichts böse oder gut, sondern verständlich 
(oder sehr selten: unverständlich). Das System Staat ist als außenpolitisch 
tätiges System (ein lebendes System handelt, auch der Staat) überflüssig. Das 
betrifft z.B. Kriege. Diese Selbstentfaltung ist passe. Als Ordnungshüter nach 
innen (das betrifft die Selbsterhaltung), und daher zum Interessenausgleich 
zwischen den Individuen, also also als Steuern-Erheber und Steuern- Verteiler 
(und Recht Sprecher und - Durchsetzer) ist dieses System höherer Ordnung 
erforderlich und eine sinnvolle Einrichtung für das Zusammenleben von 
Menschen-Massen. 
Dieses Zusammenleben muss organisiert werden. Und dafür 
braucht es Regeln und Institutionen, die die Einhaltung der Regeln von allen 
überwachen.
Diese Regeln gibt es schon und Eberhard möchte diese anscheinend 
einer Prüfung unterziehen. Sie könnten eventuell verbesserungsfähig sein. Zum 
Teil sind sie auch gar nicht bewusst und nicht schriftlich fixiert.
So 
verstehe ich das Ziel dieses threads, das aus meiner Sicht in der Überschrift 
etwas ungünstig formuliert ist, aber Eberhard hat es ja erläutert.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
29. Sept. 2005, 18:10 Uhr 
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Hallo doc rudi,
Du schreibst: „Ich selbst treffe gar keine Wertungen“. 
Wenn ich Deine Beiträge durchsehe, dann stoße ich jedoch immer wieder auf 
positive Stellungnahmen (dass etwas so sein, bleiben oder werden soll) oder 
negative Stellungnahmen (dass etwas nicht so sein, bleiben oder werden soll). 
Oder enthalten die folgenden Zitate von Dir keine Wertungen?
ZUM GLÜCK 
sind Ehrenmorde auch bei uns strafbar.
Diese Droge wirkt jedoch, und 
darüber SOLLTE sich der Konsument vorher informieren, auf die Hirnfunktion und 
kann damit auch die Umsetzung von Willensentschlüssen in Handlung verändern. 
Wieso VERGEUDET IHR ZEIT MIT UNSACHLICHKEIT anstatt Euch mit meinen 
Argumenten auseinanderzusetzen?
Dass unsere Rechtsnormen die Spielregeln 
unserer Gesellschaft sind, darauf hatte ich mit diesen Worten bereits 
hingewiesen, und die gleiche Frage wie Du gestellt, nämlich WOZU WIR MORALISCHE 
NORMEN NOCH BENÖTIGEN.
Meine Frage geht noch weiter und an Dich:
Wozu 
benötigst Du noch einen ethischen Willen?
Beides ist VON DER GESCHICHTE 
ÜBERHOLT.
Die moralischen Normen und die Ethik hatten eine bestimmte 
Funktion für den Zusammenhalt eines lebenden Systems höherer Ordnung. 
Diese 
Funktion ist inzwischen von unseren Rechtsnormen übernommen worden.
Sie 
NÜTZEN DEM FRIEDLICHEN ZUSAMMENLEBEN Der Menschen.
Ich EMPFEHLE 
GEOkompakt Nr.4,
Der ethische Wille ist keine Realität. ES WÄRE SCHÖN, 
wenn es ihn gäbe.
Die ursprünglich natürliche Verhaltensweise der 
Einordnung in eine Gemeinschaft MUSS daher beim Menschen einerseits durch 
Propaganda, andererseits durch normative Ethik und Strafrecht ÜNTERSTÜTZT 
WERDEN.
Im Grunde hat der Mensch sogar im Extrem die Freiheit, auch auf 
die biologisch vorgesehene Belohnung zu verzichten und gewinnt dadurch ein 
OPTIMUM AN FREIHEIHEIT.
Als Steuern-Erheber und Steuern- Verteiler (und 
Recht Sprecher und - Durchsetzer) ist dieses System höherer Ordnung (der Staat) 
erforderlich und eine SINNVOLLE EINRICHTUNG für das Zusammenleben von 
Menschen-Massen. 
Dieses Zusammenleben MUSS organisiert werden. Und dafür 
BRAUCHT ES Regeln und Institutionen, die die Einhaltung der Regeln von allen 
überwachen. 
Soweit die Zitate. Es scheint gar nicht so leicht zu sein, 
ohne Wertungen auszukommen und keine Stellung zu nehmen.
Zu einem Wert 
bekennst Du Dich übrigens sogar ausdrücklich, wenn Du schreibst: 
„Die 
Wahrheit sollten wir allerdings stehen lassen, … Nur: sie steht nicht irgendwo 
versteckt herum, sondern sie ist ein Ziel.“
Ohne die Orientierung an 
diesem Ziel wüsste ich auch nicht, warum wir hier diskutieren sollten.
Es 
grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
29. Sept. 2005, 18:42 Uhr 
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Hallo Eberhard,
der Ausgangspunkt meiner Philosophie besteht darin, die 
Bewegungen lebender Systeme wertungsfrei zu betrachten.
Aus der Philosophie 
heraus ergeben sich dann selbstverständlich Voraussagen und Wertungen dazu, was 
die Entwicklung fördert und was sie hemmt.
Außerdem erlaube ich mir 
selbstverständlich gelegentlich auch, meine Gefühle und Gedanken unzensiert zu 
äußern. 
Meine Stellungnahmen sind dadurch nicht stringent. 
Regeln und 
Gesetze zu finden, ist die eine Sache.
Sie zu brechen oder wieder in Frage zu 
stellen, die andere.
Vorsätze zu haben und sie nicht einzuhalten - scheint 
mir menschlich, und ich bin nun einmal Mensch.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
29. Sept. 2005, 20:35 Uhr 
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Hi, Eberhard,
dass ich jemandem hundertprozentig zustimmen kann, ist so 
selten, dass es für mich immer ein ehrlicher Grund zur Freude ist.
[bounce]
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
29. Sept. 2005, 20:43 Uhr 
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Hi, doc rudi,
Begriffe wie Bewusstsein, Subjekt u.a. habe ich abgeschafft 
und neue Pflanzen gesetzt (z.B. System Mensch, Effektor, Dominator, geistiger 
Raum u.a.) und nehme vor allem keine Wertungen vor. 
Und du meinst, man löst 
ein Problem dadurch, dass man Begriffe abschafft?
[grin]
Hast du dir auch 
mal überlegt, wen es interessieren sollte, dass du diese Begriffe deiner Ansicht 
nach abgeschafft hast?
Regeln und Gesetze zu finden, ist die eine Sache.
Sie zu brechen oder wieder in Frage zu stellen, die andere. 
Damit 
bewegst du dich ausschließlich im Bereich von Normierungen, Soll-Vorschriften, 
und das setzt Wertungen voraus.
Du wertest also. Aber warum sollte irgend 
einer deiner Wertung folgen, wo du sie doch nie begründest?
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
29. Sept. 2005, 22:27 Uhr 
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Hallo doc rudi,
das Problem bei Deinem Ansatz sehe ich darin, dass Du 
entgegen Deinen erklärten Absichten wertende Konsequenzen aus Deiner in 
systemtheoretischen Begriffen formulierten Weltsicht ziehst, ohne dass diese 
Wertungen als solche kenntlich gemacht werden. Man nennt dies den 
„naturalistischen Fehlschluss“ (naturalistic fallacy), weil die Normen aus der 
Natur der Sache zu folgen scheinen. 
Bei Dir geschieht dieser heimliche 
Übergang von der Beschreibung und Erklärung dessen, was ist, zu wertenden 
Stellungnahmen (dass das was ist, auch so sein soll oder nicht so sein soll) 
durch die positiv-normative Doppeldeutigkeit von Begriffen wie „Ziel“, 
„Entwicklung“, „Selbstentfaltung“, „(System-)Erfordernis“, „notwendige 
Funktion“, „höhere Ordnung“ und ähnlichem.
„Das System Staat ist als 
außenpolitisch tätiges System (ein lebendes System handelt, auch der Staat) 
überflüssig. Das betrifft z.B. Kriege. Diese Selbstentfaltung ist passe. Als 
Ordnungshüter nach innen (das betrifft die Selbsterhaltung), und daher zum 
Interessenausgleich zwischen den Individuen, also als Steuern-Erheber und 
Steuern- Verteiler (und Recht Sprecher und - Durchsetzer) ist dieses System 
höherer Ordnung erforderlich und eine sinnvolle Einrichtung für das 
Zusammenleben von Menschen-Massen. 
Dieses Zusammenleben muss organisiert 
werden. Und dafür braucht es Regeln und Institutionen, die die Einhaltung der 
Regeln von allen überwachen. Diese Regeln gibt es schon.“
Das Problem ist 
also nicht das allzumenschliche gelegentliche Verstoßen gegen selbst gesetzte 
methodische Regeln, sondern eine systematische Schwäche der Theorie. Denn: 
Welche Phänomene kannst Du mit Deiner Theorie erklären, die andere Theorien 
nicht erklären können? Wo ist die empirische Forschung und die Überprüfung von 
Gesetzeshypothesen bzw. empirischen Regelmäßigkeiten oder Zusammenhängen? 
Was kann z.B. Deine Theorie höherer Systeme über die Gründe für das 
Zusammenbrechen des Systems „Deutsches Reich“, das Entstehen der Systeme 
„Bundesrepublik Deutschland“ und „Deutsche Demokratische Republik“ und den 
Untergang des letzteren Systems sagen? 
Ich habe den Eindruck, dass Deine 
Beschreibung der Welt in systemtheoretischer Terminologie - ohne dass Du Dir 
dessen bewusst bist - eher anderen Zwecken dient als der Erklärung von Fakten.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
29. Sept. 2005, 23:09 Uhr 
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ja welchen Zwecken soll sie denn dienen, außer, die beobachtbaren Tatsachen 
besser beschreiben und einfacher begründen zu können - die Frage nach dem Warum 
zu beantworten?
Gruß
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
29. Sept. 2005, 23:14 Uhr 
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Aber du begründest doch gar nicht! 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
01. Okt. 2005, 08:37 Uhr 
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Hallo,
ein bisschen viel auf einmal. 
Auf Eberhards Fragen muss ich in 
Ruhe antworten und bitte um etwas Geduld. Die Geschichte Deutschlans ist sehr 
interessant und hat mich überhaupt mit dazu gebracht, zwischen lebenden Systemen 
der Ordnungshöhe Individuum und lebenden Systemen höherer Ordnung zu 
unterscheiden. Das Kapitel "Die Geschichte Deutschlands" habe ich allerdings aus 
meinem ersten Buch gestrichen, um Missverständnisse zu vermeiden. Auf die stoße 
ich alerdings dennoch laufend.
Abrazo fragt: "Und du meinst, man löst ein 
Problem dadurch, dass man Begriffe abschafft?"
Die Begriffe, mit denen 
Philosophie derzeit immer noch hantiert: Subjekt, Bewusstsein usw. resultieren 
aus einer überholten Weltsicht.
Die Welt ist nicht aus kleinsten Bausteinen 
(Atomen) zusammengesetzt, und auch nicht aus mehreren Substanzen, deren 
Mischungsverhältnis die Objekte ergibt,
sondern:
die Welt besteht aus 
Systemen.
Es gibt Nicht-lebende und Lebende Systeme. Und die Systeme sind 
ineinander verschachtelt (größere sind aus kleineren zusammengesetzt, Lebende 
sind aus Nicht-lebenden zusammengesetzt).
Systeme Verhalten sich entsprechend 
bestimmten Regeln (Gesetzen).
Ein weiterer wichtiger Begriff ist: Daten.
Die Frage ist doch, mit welchen Begriffen die Welt einfacher beschreibbar ist.
Die Abschaffung der alten Begriffe ergibt sich aus der neuen Weltsicht. 
Damit sind naürlich nicht alle Probleme beseitigt,
sondern:
es ergeben 
sich ganz neue Probleme und Fragestellungen.
Schönes Wochenende (vielleicht 
komme ich mal zum Nachdenken)
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
01. Okt. 2005, 09:32 Uhr 
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Hi, doc rudi,
ob du von Atomen sprichst oder von Systemen, bleibt sich 
völlig gleich. In jedem Falle sprichst du von an sich existierenden Dingen. Und 
wenn du von Gesetzmäßigkeiten sprichst, stellt sich die Frage, woher die denn 
kommen. Wissen ist Wissen aus den Ursachen, sagte schon der olle Aristoteles, 
die Philosophie ist da also sehr gründlich. Wenn du z.B. von Gesetzen sprichst, 
wird ein Philosoph dich früher oder später fragen, wat meinste eigentlich mit 
Gesetz?
Übrigens, so neu ist diese Sicht nicht. Schau dir mal die Sprache 
an. Wir reden nicht von vielen Bäumen, wir reden von Wald. Nicht von paar 
Häusern nebeneinander, sondern von einem Dorf. Nicht von einer Gruppe Wölfe, 
sondern von einem Rudel. Es für solche Einheiten sehr alte Wörter, das heißt, 
sie wurden schon immer als System gesehen.
Die Frage, aus welchen 
Einzeleinheiten bestehen solche Systeme und wie bilden sie ein System, sprich, 
wie funktioniert so ein System, ist eine Frage, mit der sich die Makrosoziologie 
befasst.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am 01. Okt. 2005, 10:15 Uhr 
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> Hallo homo sapiens,
wer will den bösen Staat umbringen? 
..... 
wer redet denn von um bringen !
rudi und alle > selbst be wußten <
die 
alle samt ohne ge samt be wußt sein !
haben doch die ganze welt schon um 
ge bracht !
sonst würde doch keine partei von arbeit schaffen reden ?
von 
> menschen würdigen < staat lich lizenzierten wölfen !
von konsum ge sell 
schafft !
von aus sterbe qualität !
sonst würde doch ein ge samt be 
wußter
etwas freudiges finden irgend wo 
an diesen selbst be wußten aus 
sterbenden
lange weilern !
die noch nicht ein mal eine inteligente 
diskusion führen können !
ge schweige denn die daraus folgenden lösungen um 
setzen .....
hättet ihr etwas an zu bieten
dann könntet ihr doch mit 
andern reden ......
nicht nur den massen wahn sinn propagieren !
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
01. Okt. 2005, 16:32 Uhr 
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Hallo Abrazo,
zum Ethischen Willen, der nach Deiner Ansicht in jedem 
Menschen existiert. 
Kann man daraus allgemeingültige Regeln des Umgangs 
miteinander gewinnen?
Vieles spricht dafür, dass ethische Einstellungen 
stark kulturabhängig sind.
Wenn man Schamgefühle zum ethischen Willen 
rechnet (nach Nietzsche unterscheidet das den Menschen von den andern Tieren: 
Der Mensch ist das Tier, das sich schämt), so zeigen sich in Bezug auf die 
Verhüllung des Körpers große Unterschiede, z.B. bei der weiblichen Brust.
Wenn der vorhandene Ethische Wille das Fundament ist, dann kann die 
Moralphilosophie eigentlich nur die Sachverhalte klären und die dazu vorhandenen 
ethischen Intuitionen registrieren und systematisieren.
Allerdings 
stellen die - unbestritten vorhandenen - moralischen Gefühle für Positionen, die 
Normen aus einer Abwägung der beteiligten Interessen gewinnen wollen, eine 
Schwierigkeit dar. Denn niemand kann über seinen Schatten springen: Wer prüde 
erzogen wurde, ist davon lebenslang geprägt, selbst wenn er seine Schamgefühle 
und Hemmungen bei vernünftiger Betrachtung als unbegründet ansieht. 
Es 
grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
02. Okt. 2005, 08:23 Uhr 
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Hallo abrazo,
Du fragst, was ich mit Gesetz meine.
Mit Gesetz meine ich 
das, was Naturwissenschaftler darunter verstehen. Bezogen auf den Menschen sind 
es die Ursachen (Antriebe) des Verhaltens. Die lassen sich beim Menschen 
natürlich schlecht mathematisch formulieren. Im Unterschied zu den Nichtlebenden 
Systemen bestimmen diese Gesetze das Ziel des Handelns und lassen den Weg offen. 
Bei materiellen Objekten ist die Bewegungsbahn berechenbar, bei Lebenden 
Systemen nur das Ziel.
Der Mensch in einer organisierten Masse (einem Staat 
z.B.) verhält sich nun nicht nur im Sinne seiner individuellen Ziele, sondern im 
Sinne der Ziele der Gruppe, des Staates (also des Systems höherer Ordnung).
Da sind wir bei der sogenannten Ethik.
Und das Ziel der Selbsterhaltung der 
Gruppe ist der individuellen Selbsterhaltung übergeordnet. Ursprünglich, 
natür-lich.
Deshalb verhält sich das Individuum angepasst, ordnet sich ein, 
bekommt Kinder (für den Staat) opfert sich im Krieg für den Staat. Im Interesse 
der Gemeinschaft kümmert sich das Individuum um Schwache. 
Dieses (ethische) 
Verhalten wird durch bestimmte Befriedigungsgefühle gesteuert, die genetisch 
angelegt sind, für soziales Verhalten wird das Individuum gelobt (narzisstische 
Befriedigung). Also: wenn Du die Ziele der Gemeinschaft verfolgst (friedliches 
Zusammeleben) bist Du ein Guter. Diese Verhaltensziele sind im Über-Ich 
verankert. Dieses Über-Ich bestraft Dich nicht nur, wenn Du gegen die Ziele der 
Gemeinschaft verstößt ("schlechtes Gewissen"), sondern es lobt Dich auch, wenn 
Du sie einhältst (Du darfst Dich gut fühlen).
Objektiv besteht daher konkret 
in vielen Situationen ein Interessengegensatz zwischen den individuellen 
Interessen und den Interessen der Gemeinschaft (wenn Du einen Euro in der Tasche 
hast, kannst Du Dir ein Eis kaufen oder diesen einem Bettler geben, damit der 
nicht Klauen geht). Und in diesem Interessenskonflikt entscheiden sich die 
Individuen der westlichen Kultur mehr und mehr für ihre Eigeninteressen und 
gegen das Gemeinschaftsinteresse. Zum Beispiel nimmt die Geburtenrate ab, denn 
Kinderkriegen ist Gemeinschaftsinteresse.
Das muss im Einzelfall aber jedem 
Individuum überlassen bleiben.
Da jedoch die Überbewertung des Eigennutzes 
gefährlich für die Existenz (die Selbsterhaltung) der Gemeinschaft ist, erhebt 
der Staat Steuern und sorgt damit für einen Interessenausgleich.
Er erspart 
damit den besitzenden Individuen einen Interessenkonflikt.
Nun zu 
Eberhards Frage zur Deutschen Geschichte, natürlich ganz kurz, da es eigentlich 
nicht zum Thema gehört:
Das Deutsche Reich ist 1871 gegründet worden. 
Vorher gab es kleinere Staaten. Kant war beispielsweise Preuße – und er dachte 
preußisch. Fichte, unser Ich-Philosoph, dachte bereits deutsch und legte damit 
einen Identifikationskern. Die Identifikation der Individuen mit bestimmten 
Ideen, die das System höherer Ordnung charakterisieren, ist für die 
Selbsterhaltung so eines Systems höherer Ordnung wichtig.
Ein lebendes System 
ist durch seine Begrenzung definiert. Lebende Systeme haben eine offene Grenze, 
sie leben im Austausch mit ihrer Umwelt bzw. anderen Systemen (höherer Ordnung). 
So auch das Deutsche Reich. Lebende Systeme haben eine Vergrößerungstendenz, sie 
wachsen, haben – zunächst – ein Bevölkerungswachstum (Selbstentfaltung). 
So 
auch das Deutsche Reich. 
Wachstumsprozesse werden durch Regelkreise mit 
positiver Rückkopplung gesteuert, das erwünschte Verhalten wird belohnt. Dadurch 
wachsen sie ständig weiter, ein lebendes System höherer Ordnung wächst so lange 
weiter, bis es sich über die gesamte Erdoberfläche ausgebreitet hat. Das 
Wachstum wird nur dadurch begrenzt, dass auch andere lebende Systeme existieren, 
die zu ihrem Wachstum den gleichen Raumbenötigen. Deshalb sind Kriege durch 
dieses Wachstumsgesetz vorprogrammiert. Die physikalischen Grenzen der Staaten 
bestimmen sich dann aufgrund der Wachstumsstärke der verschiedenen Staaten.
So auch in Mitteleuropa. Deutschland wurde also durch den Gegendruck der 
Nachbarstaaten wieder verkleinert und geteilt. Wie im zwischenmenschlichen 
Bereich bilden sich auch auf der Ebene der Staaten Koalitionen, Blöcke. Die 
beiden Teile Deutschlands wurden jeweils als Koalitionspartner benötigt, dadurch 
haben sie überlebt.
Ein System Staat benötigt zum Wachstum Energie (=Geld). 
Westdeutschland wurde finanziell unterstützt und wuchs (Wachstum zeigt sich in 
der Zunahme der Bevölkerungszahl und im Wirtschaftswachstum), Ostdeutschland 
wurde seine Wachstumskraft (Geld, Maschinen) entzogen, konnte dadurch nur 
langsam wachsen. Hinzu kommt hier noch ein besonderer Punkt: lebende Systeme 
sind offen, die DDR hat sich jedoch abgeschottet, gegenüber dem Westen 
verschlossen. Ein System, das seine Grenzen undurchlässig macht, stirbt jedoch. 
Es erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen eines lebenden, also begrenzten und 
offenen Systems.
So ganz kurz und einfach die Erklärung des Verhaltens 
Deutschlands.
Gruß 
rudi 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von gestell am 
02. Okt. 2005, 10:40 Uhr 
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on 10/02/05 um 08:23:17, doc_rudi wrote:Da sind wir bei der sogenannten 
Ethik. / Nun zu Eberhards Frage zur Deutschen Geschichte,... 
Ganz schön abgeklärt. Sehe beide Punkte ziemlich ähnlich. Ist nicht die Moral 
das Unleidigste überhaupt, sofern sie nicht von mir selbst stammt?
gestell [grin] 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Eberhard am 
02. Okt. 2005, 15:47 Uhr 
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Hallo doc rudi,
Du schreibst:
Dir geht es nicht um die 
Beantwortung ethischer Fragen, wie Menschen handeln sollen, sondern Du willst 
mit Deiner Theorie ohne eigene Wertung erklären, warum die ethischen Normen so 
beschaffen sind, wie sie sind. 
Dazu schreibst Du: 
"Der Mensch in 
einer organisierten Masse (einem Staat z.B.) verhält sich nun nicht nur im Sinne 
seiner individuellen Ziele, sondern im Sinne der Ziele der Gruppe, des Staates 
(also des Systems höherer Ordnung). Da sind wir bei der sogenannten Ethik.
Und das Ziel der Selbsterhaltung der Gruppe ist der individuellen 
Selbsterhaltung übergeordnet. … Deshalb verhält sich das Individuum angepasst, 
ordnet sich ein, bekommt Kinder (für den Staat) opfert sich im Krieg für den 
Staat. Im Interesse der Gemeinschaft kümmert sich das Individuum um Schwache."
Was trägt das zu unserer Fragestellung bei? Ist es nun im Interesse des 
Staates, den Süchtigen verkommen zu lassen oder ist es im Interesse des Staates, 
dass irgendjemand das Recht zum Eingreifen erhält?
Wie verträgt sich die 
Reduzierung des ethischen Handelns auf die Staatsräson mit der Tatsache, dass 
für Menschen in anderen Erdteilen Geld gespendet wird?
fragt Dich 
Eberhard?
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
02. Okt. 2005, 17:27 Uhr 
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Hallo Eberhard
Deine 1. Frage: "Ist es nun im Interesse des Staates, den 
Süchtigen verkommen zu lassen oder ist es im Interesse des Staates, dass 
irgendjemand das Recht zum Eingreifen erhält?
Antwort: Es ist eindeutig im 
Interesse der Gemeinschaft, Süchtigen zu helfen, vom Suchtmittel wegzukommen, 
notfalls sogar ohne oder gegen ihren Willen. Deshalb sind die entsprechenden 
Gesetze vom Volk geschaffen worden (Entmündigung, Zwangseinweisung in 
geschlossene Kliniken).
Biologische (ethische) Gründe: die genetisch 
gespeicherten Verhaltensprogramme dieser Menschen sind genauso wertvoll wie die 
jedes anderen Menschen, deshalb haben sie das gleiche Recht auf Vermehrung. 
Zweitens können sie nach Wiederherstellung ihrer Leistungsfähigkeit wertvolle 
Arbeit für die Gemeinschaft leisten.
Deine 2. Frage: "Wie verträgt sich die 
Reduzierung des ethischen Handelns auf die Staatsräson mit der Tatsache, dass 
für Menschen in anderen Erdteilen Geld gespendet wird?
Antwort: Gar nicht. 
Die Spenden für Menschen in anderen Erdteilen ist gar keine Handlung des Systems 
höherer Ordnung (also keine Handlung des System Staat), sondern das Handeln von 
Individuen (von Systemen Mensch). 
@abrazo
Du sagst: "ob du von Atomen 
sprichst oder von Systemen, bleibt sich völlig gleich. In jedem Falle sprichst 
du von an sich existierenden Dingen."
Sehr richtig, da sind wir uns einig. 
Ich treffe lediglich eine andere Einteilung der Phänomene, die wir beide gleich 
beobachten. Nur ist das nicht egal, wie man die Dinge einteilt. Übrigens ist ein 
tatsächliches Atom (nicht die Idee des Atoms) auch ein System, nämlich ein 
Nichtlebendes, das aus Elektronen, Protonen und Neutronen besteht. Tatsächlich 
gibt es nämlich kein kleinstes Teilchen. Die Größe des sogenannten kleinsten 
Teilchens ist lediglich durch die Feinheit unserer Messinstrumente definiert und 
wird sich immer wieder als ein System entpuppen, das aus noch kleineren Teilen 
besteht. 
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
02. Okt. 2005, 22:36 Uhr 
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Hi, doc rudi,
nun halte ich aber die atomistische Sicht für falsch und 
bin der Ansicht, dass es keine Dinge an sich gibt. 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von doc_rudi am 
02. Okt. 2005, 23:08 Uhr 
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da haben wir allerdings einen Dissens.
ich denke wie Kant, dass es Dinge 
objektiv gibt, dass wir sie nur an sich nicht erkennen können.
Allerdings 
sind wir selbst ebenfalls ein solches Ding und wissen daher ohne Wahrnehmung, 
was wir jeweils an sich sind.
Aber: welche Sicht ist denn Deines Erachtens 
wahr, wenn es kein Ding an sich gibt?
Dann existiert doch außer Dir nichts. 
Was soll dann ein ethischer Wille?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
02. Okt. 2005, 23:36 Uhr 
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Hi, doc rudi,
das könnte ich im Thread von Urs erläutern. Allerdings 
erweist es sich schon als Problem, allein die Basis verständlich zu machen.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von Abrazo am 
Vorgestern, 00:30 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Zunächst die Frage: was ist mit Scham überhaupt gemeint?
Man spricht von einem, der schamlos lügt. Sich in schamverletzender Weise zu 
zeigen ist ein juristischer Terminus (verletzt wird dabei der, der das sieht). 
Als die Scham werden auch primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale bezeichnet. 
"Schämst du dich nicht" sagt man zu einem, der sich rüpelhaft benimmt. 
Ich denke man kann sagen, eigene Scham soll unehrenhaftes Verhalten verhindern. 
Ich denke auch, dass Nietzsche eher das gemeint hat. In dieser Hinsicht wäre 
Scham dem Bereich Ethik zuzuschlagen.
Widersprechen tut dem allerdings 
die 'schamverletzende Weise'. Denn warum sollte ich mich verletzt fühlen, nicht 
von den Folgen der Tat, sondern von der Tat selbst, wenn ein anderer sich 
unehrenhaft benimmt? Diese Formulierung würde ich eher dem Bereich Moral 
zuschlagen. Denn sie betrifft die Übertretung einer moralischen Norm: 
insbesondere nicht vor anderen zu masturbieren.
Du sprichst davon, dass 
man körperliche Scham anerziehen kann. Aber wäre das die Anerziehung eines 
ethischen Willens oder die Anerziehung einer moralischen Norm? Ich denke, einer 
moralischen Norm.
Man kann Scham übrigens auch aberziehen. Am brutalsten 
dadurch, dass man einen Menschen zerbricht, wie es Zuhälter traditionell mit 
ihren Opfern machen. Für das Vorhandensein einer angeborenen Scham spricht 
übrigens, dass das nicht vorhanden sein der Scham ein psychisches 
Krankheitssymptom ist (wobei ich mich frage, ob das gewordene nicht vorhanden 
sein der Scham in einer Gesellschaft nicht auch eine Art Krankheitssymptom ist).
So einfach ist das also nicht. Wir haben ein Wort, das in unterschiedlichen 
Kontexten gebraucht wird. Auch in ethischem, aber offenbar auch in anderen. Ich 
nehme an, es gibt sogar eine biologisch programmierte Scham. Viele Hündinnen 
z.B. reagieren ausgesprochen ungehalten, wenn Rüden sich außerhalb der 
Läufigkeit an ihrem Hinterteil zu schaffen machen - beim Menschen würde man das 
Scham nennen.
Aus diesem ganzen Gebrauchsgewirr müsste man erst einmal 
das isolieren, was Scham im ethischen Sinne genannt werden kann. Einen Tipp zum 
Thema körperliche Scham gibt übrigens der Koran. In dem - außer für die Frauen 
Mohammeds - definitiv kein Verschleierungsgebot steht. Dafür ein anderes Gebot: 
Frauen sollen sich in Kleidung und Benehmen nicht so verhalten, dass man sie für 
Prostituierte hält. Das würde zu einer ethischen Frage führen: ist es in 
Ordnung, wenn ich meinen Körper, im Grunde mich selbst, anderen als Ware zum 
Gebrauch verkaufe? Oder will ich das nicht?
Wenn wir dies als ethische 
Frage akzeptieren, ist klar, dass die Kleidung eine kulturelle Frage ist. Dann 
wäre erst einmal zu untersuchen, ob in Kulturen, in denen so gut wie keine 
Kleidung getragen wird, auch die Prostitution kein Problem ist (was ich 
bezweifle), und ob nicht auch dort ein Verhalten, das als Prostitutionsangebot 
gilt, als unmoralisch abgelehnt wird.
Die Moralen sind ja kulturell 
höchst unterschiedlich. Und sie werden auch unterschiedlich bleiben, wenn man 
die Kulturen nicht zerstört. Liegt diesen unterschiedlichen Moralen nicht 
dennoch eine gleiche Ethik zugrunde?
Zum zweiten denke ich nicht, dass 
die Ethik die Moralphilosophie abschaffen würde. Denn dazu sind die moralischen 
Fragen in aller Regel zu kompliziert. Ich denke, es verhält sich wie mit der 
Mathematik. Hat man das Grundprinzip der Zahlen begriffen, kann man noch lange 
nicht die Statik einer Brücke berechnen. Gut, Spezialisten können das. Aber die 
Mehrheit der Menschen eben nicht. Die haben schon Schwierigkeiten, die 
Quadratmeter ihrer Wohnung zu berechnen, wenn sie die erlernte Formel vergessen 
haben.
Deswegen ist für mich die wichtigste Frage, auf was man eine 
Moralphilosophie stützen will. Auf die gemeinsamen Interessen, wie die 
Kommunisten? Oder auf die Biologie, wie z.B. Nationalsozialisten? Ich denke, 
stützen kann man sie nur auf das, was gerade diesen Moralen vehement 
widersprach: auf den ethischen Willen.
Wie schwierig es tatsächlich ist, 
herauszufiltern, wo und wann bei Verhaltensnormen Ethik überhaupt betroffen ist, 
sehen wir ja am Beispiel Scham.
Gruß 
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Titel: Re: Darf man sich selbst zugrunde richten? II
Beitrag von homo_sapiens 
am Gestern, 10:08 Uhr 
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..... daß die meute dieses landes
sich immer nur zu neuen blamagen
zu sammmen schließt .....
und jeden menschen > ver gast <
damit sie un 
ge stört dies auch tun !
weis ja ein jeder auf dieser welt
seit 
spätestens 60 jahren !
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siehe Beiträge / Eberhard Wesche u. a.