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PhilTalk-Diskussion
 

Wahrheit VII

 

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PhilTalk Philosophieforen Theoretische Philosophie >> Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie >> Wahrheit VII

(Thema begonnen von: Eberhard am 07. Feb. 2005)

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Titel: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 07. Feb. 2005, 22:00 Uhr

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Wahrheit VII

Hallo und willkommen allerseits,

dies ist die Fortsetzung unserer Diskussion in "Wahrheit VI". Es geht weiterhin um die Fragen: Was meint man, wenn man eine Aussage als "wahr" bezeichnet? Wie stellt man fest, ob eine Aussage wahr ist?

Gegenwärtig geht es um die Fragen:

Gibt es intersubjektiv übereinstimmende Wahrnehmungen? Was sind die Bedingungen und Kriterien hierfür?

Inwiefern ist es kontextabhängig, ob eine Aussage oder ein Satz wahr oder falsch ist?

Es ist jeder zur Teilnahme an der Diskussion eingeladen, der etwas zur Beantwortung dieser Fragen beitragen kann.

Grüße an alle, die sich um mehr Klarheit in unserem Denken und Sprechen bemühen, von Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 08. Feb. 2005, 12:57 Uhr

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Die Wahrheit ist, ich habe keine Lust mehr über Wahrheit weiter nachzudenken. Wo muss ich meinen Philosophenschein jetzt abgeben? :-)

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 08. Feb. 2005, 13:39 Uhr

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Hi Dy,

Dir ist ja wohl klar, dass Du mit dem Desinteresse an der Wahrheit Deinen V.I.P.-Status in einem Philosophie-Forum verwirkt hast.

[grin]

(Ich vermisse hier einen Zunge-rausstreck-Smiley...)

Grüßchen

H.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 08. Feb. 2005, 17:11 Uhr

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Hallo hermeneuticus,

Dein Plädoyer für die menschlich eingerichtete Lebenswelt, die "immer schon" nach erlernten Regeln organisiert und vorstrukturiert ist, die keine Verwendung hat für zeit- und ortsenthobene Geltungsansprüche, geht meiner Meinung nach an der Problematik vorbei.

Dass im Alltag Wahrheitsfragen nur an einzelnen Punkten auftauchen, ist sicher richtig. Aber in dieser Diskussion geht es ja gerade und ausschließlich um die Bewältigung solcher Situationen, in denen die Frage nach wahr oder falsch ansteht. Es geht um Probleme, die in diesem Zusammenhang auftauchen wie z. B. Missverständnisse aufgrund unklarer Begrifflichkeit, Sprachlosigkeit aufgrund fehlender Begrifflichkeit, Irrtümer aufgrund falscher Schlussfolgerungen, Irrationalität aufgrund einer Vermischung von Wahrheitsfragen mit Autoritätsfragen.

Auch im Kontext einer Subkultur mit ihrem speziellen Jargon und ihren stillschweigenden Voraussetzungen besteht Bedarf nach einem Wort, mit dem eine zeitlich nicht begrenzte Gültigkeit von Aussagen über das, was ist, ausgedrückt werden kann. (Es geht um "wahr sein" im Sinne einer zeitlich nicht begrenzten Gültigkeit, nicht um "ewige Wahrheit". Mit dem Begriff "zeitenthoben" bügelst Du gerade diesen wichtigen Unterschied platt.)

Wer nach dem Motto verfährt: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern", der ist auch im regionalen Kontext eine windige Gestalt.

Selbstverständlich: Was unter den Bedingungen von gestern gültig war, dass muss unter den Bedingungen von heute nicht mehr gültig sein.

Aber: Was unter den Bedingungen von gestern gültig war, das bleibt unter DIESEN Bedingungen auch gültig!

Auf diesen kleinen Unterschied kommt es an.

Klar: Im Laufe der Zeit verändern sich die Bedingungen, aber ALLEIN durch den Lauf der Zeit werden wahre Aussagen nicht zu falschen!

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Snom von Znieh am 08. Feb. 2005, 22:06 Uhr

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Hallo zusammen,

ich will das nochmal anhand des Beispiels mir der 2 Meter langen Stange aus Teil VI anschauen: in den meisten Aussagen kommte es aufgrund der Konventionen bzgl. der verwendeten Begriffe nur zur einer kontextabhängigen Form von Wahrheit, wie in dem Fall "die Stange ist 2 Meter lang" (da unterschiedliche Konventionen über das Maß "2 Meter" gelten können).

Was ist aber, wenn zwei Handwerker gleichzeitig zusammen die Stange mit demselben Meterstab ausmessen, und dannach sagt der ein, die Stange sei exakt 2 Meter lang, während der andere darauf besteht, es seien nur 1.90 gemessen worden - auf gar keinen Fall jedoch auch nur annähernd 2 Meter? Ich denke, in diesem Falle wäre es doch kontextunabhängig "wahr", den folgenden Satz zu sagen: "die Aussage von mindestens einem der Handwerker war unwahr". Oder ist auch der Wahrheitsgehalt eines solchen Satzes von Raum/Zeit/Person abhängig?

Grüße

Snom

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 08. Feb. 2005, 22:17 Uhr

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Hallo hallo,

lieber Eberhard,

Zitat:

" Dein Plädoyer für die menschlich eingerichtete Lebenswelt, die "immer schon" nach erlernten Regeln organisiert und vorstrukturiert ist, die keine Verwendung hat für zeit- und ortsenthobene Geltungsansprüche, geht meiner Meinung nach an der Problematik vorbei."

kleine Anmerkung:

sie (die Lebenswelt) hat genau DESHALB die Zeit für den Luxus einen Diskurs über die Wahrheit zu führen. Man geht aber dabei vor die Tür. Das "immer schon" ist die stillschweigende Voraussetzung die es uns ermöglicht zu fragen: darfs a biserl mehr sein? Die Sprache dieser "Lebenswelt" entspricht im Grunde der Komplexität in der wir leben und angesichts der wir dann verwundert fragen: Gibt es Wahrheit auch dann wenn ich sie anschaue und nicht wie sonst immer en passant als gegeben hinnehme? Es ist wie immer keine verlorene Zeit sich über die Bedingungen der Möglichkeit im klaren zu sein. Es ist allerdings klar, das ich dann, wenn ich auch nur den Hauch einer solchen Frage formuliere ohne Übergang aus der Lebenswelt heraus getreten bin. Diese bestraft Fragen dieser Art mit sofortiger Verbannung. :-) Ab dann heißt es: Im Schweiße eures Angesichts müßt ihr nun die Wahrheit suchen. Ich finde, das ist das eigentlich Motiv welches Thrakerinnen lachen läßt.

so long

Dy

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 08. Feb. 2005, 22:23 Uhr

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Hallo Snom,

mit deiner Idee landen wir schlussendlich bei formaler Logik.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 08. Feb. 2005, 23:42 Uhr

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hallo liebe diskutierenden,

so wie's ausschaut wird unsere kleine gemeinde größer und größer. schon wieder haben wir ein neues mitglied gewonnen - hoffe ich.

in deinem beitrag eberhard, sagst du etwas, dass mir anscheinend zuvor so nicht aufgefallen ist; dem ich dir aber nur beipflichten kann. ich muss von meiner seite aus zugeben, dich in diesem punkt nicht recht verstanden zu haben. du schreibst:

Quote:Selbstverständlich: Was unter den Bedingungen von gestern gültig war, dass muss unter den Bedingungen von heute nicht mehr gültig sein.

Aber: Was unter den Bedingungen von gestern gültig war, das bleibt unter diesen Bedingungen auch gültig!

insofern denke ich, versteigen wir uns nicht in das ewige reich der mütter, irgendwelcher platonisch anmutenden entitäten, sondern bleiben mit beiden beinen auf dem boden. wir haben also nicht die ewigen wahrheiten sondern sätze, die unter bleibenden bedingungen einen eindeutigen wahrheitswert haben.

zu snom:

Quote:aufgrund der Konventionen bzgl. der verwendeten Begriffe nur zur einer kontextabhängigen Form von Wahrheit, wie in dem Fall "die Stange ist 2 Meter lang" (da unterschiedliche Konventionen über das Maß "2 Meter" gelten können).

nicht die unterschiedlichen konventionen über das maß "2 meter" sind aussagenentscheidend, sondern vielmehr die meßmethode ist hier entscheidend. ob ich die stange mit dem zollstock vermesse oder mit einem laser vermesse macht den unterschied. die aussage, die stange ist so und so lang, ist entscheidbar dadurch, dass man sich auf eine methode einigt, die stange zu vermessen. und insofern kann ich auch dys einwand nicht verstehen

Quote:mit deiner Idee landen wir schlussendlich bei formaler Logik.

das einzig logische an der auswertung ist der satz des ausgeschlossenen dritten, dass eine meßmethode (üblicherweise in makroskopischen dimensionen) keine zwei verschiedenen ergebnisse liefert. ich denke, dass soviel formale logik statthaft sein sollte.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 08. Feb. 2005, 23:52 Uhr

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hallo, leute

bitte seid nicht gleich eingeschnappt, wenn ich folgendes frage:

die threads 'wahrheit I-VII' drehen sich offenbar um die 'wahrheit'. bezeichnender weise steht ausser wahrheit X kein anderes wort im titel des grossen werkes.

was zum teufel macht ihr eigentlich [???]

augenscheinlich sucht ihr die wahrheit über die wahrheit...

bitte, mach mal einer einen digest über das thema

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 08. Feb. 2005, 23:57 Uhr

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Hallo Thomas,

ich möchte nicht sagen das wir bei formaler logik falsch aufgehoben sind mit der Wahrheit. Nur bewegen wir uns mit Eberhards These von Wahrheit die sich nicht ändert dann und nur dann wenn sich die Bedingungen nicht ändern in denen Wahrheit wahr ist in ziemlich luftleeren Gefilden wie denen der formalen Logik. Wer hat das je erlebt, Bedingungen die sich nicht ändern? Daraus wird dann eine Wahrheit die so wahr ist wie der Satz: Der Angeklagte ist entweder schuldig oder nicht schuldig.

Grüße

Dy

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 09. Feb. 2005, 03:38 Uhr

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und mit der ankunft des monsterheinz kommt ein weiterer, der eure sich ständig wiederholenden statements aufgreift und durchexerziert... wie lange braucht ihr eigentlich, um festzustellen das ein stock aus der sicht von zwei personen, jeweils bestätigt die selbe länge haben kann, wenn beide die selbe definition von metrik verwenden? (man kann sich auch absichtlich vor jeglicher zielstrebigkeit sträuben, wenn man das gegenseitige schulterklopfen möglichst lange durchhalten will)

was ist mit der zusammenfassung???

kann einer von euch noch überhaupt eine zusammenfassung geben?

diese frage zu beantworten sollte eigentlich im interesse aller beteiligten an diesem running gag sein...

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 09. Feb. 2005, 06:36 Uhr

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Hallo allerseits,

Auch wenn es so scheinen mag, als kämen wir mit unserer Diskussion gar nicht voran, so hat doch wohl jeder für sich daraus neue Argumente und Gesichtspunkte gewonnen, und seien es nur Zweifel an dem, was er bisher für richtig gehalten hatte.

So ist mir z. B. die Problematik der stillschweigenden Voraussetzungen, der sprachlichen Variablen und der nicht explizit ausformulierten Bedeutungen durch die Diskussion klar geworden, und mir ist klar geworden, dass ich mich entscheiden muss, ob ich unter einer "Aussage" den Satz oder die Bedeutung des Satzes verstehen will.

Nun zu dem immer wieder erhobenen Einwand, dass man letztlich nie wissen könne, ob eine Aussage über die Beschaffenheit der Wirklichkeit wahr ist, also in Geltung bleiben kann, oder ob sie falsch ist, also korrigiert werden muss.

Ich halte weiterhin an dem Ziel fest, dass wir nach Aussagen suchen, die wir möglichst NICHT korrigieren müssen, die also wahr sind und eine intertemporale Gültigkeit besitzen.

Gleichzeitig weiß ich, dass grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch neue Erfahrungen und Argumenten im Prinzip jede Aussage, die ich bisher für wahr gehalten haben, zukünftig falsifiziert werden kann.

Die Konsequenz hieraus ist jedoch nicht das skeptische: "Ich kann mir der Wahrheit keiner Aussage sicher sein". Denn zwischen Für-wahr-halten und Für-wahr-halten gibt es entscheidende Unterschiede im Grad der Gewissheit des Für-wahr-haltens.

Wenn jemand etwas behauptet, dann geht er zwar immer das Risiko des Irrtums ein. Aber es gibt den Unterschied zwischen demjenigen, der etwas naiv behauptet, und demjenigen, der etwas reflektiert behauptet.

Der Letztere hat eine begründete Einsicht in den Grad der Gewissheit der von Ihm aufgestellten Behauptung. Er hat einen Überblick, in wie viel Fällen sich diese Behauptung bereits alles richtig erwiesen hat, und wie oft er sie der Kritik durch andere oder den eigenen Zweifeln ausgesetzt hat.

Er weiß, um welche Art von Aussagen sich handelt und welches Risiko mit den verschiedenen Arten von Behauptungen verbunden ist. So ist z. B. eine Aussage über ein einzelnes vergangenes Ereignis, bei dem ich Augenzeuge war, weniger in der Gefahr, zukünftig falsifiziert zu werden, als die Behauptungen einer allgemeinen Regelmäßigkeit, die auch für die Zukunft gelten soll.

Es gibt also nicht nur das immerwährende Wahr-sein und das möglicherweise irrtümliche Für-wahr-halten, sondern es gibt auch das reflektierte Wissen, das sich des Grades seiner Ungewissheit bewusst ist. Es gibt also mehr oder weniger gute Gründe, um eine Aussage für wahr zu halten, und man kann dies mitreflektieren, wenn man eine Aussage intersubjektiv behauptet bzw. subjektiv für wahr hält.

In der Hoffnung, dass jeder von Euch ebenfalls durch unsere Diskussion gelernt hat,

grüßt Euch Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 09. Feb. 2005, 10:17 Uhr

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Hallo Thomas G,

Du fragst: "Was sollte es bedeuten, von dem Satz 'Peter ist schlau' zu behaupten, er sei 'entweder wahr oder falsch' ?"

Es soll bedeuten, dass dieser Satz entweder wahr oder falsch ist, sofern es sich um eine Aussage über die Beschaffenheit der Wirklichkeit mit bestimmter Bedeutung handelt. Die letztere Bedingung ergibt sich aus dem Kontext unserer Diskussion, den ich hier auch mal in Anspruch nehmen will.

Die Frage nach der Wahrheit eines Satzes macht natürlich nur Sinn, wenn dieser Satz behauptet wird, und wenn es sich nicht nur um eine ungeschützte und ohne den Anspruch auf haarkleine Stimmigkeit gemachte beiläufige Äußerung handelt.

Wer im alltäglichen Leben jedes Wort seiner Mitmenschen auf die Goldwaage legt, der missversteht deren Intentionen, und es gibt nicht zu Unrecht die abwertenden Begriffe des "Schlaumeiers", des "Neunmalklugen", oder des "Besserwissers".

Nehmen wir an, dass es sich bei dem Satz um eine ernst gemeinte Behauptung handelt, dass es diesen Peter wirklich gibt und dass wir denselben meinen. Dann ist eine Aussage über Peter eine Aussage über einen Teil der Wirklichkeit.

Ist es auch eine Aussage darüber, wie Peter beschaffen ist?

Ihm wird das Prädikat "schlau" zugesprochen. Beschreibt das Wort "schlau" die Beschaffenheit einer Person? Ich denke ja, zumindest wenn man die übliche Bedeutung des Wortes "schlau" heranzieht, die im Sprach-Brockhaus mit "klug, gewitzt, durchtrieben" angegeben wird.

Das Synonym "durchtrieben" enthält allerdings eine abwertende Bedeutungskomponente, die noch stärker wäre, wenn man gesagt hätte: "Peter ist ein schlauer Fuchs". Andererseits hat das Wort "schlau" sicherlich einen beschreibenden Sinn, den das Wort "abscheulich" nicht hätte.

Wenn das Gegenteil von "schlau" "dumm" ist, dann müsste man sich darüber verständigen, welches Reden oder Handeln ein Zeichen von Schlauheit ist und welches ein Zeichen von Dummheit. Wenn man nun gemeinsam nachsieht, wie sich Peter in solchen Fällen verhalten hat, kann man die Aussage "Peter ist schlau" empirisch überprüfen.

Jenseits eines eindeutigen Bedeutungskerns wird die Abgrenzung der Bedeutung des Wortes "schlau" zu Wörtern wie "klug", "intelligent", "clever", "vernünftig", "gebildet", "gelehrt", "geschult" "weise", "erfahren" oder "bauernschlau" schwierig.

Hier greifen Deine pragmatischen Argumente. Ob die Bedeutung eine Satzes hinreichend bestimmt und abgegrenzt ist, hängt davon ab, welchen Gebrauch man von der Behauptung praktisch machen will. Wenn nur strittig ist, ob Peter eher als "dumm" denn als "schlau" anzusehen ist, muss ich mir über die Abgrenzung zwischen "schlau" und "intelligent" nicht den Kopf zerbrechen.

Und man wird an die Bestimmtheit der Bedeutung des Wortes "schlau" andere Maßstäbe anlegen, je nachdem ob der Satz: "Peter ist schlau" im Rahmen einer beruflichen Einstellungsentscheidung geäußert wird oder nur als beiläufige Bemerkung im Rahmen der beliebten Unterhaltung über Abwesende.

Du schreibst: "Wenn das fertige Teleskop mit einer 1,99 m langen Stange exakt gleichgut funktionieren würde, würde man die Aussage des Schülers: 'Diese Stange ist 2m lang' als wahr bezeichnen. Verlangt das Teleskop allerdings Nanometergenauigkeit, wäre die gleiche Aussage als wahnwitzig falsch zu bezeichnen."

Einverstanden. Wobei ich allerdings jeweils hinzufügen würde: "Denn die stillschweigend vorausgesetzten Anforderungen an die Messgenauigkeit wären dann andere."

Es grüßt Dich und andere unermüdliche Nach- und Querdenker Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 09. Feb. 2005, 11:21 Uhr

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Hallo Eberhard, hallo Ihr Sitzfleischlosen...!

:-)

Ohne Zeit für ausgreifende sachliche Beiträge, muss ich doch Eberhards letzten Beitrag bekräftigen. Obwohl die Diskussion immer noch dieselbe Frontenbildung aufweist und meine Kontrahenten immer noch kein Einsehen in die einzig wahre, d. h. die "pragma-transzendentale" Wahrheitstheorie haben (ein improvisiertes Kürzel für meine Position) - obwohl also meine Kontrahenten immer noch im Dunkeln tappen, habe ich seit letztem September - so lange geht die Debatte schon *seufz* - doch viele lichtvolle Momente gehabt. Ich kenne meine Position inzwischen sehr viel besser und bin imstande, sie auf verschiedene Weisen, von verschiedenen Ausgangspunkten her zu verteidigen. d. h. ich übersehe viel mehr Implikationen meines Ansatzes.

Das liegt natürlich vor alllem daran, dass ich in der Zeit nicht faul war. Ich habe neben der Diskussion (aber auch für sie) manches gelesen und viel nachgedacht und auf diese Weise nolens volens noch einmal begonnen, Philosophie zu "büffeln". Das ist zwar nur der Starrköpfigkeit meiner Kontrahenten geschuldet (mit der ich dokumentiertermaßen schon zweimal die Geduld verloren und daher die Diskussion endgültig (!) abgebrochen habe...), hatte aber irgedwie doch einen guten Zweck.

So finde ich auch meine Überzeugung bestätigt, dass man niemals besser lernt, als wenn man einen Standpunkt konsequent in einer Kontroverse vertritt. Durch diese Konsequenz VERÄNDERT sich nämlich der eigene Standpunkt unabweislich, auch wenn man dann immer noch hinter den eingangs geäußerten Behauptungen stehen kann. Wie bereits Platon wusste, der diesen Vorgang "Dialektik" nannte und am Beispiel des Sokrates vielfältig darstellte, bewirkt das Philosophieren letztlich eine "Umwendung der Seele" - weg von den zufälligen, okkasionellen Gegebenheiten und Anlässen hin zu den Prinzipien, die sich darin verbergen...

Was ich durch die Diskussion im einzelnen gelernt habe, kann ich nicht aufzählen, ich müsste es erst eigens rekonstruieren, und dazu fehlt mir gerade Zeit. Dazu fehlt mir allerdings auch dann die Zeit, wenn ich aktiv an der Diskussion teilnehme. Bm Starrsinn meiner Kontrahenten kommt man ja zu nix...

[grin]

Gruß

H.

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 09. Feb. 2005, 11:39 Uhr

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Hallo liebe Dy,

Du schreibst:

" wir (bewegen) uns mit Eberhards These von Wahrheit, die sich nicht ändert dann und nur dann wenn sich die Bedingungen nicht ändern in denen Wahrheit wahr ist, in ziemlich luftleeren Gefilden wie denen der formalen Logik. Wer hat das je erlebt, Bedingungen die sich nicht ändern? Daraus wird dann eine Wahrheit die so wahr ist wie der Satz: Der Angeklagte ist entweder schuldig oder nicht schuldig."

Nimm als Beispiel den Satz, aus einem Berlinführer des Jahres 1900: "Gegenüber dem Reichstagsgebäude erhebt sich triumphierend die Siegessäule". Und nimm außerdem den Satz aus einem Berlinführer des Jahres 2000: "Gegenüber dem Reichstag, getrennt nur durch den Platz der Republik, findet sich als moderner Kontrapunkt das überdimensionierte Kanzleramtsgebäude."

(Die Siegessäule bekam im Jahr 1938 einen neuen Standort auf dem "Großen Stern" im Tiergarten.)

Der Satz: "Die Siegessäule steht gegenüber vom Reichstag" war jahrzehntelang wahr. Er wurde durch die Verlegung des Standortes falsch.

Noch kann ich in diesen Gefilden atmen …

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 09. Feb. 2005, 17:25 Uhr

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Also wenn schon alle "Gesundheit" sagen wenn ein Floh hustet will ich mich meinen Diskussionspartnern anschließen und ein Zwischenergebnis zum besten geben. :-)

Ich habe auch sehr viel gelernt. Hauptsächlich über Kants transzendentalen Idealismus dank der gut geschriebenen Erleuterungen von Hermeneuticus und Verena und dank der tolldreisten aber nichts desto trotz notwendigen Renitenz gegen die Thesen des "Alleszermalmers" durch Eberhard und Thomas. Dabei vergesse ich nicht WuWeiŽs fernöstliche Perspektive. Gershwins Evolutionsfundamentalismus wurde von mir oft genug an anderer Stelle kritisiert. ;-)

Ich wage die Behauptung, das wir Heute den größten Teil unserer Lust zur o.a. Renitenz, oder unsere Neigung dazu nicht alles zu glauben egal wie groß auch die Reputation des Genies ist das seinen Senf zum besten gibt, das wir dies auch zum großen dem Genius des schmächtigen Königsbergers verdanken.

Etwas bedauere ich das auf meine, zugegeben meist kurzen Beiträge, weniger eingegangen wurde. Ich sehe allerdings ein, das diese, in dem eher analytischen Rahmen der Diskussion etwas deplaziert waren. Mir blieb und bleibt auch weiter jedoch keine andere Möglichkeit so zu schreiben wie ich schreibe, denn mein Zugang zur Philosophie, wenn ich den überhaupt als gegeben reklamieren darf, ist eher ein literarischer und weniger analytisch. Deshalb neige ich dann auch zum Narrativen. Klar ist, ich muss es gestehn, dazu gehört vieles das nicht zu Ende gedacht ist oder zumindest zu keinem Ergebnis gekommen ist in meinem Denken. Das kann man hinter dem "erzählen" besser verstecken.[grin] Wenn man eine Analyse liefert geht man ja quasi nackt auf die Straße.

Auf der anderen Seite haben die "Analysten" wenig Sinn und erst recht wenig Nerven auch einen kurzen narrativen Text etwas näher zu durchleuchten. Aber das soll keine Beschwerde sein!!!

Jetzt hört sich das an wie ein Schlusswort. Ich hoffe aber es ist nur ein Zwischenbericht und es geht weiter.

Hermeneuticus will ich noch folgendes fragen: Wenn du sagst du HAST demnächst "weniger Zeit", wiederspricht das nicht Kants Auffassung der Zeit als formale Anschauung die selber nie einem "Etwas" in der Welt zukommen kann. Wie könnte man dann keine Zeit haben bzw. "hat" man sie nicht immer schon? Zur Erinnerung:

" Die Unendlichkeit der Zeit bedeutet nichts weiter, als dass alle bestimmte Größe der Zeit nur durch Einschränkungen einer einigen zum Grunde liegenden Zeit möglich sei. Daher muss die ursprüngliche Vorstellung Zeit als uneingeschränkt gegeben sein."

Also Herm., stell dir einfach vor du hättest uneingeschränkt Zeit. [grin]

Grüße

Dy

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 09. Feb. 2005, 19:00 Uhr

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hallo dyade,

gehen du und hermeneuticus nicht ein wenig zu scharf mit uns (eberhard, gershwin und mir) ins gericht? wenn ich bei hermeneuticus lese, unsere fraktion sei "starrköpfig" oder du schreibst wir seien "renitent", erinnert mich das weniger an eine philosophische diskussion; vielmehr erinnert mich das an sitzungen aus dem lehrerzimmer, wo pädagogen beratschlagen, wie den schüler beizukommen sei.

ich setze bei der wahl eurer vokabeln einen gewissen ironischen unterton voraus, aber es beschleicht mich der verdacht, als ginge es um mehr als nur um die wahl der besseren argumente.

ich hoffe aber sehr, dass du/ihr eure zwischenbilanz nicht als ein abschließendes fazit betrachtet, und die diskussion noch ein wenig fortgeführt wird; auch zum missfallen einiger pöbler.

was die wahl deiner worte in den beiträgen anbelangt, so sei versichert, dass hier keinerlei stilprinzipien zugrunde liegen; so dass neben der evtl. trockenen naturwissenschaftlichen sichtweise die philosophische oder die literarische (du schreibst "narrative" ) darstellung ebenso ihr recht hat. die wahl de methode, wie man versucht, probleme zu analysieren, zu lösen, bzw. lösungsvorschläge anzubieten ist -gottseidank- bei den philosophen (noch) frei. das macht es auch für viele attraktiv, zu philosophieren. ich denke, es hat keinen sinn, wenn sich jemand in einer diskussion eines jargons bedienen muss, der ihm nicht liegt - bei mir ist es z.b der (transzendental)philosophische. das hat bei mir biographische gründe. nicht, dass ich die philosophische terminologie -wenigstens in grundzügen- beherrschte -zu igendwas muss ja eine terminologie-übung taugen *GG*-, allerdings fühle ich mich inzwischen fremd in den philosophischen terminologiegerüsten. ich bevorzuge zum beispiel die alltagssprache, die ich wenn nötig, mit philosophischen oder naturwissenschaftlichen termini technici anreichere. andere bevorzugen kants terminologie.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 09. Feb. 2005, 20:25 Uhr

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Nabend Thomas,

das Wort "renitent" war durchaus in dem Sinn gemeint das man auch stolz darauf sein kann. Und natürlich ein kleines bisschen ironisch. Mein Kant Zitat war gemeint als konstruktives missverständnis. :-)

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 09. Feb. 2005, 23:44 Uhr

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Hallo Thomas, hallo Dy!

 

 

Quote:ich setze bei der wahl eurer vokabeln einen gewissen ironischen unterton voraus, aber es beschleicht mich der verdacht, als ginge es um mehr als nur um die wahl der besseren argumente.

Du darfst in meinem Beitrag sogar einen selbstironischen Ton voraussetzen... Trotzdem könnte ich künftig mit dem "Achtung Ironie!" -Smiley nachhelfen, wenn Du das wünschst...

Muster:

[smiley=ironie.gif]

 

Das Verhältnis von Alltagssprache zur Terminologie wäre Thema für eine eigene, sehr interessante Diskussion. (*vormerk*) Hier sag ich nur, dass man in der Philosophie IMMER in der Lage sein sollte, Terminologisches alltagssprachlich auszudrücken - genauer: es in der Sprache zu formulieren, die man mit seinen jeweiligen Gesprächspartnern teilt. Für mich eine elementare Anforderung an die Philosophie.

 

@Dyade

Bist Du mit Deiner Kant-Lektüre bis zur Kritik des ontologischen Gottesbeweises vorgedrungen? Ich fürchte, nein. Sonst würdest Du kaum vorschlagen, ich solle mir VORSTELLEN, ich hätte unendlich Zeit...

[grin]

 

Grüße

H.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 10. Feb. 2005, 07:18 Uhr

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hallo hermeneuticus,

 

Quote:Hier sag ich nur, dass man in der Philosophie IMMER in der Lage sein sollte, Terminologisches alltagssprachlich auszudrücken - genauer: es in der Sprache zu formulieren, die man mit seinen jeweiligen Gesprächspartnern teilt. Für mich eine elementare Anforderung an die Philosophie.

ich denke, dass diese forderung (nicht nur für die philosophie) selbstverständlich sein sollte.

aber grundsätzlich hege ich gegenüber dem philosophischen begriffsapparat (inzwischen) eine gewisse skepsis, die wir gern in einem eigenen thread abhandeln können.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 10. Feb. 2005, 11:36 Uhr

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Hallo Dyade,

Du fragst, was wäre, "wenn der Kunde auf dem Schrottplatz und der Techniker jeweils 2,000 m auf ihrem Messinstrument abgelesen hätten und ein Dritter misst und stellt 1,999 m fest? … Wer entscheidet nun welcher Satz wahr ist. Ist Wahrheit eine Frage der Mehrheit oder des Konsenses oder gibt es gar einen Toleranzraum, der von den Zwecken her definiert wird?"

Wie kann es zu unterschiedlichen Messergebnissen (bei gleicher Messgenauigkeit) kommen?

1. Die Länge der Stange ist nicht konstant,

z. B. weil sich das Metall bei Erwärmung ausdehnt. Diesem Problem kann man dadurch begegnen, dass man die Temperatur in die Aussage mit aufnimmt: "Bei einer Temperatur von 15 Grad Celsius hat diese Stange eine Länge von 2,00 m". Wenn C seine Messung z. B. bei minus 10 Grad Celsius vorgenommen hat, kann man sie nicht mit den Messungen von A und B vergleichen, die bei plus 15 Grad Celsius vorgenommen wurden.

Dies Problem kann man dadurch lösen, dass man die Messungen unter kontrollierten vergleichbaren Bedingungen wiederholt.

2. Die Messinstrumente sind nicht richtig geeicht.

Ob ein Messinstrument tatsächlich falsche Ergebnisse bringt, lässt sich im Prinzip dadurch ermitteln, dass man damit wiederholt den Urmeter in Greenwhich misst. Wenn dabei etwas anderes als 1,00000... m herauskommt, ist das Messinstrument fehlerhaft (oder wird nicht richtig bedient).

3. Mindestens eine der Personen, die die Messungen vornehmen und ablesen, liest das Ergebnis nicht richtig ab oder bedient das Instrument nicht richtig. Dies kann man herausfinden, indem man die betreffende Person noch einmal messen lässt und darauf achtet, dass das Messgerät richtig bedient und abgelesen wird.

4. Die Wahrnehmungen verschiedener Individuen stimmen nicht überein. Das, was der eine sieht, sieht der andere nicht. Jeder sieht etwas anderes. Die Wahrnehmungen der Individuen sind keine Grundlage für eine intersubjektiv nachvollziehbare empirische Erkenntnis der Beschaffenheit unserer Welt.

Wie kann man diese Möglichkeit ausschließen?

fragt Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Alwis am 10. Feb. 2005, 23:58 Uhr

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Hallo erstmal......

ich bin neu hier und auch leider nicht so gebildet wie ihr.......

ich bin 17 und noch nicht so erfahren im philosophieren aber es macht mir spaß und ich werde versuchen mich angemessen mit den problemen in diesem forum zu befassen...

ich denke das die "wahrheit" an sich immer eine frage der definition ist.

die wahrheit besteht meines erachtens nur so lange bis bewiesen wurde, das es nicht wahr ist.

man nehme zum beispiel die these aus der biologie über den aufbau der zellmembran in den 60er jahren so hieß es gibt es die lipiddoppelschicht auf der eine schicht von proteinen liegt (sandwich-modell) damals hielten das die wissenschaftler für die wahrheit....

anfang der 70er wurde bewiesen das diese these falsch ist durch das EM bzw. durch die gefrier-bruch-technik erkannte man, dass die lipiddoppelschicht von proteinen durchzogen ist d. h. flüssig-mosaik-modell das ist bis heute so geblieben......

also kann man nur so lange von wahrheit sprechen bis das gegenteil bewiesen ist...

eigentl. hängt es auch von der eigenen definition der wahrheit ab..... [nixweiss]

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 11. Feb. 2005, 01:03 Uhr

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Hallo Eberhard,

deinen 4 Punkten kann ich soweit zustimmen. Ich wollte mit dem Beispiel eigentlich das verdeutlichen was du unter Punkt 3 und 4 angesprochen hast. Es geht um den Ablesevorgang beim messen. Dieser lässt sich im Grunde wieder auf unser "Wahrnehmungsproblem" zurückführen. Messen beinhaltet im Prinzip ja schon das Problem unserer Fragestellung überhaupt. Deshalb kommen wir hiermit auch keinen Schritt der Beantwortung der Frage näher. Um Irrtümern vorzubeugen; weder eine Uhr mit digitaler Anzeige und auch kein noch so genaues Messinstrument versetzt uns in die Lage zu sagen: dieses Maß entspricht der Wirklichkeit und wenn ich sage der Stab entspricht 2 m auf der Meßskala ist dies die Wahrheit über diese Wirklichkeit.

Grüße

Dy

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 11. Feb. 2005, 01:21 Uhr

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Hallo Alwis, willkommen

du schreibst das "Wahrheit" immer eine Frage der Definition ist. Du scheinst dir nicht sicher zu sein und setzt Wahrheit in Anführungszeichen. Diese Intuition scheint mir angebracht, denn wenn du sagst "immer", dann wäre das ja schon mal eine Wahrheit. Aber kann man das sagen... immer?

Grüße

Dy

ps. das mit der Bildung ist "immer" relativ. [grin]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 11. Feb. 2005, 12:01 Uhr

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Hallo Eberhard,

eine Aussage kann immer nur relativ wahr sein. Sie ist relativ wahr, wenn das, worauf sie sich bezieht, deinen Erwartungen bzw. Befürchtungen entspricht.

Dazu gehört auch deine Erwartung/Befürchtung, dass andere deine Erwartung/Befürchtung teilen.

Zum Beispiel wird sich deine Erwartung, absolut wahre Aussagen formulieren zu können, niemals erfüllen. Diese Aussage ist wiederum relativ wahr, solange du nicht das Gegenteil beweist. Als ebenso relativ wahr wird sich vermutlich meine Befürchtung herausstellen, dass du dennoch nicht aufhören wirst, nach absolut wahren Aussagen zu suchen [grin].

viele Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 11. Feb. 2005, 14:29 Uhr

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hallo wuwei,

mit großem interesse habe ich gelesen, was du schreibst. mir ist bisher noch unklar, wie du zu der behauptung kommst:

Quote:eine Aussage kann immer nur relativ wahr sein. Sie ist relativ wahr, wenn das, worauf sie sich bezieht, deinen Erwartungen bzw. Befürchtungen entspricht.

wenn wir an unser alltagsleben denken, und zum beispiel mich meine freundin einkaufen schickt; sie schreibt mir auf, ich solle 1 schale tomaten, 1 netz zwiebeln, frischen basilikum, 500g hackfleisch, ein netz knoblauchzehen kaufen. wenn ich all die sachen, die sie mir aufgeschrieben hat einkaufe, so ist die aussage "ich habe alles eingekauft, was meine freundin mir aufgeschrieben hat" wahr, und zwar genau dann wenn dem so ist. aber weshalb ist diese wahrheit relativ? es ist schlicht und ergreifend wahr, wenn ich all das eingekauft habe, was sie mir aufschrieb.

relativ wahr wäre -nach meinem verständnis des wortes relativ-, dass ich die zutaten für eine bolognese-soße eingekauft habe. allerdings ist das nicht zwangsläufig der fall. man kann aus den zutaten auch frikadellen machen und einen tomatensalat - was nicht unbedingt bolognese entspricht.

vielleicht erläuterst du mir, inwieweit du in beiden fällen von "relativer wahrheit" sprechen kannst.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 11. Feb. 2005, 18:27 Uhr

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Hallo WuWei,

zu Deinem letzten an mich gerichteten Beitrag: (der vorletzte Beitrag zu Helgoland versus Australien ist wohl untergegangen ..)

Bemerkenswert finde ich daran, dass er aus einer ununterbrochenen Kette von Behauptungen besteht und dass er weder die Frage benennt, um deren Beantwortung es gehen soll, noch Begründungen für die einzelnen Behauptungen anführt.

Wenn ich einen solchen Beitrag lese, dann muss ich immer an eine Stelle aus Goethes Faust denken, wo es heißt: "Mir wird von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum".

Aber vielleicht soll der Beitrag ja auch so wirken.

Oder erwartest Du eine Entgegnung?

Es grüßt Dich ein nur beinahe verwirrter Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 11. Feb. 2005, 20:12 Uhr

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Hallo alwis,

schön zu hören, dass jemandem das Philosophieren Spaß macht. Hoffentlich verderben wir Dir den Spaß daran hier nicht.

Meiner Ansicht nach macht das Philosophieren vor allem dann Spaß, wenn jeder seine Gedanken so einfach, so verständlich und so logisch geordnet und zusammenhängend wie möglich ausdrückt (was gerade bei neuen Ideen und grundlegenden Thesen allerdings kaum zu erreichen ist.)

Du schreibst:

" Ich denke das die "wahrheit" an sich immer eine frage der definition ist.

die wahrheit besteht meines erachtens nur so lange bis bewiesen wurde, das es nicht wahr ist.

also kann man nur so lange von wahrheit sprechen bis das gegenteil bewiesen ist...

eigentl. hängt es auch von der eigenen definition der wahrheit ab...."

So wird z. B. für mich nicht deutlich, was Du mit "Definition der Wahrheit" meinst.

Meinst Du mit "die Wahrheit" solche Aussagen, die wahr sind bzw. als wahr behauptet werden?

Meinst Du mit "Definition" die Bestimmung dessen, was ein Wort bedeuten soll?

Ich stimme Dir zu, dass sich die wissenschaftlichen Lehrmeinungen ändern und bisher für wahr gehaltene bzw als wahr geltende Aussagen durch neue Beobachtungen falsifiziert werden können, die nun zur Konstruktion neuer Theorien führen, die bis auf weiteres für wahr gehalten werden.

Es wäre falsch, daraus den Schluss zu ziehen: "Das Bemühen um wahre Aussagen über die Welt ist vergeblich. Schließlich ist es widersinnig, ein Ziel anzustreben, das man zugegebenermaßen nicht erreichen kann. Derjenige, der das Unmögliche verwirklichen will, handelt unvernünftig."

Die Wahrheit einer Aussage ist kein Ort, den man ein für allemal erreichen kann. Es ist eher eine theoretische Idee, die unserem Handeln eine Orientierung gibt, so wie der Polarstern am nächtlichen Himmel uns die Richtung weist, ohne dass wir je am Polarstern ankommen.

Die Wahrheit unserer Überzeugungen ist anzustreben, so wie ein Segler die Einhaltung einer bestimmten Route anstrebt, obwohl – oder gerade weil - er von dieser Route wegen der Winde und Strömungen immer wieder abkommt.

Es grüßt Dich und alle, die Spaß an der gedanklichen Klärung von Verwirrungen haben, Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 12. Feb. 2005, 09:55 Uhr

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Hallo Thomas,

Die Aussage "Ich habe alles eingekauft, was meine Freundin aufgeschrieben hat" ist sowieso nur relativ wahr, weil du ja nicht eingekauft hast, was sie "aufgeschrieben" hat.

Sie hat nämlich nur blaue oder schwarze Buchstaben auf ein weißes Blatt Papier geschrieben, die hast du ja nicht gekauft.

Du hast das gekauft, was du glaubtest, was sie sich darunter vorstellt. Sicherlich meintest du das so, also will ich keine Haare spalten.

Also modifizieren wir die Aussage in "ich habe alles eingekauft, was meine Freundin wollte". Wenn du die Erwartungen deiner Freundin erfüllt hast, werdet ihr beide der Meinung sein, dass obige Aussage wahr ist. Offenbar entsprachen deine Vorstellungen von "frischem Basilikum" ihren Vorstellungen davon. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht stellte sie sich noch viel frischeren Basilikum vor, will es dir aber nicht sagen, denn ihr habt erst gestern über etwas ähnliches gestritten. Also glaubst du nur, dass obige Aussage wahr ist.

Vielleicht wirst du jetzt sagen, wenn deine Freundin eine andere Vorstellung von "frischem Basilikum" hatte, dann ist die obige Aussage nicht relativ wahr, sondern schlicht falsch.

Ja, aber das weißt du ja nicht. Du gehst davon aus, dass es wahr ist, aber es könnte auch anders sein. Das heißt, es hängt von etwas ab, und zwar von der Kongruenz eurer Vorstellungen über frischen Basilikum wie auch der Offenheit deiner Freundin. Insofern kann die Aussage "ich habe alles eingekauft, was meine Freundin wollte", immer nur relativ wahr sein.

Was ich mit dieser Basilikum-Arie sagen will, ist: auch wenn sich etwas als vollkommen wahr darstellt, hängt es immer von bestimmten Grundannahmen ab. Daher ist es relativ. Es könnte in Wirklichkeit auch ganz anders sein. Meiner Ansicht nach müßte eine absolute Wahrheit also völlig unabhängig von irgendwelchen Parametern sein, sie müßte immer und überall und unter allen Umständen gelten.

So, und jetzt muss ich tatsächlich für meine Frau einkaufen. Und ich kann sagen, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass ich alles genauso einkaufe, wie sie es sich vorstellt [cheesy].

P.S.: du hast mir noch gar nicht auf meinen Beitrag im anderen thread geantwortet.

 

Hallo Eberhard,

meine Aussagen bezogen sich auf die Frage: wann kann man eine Aussage als wahr bezeichnen? Daraufhin antwortete ich, dass etwas wahr ist, wenn es unseren Erwartungen bzw. Befürchtungen entspricht. Zu relativ und absolut siehe die obigen Ausführungen. Weißt du jetzt, wie ich es meine?

Nochmal die Frage: ist die Aussage wahr, dass Australien und Helgoland den gleichen längenmäßigen Umfang haben?

viele Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 12. Feb. 2005, 22:35 Uhr

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Hallo wuwei,

was meine Suche nach Antworten betrifft, die ich möglichst nicht korrigieren muss, so habe ich meine Begründung hierfür in der Antwort auf alwis verdeutlicht. Ich halte es nicht für angebracht, hier von "absoluter", "ewiger" oder "unumstößlicher" Wahrheit zu sprechen. Stattdessen sollten wir klären, welche Gründe es für die unterschiedlichen Grade von Gewissheit gibt, mit denen wir verschiedene Behauptungen für wahr halten.

Zu Deiner merkwürdigen Frage zum "längenmäßigen Umfang" zweier Inseln kann ich nur sagen: "Fragen, deren Bedeutung man nicht versteht, sollte man nicht beantworten, insbesondere dann nicht, wenn der Fragende die Bedeutung der von ihm benutzen Wörter nicht erläutert, obwohl er dazu aufgefordert wurde."

Wenn es sich um Spielchen wie bei Thomas handelt, der Deiner Meinung nach genau genommen nicht einkaufen kann, was seine Freundin ihm aufgeschrieben hat, so kann ich darauf verzichten.

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 13. Feb. 2005, 18:57 Uhr

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hallo wuwei,

gut. nehmen wir einmal an, du habest mit deinen einwendungen berechtigten zweifel darüber, dass ich nicht in der lage bin, genau das einzukaufen, was mir meine freundin aufgetragen hat.

wir könnten die situation ein wenig abwandeln, und du wirst sehen, wie deine einwände relativiert werden. im wesentlichen beruhen deine einwände ja darauf, dass ich die intention meiner freundin nicht erkennen kann, und also nie sicher sein kann, genau das zu kaufen, was meine freundin genau haben wollte. ersetzen wir nun den einkaufszettel durch ein rezept in einem kochbuch.

du wirst mir zustimmen, dass ein kochbuch keine intentionen hat. folglich ist der satz dann wahr, dass ich die genannten zutaten eingekauft habe, die das rezept verlangt, wenn ich im supermarkt war, und die artikel meines einkaufszettels sich mit den zutaten des rezepts decken.

- mfg thomas

p.s.: dass es z.b kennzeichen (farbe, geruch, geschmack) für "frischen basilikum" gibt, unterschlägst du bei deiner kritik - die ich im grunde nicht für haltbar erachte.

p.p.s.: dass ich nicht auf deinen angegebenen artikel geantwortet hat, liegt daran, dass ich der meinung bin, dass uns die frage bei der beantwortung der frage(n), ob eine aussage wahr oder falsch ist, nicht direkt weiterhilft. wohl könnte man in einem anderen thread die frage nach dem bewußtsein stellen.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 14. Feb. 2005, 15:40 Uhr

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Hallo Thomas,

nein, ein Kochbuch hat keine Intentionen. Aber der, der es geschrieben hat, oder nicht? Und die wirst du noch weniger kennen als die deiner Freundin.

Was sollen außerdem Kennzeichen wie Geschmack und Geruch anderes sein als relative Kennzeichen? Woher weißt du, dass mein "bitter" genauso bitter ist wie dein "bitter" ?

Für mich schmeckt bereits Wein sauer.

Relativ wahr heißt einfach nur, dass diese Wahrheit von einer oder mehreren Grundannahmen (eine ungefähr gleiche Vorstellung von "bitter" z. B.) abhängt. Was ist daran so schlimm?

Klar, sind all meine Einwände nur relativ...

Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 14. Feb. 2005, 18:21 Uhr

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hallo wuwei,

ich denke,wir haben hier ein ernsthaftes problem deiner argumentation, wuwei.

zum einen: wie kommt es zur übereinstimmung zwischen kassenbon und rezept?

du schreibst:

Quote:nein, ein Kochbuch hat keine Intentionen. Aber der, der es geschrieben hat, oder nicht? Und die wirst du noch weniger kennen als die deiner Freundin.

welche rolle spielen die intentionen des autors eines kochbuchs bei der zubereitung von nahrung?

zum anderen bedarf es einer erklärung, wie unter deinem weltbild kommunikation überhaupt stattfinden kann. angenommen, wir empfänden alle etwas anderes, wie kann dennoch eine verständigung darüber stattfinden, dass zitronen "sauer" oder erdbeeren "süß" sind?

oder anders gefragt, wie kommen wir überhaupt dazu, beispielsweise zitronen "sauer" zu nennen?

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 14. Feb. 2005, 21:12 Uhr

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Hallo thomas,

Kommunikation hat immer auch etwas vages. Das siehst du ja an unserer Diskussion.

Jeder Kommunikation liegen Grundannahmen zugrunde. Ich gehe natürlich davon aus, dass du unter "sauer" ein ziemlich ähnliches Gefühl verstehst wie ich. Ich muss also immer darauf vertrauen, dass der andere versteht, was ich meine.

Glücklicherweise sind wir Menschen zwar verschieden, aber nicht so verschieden, dass wir uns nicht auf ein "sauer" einigen können. Dennoch bleibt es immer nur eine Annäherung.

Ich kommuniziere garantiert nicht viel anders als du im Alltag und mache mir auch keine Gedanken darüber, ob etwas relativ oder absolut wahr ist. Vielleicht eben, weil für mich alles, was ich wahrnehme, denke und spreche, nur relativ sein kann. Weil eben alles von Grundannahmen abhängt.

Im Alltag verwende ich das Wort "wahr" nicht anders als du.

Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 14. Feb. 2005, 21:54 Uhr

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Hallo WuWei,

 

zu der These: "Eine Aussage kann immer nur relativ wahr sein."

Mein Gegenargument:

Von den zwei Aussagen: "Der gegenwärtige Bundeskanzler heißt Schröder" und "Der gegenwärtige Bundeskanzler heißt nicht Schröder" ist mindestens eine wahr. Also gibt es auch wahre Aussagen.

Es grüßt Dich und alle, die an den Tücken der Sprache nicht verzweifeln, Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von ideenlos am 14. Feb. 2005, 23:25 Uhr

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Versuch einer Antwort:

Der Zugang zur Wahrheit ergibt sich doch nur über Modelle, sind es nun positivistische Ansätze, sind es impizite Alltagstheorien; was bleibt ist eine Abstrahierung aller möglichen Einflussgrössen auf einige wenige relevanten Faktoren, in welcher Disziplin auch immer. Kurz das Spannungsfled Wissenschaft vs Ideologie.

Wahrheit ist nicht direkt einsehbar, sprich der naive Realismus ist längst widerlegt.

Dass die menschliche Spezies über eine ähliche psychische Grundkonstellation verfügt, halte ich für unbestritten, womit das Problem der Intersubjektivität gelöst ist.

Ferner gibt es in der Psycholgie den Trait- und den situativen Ansatz. Es kann sein, dass die Neigung alles zu hinterfragen im Berufskontext untergeht, während sie in einer konfromistischen Gefügen (Bsp. Diktatur) sich klarer abhebt.

Sprich: es macht durchaus Sinn, das was man für wahr hält in den Kontext miteinzubeziehen, sprich unter einem Terrorregime nicht den Mund zu weit aufzureissen bzw. der Misantroph nimmt eben dieses Regime als Verstärkung seiner für wahr gehaltenen Welt wahr.

Sofern alle über die gleich langen Spiesse verfügen, ist die Wahrheit, denjenigen gegeben die die besten Erklärungsmodelle liefern.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 15. Feb. 2005, 00:09 Uhr

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Also Ebi Ebi Ebi,

Dein Gegenargument zeigt doch in keinster Weise, dass Wahrheit nicht relativ ist.

Noch mal n bisschen nachdenken und dann wieder antworten wa!

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 15. Feb. 2005, 06:31 Uhr

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Hallo Johannes Lukas,

 

das habe ich auch nicht behauptet.

Noch mal n bisschen besser hingucken und dann wieder antworten wa!

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von louisquinze am 15. Feb. 2005, 08:28 Uhr

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Hallo Freunde,

ich kann mich des Eindruckes nicht ganz erwehren, als ob nun die Beiträge hier irgendwie, aber ziemlich rapide, ihr wissenschaftliches Niveveau, - sofern sie es denn je hatten -,einbüßen. [smiley=offtopic.gif]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von leo_casimir am 15. Feb. 2005, 09:17 Uhr

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on 02/15/05 um 00:09:53, Jean_Luc wrote:Also Ebi Ebi Ebi,

Dein Gegenargument zeigt doch in keinster Weise, dass Wahrheit nicht relativ ist.

 

Wahrheit ist also relativ?

Hört, hört!

Soll die Aussage: "Wahrheit ist relativ", gültig sein oder auch nur relativ?

Und wenn sie selbst nur relativ ist, könnte dann überhaupt ein Erkenntnisgewinn von ihr ausgehen?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 15. Feb. 2005, 14:01 Uhr

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Hallo Eberhard,

du schreibst:

" Von den zwei Aussagen: "Der gegenwärtige Bundeskanzler heißt Schröder" und "Der gegenwärtige Bundeskanzler heißt nicht Schröder" ist mindestens eine wahr. Also gibt es auch wahre Aussagen."

ich habe doch nie gesagt, dass es keine wahren Aussagen gibt! Ich sage lediglich, dass jede wahre Aussage immer nur relativ wahr sein kann, da sie immer von irgendwelchen Grundannahmen abhängt. Deswegen ja relativ.

Zum Beispiel kann ich gerade einen alten "Spiegel" von 1989 lesen, und dort lese ich: "Der gegenwärtige Bundeskanzler heißt Kohl". Also ist deine angeblich wahre Aussage in Bezug auf das Jahr 1989 falsch. Ohne Zeitangabe ist sie höchstens relativ wahr. Sie hängt eben von der Zeitangabe ab.

Wir können jetzt natürlich sagen: "der Bundeskanzler am 15.02.2005 heißt Schröder". Die Aussage ist dennoch falsch, wenn sie nämlich ein Österreicher liest. Für ihn heißt der Bundeskanzler heute Schüssel, und nicht Schröder. Und somit ist für den Österreicher dein zweiter Satz wahr. Aber auch nur relativ, weil wir eben noch kein Land benannt haben.

Die Aussage: "der Bundeskanzler von Deutschland am 15.02.2005 heißt Schröder" ist auch nur relativ wahr, weil wir annehmen müssen, dass es sich um GERHARD Schröder handelt. Außerdem müssen wir annehmen, dass er wirklich Gerhard Schröder heißt, und das nicht nur ein Künstlernahme ist.

Natürlich wird das absurd, aber du kannst die Aussage noch so sehr präzisieren - es gibt immer noch irgendwelche Grundannahmen, die die Aussage eben relativieren.

Ich weiß gar nicht, was das Problem ist: ich kann sehr gut damit leben, dass alle formulierten Wahrheiten immer nur relative Wahrheiten sind. Das heißt doch überhaupt nicht, dass sie wertlos sind.

 

Hallo Leo,

ich habe nicht gesagt, dass Wahrheit relativ ist. Ich sage, dass jede gedachte, gesprochene oder geschriebene Aussage immer nur relativ wahr sein kann.

Und auch diese Aussage kann selbst natürlich nur relativ wahr sein. Sie beruht auf der Annahme, dass, wenn es relatives gibt, es auch etwas absolutes geben muss.

Absolut wahr kann nur Alles (was immer das sein mag) sein.

Sobald ich aber eine Aussage über Alles mache (wie jetzt gerade ;-)), ist es nicht mehr Alles, weil ich mich ja darüber bzw. daneben stelle. Und somit ist es wieder relativ.

Welcher Erkenntnisgewinn? Zu wissen, dass wir nichts wissen.

Mit dem Unsinn aufzuhören, mit unseren relativen Mittel absolute Wahrheiten formulieren zu wollen. Mehr nicht.

Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 15. Feb. 2005, 14:12 Uhr

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Quote:ich kann mich des Eindruckes nicht ganz erwehren, als ob nun die Beiträge hier irgendwie, aber ziemlich rapide, ihr wissenschaftliches Niveveau, - sofern sie es denn je hatten -,einbüßen.

 

Das ist doch bloße Phrasendrescherei! Du weißt doch gar nicht was das ist, Wissenschaft!

Außer Jacopo Belbo seid ihr hier doch alle nur am rumseiern!

Ebi, du behauptest doch expressis verbis ein Argument gegen die These "Wahrheit ist relativ" anzuführen.

 

Quote:zu der These: "Eine Aussage kann immer nur relativ wahr sein."

Mein Gegenargument:

 

Wenn ich mir mal Quine's Principle Of Charity zu Herzen nehme, dann könntest du wohl meinnen:

Eine Aussage der Form A oder non-A ist immer Wahr, in allen möglichen Welten, und deshalb gibt es absolute Wahrheiten.

Was heißt es aber überhaupt, dass Wahrheit relativ ist?

Lässt sich eine solche Position überhaupt kohärent formulieren?

Starten wir einen ersten Versuch, der sich auch bei Robert Nozick findet (Invariances: The structure of the objective world 2001):

Man ist, so Nozick, immer schnell bei der Hand ein relativistische Wahrheitstheorie zu verwerfen, da sich eine solche Position prima facienicht kohärent fassen lässt.

Der Satz "Wahrheit ist relativ", so der gängige Einwand, ist entweder selbst relativ und dann hat er keine Aussagekraft, oder er gilt absolut, dann gibt es mindestens eine absolute Wahrheit, nämlich der Satz "Wahrheit ist relativ".

Nun könnte man aber auch eine gemäßigte relativistische Wahrheitstheorie vertreten, indem man dem Absolutist?? das Zugeständnis macht, dass es immerhin eine absolute Wahrheit gibt. Diese Position würde nach Nozick dann lauten:

(R) Wahrheit ist relativ, bis auf diesen Satz und die von ihm abgeleiteten Sätze.

Was fangen wir nun mit dieser Position an?

Reicht dieses Zugeständnis dem Absolutisten um sich als Sieger zu fühlen?

Welche Konsequenzen hat diese Position?

etc.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 15. Feb. 2005, 14:33 Uhr

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Quote:Und auch diese Aussage kann selbst natürlich nur relativ wahr sein. Sie beruht auf der Annahme, dass, wenn es relatives gibt, es auch etwas absolutes geben muss.

 

Wenn die Aussage "Wahrheit ist relativ" selbst relativ ist, dann musst du aber zeigen welche Bedeutung sie dann noch hat. Sonst kommen wir hier nicht weiter!

 

Quote:Mit dem Unsinn aufzuhören, mit unseren relativen Mittel absolute Wahrheiten formulieren zu wollen. Mehr nicht.

 

Um das zu zeigen, scheint mir deine Argumentation etwas zu dünn zu sein, wenn man hier überhaupt von Argumentation sprechen kann.

 

Quote:Absolut wahr kann nur Alles (was immer das sein mag) sein.

 

Gibt es sonst noch irgendetwas, das du einfach mal so in die Runde schmeißen willst?

Wozu das führen kann wenn man nicht genau genug ist sieht man ja an Ebi's Gegenargument, das wir völlig unterschiedlich interpretiert haben.

Es ist aus deinen Ausführungen nicht zu entnehmen, wie eine relativistische Wahrheitstheorie aussehen soll, die keine einzige absolute Wahrheit zulässt, also nicht einmal den Satz "Wahrheit ist relativ".

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von louisquinze am 15. Feb. 2005, 15:39 Uhr

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Aber mon chevalier Jean Luc!

Wer wird denn gleich in die Luft geh'n?

Wir hatten Uns bereits dazu herabgelassen Ihnen (allen) davon Bericht zu geben, was unter Wissenschaft zu verstehen sei! (Nämlich in Wahrheit VI) Diese ausgesprochen ehrwürdige, zweitausendfünfhundert Jahre und zeitlos gültige Doktrin kann nun schwerlich (unmöglich) durch die Lehren, sei es auch noch so neumodischer, na, nennen wir sie einmal Philosophen, wie Quine und Nozick als wiederlegt gelten! Wir stützen Uns dabei auf die gesamte abendländische Denktradition, die Sie, mon chevalier, anscheinend gar nicht kennen. Wie wollen Sie also beurteilen was Wissenschaft sei?

Lesen Sie hierzu ersteinmal Unsere Bemerkungen in Wahrheit VI. [smiley=fechten.gif]

(Dies ließ den 15. Februar nachmittags der König durch seinen Oberhofmarschall zu Versailles verlauten)

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 15. Feb. 2005, 16:22 Uhr

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[cheesy] [smiley=lach2.gif] einfach zu köstlich [applause] [applause] [applause]

weiter so louis V [smiley=lol.gif] [smiley=schilder0174.gif]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 15. Feb. 2005, 17:17 Uhr

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Hallo Jean-Luc,

du schreibst:

" Der Satz "Wahrheit ist relativ", so der gängige Einwand, ist entweder selbst relativ und dann hat er keine Aussagekraft, oder er gilt absolut, dann gibt es mindestens eine absolute Wahrheit, nämlich der Satz "Wahrheit ist relativ"."

Wenn der Satz "Wahrheit ist relativ" selbst relativ ist, hat er

eben nur relative Aussagekraft. Er kann ja keine absolute Wahrheit darstellen, da er ja lautet: "Wahrheit ist relativ".

Der Satz kann also niemals absolut gelten, weil er entweder per se nicht absolut ist, oder aber weil er sich kraft seiner Aussage ja auf jeden Fall selbst relativiert [spin].

du schreibst:

" Es ist aus deinen Ausführungen nicht zu entnehmen, wie eine relativistische Wahrheitstheorie aussehen soll, die keine einzige absolute Wahrheit zulässt, also nicht einmal den Satz "Wahrheit ist relativ"."

Egal, ob absolutistisch oder relativistisch, eine "Wahrheitstheorie" ist bereits ein Widerspruch in sich selbst.

Ich habe weder gesagt, dass Wahrheit grundsätzlich relativ ist, noch dass es keine absolute Wahrheit gibt.

Die Wirklichkeit ist die absolute Wahrheit, denn sie ist von nichts anderem mehr abhängig, sie ist ja alles. Alles was ist, ist absolute Wahrheit. Aber in dem Moment, wo du darüber nachdenkst oder sprichst, ist sie bereits relativiert.

Die Wirklichkeit, die absolute Wahrheit, ist die unangetastete Einheit von Subjekt und Objekt. Wenn ich sie formulieren will, werde ich augenblicklich zum Subjekt und die vermeintliche Wahrheit wird zum Objekt degradiert, sie wird zur Halbwahrheit bzw. relativen Wahrheit.

Alles, was ich sagen will, ist, dass die Wahrheit nicht in eine Theorie zu pressen ist. Jede noch so schön formulierte Theorie, jede noch so intelligente Aussage, ist bereits ein Konzept von der Wirklichkeit und nicht die Wirklichkeit selbst.

Und darauf kann ich naturgemäß wiederum nur durch konzeptuelle Aussagen hinweisen.

Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 15. Feb. 2005, 17:28 Uhr

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Hallo WuWei,

Du schreibst: "Ich habe doch nie gesagt, dass es keine wahren Aussagen gibt! Ich sage lediglich, dass jede wahre Aussage immer nur relativ wahr sein kann, da sie immer von irgendwelchen Grundannahmen abhängt. Deswegen ja relativ."

Damit sagst Du implizit: "Jede wahre Aussage hängt immer von irgendwelchen Grundannahmen ab."

Was dieser Satz bedeuten soll, ist mir unklar.

Ich nehme an, dass Du sagen wolltest: Ob eine Aussage wahr ist, hängt immer von irgendwelchen Grundannahmen ab.

Ich hoffe, ich habe Dich damit richtig interpretiert.

Du formulierst dann in Bezug auf den Satz "Der gegenwärtige Bundeskanzler heißt Schröder" derartige "Grundannahmen", von denen abhängt, ob der Satz wahr ist.

Du führst folgende Grundannahmen auf:

1. Das Wort "gegenwärtig" bezeichnet keinen bestimmten Zeitpunkt. Je nachdem, welches Datum man wählt (1989 oder 15.02.2005) ist die Aussage wahr oder falsch.

2. Der Ausdruck "der Bundeskanzler" bezeichnet kein bestimmtes Amt. Je nachdem ob man das deutsche oder das österreichische Bundeskanzleramt wählt, ist die Aussage wahr oder falsch.

3. Das Wort "er heißt" kann bedeuten "… mit Nachnamen" oder "… mit Vor- und Nachnamen" oder ".. mit Künstlernamen" oder " … mit bürgerlichem Namen". Je nachdem, welche Bedeutung man wählt, ist die Aussage wahr oder falsch.

Was Du damit als "Grundannahmen" bezeichnest, sind durchgängig nichts anderes als von Dir gesehene Mehrdeutigkeiten von Begriffen, die in der Aussage vorkommen.

Dabei ergeben sich die von Dir demonstrierten Mehrdeutigkeiten allerdings weniger aus einer ernsthaften Interpretation des Satzes "Der gegenwärtige Bundeskanzler heißt Schröder" als aus einem krampfhaften Missverstehen eines im Kontext seiner Äußerung völlig eindeutigen Satzes.

So ist es durchgängiger Sprachgebrauch, dass man Orts- und Zeitangaben weglässt, wenn "hier und heute" gemeint ist, und dass man das man Zugehörigkeitsabgaben weglässt, wenn es sich um Eigenes handelt. Wenn ich zu meiner Frau sage: "Das Kind schläft", dann ergibt sich aus dem Kontext völlig eindeutig, auf welchen Zeitpunkt und auf welches Kind sich die Aussage bezieht.

Ich will nicht die Probleme bei der Schaffung intersubjektiv übereinstimmender Wortbedeutungen verniedlichen. Verständlichkeit ist vor allem dann nicht zu erreichen, wenn Diskussionsteilnehmer sich weigern, die von ihnen benutzten Begriffe (wie z. B. "längenmäßiger Umfang von Helgoland" ) zu erläutern. Aber wo die Regeln der Begriffsbildung beachtet werden, sind solche Probleme lösbar.

Deine Feststellung: "Du kannst die Aussage noch so sehr präzisieren - es gibt immer noch irgendwelche Grundannahmen, die die Aussage eben relativieren" ist nur dann richtig, wenn Du damit meinst: "Man kann dem andern immer das Wort im Munde umdrehen".

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 15. Feb. 2005, 17:58 Uhr

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Hallo Eberhard,

nein, ich will dir nicht das Wort im Munde umdrehen, darum geht es mir nicht. Ich bin deswegen auf die Frage nach Australien und Helgoland nicht näher eingegangen, weil du es vermutlich doch als Spielchen empfunden hättest. Ist auch nicht so wichtig.

Du hast mich schon richtig interpretiert. Schau, diese Grundannahmen treffen wir immer, auch ohne dass wir uns ihrer bewußt sind. Um dich darauf aufmerksam zu machen, habe ich dir dann tatsächlich das Wort im Munde umgedreht. Das sollte aber kein Selbstzweck sein. Im normalen Umgang hätte ich natürlich verstanden, wen und wann du mit dem Bundeskanzler meintest.

Ich warne nur davor, relative Erkenntnisse und Wahrheiten für absolute zu halten. Das ist alles. Die relativen Erkenntnisse haben natürlich ihren Wert, und ich muss sie nicht auf Schritt und Tritt in Frage stellen.

Mehr will ich jetzt nicht mehr darauf herumreiten.

viele Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 15. Feb. 2005, 21:15 Uhr

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hallo alle zusammen,

es scheint, als kulminiere gegenwärtig unsere diskussion in einem (tot-)punkt: nämlich in der frage, ob es eine absolute wahrheit oder nur eine relative wahrheit gibt; oder wie ich meine: es gibt nur wahre aussagen - mithin nur eine wahrheit.

ich befürchte, dass sich die diskussion in irrwegen dahinzieht, bevor nicht geklärt ist, was "relativ" bzw. "absolut" bedeutet.

scheinbar besitzt jeder ein intuitives verständnis dafür, was es heißt, eine aussage sei absolut wahr, bzw. sie sei nur relativ wahr. letzteres attribut scheint mir der rhetorik zu entstammen, wo es darum geht, "falsches" zu kaschieren.

wenn wir sagen, wir menschen erkennten die dinge nur aus menschlicher sicht, deshalb sei die wahrheit relativ, so müssen wir uns fragen lassen, was es heißt, "etwas aus menschlicher sicht erkennen", und welche bedeutung das wort wahr in diesem zusammenhang spielt. wenn ich meiner feundin ein leckeres abendbrot zubereite und stelle ihr den schön garnierten teller auf den tisch, so wird sie mit mir anfangen zu essen. in dem fall ist der satz "ich stelle einen teller auf den tisch" aus menschlicher sicht wahr - beide sind homo sapiens sapiens; also menschen.

andererseits wird durch den geruch auch unsere beiden katzen angelockt. welchen sinn hat dann die aussage, der satz sei bloß aus menschlicher sicht wahr?

genauso fragwürdig wie das attribut "relativ" ist das attribut "absolut". was soll es bedeuten, etwas sei absolut wahr? absolut gegenüber was? die beteuerung, etwas sei absolut wahr ist vielleicht sinnvoll, wenn jemand skepsis gegenüber dem gesagten hegt. es ist dann eine rhetorische verstärkung der aussage; eine emphase, das gesagt sei auch gegenüber anderslautenden meinungen wahr.

wenn ich z. B. sage, "ich war heute beim zahnarzt", was bedeutet in diesem zusammenhang: diese aussage ist relativ wahr, bzw. absolut wahr?

noch ein wort zum Schluss zum thema "wahrheit und modellbildung" :

wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass modelle logische konstruktionen sind, wahre sätze erzeugen zu wollen, von denen aus möglichst Schlussfolgerungen getroffen werden können. dementsprechend neigen diese konstruktionen dazu fallibel zu sein. wissenschaftliche erkenntnis ist im wesentlichen an dem verfahren der hypothesenbildung (abduktion) orientiert.

ein fehler liegt aber darin zu behaupten, wahrheit sei -per se- nicht erkennbar. es gibt auch situationen, die keine hypothesenbildung (im engeren sinne) erfordern: zum beispiel, wenn ich von meinem zahnarztbesuch berichte. "ich war beim zahnarzt" ist wahr, wenn ich dort war.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 15. Feb. 2005, 21:16 Uhr

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Quote:Wenn der Satz "Wahrheit ist relativ" selbst relativ ist, hat er eben nur relative Aussagekraft.

 

Richtig Schlaumeier! Aber welche Bedeutung hat er dann noch? Wenn der Satz relativ ist, warum soll ich dann glauben, dass er wahr ist? Was heißt es überhaupt, dass Wahrheit relativ ist? Deine obige Bemerkung ist trivial und hat keinerlei Informationsgehalt!

 

Quote:Der Satz kann also niemals absolut gelten, weil er entweder per se nicht absolut ist, oder aber weil er sich kraft seiner Aussage ja auf jeden Fall selbst relativiert

 

Blödsinn!!!!

 

Quote:Egal, ob absolutistisch oder relativistisch, eine "Wahrheitstheorie" ist bereits ein Widerspruch in sich selbst.

 

So ein Schwachsinn!!!!

Was ist hier denn los? Das ist doch jetzt schon der siebte Wahrheitsthread und ihr redet immer noch Blödsinn! Hier kann doch niemals eine vernünftige Diskussion zustande kommen wenn ihr euch nicht die Mühe macht eure Positionen klar und deutlich zu formulieren, und eure Thesen mit Argumenten zu stützen.

Was erlaube Eberhard????

Quote:Damit sagst Du implizit: "Jede wahre Aussage hängt immer von irgendwelchen Grundannahmen ab."

 

Quote:Ich nehme an, dass Du sagen wolltest: Ob eine Aussage wahr ist, hängt immer von irgendwelchen Grundannahmen ab.

 

Ich würde fast sagen Wuwei meint hier doch äh das jede wahre Aussage von öhm gewissen äh Grundannahmen abhängt nicht wahr.

Mein lieber Freund und Kupferstecher schon mal was von critical thinking gehört??

Kleiner Tipp: Lasst die Kirche im Dorf und macht erst einmal einen Grundkurs in Philosophie!!!

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 16. Feb. 2005, 07:50 Uhr

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Quote:Blödsinn!!!!

 

Quote:So ein Schwachsinn!!!!

 

Quote:Kleiner Tipp: Lasst die Kirche im Dorf und macht erst einmal einen Grundkurs in Philosophie!!!

 

nanana :D

wer wird denn gleich in die luft gehen? [cheesy]

dass wir jetzt den siebten thread gestartet haben hat mitunter auch etwas damit zu tun, dass wir -zumindest versuchsweise- in jedem thread einen anderen aspekt der frage nach der wahrheit aufgegriffen haben (z. B. "was ist wirklichkeit?" bzw. die frage nach der wahrheit "psychischer zustände/psychologischer aussagen" ist bis dato nicht mehr aufgegriffen worden - was eigentlich schade ist). die schwierigkeit -insbesondere in den letzten beiden threads- ist, dass derzeit unser ehemals kleiner kreis von 3 leuten angewachsen ist, und dass wir versuchen müssen einerseits alle unter einen hut zu bekommen, ohne aber andererseits unbedingt jemandes beiträge auszugrenzen; was sich, wie man an den zahlreichen nebendiskussionen sieht, nur schwer vermeiden läßt.

es mag sein, dass ein "philosophischer grundkurs" für manchen angebracht zu sein scheint, aber ich befürchte, dass es nicht nutzbringend - geschwiege denn notwendig ist. zu schnell beruft man sich dann auf philosophische tradition und spielt philosophische lehrmeinungen gegeneinander aus, vergißt darüber aber, sich sein eigenes bild zu machen, seine eigene meinung zu bilden. was nützt der gelehrigste philosophie-student, der wortgetreu christian wolff aus dem gedächtnis zitieren kann?

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von louisquinze am 16. Feb. 2005, 09:17 Uhr

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Mon noble M. Jacopo belbo,

sehr richtig weisen Sie auf die kritische Funktion der Philosophie hin. Sie war Kant ein Grundanliegen, ist und bleibt sein zeitloses Verdienst an der Arbeit einer Philosophia Perennis.

Eben deshalb aber, weil es diese immerwährende Philosophie gibt, die das Bestreben aller ernstgesinnten Denker ist, ist es m.E. von so großer Wichtigkeit sich die philosophische Tradition in denkendem Vollzug (der Vollzug des Seins ist!) durchaus mühevoll anzueignen.

Freilich, mit einem Nachplappern einzelner Lehren hat dies nichts zu tun.

Übrigens, wer die Schriften Ch. Wolffs gründlich studiert hätte (sie sind leider in deutscher Sprache schwer zugänglich) der wüßte schon einiges zum "Thema Philosophie" beizutragen.

Bisweilen darf dann wohl auch einmal ein philosophischer Spaß statthaben, oder? ;-)

mfg

LOUISXV

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 16. Feb. 2005, 10:26 Uhr

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Hallo allerseits,

aus gegebenem Anlass hier einige Gedanken, die nicht direkt unsere Fragestellung betreffen, sondern die Art und Weise, wie wir ihr in dieser Diskussionsrunde miteinander umgehen.

Dies ist eine öffentliche Diskussionsrunde im Internet, an der jeder teilnehmen kann und in der jeder äußern kann, was er will.

Unser Diskussion findet im Philtalk statt, also philosophischen Foren, in denen jeder Diskussionsrunden eröffnen kann zu ihn interessierenden Themen. Philtalk bietet ein breites Spektrum von der unterhaltsamen tiefsinnigen Plauderei bis hin zu an Erkenntnis orientierten Streitgesprächen und kleinen kooperativen Denk-Werkstätten.

Diese Diskussionsrunde hat das Ziel, zwei Fragen zu beantworten: Was bedeutet das Wort "wahr" in Bezug auf Aussagen über die Wirklichkeit? Und: Wie kann man erkennen, ob eine Aussage über unsere Welt wahr ist oder nicht?

Deshalb sollten in dieser Runde solche Beiträge im Mittelpunkt stehen, die zur Beantwortung dieser Fragen etwas beitragen.

Keinen Beitrag zur Beantwortung von Fragen stellen Bewertungen anderer Diskussionsteilnehmer oder ihres Verhaltens dar wie z. B. die Aufforderung, der andere solle erstmal etwas nachdenken oder erstmal einen Grundkurs in Philosophie machen oder er wisse gar nicht, was Wissenschaft sei; die Anrede des andern als "Du Schlaumeier" oder mit verändertem Namen; die Veralberung des andern durch mit "öhm", "äh" durchsetzte Zitate seiner Äußerungen und dergleichen mehr.

Herabsetzungen des andern können ebenso wenig wie Lobpreisungen irgendein Argument für oder gegen dessen Thesen sein – schon aus rein logischen Gründen.

Bei dem Bemühen um Antworten auf die gestellten Fragen geht es nicht um IRGENDWELCHE Antworten auf diese Fragen, sondern gesucht sind die richtigen Antworten. Und wenn dieser Anspruch auf Richtigkeit mehr sein soll als eine Frage rhetorischer Überredungskunst und mehr sein soll als eine bloße Aufforderung zum Glauben, dann ergibt sich daraus die Forderung an jeden Diskussionsteilnehmer, sich un Argumente bzw. Begründungen für seine Behauptungen zu bemühen, die von den anderen Diskussionsteilnehmern nachvollzogen und geteilt werden können.

Behauptungen, die nicht begründet werden, bringen uns der richtigen Antwort nicht näher. Stark negativ wertende Bezeichnungen ohne präzisierbaren deskriptiven Gehalt wie z. B. "Blödsinn!!!!", "Schwachsinn!!!!", "Phrasendrescherei!" oder "rumseiern" sind keine begründeten Gegenargumente und schaden eher der rationalen Beantwortung unserer Fragen.

Schließlich kann man Argumente auch nur dann nachvollziehen, wenn man sie versteht. Daraus ergibt sich die Forderung, dass jeder sich in seinen Beitragen um verständliche Formulierungen bemüht und - falls dies gewünscht wird - die von ihm benutzen Begriffe definiert und erläutert.

Und um Scheingefechte zu vermeiden, sollte jeder darauf verzichten, Behauptungen eines Teilnehmers gezielt falsch zu verstehen. Bevor man eine Behauptung kritisiert, sollte man sich deshalb notfalls noch einmal vergewissern, ob man die Behauptung des andern richtig verstanden hat.

Soweit mein kleiner Knigge vom Umgang miteinander in einer erkenntnisorientierten Diskussionsrunde wie dieser. Wer diese Regeln nicht für richtig hält, sollte seine Gründe dafür hier einbringen oder aber eine eigene Diskussionsrunde nach seinen Vorstellungen ins Leben rufen,

meint Eberhard.

p.s.: Danke Thomas! Ich habe dies geschrieben, ohne Deinen Beitrag zu kennen.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von leo_casimir am 16. Feb. 2005, 13:44 Uhr

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on 02/15/05 um 14:12:57, Jean_Luc wrote:Starten wir einen ersten Versuch, der sich auch bei Robert Nozick findet (Invariances: The structure of the objective world 2001):

Man ist, so Nozick, immer schnell bei der Hand ein relativistische Wahrheitstheorie zu verwerfen, da sich eine solche Position prima facienicht kohärent fassen lässt.

Der Satz "Wahrheit ist relativ", so der gängige Einwand, ist entweder selbst relativ und dann hat er keine Aussagekraft, oder er gilt absolut, dann gibt es mindestens eine absolute Wahrheit, nämlich der Satz "Wahrheit ist relativ".

Nun könnte man aber auch eine gemäßigte relativistische Wahrheitstheorie vertreten, indem man dem Absolutist?? das Zugeständnis macht, dass es immerhin eine absolute Wahrheit gibt. Diese Position würde nach Nozick dann lauten:

(R) Wahrheit ist relativ, bis auf diesen Satz und die von ihm abgeleiteten Sätze.

 

Wenn (R) gilt, dann gibt es zwei Wahrheiten, nämlich solche, die relativ sind und solche, die nicht relativ sind. Sonst würde (R) selbst keinen Sinn machen können. Also gilt für eine "Wahrheit "immer: (R1) sie ist entweder relativ oder nicht relativ. (R1) kann dann selbst nicht relativ sein. ....

ich will das Spielchen hier formal nicht weiter ausführen. Jedenfalls läuft das Ganze darauf hinaus: Die zweiwertige Junktorenlogik gilt für relative Wahrheiten, wie für nicht relative Wahrheiten. Das kann eigentlich nur deshalb möglich sein, weil ihr Wahrheitsbegriff selbst nicht relativ ist.

Außerdem habe ich noch ein sprachliches Problem. Den Satz:

Wahrheit ist relativ,

kann nur verstehen, wer schon weiß, was Wahrheit ist. Wer noch nie ein Eichhörnchen gesehen hat, dem verschafft der Satz:

Eichhörnchen fressen Nüsse,

auch kein Bild vom Eichhörnchen.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 16. Feb. 2005, 14:39 Uhr

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Bevor ich wieder zum Thema schreibe möchte ich kurz skizzieren, wie ich mir eine Forumsdiskussion vorstelle und was genau ich eigentlich an wuwei und Eberhard kritisiere.

Wie sollte eine Diskussion aussehen?

Da es hier nicht um

Quote:unterhaltsame tiefsinnige Plauderei

zu gehen scheint, sondern eher um ein

Quote:an Erkenntnis orientiertes Streitgespräch

(Eberhard), sollten folgende Kriterien beachtet werden:

1. Es reicht nicht einfach irgendwelche Thesen in den Raum zu stellen, ohne diese zu begründen.

2. Auch wenn das bei diesem Thema und diesem Anspruch schwiereig ist, sollte man versuchen das, was man sagen will, möglichst kurz, klar und deutlich zu formulieren.

3. Man sollte jederzeit die derzeitige Fragestellung im Auge behalten.

4. Falls doch jemand am Thema vorbeischreibt, ist es nicht nötig auf diese Ausführungen einzugehen.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 16. Feb. 2005, 15:18 Uhr

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jacopo belbo:

Quote:ich befürchte, dass sich die diskussion in irrwegen dahinzieht, bevor nicht geklärt ist, was "relativ" bzw. "absolut" bedeutet.

 

Auch ich hege dieselben Bedenken. Wenn die aktuelle Fragestellung lautet: Ist Wahrheit relativ?, dann sollte erst einmal geklärt werden, was es überhaupt heißt, das etwas relativ ist.

Ich halte jacopo belbo's Analyse für wenig aufSchlussreich.

Die einzige Fetstellung von dir ist, dass ein Satz relativ wahr ist, wenn er nur aus einer bestimmten "Sicht" wahr ist. Das ist wohl noch etwas zu vage und bringt keinerlei Informationsgewinn zu unserem intuitiven Verständnis des Begriffs. Genaugenommen ist genau das die vagste intuitive Vorstellung dieses Begriffes. Es scheint mir auch nicht sinnvoll zu sein einfach nur ein Beispiel anzuführen. Vielmehr gilt es das generelle Konzept von Relativität zu entwickeln.

Laut wuwei sind relative Wahrheiten, solche, die von gewissen Grundanahmen abhängen. Auch das ist zu vage und nicht sonderlich informativ. Wie sieht es z. B. mit Theoremen aus, die von generellen Wahrheiten abgeleitet werden? Überträgt sich außer der Wahrheit nicht auch der absolute Geltungsanspruch auf das Theorem? Wenn ja, dann reicht es offensichtlich nicht aus zu sagen, relative Wahrheiten hängen von gewissen Grundannahmen ab.

Sicher gibt es Sätze, mit kontext sensitivem Wahrheitwert, d. h. Sätze deren Wahrheitswert zusammen mit den Umständen variiert, in denen er geäußert wird. z. B. Token, die deiktika beinhalten, wie "ich", "hier", "jetzt". Aber auch hier ist für mich nicht explizit ersichtlich was es heißt, das Wahrheit relativ ist.

Ich selbst muss auch erst einmal darüber nachdenken.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 16. Feb. 2005, 17:11 Uhr

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Hallo Thomas, hallo allerseits,

ich bin Deiner Meinung, dass es wenig bringt, jetzt zu diskutieren, was "relativ wahre" Aussagen von "absolut wahren" Aussagen unterscheidet. Das endet gewöhnlich – so wie die beliebten "Was ist …?" Fragen - in einem Bereich, wo es kein "wahr" oder "falsch" gibt, nämlich im Bereich der Definitionen, also der Festlegungen der Wortbedeutung.

Um die verschiedenen Positionen trotzdem aufzunehmen, schlage ich vor, dass wir uns der Frage zuwenden: "Welche nachvollziehbaren Gründe kann es geben, um sich der Wahrheit einer Aussage über die Welt mehr oder weniger gewiss zu sein?"

Was als "absolut wahre Aussage" bezeichnet wird, ist offenbar eine Aussage, deren Wahrheit wir uns – aus guten Gründen - völlig sicher sind. Eine "relativ wahre Aussagen" wäre dann eine Aussage, deren Wahrheit wir uns – aus guten Gründen – mehr oder weniger sicher sind.

Wir stellen im Alltag nicht nur Behauptungen auf (" Es ist so-und-so" oder "Es ist nicht so-und-so" ), sondern wir drücken gleichzeitig meist auch noch den Grad an Gewissheit aus, mit dem wir etwas behaupten. Die Umgangssprache stellt dafür interessanter Weise eine Vielzahl von Ausdrucksmöglichkeiten bereit. Wir sagen z. B.

ich weiß, dass er hoch verschuldet ist

ich vermute, dass er hoch verschuldet ist

wahrscheinlich ist er hoch verschuldet

mit Sicherheit ist er hoch verschuldet

er ist bestimmt hoch verschuldet

vielleicht ist er hoch verschuldet

ich bin mir nicht (ganz) sicher, ob er hoch verschuldet ist

zweifellos ist er hoch verschuldet

ich gehe einmal davon aus, dass er hoch verschuldet ist

ich glaube, dass er hoch verschuldet ist

ich bin mir ziemlich (völlig) sicher, dass er hoch verschuldet ist

ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er hoch verschuldet ist

ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass er hoch verschuldet ist

ich nehme an, dass er hoch verschuldet ist

ich habe den Verdacht, dass er hoch verschuldet ist

und auch bei den Begründungen von Behauptungen gibt es ein breites Spektrum:

es steht fest, dass er hoch verschuldet ist

es ist bewiesen, dass er hoch verschuldet ist

er spricht vieles dafür, dass er hoch verschuldet ist

ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er hoch verschuldet ist

ich habe gehört, dass er hoch verschuldet ist

das ist unbestritten, dass er hoch verschuldet ist

ich habe allen Grund zu der Annahme, dass er hoch verschuldet ist

Der TV-Dauerbrenner "Wie werde ich Millionär?" gewinnt seinen Reiz nicht so sehr durch das kleine oder große Wissen der Kandidaten, sondern durch die Notwendigkeit zur Einschätzung der Größe des Risikos, sich zu irren, und den Zwang, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen (aufhören, weitermachen, Hilfe-Joker einsetzen).

Unbestritten ist wohl, dass sich das Problem der (Un-)Gewissheit bei verschiedenen Arten von Fragen mit unterschiedlicher Schärfe stellt. Kann ich mich darin irren, dass es mich gibt oder dass ich jetzt etwas schreibe? Wie sicher kann ich sein, dass morgen gegen 7 Uhr die Sonne aufgeht? Wie sicher kann ich sein, 5 Richtige im Lotto zu haben?

Womit kann ich meine große oder geringe Gewissheit begründen?

Die Diskussion konkreter Beispiele bringt uns vielleicht weiter als die Diskussion allgemeiner Begriffe wie "relativ wahr" und "absolut wahr".

Es grüßt Dich und alle Nachdenklichen Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 16. Feb. 2005, 19:58 Uhr

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hallo jean-luc,

ich habe mitnichten eine analyse relativer wahrheit gegeben, wie du oben geschrieben hast:

Quote:Ich halte jacopo belbo's Analyse für wenig aufSchlussreich.

Die einzige Fetstellung von dir ist, dass ein Satz relativ wahr ist, wenn er nur aus einer bestimmten "Sicht" wahr ist.

da ich der auffassung bin, dass soetwas wie "absolute wahrheit" und "relative wahrheit" leere ausdrücke sind, habe ich die frage an diejenigen zurückgegeben, die diese ausdrücke verwenden. in meinem obigen beitrag habe lediglich zeigen wollen, dass ich keine verwendungsmöglichkeit für beide terme sehe.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 16. Feb. 2005, 22:18 Uhr

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ich weiss gar nicht, was euer problem ist?!

'wahrheit' ist kein zustand oder irgend eine 'substanz'. wahrheit ist eine eigenschaft einer aussage, nicht mehr und nicht weniger. die methode mit der das vorhandensein dieser eigenschaft ermittelt wird, hat dann ueblicherweise die bezeichnung 'wahrheitsfindung' oder 'conclusion'.

aussagen sind immer behauptungen, also insbesondere auch antworten auf fragen, deren beweis zunaechst aussteht.

eine 'absolute' wahrheit ist zwar theroetisch denkbar und begrifflich formulierbar, aber es ist im grunde ein vollkommen unhandlicher begriff, den man argumentativ kaum verwerten kann. die voraussetzung, dass eine aussage 'absolut' wahr ist, ist doch, dass die zugrunde liegende fragestellung ebenfalls 'absolut', d. h. all-umfassend, ist. was soll den bitte eine 'absolute frage' sein? das wäre dann einfach die implikation alles seienden in die erklärung eines dinges.

abgesehen davon ist das wort 'absolut' in den meisten faellen ueberhaupt nicht noetig, bzw. in evidenter form bereits impliziert. es ist doch so, dass eine aussage eben aufgrund der prämissen wahr sein kann und wenn sie das ist, dann ist sie bezüglich der prämissen eben auch insbesondere absolut wahr.

das heisst, 'absolute' wahrheit ist zwar ein gültiger begriff, aber er ist in den aller meisten fällen redundant und in einigen wenigen unbrauchbar.

relative wahrheit kann es nicht geben. eine aussage hat niemals die eigenschaft, dass sie 'relativ' wahr ist, dass ist a priori ausgeschlossen. entweder ist eine aussage wahr oder falsch. ich verstehe zwar, was man mit 'relativ' hier meint, ich denke aber, dass hier ein missverständnis vorliegt. wenn eine aussage aus der perspektive eines beurteilungs-systems wahr ist und aus der sicht eines anderen falsch, dann herrscht eben uneinigkeit ueber die praemissen. dann ist die beurteilung einer aussage aus der perspektive des einen systems relativ zu der des anderen falsch und umgekehrt, aber gerade das setzt ja eine einigkeit ueber den wahrheitsbegriff voraus, was eine 'relativitaet' der subjektiven wahrheit ad absurdum fuert. es gibt nur die subjektive wahrnehmung. jeder mensch verfuegt aufgrund seiner individuellen wahrnehmung ueber einen individuellen satz von preamissen in jeder situation, in der es um die beurteilung einer aussage geht. das diese in den meisten faellen von mensch zu mensch uebereinstimmen, liegt schlicht an der biologischen standartausstattung des menschen und an seiner faehigkeit zur kommunikation.

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 17. Feb. 2005, 01:40 Uhr

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Hallo miteinander!

Kaum ist man ein paar Tage nicht da... *seufz*

:-)

 

Floo behauptet kühn:

 

Quote:'wahrheit' ist kein zustand oder irgend eine 'substanz'. wahrheit ist eine eigenschaft einer aussage, nicht mehr und nicht weniger. die methode mit der das vorhandensein dieser eigenschaft ermittelt wird, hat dann ueblicherweise die bezeichnung 'wahrheitsfindung' oder 'conclusion'.

Wahrheit eine "Eigenschaft", deren "Vorhandensein" ermittelt werden kann... Das klingt in meinen Ohren absonderlich. Zumal vorher behauptet wird, Wahrheit sei "kein Zustand" und keine "Substanz". Nun werden aber doch, nach traditionellem Verständnis, Eigenschaften gerade Substanzen zugeschrieben, nämlich als deren Art und Weise zu sein. "Wie ist die Rose?" - "Sie ist rot, vertrocknet, stachlig..." - Und dieser Bestimmungsweise analog soll sich also an Aussagen auch die Eigenschaft der Wahrheit finden lassen? Ist die Aussage ein empirischer Gegenstand?

Gewiss: Wenn wir (sog. "metasprachliche" ) Aussagen über (" objektsprachliche" ) Aussagen treffen, dann machen wir Aussagen zu "Gegenständen" von Aussagen. Bedeutet das aber, dass diese Gegenstände auf dieselbe Weise "gegeben" sind wie die Gegenstände objektsprachlicher Aussagen? Für die sinnlich wahrnehmbaren Bestandstücke der Aussage - Laute, Schriftzeichen - kann man das wohl gelten lassen. Aber auch das hat gewisse Grenzen. Ist es z. B. eine "Eigenschaft" eines Satzes, schön geschrieben zu sein? Oder ist die korrekte Befolgung der orthographischen Regeln eine solche "Eigenschaft" ? Und wie steht es erst mit der Bedeutung von Sätzen?

Wir haben das nie so genau untersucht, auch damals nicht, als wir uns fragten, ob z. B. Aussagen "Teile der Wirklichkeit" seien. Diese Frage hat Eberhard und Thomas Kopfschmerzen bereitet, weil sie einer empiristischen Auffassung von Wirklichkeit zuneigen, in der "wirklich" gleichbedeutend mit "sinnlich wahrnehmbar" ist. Nun sind zwar sprachliche Gebilde sinnlich wahrnehmbar, aber leider ist ihr sinnlich wahrnhembarer Anteil der unwichtigere. Die Bedeutung der Aussagen, dasjenige, wodurch sie sich von irgendwelchen zufälligen, unwillkürlichen Geräuschen unterscheiden und durch die sie uns überhaupt erst so wertvoll sind, ist als solche nicht sinnlich wahrnehmbar und dürfte also auch kein "Teil der Wirklichkeit" sein... Andererseits sind Bedeutungen aber auch keine Normen, sie schreiben nicht vor, was sein oder getan werden soll. - Wohin gehören also Bedeutungen - "ontologisch" ?

Also, für mich persönlich war das Phänomen der Bedeutung, das für unser Dasein schlechthin elementar ist, der wichtigste Grund, mich von meinem vormals naiv empiristischen Weltbild zu verabschieden (das ist nun aber schon lange her... ;-)). Denn es verbannt etwas, das ein völlig natürlicher Teil unserer menschlichen Wirklichkeit ist, in ein "metaphysisches" Gespensterreich neben oder über oder jenseits der "wirklichen Wirklichkeit". Der Empirismus ist offenbar etwas zu grob gestrickt...

Aber wie auch immer: Gerade WENN man ein empiristisches Konzept von "Wirklichkeit" hat, dürfte es schwierig werden, die Bedeutung von Sätzen unter deren "Eigenschaften" einzureihen. Und erst recht dürfte dies schwierig sein für ein metasprachliches Prädikat (" Wahrheit" ), das sich auf die Beschaffenheit einer Bedeutung eines Satzes bezieht. (Und auf nichts anderes bezieht sich dieses Prädikat ja. Denn gesetzt, dass die Wahrheit eines Satzes in dessen "Übereinstimmung mit der Wirklichkeit" bestünde, dann träfe das ja gerade für die "empirisch gegebenen" Teile des Satzes NICHT zu: Das Wort "rot" ist nicht rot, und das Wort "stachlig" ist nicht stachlig....)

Also, Ihr Empiristen - wie ist das mit den "Eigenschaften" von Sätzen? Und ist "Wahrheit" eine davon? Erklärt es mir!

Gruß

H.

:-)

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 17. Feb. 2005, 11:21 Uhr

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Hallo liebe Aletheisten,

in Beitrag #73 in Wahrheit VI schrieb ich: " Wenn von Kommunikation gesprochen wird ist doch das entscheidende worauf es in unserem Diskussionszusammenhang ankommt die BEDEUTUNG der Symbole, Zeichen oder Worte."

Hermeneuticus kommt beim Stand der aktuellen Diskussion auch wieder auf diesen Punkt. Das ist nun keine reine erkenntnistheoretische Frage. Ich kann ja beobachten wie Wasser in ein Glas fließt aber wie es dazu kommt, das Laute, Symbole, Zeichen, eine Bedeutung bekommen die sie in den Stand heben Repräsentant eines Etwas zu sein das wir der "wirklichen Wirklichkeit" zurechnen ist selber nicht zu "beobachten". Da ist aber doch etwas zu klären wenn wir nach Wahrheit von Aussagen über die Wirklichkeit reden. Nach Kant (und Vico) können wir dann davon sprechen etwas verstanden zu haben wenn wir es rekonstruieren können. Will ich also ein Gebäude errichten das Wahrheit heißt, dann sagt uns die Erfahrung, das ich nicht mittendrin eine Etage auslassen kann ehe ich das Dach drauf setze.

oder?

[nixweiss]

Dy

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 17. Feb. 2005, 12:34 Uhr

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[edit: letzte ueberarbeitung um 14:42, habe einige wesentliche erlaeuterungen praezisisert und formulierungen verbessert.]

 

hallo hermeneuticus! (und alle anderen mitdiskutanten)

ich bin sehr positiv ueberrascht von deiner antwort! zunaechst einmal freue ich mich, dass der philsophenadel in diesem elitaeren thread ueberhaupt auf eine meiner bemerkungen reagiert, dann ist es aber so, dass ich tatsaechlich zugeben muss, dass es meinen gedanken, die ich dazu hatte an vollstaendigkeit mangelt und es in bezug auf die bewertung von aussagen noch einiges interessante zu erwaehnen gibt, was ich haeufig ueberhaupt nicht empfinde. meistens fuele ich mich vollkommen unverstanden oder ich muss beobachten, dass ich einfach nicht gelesen wurde, doch dieses scheint einer der seltenen faelle, in denen tatsachelich echte kommunikation stattfindet, was ich sehr positiv bewerte. danke.

das erste was zu erwaenen gilt ist, dass in bezug auf den begriff 'aussage' in erster linie an mathematische aussagen und behauptungen gedacht habe. den lingualen, semantischen aspekt habe ich mehr oder weniger routiniert uebergangen, da ich im grunde dazu neige die sprache als eine weniger praezise und eindeutige methode zur formulierung von aussagen auffasse als die mathematik. oder besser ich unterscheide ohne genauer darueber nachzudenken zwischen dem gebrauch von sprache, der ueber die sinneswahrnehmung reflektiert und sprache im zusammenhang mit formaler sprache. das heisst, ich habe vor langer zeit eine bewußte trennung zwischen abstrahierender und beschreibender sprache vollzogen und gebrauche diese nun mehr oder weniger alltaeglich, ohne kommentar und ohne erklaerungen.

diese trennung stellt sich wie folgt dar: wenn es darum geht die sinneswahrnehmung im alltag als ein grobes aber effizientes 'informationspaket' sprachlich wiederzugeben finden wir eine ansammlung von aussagen vor, die eigenschaften von dingen beschrieben, die tatsaechlich existieren, teile der wirklichkeit.

es ist insbesondere dieser abschnitt in deiner antwort, der sich inhaltlich natlos in diesen kontext einfuegt:

zitat:

Wir haben das nie so genau untersucht, auch damals nicht, als wir uns fragten, ob z. B. Aussagen "Teile der Wirklichkeit" seien. z. ende

ich nehme das jetzt bewußt aus dem eigentlichen kontext, denn ich halte die tatsache, dass sprache in form von elektrochemischer aktivitaet und schallwellen in der luft physisch repreasentiert ist fuer eine nicht-diskutierenswerte trivialitaet. die information, die in den schallwellen liegt ist fuer den rest der materiellen welt nicht vorhanden, da sie ueber kein mit dem menschen vergleichbares bewußtsein verfuegt. (was soll denn der quatsch auch?! [sly])

was mir dabei aber eingefallen ist, ist die unterscheidung zwischen solchen aussagen, die sich auf die sinneswahrnehmung beziehen und solchen, die eine rein informationelle abstraktion sind.

als ich das gelesen habe hat sich in meinem hirn ein schalter betaetigt und ich denke ich habe etwas begriffen: man muss grundsaetzlich zwsichen reflektierenden aussagen ueber eigenschaften der materiellen wirklichkeit und zwischen abstrahierenden aussagen unterscheiden und zwar in bezug auf die verwendung des wahrheitsbegriffes in beiden fällen!

ich denke, dass es sich dabei tatsaechlich um einen wichtigen und substantiellen unterschied handelt. das ist für mich durchaus überraschend und erstaunlich, weil ich ganz selbstverstaendlich davon ausgegangen bin, dass sprache grundsaetzlich zunaechst eine abstraktion der wahrnehmung ist und dass es insbesondere keine rolle spielt was der konkrete gegenstand der abstraktion ist! in dem ich naemlich automatisch an mathematische aussagen denke, befinde ich mich bereits in dem bereich der sprachlichen abstraktion, die sich explizit nicht um die materielle welt schert! an dieser stelle keine differenzierung vorzunehmen ist tatsaechlich ein fehler und ich denke, dass es sich dabei um eine wichtige erkenntnis handelt. färblöffänt.

ich will diesen gedankengang, der vermutlich irgendwo schon einmal in aehnlicher form in wahrheit I-VII vorgekommen ist, genauer unter die lupe nehmen und sei es nur für mich selbst:

angenommen ich sehe eine eine rote rose und ich formuliere aufgrund meiner sinneswahrnehmung die ausage:

" ich sehe eine pflanze, genauer: eine rose. diese rose ist rot"

dann haengt der wahrheitswert dieser aussage allein an der wahrnehmung der wirklichkeit.

was passiert wenn ich nun farbenblind bin und mein gegenueber diese rose als rot wahrnimmt, waehrend ich sie als eindeutig bläulich-grün identifiziere. wie ist dann der wahrheitswert der aussage meines gegenueber aus meiner farbenblinden perspektive zu bewerten?

ein grosses problem, dessen loesung ich hier gar nicht angehen will, weil ich mich hier nur auf die herausarbeitung dieser unterscheidung konzentrieren will, dich ich ungemein wichtig finde.

im falle dass sich eine aussage nicht auf eine linguale abstraktion der wirklichkeit bezieht, sondern auf eine behauptung im ramen eines formal-logischen systems haben wir es sehr viel einfacher. in diesem fall gilt einfach das resultat der abgleichung der behauptung (aussage) mit den praemissen und die daraus resultierende beweisfuehrung eines - zum beispiel - mathematischen theorems.

ich schlage daher folgendes vor:

es gilt grundsaetzlich zwischen der wahrnehmung der wirklichkeit, was ich hier frei als aeussere wahrnehmung bezeichne und zwischen der 'sinnfreien' wahrnehmung (natuerlich muss man noch etwas sehen koennen und lesen koennen) im rahmen formaler systeme zu unterscheiden. im folgenden bezeichne ich die 'sinnfreie wahrnehmung' (erfassung und verifikation von fakten/definitionen) als innere wahrnehmung.

mit 'formalen systemen' meine ich nicht nur die gesamtheit der mathematik und logik, sondern auch die bewertung des wahrheitsgehaltes von aussagen, die keine subjektiven wahrnehmungen abstrahieren, sondern die eine bereits vorhandene sprachliche abstraktion in form einer behauptung weiterverwerten. desweiteren ist es plausibel solche aussagen, deren praemissen auf einer festgelegten, per definition für gültig erklärten wahrnehmung basieren, als 'pseudo-formal' zu bezeichnen, da sie alle kriterien der formalen logik in bezug auf verifikation und wahrheitswert erfüllen, jedoch auf wahrnehumngen basieren, die nicht notwendigerweise intersubjektiv gültig sind (also bsp.weise: "gesetzt den fall, dass dieses dieses blatt gruen ist, dann ..." ). wenn es also um die beurteilung der wahrheit als eigenschaft einer nicht-wahrnehmungsgebundenen aussage handelt, ist die wahrheit tatsaechlich frei von jeder stofflichkeit.

diese trennung ist endgueltig vellzogen, wenn man genau festlegen kann, was eine wahrnehmungsgebundene aussage ist und was nicht.

es erscheint offensichtlich, dass beispielsweise die aussage

" eine leiter ist 2,6 meter lang, die halbe länge der leiter beträgt 1,3 meter"

von der wahrnehmung nicht weiter abhaengt. man kann die angaben ueber eine solche leiter beispielsweise aus dem artikelkatalog eines baumarkts herauslesen ohne die leiter sinnlich wahrnehmen zu muessen und dann trotzdem den wahrheitsgehalt dieser aussage ueberpruefen.

wenn ich aber sage.

" dieses fahrrad hat einen platten"

dann muss ich das objekt selbst wahrnehmen koennen um den wahrheitsgehalt dieser aussage zu ueberpruefen.

anhand dieser beispiele kann man sich eine frage stellen, die eine weitere, zumindest fuer mich wichtige erkenntnis impliziert:

unterscheidet sich der wahrheitsbegriff in beiden beispielen oder nicht?

denn das ist es doch, as wir letzten endes wissen wollen: ist der begriff der wahrheit invariant unter allen moeglichen aenderungen des kontextes der jeweiligen aussage? (es gilt weiterhin die gebundenheit des wahrheitsbegriffes an aussagen).

wenn man genauer darueber nachdenkt, faellt einem doch sofort folgendes auf:

in beiden faellen braucht man fuer die erfassung der wahrheit der jeweiligen aussage eine referenz. im ersten beispiel ist diese bedingung durch das vorhandensein von daten, die ja bereits die praemissen darstellen, erfuellt. im zweiten fall kommt man an einer ueberpruefung des reifens des fahrrades nicht vorbei.

natuerlich ist der erste fall strenggenommen nicht unabhaengig von der sinneswahrnehmung, da man immernoch die daten lesen hoeren oder tasten koennen muss. aber die division einer zahl durch zwei ist eine abstraktion, die de facto unabhaengig von jeglicher sinneswahrnehmung ablaeuft (das hat nichts damit zu tun, das sie nicht unabhaengig von sinneswahrnehumng erlernt werden kann!) und gleichzeitig ist sie das instrument, dass man auf jeden fall gebrauchen muss, um zu einer ueberpruefung des wahrheitswertes in diesem fall zu gelangen. ich halte also fest: sobald die verifikation des wahrheitswertes einer aussage nicht mehr allein auf der sinneswahrnehmung basiert, haben wir es mit einem 'pseudo-formalen' oder 'echt-formalen' system zu tun.

an dieser stelle kann man nur mit eingeschränkter rechtfertigbarkeit sagen, dass alles vollkommen wahrnehmungsfrei ablaeuft, denn andererseits ist es auf jeden fall definitiv eine form von wahrnehumung eine zahl ueberhaupt erst einmal zu erfassen (visualisieren oder mit welcher methode auch immer) und sie dann um fuenfzig prozent zu reduzieren, wenn auch keine klassische sinneswahrnehumng. daher meine bezeichnung innere wahrnehmung.

fuer den wahrheitsbegriff spielt die methode zur gewinnung von daten, die als praemissen verwendet werden koennen - wobei es sich dabei nur um die oben beschriebene innere und/oder aeussere wahrnehmung handeln kann - keine rolle!

ich behaute daher: ob etwas wahr ist oder nicht ist unabhaengig von der faehigkeit des 'wahrheitssuchers' den wahrheitsgehalt einer aussage zu ueberpruefen. einzig und allein die referenz stellt ein kritisches bindeglied zwischen methode und behauptung dar, da sie an physische sinneswahrnehmung gebunden ist, wie auch an die schaerfe der 'inneren wahrnehmung', denn auch intelligenzleistungen koennen fehlbar sein.

 

um gleich ein missverstaendnis auszuschliessen: ich schliesse nicht von der fehlbarkeit der inneren und der aeusseren wahrnehmung auf eine unabhaengigkeit des wahrheitsbegriffes, ich trenne lediglich die handlung der verifikation eines wahrheitswertes von der bereits vorhandenen unaufgeklaerten wirklichkeit, deren verifikation noch aussteht, wobei nach wie vor die bindung an eine behauptung/aussage gegeben ist.

die einzige moeglichkeit, dass zwei personen eine aussage in bezug auf ihren wahrheitsgehalt unterschiedlich bewerten koennten besteht in der referenz, nicht aber in der auffassung von wahrheit selbst. insbesondere setzt die feststellung eines unterschiedes des eigenen urteils zu dem einer anderen person eine perspektivische invarianz des wahrheitsbegriffes voraus. daher ist der wahrheitsbegriff obiger ausführung zufolge zwar abhängig vom vorhandensein einer aussage (im weitesten sinne), jedoch universal, sobald man dieses kriterium als erfüllt ansieht.

mfg flo

 

 

 

 

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 17. Feb. 2005, 14:46 Uhr

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Hallo Floo!

Da ich mich gerade auf etwas anderes konzentriere (auf die Frage, was eigentlich eine "transzendentale" Reflexion ist...) kann ich auf Deinen Beitrag nicht ausführlich eingehen. Ich bin aber meinerseits erfreut, dass ich bei Dir einen Erkenntnisprozess in Gang gesetzt habe.... :-)

Was mir Probleme bereitet, ist Dein Begriff der "inneren Wahrnehmung". Es hat in der Philosophiegeschichte vor und nach Kant immer wieder Versuche gegeben, für die "Anschauung" des Allgemeinen, die von unseren Sinnen gerade nicht geleistet wird, ein Sondervermögen einzuführen - also sozusagen das "Auge des Geistes" (auch "intellektuelle Anschauung" genannt). Diese Auffassung wird auch unter Mathematikern immer noch vertreten - so weit ich als Laie weiß -, und zwar von den sog. "Intuitionisten" (die sich von den "Formalisten" unterscheiden). Für sie sind z. B. die elementaren geometrischen Sachverhalte "evidente", also dem "geistigen Auge" unmittelbar "einleuchtende" und nicht weiter zerleg- oder reduzierbare "Gegebenheiten". So hat sie auch schon Platon verstanden, und von daher erklärt sich sein gesamtes Konzept von "Idee" und "Wissen". Ein wichtiger Punkt ist in dieser Auffassung allerdings, dass diese "intuitiven", "evidenten" "Gegebenheiten" (die Allgemeinbegriffe) nicht durch die Operation der schrittweisen "Abstraktion" aus einer empirischen Fülle von Einzelfällen gewonnen sein können.

Du hast einmal einen sehr erhellenden Beitrag über die "Idee der Zahl" geschrieben (im Thread "Das Ganze ist weniger als die Summe seiner Teile" ), den ich hier zitieren möchte. Ich hebe die entscheidenden Passagen hervor.

 

Quote:eine zahl ist kein gegenstand den wir einmal gefunden haben und der uns die idee der addition vermittelt hat, weil wir noch eine andere zahl gefunden haben oder so. die idee der zahl ist doch gerade die identität; also, dass man sich zumindest den umstand vorstellen kann, dass es etwas geben könnte, das vollkommen identisch ist. die mathematik ist dann die antwort auf die frage, was wäre wenn es vollkommen identische "dinge" gäbe. die zahl ist im grunde eine abstraktion des begriffes der ähnlichkeit: die menschliche intelligenz stellt fest, das dort ein apfel liegt, daneben liegt noch ein apfel (man darf nicht von vorn herein zwei äpfel sagen!). der mensch weiss, dass der eine und der andere apfel hinreichend viel gemeinsam haben, um sie zu einer menge zu zählen, nämlich die menge der äpfel. natürlich gleicht kein apfel dem anderen, aber das muster, das hinter dem zählen steckt, ist ein resultat einer abstraktion, also einer reduzierung auf das wesentliche und das wesentliche bei der aufgabe äpfel zu zählen ist die anzahl aller objekte der gruppe "äpfel" zu bestimmen. diese operation fordert, dass die tatsache, dass kein apfel dem anderen gleicht unwesentlich für die definition des begriffes äpfel, also dem plural, ist, was auch der fall ist. das heisst, man macht keinen fehler, wenn man für einen speziellen zweck, bei dem das keine konsequenzen hat, so tut, als wären alle äpfel identisch. die verallgemeinerung der zuordnung von dingen jedweder art zu ihrer gruppe ist die idee der zahl. man kommt also auf die idee der zahl, wenn man zu einem speziellen zweck nicht nur bei äpfeln so tut, als wären alle äpfel identisch, sondern bei allen dingen, die vertreter eines musters sind. es geht also nur darum zu erkennen, was ein muster ist und dafür ist die physische unterscheidbarkeit irrelevant.

 

Das finde ich genial und sehr richtig gesehen. Und es entspricht nebenbei der von Kant herkommenden Erkenntnistheorie... :-)

Denn Du erklärst die "Operation" der Abstraktion nicht als einen schrittweisen Vorgang, bei dem wir an einer Fülle von Einzelfällen das FAKTISCH "Gemeinsame" aussondern, zusammenfassen und dann mit einem "Namen" belegen (gleichsam "taufen" ). Dies ist die empiristische, von Locke und Hume herkommende Auffassung, die heute immer noch viele Ahänger hat. Ihr Problem: Jede Ähnlichkeit entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als bloß ungefähre, scheinbare "Ähnlichkeit". Darum führt ein "genaueres Hinsehen" niemals zu einer letzten "Gegebenheit", die allen Einzelfällen FAKTISCH gemeinsam wäre.

Die Operation der Abstraktion kann also nur auf umgekehrtem Weg zum Erfolg führen, nämlich durch kontrolliertes ABSEHEN von den Einzelfällen - ganz so, wie Du es beschrieben hast: Wir TUN SO, ALS OB die vielen Äpfel in dieser oder jener Hinsicht identisch WÄREN. Die Kontrollierbarkeit wird durch den vorausgesetzten "Zweck" geleistet. d. h. wenn es uns gerade um die Bestimmung der Anzahl der gegebenen Äpfel geht, können wir ZU DIESEM ZWECK so tun, als wären sie gleich (was sie aber faktisch nicht sind, wie unsere Sinne uns jederzeit bestätigen werden). Der Zweck legt - und zwar IM VORAUS! - fest, von welchen der unzähligen faktischen Unterschiede wir ABSEHEN können, weil sie JETZT nicht "relevant" sind. In einer anderen Situation können diese JETZT vernachlässigten Unterschiede sogar sehr relevant sein, aber dann wollen wir auch etwas anderes mit den Äpfeln anfangen.

Entscheidend ist: Hier handelt es sich um eine OPERATION, also eine bestimmte Handlung - genauer: ein Handlungsschema, denn diese Handlung lässt sich ja beliebig wiederholen - gleichgültig, ob die empirischen Gegenstände dauernd wechseln oder nicht.

Zusammengefasst: Abstraktion kann nicht ein schrittweises "Einsammeln" und "Zusammenstellen" der gegebenen Gemeinsamkeiten vor dem "geistigen Auge" (der "inneren Wahrnehmung" ) sein. Vielmehr ist es ein NEGATIVES Verfahren, bei dem wir, von einem im voraus gesetzten Merkmal, einem "Kriterium", uns derart leiten lassen, dass wir von den unzähligen gegebenen Unterschieden WEGSEHEN. Wir "tun, als ob" sie in einem bestimmten Merkmal gleich wären - d. h. wir "konstruieren" die Identität vermittels einer Operation (z. B. einer Zählhandlung) zu unserem jeweiligen Zweck. Ein solches Konstrukt ist der "Begriff" (oder die "Idee" ).

Dass sogar unsere Sinneswahrnehmung bereits in dieser Weise "operiert", ist die These der sog. "Gestaltpsychologie der Wahrnehmung" (mehr dazu im vorigen Thread, "Wahrheit VI" ).

Gruß

H.

 

 

PS. Ups, nun ist mein Beitrag doch sehr ausführlich geworden... [grin]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 17. Feb. 2005, 15:48 Uhr

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hallo nochmal!

danke fuer die blumen! ich bin erfreut darueber, dass man hier auch ernst genommen werden kann, wenn man nicht des hier ueblichen philsophischen jargons maechtig ist und nicht mit der belesenheit eines studierten philosophen aufwarten kann. es gelingt mir hin und wieder, dass meine texte von studierten philsophen auf bereits vorhandene philosophische werke zureuckgefuert werden (erstaunlich haeufig von kant uebrigens), was mir natuerlich runter geht wie öl [grin]

ich verstehe mich in dieser hinsicht - in aller bescheidenheit - als philosophischer autodidakt, was natuerlich oft nicht mit der flexibilitaet und argumentativen schnelligkeit und praezision eines belesenen, fachlich geschulten verstandes konkurrieren kann.

ich verstehe allerdings nicht genau, ob du nun einen widerspruch meines letzten beitrages hier zu dem besagten text ueber die abstraktion der aehnlichkeit andeuten willst oder das als bestaetigung anfuehren willst.

zur sicherheit gehe ich nocheinmal genauer auf den begriff der 'inneren wahrnehmung': ich moechte naemlich verstanden wissen, dass das eigentlich wenig mit dem von dir erwaehnten intuitionismus zu tun hat, zumal ich von diesem paradigma ueberhaupt nichts wusste.

diesem versuch einer wortschöpfung liegt eigentlich ein rein pragmatischer gedanke zu grunde:

die innere wahrnehmung ist nichts weiter als die von der sinnlichen wahrnehmung abgekoppelte operation mit dem gedeachtnis. die tatsache, dass man mathematik uber kulturelle einrichtungen erlernen muss, ist lediglich auf die begrenztheit der effektivitaet des menschlichen gehirns zureck zu fuehren. es sollte grundsaetzlich moeglich sein, dass ein gehirn im tank auch voellig ohne wahrnehmung erkenntnisse im bereich der formalen logik und der mathematik gewinnen kann. natuerlich funktioniert kein menschliches gehirn so gut, dass das moeglich waere (obwohl ich mal etwas von einem inder las, der anscheinend die gesamte hoehere mathematik der letzten 500 jahre selbststaendig hergeleitet haben soll, ohne von deren existenz zu wissen... sicherlich ein historischer einzelfall und auch der hat wohl papier und bleistift, also zumidnest seine augen und haende gebraucht). andererseits ist bekannt, dass das raeumliche vorstellungsvermoegen ohne das sehen nicht entwickelt werden kann. aber auch hier kann man wieder sagen, dass ein hinreichend gut funktionierendes gehirn die ganze algebra ueber mengenaxiome abstrakt herleiten koennte, ohne jemals eine vorstellung von dimension zu entwickeln.

natuerlich kann man sagen, dass das spekulation ist. es sollte doch aber klar sein, dass jedenfalls ein mensch, der imlaufe seines lebens rechnen gelernt hat, kraft seiner kenntnisse und seines verstandes auch dann noch den wahrheitsgehalt gewisser ausagen verifizieren kann, wenn dieser mensch ploetzlich bar jeglicher sinneswahrnehmung ist.

der bezug zum gegenwaertigen horizont der diskussion ergibt sich aus meinem versuch im letzten beitrag, die begriffsschoepfungen 'relative' wahrheit und 'absolute' wahrheit auf die subjektivitaet der referenz zureuck zu fuehren und somit zu zeigen, dass es sich - wie thomas(j.b.) meint - dabei tatsaechlich um 'leere' begriffe handelt.

mfg flo

EDIT: ich sollte vielleicht noch genauer erlaeutern was ich in diese zusammenhang mit 'referenz' meine:

das soll das 'abgleichen' mit den aufgrund der definition oder aufgrund der wahrnehmung vorliegenden praemissen sein.

damit ein rot-greun-verwechsler die behauptung von fritz, "blut ist rot", fuer falsch erklaeren kann (vorausgesetzt er weiss nichts von der andersartigkeit seines sehens) muss fuer ihn der selbe begriff von wahrheit gelten wie fuer fritz. daher handelt es sich bei der vermeintlichen relativitaet der wahrheit nur um eine relativitaet der perspektive, also der zur verfuegung stehenden informationen - der 'referenz' seiner wahrnehmung fuer seinen urteilenden verstand. im falle, dass es sich um ein echt formales oder pseudo-formales system handelt wird die subjektive wahrnehmung durch eine als vorausgesetzt geltende definition (idealisierte wirklichkeit) ersetzt, sodass jeglich relativitaet entfaellt. man kann in diesem fall trivialer weise von 'absoluter' wahrheit reden, was eine redundante information ist und nichts weiter bringt.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 17. Feb. 2005, 18:12 Uhr

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Hallo flo,

bevor ich auf das Inhaltliche komme, eine Bemerkung zu Deinem Eindruck, in dieser Diskussionsrunde handele es sich um einen "elitären thread". Dieser Eindruck ist falsch: hier kann jeder mitmachen, auch der Einsteiger mit seinem ersten Philtalk-Beitrag, hier wird nicht die Lektüre von Aristoteles, Rousseau, Kant, Mill oder irgendeines andern Autors vorausgesetzt.

Allerdings hat diese Diskussionsrunde das Ziel, in der Beantwortung der gestellten Fragen voranzukommen, woraus sich verschiedene Forderungen ableiten, wie z. B. die möglichst genaue und möglichst verständliche Formulierung, die Orientierung am Thema, das Unterlassen von Angriffen gegen die Person oder die möglichst klar gegliederte und übersichtliche Darstellung. Mit der Orientierung an diesen Regeln sind wir bisher gut gefahren und sind auf relativ breites Interesse gestoßen.

Dass man mit seinen Beiträgen nicht immer auf die erhoffte Resonanz stößt, ist eine Erfahrung, die wohl jeder von uns schon machen musste. Man muss sich dann fragen, woran das gelegen hat, und kann seinen Gedanken in besser verständlicher Form ja jederzeit erneut einbringen. Dass relevante Argumente totgeschwiegen werden, halte ich für ziemlich ausgeschlossen, gerade weil das Korrektiv der Öffentlichkeit besteht, und jeder in einem solchen Fall eingreifen kann.

Doch nun zur Sache.

Wenn ich Dich richtig verstehe, so siehst Du neben der "normalen" Sinneswahrnehmung, die Du als "äußere Wahrnehmung" bezeichnest (eine Terminologie, die ich nicht für ganz glücklich halte, weil Schmerzwahrnehmung demnach eine "äußere" Wahrnehmung wäre), noch eine "innere Wahrnehmung", die Du in formalen Systemen ansiedelst, in denen keine wahrnehmungsgebundenen Aussagen vorkommen. Zu den formalen Systemen zählst Du nicht nur Logik und Mathematik, sondern auch auf Prämissen aufbauende Schlussfolgerungen.

Als Beispiel nennst Du die beiden Sätze: "eine leiter ist 2,6 meter lang, die halbe länge der leiter beträgt 1,3 meter".

Der Satz: "Wenn eine Leiter 2,6 Meter lang ist, dann beträgt die halbe Länge dieser Leiter 1,3 Meter" ist unabhängig von jeglicher Überprüfung durch Wahrnehmungen wahr. Das heißt, ich muss die Leiter nicht in zwei gleich lange Teile zersägen, um festzustellen, dass diese Aussage wahr ist.

Gleiches gilt für den Satz: "Gesetzt den Fall, dass dies Blatt grün ist, dann hat es dieselbe Grundfarbe wie mein grünes Hemd".

Beide Sätze informieren nicht über die wirkliche Welt, sie sind jedoch auf die wirkliche Welt anwendbar, wenn die Prämissen wahr sind.

Der Satz: "Wenn man eine Menge von 260 Elementen in zwei gleich große Mengen zerlegt, so enthalten beide Mengen 130 Elemente" lässt sich aus den mathematischen Axiomen und Grundbegriffen logisch deduzieren.

Der Satz "Wenn A grün ist und B grün ist, dann haben A und B die gleiche Grundfarbe" ergibt sich logisch aus der Definition des Wortes "gleich".

Der logischen Wahrheit entspricht meiner Ansicht nach keine "innere Wahrnehmung". Logische Wahrheit ergibt sich daraus, dass die Schlussregeln der Logik und die Rechenregeln der Mathematik gezielt so entworfen wurden, dass der Wahrheitswert "wahr" in jedem Fall von den Prämissen auf die Konklusionen übertragen wird.

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 17. Feb. 2005, 18:33 Uhr

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hallo eberhart

 

on 02/17/05 um 18:12:55, Eberhard wrote:Der logischen Wahrheit entspricht meiner Ansicht nach keine "innere Wahrnehmung". Logische Wahrheit ergibt sich daraus, dass die Schlussregeln der Logik und die Rechenregeln der Mathematik gezielt so entworfen wurden, dass der Wahrheitswert "wahr" in jedem Fall von den Prämissen auf die Konklusionen übertragen wird.

 

du wirst lachen, aber genau so sehe ich es auch und genau deshalb ist es auch richtig (m.e.)! rechenregeln wurden zwar nicht von grund auf fuer irgend ein ziel konzipiert, aber mathematik, genau wie logik, ist reine definitionssache. es erscheint mir ehrlich gesagt befremdlich, dass du das ganze so weit weg von deiner auffassung von wahrheit befindlich siehst, zumal du 'wahrheit' von 'logischer wahrheit' im allgemienn zu trennen scheinst.

wenn du meinen tollen begriff 'äussere wahrnehmung' ungluecklich findest, dann ist das dein gutes recht. ich sehe das problem, dass du mit der wahrnehmung von schmerz in diesem zusammenhang zu haben scheinst, aber wo ich jetzt darueber nachdenke sehe ich kein problem, wo du eins zu sehen glaubst. ich nehme an, du spielst auf die direkte verbindung zum gehirn an und damit auf die reaktion im gehirn, die - so koennte man sagen - ja bereits direkt 'im geist', als im bewußtsein ist. wenn du allerdings ein bischen weiter gedacht haettest, waere dir aufgefallen, das diese art der wahrnehmung sich in nichts von der uebrigen sinneswahrnehmung untzerscheided. auch das was du siehst gelankt lediglich ueber nervenimpulse ins gehirn und da du hier in anlehnung an neurobiologie argumentierst, erlaube ich mir das gleiche: es besteht kein essentieller unterschied zwischen der wahrnehmung von schmerz und der wahrnehmung einer farbe oder eine raeumlichen struktur! wieso sollte dies also die begriffsbildung 'äussere wahrnehmung' stoeren?

mfg flo

P.S. es besteht kein anlas zur sorge bezueglich irgendwelcher poebeleien. ich reagiere normalerweise nur ad hominem, wenn man mir dumm kommt, wie beispielswiese jean_luc gegenueber euch. ich schaetze einen kultivierten austausch in wahrheit viel mehr, allerdings neige ich dazu nicht lange zu fackeln, wenn es darum geht rüpeln zu zeigen wo bartl den most her holt.

der 'elitaere' eindruck entstand uebrigens allein durch die tatsache, dass ich in aelteren versionen von wahrheit X mehrfach ignoriert wurde und wegen des durchaus hohen niveuas einiger beitraege, denen man nur mit grossem hintergrundwissen (oder google) folgen konnte - das gilt nicht fuer alle beitraege aber fuer ein paar. gut, dass das nun geklaert ist.

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 17. Feb. 2005, 19:25 Uhr

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nun noch etwas mehr zur sache, was ich bewußt lieber in einn neurlichen beitrag zum ausdruck bringe und an alle interessierte richte:

eberhart hat den sinn der beispiele die ich gegeben habe zwar erfasst. aber dass worauf ich eigentlich abzielte hat er komischer weise unterschlagen.

es ging ja daum, dass zuletzt ueber eine relativiteat der wahrheit 'gesprochen' wurde. in diesem zusammenhang vrsuche ich zwischen innerer und aeusserer wahrnehmung zu unterscheiden. warum?

eberhart sieht keinen zusammenhang zwischen der von mir erwaehnten inneren wahrnehmung und formaler sprache. der zusammenhang ergibt sich nun ganz einfach aus der art und weise, wie man an die praemissen gelangt, die dem urteil ueber 'wahr' oder 'falsch einer aussage zu grunde liegen. wenn man etwas in seiner umgebung wahrnimmt udn aufgrund der wahrnehmung eine definition einfuert, dann fuert das zu einer potentiell unterschiedlichen auslegbarkeit des wahrheitsbegriffes, weil man sich beim aufstellen der definition, bzw. dem formulieren der praemissen auch taeuschen kann. wenn man nun aussagen formuliert wie "nehmen wir mal an, alle heinzelmaennchen tragen keine blaue hosen - egal ob das der augenscheinlichen realitaet entspricht oder nicht", dann ist die formale schlussfolgerung, dass jemand der blaue hosen traegt kein heinzelmaennchen sein kann korrekt. in diesem fall entnimmt man die praemissen (das tragen von blauen hosen und heinzelmaennchen) eben nicht der wahrgenommenen wirklichkeit, sondern man konstruiert eine idealisierte wirklichkeit, in der man eben so tut, als waere das eine unanfechtbare tatsache.

im rahmen solcher formaler systeme existiert kein unterschied zwischen den einzelnen perspektiven, weil es niemanden gibt der heinzelmaennchen, wenn er sie sieht, mit nubiern verwechselt und zwar einfach deshalb, weil es es ad hoc festgelegt wird.das heisst es gibt insbesondere keine realtive wahrheit sondern trivialer weise nur eien absolute wahrheit, wobei man das woertchen absolut getrost weglassen kann.

die nun folgende entscheidung, bzw schlussfolgerung, basiert auf innerer wahrnehmung, weil man die heinzelmaennchen und die gesamtheit all derer, die blaue hosen tragen nicht vor augen hat, sondern das lediglich voraussetzt, also vermittels des gedaechtnisses eine strukturelle grundlage fuer alle weiteren bewegungen innerhalb dieser idealisierten realitaet schafft, die es nicht wirklich geben muss. wohingegen man zunaechst von solchen aussagen unterscheiden muss, die aufgrund der beobachtung formuliert werden. wenn ich also tatsaechlich ein heinzelmaennchen sehe, das eine blaue hose treagt und dann sage "ich sehe ein heinzelmaennchen das blaue hosen traegt, behaupte aber: 'das gibt es nicht!'", dann ist die ausage eben aufgrund der hier greifenden wahrheitsdefinition falsch! im grunde ist das nichts anderes als der fall formaler erkenntnissgewinnung, es besteht lediglich ein unterscheid in der art und weise wie die daten gewonnen werden, auf grund derer behauptungen in die welt gesetzt werden. also ob sie einfach per defintion als existent aufgefasst werden oder ob man sie der wahrgenommenen welt entnimmt. wenn man dann den begriff 'wahrnehmung' ueber prothesen der wahrnehmung, also messinstrumente und simulatoren und was weiss ich, erweitert, dann kommt man ganz schnell in relevante bereiche. man kann in der naturwissenschaft, wie auch beim buchstaeblichen blick ins blaue, naemlich durchaus auch falsche beobachtungen machen und die mit einem in sich korrekten axiomatischen system sehr wohl als 'wahr' beurteilen. wenn es dann passiert, dass ein anderer eine beobachtung macht, die die richtigkeit der hypothese ausschliesst, dann kann man diese nur korrigieren in dem man die auf grund der wahrnehmungsprothesen gewonnen daten (praemissen) um die noch fehlenden erweitert und die schlussfolgerungen entsprechend aendert. waere nun aber der wahrheitsbegriff im ersten, irrtuemlichen fall anders als im 2. fall nach der korrektur der praemissen, dann koennte man doch ueberhaupt nicht eindeutig sagen, dass die erste beobachtung falsch war, geschweige denn, das man etwas verbessern muss. das ist kein speziallfall sondern die routine des fortschrittes in der naturwissenschftlichen grundlagenforschung.

zur inneren wahrnehmung nochmal: eberhart mag den begriff nicht, weil es fuer ihn selbstverstaendlich ist keine fehlschluesse zu ziehen (er hat wahrscheinlich ein hirn wie ein computer) und wenn wir bereits eine axiomatik vorhanden ist, was soll es denn dann noch wahrzunehmen geben, es liegt doch alles schon fertig auf der hand!

dabei vergißt er aber, dass uns die realitaet diese 'auf der hand liegenden dinge' und 'axiome' nicht selbst liefert, sondern dass diese in unserem bewußtsein entstehen und von der biologischen maschine gehandhabt werden muessen. der grund weshalb man das so empfinden kann erschliesst sich einem, wenn man immer nur die aller simpelsten formal-logischen beispiele betrachtet und ausser acht laesst, dass im grunde jede richtige aussage, einer formalen operation genuegen muss, sonst ist sie in irgend einem sinne mehrdeutig oder gar falsch! wenn ich behapte, dass aufgrund der peano axiome 123399833425476:769=1.34 ist, dann formuliere ich eine sehr alltagsorientiere und sehr falsche aussage, da es sich dabei genausobgut um das saatgut eines bauern pro hektar handeln kann, was der agronom als dann auf dem papier ausrechnet. derart simpel erscheinende dinge sind in wahrheit streng logische operationen und wenn man die grossen zahlen aufgrund der begrenztheit der effizienz des verstandes nicht korrekt dividiert, dann hat man sich in seiner inneren wahrnehmung getäuscht! ich bezweifle, dass es irgendjemanden in diesem forum gibt, der diese division im kopf ausführen kann, womit ein beispiel fuer einen fall gescheiterter innerer wahrnehumng gefunden ist.

selbst banalste alltaegliche aussagen sind stehts nur dann war, wenn sie auch formal wahr (bzw. eindeutig und vollstaendig) sind. daher gibt es keinen grund zwischen logischer wahrheit und sonstwas für wahrheit zu unterscheiden. nur weil einen die praxis der verfifikation der aussage nicht an eine hochintellektuelle matheklausur erinnert, heisst das nicht, dass es damit nichts zu tun hat.

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 17. Feb. 2005, 20:40 Uhr

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Quote:angenommen ich sehe eine eine rote rose und ich formuliere aufgrund meiner sinneswahrnehmung die ausage:

" ich sehe eine pflanze, genauer: eine rose. diese rose ist rot"

dann haengt der wahrheitswert dieser aussage allein an der wahrnehmung der wirklichkeit

 

Das ist nicht ganz richtig. Der Wahrheitswert dieser Aussage hängt trivialerweise davon ab, ob in der Situation in der die Aussage geäußert wird, diese Rose rot ist. Ob ich die Rose in dem Moment wahrnehme oder nicht ist vollkommen irrelevant, solange sich der Ausdruck Rose auf eine Rose in der Wirklichkeit bezieht, und diese Rose tatsächlich rot ist.

 

Quote:unterscheidet sich der wahrheitsbegriff in beiden beispielen oder nicht?

 

Vorsicht! Du vermischst hier und im Folgenden drei Fragen.Die Frage nach der Bedeutung des Wahrheitsbegriffes, die Frage, wann eine Aussage wahr ist und die Frage nach der wie die Wahrheit einer Aussage verifiziert werden kann.

Wenn ich frage, Was ist es, das die beiden Arten von Aussagen wahr macht, dann heißt es in beiden Fällen, die Übereinstimmung mit den Tatsachen. Die Aussage, "Das Fahrrad hat einen Platten" ist genau dann wahr, wenn die Aussage mit den Tatsachen übereinstimmt, d. h. wenn dieses Fahrrad einen Platten hat. Ebebso ist die Aussage "Eine Leiter ist 2,6m lang und die halbe Länge der Leiter beträgt 1,3m" genau dann wahr, wenn diese Aussage den Tatsachen entspricht (Hier bin ich mir sehr unsicher, siehe Unten). Tatsachen sind das, was man als 'Wahrmacher' bezeichnet, was auch immer diese Entitäten sind. Die Entitäten, die eine Aussage wahr machen, sind nicht die Referenten selbst, also nicht das Fahrrad und nicht die Zahl 2,6 oder eine vorgestellte Leiter.

Quote:ich behaute daher: ob etwas wahr ist oder nicht ist unabhaengig von der faehigkeit des 'wahrheitssuchers' den wahrheitsgehalt einer aussage zu ueberpruefen.

(Da hast du den Unterschied zwischen Wahrheit und Verifikation ja doch erwähnt).

Wenn ich nun frage, wie kann ich überprüfen, dass diese beiden Aussagen wahr sind, dann mag das auf unterschiedlichem Wege geschehen. Das einemal meinetwegen durch Beobachtung oder Wahrnehmung, wobei die Frage ist was ich den dann beobachten soll, die Tatsache, die Korrespondenz zwischen Aussage und Tatsache? Wenn ich sage die Aussage ist wahr, denn ich sehe ein Fahrrad, das einen Platten hat, dann reicht das offensichtlich nicht aus. Denn die kausale Natur der Wahrnehmung öffnet dem Skeptizismus Tür und Tor. Denn wenn mir das Fahrrad mit dem Platten nur vorgegaukelt wird, und in der Wirklichkeit (das ist ja der Bereich dem die Aussage entsprechen soll) hat das Fahrrad gar keinen Platten.

Im Leiterfall ist das ganze etwas komplizierter. Die Frage ist erstens, existieren Tatsachen, die Mathematische Ausdrücke wahrmachen? Haben Zahlen Referenten in der Wirklichkeit? Sind mathematische Sätze überhaupt aufgrund irgendeiner Korrespondenz wahr?

 

Mir ist in deinem Beitrag nicht ganz klar geworden, wie das Alles miteinander zusammenhängt, bzw. was du überhaupt zeigen möchtest.

Die Unterscheidung zwischen "innerer und äußerer Wahrnehmung" ist eine erkenntnistheorethische Unterscheidung. Die Frage, auf was sich Zahlen und andere Abstrakta beziehen ist eine essentiell semantische Fragestellung.

Welche Relevanz hat diese Unterscheidung für die aktuelle Diskussion? Welcher Fragestellung gehen wir damit nach?

Es wäre nett, wenn du das noch explizieren könntest (Wenn es geht etwas weniger umfangreich)?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 18. Feb. 2005, 07:36 Uhr

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hallo allerseits,

philosophie ist eine komplizierte angelegenheit und leider ist uns die alltagssprache wenig hilfreich, wenn es um die adäquate formulierung von zusammenhängen geht; deshalb neigen einige philosophen dazu, sich in esoterischen sprachbarrikaden zu verschanzen. andere wiederum nutzen zwar die möglichkeiten die die alltagssprache bietet -der verständlichkeit wegen- aber verheddern sich auch in den fallstricken, die unsere alltagssprache bietet.

und einer dieser fallstricke ist das wort "eigenschaft" ; und zwar genauer in verbindung mit dem wort "sätze". wenn wir sagen, "wahr" und "falsch" seien eigenschaften von sätzen, so meinen wir nicht unbedingt "eigenschaften" im aristotelischen sinne von "accidens" oder "proprium", die einer "substanz" zuzuschreiben sind. das hieße mehr metaphysik in die sprache legen, als wirklich beabsichtigt ist. dementsprechend ist auch hermeneuticus frage:

Quote:Also, Ihr Empiristen - wie ist das mit den "Eigenschaften" von Sätzen? Und ist "Wahrheit" eine davon? Erklärt es mir!

ein wenig zu entschärfen.

wenn ich sage, dass "wahr" und "falsch" eigenschaften von sätzen sind, so meine ich nicht eine eigenschaft, wie wenn ich vom meer erzähle, welches blau ist, oder von der rose, welche rot ist. "eigenschaft" ist hier mehr als eine metapher zu verstehen; also "so wie das mehr blau ist, so ist 'wahr' eine eigenschaft eines satzes". wichtig ist hier die ergänzung "so wie".

im grunde genommen verwende ich in diesem falle "eigenschaft" homonym. beidemale rede ich von "eigenschaft", meine aber etwas anderes mit. unsere alltagssprache stellt kein wort zur verfügung, das sich adäquat nutzen ließe.

analog ist auch eine aussage wie:

Quote:Tatsachen sind das, was man als 'Wahrmacher' bezeichnet, was auch immer diese Entitäten sind. Die Entitäten, die eine Aussage wahr machen, sind nicht die Referenten selbst, also nicht das Fahrrad und nicht die Zahl 2,6 oder eine vorgestellte Leiter

mit äußerster vorsicht zu genießen. hier wird auf einen aspekt der "wahrheitstheorien" hingewiesen, den ich für wichtig halte: zur bedeutung der sätze gibt es stets soetwas wie ein "bestehenselement", welches nicht selbst teil der sätze an sich ist.

aber dieses bestehenselement zu konkretisieren, indem man sogar von "entität(en)" spricht, halte ich für gefährlich. zwar "bestehen sachverhalte", aber "existieren" sie als solche? ich denke nicht.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 18. Feb. 2005, 10:28 Uhr

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Hallo Hermeneuticus,

den ersten Beitrag nach deinem Urlaub finde ich sehr interessant.

Zitat:

" Die Bedeutung der Aussagen, dasjenige, wodurch sie sich von irgendwelchen zufälligen, unwillkürlichen Geräuschen unterscheiden und durch die sie uns überhaupt erst so wertvoll sind, ist als solche nicht sinnlich wahrnehmbar und dürfte also auch kein "Teil der Wirklichkeit" sein... Andererseits sind Bedeutungen aber auch keine Normen, sie schreiben nicht vor, was sein oder getan werden soll. - Wohin gehören also Bedeutungen - "ontologisch" ?"

Gute Frage! Bedeutungen können kaum aus sich heraus existieren, sie sind eher unsere gedanklichen Interpretationen.

Eine Bedeutung ist also immer eine Bedeutung, die ich gebe.

Ich lese oder höre einen bestimmten Satz und gebe ihm eine Bedeutung. Das heißt, ich interpretiere ihn gedanklich.

Was aber sind Gedanken ontologisch gesehen? Thomas würde wahrscheinlich sagen, das sind Neuronenaktivitäten, aber wenn ich denke, empfinde ich keine Neuronenaktivitäten (nicht dass ich die leugnen wollte), sondern Worte, Klänge und Bilder, die vor meinem "geistigen Auge" (mir fällt kein besseres Bild ein) erscheinen. In welcher Form existieren die also?

Hallo flo,

mich würde interessieren, wie du innere und äußere Wahrnehmung definierst. Kann man das tatsächlich trennen?

Wenn ich einen Baum sehe, ist das dann eine äußere Wahrnehmung? Die Sinnesreize werden doch angeblich im Gehirn verarbeitet, also ist es doch genauso innere Wahrnehmung. Die Wahrnehmung des Baumes wird doch außerdem sofort interpretiert, es wird interpretiert, dass ich hier bin und der Baum dort ist. Es wird außerdem sofort der Begriff "Baum" zugeordnet. Auch dies wäre ein innerer Vorgang. Ist die Farbe rot ein äußerer Reiz, oder entsteht sie nicht vielmehr erst mit der Wahrnehmung? Also ist die Farbe rot doch nicht ein äußerer Reiz, sondern eine innere Interpretation, oder nicht?

Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 12:29 Uhr

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fFflLloOo schrieb in seinem letzten Beitrag folgendes:

 

Quote:wenn ich behapte, dass aufgrund der peano axiome 123399833425476:769=1.34 ist, dann formuliere ich eine sehr alltagsorientiere und sehr falsche aussage, da es sich dabei genausobgut um das saatgut eines bauern pro hektar handeln kann, was der agronom als dann auf dem papier ausrechnet. derart simpel erscheinende dinge sind in wahrheit streng logische operationen und wenn man die grossen zahlen aufgrund der begrenztheit der effizienz des verstandes nicht korrekt dividiert, dann hat man sich in seiner inneren wahrnehmung getäuscht! ich bezweifle, dass es irgendjemanden in diesem forum gibt, der diese division im kopf ausführen kann, womit ein beispiel fuer einen fall gescheiterter innerer wahrnehumng gefunden ist.

 

Das finde ich absolut genial!Die mangelhafte Fähigkeit des Verstandes mit deinem Begriff der inneren Wahrnehmung zu erklären ist wunderbar anschaulich. Ich würde das Ganze noch etwas anders formulieren und meinen man könnte geradezu sagen, "Trinkt der Bauer und fährt Traktor, wird er zum Gefahrenfaktor!" Es könnte doch gleichsam sein, das 5572746378374646649494949494949494838 eigentlich das linke Rad vom Traktor bezeichnet und 73747474747 die Buddel vom Horschd und jetzt kommts, dann würde doch die mittlere innere halblinke wahrnehmung sagen: Stopp bis hier und nicht weiter! Absolut genial!

Wuwei schrieb

Quote:Eine Bedeutung ist also immer eine Bedeutung, die ich gebe.

Ich lese oder höre einen bestimmten Satz und gebe ihm eine Bedeutung. Das heißt, ich interpretiere ihn gedanklich.

Was aber sind Gedanken ontologisch gesehen? Thomas würde wahrscheinlich sagen, das sind Neuronenaktivitäten, aber wenn ich denke, empfinde ich keine Neuronenaktivitäten (nicht dass ich die leugnen wollte), sondern Worte, Klänge und Bilder, die vor meinem "geistigen Auge" (mir fällt kein besseres Bild ein) erscheinen. In welcher Form existieren die also?

Hallo flo,

mich würde interessieren, wie du innere und äußere Wahrnehmung definierst. Kann man das tatsächlich trennen?

Wenn ich einen Baum sehe, ist das dann eine äußere Wahrnehmung? Die Sinnesreize werden doch angeblich im Gehirn verarbeitet, also ist es doch genauso innere Wahrnehmung. Die Wahrnehmung des Baumes wird doch außerdem sofort interpretiert, es wird interpretiert, dass ich hier bin und der Baum dort ist. Es wird außerdem sofort der Begriff "Baum" zugeordnet. Auch dies wäre ein innerer Vorgang. Ist die Farbe rot ein äußerer Reiz, oder entsteht sie nicht vielmehr erst mit der Wahrnehmung? Also ist die Farbe rot doch nicht ein äußerer Reiz, sondern eine innere Interpretation, oder nicht?

Grüße,

 

Das ist ein echter Geniestreich!!!!Ich würde auch noch sagen in der Ethik da ham er doch so ein Begründungsproblem, wie kann man das denn lösen und ach ja Sprache ist nicht Sprache, denn "Hat der Bauer kalte Socken, wird er wohl im Kühlschrank hocken."

Hallo ich will auch mit machen bei eurem Spiel:Nennst du mich Schiller, nenn ich dich Goethe. Lasst uns über das reden was uns gerade so in den Sinn kommt, lasst uns ganz ganz lange Beiträge schreiben, damit die keiner genau lesen tut und wir alle fröhlich aneinander vorbeireden

Unsere Gedanken sind wie Flöse, wir lassen uns mit der Strömung treiben, mal hier anecken uuuuuuhhh Bedeutung mal hier uuuuuuhhh Wahrheit und auch mal hiier uuuuuh Made.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 18. Feb. 2005, 13:54 Uhr

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Hallo zusammen,

Wenn ich es richtig verstanden habe will flo mit innerer Wahrnehmung darauf hinaus, das es eine Anschauung gibt die abgekoppelt ist von Sinnesdaten und die grundsätzlich anders funktioniert als Wahrnehmung die durch Sinne vermittelt ist. Diese "innere" Wahrnehmung wäre die Befähigung des Verstandes auch "im Tank" (thinktank wäre wohl angebracht:-)) geometrische, mathematische und logische Gegenstände anzuschauen, mit ihnen zu operieren und an ihnen "Eigenschaften" zu erkennen. Wir denken uns also einen Menschen, der solchermaßen im Tank liegt und dieser reflektiert vor seinem "geistigen Auge" gleichschenklige, ungleichschenklige und rechtwinklige Dreiecke usw usf.

Was mir dabei auffällt ist, dass dieses "im-Tank-sein" ein anderer Ausdruck ist für die Bedingungen formaler Sprachen überhaupt nur in einem umgekehrten Sinn. Statt sich Formen zu denken die sich im Status absoluter Neutralität gegenüber den wechselnden Argumenten (Inhalten) befinden und so als reine Auffangbehälter für jeglichen denkbaren Inhalt angesehen werden können, setzt flo das solchermaßen logisch denkende Subjekt unter Quarantäne. Man ist geneigt in Anlehnung an Aristoteles Satz "denn nicht der Stein liegt in der Seele, sondern seine Form" zu sagen: denn nicht die Logik liegt im Tank sondern der Mensch. :-)

Grüße

Dy

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 18. Feb. 2005, 14:34 Uhr

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Hallo Jean-Luc, mon petit!

(Ich kann's nicht begründen, aber ich stelle mir Dich klein vor, wann immer ich eine Zeile von Dir lese. Eine Zwangsvorstellung natürlich, aber wieso habe ich die bei Dir und nicht bei Eberhard oder Dyade?)

[???]

Aber was ich sagen wollte: Wie wär's, wenn Du, statt hier großkotzig-kleinkariert rumzustänkern, uns mal schnell eben das Wahrheitsproblem auf die richtige Formel bringen würdest? Hilf uns, bring bitte, bitte diesen Daily-Soap-Bandwurm von einer einer fruchtlosen Debatte, diese Lindenstraße der Philosophie, diese verbotene Liebe zur Wahrheit zum Abschluss! Biiittteeee!!

[smiley=Hail.gif]

Gruß

H.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 15:03 Uhr

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Quote:Ich kann's nicht begründen, aber ich stelle mir Dich klein vor, wann immer ich eine Zeile von Dir lese. Eine Zwangsvorstellung natürlich, aber wieso habe ich die bei Dir und nicht bei Eberhard oder Dyade?)

 

Naja Eminemlike sind deine Dissversuch nicht gerade. Das Problem ist, das du und die anderen meine Beiträge nicht verstehen und ich eure nicht. Nur sind meine Beiträge kurz und klar verständlich geschrieben, eure nicht. Vgl.:

Quote:philosophie ist eine komplizierte angelegenheit und leider ist uns die alltagssprache wenig hilfreich, wenn es um die adäquate formulierung von zusammenhängen geht; deshalb neigen einige philosophen dazu, sich in esoterischen sprachbarrikaden zu verschanzen.

Damit müssen flo, hermeneuticus, und Eberhardt gemeint sein. Und Vorsicht, nur weil ihr nicht verstanden werdet braucht ihr euch noch lange nicht für Genies zu halten. Zwar ist es, wie Emerson schon sagte, das Schicksal des Genies unverstanden zu bleiben, aber nicht jeder Unverstandene ist ein Genie.

Ich bin der Meinung, dass meine Beiträge qualitativ weitaus hochwertiger sind als Eure, auch wenn sie von Genialität weit entfernt sind. Damit meine ich, - das dürfte mittlerweile klar sein - dass eure Beiträge einfach zu lang, zu schwammig und zu abseitig sind.

Ich habe (zumindestens als es um Relativität ging) die Fußstapfen gemacht und ihr habt sie ohne jegliches philosophisches Gespür rüde zertrampelt. Das ist ganz im Stile Moores philosophisches kick and rush.

Spart euch das gegenseitige Schulterklopfen und schaut euch eure Beiträge einfach mal etwas genauer an. Vergleicht sie dann mal mit meinen.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von gershwin am 18. Feb. 2005, 15:14 Uhr

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Hi Leute

Nachdem er wegen eines Kabelbruchs fast 10 Tage von der Diskussion abgeschnitten war, meldet sich der "Evolutionsfundamentalist" (mit der gleichen Berechtigung könnte ich Dich Newton-Fundamentalist nennen, weil Du Deine Tasse beim Trinken festhältst) mal wieder zu Wort.

Hoffentlich stehen keine Antworten meinerseits mehr aus, denn ich beziehe mich jetzt lediglich auf ein dyade-Zitat:

Quote:Wenn von Kommunikation gesprochen wird ist doch das entscheidende worauf es in unserem Diskussionszusammenhang ankommt die BEDEUTUNG der Symbole, Zeichen oder Worte.

 

Und da sollte es Euch doch zu denken geben, dass (schwache Behauptung:) alle Wortbedeutungen irgendwie auf auf das Überleben der Art bzw. des Individuums zurückgeführt werden können und (starke Behauptung:) viele Bedeutungen ohne diesen Rekurs auf das Überleben überhaupt keinen Sinn ergäben. "Bedeutung" ist mal wieder kein phantastisches von wem auch immer in die Welt "geworfenes" Phänomen, sondern es läßt sich mühelos in ein evolutions-fundamentalistisches Weltbild integrieren. Von einer solchen Warte aus muss man nicht monatelang (eigentlich überhaupt nicht) diskutieren, was "Bedeutung" oder "Wahrheit" IST, sondern allenfalls darüber, wann es im Hinblick auf Nützlichkeitserwägungen günstig ist, von "Wahrheit" zu sprechen (und damit den Gegenüber aufzufordern, sich auf eine Aussage und deren erlaubte Folgerungen zu verlassen). Und das ist ohne den jeweiligen Kontext miteinzubeziehen, reichlich müßig.

Freundliche Grüße

Thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von leo_casimir am 18. Feb. 2005, 15:19 Uhr

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[quote author=Hermeneuticus ]

Hilf uns, bring bitte, bitte diesen Daily-Soap-Bandwurm von einer einer fruchtlosen Debatte, diese Lindenstraße der Philosophie, diese verbotene Liebe zur Wahrheit zum Abschluss! Biiittteeee!!

[/quote]

Genau,

das sokratische "ich weiß, dass ich nichts weiß" verdient nicht als "Deppen-Ping-Pong" in einer philosophischen "Drei-Käse-hoch-Diskursgemeinschaft" widergekäut zu werden.

Das Niveau kann eigentlich nur steigen.

grüße

leo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 18. Feb. 2005, 15:27 Uhr

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Hallo Jean-Luc!

 

Quote:Ich bin der Meinung, dass meine Beiträge qualitativ weitaus hochwertiger sind als Eure, auch wenn sie von Genialität weit entfernt sind.

Deine hohe Meinung von Dir selbst gönne ich Dir neidlos. Jedem das, was er braucht.

Aber wie wär's, wenn Du Deine Qualitäten in sachliche Beiträge investierst - ohne Dich zu scheuen, uns Minderen hier und da auch mal etwas ausführlicher zu erklären, was Du meinst? Dann hätten wir wenigstens was davon.

Gruß

H.

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 18. Feb. 2005, 15:32 Uhr

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Quote:Das Niveau kann eigentlich nur steigen.

grüße

leo

Wie meinst Du: Wir sollen uns bitteschön anstrengen, damit Du unsere Beiträge bequem zurückgelehnt genießen kannst? Oder ist das eine Vordeutung auf DEINE noch kommenden Beiträge zum Thema? Da Du noch nicht viel geschrieben hast, lässt sich in der Tat nicht ausschließen, dass Du das Diskussionsniveau künftig entschieden heben wirst.

Nur zu!

Gruß

H.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 15:36 Uhr

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Quote:Aber wie wär's, wenn Du Deine Qualitäten in sachliche Beiträge investierst - ohne Dich zu scheuen, uns Minderen hier und da auch mal etwas ausführlicher zu erklären, was Du meinst? Dann hätten wir wenigstens was davon.

 

Es ist wohl hoffnungslos. Warum sollte man hier den etwas beitragen? Zu welchem Thema denn? Innerer Wahrnehmung? Ich versuche doch die ganze Zeit zu sagen, dass hier kein Gedanke zu Ende verfolgt wird, sondern von einem Punkt zum nächsten gesprungen wird. Bestes Beispiel:

Quote:Von einer solchen Warte aus muss man nicht monatelang (eigentlich überhaupt nicht) diskutieren, was "Bedeutung" oder "Wahrheit" IST, sondern allenfalls darüber, wann es im Hinblick auf Nützlichkeitserwägungen günstig ist, von "Wahrheit" zu sprechen

 

Da ist euer Gebrabbel über Bedeutung und innere Wahrnehmung oder was auch immer noch in vollem Gange, dann kommt schon wieder der nächste an mit einer neuen Fragestellung.

Wie soll man hier etwas beitragen, wenn die wichtigsten Punkte übergangen werden und sich die Fragestellung dreht, wie das Fähnlein im Wind.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 18. Feb. 2005, 16:00 Uhr

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hallo

wer das lesen will, soll es bitte vollstaendig tun und nicht impulsiv die erstbeste reaktion niederschreiben.

mit 'innerer wahrnehmung' meine ich genau das was Dyade schreibt. dabei geht es mir nicht um irgend einen esoterischen begriff, sondern allein darum, dass im rahmen der operation mit als bekannt vorausgesetzten fakten der ungewissheitsgrad durch die physische wahrnehmung entfaellt.

was durchweg nicht verstanden wird ist meine simple absicht (ich selbst sehe das keineswegs als großartig geistreich oder schwierig an) den begriff der 'relativen wahrheit' zu entschaerfen. trivialer weise sind ZUNAECHST (ich werde das speater anders darstellen, das ist lediglich ein didaktischer vorgriff!!!) alle aussagen deren praemissen durch feststellungen im rahmen der 'inneren wahrnehmung' ermittelt wurden, intersubjektiv gueltig, waerend aussagen ueber das tatsaechlich wahrgenommene von individuum zu individuum anders interpretiert werden kann und, weshalb man hier von einer 'relativitaet der wahrheit' sprechen kann. nachdem durch die trennung der inneren wahrnehumng vom bewußtsein eine 'hälfte' des wahrheitsbegriffes von diesem relativismus abgelöst wurde, fuege ich beide bilder wieder zusammen, in dem ich sage, dass der relativismus, der durch die egoperspektive entsteht, kein relativismus des wahrheitsbegriffes ist, sondern lediglich ein relativismus der perspektiven, also das mittel mit dem man an die praemissen kommt anhand derer aussagen formuliert werden. ich habe zunaechst einen potentiellen relativismus zugelassen, in dem ich erkenntnisgewinnung von der perspektive abhaengig mache. das hat der gute jean-luc gerade um hundertachzig grad verkehrt herum verstanden, daher hat er auch das zitat

" ich behaute daher: ob etwas wahr ist oder nicht ist unabhaengig von der faehigkeit des 'wahrheitssuchers' den wahrheitsgehalt einer aussage zu ueberpruefen."

in einen exakt komplementaeren kontext eingefuegt, was moglicherweise nichteinmal an seiner tourett-syndrom aehnlichen verhaltensstoerung liegen mag sondern an einer verwirrenden formulierunmg meinerseits.

am ende trenne ich beide bereiche - wahrhaftigkeit von aussagen im rahmen der inneren und äusseren wahrnehmung - von der wahrnehmung selbst ab, wobei ich NICHT die wahrheit der definitiven wirklichkeit selbst abtrenne, sondern die wahrheit der aussagen!

und an dieser stelle bin ich grundsaetzlich anderer auffassung als jean_luc, was nicht an einer moeglichen exzentrischen geisteshaltung liegt, sondern an meiner offensichtlichen zugehoerigkeit zu vertretern eines gewissen paradigmas, was kein verbrechen gegen den guten geschmack ist und auch keine persoenliche beleidgung an jean_luc, sondern grundlage der freiheit meiner person, was j.l. offenbar zu stoeren scheint [nixweiss]

ich bin der grundlegenden auffassung, dass beurteilungen von aussagen ueber die welt nur innerhalb der menge von informationen moeglich ist, die sich aus der wahrnehmung der welt ergibt. alle sinneswahrnehumungen sind keine selbstverstaendlichkeiten, sondern sie sind eine physikalsiche (gegen-) reaktion auf die physische wechselwirkung des koerpers mit der umgebung und stellen daher zwar auf jeden fall eine teilmenge der realen wirklichkeit dar (und niemals eine illusion, wie ich von j.b gelernt habe), aber sie bilden die wirklichkeit bei weitem nicht perfekt ab.

daher sind alle aufgrund der wahrnehmung der welt erfolgenden aussagen ueber die welt zuordnungen innerhalb einer menge von informationen, die sich aufgrud eines unvollstaendigen abbildes der wirklichkeit ergeben.

also koennen aussagen nur innerhalb dieser unvollstaendigen projektion bezueglich ihres wahrheitswertes beurteilt werden.

wenn also ein rot-gruen-verwechsler eine tomate sieht, dann wird er aufgrund seiner wahrnehumng nur die aussage "diese tomate ist gruen" fuer wahr erklaeren konnen.

wenn ein 'normal' sehender mensch dem nun aufgrund seiner wahrnehmung widerspricht, dann haben wir eben keinen relativismus des wahrheitsbegriffes, sondern, gerade WEIL dieser widerspruch stattfindet, den SELBEN wahrheitsbegriff.

ich begruende das damit, dass die wahrhaftigkeit einer aussage eben nicht abhaengig von den tatsaechlichen begebenheit ist, die man eben ueberhaupt nicht anders erfassen kann als ueber die wahrnehmung (was jean_luc scheinbar nicht wahr haben will [cheesy] vielleicht spricht er ja nachts heimlich mit gott und weiss es daher besser), sondern eben nur von dem substrat an informationen das einem aufgrund seiner egoperspektivischen wahrnehmung zur verfuegung steht. ich wuesste nicht, wie man dem klaren verstandes widersprechen koennte.

anders verhaelt es sich mit der inneren wahrnehmung: sobald ich grundaxiome festgelegt habe und einen zahlenbegriff habe (beispielsweise), kann ich ohne irgendwas von der welt wissen zu muessen sagen, das 1+1 = 2 ist wenn '1', '2' und '+' entsprechend definiert sind (wichter nebensatz!)

man kann tatsaechlich meinen formulierungen unterstellen, dass ich mit 'innerer wahrnehmung' nichts anderes als formale logik und mathematik meine, das ist aber unpraezise und letzten endes falsch. die innere wahrnehumng ist, wie die aeussere, ein unvollstaendigs abbild von einer vollstaendigen menge von informationen, was sie auch gerade als 'wahrnehmung' charakterisiert. wenn innere wahrnehmung und logik identisch waeren, dann wuerde doch kein mensch einen rechenfehler begehen und niemand muesste irgendwelche mathematischen erkenntnisse muehevoll erarbeiten, da wir ja ales schon quasi ohne zeitverlußt abrufen koennten. wir waren quasi beliebig intelligent.

da dem aber nicht so ist, muss man sehr wohl die faehigkeit eines menschen aufgrund logischer operationen erkenntnisse zu gewinnen beruecksichtigen (nein, nicht im vergleich zu anderen menschen, mon chevalier. es geht allein um die feststellung DAS es so ist), sprich: gerade weil es zunaechst eine wahrnehmung als bindeglied geben muss, muss der menschlche geist fehlbar sein. in diesem sinne wahr auch das beispiel mit der division zu verstehen.

ich finde, ich habe jedes recht diesen gedanken zu aeussern und ich halte es fuer wichtig darauf hinzuweisen und ich sehe ueberhaupt nicht ein, weshalb ich es diesbezueglich verdient haben soll, von chevalier jean_luc in derart unflaetiger weise angepoebelt zu werden.

wie dem auch sei...

...an dieser stelle besteht die gefahr, dass die betrachtung innerer geistiger vorgaenge als triviales analogon zur aeusseren wahrnehumung gesehen werden kann, was eben keineswegs meine absicht ist: wohlgemerkt bezeichne ich mit innerer wahrnehmung erkenntnisgewinnung, die unabhaengig von der wahrnehmung der welt stattfinden kann. daher ist sie frei von jeglichem relativismus, denn es gibt ueberhaupt keinen grund etwas nicht stoffliches, also einen selbstkonsistenten begriff perspektivisch zu unterscheiden. in diesem fall liegt es einzig und allein an der schaerfe des verstandes, ob man im stande ist gewisse aussagen zu formulieren oder nicht, da der verstand, befreiht von der 'verwirrenden' und 'vernebelnden' wirklichkeit, sich selbst sofort lügen straft, sollte irgend eine falsche behauptung aufgestellt werden, es sei denn die innere wahrnehumng ist nicht 'leistungsfaehig' (in welchem sinne auch immer) genug, um seamtliche parameter, die bei der formulierung eines terms beliebiger komplexitaet beruecksichtigt werden muessen, zu erfassen.

da es offensichtlich so ist, dass die 'logische kapazitaet' des menschlichen geistes aus physikalsichen gruenden (die oberflaeche des gehirns ist endlich, daher ist auch das gedaechtnis und der verstand endlich) begrenzt ist, habe ich absolut recht, wenn ich zwischen erkenntnis und logik noch eine faehigkeit stecke, die zwischen beiden vermittelt und die gleichsam imperfektion bedingt und somit die faelschliche auffassung von einem relativismus der wahrheit liefern kann.

da die innere wahrnehmung also ebenfalls fehlbar ist, ebenso wie die äusser wahrnehmung, koennte man auch hier her gehen und von einem relativismus sprechen (ich hoffe der leser bemerkt nun, dass ich diese trennung vor allem vollzogen habe, um zwei trennbare bereiche gesondert zu untersuchen, schon aus methodischen gruenden. es draengt sich schlicht auf es so zu machen und nicht anders). gerade am beispiel der inneren wahrnehmung wird einem nunmehr klar, dass diese fehlbarkeit, die zu einem vermeintlichen relativismus fuehrt, nichts anders ist als ein relativismus der praemissen. der fehlbare verstand uebersieht variablen, die im rahmen eines terms beruecksichtigt werden sollten und formuliert den term aber richtig, das heisst der wahrheitsbegriff ist wieder der selbe!

hierzu eine erläuterung: die praemissen A,B,C,D werden ueber eine zuordnungsvorschrift (die wieder auf der basis anderer praemissen gewonnen wird. ich spreche daher von einem aufbauenden system und betrachte einen auszug. alle ausfuehrungen innerhalb des auszugs repraesntieren die verfahren innerhalb des gesamtsystems unter diesem aspekt. es besteht daher kein grund alles exakt bis in die kleinsten veraestelungen komplett zu definieren, mon chevalier! erkenne er doch bitte endlich einmal das sich wiederholende muster)... die zuordnungsvorschrift f(A,B,C,D) = Y in eine bildmenge verarbeitet. daneben gebe es weitere zwangskriterien, wie g(A,B,C,D) = Z und so weiter. wenn in der aussage f=Y nun ein parameter fehlt, ist das gesamtsystem eine verkettung falscher aussagen. die einzelnen aussagen fuer sich betrachtet koennen aufgrund der richtigen verwendung der zuordnungsvorschriften sehr wohl in sich richtig sein, aufgrund der referenz zu den restlichen datensaetzen aber zu absurden aussagen fuheren! das heisst der wahrheitsbegriff fuer eine aussage f(A,D)=Y' (Y' isomorph zu Y), in der die parameter B und C fehlen, bleibt der selbe. sobald ich aber aus einer verkettung einer reihe von isolierten aussagen (in diesem fall gleichungen, also eben nicht nur tautologieen) eine referenz ueber den wahrheitswert des gesamtsystems erhalte, stelle ich fest, dass die gesamtaussage falsch ist.

die parameter B und C koennen nun schlicht und einfach aufgrund der fehlbarkeit des verstandes 'uebersehen' worden sein.

wenn also eine person eine wahrnehmungsunabhaengige behauptung aufstellt und eine andere dem widerpricht, dann doch gerade deshalb, weil der wahrheitsbegriff fuer beide personen ein und der selbe ist, es untererscheiden sich lediglich die daten, die fuer die praemissen, die den jeweiligen aussagen zugrunde liegen und zwar augrund untrschiedlicher momentanleistungen des verstandes. das muss nichteinmal bedeuten, dass ueberhaupt eine von beiden aussagen richtig ist. man fixiere bitte einzig und allein den gedanken der relativitaet des wahrheitsbegriffes, also die potentielle unterscheidbarkeit

der dazu moegliche einwand waere, dass man eben nicht nur durch uebersehen einiger parameter denk- oder rechenfehler begehen kann. dazu will ich jetzt nichts unmittelbar schreiben, da ansonsten der rahmen des praktikablen gesprengt werden würde.

ich bedankte mich bei allen, die die geduld aufgebracht haben ernsthaft zu versuhen mir zu folgen.

mfg, flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 18. Feb. 2005, 16:01 Uhr

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Hallo Jean-Luc!

 

Quote:Wie soll man hier etwas beitragen, wenn die wichtigsten Punkte übergangen werden und sich die Fragestellung dreht, wie das Fähnlein im Wind.

Du musst ja nicht auf alles antworten, was gesagt wird. Such Dir die Punkte aus, die Du wichtig findest.

Die Pluralität der persönlichen Standpunkte und philosophischen Richtungen gehört nun einmal zu den Gegebenheiten einer öffentlichen Diskussion. Damit muss man als Teilnehmer umgehen können. Es steht Dir natürlich frei, eine eigene Website zu gründen, wo dann keine "Brabbler" zugleassen sind und jeder genau nach Deinen Regeln und in Deiner philosophischen Richtung diskutiert...

Wenn man von einer schulischen Lernsituation ausgeht - und womöglich einer, die obendrein einer geschlossenen philophischen "Scholastik" zuzurechnen ist, so dass Fragestellungen, Methoden, Terminologie einen festen gemeinsamen Rahmen abstecken -, dann wird einem ein solcher freier Austausch leicht als chaotisches Gebrabbel vorkommen. Aber diese offene Vielstimmigkeit lässt dafür auch jedem die Freiheit, in seinen Beiträgen ganz den eigenen Überzeugungen zu folgen.

Vielleicht überlegst Du Dir einmal, ob es nicht nur eine wichtige soziale, sondern auch PHILOSOPHISCHE Kompetenz ist, mit besagter offenen Vielstimmigkeit konstruktiv und flexibel umzugehen.

Gruß

H.

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 18. Feb. 2005, 16:06 Uhr

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Lindenstraße der Philosophie (rofl) genau

Folge 45000

Inhalt:

nachdem Herr Plato in Folge 100 gestorben ist sowie Herr Aristoteles in Folge 120, streiten sich ihre Enkel und Urenkel nun schon seit 44900 resp. 44880 Folgen um ihr Erbe. Zwischenzeitlich schien der Erbanspruch von Vetter Augustinus, oder durch dessen Mutter geregelt. Aber Bruder Thomas aus Paris focht das Erbe wiederum an bis ein entfernter Verwandter Namens Cartesius (etwa in Folge 30000) erneut Ansprüche erhob. Erst ein Bruder aus Ostpreussen Namens Kant schien den Erbschein endgültig ausstellen zu können, aber einer seiner Vettern Namens Hegel meinte das bestimmte Teile der Verwandschaft dabei nicht recht bedacht seien. Vor ca. 1000 Folgen merkte dann Onkel Heidegger, das wir garnicht mehr wissen was eigentlich vererbt werden soll. Er sagt: "Nur ein Erbschaftsgericht kann uns noch retten". Seit dem will eigentlich keiner mehr so recht etwas von Erbschaft wissen. Manche sagen es würden ohnehin nur Schulden vererbt. Aber so genau weiß das keiner mehr.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 17:09 Uhr

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Quote:Vielleicht überlegst Du Dir einmal, ob es nicht nur eine wichtige soziale, sondern auch PHILOSOPHISCHE Kompetenz ist, mit besagter offenen Vielstimmigkeit konstruktiv und flexibel umzugehen.

 

Das ist doch bloße pädagogische Phrasendrescherei. Soziale Kompetenzen sind Humbug. Philosophische Kompetenz hat hier sowieso niemand.

 

Quote:Die Pluralität der persönlichen Standpunkte und philosophischen Richtungen gehört nun einmal zu den Gegebenheiten einer öffentlichen Diskussion

 

Blablabla! Du hast meinenn Punkt immer noch nicht verstanden. Es geht darum, das man nicht nach Belieben irgendwelche Theorien oder Ansichten anführt, sondern nur die, die für das Thema relevant sind. Weißt du was ich damit meine? Weißt du was es heißt problemorientiert zu diskutieren?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 17:15 Uhr

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(R*)Wahrheit ist relativ!

Auch (R*) selbst ist relativ.

Warum hat der Satz den dann irgendeine Bedeutung für mich, (R*) ist nur für dich wahr, nicht für mich.

Nein, denn (R*) ist relativ, zu einer Eigenschaft, die du besitzt. Deshalb gilt (R*) auch für dich.

So versucht Nozick eine relativistische Wahrheitsauffasung zu formulieren, die keine absoluten Wahrheiten zulässt, im Gegensatz zu (R).

Ist diese Position kohärent? Ist sie überhaupt sinnvoll?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 18. Feb. 2005, 17:39 Uhr

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Hallo gershwin (" Thomas g" ist offenbar nicht markant genug),

meine Frage an Dich: Artgenosse Alpha hat zu mir gesagt: "Artgenosse Omega hat Deine Wintervorräte gemopst" aber Omega bestreitet das. Er behauptet: "Das ist ja gar nicht wahr. Alpha ist es selber gewesen!" Auf welche Aussage soll ich mich nun verlassen?

fragt Eberhard als Produkt von Millionen und Abermillionen immer erfolgreichen Vermehrungsvorgängen?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 18. Feb. 2005, 17:53 Uhr

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hallo jean_luc

 

 

on 02/18/05 um 17:15:29, Jean_Luc wrote:(R*)Wahrheit ist relativ!

Auch (R*) selbst ist relativ.

Warum hat der Satz den dann irgendeine Bedeutung für mich, (R*) ist nur für dich wahr, nicht für mich.

Nein, denn (R*) ist relativ, zu einer Eigenschaft, die du besitzt. Deshalb gilt (R*) auch für dich.

So versucht Nozick eine relativistische Wahrheitsauffasung zu formulieren, die keine absoluten Wahrheiten zulässt, im Gegensatz zu (R).

Ist diese Position kohärent? Ist sie überhaupt sinnvoll?

 

wieso bemühst du dich nicht selbst um eine verifikation der kohärenz dieser darstellung?

trivialer weise können aussagen sowohl für sich genommen wahr sein, als auch kontextvariant.

wenn eine aussage R* von A relativ zu einer eigenschaft von B ist, dann gilt R* über A für B zwar notwendigerweise aus der perspektive von A, jedoch nicht notwendigerweise aus der perspektive von B.

ich bezweifle daher, dass dies die vollstaendige darstellung des herrn notick sein soll.

intersubjektiv gültige aussagen sind bendrein noch nicht notwendigerweise absolut wahr. eine aussage ist genau denn wahr (und absolut wahr) wenn ihre verifikation nicht auf widersprüche zu den prämissen führt. wenn wir eine aussage in einer dualität vorfinden, wie bei der aussage R* von A über B, dann kann R* im ramen der für A und B geltenden prämissen nur dann wahr und absolut wahr sein, wenn die prämissen von A und B sich nicht widersprechen. das heisst sie müssen identisch oder zumindest kongruent sein.

insbesondere folgt aus der von dir erwaenten darstellung nicht notwendigerweise, dass dadurch absolute wahrheiten ausgeschlossen sind. dies ist in dem schluss

" Nein, denn (R*) ist relativ, zu einer Eigenschaft, die du besitzt. Deshalb gilt (R*) auch für dich."

schlicht nicht enthalten.

ich habe mir deine ganzen beitrage angesehen und ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich sie nicht sonderlich herausragend finde. sie sind zwar oft einfacher und daher klarer als die meinen und du integrierst viel querverweise, was auf grosse belesenheit schliessen laesst (diese aber nicht belegt), aber du formulierst so gut wie nichts vollstaendig aus. du laesst also einfach den wesentlichen teil weg, präsentierst ein unfertiges bild und hälst deine beiträge dann für 'zielstrebeig' und 'themenbezogen'.

fakt ist, dass der einzige der hier unruhe, chaos und abweichungen vom thema verursacht du selbst bist. das sage ich dir voellig ohne boßheit und ohne erregtes gemuet. so stellt es sich fuer mich dar.

darueber hinaus, kannst du nicht im entferntesen mit den klaren und kompakten und dennoch nicht übersimplifizierenden formulierungen von hermeneuticus oder eberhart konkurrieren und schon gar nicht mit der sprachgewandheit von thomas und L. XV. ich kann daher nicht erkennen, dass du dich qualitativ in irgend einer form hier besonders hervortust, was aber auch nicht heisst, dass du deutlich schlchter bist, abgesehen von deinem bödsinnigen gestänker. du beschraenkst dich lediglich auf einfache, schlagwortartige begriffe, was es natuerlich leichter für dich macht. aber das kannst du ja immernoch aendern, dem steht nichts im wege.

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 18. Feb. 2005, 19:10 Uhr

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Hallo allerseits, hallo Hermeneuticus,

Du schreibst:

" Gerade WENN man ein empiristisches Konzept von "Wirklichkeit" hat, dürfte es schwierig werden, die Bedeutung von Sätzen unter deren "Eigenschaften" einzureihen. Und erst recht dürfte dies schwierig sein für ein metasprachliches Prädikat (" Wahrheit" ), das sich auf die Beschaffenheit einer Bedeutung eines Satzes bezieht. … Also, Ihr Empiristen - wie ist das mit den "Eigenschaften" von Sätzen? Und ist "Wahrheit" eine davon? Erklärt es mir!"

Auf die Gefahr hin, mich in manchem wiederholen zu müssen, hier meine Antwort auf Deine Frage:

Fragen danach, ob etwas ist und wenn ja, wie es beschaffen ist, nenne ich "positive" Fragen (= Fragen nach dem "Gegebenen" ). Die Antworten auf positive Fragen nenne ich positive Aussagen oder Aussagen über die Beschaffenheit der "Wirklichkeit" (worunter ich die Gesamtheit dessen, was ist, und auch dessen, was war oder sein wird, verstehe).

Wenn wir Fragen stellen, geht es uns nicht darum, IRGENDWELCHE Antworten zu bekommen, sondern wir suchen solche Antworten, auf die wir möglichst lange - am besten immer - vertrauen können. Wir suchen nach Antworten, bei denen wir nicht mit unerwarteten Wahrnehmungen konfrontiert werden, wenn wir sie in unser Weltbild aufnehmen und unserem Denken und Handeln zugrunde legen.

Und da wir soziale Wesen sind, die mit anderen Menschen in praktischen Tätigkeiten aber auch in der Informationsgewinnung über die uns umgebende Welt kooperieren, suchen wir nach Antworten, auf die man sich nicht nur selber verlassen kann, sondern auf die sich auch andere verlassen können.

Etwas akademischer ausgedrückt: Ich suche nach intersubjektiv und intertemporal gültigen Antworten auf meine positiven Fragen (also Fragen, nach dem was ist, wie es ist und warum es ist, ob es vermeidbar oder veränderbar ist, ob etwas gewesen ist, warum es gewesen ist, welche Folgen es hat, ob etwas sein wird etc.)

Solche Sätze (mit einer bestimmten Bedeutung), bzw. die in diesen Sätzen enthaltenen Aussagen, die auf positive Fragen derart intersubjektiv und intertemporal (d. h. "allgemein" ) gültige Antworten geben, zeichne ich als "wahr" aus.

Diese Auszeichnung eines Satzes als "wahr" enthält die Empfehlung an jedes Individuum, diesen Satz in das eigene Weltbild zu übernehmen.

Ob ein Satz "wahr" ist, ist deshalb keine Frage, die man durch Wahrnehmungen dieses Satzes entscheiden kann, so wie man dies bei der Frage tun kann, ob ein Satz mehr als 10 Wörter umfasst oder ob er einfach oder zusammengesetzt ist. Es handelt sich nicht um die Behauptung einer empirischen Eigenschaft des Satzes, sondern es ist eine Aussage über den erkenntnismäßigen Status dieses Satzes.

Wenn wir nach "wahren" Antworten auf unsere Fragen suchen, dann ist der Begriff der Wahrheit der zentrale Begriff für einen besonderen Bereich von Fragen, nämlich Fragen danach, wie man positive Fragen beantworten kann.

Diesen Bereich nenne ich "Methodologie der positiven (Erfahrungs-) Wissenschaften".

Soviel erstmal für heute (zum "ontologischen Status" von Sinn und Bedeutung später).

Grüße an alle, die noch einigermaßen Durchblick in diesem Getümmel haben

von Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 19:19 Uhr

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Quote:wenn eine aussage R* von A relativ zu einer eigenschaft von B ist, dann gilt R* über A für B zwar notwendigerweise aus der perspektive von A, jedoch nicht notwendigerweise aus der perspektive von B.

 

Nein eben nicht, das ist ja gerade die Pointe! Wenn (R*) relativ ist zu einer Eigenschaft von B, dann gilt (R*) auch für B, denn sie ist ja relativ zu einer Eigenschaft, die B beitzt. Und (R*) ist nicht relativ zu einer Eigenschaft von B weil A das einfach so behauptet. Es ist stattdessen vorausgesetzt, dass (R*) relativ zu einer Eigenschaft von B ist. Genau diesen Einwand, den du vorgebracht hast soll dieses Argument ja entkräften. Dein Einwand beruht also auf einem Missverständnis. Du hast das so ausgelegt, als sei (R*) nur deshalb relativ zu einer Eigenschaft von B, weil A das behauptet. Aber wie gesagt, zum Zwecke des Argumentes muss man annehmen, das (R*) relativ zu B ist. Dann scheint das Argument prima facie kohärent zu sein, womit natürlich noch nicht gesagt ist, dass diese Position wahr ist.

 

Quote:intersubjektiv gültige aussagen sind bendrein noch nicht notwendigerweise absolut wahr.

 

Ich weiß nicht genau, was du damit sagen willst, aber eines sei gleich klargestellt. (R*) beansprucht weder absolut wahr zu sein, ganz im Gegenteil, noch fordert (R*), dass es auch nur eine absolute Wahrheit gibt, stattdessen fordert (R*) ganz ausdrücklich, dass es keine einzige absolute Wahrheit gibt, nicht einmal (R*) selbst. Denn die Intention die hinter (R*) steht ist ja gerade die, eine relativistische Wahrheitsauffasung zu formulieren, die kohärent ist und trotzdem keine absolutistischen Zugeständnisse machen muss, so wie (R).

Wenn du der Meinung bist das aus (R*) nicht folgt, das es keine absolute Wahrheit gibt, dann kann man diese Position auch noch genauer formulieren. (R**)Es gibt keine absoluten Wahrheiten und Wahrheit ist relativ und (R**) ist auch relativ.

Also scheint die Position doch kohärent zu sein oder nicht?

 

 

post scriptum: Es stimmt mich hoffnungsvoll, das du dir meine Beiträge angesehen hast und mit einem Kommentar versehen hast. Es mag sein, das meine Beiträge teilweise etwas elliptisch formuliert sind. Wenn es zur besseren Verständlichkeit beiträgt kann ich versuchen meine Standpunkte etwas ausführlicher darzustellen. Ich denke ich habe hier nichts wesentliches weggelassen.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 19:29 Uhr

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Na Na Na her fffllooo,

da wird doch wohl nicht jemand die Argumente untern Tisch fallen lassen.

Welchen Beitrag von dir meinst du?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 18. Feb. 2005, 19:33 Uhr

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Ja,ich wusste nicht,dass du meine Kurznachricht schon erhalten hast.

Aber könntest du vielleicht den Begriff der inneren Wahrnehmung noch etwas spezifizieren?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von gershwin am 18. Feb. 2005, 20:26 Uhr

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Hi Eberhard

Quote:Auf welche Aussage soll ich mich nun verlassen

Noch mal sorry, dass ich das vergessen hatte. Da fehlt doch völlig der Kontext in Deiner Frage, oder er ist zumindest sehr unvollständig (ein Sherlock Holmes oder eigentlich jeder vernünftige Mensch würde versuchen, mehr Kontextdaten zu erlangen). Oder einfach: Fall beispielsweise ich Dir sagen würde: "Omegas Antwort ist unwahr", darauf könntest Du Dich dann verlassen. Sag ich jetzt einfach so mal.

Aus Deiner Sicht wäre das allerdings leichtsinnig, denn Du kennst mich ja nicht. Das ist übrigens aus soziobiologischer Sicht eine Hauptfunktion des Tratsch und Klatsch: Daten zu sammeln, die es erlauben, die Vertrauenswürdigkeit unserer Mitmenschen (und damit auch deren Aussagen) besser abschätzen zu können. Dyade und H. könnten Dir z. B. sagen: Was der gershwin so daherbrabbelt, das brauchst Du gar nicht beachten, das ist gewöhnlich hinterwäldlerischer Unsinn. Dann stündest Du im Alpha-Omega-Fall jedoch genauso ratlos da wie zuvor.

Freundliche Grüße

Thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 18. Feb. 2005, 20:43 Uhr

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hallo jean_luc

 

on 02/18/05 um 19:19:09, Jean_Luc wrote:Nein eben nicht, das ist ja gerade die Pointe! Wenn (R*) relativ ist zu einer Eigenschaft von B, dann gilt (R*) auch für B, denn sie ist ja relativ zu einer Eigenschaft, die B beitzt. Und (R*) ist nicht relativ zu einer Eigenschaft von B weil A das einfach so behauptet. Es ist stattdessen vorausgesetzt, dass (R*) relativ zu einer Eigenschaft von B ist. Genau diesen Einwand, den du vorgebracht hast soll dieses Argument ja entkräften. Dein Einwand beruht also auf einem Missverständnis. Du hast das so ausgelegt, als sei (R*) nur deshalb relativ zu einer Eigenschaft von B, weil A das behauptet. Aber wie gesagt, zum Zwecke des Argumentes muss man annehmen, das (R*) relativ zu B ist. Dann scheint das Argument prima facie kohärent zu sein, womit natürlich noch nicht gesagt ist, dass diese Position wahr ist.

 

das ist präzise der punkt. deiner letzten darstellung fehlte die voraussetzung, dass R* als relativ zu einer eigenschaft von B festgelegt wurde. ohne die kenntnis um diesen umstand konnte ich nur den schluss ziehen, den ich eben gezogen habe. ich dachte mir uebrigens schon, dass das fehlt.

nachdem du das nun ergaenzt hast, ist zweifelsfrei die richtigkeit dieser behauptung verifizierbar.

ich halte diese relativistische darstellung anhand zweier schwachstellen jedoch für unrichtig:

1. es ist keine real existierende situation denkbar, in der R*eindeutig als relativ zu einer eigenschaft zu B gezeigt werden kann; und zwar ganz einfach deshalb weil dies zumindest von A auch so erkannt werden muss. d. h., in absolutem sinne gewußt werden muss. es gilt ferner, dass R* nur dann 'relativ' zu B sein kann und dennoch für B ebenso gelten muss, wenn die zwischen den zeilen steckende aussage: "R* ist relativ zu B" eine absolute wahrheit ist, da sie a priori als vorausgesetzt gelten muss. ansonsten greift meine erste gegenargumentation und die eingangsbehauptung ist als falsch gezeigt. demnach ist dieses system nur scheinbar ein system von aussagen, die releativen wahrheitswert haben. für sich genommen stimmt die behauptung trotzdem, da sie widerspruchsfrei ist. es ist nur so, dass sie nicht unabhaengig von einem übergeordneten system ist, in dem die besagte voraussetzung als absolute wahrheit auftreten muss.

natürlich habe ich verstanden, dass R* als ein ein relativismus definiert ist, sonst haette ich die erste bemerkung ja gar nicht korrekt (ohne die zusatzbedingung, das R* relativ zu B a priori feststeht) verfassen koennen ;-)

2. "(R**)Es gibt keine absoluten Wahrheiten und Wahrheit ist relativ und (R**) ist auch relativ."

das ist keine verifizierbare aussage, sondern eine zyklische definition. sie ist aber, wie du selbst festgestellt hast, fundamental für dieses relativistische bild. daher fehlt dieser darstellung im grunde jegliche basis, da alle logischen konzepte im rahmen dieses bildes auf die unter 2. zitierte behauptung zurueckgefuehrbar sind (sein müssen!) und somit auf eine sinnlose tautologie reduziert werden können. das tangiert jedoch nicht die richtigkeit der eingangsbehauptung, da diese selbst nicht um bedingung [" R* ist relativ zu B" ist (absolut) wahr] erweitert ist. insbesondere ist letztere sogar ein postulat, da diese bedingung a priori gelten muss. das muss für die verfassung eines allgemeingültigen konzeptes vorausgesetzt sein.

mfg flo

 

p.s. sorry gershwin. ich hab das jetz doch noch drübergepostet, weil ich im nachhinein so viel ergänzt habe. macht dir ja sicher nichts aus, da du dich ja explizit an eberhard richtest und niocht an die allgemeinheit.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Thomasino am 18. Feb. 2005, 20:45 Uhr

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[hairstand] [???] [angry]

Jean_Luc, alles in Ordnung?!?

Hast du eigentlich nichts bessres zu tun, als den ganzen Tag Leute zu beleidigen? Ich glaube, es wäre gut, dich zu entschuldigen und sowas in Zukunft bitte sein zu lassen.

In diesem Forum gibt es eine Nettiquette!

Daran kannst auch du dich halten.

Der eine oder andere Gedanke von dir war doch brauchbar.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Sheelina am 18. Feb. 2005, 21:23 Uhr

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on 02/18/05 um 16:06:36, Dyade wrote:... nachdem Herr Plato in Folge 100 gestorben ist sowie Herr Aristoteles in Folge 120, streiten sich ihre Enkel und Urenkel nun schon seit 44900 resp. 44880 Folgen um ihr Erbe. Zwischenzeitlich schien der Erbanspruch von Vetter Augustinus, oder durch dessen Mutter geregelt. Aber Bruder Thomas aus Paris focht das Erbe wiederum an bis ein entfernter Verwandter Namens Cartesius (etwa in Folge 30000) erneut Ansprüche erhob. Erst ein Bruder aus Ostpreussen Namens Kant schien den Erbschein endgültig ausstellen zu können, aber einer seiner Vettern Namens Hegel meinte das bestimmte Teile der Verwandschaft dabei nicht recht bedacht seien. Vor ca. 1000 Folgen merkte dann Onkel Heidegger, das wir garnicht mehr wissen was eigentlich vererbt werden soll. Er sagt: "Nur ein Erbschaftsgericht kann uns noch retten".

 

 

 

Quote:Seit dem will eigentlich keiner mehr so recht etwas von Erbschaft wissen. Manche sagen es würden ohnehin nur Schulden vererbt. Aber so genau weiß das keiner mehr.

 

Das ist wahr. Vererbt wurden nur die Schulden. Und wenn Zeit Geld ist, dann waren und sind wohl die Philosophen und Philosophinnen die größten Geldwäscher. Mal von staatlicher, mal von mafiöser oder sonstiger Gewalt gejagt. Ich kann nur jedem empfehlen, das Erbe auszuschlagen, aber richtig gefragt wurde doch eigentlich niemand, oder? Und selbst wenn, das Ausmaß der Abarbeitung dieser Schulden, hätte keiner vorher erfassen können. Ich würde sagen wollen, das war einmal, auch wenn`s kein Märchen ist. Und das alles nun für den einen Cent ... aber der ist goldwert.

au revoir (schreibt man das so?)

Lina [cool]

 

 

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 18. Feb. 2005, 21:48 Uhr

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hallo,

 

on 02/18/05 um 19:10:06, Eberhard wrote:

Fragen danach, ob etwas ist und wenn ja, wie es beschaffen ist, nenne ich "positive" Fragen (= Fragen nach dem "Gegebenen" ). Die Antworten auf positive Fragen nenne ich positive Aussagen oder Aussagen über die Beschaffenheit der "Wirklichkeit" (worunter ich die Gesamtheit dessen, was ist, und auch dessen, was war oder sein wird, verstehe).

Wenn wir Fragen stellen, geht es uns nicht darum, IRGENDWELCHE Antworten zu bekommen, sondern wir suchen solche Antworten, auf die wir möglichst lange - am besten immer - vertrauen können. Wir suchen nach Antworten, bei denen wir nicht mit unerwarteten Wahrnehmungen konfrontiert werden, wenn wir sie in unser Weltbild aufnehmen und unserem Denken und Handeln zugrunde legen.

Und da wir soziale Wesen sind, die mit anderen Menschen in praktischen Tätigkeiten aber auch in der Informationsgewinnung über die uns umgebende Welt kooperieren, suchen wir nach Antworten, auf die man sich nicht nur selber verlassen kann, sondern auf die sich auch andere verlassen können.

Etwas akademischer ausgedrückt: Ich suche nach intersubjektiv und intertemporal gültigen Antworten auf meine positiven Fragen (also Fragen, nach dem was ist, wie es ist und warum es ist, ob es vermeidbar oder veränderbar ist, ob etwas gewesen ist, warum es gewesen ist, welche Folgen es hat, ob etwas sein wird etc.)

Solche Sätze (mit einer bestimmten Bedeutung), bzw. die in diesen Sätzen enthaltenen Aussagen, die auf positive Fragen derart intersubjektiv und intertemporal (d. h. "allgemein" ) gültige Antworten geben, zeichne ich als "wahr" aus.

Diese Auszeichnung eines Satzes als "wahr" enthält die Empfehlung an jedes Individuum, diesen Satz in das eigene Weltbild zu übernehmen.

Ob ein Satz "wahr" ist, ist deshalb keine Frage, die man durch Wahrnehmungen dieses Satzes entscheiden kann, so wie man dies bei der Frage tun kann, ob ein Satz mehr als 10 Wörter umfasst oder ob er einfach oder zusammengesetzt ist. Es handelt sich nicht um die Behauptung einer empirischen Eigenschaft des Satzes, sondern es ist eine Aussage über den erkenntnismäßigen Status dieses Satzes.

Wenn wir nach "wahren" Antworten auf unsere Fragen suchen, dann ist der Begriff der Wahrheit der zentrale Begriff für einen besonderen Bereich von Fragen, nämlich Fragen danach, wie man positive Fragen beantworten kann.

 

ich finde, dass man es sich überlegen sollte das oben zitierte als grundvoraussetzung für eine weiterführende diskussion festzuhalten. denn egal wie die meinungsverschiedenheiten auch immer aussehen mögen, man muss eigentlich alle nebendiskussionen sofort abbrechen, wenn man sich über die von eberhart genannten grundlagen des wahrheitsbegriffes nicht einig ist. sollte es nicht möglich sein, sich auf diese zusammenfassung zu einigen, dann macht es eigentlich keinen sinn sich über details zuerst zu streiten, da das ja wohl einen absolut fundamentalen charakter hat. wenn dem also nicht zugestimmt werden kann, dann sollte die weiterführende diskussion sich konsequenter weise um den inhalt obigen zitats drehen. ich selbst bin im übrigen schlampigerweise davon ausgegangen, dass man selbstverstaendlich den inhalt einer aussage meint und nicht den 'informationstraeger' (den satz) auch noch. ich finde diese zusammenfassung sehr gut gelungen und schliesse mich für meinen teil inhaltlich ohne einschränkung an. ich würde dann aber beispielswiese auch gern mit der

begriffsschöpfung 'positive aussage' weiterarbeiten können, ohne dass an diesem punkt wieder neue nebendiskussonen entstehen. daher meine aufforderung an alle sich auf diesen stand der dinge zu einigen (würde auch der übersichtlichkeit sehr dienlich sein).

 

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 18. Feb. 2005, 22:46 Uhr

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Hallo gershwin,

ich hatte gehofft, dass Du angesichts von "Hü!" oder "Hott!" auf die Frage stößt: "Wer hat von den beiden nun recht?", aber diese Frage stellst Du wieder nur indirekt als die Frage "Wem von den beiden kann man trauen?"

Welches sind für Dich Kriterien für die Wahrheit einer Aussage über die Welt bzw. Ausschnitte daraus? Wie kann man begründen oder bestreiten, dass etwas so-und-so ist?

Es grüßt Dich Eberhard.

p.s.: Hallo flo, mein letzter Beitrag ist ein Beitrag unter anderen Beiträgen und es bleibt jedem freigestellt, ob er sich damit auseinandersetzen will oder die vorgeschlagene Terminologie übernehmen will oder nicht.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 18. Feb. 2005, 22:55 Uhr

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hi,

 

 

on 02/18/05 um 22:46:40, Eberhard wrote:Hallo flo, mein letzter Beitrag ist ein Beitrag unter anderen Beiträgen und es bleibt jedem freigestellt, ob er sich damit auseinandersetzen will oder die vorgeschlagene Terminologie übernehmen will oder nicht.

 

natuerklich bleibt es jedem freigestellt. es geht auch gar nicht darum irgendwelche begriffe festzulegen. es geht lediglich um die feststellung, dass man gewisse nebendiskussionen hier gar nicht zu fueren braucht, wenn nichteinmal darueber gewissheit herrscht, ob man mit 'wahrheit einer aussage' nur von der aussage oder auch dem satz selbst spricht. ich verstehe nicht, wieso das deiner meinung nach irgendjemandes freiheiten einschränken soll. es ist nur so, dass deine antwort fuer hermenuticus zufaelliger weise eine gute zusammenfassung enthaelt, die ich eben zitiert habe. ich hatte mir schon selbst ueberlegt eine zusammenfassung anzufertigen und die frage in den raum zu stellen worauf man sich bisher einigen kann. das hat nichts damit zu tun, dass die individuelle formulierungsfreiheit eingeschränkt werden soll. wenn du nicht willst, dass ich diesen vorschlag auf ein zitat von dir begruende, dann mache ich eben eine eigne zusammenfassung bei zeiten.

haben wir uns jetzt verstanden?

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von General_Momsen am 19. Feb. 2005, 12:47 Uhr

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Quote:Hallo flo, mein letzter Beitrag ist ein Beitrag unter anderen Beiträgen und es bleibt jedem freigestellt, ob er sich damit auseinandersetzen will oder die vorgeschlagene Terminologie übernehmen will oder nicht.

 

Da stimme ich dir schon zu aber ich muss auch flo recht geben, das ist ein Beitrag, der sehr schön ein Fundament absteckt, auf dem man über Wahrheit diskutieren kann. Es eignet sich schon deshalb, die Terminologie zu übernehmen, ganz einfach aus praktischen Gründen, und die ist ja auch sehr sinnvoll gewählt.

 

Quote:Fragen danach, ob etwas ist und wenn ja, wie es beschaffen ist, nenne ich "positive" Fragen (= Fragen nach dem "Gegebenen" ). Die Antworten auf positive Fragen nenne ich positive Aussagen oder Aussagen über die Beschaffenheit der "Wirklichkeit" (worunter ich die Gesamtheit dessen, was ist, und auch dessen, was war oder sein wird, verstehe).

 

 

Quote:" (R**)Es gibt keine absoluten Wahrheiten und Wahrheit ist relativ und (R**) ist auch relativ."

 

Als Forumsneuling bin ich erstaunt über das hohe Niveau hier und die ausgesprochen interressanten Beiträge. Gimme some more!Ich werde mich sicherlich schnellstmöglich einschalten, sobald ich kapiert hab worumms hier grade geht (Muss wohl erst mal die anderen Wahrheitsthreads aufarbeiten [confused]).

Schöne Grüße allerseits euer General!! [grin]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Atakan am 19. Feb. 2005, 13:23 Uhr

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Hallo Leute,

mich juckt es ja gewaltig den aktuellen stand des Diskurses nachzuvollziehen, wenn da nicht diese unmenge an zeitverbrauchender und geduldstrapazierender Lesearbeit wäre.

Ich wäre doch unendlich dankbar wenn sich ein forum kollege zur selbstlosigkeit erklärt mal prägnant die problematik zu rekapitulieren.

Mit der Bitte um Verständnis verbleibe ich weiterhin in Ehrfurcht

vor dem gewaltigen philosophischen Geist der diesem forum innewohnt

 

Atakännchen

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 19. Feb. 2005, 21:07 Uhr

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Hallo Hermeneuticus,

Du fragst uns "Empiristen", welchen Platz Bedeutungen in der Wirklichkeit haben. Die Bedeutung eines Satzes z. B. ist nicht in der gleichen Weise sinnlich wahrnehmbar wie die Laute, aus denen der Satz akustisch besteht. Wenn nur das wirklich sein soll, was sinnlich wahrnehmbar ist, dann wären Bedeutungen nichts Wirkliches!?!

Es ist in der Tat eine Frage, die der Klärung bedarf. Ich fühle mich zwar nicht als "Empirist" (andere würden mich als Normativist bezeichnen, wenn sie unter der Rubrik "Ethik" nachsehen), aber ich bin in der Tat der Meinung, dass Aussagen über die Beschaffenheit der Wirklichkeit direkt oder indirekt mit unseren Wahrnehmungen vereinbar sein müssen. Dabei ist mit "indirekt" gemeint, dass viele Begriffe und Aussagen, die unser Weltbild ausmachen, nicht direkt wahrnehmbar sind, sondern theoretische (bzw. hypothetische) Konstrukte sind: Noch niemand hat Röntgenstrahlen, Elektronen, Tatmotive, Intelligenz oder das Bruttosozialprodukt gesehen. Trotzdem gehören diese Begriffe fest zu unserem Bild von der wirklichen Welt. Sie sind Bestandteile von erfahrungswissenschaftlichen Theorien. Mit diesen Begriffen lassen sich Aussagen über bestehende Regelmäßigkeiten formulieren, die unsere direkten Wahrnehmungen erklären.

Wenn man die Bedeutung eines Satzes nicht direkt sehen oder hören kann, wie kann man die Bedeutung eines Satzes dann herausfinden? Wie WuWei bereits betont hat, ist eine Bedeutung immer an Subjekte gebunden, die einem bestimmten Ding, z. B. dem "!", eine bestimmte Bedeutung GEBEN. So bedeutet ein "!" am Ende eines deutschen Satzes, dass es sich um einen Ausruf oder einen Befehl handelt. Für diejenigen, die dies als Konvention akzeptieren, HAT das "!" dann die gegebene Bedeutung.

Solch eine sprachliche Konvention ist nun etwas real Existierendes und kann auch erfahrungswissenschaftlich erforscht werden. Welche Bedeutung das deutsche Wort "links" im Zusammenhang mit Richtungsangaben hat, kann man empirisch wahrnehmbar überprüfen, wenn man zu mehreren Personen, die Deutsch verstehen, sagt: "Drehe Deinen Kopf nach links!" Allgemein akzeptierte Bedeutungen sind etwas sehr Reales. Das merkt jeder, der mit dem Auto nach England fährt und dem auf seiner Fahrbahn ständig Fahrzeuge entgegenkommen.

Bedeutungen "existieren" also nicht als solche, sondern nur in Verbindung mit Subjekten, die bestimmten realen Dingen (den "Zeichen" bzw. "Symbolen" ) diese Bedeutung zuschreiben. Darin gleichen Bedeutungen den Werten,

meint Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 19. Feb. 2005, 21:27 Uhr

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nabend atakan

 

on 02/19/05 um 13:23:22, Atakan wrote:Ich wäre doch unendlich dankbar wenn sich ein forum kollege zur selbstlosigkeit erklärt mal prägnant die problematik zu rekapitulieren.

 

ich würde das schon machen, aber dazu muss es ersteinmal eine gewisse erklärte einigkeit über den stand der dinge geben, die von allen beteiligten (!) abgesegnet werden kann. ansonsten fasse ich etwas zusammen und 3/4 der leute beschwert sich hinterher, dass sie ihre sichtweise verzerrt dargestellt empfindn oder inhaltsentstellend verkuerzt.

wie man sofort in erfahrung bringen kann würde z. B. auch gerade eberhart eine gewisse ordnung in diesem thread begrüssen, aber du musst nur ein bischen hochscrollen um die zickenhaftigkeit seiner reaktion auf meinen vorschlag zu erkennen. insbesondere, dass er auf meine letzte frage scheinbar demonstrativ nicht antwortet, empfinde ich als frustrierend und im grunde beleidigend. da es auch sonst niemanden gibt, der nicht gleich blass um die nase wird wenn einer vorschlaegt ordnung zu schaffen, halte ich es eher fuer unwahrscheinlich, dass sich dieser thread irgendwie bündeln liesse und ich habe keine lust als diktator beschimpft zu werden, was sicher bald kommt, wenn ich das weiter verfolgen wuerde.

es fuert also kein weg dran vorbei dich hier durch zu kämpfen, was ja auch eine positive seite hat, da du so alles aus erster hand mitbekommst. auch wenn es schwer moeglich sein sollte, die vielen nebendiskussionen in einen parallelen bezug zum leitthema zu bringen.

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 20. Feb. 2005, 03:17 Uhr

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hallo allerseits,

ich finde es allerdings eine seltsame logik, wenn man annähme, nur weil wir homo sapiens sprechen können, und weil man gemeinhin sagt, menschen existierte, somit müsse auch die sprache in irgendeiner art und weise existieren. das ist in meinen augen missbrauch des wortes existieren. nur weil es gegenstände gibt, die eigenschaften haben, folgt mitnichten, den eigenschaften käme in irgendeiner art und weise "sein" zu; nichteinmal akzidetielles. ebenso ist es um die "bedeutungen" bestellt. es ist zwar richtig, dass bedeutungen z. B. nicht in den gesprochenen worten -quasi wie in einem überraschungsei- versteckt sind; dennoch werden bedeutungen durch sie hervorgerufen. wir verstehen, was der sprecher zu uns sagt, wir erkennen sein verhalten als ein sprachliches, wir verstehen, was er uns sagen möchte -oder auch nicht. wir sind (in)kompetent können mit seinen gewählten worten (nicht) umgehen. sprechen - sprache ist eine kompetenz, die wir in kindertagen erst -manchmal sogar mühsam- erlernen müssen. selbst als erwachsene lernen wir stets hinzu, z. B. wie ein sprecher einzuschätzen ist, ob er das, was er sagt auch so meint oder ob wir einer rhetorischen falle gefangen werden sollen. aber nur, weil wir menschen -in diesem falle- die kompetenz besitzen, wäre es in meinen augen absurd, anzunehmen die sprache existiere in einem reich über, hinter oder neben den dingen und sprechern. vielleicht denke ich in diesem punkt zu behaviouristisch, aber ich denke, sprache ist ein verhalten, wie jedes andere auch, und lebt als solches aus der interaktion; selbst "verstehen" ist eine art des verhaltens.

um es kurz zu machen: bedeutungen sind für mich kein element der wirklichkeit - hingegen die sprecher schon.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von WuWei am 20. Feb. 2005, 07:12 Uhr

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Hallo thomas,

ich sehe es auch so, dass eine Bedeutung erst zur Bedeutung wird, indem sie z. B. von einem Leser oder Hörer als solche interpretiert wird. Aber warum werden denn Worte zu interpretierten Bedeutungen? Du hast deinen Beitrag geschrieben und ihm eine Bedeutung gegeben. Dann lese ich deine geschriebenen Worte und gebe ihnen wiederum eine Bedeutung. Vielleicht missverstehe ich dich, vielleicht nicht. Und doch muss in diesen schwarzen, flimmernden Buchstaben auf meinem Schirm doch etwas enthalten sein, damit ich ihm eine Bedeutung geben kann. Wollen wir es Information nennen? Welche Art von "Sein" oder "Wirklichkeit" hat dann diese Information? Nach deiner Sicht dürfte sie nicht wirklich sein, also gar nicht existieren. Natürlich können wir diese Information, die in deinem Beitrag steckt, in keinster Weise objektiv messen, aber du wirst doch nicht bestreiten, dass sie existiert?

Du sagst:" Bedeutungen sind für mich kein element der wirklichkeit - hingegen die sprecher schon."

Natürlich gibt es keine Bedeutungen an sich, aber wieso trennst du die Bedeutungen von dem Sprecher? Wenn ich zu jemandem spreche, was ist dann wirklich an mir? Sind es nur die sich bewegenden Sprechwerkzeuge und die Chemie des Gehirns? Was ist mit meiner subjektiven Innenperspektive, meinen Gedanken und interpretierten Bedeutungen? Ich hoffe, du willst mir nicht sagen, dass die gar nicht existieren...

Grüße,

WuWei

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 20. Feb. 2005, 07:23 Uhr

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Hallo Thomas, hallo allerseits,

schön dass es wieder um die eigentlichen Inhalte geht. Wir sind (wieder) bei der Frage angelangt: was ist erkennbarer Teil unserer Welt? Was ist wirklich und kann wahrgenommen werden?

Wir sollten hier nicht den Fehler machen, uns über Worte zu streiten nach dem Muster: "Für mich ist ,wirklich' (bzw. 'existent' das-und-das" und der andere sagt: "Ich verstehe aber unter ,wirklich' (bzw. 'existent' etwas anderes." Wichtig sind die Konsequenzen, die ein bestimmter Wortgebrauch für die Beantwortung unserer Fragen hat, ob er uns ermöglicht, wichtige Unterschiede zu erfassen und zu erklären.

Ich denke wir sind uns einig, dass "Bedeutungen" nicht in der gleichen Weise erkannt werden wie die Träger von Bedeutungen, die Zeichen (Laute, Schriftzeichen, Gestik, Mimik, Logos, Signale etc.). (Zwischenbemerkung: es geht hier nur um die Bedeutung von Zeichen, nicht um "Bedeutung" in einem weiteren Sinne wie in den Formulierungen "Du bedeutest mir viel" oder "er ist ein bedeutender Komponist" ).

Laute, Buchstaben etc. sind sinnlich wahrnehmbar, die Bedeutungen dieser Zeichen sind es nicht. Die Bedeutungen gehören auch nicht fest zu einem bestimmten Zeichen wie die rund Form zum "O" gehört. Die Bedeutungen beruhen auf "Konventionen", wobei damit nicht gesagt sein soll, dass es sich um bewusste gemeinsame Festsetzungen handeln muss. Solche Konventionen können auch durch vielfältige Interaktionen zahlreicher Individuen allmählich "heranwachsen", so wie die Worte der Umgangssprache.

Die Bedeutung von Zeichen kann sich wegen des konventionellen Charakters auch ändern.

Wir sind uns weiterhin auch einig, dass die Bedeutung, die bestimmte Subjekte mit bestimmten Zeichen verbinden, erkannt werden kann. Es ist also sinnvoll zu fragen: "Was bedeutet das spanische Wort 'calde'?" Und wenn A behauptet: "Das spanische Wort bedeutet im Deutschen 'kalt'" während B sagt: "Nein, es bedeutet 'warm'", so hat B die Frage richtig beantwortet. Er hat die Bedeutung "gewusst". Bedeutungen von Zeichen sind also erkennbar, allerdings ist die Interpretation von Zeichen immer bezogen auf bestimmte Subjekte. In Europa ist schwarze Kleidung ein Zeichen von Trauer, in Asien ist weiße Kleidung ein Zeichen der Trauer.

Daraus ergibt sich für die Erforschung von Bedeutungen eine spezielle Methodik, wobei man sich darüber streiten kann, ob dazu Wahrnehmung und Empirie ausreicht, oder ob spezielle Fähigkeiten des "Verstehens" hinzukommen müssen.

Von Fragen nach der Bedeutung oder dem Sinn bestimmter Zeichen sind Fragen nach dem Sinn von Handlungen und Fragen nach dem Sinn des Lebens zu unterscheiden, die wiederum auf einer anderen Ebene liegen.

Es grüßt Euch Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 20. Feb. 2005, 09:05 Uhr

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Guten Morgen Thomas, WuWei und Eberhard!

Thomas schrieb:

 

Quote:um es kurz zu machen: bedeutungen sind für mich kein element der wirklichkeit - hingegen die sprecher schon.

 

 

Wenn man Bedeutungen analysiert, wird man feststellen, dass die kleinsten "Einheiten" keine "Stücke" oder "Substanzen" sind, sondern Unterschiede, also Relationen zwischen "Stücken". Und wenn man sich fragt, wie Bedeutungen in die Welt gekommen sind, so muss man die Vorstellung als unsinnig zurückweisen, ein einzelner Mensch könnte irgendwann begonnen haben, sie dadurch zu erzeugen, dass er existierende Dinge "getauft" habe; auch genetisch kann Bedeutung nur auf Beziehungen zwischen einer Mehrzahl von Menschen zurückgeführt werden.

Wir sind geneigt, den Begriff der Existenz den "Stücken" vorzubehalten, also den Teilen, an denen wir uns den Kopf stoßen oder die uns ins Auge fliegen, so dass es brennt und tränt... Eine "Beziehung" dagegen - was "ist" das schon? Beziehungen denken wir uns gewöhnlich als etwas, das sekundär "zwischen" den "Stücken" entstehen kann, wenn diese erst einmal da sind.

Das Problem ist nur: Jede mögliche BESTIMMUNG eines existierenden "Stücks" - allein schon seine Lokalisierung - setzt Relationen voraus. Kant hat m.E. schlüssig bewiesen, dass selbst die Substanz nur aus zeitlich-räumlichen Relationen erkannt und als solche bestimmt werden kann - nämlich als etwas BEHARRENDES IM WECHSEL. Es ist nicht nur sinnlos, von etwas Beharrendem zu SPRECHEN, ohne den Wechsel vorauszusetzen, es wäre auch unmöglich, Beharrendes als solches ohne Wechsel WAHRZUNEHMEN...

Insofern ist es sinnlos, unser Verständnis von "Wirklichkeit" auf jene beharrenden "Stücke" einschränken zu wollen - wenn denn Wirklichkeit einen ZUSAMMENHANG von bestimmtem oder bestimmbarem Seiendem meinen soll. Und was sonst kann "Wirklichkeit" sinnvollerweise meinen? Jedenfalls muss einen solchen bestimmbaren Zusammenhang selbst derjenige immer voraussetzen, der ihm den Wirklichkeitsgehalt zugunsten der "Stücke" absprechen will.

So wie ein einzelner bedeutender Laut ein System von distinkten LAUTEN voraussetzt, um Bedeutung haben zu können, so wie ein Wort nur durch systematische Beziehungen zwischen WORTEN Bedeutungs-" Träger" wird... so ist das Ganze der (menschlichen) Wirklichkeit grundsätzlich kontextuell strukturiert. Und so weit ich als Laie sehe, ist auch unser wissenschaftliches Bild der nicht-menschlichen Wirklichkeit nach diesem Prinzip der Kontextualität aufgebaut (was kein Wunder ist, denn schließlich ist es ein menschliches Bild von der nicht-menschlichen Wirklichkeit).

Trotzdem lässt sich unsere unwillkürliche Neigung zur Verdinglichung der Wirklichkeit - d. h. zur Hintansetzung der Relationen hinter die beharrenden "Fundamente" - nicht leugnen. Eine angemessene Erkenntnistheorie sollte darum beide Sichtweisen erfassen und ihr Verhältnis zueinander bestimmen können.

Gruß

H.

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 20. Feb. 2005, 12:08 Uhr

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Hallo zusammen,

das Motiv für den Wunsch nach Zusammenfassung des bisher erreichten Standes der Diskussion ist zwar nachvollziehen, die Erfüllung aber wohl kaum möglich. Kann man überhaupt erwarten bei diesem Thema, "Wahrheit", zu einem Ergebnis zu kommen das in der Form einer "Schlusserklärung" die Unterschrift von allen Teilnehmern bekommt die dann bedeuten soll; einverstanden!. Wohl kaum. Wer sich die Spur dieses Begriffes in der Philosophiegeschichte ansieht, den kann dies nicht verwundern. Das soll nicht bedeuten, dass wir nicht weiter den Versuch unternehmen sollten.

Im Grunde aber steckt die Crux des Problems der 'Wahrheit' schon in der Überschrift zu diesem Tread im Verhältnis zum Untertitel "…wahr in Bezug auf Aussagen über die Wirklichkeit". Denn damit ist Wahrheit einmal als substantivisches Titelwort eingeführt und einmal das Bewertungswort "wahr" genannt. Es scheint offensichtlich aber so zu sein, das die Substantivierung des Bewertungswortes –wahr/richtig- (im Unterschied zu –falsch/unrichtig-), mehr im Sinn hat als bloß die Wichtigkeit oder konventionelle Bedeutung dieser Bewertung hervor zu heben. Das deutet Eberhard auch an wenn er schreibt:

" Wenn wir Fragen stellen, geht es uns nicht darum, IRGENDWELCHE Antworten zu bekommen, sondern wir suchen solche Antworten, auf die wir möglichst lange - am besten immer - vertrauen können. Wir suchen nach Antworten, bei denen wir nicht mit unerwarteten Wahrnehmungen konfrontiert werden, wenn wir sie in unser Weltbild aufnehmen und unserem Denken und Handeln zugrunde legen."

Man könnte auch sagen, Wahrheit soll nicht nur zeitunabhängig Geltung besitzen, sondern ebenso unabhängig von 'mir und dir' in Geltung stehen, ja wenn möglich unabhängig davon ob es überhaupt jemanden gibt der sie betrachtet oder feststellen kann. Die theologischen Implikationen in der Kulturgeschichte müssen nicht weiter ausgeführt werden. Das das Projekt der Naturwissenschaft in diesem Sinne von Wahrheit motiviert ist liegt auch offen zu Tage.

Einen Zwischenstand kann ich mir wie folgt vorstellen:

Wir sagten einmal: Die Aussage: "Der Schnee ist weiß, genau dann und nur dann wenn das den Tatsachen entspricht", ist wahr! (adaequatio intellectus et rei) Das ist für mich ein Zwischenergebnis, "trivialerweise" wie hier oft bemerkt wurde. Befriedigt hat uns das dann auch nicht, obwohl diese Form von Wahrheit einer Aussage so recht von niemandem bestritten werden kann. Mit dieser Tautologie, mit dieser Formalie kann ja nichts angefangen werden. Sie ist leer. Wie sollte auch geprüft werden ob die Bedingungen erfüllt sind und was die Tatsachen sind.

An dieser Stelle hat uns Hermeneuticus auf Kant verwiesen und dessen Position dargestellt, das eine rein terminologische Wahrheit die sich durch den formalen Gebrauch der Worte ergibt, und die dadurch Situations- und Zeitunabhängig sei, auf Voraussetzungen aufbaut ohne die es überhaupt keine intersubjektiven Urteile gibt die aus Erfahrung resultieren (synthetisch-apriorische Formen des Urteilens). Den Sachverhalt spiegelten wir selber wieder indem wir an einer bestimmten Stelle einräumen mussten, das es von der Situation und von der Perspektive abhängt ob ich den Satz von A: "Es schneit jetzt" überhaupt hinsichtlich seiner Wahrheit prüfen kann. Denn das setzt schon einen gemeinsamen Gegenstandsbezug voraus.

Wenn ich es richtig sehe stehen wir, oder zumindest ich noch genau an dieser Stelle. Die seitdem publizierten Mails sind in meinen Augen Variationen dieser Fragestellung.

Grüße

Dy

[cool]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 20. Feb. 2005, 15:10 Uhr

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hallo Dyade

nein, ich bin nicht davon ausgegangen, dass sich aus diesem thread ein schlussatz heruaswringen liesse. ich wollte lediglich eine plattform schaffen, die eine gewisse klarheit ueber den entwicklungsstand verschafft und es leichter macht die einzelnen nebendebatten inhaltlich aufeinander zu zu fuehren. aber ich beginne nun zu erkennen, dass gerade das offenbar nicht gewollt wird.

" Wenn ich es richtig sehe stehen wir, oder zumindest ich noch genau an dieser Stelle. Die seitdem publizierten Mails sind in meinen Augen Variationen dieser Fragestellung."

die frage ob du das richtig siehst ist eigentlich eher zweitrangig, denn es geht wohl mehr darum, dass du es so sehen willst.

in diesem thread geht es eigentlich nicht um wahrheit sondern um einen moeglichst allgemeingueltigen, undifferenzierten und bewußt chaotischen austausch von gedanken, der mit dem eigentlichen thema nichts oder nur wenig zu tun hat.

das dieser thread ueberhaupt einen titel hat soll lediglich die tatsache entschuldigen, dass der inhalt dieses threads faktisch unter keinen gemeinsamen titel zu bringen ist oder unter unzaehloig viele moegliche titel.

mit anderen worten: hier wird nur so getan, als ginge es um ein konkretes thema. in wahrheit geht es nur darum sich im 'süssen chaos' zu verlieren und von gott und der welt zu erzaehlen;

und in dem jeder hin und wieder das woertchen 'wahrheit' erwaehnt, bestaetigt man sich gegenseitig in stillschweigender uebereinkunft, dass man genau dieses tun darf und gleichzeitig wird kollektiv die behauptung erhoben, man diskutiere gemeinsam an einem konkreten thema.

jeder versuch uebersicht zu schaffen (und es ist definitiv moeglich, dyade) wird hier inoffiziell als stoerung der harmonie angesehen, was ich offenbar nicht sofort begriffen habe.

daher mag mich der eberhard auch ueberhaupt nicht, weil er eigentlich angst davor hat irgendetwas gezieltes zu einem konkreten thema zu verfassen (was nicht fuer antworten auf an ihn gerichtet fragen gilt, da kann er sehr wohl zielgerichtet sein), daher schreibt er nur in einen thread rein, in dem er nicht gefahr laeuft vom thema ab zu weichen oder sachlich in diesem oder jenem punkt widerlegt zu werden.

das chaos schuetzt vor einer zu selektiven wirkung von gegenargumentation, denn im grunde will jeder hier alle seine schafe in der herde behalten, auch wenn es keine schafe sind sondern zum teil ziegen, delphine oder dackel. und wenn jeder eine bunt gemischte herde an gedanken und argumenten huetet, dann laeuft keiner gefahr den titel des schaefers aberkannt zu bekommen, weil alle sich an der vermehrung des chaos gleichermaßen beteiligen.

daraus ergibt sich jedoch eine hoechst interessante soziologische studie wie ich finde. es ist gewissermaßen ein schwarmverhalten, in dem das chaos des gewimmels das individuum schuetzt. (vielleicht war das von anfang an die untebewußte absicht eberhards).

das ist auch der grund weshalb dieser thread in staendig neuen teilen neu verfasst wird: es ist naemlich viel zu anstrengend zu einem konkreten thema eine stringente analyse zu verfassen. daher schafft man sich einen thread, dem man zwar dem anschein verleiht ein konkretes thema zu beherbergen, in wahrheit handelt es sich dabei nur um eine raffinierte schwarmbildung in form einer thread-serie, in der verschiedene leute mit der selben form von kritikverdrossenheit beitraege verfassen, die maximal bis zu einem gewissen punkt kritisierbar sind. dieses prinzip verliert natuerlich nie seine wirkung un daher kann man auch beliebig viele nueanfaenge anstrengen...warum auch nicht.

dieser punkt liegt weit oberhalb eberhards toleranz (die wohl von allem am niedrigsten ausfaellt) und dadurch wird jedem ermoeglicht in eine zone maximaler kritikfreiheit zu schreiben, weil kein mensch weiss worum es eigentlich geht.

das ist weniger als kritik, denn als feststellung gedacht, da sich trotz des chaos offenbar hier und da konturen gebildet haben, in denen ein interessanter gedankenaustuasch, der sich sogar zeitweilig an einem thema haelt, stattfinden kann. das gilt jedoch nicht fuer die masse der sich ansammelnden schriftsaetze.

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Platon1 am 20. Feb. 2005, 15:15 Uhr

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Hallo Eberhard ! Ich hab es endlich geschafft deine WEBSIDE und das Forum hier zu besuchen. Toll , aber bei dir fehlt ein Gästebuch. Viele Grüße bis zum 21.2.05 Danke [skater] [skater]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von gershwin am 20. Feb. 2005, 15:18 Uhr

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Hi Leute

Dem letzten Beitrag von Thomas J. kann ich voll zustimmen.

Floh, kein Problem, ich weiß nicht einmal, was das bedeuten soll: "drüberposten" ???

Quote:ich hatte gehofft, dass Du angesichts von "Hü!" oder "Hott!" auf die Frage stößt: "Wer hat von den beiden nun recht?", aber diese Frage stellst Du wieder nur indirekt als die Frage "Wem von den beiden kann man trauen?" Welches sind für Dich Kriterien für die Wahrheit einer Aussage über die Welt bzw. Ausschnitte daraus? Wie kann man begründen oder bestreiten, dass etwas so-und-so ist?

 

Eberhard, was Du da ständig bei mir anmahnst, nämlich Kriterien, also offenbar eine Art allgemeingültiger Formalismus zur Auffindung von Wahrheit, das gibt es eben gerade nicht. "Wessen Aussage kann ich vertrauen" ist also die viel direktere (und nicht etwa, wie Du meinst, "indirektere" ) Rede. "Wer sagt die Wahrheit" ist lediglich eine etwas unsaubere Umschreibung derselben Frage. Unsauber deshalb, weil da so etwas impliziert wird wie "die Wahrheit". Wenn Du aber erklären sollst, was das sein soll, musst Du letztlich doch wieder auf die Vertrauenswürdigkeit rekurrieren.

Und es kommt noch schlimmer: Sogar falls Du zu dem Schluss kommst: "X sagte die Wahrheit, denn ich konnte seiner Aussage und nicht der von Y vertrauen" (statt nur: Ich konnte der Aussage von X vertrauen), wirst Du dieses Wort vielleicht eines Tages wieder zurücknehmen müssen: In einem Streit zwischen Aristoteles und Newton würde wahrscheinlich letztlich Aristoteles zugestehen: Newton sagt die Wahrheit. Wir wissen jedoch seit Einstein, dass das nicht der Fall ist. Die ganze Sprache jener Zeiten bis heute impliziert ein Newtonsches (und Descartessches und vordarwinistisches und sogar noch ein klassisch-griechisches) Weltbild. Unsere Vorstellungen von Raum und Zeit sowie von Sprache, Erkenntnis und Bewußtsein, haben sich jedoch mittlerweile dramatisch gewandelt. Wo unsere Interessen nicht tangiert (oder sogar verteidigt ;-)) werden, bleiben wir bei den alten Sprachspielen, aber Du wirst kaum in Aktien einer CD-Produktions- oder Telekommunikationsfirma investieren, die auf eine Newtonschen Physik vertrauen. Niemand kann wissen, wie sich die Wissenschaften in den nächsten 100 oder 1000 Jahren weiterentwickeln werden.

Extremes Beispiel: Es geht darum, wer in einem Mordfall die Wahrheit sagt: X oder Y. Offensichtlich X, denn sein Alibi ist perfekt: 100 Leute bezeugen unabhängig seine Anwesenheit zur Tatzeit fernab zum Tatort. X wird freigesprochen, und das mit Recht. In 100 Jahren könnte sich jedoch herausstellen, dass X durchaus am Tatort hätte sein können. Man findet eine Beam-Maschine auf seinem Dachboden. Oder er beherrschte Techniken, 100 Zeugen unter Hypnose zu falsche Aussagen zu zwingen. Oder, oder.... Mit etwas Phantasie könnte man die Liste ziemlich verlängern.

Dieses Argument taugt natürlich nichts in der Verhandlung für den Staatsanwalt gegen X. "Es könnte sich doch eines Tages erweisen, dass..." ist eine vielgehörte, aber doch billige und in meinen Augen ein wenig schäbige Argumentation, sobald sie sich auf eine konkrete Angelegenheit bezieht. Sie ist (eigentlich merkwürdig) nur ohne Kontext zulässig. Zur Widerlegegung anderer kontextloser Aussagen.

Fazit: es gibt keine allgemeingültigen (unabhängig vom Kontext anwendbaren) Kriterien zum Auffinden von Wahrheit. Falls man zugesteht, dass die Wahrheit von heute, die Unwahrheit von morgen sein kann: Ich dachte gestern, ich könnte der Aussage X (oder der Art, ausgehend von X weitere wahre, also vertrauenswürdige Aussagen zu folgern) vertrauen. Heute denke ich das nicht mehr. Die Wahrheits-Fanatiker müssen dann sagen: Was geht mich mein saudummes Geschwätz von gestern an!

Freundliche Grüße

Thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 20. Feb. 2005, 16:06 Uhr

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Hallo Flo!

Dein "schwärmerisches" Bild von diesem Bandwurm-Thread - Du zeichnest es mit einem leicht verbitterten Unterton... [cheesy] - entsteht wohl nur, weil Du versuchst, einen Gesamteindruck zu bekommen, ohne seine Geschichte im Blick zu haben. Würdest Du aber z. B. die Argumentations-Geschichte einzelner Teilnehmer verfolgen, würdest Du wohl eine erstaunliche Konstanz und Konsequenz der Positionen feststellen. (Es GIBT also einen roten Faden durchs Labyrinth, liebe Dy! :-) ) Du würdest auch sehen, dass die Diskussion sich immer wieder in bestimmte Begriffe verbeißt, die für die Klärung von "Wahrheit" gebraucht werden und darum erst einmal geklärt werden müssten.

z. B. der Begriff der Wirklichkeit. Wie hängen Aussagen mit der Wirklichkeit zusammen? Sind sie ein Teil von ihr? Wird die gegenständliche (d. h. die begrifflich bestimmbare) Wirklichkeit nicht schon durch die Handlungen miterzeugt, durch die wir uns auf sie beziehen? Ist es sinnvoll, sich die Wirklichkeit als etwas vorzustellen, das im Moment unserer sprachlichen Bezugnahme auf sie immer schon fertig und "gegeben" vorliegt? Als etwas, das dann durch eine Aussage über sie gewissermaßen nur noch abgebildet, und zwar "richtig" abgebildet werden muss?

Meine Argumentation zielte von Anfang an gegen diese Vorstellung einer "Korrespondenz" zwischen Wirklichkeit und Aussage. Ein Bild, das durch die Tarski-Formel verfestigt wird: 'p' ist genau dann wahr, wenn p. p bleibt hier p, nur einmal ist es das ausgesagte 'p', das andere Mal das wirkliche p. Mich interessiert an dieser Formel nur eins: die Bedeutung der Anführungszeichen ' ', also die DIFFERENZ zwischen 'p' und p. Was verbirgt sich dahinter? Was muss alles schon geleistet sein, damit 'p' und p überhaupt korrespondieren KÖNNEN? Genau damit beschäftigt sich Tarski NICHT. Genau dieses Problem wird durch seine hübsche, handliche Definition ausgeklammert. Aber nicht zum Verschwinden gebracht.

Das ist wie mit allen "Formelkompromissen" : Sie verschleiern die Probleme durch eine klare, handliche, übersichtliche Form. Interessant ist an einem Formelkompromiss aber eigentlich nur die Geschichte seines Zustandekommens. Und er lässt sich auch nur angemessen verstehen, wenn man die Spannungen und Differenzen mitsieht, die von ihm verborgen werden sollen.

Hier in unserer Diskussion ist es offenbar Eberhard, der einen ausgeprägten Hang zu Formeln hat - mit möglichst einfachen Begriffen, die den Anschein der unmittelbaren Verständlichkeit und Voraussetzungslosigkeit erwecken. Und ich habe mich auch schon oft gefragt, was er sich von diesem Anschein verspricht. Denn die Probleme werden dadurch ja nicht geklärt. Die lange Diskussion beweist es...

:-)

Gruß

H.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 20. Feb. 2005, 16:25 Uhr

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Hallo Dyade,

Du schreibst, dass "eine rein terminologische Wahrheit, die sich durch den formalen Gebrauch der Worte ergibt, und die dadurch situations- und zeitunabhängig (ist), auf Voraussetzungen aufbaut, ohne die es überhaupt keine intersubjektiven Urteile gibt, die aus Erfahrung resultieren (synthetisch-apriorische Formen des Urteilens).

Wenn ich diese Aussage kritisch prüfen will, muss ich wissen, wie sie gemeint ist.

Ich versuche einmal, die Bedeutung dieser Aussage zu klären.

Ein "intersubjektives Urteil, das aus Erfahrung resultiert" wäre z. B. die Aussage. "Die Störche aus Linum haben den Winter 2003/2004 in Afrika verbracht". Dies ist eine Aussage über die Beschaffenheit unserer Welt, die dann wahr ist, wenn die Störche aus Linum den Winter 2003/2004 in Afrika verbracht haben.

Die Aussage resultiert aus Erfahrung. Man brachte am Körper einiger Störche winzige Sender an, die Radiowellen aussenden. Der jeweilige Standort der Störche konnte dann durch Ortungsgeräte bestimmt werden, an denen man durch Beobachtung eines Zeigerausschlags die Richtung feststellen kann, aus der Radiowellen kommen. Die Behauptung: "Die Störche aus Linum haben den Winter 2003/2004 in Afrika verbracht" beansprucht allgemeine Geltung, sie ist in ihrem Geltungsanspruch weder auf bestimmte Subjekte noch auf bestimmte Zeitpunkte eingeschränkt.

Es handelt sich um keine "rein terminologische Wahrheit, die sich durch den formalen Gebrauch der Worte ergibt". Es wäre kein Verstoß gegen die Logik, wenn die Störche den Winter 2003/2004 in Vorderasien verbracht hätten. Trotzdem ist es nicht "situations- und zeitunabhängig", ob die Aussage wahr ist.

Eine derartige Aussage, ein solches "intersubjektives Urteil" könnte es Deiner Meinung nach nicht geben, wenn nicht bestimmte "Voraussetzungen" gegeben wären, auf denen die Aussage aufbaut.

Welche Voraussetzungen meinst Du damit? Kannst Du eine dieser Voraussetzungen einmal als konkretes Beispiel explizit formulieren?

fragt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 20. Feb. 2005, 16:37 Uhr

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fFflLloOo :

Quote:mit anderen worten: hier wird nur so getan, als ginge es um ein konkretes thema. in wahrheit geht es nur darum sich im 'süssen chaos' zu verlieren und von gott und der welt zu erzaehlen;

 

Da stimme ich voll und ganz zu. Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung warum ihr bestimmte Fragestellungen gerade verfolgt. Ihr wisst doch gar nicht, wie euer momentanes Bedeutungs geeier mit der Frage nach Wahrheit zusammenhängt.

 

Quote:ich glaube in der tat, dass ich dir deine vorlaute FRESSE polieren wuerde,

 

Auch da kann ich nur zustimmen. Bei manchen Leuten haben Argumente einfach zu wenig Überzeugungskraft. Gershwin ist hier einer der allerschlimmsten.

 

Quote:Wird die gegenständliche (d. h. die begrifflich bestimmbare) Wirklichkeit nicht schon durch die Handlungen miterzeugt, durch die wir uns auf sie beziehen?

 

Das ist doch hanebüchen. Wie soll das denn von statten gehen? Das ist doch ganz dünner Hegel!

 

Quote:die DIFFERENZ zwischen 'p' und p.

 

Was ist denn daran unverständlich, das lässt sich doch mit basalsten semantischen Begriffen erklären. 'P' ist ein Zeichen, das sich auf einen außersprachlichen Gegenstand P bezieht.

 

Quote:Was muss alles schon geleistet sein, damit 'p' und p überhaupt korrespondieren KÖNNEN? Genau damit beschäftigt sich Tarski NICHT.

 

Es geht bei Tarski nicht darum, das 'P' und P korrespondieren. Es geht darum, dass 'P' mit der Tatsache von P, d. h. P's Wahrmacher korrespondiert. Die Beziehung zwischen 'P' und P ist die der Referenz. Das ist ein Unterschied Referenz und Korrespondenz!

Wenn Tarski also sagt, "Der Satz 'Schnee ist weiß' ist dann und nur dann wahr, wenn Schnee weiß ist", dann ist das zweite Token von "Schnee ist weiß", die Tatsache, nicht der weiße Schnee.

Eine berechtigte Frage wäre dann, was ist denn überhaupt eine Tatsache? Wo stehen die denn rum, ham s oine gsehn?

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 20. Feb. 2005, 16:39 Uhr

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Hallo Hermeneuticus,

Du schreibst: "Hier in unserer Diskussion ist es offenbar Eberhard, der einen ausgeprägten Hang zu Formeln hat - mit möglichst einfachen Begriffen, die den Anschein der unmittelbaren Verständlichkeit und Voraussetzungslosigkeit erwecken. Und ich habe mich auch schon oft gefragt, was er sich von diesem Anschein verspricht. Denn die Probleme werden dadurch ja nicht geklärt."

Wäre es für die Klärung und Beantwortung unserer Fragen nicht hilfreicher, wenn Du eine solche Formel, die einen falschen Anschein erweckt, hier analysieren und kritisieren würdest, anstatt Dir über die Motive den Kopf zu zerbrechen, die mich zu solchem Tun bewegen?

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 20. Feb. 2005, 17:25 Uhr

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Hallo Flo!,

ich kapiere nicht wieso deine Zündschnur so kurz ist? Deine Kritik an diesem Tread wird weder falsch noch weniger beachtet wenn du sie OHNE persönliche Beleidigungen garnierst. Abgesehen davon habe ich überhaupt nicht erkennen können und ich schätze andere genauso wenig, dass Eberhard deine Argumentation aufgrund der Argumente missachtet. WENN, dann höchstens weil du zu schnell als beleidigte Leberwurst reagierst und deinerseits andere persönlich angreifst. Ich schreibe dir das nur weil ich lesen kann und weil deine Argumente genau das absolut NICHT nötig haben.

Wer allerdings hier anderen, für den Fall er hat Gelegenheit dazu, "die Fresse polieren" will, der disqualifiziert sich selbst restlos inclusive seiner noch so interessanten Argumentation. Solche Drohungen sind das Letzte was wir brauchen!

Grüße

Dyade

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 20. Feb. 2005, 18:49 Uhr

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hallo flo!,

was du denken sollst das würde ich dir gerne auf dem Weg der Argumentation sagen und zwar dann wenn es um ein konkretes Thema geht, wie beispielsweise das Thema Wahrheit. Ob du das dann auch tust hängt von dir ab und von meinen Argumenten. Am Ende denke ich vielleicht wie du und nicht umgekehrt.

Wie du dich "verhalten" sollst kann ich dir positiv auch nicht sagen, nur negativ: zB. so das Drohungen jeder Art zu unterlassen sind. Ich bin zB. meist anderer Auffassung als gershwin, mehr sogar, ich denke genau wie du das er nicht einmal das Problem richtig erfasst welches wir diskutieren, das er darüber hinaus an sein Denken ein so enges Raster anlegt das mir schon kein Argument mehr einfällt von dem ich glaube es könnte ihn zumindest einen Hauch näher an das heranbringen was ich zu sehen glaube. Aber das ganze kann ich stehen lassen wo es ist. Wenn ihn Argumente für eine bestimmte Sichtweise nicht überzeugen ist es sein gutes Recht sie zu ignorieren.

Darüber hinaus solltest du dir überlegen ob das wirklich nur eine Sache ist zwischen dir und gershwin. Denn deine Drohungen stehen hier im öffentlichen Raum, im wahrsten Sinne des Wortes auf einem FORUM. Es ist doch wohl leicht einzusehen, das niemand eine "Prügelei" übersehen kann, auch wenn sie nur verbal ist. Erst recht hat das Auswirkung auf die Stimmung.

Ich empfehle also cool zu bleiben und ansonsten gbt es die Möglichkeit sich "unter 4 Augen" via Mail zu streiten bis die Fetzen fliegen oder einer den anderen auf "ignore" setzt.

Auf deine Zusammenfassung wäre ich wirklich gespannt, auch wenn du kein gutes Haar an den Treads lassen solltest. Pass aber auf das du nicht daneben greifst, sonst nimmt vielleicht einer deine Kritik auseinander. :-)

so long

Dyade

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 20. Feb. 2005, 20:06 Uhr

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Von Dyade, Eberhard, Hermenuticus und Gershwin hat man in diesem Thread noch überhaupt nichts sinnvolles gelesen!

Das ihr nichts wirklich innovatives und hochwertiges zu sagen habt, merkt man daran, das in meinem Wissensthread keiner mehr mithalten kann. Deshalb führe ich dort auch nur noch einen Monolog!

Also, worum geht es hier denn momentan? Sobald ich die aktuelle Fragestellung weiß, werde ich mal richtig philosophisch vom Leder ziehen, so dass ihr ins Staunen kommt!

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von louisquinze am 20. Feb. 2005, 20:08 Uhr

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Messieurs, Dames,

dieses Forum scheint zu einem Schlagabtauschsforum persönlicher Zuneigungs- und Abneigungsbekundungen zu degenerieren.

Allerdings beweist Uns dies wie sehr Wahrheitsfindung doch auch eine Sache perönlicher Präferenzen, ja, wie sehr sie davon geleitet wird, wer es denn war, der dies oder jenes aussprach.

Wenn Sie (alle) Unsere Meinung zum Gegenstand Wahrheit hören wollen, so bleibt es sicher bei der altehrwürdigen Einsicht, sie sei die Übereinstimmung von Denken und Sein,

welches in allerletzter Perspektive besagt, dass im absoluten und notwendig tranzendent zu denkenden subsistierenden Sein, Denken und Sein ineins fallen. Die Quelle aller Wahrheit wäre also hier zu suchen.

Aus dem Louvre [smiley=couchplus.gif]

LOUISXV

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 20. Feb. 2005, 20:35 Uhr

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on 02/20/05 um 20:06:04, Jean_Luc wrote:Von Dyade, Eberhard, Hermenuticus und Gershwin hat man in diesem Thread noch überhaupt nichts sinnvolles gelesen!

Das ihr nichts wirklich innovatives und hochwertiges zu sagen habt, merkt man daran, das in meinem Wissensthread keiner mehr mithalten kann. Deshalb führe ich dort auch nur noch einen Monolog!

 

 

auch wenn du mich nicht auf deiner schwarzen liste hast und ich mich unlängst sehr über gershwin und etwas über eberhart geärgert habe, so muss ich mich entschieden von deiner position distanzieren.

es ist nicht unbedingt innovativ, was hier manchmal geschrieben wird, es kann jedoch auf keinen fall richtig sein, dass die besagten leute NUR unfug verfasst haben. ich finde das insbesondere hermeneuticus diese auschliesslich destruktive kritik auf keinen fall verdient hat.

wissensthread????

das kann ja wohl nicht dein ERNST sein! nur weil du meinst, dass keiner mehr lust hat, sich mit dir egozentrischem wüterich zu unterhalten, ist bewiesen, dass der einzige der ahnung hat DU sein sollst????

der letzte abschnitt obigen zitats fehlt. ich habe ihn bewußt weggelassen um dir noch eine chance zu geben das zu entfernen. es ist auch schlicht und ergreifen zu peinlich, um zitiert zu werden...

das war das letzte mal, dass ich irgendwas ausser der reihe kommentiere. ich werde mich ab sofort nur noch auf inhalte zum thema konzentrieren.

 

 

on 02/20/05 um 20:08:41, louisquinze wrote:Messieurs, Dames,

dieses Forum scheint zu einem Schlagabtauschsforum persönlicher Zuneigungs- und Abneigungsbekundungen zu degenerieren.

Allerdings beweist Uns dies wie sehr Wahrheitsfindung doch auch eine Sache perönlicher Präferenzen, ja, wie sehr sie davon geleitet wird, wer es denn war, der dies oder jenes aussprach.

Wenn Sie (alle) Unsere Meinung zum Gegenstand Wahrheit hören wollen, so bleibt es sicher bei der altehrwürdigen Einsicht, sie sei die Übereinstimmung von Denken und Sein,

welches in allerletzter Perspektive besagt, dass im absoluten und notwendig tranzendent zu denkenden subsistierenden Sein, Denken und Sein ineins fallen. Die Quelle aller Wahrheit wäre also hier zu suchen.

Aus dem Louvre [smiley=couchplus.gif]

LOUISXV

 

sire, ich finde es nicht gut, dass sie jetzt auch noch zur verwässerung des themas beitragen. es ist nicht wahr, dass ausschliesslich ein schlagabtaushc im vordergrund steht.

ich habe mir erlaubt die betreffenden beiträge meinerseits zu löschen. eure lordschaft dürften nunmehr die veranlassung verspühren ihre ansichten zu revidieren. frei nach dem motto 'aus den augen, aus dem sinn'...

 

ich habe auch in meiner ausführlichen kritik an dem thread berücksichtigt, dass es auch interresante passage gibt. überdies war mein unmut tatsächlich hauptsächlich darauf zurück zu führen, dass ich in der tat zu faul bin sämtliche wahrheit X threads durchzulesen, in der wagfen hoffnung einen positiven gesamteindruck zu gewinnen. denn wo ich auch das thema überfliege, stelle ich stehts einen löwenanteil häufiger weiderholungen und monotonie fest... aber damit muss man vielleicht einfach leben...

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 20. Feb. 2005, 21:22 Uhr

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Hallo gershwin,

 

Du willst radikal mit den vor-darwinistischen Denkweisen aufräumen. Dazu zwei Fragen:

Zum einen:

Zweifelst Du eigentlich gelegentlich an Deinen Überzeugungen? Fragst Du Dich manchmal: "Stimmt das eigentlich, was ich da behaupte?"

Wenn ja, was tust Du eigentlich, wenn Du Zweifel an einer Behauptung hast? Fragst Du Dich: "Soll ich mich vor dieser Behauptung warnen? Soll ich mir die Verneinung dieser Behauptung empfehlen?"

Zum andern:

Bist Du eigentlich der Meinung, dass Du mit Deinen Thesen Recht hast?

Wenn "ja", meinst Du mit "Recht haben" nur, dass Du mich aufforderst, Dir zu vertrauen?

Wenn "ja", warum begründest Du dann Deine Thesen so gekonnt mit Argumenten?

Es grüßt Dich und andere, die von "summertime … and the cotton is high" träumen Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 20. Feb. 2005, 22:31 Uhr

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Hallo Eberhard!

 

Quote:Wäre es für die Klärung und Beantwortung unserer Fragen nicht hilfreicher, wenn Du eine solche Formel, die einen falschen Anschein erweckt, hier analysieren und kritisieren würdest, anstatt Dir über die Motive den Kopf zu zerbrechen, die mich zu solchem Tun bewegen?

Zunächst: Wie der Smiley schon andeuten sollte, handelte es sich eher um eine kleine "Stichelei", nicht um den Versuch, Dich persönlich zu treffen. Ich zerbreche mir auch nicht wirklich den Kopf über Deine persönlichen Motive.

Allerdings halte ich die sachliche Kritik an Formeln, die unproblematische Verständlichkeit vortäuschen, aufrecht. Der Ausdruck "Aussagen über die Wirklichkeit" oder die Definition von Wirklichkeit als "alles was ist, war und sein wird" stecken voller Unklarheiten. Sonst hätten wir darüber nicht die anhaltenden Differenzen. Im Blick auf unsere Diskussion jedenfalls darf man es für erwiesen halten, dass derartige Formeln zur sachlichen Verständigung nicht beitragen.

Gruß

H.

 

Apropos "Summertime" und "cotton is high"... Ich hab mit Gershwin ein gewisses Problem - mit dem Komponisten, meine ich. Aber es ist ein Gegenstand der Diskussion, ob man über Geschmacksurteile sinnvoll diskutieren kann oder nicht... Darum sag ich mal nix...

:-)

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von louisquinze am 20. Feb. 2005, 22:37 Uhr

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Monsieur Flo,

ich muss schon feststellen: sehr desillusionierend, Ihre Antwort.

Kein Wort, welches philosophisches Gewicht hätte. Nebensächliches wird ins Zentrum gerückt, das Wesentliche ausgespart.

Wozu zitieren Sie mich eigentlich wenn Sie kein Wort von dem Geschriebenen verstanden haben? [smiley=schilder0414.gif]

mfg

LOUISXV

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 20. Feb. 2005, 22:41 Uhr

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Hallo Jean-Luc!

 

Quote:Deshalb führe ich dort auch nur noch einen Monolog!

Dein Diskussionsverhalten legt die Vermutung nahe, dass Du genau das anstrebst. Und wie gesagt: Jedem das, was er braucht!

Gruß

H.

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 20. Feb. 2005, 23:10 Uhr

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louisXV

 

on 02/20/05 um 20:08:41, louisquinze wrote:Messieurs, Dames,

dieses Forum scheint zu einem Schlagabtauschsforum persönlicher Zuneigungs- und Abneigungsbekundungen zu degenerieren.

Allerdings beweist Uns dies wie sehr Wahrheitsfindung doch auch eine Sache perönlicher Präferenzen, ja, wie sehr sie davon geleitet wird, wer es denn war, der dies oder jenes aussprach.

 

meine reaktion betraf den ersten, oberen teil. nicht den unteren. der einzige fehler, den ich also gemacht habe war das zitat ganz zu lassen.

 

on 02/20/05 um 20:08:41, louisquinze wrote:Wenn Sie (alle) Unsere Meinung zum Gegenstand Wahrheit hören wollen, so bleibt es sicher bei der altehrwürdigen Einsicht, sie sei die Übereinstimmung von Denken und Sein,

welches in allerletzter Perspektive besagt, dass im absoluten und notwendig tranzendent zu denkenden subsistierenden Sein, Denken und Sein ineins fallen. Die Quelle aller Wahrheit wäre also hier zu suchen.

Aus dem Louvre [smiley=couchplus.gif]

LOUISXV

 

wenn ich ihro gnaden richtig verstehe, dann ist ihro gnaden meinung nach der gegensatnd 'wahrheit' übereinstimmend mit der tatsache, dass man im descartschen sinne gleichwohl denke, wie auch existiere, worin eine betrachtungsweise liege, die als einzige in letzter instanz - bei allem möglichem zweifel, also perspektivenwechsel - verbleibe und daher eine nicht weiter hinterfragbare gültigkeit habe. ferner war es euer durchlaucht anliegen zu vermitteln, dass in dem der menschliche geist das sein durch seinen zweifel, also durch das denken transzendiere - zu rechtfertigen durch die unvermittelbarkeit des absoluten seins - sich zeige, dass das sein durch das aus sich selbst heraus existierende denken unanzweifelbar entblößt werde und vice versa.

daher scheint es ihro gnaden königliche absicht zu sein darauf zu verweisen, das die 'essenz der wahrheit' gerade im akt der frage nach der wahrhaftigkeit des seins liege.

aus dem elfenbeinturm,

flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 20. Feb. 2005, 23:40 Uhr

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hermeneuticus,

 

on 02/20/05 um 22:31:41, Hermeneuticus wrote:Der Ausdruck "Aussagen über die Wirklichkeit" oder die Definition von Wirklichkeit als "alles was ist, war und sein wird" stecken voller Unklarheiten. Sonst hätten wir darüber nicht die anhaltenden Differenzen.

 

es mag sein, dass diese differenzen bestehen, nicht in jedem fall sind sie jedoch verständlich:

eine aussage über das wahrgenommene legt ihren gehalt ueber das unabhaengig funktionierende instrument der wahrnehmung fest.

eine aussage ueber die qualitaet einer aussage gewinnt ihren gehalt durch die festlegung des menschlichen geistes.

im ersten fall haben wir eine nicht-determinierbarkit der wahrheit, in zweitem fall haben wir eine determinierbare wahrheit. die wahrheit im ersten fall ist nicht-determinierbar, da sich das sein der welt die wir wahrnehmen unserem direkten geistigen zugriff entzieht und wir nur im rahmen unsrerer fehlbaren wahrnehmung, zu der geistiger zugriff besteht, behauptungen formulieren koennen. im zweiten fall geht es nur um den wahrheitsgehalt einer aussage, wobei wir einrfach davon ausgehen, dass die praemissen, die die behauptung konstituieren, wahr sind: "wenn A dann B weil x1 und x2". das heisst, wir haben im zweiten fall definitiv die moeglichkeit die wahrheit festzustellen

wieso kann dem nicht o.b.d.a. zugestimmt werden? ( das ist eine ernst gemeinte frage und keine rhetorik. ich will es wirklich en detail wissen)

mfg flo

 

p.s. ich mag gershwin (den musiker) auch nicht. er ist ein instrumentaler schnulzenbarde.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 21. Feb. 2005, 02:11 Uhr

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Hallo Eberhard,

In Antwort #110 stellst du die Frage welche Voraussetzungen wir mitbringen die uns in die Lage versetzen von dem Wissen zu sprechen, dass die Störche aus Linum in Afrika überwintert haben.

Du scheinst zu denken, das ich am Wahrheitsgehalt einer unmittelbar evidenten Erfahrung zweifele. Ich kann dir nur versichern, wenn ich mit dir zusammen auf eine Uhr schaue besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, das wir die gleiche Zeit ablesen. Du sagst dann es ist Zb. 12:00 Uhr und ich nicke. Wenn wir beide zum Zug gehen, der 11:59 abfahren soll und wir schauen auf die Uhr und es ist 12:00 Uhr und du sagst: der Zug ist weg, dann zweifele ich am Wahrheitsgehalt deiner Rede, denn das kannst du nicht wissen. Denn aus Erfahrung können wir nie auf die Zukunft schließen. Das heißt, wir können aus Erfahrungen keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit herleiten oder besser, etwas das notwendig wahr ist.. DAS HEIßT NICHT, DAS ES KEINE EMPIRISCHE ERKENNTNIS GIBT !!!!!

vielleicht wieder zu kurz

Grüße und n8

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Sheelina am 21. Feb. 2005, 06:37 Uhr

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on 02/21/05 um 02:11:16, Dyade wrote:... Du scheinst zu denken, das ich am Wahrheitsgehalt einer unmittelbar evidenten Erfahrung zweifele. Ich kann dir nur versichern, wenn ich mit dir zusammen auf eine Uhr schaue besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, das wir die gleiche Zeit ablesen. Du sagst dann es ist Zb. 12:00 Uhr und ich nicke. Wenn wir beide zum Zug gehen, der 11:59 abfahren soll und wir schauen auf die Uhr und es ist 12:00 Uhr und du sagst: der Zug ist weg, dann zweifele ich am Wahrheitsgehalt deiner Rede, denn das kannst du nicht wissen. Denn aus Erfahrung können wir nie auf die Zukunft schließen. Das heißt, wir können aus Erfahrungen keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit herleiten oder besser, etwas das notwendig wahr ist.. DAS HEIßT NICHT, DAS ES KEINE EMPIRISCHE ERKENNTNIS GIBT !!!!!

 

Morgen Philtalk.

Du zweifelst nicht an der Aussage, sondern an der Information, die hinter dieser Aussage steht, nämlich, einerseits Ihr könnt den Zug nicht mehr bekommen, weil er wie festgelegt schon weg ist, andererseits, dass ihr den Zug noch bekommen könnt, weil er vielleicht Verspätung hat. Das ist dann eine Angelegenheit der Mentalität ob nun gerannt wird oder nicht. Wenn ihr allerdings das Thema "Mentalität" vorher noch ausgiebig erörtern wollt, dann kann ich garantieren, dass der Zug abgefahren ist. Darum ging es doch auch z. B. bei Leibniz, um die Informationen, die hinter den Aussagen stehen, oder die hinter den Aussagen vermutet werden. Der Grund dürfte klar sein, wenn nicht selten gerade diese Vermutungen z. B. als Ausdruck des Misstrauens interpretiert werden und deren streitiger Folgen. Anstatt nun eine neutrale Sprache zu suchen geht man nun hin und akzeptiert einfach alles Gesagte als Sprache und führt somit der Sprache den Sinn der reinen Kommunikation zu, was z. B. nicht nur von einer ergebnisorientierten Ansicht schwer akzeptiert werden könnte. Von daher verstehe ich Eure Probleme gar nicht oder wo sonst noch ein Problem liegen könnte ausserhalb dieses Kontextes, wenn nicht gerade (angenommene) Dritte bzw. dritte Anschauungen diesen Sachverhalt der "reinen Kommunikation", der nicht zwangsläufig die Ergebnisse ausschliesst, vom Grunde her nicht billigen können. Natürlich ist eine Möglichkeit die Ignoranz dieser Dritten, aber ob es auch die Beste ist ... zumindest scheint es manchmal notwendig. Wobei das "Scheinen" selbst schon einer analytischen Philosophie widerspricht, wenn es aussen vorgelassen wird. Perfektionismus ... muss gleich meinen Zug bekommen, von daher jetzt:

Grüße

Lina

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 21. Feb. 2005, 13:32 Uhr

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Hallo Hermeneuticus,

Du schreibst, dass der Ausdruck "Aussagen über die Wirklichkeit" oder die Definition von Wirklichkeit als "alles was ist, war und sein wird" voller Unklarheiten stecken und eine "unproblematische Verständlichkeit vortäuschen".

Angesichts dieser Kritik hätte ich erwartet, dass Du die verborgene Unschärfe oder Mehrdeutigkeit der der darin vorkommenden Wörter (" Aussage", "Wirklichkeit", "Sein" ) aufzeigst und eine bessere Formulierung vorschlägst.

Als Beleg für die behauptete problematische Verständlichkeit der Formulierungen führst Du stattdessen unsere anhaltenden Differenzen über den Begriff des Wirklichen an. Letzteres kann jedoch auch andere Gründe haben.

Da es sich hier um einen zentralen Punkt unserer Diskussion handelt – es sind diejenigen Behauptungen, um deren Wahr- oder Falschsein es hier geht – will ich aus meiner Sicht eine Präzisierung versuchen – wiederum auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen.

 

Ich spreche gewöhnlich von "Aussagen über die Beschaffenheit der Wirklichkeit", und da ich "die Gesamtheit alles Wirklichen" auch als "Welt" bezeichne, spreche ich auch von "Aussagen über die Beschaffenheit unserer Welt". (oder verkürzt von "Aussagen über unsere Welt" ).

Synonym verwende ich die Wörter bzw. Termini: "Ist-Sätze" (im Unterschied zu "Soll-Sätzen" ), "Tatsachenfeststellungen" (im Unterschied zu "Werturteilen" ), "deskriptive Aussagen" (im Unterschied zu "präskriptiven Aussagen" ) und "positive Aussagen" (im Unterschied zu "normativen Aussagen" )

Die Klasse von Aussagen, um die es hier geht, habe ich auch konkretisiert als diejenigen Aussagen, die Fragen danach beantworten, ob etwas ist und wenn ja, wie es beschaffen ist, warum es ist, ob es vermeidbar oder veränderbar ist, ob etwas gewesen ist, warum es gewesen ist, welche Folgen es hat, ob etwas sein wird etc.

In meiner "Zwischenbilanz" vom 07.12.04 habe ich geschrieben:

" Die Bestimmung dessen, was wirklich ist, ist zwischen uns weiterhin unklar, wie die Antworten auf meine Beispielsätze gezeigt haben. Für mich ist das wirklich, was existiert, was da ist. Nur das, was direkt von uns wahrgenommen werden kann oder zur logischen Ordnung unsere Wahrnehmungen erforderlich ist und somit indirekt wahrnehmbar ist, existiert wirklich. Aber hier sind für mich noch manche Fragen offen."

Ich halte die Abgrenzung der positiven Aussagen von andern Satzarten (Definitionen, Werturteile, Normsätze, Zeichendeutungen bzw. Sinnaussagen) keineswegs für eine einfache Angelegenheit, sonst hätte ich ja nicht im Laufe unserer Diskussion immer wieder Beispielsätze formuliert, um deren Klassifizierung zu diskutieren.

Ich weiß nicht, welche Maßstäbe Du an Ausdrücke und Formulierungen anlegst, aber dass angesichts des dargelegten begrifflichen Zusammenhangs hier "einfache Verständlichkeit vorgetäuscht" wird, kann ich nicht bestätigen.

Wenn ich bei Dir nach adäquateren Begriffsbestimmungen von "Aussage" und "Wirklichkeit" suche, dann werde ich leider auch nicht fündig, sehe aber, dass Du diese Begriffe ebenfalls gebrauchst. Offenbar bist Du doch der Meinung, dass diese zu gebrauchen sind und genug intersubjektiv übereinstimmende Bedeutung besitzen.

Nun zu den Problemen, die andere Deiner Meinung nach verschleiern wollen.

Du fragst: "Sind Aussagen ein Teil der der Wirklichkeit?"

Nehmen wir die Aussage: "Herr Meier hat am Neujahrstag des Jahres 2005 seine Wohnung gegen 8:00 Uhr morgens verlassen."

Wenn Herr Müller diesen Satz bei seiner Zeugenvernehmung sagt, dann handelt es sich bei dem gesprochenen Satz um eine hörbare Äußerung, die Teil der Wirklichkeit ist, so wie der Richter, vor dem er steht. Wenn man zwischen Satz und Aussage begrifflich nicht unterscheidet dann ist somit die Aussage des Herrn Müller Teil der Wirklichkeit.

Wenn man unter einer Aussage nicht den aus einer Folge von Wörtern bestehenden Satz versteht, sondern dessen Bedeutung, dann existiert diese Bedeutung nur bezogen auf bestimmte Subjekte, die den Satz gehört oder gelesen haben und die die Sprache verstehen, in der formuliert wurde.

Die Aussage existiert dann als von den betreffenden Subjekten jederzeit reproduzierbarer Sinn des protokollierten oder erinnerten Satzes. Sie existiert als ein reproduzierbarer Bewusstseinsinhalt bestimmter Subjekte, die die entsprechende Sprache erlernt haben und die über die erforderliche Merk- und Erinnerungsfähigkeit verfügen. (Ähnlich hat Thomas J in Bezug auf Bedeutungen im allgemeinen argumentiert.) Aussagen als den Bedeutungen von Sätzen kommt keine von den verstehenden Subjekten unabhängige Existenz zu. Aussagen als Bedeutungsinhalte von Sätzen existieren als mögliche Bewussteinsinhalte so wie Phantasien und Lügen existieren.

Du fragst weiter: "Wird die gegenständliche (d. h. die begrifflich bestimmbare) Wirklichkeit nicht schon durch die Handlungen miterzeugt, durch die wir uns auf sie beziehen?"

Diese Frage ist nicht ohne weiteres verständlich. Was heißt hier "miterzeugt" ? Was ist gemeint mit "Handlungen, durch die wir uns auf die Wirklichkeit beziehen" ? Wenn "miterzeugen" die Teilnahme an einem Herstellungsprozess ist und wenn jede Art von Bezug gemeint ist, dann ist die Frage mit "nein" zu beantworten. Der Stern "Aldebaran" wird nicht dadurch miterzeugt, dass ich mein Fernrohr auf ihn richte. Auch durch die sprachliche Protokollierung der Beobachtung (" Der Stern Aldebaran stand am …) wird Aldebaran nicht miterzeugt. Allerdings ist der Name 'Aldebaran' mit dem ich den Stern bezeichne, ein menschliches Erzeugnis, so wie die gesamte Sprache, in dem Aussagen gemacht werden, menschliches Erzeugnis ist.

Du fragst weiter:

" Ist es sinnvoll, sich die Wirklichkeit als etwas vorzustellen, das im Moment unserer sprachlichen Bezugnahme auf sie immer schon fertig und 'gegeben' vorliegt?"

Hier ist nicht klar, was mit den Wörtern "fertig" bzw. "gegeben" genau gemeint ist. Wenn ich sage: "Jetzt rast Schumacher mit mehr als 280 km/h in die leichte Linkskurve", was ist da "fertige" Wirklichkeit? Wenn man eine solche Aussage macht, dann setzt das immer eine Selektion unserer Wahrnehmungen voraus, eine Entscheidung, bestimmte Aspekte der Wirklichkeit in die Aussage aufzunehmen (Person des Fahrers, Geschwindigkeit, Straßenverlauf) und andere Aspekte nicht (Farbe und Hersteller des Rennwagens, Wetterverhältnisse, die landschaftliche Umgebung etc.). Dies führt zu einer entsprechenden Begrifflichkeit, mit der die uns interessierenden Aspekte der Wirklichkeit differenziert und erfasst werden können.

Mit der obigen Aussage über Schumacher wird nichts unzulässig fixiert, was im Werden ist. Die Veränderung ist ein Bestandteil der Aussage (Geschwindigkeit ist eine bestimmte Strecke Ortsveränderung bezogen auf eine bestimmte Zeitdauer.)

Von "fertiger" und "gegebener" Wirklichkeit kann auch dann nicht gesprochen werden, wenn sich die Aussage auf zukünftige Ereignisse bezieht, wie die Lautsprecherdurchsage: "Der ICE aus Leipzig wird in ca. 10 Minuten auf Gleis 1 einfahren."

 

Du fragst weiter:

" Ist es sinnvoll, sich die Wirklichkeit als etwas fertiges und gegebenes vorzustellen, das dann durch eine Aussage über sie gewissermaßen nur noch "richtig" abgebildet werden muss?"

Das Wort "Abbildung" zur Charakterisierung des Verhältnisses einer Aussage zu dem Aussschnitt der Welt, über dessen Beschaffenheit etwas ausgesagt ist, wird hier nur von Dir benutzt. Schon wegen der unvermeidlichen Selektivität jeder Beschreibung eines Sachverhaltes ist das Wort "Abbildung" eine irreführende Metapher. Das Wort "Rose" bildet keine Rose ab. Und der Satz "An der Hauswand blühen gelbe Rosen" ist keine Abbildung der Hauswand mit den gelb blühenden Rosen.

IN Bezug auf Tarskis semantische Wahrheitsbedingung (" Der Satz 'p' ist wahr, wenn p" ) fragst Du nach der Differenz zwischen 'p' und p. Darauf hat Jean-Luc bereits geantwortet: es ist der Unterschied zwischen dem sprachlichen Zeichen (dem Satz "An der Hauswand blühen gelbe Rosen" ) und dem Bezeichneten (der Tatsache, dass an der Hauswand gelbe Rosen blühen)

Du fragst weiter: "Was verbirgt sich dahinter? Was muss alles schon geleistet sein, damit 'p' und p überhaupt korrespondieren KÖNNEN?" Dabei kritisierst Du, dass Tarski sich mit diesem Problem nicht beschäftigt. Diese Kritik halte ich für unangebracht, da ich immer jemandem nachweisen kann, er habe diese oder jene Frage "ausgeklammert". Niemand kann alle Fragen beantworten. Es sollte sich auch niemand anmaßen, dem andern vorzuschreiben, welche Fragen er zu bearbeiten habe. (Eine Seuche, die leider auch im Philtalk grassiert).

Die Kritik an der Nicht-Behandlung bestimmter Fragen hat nur dann Gewicht, wenn gezeigt werden kann, dass ohne die Behandlung der Fragen x,y und z die Fragen a,b und c nicht richtig beantwortet werden können. Und dieser Nachweis, dass Fragen nach der Beschaffenheit unserer Welt nicht richtig beantwortet werden können, wenn nicht zuvor die Frage geklärt ist, "was alles schon geleistet sein muss, damit p und 'p' überhaupt korrespondieren", dieser Nachweis ist bisher nicht erbracht worden,

meint Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 21. Feb. 2005, 14:12 Uhr

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Die Thesen des Hermeneuticus:

(1)" Für mich ist das wirklich, was existiert".

(2)Token sind Teile der Wirklichkeit.

(3)" Bedeutungen von Sätzen kommt keine von den

verstehenden Subjekten unabhängige Existenz zu."

(4)Der Begriff Abbildung ist ungeeignet zur Charakterisierung

des Verhältnisses zw. Aussage und Wirklichkeit.

(5)Die Relation zwischen Aussage und Wirklichkeit ist die der

Korrespondenz.

Diesen Thesen kann ich zunächst einmal zustimmen!

Was fangen wir nun damit an? Wie geht es weiter?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 21. Feb. 2005, 14:22 Uhr

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Hallo Flo!

Deiner Unterscheidung zwischen den beiden Wahrheitstypen könnte ich durchaus zustimmen, wenn sie nicht mehr bieten sollte als eine vorläufige, grobe Orientierung. Als abschließende Formulierung verstanden, könnte ich mich damit nicht zufrieden geben, weil zu viele Probleme unberücksichtigt blieben bzw. durch die Forumulierung schon (unausgewiesen) vorentschieden wären.

z. B. könnte ich der Formulierung "das unabhängig funktionierende Instrument der Wahrnehmung" nicht zustimmen, weil Du dadurch Wahrnehmungsinhalte zu quasi naturgegebenen, "objektiven" Fakten machst. Innerhalb einer Wahrheitstheorie muss dagegen überhaupt erst einmal geklärt werden, welchen Beitrag Wahrnehmungen unter welchen Bedingungen zur Wahrheit von Aussagen leisten können. Denn Wahrnehmungen sind stets individuell und standortbedingt, Wahrheit beansprucht aber trans-individuelle Geltung; insofern versteht es sich nicht von selbst, dass Wahrnehmungen als "Wahrmacher" von Aussagen fungieren können. Kann man dieses Problem dadurch aus der Welt schaffen, dass man Wahrnehmungen naturalisiert und somit ihre Untrüglichkeit und über-perspektivische Geltung einfach per Definition behauptet? Oder bedarf es gezielter Vorkehrungen, um Wahrnehmungen so zu gewinnen oder aufzubereiten, dass sie eine allgemeine Geltung beanspruchen können?

Das Problem der "Perspektivität" besteht auch bei Begriffen: Jeder versteht Begriffe auf seine eigene Weise. Aber hier lässt sich dem Problem dadurch beikommen, dass man Begriffe erläutert oder erforderlichenfalls durch Normierungen festlegt (wobei man, wenn man pingelig ist, bedenken muss, dass die in den Definitionen gebrauchten Begriffe ihrerseits wieder interpretationsabängig sind und notfalls definiert werden müssen usf.). Nun sind aber Begriffe immer schon auf Kommunikation ausgelegt, Wahrnehmungen dagegen sind an unsere individuelle Körperlichkeit gebunden und darum im strikten Sinne nicht kommunizierbar. Darum ist es eine nicht-triviale Frage, wieso faktisch Unkommunizierbares dennoch kommunikabel sein bzw. gemacht werden kann.

Darum drehte sich die Diskussion in Wahrheit VI: Was sind die Bedingungen der Möglichkeit für die Allgemeinheit/Allgemeingültigkeit von Wahrnehmungen. Und diese Diskussion ist zu keinem von Konsens getragenen Abschluss gekommen.

Zu Deinem Beitrag ließe sich noch einiges mehr sagen, aber dies ist mir im Momente der wichtigste Punkt.

Gruß

H.

 

PS. Ach, Gershwin hat ja dem Jazz eine Reihe "Standards" beschert, und ich kenne Interpretationen davon, die ich sehr schön finde. Aber das ist dann eher das, was wirkliche Jazzer daraus gemacht haben... Für Gershwin selbst scheint der Jazz, der ursprünglich eine "schwarze" Musik ist, eher eine folkloristische Bedeutung gehabt zu haben. Überspitzt gesagt: Was bei Emmerich Kalman (" Gräfin Mariza" ) die "Zigeuner", das sind in "Porgy und Bess" die "Schwarzen"...

:-)

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 21. Feb. 2005, 16:38 Uhr

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Hallo Eberhard!

Ich will/kann nur auf einige wenige Punkte Deines langen Beitrags eingehen.

 

 

on 02/21/05 um 13:32:56, Eberhard wrote:Angesichts dieser Kritik hätte ich erwartet, dass Du die verborgene Unschärfe oder Mehrdeutigkeit der der darin vorkommenden Wörter (" Aussage", "Wirklichkeit", "Sein" ) aufzeigst und eine bessere Formulierung vorschlägst.

Na, zu diesen Punkten habe ich seit dem 25.9.04 so mancherlei in diesem Thread geschrieben. Vielleicht sollte ich mir mal die Mühe machen, meine Beiträge zu sichten und auf eine handliche Menge von Thesen zu verdichten und außerdem ein Register anlegen, damit ich im Bedarfsfall immer auf schon Gesagtes verweisen kann...

 

 

Quote:Ich weiß nicht, welche Maßstäbe Du an Ausdrücke und Formulierungen anlegst, aber dass angesichts des dargelegten begrifflichen Zusammenhangs hier "einfache Verständlichkeit vorgetäuscht" wird, kann ich nicht bestätigen.

Meine Maßstäbe an Ausdrücke und Formulierungen sind nicht so hoch, dass sich aus ihnen eine geschlossene Theoriesprache bilden lassen sollte. Im Gegenteil, ich sehe den Sinn philosophischer Erörterungen eher darin, dass man im Durchdenken der Sachen sich von den eingefahrenen Ausdrücken und Formulierungen löst. Die Sache sollte - und zwar im Interesse der Rationalität (d. h. der allgemeinen Nachvollziehbarkeit) - stets auf verschiedene Weisen sagbar sein.

Ich sehe die Aufgabe der Philosophie nicht im Erstellen von "Theorien" qua geschlossenen Satzsystemen, sondern in der Vermittlung zwischen solchen Systemen. Und Vermittlung erfordert sprachliche Flexibilität. Was man dabei an Missverständnissen riskiert, lässt sich durch den Austausch wettmachen.

Diesen aktuellen Austausch übrigens halte ich für etwas, das der Philosophie wesentlich ist. Philosophie stellt Fragen gewissermaßen "ins Offene". Begriffsscholastik, der es vor allem darum geht, Terminologie und Aussagen "wasserdicht" zu machen, verfolgt ein entgegensetztes Interesse.

 

 

Aber nun zum Kern.

Was ich vor allem im Sinn habe, wenn ich danach frage, ob Aussagen zur Wirklichkeit gehören oder nicht bzw. ob Aussagen die Wirklichkeit, auf die sie sich beziehen, mitkonstituieren (" erzeugen" ), ist die von Dir angesprochene "Selektivität". Dieser Punkt erscheint bei Dir allerdings eher nebenbei, während er für mich von systematischer Bedeutung ist:

 

 

Quote:Wenn man eine solche Aussage macht, dann setzt das immer eine Selektion unserer Wahrnehmungen voraus, eine Entscheidung, bestimmte Aspekte der Wirklichkeit in die Aussage aufzunehmen (Person des Fahrers, Geschwindigkeit, Straßenverlauf) und andere Aspekte nicht (Farbe und Hersteller des Rennwagens, Wetterverhältnisse, die landschaftliche Umgebung etc.). Dies führt zu einer entsprechenden Begrifflichkeit, mit der die uns interessierenden Aspekte der Wirklichkeit differenziert und erfasst werden können.

(...)

Das Wort "Abbildung" zur Charakterisierung des Verhältnisses einer Aussage zu dem Aussschnitt der Welt, über dessen Beschaffenheit etwas ausgesagt ist, wird hier nur von Dir benutzt. Schon wegen der unvermeidlichen Selektivität jeder Beschreibung eines Sachverhaltes ist das Wort "Abbildung" eine irreführende Metapher. Das Wort "Rose" bildet keine Rose ab. Und der Satz "An der Hauswand blühen gelbe Rosen" ist keine Abbildung der Hauswand mit den gelb blühenden Rosen.

M.E. ist es genau diese Selektivität, die Wahrnehmungen kommunizierbar macht. Es fragt sich aber, woher jeweils die Kriterien der Auswahl stammen. Mittelbar aus der jeweils mit anderen geteilten Praxis, für die ganz bestimmte Aspekte der Wirklichkeit (dauerhaft) relevant sind. Unmittelbar ist sie in die Begriffe inkorporiert, durch die wir uns - an solchen Praxen teilnehmend - auf die wahrgenommene Wirklichkeit beziehen.

So hat jede gemeinsame Praxis oder "Lebensform" (Wittgenstein) auch ihre gemeinsame Sprache und damit ihre relevanten Aspekte der Wirklichkeit, auf die die Teilnehmer sich in ihren Aussagen beziehen. Du stellst die Auswahl als Ergebnis einer Entscheidung dar, die sich einem Sprecher oder einer Anzahl von Sprechern persönlich zurechnen lässt. Es gibt durchaus "Lebensformen", in denen diese Möglichkeit genutzt wird (z. B. in den Wissenschaften). Überwiegend aber übernehmen wir die Lebensformen mit ihren Sprachen auf unreflektierte Weise. Hier ist dann bereits über die Relevanzkriterien entschieden - freilich ohne dass damit Reflexion und Revision ein für alle Mal ausgeschlossen wären.

Wie dem auch sei: Entscheidend ist der Umstand, dass durch die gemeinsame Praxis-Sprache die im Prinzip unendliche, unbestimmte Wirklichkeit auf einen handhabbaren Ausschnitt restringiert ist - und zwar nicht immer nur ad hoc, sondern dauerhaft und mit trans-subjektiver Verbindlichkeit. Die Welt ist auf diese Weise, um es mit Heidegger zu sagen, durch die gemeinsame Praxis-Sprache schon "erschlossen". Diese jeweilige "Erschlossenheit" liegt aber jeder einzelnen Aussage, die ein bestimmter Sprecher innerhalb einer solchen Praxis-Sprache macht, "immer schon" im Rücken.

Das trägt ganz erheblich zur Verständlichkeit bei, denn so ist ausgeschlossen, dass jeder Sprecher in einem Kontext X Sätze über beliebige Ausschnitte der Wirklichkeit äußern kann, sondern jeder Teilnehmer weiß, dass im Kontext X nur x-mäßige Aussagen über x-mäßige Teile der Wirklichkeit passen. Es kann sogar sein, dass im Kontext X die y-mäßigen und die z-mäßigen Aussagen unerwünscht sind. Ja, es ist sogar nicht undenkbar, dass im Kontext X Teile der Wirklichkeit thematisiert werden, die von den Teilnehmern am Kontext Z für so unbedeutend gehalten werden, dass sie bloßen Hirngespinsten gleichkommen... usw.

(In Wahrheit I und II habe ich übrigens diesen Zusammenhang von gemeinsamer Praxis, (selektiver) Sprache, Relevanzkriterien, geteilter Wirklichkeit... unter dem Titel der "Interpretations-Welten" schon einmal zur Sprache gebracht - allerdings mit wenig Anklang bei meinen Kontrahenten...)

Fragt sich nun aber, ob es eine bestimmte Lebensform + Sprache gibt, die sich OHNE JEDE Selektivität auf DIE Wirklichkeit schlechthin bezieht. Denn um etwas Faktisches über DIE Wirklichkeit zu sagen, die allen ihren stets selektiven "Erschließungen" durch begrenzte, regionale Sprachspiele ZUGRUNDE LIEGT, wäre das ja eigentlich erforderlich. Dies wäre dann die "wirkliche Wirklichkeit", wie sie "war, ist und sein wird" - unverstellt von unseren selektiven Interessen.

Ich habe schon einmal eine Reihe von z.T. recht umfangreichen Beiträgen dieser Frage gewidmet und dabei die These aufgestellt, dass DIE Wirklichkeit, wie sie "ist, war und sein wird" nichts weiter sei als ein REFLEXIONSBEGRIFF. Denn auf sie können wir uns durch keine einzelne empirische Aussage beziehen, weil jede einzelne empirische Aussage immer und notwendigerweise eine so und so BESTIMMTE (d. h. selektive) Wirklichkeit thematisiert. Und dabei ist die Art und Weise der Thematisierung bereits KONSTITUTIV dafür, was dann überhaupt im einzelnen als wirklich bestehend ausgesagt werden kann.

Was ich hier mit dem Heideggerschen Terminus der "Erschlossenheit" bezeichne, wirkt sich für die Teilnehmer an der jeweiligen Praxis-Sprache als eine (relativ) allgemeine BEDINGUNG DER MÖGLICHKEIT (Kant) für ihre Bezugnahme auf "die" Wirklichkeit aus. Denn als Teilnehmer an dieser jeweiligen Lebensform, deren explizite und implizite Normen sie übernehmen, kommen sie auch nicht umhin, die - in ihren Begriffen inkorporierten - Selektionskriterien anzuwenden, nach denen HIER "die" Wirklichkeit "immer schon" vorstrukturiert ist. Diese "Erschlossenheit" ist für sie, als Teilnehmer, ein "Apriori", das zu übernehmen sie sich implizit mit ihrer Teilnahme verpflichten.

...

Ich könnte so fortfahren und manches andere schon Gesagte wiederholen, will aber hier nur noch ausdrücklich hervorheben, dass Du in Deinen oben zitierten Sätzen einen Zusammenhang zwischen Selektivität und WAHRNEHMUNG herstellst. Das finde ich besonders wichtig im Rückblick auf unsere Wahrnehmungsdiskussion. Dort wurde von der "Kant-Fraktion" ja auch bezweifelt, dass Wahrnehmung so etwas wie ein "unabhängiger Zeuge" sei, der uns DIE Wirklichkeit schlechthin bereitstelle. Wir haben - mit unterschiedlichen Akzentuierungen - bezweifelt, dass es nur natürlich (physiologisch) bedingte Kriterien seien, nach denen unsere Wahrnehmung selegiert. Was mich angeht, so bin ich ganz entschieden der Ansicht, dass die Selektivität unserer Wahrnehmung auch durch erlernbare Faktoren mitbestimmt - d. h. kulturell, durch unsere jeweiligen Lebenformen mitgeprägt ist. Vor allem hinsichtlich der inter-subjektiven Geltung von Sinneswahrnehmungen kommen kultürliche Faktoren ins Spiel. Denn, wie gesagt, m.E. ist es gerade die Selektivität, die Wahrnehmungen überhaupt kommunizierbar/nachvollziehbar und damit "wahrheitsfähig" macht.

(Siehe hierzu auch meinen letzten an Flo gerichteten Beitrag.)

 

Gruß

H.

 

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 21. Feb. 2005, 16:49 Uhr

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Eberhards Thesen:

(1)" Für mich ist das wirklich, was existiert".

(2)Token sind Teile der Wirklichkeit.

(3)" Bedeutungen von Sätzen kommt keine von den

verstehenden Subjekten unabhängige Existenz zu."

(4)Der Begriff Abbildung ist ungeeignet zur Charakterisierung

des Verhältnisses zw. Aussage und Wirklichkeit.

(5)Die Relation zwischen Aussage und Wirklichkeit ist die der

Korrespondenz.

Diesen Thesen kann ich zunächst einmal zustimmen!

Was fangen wir nun damit an? Wie geht es weiter?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 21. Feb. 2005, 20:33 Uhr

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Hör mal Jean_Luc, kannst du nicht deine Rassel nehmen und deine Förmchen und irgendwo anders spielen gehen?

[skater]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 21. Feb. 2005, 20:57 Uhr

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on 02/21/05 um 20:33:06, Dyade wrote:Hör mal Jean_Luc, kannst du nicht deine Rassel nehmen und deine Förmchen und irgendwo anders spielen gehen?

 

[smiley=lach2.gif]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 21. Feb. 2005, 21:12 Uhr

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Hallo Jean-Luc,

Danke für Dein Konzentrat meiner Position in Deinen 5 Thesen, in denen ich mich allerdings nur partiell wieder finde. Ob solche Konzentrate die gegenseitige Verständigung fördern, bleibt offen. Auf jeden Fall sollte Fachjargon (" token" ) und technischer Apparat möglichst vermieden werden.

Ich bevorzuge es, von bestimmten Problemen und Fragestellungen her zu diskutieren wie: "Gibt es etwas Wirkliches, das weder direkt noch indirekt wahrnehmbar ist? Gibt es Aussagen über die Wirklichkeit, die unabhängig von jeder Wahrnehmung wahr sind? Gibt es überindividuelle Strukturen in Form der tradierten Sprache und Kultur, die unsere Möglichkeiten der Begriffsbildung und damit auch der Fragestellung und der Erkenntnis prinzipiell beschränken? etc.

Außerdem halte ich es für außerordentlich wichtig, alle Probleme an möglichst einfachen konkreten Beispielen zu demonstrieren und zu diskutieren

Ich fände es auch besser, wenn Deine Zusammenfassung meiner Position auch unter dieser Überschrift laufen würde, damit keine Missverständnisse entstehen. Die These 5 habe ich z. B. nicht explizit vertreten.

Die Relation zwischen der Aussage "An der Hauswand blühen gelbe Rosen" und der Tatsache, dass an der Hauswand gelbe Rosen blühen, sehe ich so. Um sich zielgerichtet verhalten zu können, benötigen Menschen ein "Weltbild", das mehr oder weniger ausgearbeitet und sprachlich ausformuliert sein kann.

In diesem Weltbild ist z. B. gespeichert, wie man heißt, wie die eigene Wohnung beschaffen ist, wo der Staubsauger steht, dass es weh tut, wenn man glühendes Eisen anfasst, und dass es wahrscheinlich bald regnet, wenn dicke schwarze Wolken aufziehen u. a. m.

Dies Weltbild baut sich auf aus vielfältigen eigenen Erfahrungen, aus Belehrungen der Erzieher, aus Mitteilungen Dritter, aus schlussfolgerndem eigenen Denken.

Dies Weltbild kann nur dann die Aufgabe der Handlungsorientierung erfüllen, wenn es eindeutig und nicht in sich widersprüchlich ist. Wenn Elemente in dem Weltbild auftauchen, die widersprüchlich sind, z. B. in Form von Wahrnehmungen, die aufgrund des bisherigen Weltbildes nicht zu erwarten waren (der liebe, friedliche Nachbarhund hat mich in die Wade gebissen), muss das Weltbild korrigiert werden, ebenso, wenn mir Personen, denen ich voll vertraue, etwas mitteilen, das mit meinen eigenen Wahrnehmungen nicht vereinbar ist.

Dies Weltbild entsteht nicht völlig neu und voraussetzungslos, sondern wird durch unsere angeborenen Fähigkeiten der Informationsaufnahme und deren Verarbeitung bereits in geeigneter Weise vorbereitet.

So sind wir zur Erfassung von Entfernungen mit zwei Augen ausgestattet. Die beiden unterschiedlichen Bilder werden im Gehirn automatisch zu einem plastischen Bild zusammengefügt.

Unser Gehirn ist in Verbindung mit dem Gleichgewichtsorgan außerdem in der Lage, das auf der Netzhaut seitenverkehrt projezierte Bild wieder so auszurichten, dass wir nicht auf dem Kopf stehen.

Wenn man dies Bild durch eine Brille umkehrt, stellt das Gehirn nach einigen Tagen aotomatisch wieder die Dinge vom Kopf auf die Füße.

Ob man dies in dem Satz 5 zusammenfassen kann, bezweifle ich.

Es grüßt Dich und alle philosophisch interessierten Amateure und Profis Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 21. Feb. 2005, 22:14 Uhr

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Hallo Eberhard,

" Außerdem halte ich es für außerordentlich wichtig, alle Probleme an möglichst einfachen konkreten Beispielen zu demonstrieren und zu diskutieren." (Eberhard)

... nur ganz kurz etwas das mir beim lesen deiner Mail durch den Kopf ging. Das mit den Beispielen, die möglichst einfach sind ist so eine Sache. Es ist zunächst immer einleuchtend wenn man sagt, die Abstraktheit eines Gedankens, oder besser dessen Qualität erweist sich daran ob er im Alltag tauglich ist, oder anders, ob wir etwas davon in unserem Leben wiederfinden. OK, so schön so gut.

Ich farge mich aber, was ist wenn wir mal davon ausgehen, das wir es mit den "Beispielen aus dem Leben" immer mit einer hochkomplexen Situation (1) zu tun haben, der unsere Alltagssprache IMMER SCHON gerecht wird, jedenfalls da wo wir überleben, gut leben, sehr gut leben. Das heißt auch, wenn wir uns philosophisch den Kopf zerbrechen, dann ist doch die Sprache, vielleicht als ein Strukturmoment der Komplexität des Alltags, der Ausgangspunkt aber auch der Nebel den wir lichten wollen. In diesen Situationen gehen wir in unzähligen male davon aus, das wir absolut selbstverständlich WISSEN was wahr und was falsch ist. Wir setzen sogar manchmal unser Leben aufs Spiel durch die Gültigkeitsvermutung unserer unhinterfragten Urteile und merken nicht einmal das wir es aufs Spiel gesetzt haben.

Einer meiner Säulenheiligen [nosee] in Sachen Philosophie behauptet nun, das eine Analyse unweigerlich innerhalb der Kontextur verbleibt in der sie gestartet ist. Nach meinem bescheidenen Verständnis heißt das, wir müssen schon auf eine Meta-sprachliche Ebene kommen oder: wir müssen schon als Fische aus dem Wasser raus indem wir schwimmen um etwas über das Wasser zu erfahren.

Deshalb sehe ich die Beispiele die wir so zusammen konstruieren mit einem gewissen Unwohlsein, denn da schlagen meist die Wassermassen wieder über unserem Kopf zusammen.

Grüße

Dyade

(1) es ist in meinen Augen sogar die Komplexion par excellence

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 21. Feb. 2005, 22:33 Uhr

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Hallo Eberhard,

auch dein neuster Beitrag scheint mir durchaus annehmbare Thesen zu enthalten.

Der Wahrheit kommen wir damit aber nicht wirklich näher. Wenn wir also bestimmte Erfahrungen machen, die aufgrund von gewissen angeborenen Eigenschaften, z. B. bestimmte kognitive Strukturen oder visuelles Wahrnehmungsvermögen, auf eine ganz bestimmte Weise zustande kommen und auch nur so zustande kommen können, was heißt das dann für die Wahrheit?

Dann besteht doch das bekannte Problem, dass alle unsere Erfahrungen uns täuschen könnten oder dass unsere sprachlich zum Ausdruck gebrachten Erfahrungen möglicherweise gar nicht mit der Wirklichkeit korrespondieren, weil eben diese falsch sind, aufgrund unserer Dispositionen. Wahrheit, so könnte man schließen, gibt es für den Menschen möglicherweise nur innerhalb seiner Erfahrungen. Der Zugang zu objektiver Wahrheit bleibt uns dagegen für immer verwehrt, da wir die Wirklichkeit nie unabhängig von unseren Veranlagungen betrachten können.

Andererseits wäre auch das mehr als man aus der Beobachtung folgern kann, dass Erfahrungen an ganz bestimmte Dispositionen gebunden sind. Die Möglichkeit, dass unsere Erfahrungen der Wirklichkeit und die Aussagen, die wir über diese machen mit derselben übereinstimmen, können wir auf der Grundlage dieser Evidenz auch nicht ausschließen.

Dies ist aber ein Problem der Verifizierbarkeit, das einen auf den Gedanken kommen lässt, dass die Wirklichkeit ganz anders beschaffen sein könnte als wir sie erfahren. Es ist dann immer nur eine Wirklichkeit "für Uns" um mit hegelschen Begriffen zu sprechen. So dass wir, wenn wir uns fragen, ob die Wirklichkeit tatsächlich so beschaffen ist wie wir sie erfahren, wir nur antworten können, entweder sie ist es, oder sie ist es nicht.

Die Korrespondenztheorie der Wahrheit bleibt von dieser Problematik unberührt. Es gilt weiterhin, so alle Diskussionsteilnehmer zustimmen, Eine Aussage ist wahr, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmt.

Was also tragen eure Beiträge dazu bei, diese Theorie in Zweifel zu ziehen?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 21. Feb. 2005, 23:27 Uhr

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hallo hermeneuticus.

danke für deine antwort und die hinweise. ich werde mir darueber gedanken machen. die letzte bemerkung von mir war auch in eile und daher eher schlampig formuliert.

mfg flo

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Thomasino am 21. Feb. 2005, 23:48 Uhr

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Hallo,

@ HP: Upps, entschuldige dann das Missverständnis.

@ Joker: Techno mit Gesang und Effekten mag ich auch gern. Vielleicht wagt sich da mal ein Genie ran, dann wirds bestimmt ganz toll.

@ Casaubon: Ich wusste gar nicht, dass Xenakis für die Orgel komponiert hat (ich bin nebenberuflicher Organist). Xenakis kam übrigens nach Paris in die Kompositionsklasse von Messiaen und wollte Kontrapunkt und andere Dinge bei ihm lernen. Dieser aber sagte zu ihm: "Sie haben doch Mathematik und Philosophie studiert. Machen Sie daraus was." Und er tat, wie ihm geheißen.

Gruß

Obi

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von fFflLloOo am 22. Feb. 2005, 00:17 Uhr

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on 02/21/05 um 23:48:14, Thomasino wrote:Hallo,

@ HP: Upps, entschuldige dann das Missverständnis.

@ Joker: Techno mit Gesang und Effekten mag ich auch gern. Vielleicht wagt sich da mal ein Genie ran, dann wirds bestimmt ganz toll.

@ Casaubon: Ich wusste gar nicht, dass Xenakis für die Orgel komponiert hat (ich bin nebenberuflicher Organist). Xenakis kam übrigens nach Paris in die Kompositionsklasse von Messiaen und wollte Kontrapunkt und andere Dinge bei ihm lernen. Dieser aber sagte zu ihm: "Sie haben doch Mathematik und Philosophie studiert. Machen Sie daraus was." Und er tat, wie ihm geheißen.

Gruß

Obi

 

was zum...

hat uwe das hier rein verpflanzt?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 22. Feb. 2005, 00:34 Uhr

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Hi Dy,

Deinen letzten (an Eberhard gerichteten) Beitrag finde ich sehr wichtig. Du artikulierst da ein Unbehagen, das mich auch schon wiederholt beschlich, wenn Eberhard mit seinen Beispielen aus dem Leben kam, vor denen dann all die komplizierten philosophischen Reflexionen als überflüssiger, aus akademischen Leseübungen mitgeschleppter Ballast erscheinen (und auch wohl erscheinen sollen).

Das Problem der Beispiele aus dem Leben liegt, wie Du m.E. ganz richtig feststellst, in ihrer Kontextgebundenheit. d. h. hier sind wir bereits "vorverständigt", gebrauchen eingespielte Begriffe für eingespielte Situationen, die dann - und das ist der Punkt - wegen ihrer SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT den Schein der Allgemeingültigkeit mit sich führen. Es wird nämlich in diesen Beispielen gerade nicht auf die SELEKTIVITÄT ihres jeweiligen Horizonts geachtet. Und es liegt auch auf der Hand, warum: Die Selektivität eines bestimmten Kontextes kann eben nur erkannt werden, wenn man an seine Grenzen nicht gebunden ist - wenn man also mehrere Kontexte überblickt.

Die Einsicht in die Selektivität von kontextgebundener Rede setzt Reflexion voraus. Nur in der Reflexion kann die begrenzte Gültigkeit der Rede thematisiert und namhaft gemacht werden.

Problematisch wird der Einsatz solcher Beispiele besonders dann, wenn mit ihnen für die INTERTEMPORALE und KONTEXTENTBUNDENE Wahrheitsgeltung argumentiert wird.

Ich komme hier zu einem ähnlichen Schluss wie im Beitrag Nr. 104:

Eine angemessene Wahrheitstheorie muss beide Perspektiven im Blick haben - die kontextgebundene, aber "natürlich" scheinende und die reflektierte, die eine Pluralität möglicher Kontexte überschaut. Und sie muss ihren Zusammenhang und ihre Differenzen erfassen können.

Gruß

H.

 

 

 

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 22. Feb. 2005, 06:41 Uhr

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Hallo Hermeneuticus,

Es wäre schön, wenn du deine allgemein gehaltenen Kritik an Hand eines Beispiels von mir konkretisieren könntest, bei dem ich unausgesprochen und unzulässiger Weise meine Argumentation auf einen bestimmten Kontext gestützt hätte.

Es grüßt dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 22. Feb. 2005, 07:20 Uhr

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Hallo Jean-Luc,

Du schreibst:

" Auch dein neuster Beitrag scheint mir durchaus annehmbare Thesen zu enthalten."

Ich hoffe, er enthält nicht nur Thesen sondern auch Begründungen dieser Thesen.

Aber nun ernsthaft. Du schreibst:

" Wenn wir also bestimmte Erfahrungen machen, die aufgrund von gewissen angeborenen Eigenschaften, z. B. bestimmte kognitive Strukturen oder visuelles Wahrnehmungsvermögen, auf eine ganz bestimmte Weise zustande kommen und auch nur so zustande kommen können, was heißt das dann für die Wahrheit?

Dann besteht doch das bekannte Problem, dass alle unsere Erfahrungen uns täuschen könnten oder dass unsere sprachlich zum Ausdruck gebrachten Erfahrungen möglicherweise gar nicht mit der Wirklichkeit korrespondieren, weil eben diese falsch sind, aufgrund unserer Dispositionen. Wahrheit, so könnte man schließen, gibt es für den Menschen möglicherweise nur innerhalb seiner Erfahrungen. Der Zugang zu objektiver Wahrheit bleibt uns dagegen für immer verwehrt, da wir die Wirklichkeit nie unabhängig von unseren Veranlagungen betrachten können."

Meine Gegenfrage: Wäre das denn schlimm?

Mir reicht ein Wissen, das sich über die Zeit bewährt, und das ich anderen nachvollziehbar begründen kann. Wenn wir intersubjektiv und intertemporal gültige Aussagen haben, was wollen wir mehr?

Wenn mir jemand sagt: "Aber das könnten alles Täuschungen sein", dann antworte ich ihm: "Wie kann etwas eine Täuschung sein, dass mich und andere niemals enttäuschen kann?"

Fazit: Es lohnt sich nicht, der Schimäre einer "objektiven" Wahrheit hinterher zu laufen.

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 22. Feb. 2005, 08:40 Uhr

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Hallo Eberhard!

Hier ist ein Beispiel aus dem Thread: "Zu (er)finden: konsensfähige soziale Normen"

Ich schrieb im Beitrag 106 etwas, das eine Erläuterung meines Mottos von Ludwig Wittgenstein sein könnte: "Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, dass wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen."

 

Quote:Die Erwartung, Diskussionsteilnehmer sollten sich an der "Möglichkeit des Verstandenwerdens" orientieren, ist nach meiner Auffassung dann sinnvoll, wenn diese Möglichkeit nicht nur denkbar ist (denn denkbar ist vieles), sondern wenn sie sich auch verwirklichen lässt. Aber Du selbst räumst ein, dass Deine Regeln für die Argumentation "nur ein Ideal" seien, "an das man sich mehr oder weniger annähern kann".

Der Grund dafür liegt bei der Norm der "Allgemeinverständlichkeit" auf der Hand: Ich kann nie WISSEN, ob andere mich verstehen, ich kann es nur GLAUBEN. Denn auch wenn sie zustimmen, ist damit ja nicht garantiert, dass sie den Gedanken, dem sie dabei zustimmen, auch tatsächlich so verstehen wie ich. Nun ist es aber ein Unterschied, ob man einer Meinung IST oder nur GLAUBT, es zu sein.

Und für wen ist dieser Unterschied besonders wichtig?

Bei Vertragsabschlüssen gibt es das berühmte "Kleingedruckte". Darin werden in der Regel Bestimmungen untergebracht, die einfach dem Üblichen entsprechen und darum als selbstverständlich vorausgesetzt werden dürfen. Aber im Kleingedruckten verstecken manche gern die unangenehmen Konsequenzen eines Vertrages, von denen sie beim Vertragsschluss mit Fleiß abgelenkt haben... Der Vertrag gilt - natürlich MIT Kleingedrucktem - als Konsens (" gelesen und verstanden" ), als eine freiwillige, und darum auch bindende Übereinkunft zweier Rechtssubjekte. Der Vertrag gilt vor Gericht als Beleg für den FAKTISCHEN Konsens der Kontrahenten, oft genug aber auch dann, wenn von faktischem Konsens gar keine Rede sein konnte.

Nun, in Diskussionen gibt es kein Kleingedrucktes. Aber es gibt durchaus Implikationen von Argumenten und Aussagen, die sich im Moment ihrer Äußerung nicht ohne weiteres überblicken lassen. Manchmal nicht einmal von demjenigen selbst, der sie äußert. Hier darf ich Dich an Deine ursprüngliche Aufgabenstellung für diesen Thread hier erinnern. Darin schwankst du, wie ich schon einmal nachgewiesen habe, zwischen unterschiedlichen Graden von Allgemeinheit: Einmal geht es um den (relativ allgemeinen) Konsens zwischen den Beteiligten bzw. Betroffenen, dann wieder um einem universellen, intersubjektiven und intertemporalen Konsens. Klingt nur wie eine unbedeutende Nuance, macht aber einen bedeutenden Unterschied.

Das Beispiel zeigt, dass nicht einmal die jeweiligen Sprecher selbst sicher sein können, ob sie sich richtig verstehen. Vielleicht überblicken sie die Sätze, die sie gerade äußern, aber keineswegs deren "Kleingedrucktes", nämlich die Implikationen, die sehr weitläufig und diffizil sein können.

In der "Logik der Forschung" hat sich die Idee der "Falsifikation" durchgesetzt. Ob eine Hypothese wirklich zutrifft, kann eine – notwendigerweise immer nur begrenzte - Reihe von positiven Belegen nicht garantieren. Darum ist es ehrlicher, von einer Hypothese zu sprechen, die grundsätzlich nur vorläufig gilt – und zwar genau so lange, bis eine signifikante Anzahl von widersprechenden empirischen Daten sie falsifiziert.

In der Diskussion trifft Analoges auf den Konsens zu. Man kann ihn unterstellen (also daran GLAUBEN) – bis sich im weiteren Verlauf der Diskussion zeigt, ob einige Beteiligte bestimmte Begriffe, Definitionen, Äußerungen doch anders verstanden haben als sie zuerst glaubten...

Darum ist Dissens in einer Diskussion unter Erdenbewohnern, denen das Gedankenlesen nicht gegeben ist, wohl aussagekräftiger als Konsens. Zwar kann man auch irrtümlich glauben, verschiedener Meinung zu sein. Aber um das festzustellen, braucht man zunächst einmal den Dissens. Wenn dagegen alle zu einem bestimmten Gedanken zustimmend nicken, entfällt auch die Chance, den geglaubten Konsens zu überprüfen...

Aber wenn der Konsens eine bestimmte Funktion erfüllt, dann haben vielleicht auch manche Beteiligte gar kein Interesse daran, diesen GLAUBEN durch Nachhaken zu erschüttern. Und das ist möglicherweise dann der Fall, wenn der erzielte Konsens eine Entscheidung bindend legitimieren soll. Man kann sich dann auf ihn berufen, kann spätere Einwände und Revisionsversuche abweisen und sagen: "Hier, du hast es doch auch so gewollt – nun halte dich auch daran!"

(...)

 

Deine Antwort im Beitrag 109

 

Quote:

Du schreibst: "Ich kann nie WISSEN, ob andere mich verstehen, ich kann es nur GLAUBEN. Denn auch wenn sie zustimmen, ist damit ja nicht garantiert, dass sie den Gedanken, dem sie dabei zustimmen, auch tatsächlich so verstehen wie ich."

Demgegenüber bin ich der Ansicht, dass ich sehr wohl erkennen kann, ob der andere

mich versteht oder nicht. Wenn ich zu jemandem sage: "Mach bitte die Tür zu!" und er steht danach auf und schließt die Tür, dann hat er mich offensichtlich verstanden. Ich könnte das noch näher überprüfen, indem ich ihn zu ihm sage: "Zeig mir eine Tür!" und ihn frage: "Was ist das Gegenteil von 'aufmachen' "? Wenn er dann auf eine Tür zeigt und wenn er sagt: "Das Gegenteil von 'aufmachen' ist 'zumachen', dann ist der Satz: "Mach bitte die Tür zu!" offenbar für ihn verständlich.

 

Ich erinnere mich noch so gut an dieses Beispiel, weil ich mir damals (Juli letzten Jahres) "für dumm verkauft" vorkam.

Gruß

H.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 22. Feb. 2005, 12:05 Uhr

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Hallo Eberhard,

ich interpretiere einmal etwas in deine Haltung innerhalb der Diskussion hinein, das ich allerdings nur als etwas 'zwischen den Zeilen' an dieser Haltung erkennen kann.

Du führst ständig diese Beispiele ein. Siehe "Störche" usw. Du scheinst der Auffassung zu sein, das Argumente die sich nicht an solchen Beispielen als denkbar oder überprüfbar erweisen, sinnloses Gerede sind. Auch der Hinweis darauf das diese Beispiele zumindest problematisch sind überführst du in eine Art infiniten Regress denn du schreibst gleich wieder: Nenn mir ein Beispiel an dem ich das erkennen kann. Uhaa [poke]

dann nimmst du Bezug auf Jean_Luc wie folgt:

" Der Zugang zu objektiver Wahrheit bleibt uns dagegen für immer verwehrt, da wir die Wirklichkeit nie unabhängig von unseren Veranlagungen betrachten können."

 

und schreibst dann:

" Meine Gegenfrage: Wäre das denn schlimm? Mir reicht ein Wissen, das sich über die Zeit bewährt, und das ich anderen nachvollziehbar begründen kann. Wenn wir intersubjektiv und intertemporal gültige Aussagen haben, was wollen wir mehr?"

Fällt dir auf, das eine Wahrheit die radikal nur auf unserem eigenen Mist wächst das ausschließt was dir angeblich reicht? Denn wo sollen denn die Bedingungen herkommen die es einem anderen erlauben deine Begründungen nach zu vollziehen? Wie werden denn dann "intersubjektive" GÜLTIGE Aussagen gestiftet?

Grüße

Dyade[cool]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von jacopo_belbo am 22. Feb. 2005, 14:02 Uhr

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hallo alle miteinand'

mit einer ausführlichen antwort,warte ich zunächst, bis sich die wogen ein wenig geglättet haben. ich habe die vergangenen texte nur kursorisch gelesen, und mir ist aufgefallen, dass einige beiträge nur wenig produktives zu unserer diskussion beizutragen hatten. das gerangel darum, wer nun (ausschließlich) kompetent sein soll und die nicht wenigen persönlichen angriffe sind langweilig.

 

Quote:jean-luc:Dann besteht doch das bekannte Problem, dass alle unsere Erfahrungen uns täuschen könnten oder dass unsere sprachlich zum Ausdruck gebrachten Erfahrungen möglicherweise gar nicht mit der Wirklichkeit korrespondieren, weil eben diese falsch sind, aufgrund unserer Dispositionen

worin genau besteht das bekannte problem genau? darin, dass

Quote:alle unsere Erfahrungen uns täuschen könnten

ist dieses problem ein problem?

ich denke, dass das angesprochene problem, ein schein-problem ist. sicher, man kann nie ausschließen, getäuscht zu werden, bzw. sich zu täuschen. aber was bedeutet eine aussage wie "alle unsere Erfahrungen [könnten] uns täuschen" ? ich verstehe die bedeutung dieser aussage nicht.

ähnlich unklar ist das folgende

Quote:Der Zugang zu objektiver Wahrheit bleibt uns dagegen für immer verwehrt, da wir die Wirklichkeit nie unabhängig von unseren Veranlagungen betrachten können.

was bedeutet in diesem zusammenhang objektive wahrheit? was genau ist objektiv?

und was ist das für eine wirklichkeit, wenn wir zu ihr keinen zugang hätten?

 

Quote:Die Korrespondenztheorie der Wahrheit bleibt von dieser Problematik unberührt. Es gilt weiterhin, so alle Diskussionsteilnehmer zustimmen, Eine Aussage ist wahr, wenn sie mit den Tatsachen übereinstimmt.

oder eben: ein satz ist genau dann wahr, wenn es so ist, wie der satz besagt.

wobei ich inzwischen dazu tendiere, das wort "tatsachen" mit vorsicht zu behandeln, weil die lieben mitdiskutierenden ein wenig nervös werden, wenn man von "tatsachen" spricht. aber, und das hast du auch unterstrichen, ist der wahrheitsgehalt eines satzes nicht allein von der bedeutung des satzes an sich abhängig, sondern von elementen, die außerhalb des satzes selbst liegen (ich trenne "sprachliche bedeutung" und "bestehenselement" ).

Quote:Was also tragen eure Beiträge dazu bei, diese Theorie in Zweifel zu ziehen?

die frage bleibt weiterhin aktuell - und die zweifler haben bisher kein sinvolles argument für ihren zweifel geliefert.

- mfg thomas

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von leo_casimir am 22. Feb. 2005, 14:50 Uhr

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Hallo,

ich will hier nur auf einen Satz eingehen, der mir nicht ganz untypisch für diese Diskussion erscheint.

Zitat:

wobei ich inzwischen dazu tendiere, das wort "tatsachen" mit vorsicht zu behandeln, weil die lieben mitdiskutierenden ein wenig nervös werden, wenn man von "tatsachen" spricht. aber, und das hast du auch unterstrichen, ist der wahrheitsgehalt eines satzes nicht allein von der bedeutung des satzes an sich abhängig, sondern von elementen, die außerhalb des satzes selbst liegen (ich trenne "sprachliche bedeutung" und "bestehenselement" ).

da kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte die "Tatsache" oder die "Wirklichkeit" oder die "Wahrnehmung" oder was dann auch immer statt "Tatsache", "Wirklichkeit", Wahrnehmung" hier gesagt wird, qualifizierende Funktion für das Zutreffen oder Nichtzutreffen von Aussagen. Das erscheint mir ziemlich abenteuerlich. Bestimmung funktioniert immer auch negativ. z. B. Freges "am wenigsten konvergente Reihe". Da weiß jeder Mathematiker, so Ding gibt's nicht. Und das weiß er gerade deshalb, weil er die Eigenschaften einer solchen Reihe benennen kann. Man kann also mit den gleichen methodischen Verfahren - hier die Verfahren der Mathematik - "Dinge" bestimmen, die mathematisch existieren, und solche, die mathematisch nicht existieren.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 22. Feb. 2005, 17:09 Uhr

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Quote:Wäre das denn schlimm?

 

Das ist vollkommen egal. Wenn es um die Frage nach objektiver Wahrheit geht, dann ist die Möglichkeit, dass es eine solche für uns möglicherweise gar nicht gibt relevant.

 

Quote:Mir reicht ein Wissen, das sich über die Zeit bewährt

 

Mir nicht! Und es wird auch der Fragestellung nicht gerecht.

 

Quote:Es lohnt sich nicht, der Schimäre einer "objektiven" Wahrheit hinterher zu laufen.

 

Warum denn nicht?

 

Quote:Denn wo sollen denn die Bedingungen herkommen die es einem anderen erlauben deine Begründungen nach zu vollziehen?

 

Dein Einwand ist nicht ganz korrekt. Nur weil es keine objektiven Wahrheitskriterien gibt, heißt das noch lange nicht, das es keine intersubjektiv nachvollziehbaren Kriterien gibt. Projekte wie die von Kant oder Strawson (Descriptive metaphysic) zeigen sogar, dass wir aufgrund bestimmter a priorischer Begriffe (das was ich auf genetische und evolutionsbiologische Dispositionen reduziert habe) die Welt notwendig auf eine ganz bestimmte Weise erfahren. Und so die Art Mensch in den meisten Teilen dieser Dispositionen übereinstimmen, scheint es doch möglich einen Konsens zu finden der mehr ist als der Durchschnitt aller Meinungen (das wäre ja ein fatales Szenario, wenn man sich klarmacht, dass dann auch solche unqualifizierten Meinungen, wie die von Dyade und Gershwin in die Bewertung miteinfließßen würden. Da teile ich die Bedenken von Konrad Adenauer, der sich gegen Volksabstimmungen aussprach, da er das Volk für unmündig hielt). Denn wir können bestimmte Optimalbedingungen definieren, die es ermöglichen, dem subjektiven Gehalt von Wahrnehmung und Beobachtung entgegenzuwirken.

Man könnte allerdings einwenden, dass man dann eine bestimmte Menge von Bedingungen unter denen ein Phänomen betrachtet wird, soezifizieren müsste. Und dann wäre die Frage, welche Bedingungen sind das denn, etwa alle.

Die Frage ist also in der Tat, gibt es intersubjektiv gültige Kriterien, die mehr sind als bloßer Konsens?

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Dyade am 22. Feb. 2005, 18:11 Uhr

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wie kommt einer bloß darauf Kants a priorische "Begriffe", (besser das Vermögen das dahinter steht) auf "genetische und evolutionsbiologische Dispositionen" REDUZIEREN zu können, wenn diese "Begriffe" überhaupt erst 'dazu gedacht' werden müssen um "genetische und evolutionsbiologische Dispositionen", als Material der Anschauung, zum Gegenstand der Erkenntnis zu machen? [embarrass]

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 22. Feb. 2005, 19:21 Uhr

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Hallo Dyade,

Du hattest von "Voraussetzungen" gesprochen, "ohne die es überhaupt keine intersubjektiven Urteile gibt, die aus Erfahrung resultieren."

Da ich diese Voraussetzungen diskutieren wollte, gab ich als Beispiel für ein aus Erfahrung resultierendes Urteil die Aussage über den Zug der Störche und fragte: Kannst Du eine dieser Voraussetzungen einmal als konkretes Beispiel explizit formulieren?

Ich hatte erwartet, dass Du jetzt eine dieser Voraussetzungen nennst. Dann hätte man an einem konkreten Beispiel diskutieren können, ob es solche Voraussetzungen für empirische Aussagen gibt oder nicht.

Du hast jedoch keine Voraussetzung explizit formuliert, sondern hast meine Frage anders verstanden und folgendes Beispiel genannt: "Wenn wir beide zum Zug gehen, der 11:59 abfahren soll und wir schauen auf die Uhr und es ist 12:00 Uhr und du sagst: der Zug ist weg, dann zweifele ich am Wahrheitsgehalt deiner Rede, denn das kannst du nicht wissen. Denn aus Erfahrung können wir nie auf die Zukunft schließen. Das heißt, wir können aus Erfahrungen keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit herleiten oder besser, etwas das notwendig wahr ist."

Und in deinem letzten Beitrag an mich, in dem ich eine "objektive" Wahrheit, die mehr sein will als intersubjektive und intertemporale Wahrheit als "Schimäre" bezeichnet habe, fragst Du kritisch: "Wo sollen denn die Bedingungen herkommen, die es einem anderen erlauben, deine Begründungen nach zu vollziehen? Wie werden denn dann "intersubjektive" GÜLTIGE Aussagen gestiftet?"

Eine erste Antwort: Durch intersubjektiv und intertemporal übereinstimmende Wahrnehmungen.

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 22. Feb. 2005, 20:31 Uhr

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Dyade:

Quote:wie kommt einer bloß darauf Kants a priorische "Begriffe", auf "genetische und evolutionsbiologische Dispositionen" REDUZIEREN zu können

 

Diese Dispositionen sind nicht Gegenstand von Erkenntnis, sondern Faktoren, die unsere Erkenntnis auf eine bestimmte Weise beeinflußen, z. B. ermöglichen es die Augen eine bestimmte Art von Input zu ermöglichen, welches durch das Gehirn in einer ganz bestimmten Weise verarbeitet wird. d. h. Das Gehirn mit allen seinen Eigenschaften und die Wahrnehmungsorgane beeinflussen die Art unserer Erkenntnis, bzw. der Informationsverarbeitung.

Weiterhin sind Begriffe im Gehirn auf eine bestimmte Art instantiiert. Begriffe existieren doch nur aufgrund bestimmter Gehirnvorgänge. Da wird nicht erst etwas gedacht und dann entsteht ein neuronales Korrelat. Neuronen und Synapsen sind doch zumindestens die biologischen Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis. Und wenn die kantschen begriffe a priori nicht auf diese Bedingungen reduziert werden können, so sind unsere kognitiven Strukturen zumindest ebenso Faktoren, die die Art unserer Erkenntnis prägen.

Es ist jedenfalls kein logischer oder Kategorienfehler diese Reduktion. Das Problem könnte nur darin bestehen, das bestimmte Gehirnvorgänge nicht intrinsisch semantisch sind. Deswegen müssen, so scheint es, Begriffe als Träger von Bedeutung als zusätzliche Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis angenommen werden, wenn wir etwas verstehen wollen von dem, was unser Gehirn da so verarbeitet. Sonst gilt Daniel Dennetts These, vom Menschen als syntaktischer Maschine. So wie du deinen Einwand formuliert hast ist er jedenfalls wenig schlagkräftig.

 

Eberhard:

Quote:Eine erste Antwort: Durch intersubjektiv und intertemporal übereinstimmende Wahrnehmungen.

 

Wie kann es denn zu einer solchen Übereinstimmung kommen? (Ich hatte die Problemstellung bereits etwas umrissen)

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Hermeneuticus am 22. Feb. 2005, 21:28 Uhr

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Hallo Jean-Luc,

ich muss Dyade ganz entschieden beipflichten.

Du schreibst:

 

Quote:Begriffe existieren doch nur aufgrund bestimmter Gehirnvorgänge. Da wird nicht erst etwas gedacht und dann entsteht ein neuronales Korrelat.

Nun sind "Gehirnvorgänge", "neuronal", "Korrelat" zwifelsohne Begriffe. Kannst Du mir erklären, wie ein Gehirnforscher irgendeine Aussage über die physiologischen "Voraussetzungen" von Begriffen machen kann, OHNE BEREITS BEGRIFFE ZU GEBRAUCHEN? Und - bitteschön, möglichst WAHRE Aussagen!

Was will ich mit dieser Frage andeuten? Dass Du hier die methodische Reihenfolge, d. h. das Bedingungsverhältnis zwischen Begriffen und empirischen Erkenntnissen verkehrst. Ich will damit gar nicht die Erkenntnisse der Physiologie anfechten. Sondern ich will nur darauf hinweisen, dass die Verfügung über Begriffe und Wahrheitskriterien DIE VORAUSSETZUNG für diese empirischen Erkenntnisse bilden. Es geht aus methodischen Gründen nicht an, im Rahmen einer wahrheitstheoretischen Erörterung empirische Erkenntnisse einzuführen, für die bereits das Explanandum (Wahrheit) in Anspruch genommen wird.

Siehe dazu auch meinen Beitrag 51 im Thread "Wahrheit VI".

Gruß

H.

 

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Eberhard am 22. Feb. 2005, 22:56 Uhr

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Hallo allerseits,

Ihr schreibt so fleißig, dass ich die 8. Runde einläuten muss, auch wenn einige unserer Zaungäste platzen.

Ich will nicht viel Worte machen. Es geht gegenwärtig u.a. um die Möglichkeit und die Notwendigkeit, "objektiv" wahre Aussagen zu machen.

Eine Bitte an alle, die hier mitmachen wollen:

Schreibt zum Thema, seid hart in der Sache, aber lasst persönliche Angriffe draußen vor!

Es geht hier nur um die besseren Argumente, nicht um die besseren Menschen.

Weiterhin eine spannende und kreative Diskussion in Wahrheit VIII

wünscht sich Eberhard.

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Titel: Re: Wahrheit VII

Beitrag von Jean_Luc am 22. Feb. 2005, 23:11 Uhr

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Quote:Nun sind "Gehirnvorgänge", "neuronal", "Korrelat" zwifelsohne Begriffe. Kannst Du mir erklären, wie ein Gehirnforscher irgendeine Aussage über die physiologischen "Voraussetzungen" von Begriffen machen kann, OHNE BEREITS BEGRIFFE ZU GEBRAUCHEN?

 

Hättest du meinen Beitrag etwas genauer gelesen, dann hättest du gemerkt, das ich diesem Punkt zustimme. Wenn wir etwas verstehen wollen und wenn wir Aussagen über irgendetwas machen wollen, dann sind Begriffe notwendig.

Aber deshalb prägen unsere kognitiven Strukturen dennoch unsere Erfahrungen. Und diese Strukturen sind vor den Begriffen da, denn wir wollen ja wohl nicht behaupten, das ein Begriff einfach so entsteht und dann auch noch ein Gehirnprozeß verursacht. Aufgrund dieser Strukturen bilden wir diese Begriffe auf eine bestimmmte Weise.

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