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Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
PhilTalk Philosophieforen
Theoretische Philosophie >> Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie >> Sind
Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
(Thema begonnen von: Eberhard am 10. Aug.
2005, 13:39 Uhr)
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Titel: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am 10.
Aug. 2005, 13:39 Uhr
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Hallo allerseits,
dies ist die Fortsetzung der Diskussion zur Frage:
„Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches?“
Ihr findet sie auf der Website:
www.philtalk.de/msg/1120282463.htm
Ich hoffe, dass die weitere
Diskussion dicht am Thema und sachlich argumentierend verläuft, so wie es bei
der bisherigen Diskussion – meistens - der Fall war. Allerdings besteht bei viel
gelesenen Threads wie diesem immer das Problem, dass sich Leute hier in Szene
setzen wollen, die sachlich kaum etwas beizusteuern haben.
Grüße an
alle, denen es um Klarheit des Denkens und Sprechens geht, von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
10. Aug. 2005, 13:41 Uhr
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Hallo allerseits,
Ich habe vorgeschlagen, dass wir die Frage: „Sind
Möglichkeiten etwas Wirkliches?“ in der Weise angehen, dass wir fragen: „Wie
kann man für oder gegen Aussagen über das Bestehen von Möglichkeiten
argumentieren? Wie kann man Aussagen über die Existenz von Möglichkeiten
verifizieren oder falsifizieren?“ (Nebenfrage: Was bedeutet hier „Existenz“?)
Nehmen wir das Beispiel des A, der den E erschießt. Abrazo stellt in Bezug
auf A die Frage, „ob es für ihn auch noch die Möglichkeit gab, E nicht zu
erschießen.“
Wie kann man für oder gegen das Bestehen dieser Möglichkeit
argumentieren?
Auf den ersten Blick würde ich erstmal sagen: „Insofern A
die Bewegungen des Zeigefingers seiner rechten Hand steuern kann – was man
empirisch testen kann - war es ihm möglich, nicht abzuziehen“.
Es grüßt
Euch Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 10. Aug. 2005, 18:07 Uhr
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Hallo miteinander!
Wir haben schon mehrfach den Zusammenhang von
Möglichkeit(en) und „Vermögen“ (Können, Fähigkeit, Kompetenz) berührt; nun
scheint mir der Zeitpunkt günstig, ihn näher zu untersuchen.
Sprachgeschichtlich sind das „mögen“ und die „Möglichkeit“ in der Tat aus dem
„vermögen“ (im Sinne von können) hervorgegangen, die Spuren reichen laut Wahrig
zurück bis in den indogermanischen Wortstamm „magh-“ bzw. „megh-“. Aber mir
scheint da auch ein grundlegender sachlicher Zusammenhang zu bestehen.
Ich will mich hier auf die „positive“, die bestimmte oder bestimmbare
Möglichkeit konzentrieren, die sich wohl grundsätzlich von der unbestimmten,
defizitären Möglichkeit unterscheidet. Diese defizitäre, unbestimmte Möglichkeit
hat nämlich mehr mit dem Unvermögen zu tun als mit dem Vermögen. Wenn wir etwas
nicht genau wissen, nicht kontrollieren oder nicht vorhersehen können,
gebrauchen wir „möglich“ in diesem unbestimmten Sinne. „Es mag sein, ich weiß es
nicht.“ „Möglich, dass es morgen regnet; ich habe noch keinen Wetterbericht
gesehen.“ „Bei dieser Augenkrankheit, deren Ursache wir nicht kennen, ist alles
möglich – von der spontanen Heilung bis zur Erblindung.“ Usw.
Für das
Bestehen der „positiven“ Möglichkeit – z.B. die der Wahl zwischen Alternativen –
ist irgendeine Form des Könnens unabdingbar vorausgesetzt: Zunächst wird man
diese Alternativen erkennen und unterscheiden können und dann auch in der Lage
sein müssen, sich für eine der möglichen Handlungen zu entscheiden. Aber wie
entstehen solche alternativen Handlungsmöglichkeiten überhaupt? Sind sie einfach
von irgendwo her „gegeben“? Finden wir sie vor? Oder hängen sie mit unserem
Können unmittelbar zusammen – d.h. schaffen wir sie uns selbst? Ich denke,
letzteres trifft zu.
Nehmen wir Abrazos Bespiel, bei dem A den E
erschießt. Dazu sagt Eberhard: „Insofern A die Bewegungen des Zeigefingers
seiner rechten Hand steuern kann – was man empirisch testen kann - war es ihm
möglich, nicht abzuziehen“
Schauen wir genauer hin:
Hätte A zum
ersten Mal eine Feuerwaffe in der Hand gehabt, wäre der Schuss „per Zufall“
ausgelöst und E auch nur „per Zufall“ getroffen worden. Aber vielleicht war A im
Umgang mit der Waffe geübt und wusste, wie man entsichert, lädt, zielt und
abdrückt und konnte sich auf dieses Können auch unter Stress verlassen. Das
Schießen wäre dann für ihn ein sorgsam einstudiertes Handlungsschema, über das
er jederzeit verfügt. Er wäre dann auch in der Lage, die einzelnen
Teilhandlungen des Entsicherns, Ladens, Zielens und Abdrückens zu unterscheiden
und zu kontrollieren. Und das wiederum bedeutet, er hätte nach jedem Schritt im
Handlungszusammenhang des Schießens die Wahl, zum nächsten Schritt überzugehen.
Er kann zum Beispiel E ins Visier nehmen und mit dem Zielfernrohr verfolgen und
sich dann noch entscheiden, ob der abzieht oder nicht. Und das sichere Zielen
wiederum erlaubt es ihm, bewusst vorbeizuschießen, um E nur zu warnen und zum
Stehenbleiben zu veranlassen. - Für das zielsichere Treffen ist besonders das
Auseinanderhalten von Zielen und Abdrücken wichtig, also die Kontrolle über den
Impuls, sofort zu schießen, weil etwa „Gefahr im Verzuge“ besteht.
An
diesem Beispiel kann man gut sehen, wie sich uns Handlungsmöglichkeiten dadurch
eröffnen, dass wir Handlungsschemata einstudieren. Nichts anderes als das
Verfügen über Handlungsschemata meinen wir auch eigentlich, wenn wir von
„Können“ oder „Fähigkeit“ sprechen. „Können“ bezieht sich nicht auf einzelne,
flüchtige Handlungen oder Regungen, sondern auf wiederholbare und
wiedererkennbare Handlungen, die außerdem auch nicht nur von einem einzigen
Handelnden ausgeführt werden können, sondern von vielen. So ist das Schießen ein
Handlungsschema, das im Prinzip jedermann erlernen kann wie das Grüßen, das
Kaffeekochen oder Zigarettendrehen.
An einer einmaligen Handlung können wir
sehr viel schwieriger unterscheiden, ob sie „gesteuert“ und „gewollt“ war. Erst
wenn wir sehen, dass jemand die Handlung auf Aufforderung oder unter gleichen
Umständen wiederholen kann, können wir sicher sein, dass er sie „beherrscht“ –
und das heißt, dass er willkürlich darüber verfügt.
Über ein
Handlungsschema mit seinen Teilhandlungen verfügen – das bedeutet eo ipso:
Handlungsmöglichkeiten haben. Denn wer eine Handlung beherrscht, kann sie auch
unterlassen. Er kann entscheiden, wann und zu welchem Zweck er sie vollzieht.
Usw. Möglichkeiten im „positiven“ Sinne scheinen also unmittelbar verknüpft zu
sein mit „Steuerung“ oder „Kontrolle“. Und zwar nicht nur im Bereich des
Handelns, sondern auch im Bereich des Erkennens (z.B. bei der Vorhersage von
Ereignissen). Überhaupt scheinen sich mir das Handeln und das Erkennen gar nicht
so ohne weiteres von einander trennen zu lassen. Denn auch das gezielte Erkennen
beruht auf Handlungsschemata und das Vollziehen von Handlungsschemata wiederum
setzt Wiedererkennen und Unterscheiden voraus...
Der Umstand, dass
Handlungsschemata grundsätzlich übertragbar, also nicht an eine einzelne Person
gebunden sind, dürfte auch der Schlüssel zur Veri- oder Falsifizierung von
Möglichkeiten sein. Handlungsschemata sind aufgrund ihrer Wiederholbarkeit und
Wiedererkennbarkeit etwas „Objektives“. Damit selbstverständlich auch die
Möglichkeiten, die sich durch das Verfügen über Handlungsschemata eröffnen.
Schöne Grüße
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 10.
Aug. 2005, 20:18 Uhr
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Hallo Eberhard
Sind das nicht zwei verschiedene Dinge?
Aussagen
über Möglichkeiten
die Frage der Existenz von Mgölichkeiten
Aussagen
über Möglichkeiten beziehen sich auf einen bestimmten Fall. z.B. "es gibt sechs
Möglichkeiten mit diesem
Würfel eine unterschiedliche Zahl zu würfen" ->
diese Aussage über Möglichkeiten kann wahr oder falsch sein...
Die Frage,
ob Möglichkeiten 'existieren', ob sie ebenso
'wirklich' sind, wie der Sessel,
auf dem ich sitze hat einen
ganz anderen Bezug.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Gepe am 10.
Aug. 2005, 20:55 Uhr
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Ich stelle mir den hypothetischen Fall vor, dass jemand ein Kästchen erfindet,
welches ein absolutes Zufallsresultat erzeugt (völlig nicht deterministisch).
Damit koennte ich tatsaechlich mein Leben nicht deterministisch machen: Ich
koennte bei einzelnen Entscheidungen das Kästchen entscheiden lassen, und so
mein Leben bestimmen.
Einverstanden: In diesem Fall wäre mein Leben sicher
nicht mehr deterministisch.
Aber, ware dies jetzt ein freier Entscheid von
mir zwischen 2 Moeglichkeiten?
- ein freier Entscheid schon,
- aber nicht
ein freier Entscheid von MIR, sondern vom Kästchen
Ich stelle mir den
hypothetischen Fall vor, dass jemand herausfindet, dass alle Menschen bereits so
ein Kästchen im Kopf haben.
Dann wuerden wir wissen, dass unser Leben nicht
mehr deterministisch ist.
Aber das Grundproblem bleibt: Die beiden Wörter ICH
und FREI gehoeren nicht zusammen:
- entweder mache ICH deterministische
Entscheidungen (basierend auf meinem ICH)
- oder das KAESTCHEN macht fuer
mich die freie Entscheidungen.
@Abrazo
Zitat: Eine
Entscheidung ist immer eine Funktion meiner Art des Denkens. Die Frage ist doch
gerade, ob ich die Möglichkeit habe, meine Art des Denkens frei zu wählen.
Um eine 'Art des Denkens' frei wählen zu koennen, muss man aber denken
(mittels der dann existierenden persönlichen 'Art des Denkens)
Das erscheint
mir als Schwanzbeisser: Mit einer (angenommen) unfreien 'Art des Denkens' wird
man nicht zwingend eine freie 'Art des Denkens' wählen koennen.
@Abrazo
Zitat: Wenn A keinen freien Willen hat, dann ist er für seine Wahl auch nicht
verantwortlich zu machen. Dann trägt er keine Schuld, kann folglich nicht
bestraft werden
Auch wenn (angenommen) kein freier Wille beseht, dann ist
der Entscheid (zu schiessen) trotzdem mit Einbezug der Konsequenzen geschehen.
Damit meine ich, dass der Täter das allgemeine Rechtsempfinden und die
Rechtssprechung kennt, und weiss welche Strafe darauf steht.
Das Akzeptieren
der moeglichen Strafe ist somit in den Entscheid (zu schiessen) hineingeflossen.
Der ganze Vorgang ist somit sehr nahe einem Handel: Wenn ich etwas tue (jemanden
toeten) bekomme ich etwas (eine Strafe) und möchte (Entscheid) den Handel unter
diesen Bedingungen abschliessen.
Deshalb wuerde ich Deinen Satz
folgendermassen schreiben:
Wenn A keinen freien Willen hat, dann ist er für
seine Wahl vielleicht nicht verantwortlich und nicht schuldig. Aber er kann
bestraft werden weil das ein Teil des von ihm akzeptierten Handels ist.
@Eberhard
Zitat: Es gehört zu mir und meiner Natur, dass ich Nahrung
benötige und bei fehlender Nahrung Hunger habe. Also wähle ich dann das Brot und
nicht die Schuhe, denn die kann ich nicht essen und gegen Nahrung eintausche ist
auch gerade nicht möglich. Aber trotzdem wähle ich.
Die Anatomie des
Auges bewirkt einen 'blinden Fleck'. Trotzdem schafft es mein Denken nicht, sich
auf diesen Fleck so zu konzentrieren, dass ich ihn bewusst erkenne.
Das
bedeutet, dass die Physik meines Gehirns mein Denken dermassen massiv
manipulieren kann, dass der Fleck immer aus dem Bewusstsein entfernt wird.
==> Ja, ich werde zwischen Brot und Schuhen wählen. Aber ist das wirklich ein
freier Entscheid, und nicht eher eine Manipulation?
Gepe
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 10.
Aug. 2005, 21:28 Uhr
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Hi,
Könnten wir uns darauf einigen, dass eine Möglichkeit voraussetzt,
dass sie möglich ist?
Dass z.B. die Möglichkeit, einen gezielt zu erschießen,
voraussetzt, dass man schießen kann?
Und demnach die irrealen Möglichkeiten
aus unserer Diskussion ausschließen? Wäre, glaube ich, ganz praktisch.
Dann könnten wir die Frage so präzisieren: wenn es - theoretisch - mehrere
mögliche Handlungsmöglichkeiten gibt: gibt es dann auch die Möglichkeit,
zwischen ihnen zu wählen? Ein Determinist würde wohl sagen, mehrere
Möglichkeiten gibt es nur in der Theorie. Tatsächlich gibt es nur eine einzige
Möglichkeit, nämlich die, die einer wählen muss, weil er selbst und seine
Umgebung so beschaffen ist. Alle anderen Möglichkeiten sind nur scheinbar
Möglichkeiten. Möglichkeiten vielleicht für einen anderen, aber nicht für diesen
Menschen. Das würde heißen, für diesen Menschen sind alle anderen Möglichkeiten
Unsinn, weil gar nicht möglich. Anders gesagt, sie existieren nicht als reale
Möglichkeit. Sie existieren so, wie in der Sonnenblume das Kürbisgen existiert,
nämlich gar nicht.
Das heißt, X schießt in dem genannten Fall nicht, weil
X eine Sonnenblume ist, in der die Entscheidung, zu schießen, nicht angelegt
ist. A aber schießt, weil er ein Kürbis ist und er sich gar nicht anders
entscheiden kann; es ist quasi seine Natur. Und alles andere ist nur Theorie.
Das würde bedeuten: wenn wir von Möglichkeiten sprechen, sprechen wir von
allgemeinen Möglichkeiten, also Möglichkeiten, die jeder Mensch aufgrund seiner
Fähigkeiten hat. Jeder, der schießen kann, hat die Möglichkeit, zu schießen oder
auch nicht.
Das heißt, die Möglichkeiten sind die Möglichkeiten, die eine
Menge ähnlicher Individuen hat.
Bei den einzelnen Individuen sieht die
Sache aber anders aus. Element X der Menge Schießkundige hat nur die
Möglichkeit, nicht zu schießen, Element A der Menge hat nur die Möglichkeit zu
schießen.
So. Das wäre ne Behauptung. Und denn gucken wir mal weiter.
Ich schlage zweitens vor, die Möglichkeiten, die eine Menge hat, aus der
Diskussion herauszunehmen. Denn dass die unterschiedliche Wahlmöglichkeiten hat,
kann nicht bestritten werden. Die Menge aller wahlberechtigten Deutschen hat die
Möglichkeit, bei der (möglicherweise [saint]) kommenden Wahl ein Kreuzchen an
irgendeiner Stelle der ihnen vorliegenden Liste zu machen oder auch nicht.
Wieviele Möglichkeiten es gibt hängt davon ab, wie die Menge definiert ist.
Definieren wir die Menge aller wahlberechtigten deutschen WASG/PDS-Mitglieder,
werden die Möglichkeiten tatsächlich erheblich eingeschränkt (siehe z.B.
Fraktionszwang bei offenen Parlamentsabstimmungen. Da bestehen Wahlmöglichkeiten
überwiegend nur noch theoretisch). Letztlich geht es aber nicht um die
Möglichkeiten, die eine Menge hat, sondern um die Möglichkeiten, die ein
Element, ein Individuum hat. Also sollten wir uns damit befassen.
Eberhard hat mit dem Finger am Abzug angefangen. Hatte A - Individuum A, keine
Menge - die Wahl, den Finger zu krümmen oder auch nicht? Mit welcher Begründung?
Ich kürze das jetzt mal radikal ab. Nach jeder Begründung entsteht die Frage
nach der Begründung der Begründung. Das können wir so weiter spielen bis vor
Adam und Eva - mit ziemlicher Sicherheit sind wir längst vorher in den dicken
Nebel der Undurchschaubarkeit eingetaucht und bei der Chaostheorie gelandet,
wonach die Ursache für das Krümmen von A's Finger letztlich der Flügelschlag
eines Schmetterlings vor 200.000 Jahren gewesen sein könnte, dessen Ursache wir
noch nicht kennen. Wilde Spekulationen, bringt nichts.
Also müssen wir
einen anderen Ansatz finden, einen, den man festhalten kann. Vielleicht - dazu
neige ich - nicht fragen, ob A sich in dieser speziellen Situation hätte anders
entscheiden können, sondern ob es überhaupt in seinem Leben eine Situation
gegeben hat, ob er prinzipielle Entscheidungen getroffen hat, die er auch hätte
anders treffen können. Das heißt, es ist nicht nötig festzustellen, ob er in
diesem Fall die Wahl hatte, nötig ist es festzustellen, ob er irgendwann einmal
die Wahl hatte. Das heißt, ich verlege mich hier auf die Wahl der Art des
Denkens. Aber nicht apodiktisch: nur so ne vage Vermutung, sicher bin ich mir da
noch keineswegs.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 10.
Aug. 2005, 22:46 Uhr
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Hi - und weiter im Text.
@ginger:
Aussagen über Möglichkeiten
beziehen sich auf einen bestimmten Fall. z.B. "es gibt sechs Möglichkeiten mit
diesem
Würfel eine unterschiedliche Zahl zu würfen" -> diese Aussage über
Möglichkeiten kann wahr oder falsch sein...
Hast du ernsthaft Einfluss
darauf, welche Zahl du würfelst? Anders gesagt: bist du in der Lage, die
Ursachen, die zu einer 6 führen, so zu bestimmen und die Bedingungen so zu
erfüllen, dass du tatsächlich gewollt eine 6 würfeln kannst?
Wenn nein,
schlage ich nämlich vor, wir diskutieren lieber die Frage, ob du wählen kannst
zwischen würfeln und nicht würfeln. Denn darüber kann man - theoretisch
zumindest - bestimmen.
Womit wir übrigens eine Ergänzung zu meiner
Aussage bezügl. prinzipielle Entscheidung hätten. Wenn ich mit dir Monopoly
spiele, muss ich würfeln. Da habe ich im Grunde keine sinnvolle Wahl. Ich habe
aber (vielleicht) die Wahl, ob ich mit dir Monopoly spiele oder nicht.
Zur Existenzfrage von Möglichkeiten: wenn ich alle Möglichkeiten erfasst habe,
wird eine dieser Möglichkeiten (Antrieb vorausgesetzt) Wirklichkeit. Wir wissen
nur nicht, welche. Wenn ich einen Sonnenblumenkern in die Erde stecke, wird
entweder eine Sonnenblume draus oder es wird keine Sonnenblume draus. Welche
dieser beiden Möglichkeiten sich verwirklicht - sehen wir in der Zukunft. Wenn
eine Sonnenblume daraus geworden ist, können wir den Fall so a posteriori
konstruieren, dass gar keine andere Möglichkeit bestand als die, dass aus dem
Kern eine Sonnenblume wird. Das ist aber nur eine nicht überprüfbare
Konstruktion, denn wir konstruieren eine vergangene Entwicklung. Is also
unredlich.
Warum unredlich? Weil wir die Möglichkeiten reduzieren auf eine
einzige, nämlich auf die, von der wir wissen, dass sie sich verwirklicht hat.
Z.B. es ist genug Regen gefallen, der Kern ist nicht vertrocknet.
A
posteriori können wir das sagen.
A priori haben wir keine Ahnung, ob genug
Regen fallen wird.
A posteriori ist eine aller Möglichkeiten sich
unabwendbar entwickelnde Wirklichkeit.
@gepe
Mit einer
(angenommen) unfreien 'Art des Denkens' wird man nicht zwingend eine freie 'Art
des Denkens' wählen koennen.
Ebent. Dat nimmste nur an. Und wie willste
dat beweisen?
Du müsstest beweisen, dass das Denken nur eine einzige und
keine andere Möglichkeit hat. Du müsstest also alle anderen Möglichkeiten
falsifizieren. Geht dat? Kennste denn alle anderen Möglichkeiten?
Wenn A
keinen freien Willen hat, dann ist er für seine Wahl vielleicht nicht
verantwortlich und nicht schuldig. Aber er kann bestraft werden weil das ein
Teil des von ihm akzeptierten Handels ist.
Nö. A findet, dass er Recht
hat.
Und hätte A statt dessen einen Einbruch begangen, hätte er auch keinen
Handel abgeschlossen, weil er darauf vertraut hätte, dass er nicht erwischt
wird.
Und bestraft wird er nicht deswegen, weil er das so verhandelt hat,
sondern weil A nicht der einzige ohne freien Willen ist, die Richter sind das
auch. Und die sind nun mal so beschaffen, dass sie quasi ihrer Natur nach
strafen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
11. Aug. 2005, 10:49 Uhr
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Gepe schrieb: "Ich stelle mir den hypothetischen Fall vor, dass jemand ein
Kästchen erfindet, welches ein absolutes Zufallsresultat erzeugt (völlig nicht
deterministisch). "
Diese „Kästchen“ gibt es bereits. Sie müssen einen
quantenmechanischen Prozess enthalten, weil nur ein solcher ein echtes
Zufallsereignis erzeugen kann. Am einfachsten benutzt man dazu den radioaktiven
Zerfall.
Das Doppelspaltexperiment habe ich eingeführt, weil sich Laien
anhand seines Beispiels die Tiefe und Fremdheit der Quantenwelt am besten zeigen
läßt. Anhand meiner viel zu kurzen Beschreibung läßt sich natürlich nichts
wirklich verstehen. Aber wozu gibt’s das Internet??! Die Stichworte hab ich
gegeben. Auch hatte und hab ich noch immer die Absicht anhand dieses
Experimentes den quantenmechanischen Zufallsprozess zu diskutieren.
Möglichkeiten gibt es nur, wenn es echten Zufall gibt, oder wenn wir eine
Definition des Freien Willens finden, die ohne Zufall auskommt – eine echte
Aufgabe.
Zurück zu Gepes Kästchen.
Bewußtsein läßt sich meiner festen
Überzeugung nach nur quantentheoretisch beschreiben. Dazu bedarf es IMHO einer
informationstheoretischen Fassung der Quantentheorie. Der Stoff aus dem die Welt
besteht wäre dann Information. (Weizsäcker, Lyre, Görnitz, Zeilinger....)
Ja Gepe, wahrscheinlich tragen wir alle solche Kästchen im Kopf spazieren!
Lesenswertes dazu schreiben:
Der Neurologe J. Eccles (Nobelpreisträger). Bei
ihm spielen präsynaptische Vesikelgitter die Rolle deines Kästchens.
Oder der
Physiker R. Penrose. Bei ihm müssens die Mikrotubuli tun.
Eine weitere
sehr spannende Frage: Generieren diese Kästchen tatsächlich reinen Zufall, wie
von der aktuellen Quantentheorie behauptet, oder gibt es, wie von Einstein
vermutet, verborgene Parameter? (Einstein: Gott würfelt nicht!)
Wenn ja, wo
könnten sie stecken? Laut Eccles in Poppers Welt 2.
Seiner Meinung nach
spielt der GEIST (!!!) auf der Klaviatur dieser „Kästchen“ wie ein
Klavierspieler auf seinem Instrument. Entsprechende Versuche ( außerordentlich
seriös und wissenschaftlich) hat W.v. Lucadou durchgeführt. Seine Ergebnisse
weisen in Richtung der Ecclesschen Vermutungen.
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Titel: Zitat:Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W.
am 11. Aug. 2005, 13:01 Uhr
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Zitat: "Wenn A keinen freien Willen hat, dann ist er für seine Wahl auch nicht
verantwortlich zu machen. Dann trägt er keine Schuld, kann folglich nicht
bestraft werden."
Dieses Argument konnte ich noch nie nachvollziehen.
Freier Wille heißt letztendlich rein zufällig ausgelöster Wille. Unbedingt,
statistisch beliebig. (Für eine Neudefinition bin ich offen)
Gerade für die
Auswirkungen eines derart freien Willens wäre A nicht verantwortlich zu machen.
Umgekehrt, wenn der Wille nicht frei, sondern Ausdruck des innersten Wesens von
A wäre, wenn A als A nur so und nicht anders hätte handeln können, wäre A
verantwortlich für sein Tun.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 11. Aug. 2005, 13:26 Uhr
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Hallo Johnny!
Deine Ausführungen sind so weit durchaus interessant. Nur
kommen mir sofort Fragen zum Zusammenhang, in dem sie zum - recht
verschachtelten - Thema der Diskussion stehen.
Ich sehe da bei Dir vor
allem eine Neigung zum Kurzschluss. Zu einem weit verbreiteten, typischen
Kurzschluss, den man als den "naturalistischen" bezeichnen könnte. Er besteht
grob gesagt darin, dass von der Beschreibung physikalischer Phänomene auf
menschliches Verhalten und Handeln oder "Geist" zurückgeschlossen wird. Dabei
wird vorausgesetzt, "Geist" oder Handeln oder Erkennen seien Phänomene, die
prinzipiell auf derselben Beschreibungsebene liegen wie das Verhalten von
Teilchen im subatomaren Bereich.
Dieser Satz aus Deinem Beitrag ist
dafür typisch, denn er schließt sich umstandslos an Deine Ausführungen zum
Doppelspaltenexperiment an:
Quote:Möglichkeiten gibt es nur, wenn es
echten Zufall gibt, oder wenn wir eine Definition des Freien Willens finden, die
ohne Zufall auskommt – eine echte Aufgabe.
Der Begriff des
"freien Willens" ist kompliziert und möglicherweise verzichtbar. Aber mir ist
überhaupt nicht klar, wieso physikalische Beobachtungen etwas zu seiner
Erklärung sollen beitragen können.
Ich will noch kurz andeuten, was beim
"naturalistischen Kurzschluss" systematisch übersehen oder unterschlagen wird.
Das nämlich ist das HANDELN der Physiker, ihr Argumentieren, Theoretisieren und
Experimentieren. Diese Tätigkeiten bilden die Voraussetzung dafür, dass es
überhaupt physikalische Beobachtungen geben kann, also Beobachtungen in einem
von den Physikern selbst abgegrenzten Bereich. Zu diesem Bereich gehört, nach
begründeter ENTSCHEIDUNG der Physiker, kein Phänomen, das anderswo als "Geist"
oder "Wille" bezeichnet wird.
Will man nun eine Beziehung zwischen
physikalischen Phänomenen und lebensweltlichen oder "geistigen" Phänomenen
herstellen, muss man zunächst einmal klären, ob und wie die eine
Beschreibungssprache sich in die andere übersetzen lässt. Sprich: Es ist z.B. zu
klären, ob ein sog. Willensakt DASSELBE ist wie gewisse typische neuronale
Prozesse im Gehrin, die sich in einem Kernspintomographen visualisieren lassen,
wenn ein Proband eine Entscheidung tirfft. Und dann ist zu klären, ob man von
den beobachtbaren Regelmäßigen der einen Ebene auf Regelmäßigkeiten der anderen
schließen darf.
An dieser heiklen Schnittstelle verlieren viele
Wissenschaftler, die in ihrem Fachgebiet äußerst penibel sind, oft jegliche
methodische Vorsicht.
Schönen Gruß
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
11. Aug. 2005, 14:57 Uhr
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Hi Urs, der du mich meintest, aber nicht trafst!
In der Standardphysik haben
Konstrukte namens "Geist" und "Wille" nichts verloren.
Allein, die Feste der
Standardphysik bröckelt mächtig. Die Quantentheoretiker werden durch ihre eigene
Theorie gezwungen, sich selbst in ihren Theorien wiederzufinden.
Die Trennung
zwischen Beobachter und Beobachtetem, einst die heilige Kuh der klassischen
Physik, ist nicht länger einzuhalten. Da brechen gerade Dämme.
Die
Trennungslinie Geist - Materie wird aufgerollt werden.
Am aktuellsten und
deutlichsten passiert das in der Parapsychologie. Eine zukünftige Physik muss
die Phänomene der Parapsychologie beschreiben können. Geist und Wille werden in
die Sprache der Physik übersetzt werden. Begriffe wie "Elementarteilchen" haben
keine Überlebenschance.
Die ontischen Elemente werden Informationen sein. Ihr
Maß das bit. Noch kannst du nicht sehen, wo ich hin will. Geduld.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 11.
Aug. 2005, 16:10 Uhr
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Gelbe Seiten - fragen sie jemanden, der sich damit auskennt.
Heute ist
die Zauberkunst ein weites Gebiet, in dem professionelle Zauberkünstler, genau
wie Amateure, einen regen internationalen Erfahrungsaustausch betreiben. Mehrere
Verbindungen wie der "Deutsche magische Zirkel" und die "International
Brotherhood of Magicians", erlauben es dem Interessierten, sich in der
Zauberkunst weiterzubilden. ...
Trotzdem ist die Zauberkunst ihrer Art
nach immer noch eine "Geheimwissenschaft". Das gilt für die Techniken der
Zauberkünstler, aber noch mehr für den Umfang, den das Wissen über
Täuschungsphänomene inzwischen angenommen hat. Der Außenstehende ist sich meist
nicht im klaren, welche Differenziertheit die Kenntnisse über Täuschungsmethoden
heute erreicht haben. So hat oft genug auch der an Parapsychologie interessierte
Wissenschaftler keinen Zugang zu diesem "Insider-Wissen" über Täuschung.
entnommen aus:
"Magier, Medien, Scharlatane : Voraussetzungen, Methoden und
Analysen von Täuschungsvorgängen in Parapsychologie und Zauberkunst / Thilo
Weich : Libertas, 1995, ISBN 3-921929-49-0"
Bevor du dich mit
Parapsychologie beschäftigst, lege ich dir diese Lektüre ans Herz. Autor hat
auch festgestellt, dass Naturwissenschaftler sich immer am leichtesten täuschen
lassen - und dass Theologen die Ungläubigsten sind. :-)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
11. Aug. 2005, 16:40 Uhr
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Danke Abrazzo, aber die Warnung kommt zu spät. Ich hab mich bereits sehr
ausführlich mit Parapsychologie beschäftigt, hab sogar mehrere Scheine an der
Uni Freiburg gemacht. Sogar noch die berühmt berüchtigten Vorlesungen Hans
Benders gehört, die für mich allerdings mehr anektodischen Wert haben. Anders
die Seminare bei Lucadou. Der Inhalt deiner Warnung ist trivial. Ich werde mich
an dieser Stelle nicht dazu äußern.
Das mit den Theologen find ich witzig.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
11. Aug. 2005, 16:44 Uhr
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Woher kommt eigentlich die aberwitzige Überheblichkeit, die mir hier
entgegenschlägt??? [???] [nixweiss]
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
11. Aug. 2005, 16:53 Uhr
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Hallo allerseits,
Parapsychologie für und wider ist sicher eine eigene
Runde wert. Aber bleiben wir bei unserm Thema. Hier zählen nur die für jeden
Teilnehmer nachvollziehbaren Argumente. Aber solange die Fragestellung nicht von
allen Diskussionsteilnehmern im gleichen Sinne verstanden wird, brauchen wir uns
wegen unterschiedlicher Antworten nicht zu streiten oder zu wundern.
Deshalb meine Bitte: macht immer deutlich, ob ihr die Worte „möglich“ oder
„Möglichkeit“ im Sinne von „es ist mir möglich“ oder „ich habe die Möglichkeit“
(also in der Begrifflichkeit von Urs die „bestimmte“ Möglichkeit) verwendet,
oder ob ihr diese Worte im Sinne von „es ist nicht auszuschließen, dass ..“ (bei
Urs die „unbestimmte“ Möglichkeit) benutzt.
Ich will auch noch mal meine
früheren Unterscheidungen in Erinnerung bringen (zugleich eine Antwort auf
Gingers Frage):
1. die Wahlmöglichkeit (eines Subjektes zwischen
Alternativen),
(Ich habe die Möglichkeit, die ABC-Partei zu wählen oder die
DEF-Partei.)
2. die Möglichkeit (eines Subjektes) etwas bestimmtes zu
vollbringen,
(Ist es dir möglich, den schweren Koffer zu tragen?)
3.
die Möglichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt,
(Es ist möglich, dass
es morgen regnet.)
4. die „logische“ oder „theoretische“ Möglichkeit,
(Es gibt von 00 bis 99 insgesamt 100 verschiedene Möglichkeiten, die Ziffern
0,1,2,3,4,5,6,7,8 und 9 zweistellig anzuordnen).
Dazu vielleicht noch das
naturgesetzlich und technisch Mögliche.
Der quantenphysikalische Begriff
der Möglichkeit ist davon wohl ebenfalls zu unterscheiden.
Die
Ausgangsfrage: „Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches?“ habe ich wegen des nicht
geklärten Begriffs der Wirklichkeit umformuliert in die Frage: „Wie lässt sich
feststellen (beweisen), ob einem bestimmten Subjekt eine bestimmte
(Wahl-)Handlung möglich ist?“
Auf unser Beispiel bezogen, in dem Person
A Person E erschießt, ist zu fragen: War es dem A möglich, den E nicht zu
erschießen?
Was sind die Kriterien hierfür? Was sind Gründe und
Gegengründe für die Behauptung: „A hatte die Möglichkeit …“
Da die
juristische Fragestellung von Schuld und Strafe unsern Blick zu sehr in eine
bestimmte Richtung lenkt, sollten wir parallel den Fall annehmen, dass A die
Großtat vollbracht hat, die Geißel der Menschheit, das kannibalistische
extra-terrestrische Monster E, zur Strecke zu bringen. (Unsere Kriterien müssten
ja in beiden Fällen die gleichen sein.)
Was wären Gründe gegen die
Behauptung: „A hatte die Möglichkeit, Monster E nicht zu erschießen?“
Ein Grund, den Urs bereits genannt hat, wäre gegeben, wenn A den E erschossen
hätte, indem er stolperte, sich ein Schuss löste und der Querschläger E tödlich
traf.
Ein anderer Fall wäre gegeben, wenn die aggressiven Gefühle gegen
E bei A so heftig waren, dass er darüber jede Kontrolle über sein Handeln
verlor.
Beide Argumente führen nicht zu dem von Abrazo befürchteten
infiniten Regress.
Normalerweise würde man sich davon überzeugen, ob
Person A überhaupt gezielt schießen kann und man würde den A fragen, ob er E
erschießen wollte. Wenn beides bejaht wird kann man daraus den Schluss ziehen,
dass A dem Monster E auch in die Beine hätte schießen können, wenn er gewollt
hätte.
Dagegen würde Abrazo wohl einwenden, dass A unter Umständen
aufgrund seiner Lebensgeschichte nicht anders wollen konnte, als er tatsächlich
wollte. Insofern hat A doch nicht die Möglichkeit gehabt, E nicht zu erschießen.
Soweit erstmal von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 11. Aug. 2005, 17:53 Uhr
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Hallo Johnny!
Quote:Woher kommt eigentlich die aberwitzige
Überheblichkeit, die mir hier entgegenschlägt???
Ich weiß nicht,
ob Du auch mich damit meinst. Aber von Überheblichkeit kann meinerseits keine
Rede sein.
Wohl bin ich inzwischen etwas reizbar, wenn ich gewisse
undurchdachte Behauptungen von (Natur-)Wissenschaftlern landauf, landab
wiederholt höre, als ob es gesicherte Erkenntnisse wären. Ich meine damit vor
allem "naturalistische Kurzschlüsse" der angedeuteten Art. Sie gehören schon zum
Allgemeingut des populärwissenschaftlichen "Diskurses". Heute "weiß" jede
Hausfrau, dass ihre Verliebheit von "den Hormonen" kommt; dass nicht sie ihr
Handeln kontrolliert, sondern "ihr Gehirn"; dass ihr Ehemann ins Fitness-Studio
geht, weil sich in ihm das genetische Erbe von Alpha-Tieren regt... usw. usw.
Ich halte es für eine ganz wichtige, aufklärerische Aufgabe der
Philosophie, in diese naturwissenschaftlich infizierte Populär-Mythologie ein
bisschen Ordnung hineinzubringen. Denn in vielen Fällen haben solche
"Erkenntnisse" mit pseudowisenschaftlichem Anstrich nur Verdummung zur Folge.
Und dagegen hab ich was. Wissenschaftlichkeit und (unkritische)
Wissenschaftsgläubigkeit sind zweierlei.
Es ist aber auch ein
Unterschied zu machen zwischen kritischen Nachfragen und Überheblichkeit. Mir
liegt nichts daran, Dich zu vergraulen. Aber Du kannst von mir nicht erwarten,
dass ich solche ganz und gar unbscheidenen Sätze einfach gläubig und dankbar
hinnehme:
Quote:Eine zukünftige Physik muss die Phänomene der
Parapsychologie beschreiben können. Geist und Wille werden in die Sprache der
Physik übersetzt werden. Begriffe wie "Elementarteilchen" haben keine
Überlebenschance.
Die ontischen Elemente werden Informationen sein. Ihr Maß
das bit.
:-)
Schöne Grüße
von
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 11.
Aug. 2005, 19:22 Uhr
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@ Jonny W: Genannte Personen sind dem Autor alle persönlich gut bekannt. Das
Buch ist die Umschreibung einer wissenschaftlichen Arbeit in lesbare Form.
[surprise]
@ Eberhard:
Habe ich dich jetzt richtig verstanden:
Die
Ausgangsfrage: "Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches?" habe ich wegen des nicht
geklärten Begriffs der Wirklichkeit umformuliert in die Frage: "Wie lässt sich
feststellen (beweisen), ob einem bestimmten Subjekt eine bestimmte
(Wahl-)Handlung möglich ist"
Das heißt, mit der Frage, ob Möglichkeiten
etwas Wirkliches sind meinst du, ob Wahlmöglichkeiten - bis auf eine, nämlich
die, die tatsächlich gewählt wird - reale Wahlmöglichkeiten sind und nicht nur
fiktive? (Das war dann, ehrlich gesagt, aber ursprünglich kaum verständlich
formuliert [confused])
Wenn das klar ist, sind wir beide am selben Kern.
Übrigens solltest du mich nicht missverstehen: je mehr ich mich in die
Argumentation der Deterministen hineinzuversetzen suche, desto absurder
erscheinen sie mir. Inzwischen denke ich, es handelt sich dabei eher um eine
Glaubensfrage (z.B. infinitiver Regress als Begründung), um eine These, die
überhaupt nicht beweisbar ist. Und ich habe mich schon gefragt, wieso wir uns
eigentlich mit so was herum schlagen sollen.
Das Wort Möglichkeit macht
uns Schwierigkeiten. Weil wir immer wieder mit der Mehrfachbedeutung
durcheinander kommen: einerseits einer von mehreren Plänen, andererseits das
Urteil, ob ein Plan realistisch oder irreal ist und schließlich eine vage
Vermutung, eine Hypothese in's Unreine. Um dieses Missverständnis auszuschalten
würde ich es vorziehen, von Optionen zu reden. Nicht unüblich, da politischer
Sprachgebrauch. Ich denke, um solche Optionen, die möglich im Sinne von
realistisch sind und mehr sind als eine vage Vermutung, geht es letztlich.
So würde die Frage dann lauten, hat ein Subjekt Mensch mehr als eine
realistische Option, so dass er unter ihnen auswählen kann, oder sind bis auf
die gewählte alle anderen Optionen irreal (wobei mir dabei natürlich prompt
einfällt, dass die irrealen Optionen ja immer a posteriori als solche
festgestellt werden...)
Sind wir d'accord oder nicht?
@ Urs:
Jau.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 12. Aug. 2005, 10:41 Uhr
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.... ein mensch auf dieser welt
hat zwei reale möglich keiten
>>> end weder er ver kauft den pharizäern gold kettelchen
>>> oder er
sagt ihnen die wahr heit ........
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Adson_von_Melk
am 12. Aug. 2005, 13:46 Uhr
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Nachfolgend ein lesenswerter Auszug aus "Über Wahrheit und Lüge im
außermoralischen Sinn", einem Aufsatz Friedrich Nietzsches von 1873, der den
bisherigen Diskussionsansatz nochmal in ein anderes Licht stellt:
"Wenn
jemand ein Ding hinter einem Busche versteckt, es ebendort wieder sucht und auch
findet, so ist an diesem Suchen und Finden nicht viel zu rühmen: so aber steht
es mit dem Suchen und Finden der »Wahrheit« innerhalb des Vernunft-Bezirkes.
Wenn ich die Definition des Säugetieres mache und dann erkläre nach Besichtigung
eines Kamels: »Siehe, ein Säugetier«, so wird damit eine Wahrheit zwar ans Licht
gebracht, aber sie ist von begrenztem Werte, ich meine, sie ist durch und durch
anthropomorphisch und enthält keinen einzigen Punkt, der »wahr an sich«,
wirklich und allgemeingültig, abgesehen von dem Menschen, wäre. Der Forscher
nach solchen Wahrheiten sucht im Grunde nur die Metamorphose der Welt in den
Menschen, er ringt nach einem Verstehen der Welt als eines menschenartigen
Dinges und erkämpft sich besten Falles das Gefühl einer Assimilation. Ähnlich
wie der Astrolog die Sterne im Dienste der Menschen und im Zusammenhange mit
ihrem Glück und Leid betrachtete, so betrachtet ein solcher Forscher die ganze
Welt als geknüpft an den Menschen, als den unendlich gebrochenen Wiederklang
eines Urklanges, des Menschen, als das vervielfältigte Abbild des einen
Urbildes, des Menschen. Sein Verfahren ist, den Menschen als Maß an alle Dinge
zu halten: wobei er aber von dem Irrtum ausgeht, zu glauben, er habe diese Dinge
unmittelbar, als reine Objekte vor sich. Er vergisst also die originalen
Anschauungsmetaphern als Metaphern und nimmt sie als die Dinge selbst.
Nur
durch das Vergessen jener primitiven Metapherwelt, nur durch das Hart- und
Starrwerden einer ursprünglichen, in hitziger Flüssigkeit aus dem Urvermögen
menschlicher Phantasie hervorströmenden Bildermasse, nur durch den unbesiegbaren
Glauben, diese Sonne, dieses Fenster, dieser Tisch sei eine Wahrheit an sich,
kurz nur dadurch, dass der Mensch sich als Subjekt, und zwar als künstlerisch
schaffendes Subjekt, vergisst, lebt er mit einiger Ruhe, Sicherheit und
Konsequenz: wenn er einen Augenblick nur aus den Gefängniswänden dieses Glaubens
heraus könnte, so wäre es sofort mit seinem »Selbstbewusstsein« vorbei. Schon
dies kostet ihn Mühe, sich einzugestehen, wie das Insekt oder der Vogel eine
ganz andere Welt perzipieren als der Mensch, und dass die Frage, welche von
beiden Weltperzeptionen richtiger ist, eine ganz sinnlose ist, da hierzu bereits
mit dem Maßstabe der richtigen Perzeption, das heißt mit einem nicht vorhandenen
Maßstabe, gemessen werden müsste. Überhaupt aber scheint mir »die richtige
Perzeption« - das würde heißen: der adäquate Ausdruck eines Objekts im Subjekt -
ein widerspruchsvolles Unding: denn zwischen zwei absolut verschiedenen Sphären,
wie zwischen Subjekt und Objekt, gibt es keine Kausalität, keine Richtigkeit,
keinen Ausdruck, sondern höchstens ein ästhetisches Verhalten, ich meine eine
andeutende Übertragung, eine nachstammelnde Übersetzung in eine ganz fremde
Sprache: wozu es aber jedenfalls einer frei dichtenden und frei erfindenden
Mittelsphäre und Mittelkraft bedarf."
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 12.
Aug. 2005, 15:39 Uhr
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@Adson:
Könntest du mir noch erklären, wie du das auf unser Problem freier
Wille = freie Wahl zwischen mehreren realen Möglichkeiten beziehst?
[ruffle]
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
12. Aug. 2005, 18:30 Uhr
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Damit ist gemeint - "Unter den Blinden ist der Einäugige König."
Schönes
WE, ludovico
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 12.
Aug. 2005, 18:42 Uhr
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Du bist also der Ansicht, blind und/oder einäugig sein sind Wahl- bzw.
Handlungsmöglichkeiten?
[applause]
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
12. Aug. 2005, 19:01 Uhr
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Du vergisst schon wieder die Poesie, Abrazo. Hast du denn wenigstens ordentlich
meditiert?
Ich muss jetzt leider los, bye
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
13. Aug. 2005, 07:46 Uhr
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Hallo allerseits,
es geht um die Frage, wie man belegen kann, dass ein
Individuum mehrere Möglichkeiten zum Handeln hat.
Dazu sind meines
Erachtens bereits richtige Hinweise gegeben worden. Zum einen muss das
Individuum die entsprechende Fähigkeit zum Handeln haben. Um einen anderen
Menschen zu erschießen, muss ich gezielt schießen können. Ich muss z. B. auf
Ansage eines Anderen genannte Ziele treffen, wobei der Andere auch ein
Zufallsgenerator sein kann.
Ein Individuum hat verschiedene
Handlungsalternativen, wenn es sich selbst steuern kann, wenn es über
Selbstkontrolle verfügt, wenn es - wie man so sagt - Herr seiner selbst ist.
Dass ich mich selbst steuere ist ein derart komplexer Sachverhalte, dass er
in einfachen Ursache-Wirkung-Ketten kaum adäquat zu erfassen ist. Er setzt eine
Theorie der Persönlichkeit voraus, vor dem auch die zuständige Wissenschaft, die
Psychologie, bisher weitgehend kapituliert hat.
So viel erstmal leider
nur skizzenhaft von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 13. Aug. 2005, 10:12 Uhr
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..... wenn die massen dumm heit
nur den dummen sich wünscht
dann haben wir genau das
was wir seit eh und je haben !
dumm heit
.............
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
13. Aug. 2005, 11:42 Uhr
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Eberhard wurde der Begriff der "Wirklichkeit" zu heiß und bevor er sich nun die
Finger zu verbrennen drohte, zog er sich lieber in scheinbar sicherere Gefilde
zurück nur um meines Erachtens in noch gefährlicheres Terrain zu geraten.
Was bitte ist ein "bestimmtes Subjekt"?
Dass ich mich selbst steuere
ist NICHT ein derart komplexer Sachverhalte, dass er in einfachen
Ursache-Wirkung-Ketten kaum adäquat zu erfassen ist. Diese Aussage scheint
schlichtweg falsch zu sein: Ich steuere mich nicht selbst. Ich treffe keine
Entscheidungen. Entscheidungen werden auf einer tieferen Ebene als der des
Ich-Bewußtseins getroffen.
B.Libet hat das experimentel untersucht. Ich setze
seine Experimente in einer Runde, die sich mit dem Problem des freien Willens
beschäftigt, als bekannt voraus.
Die Lösung dieses Problems setzt eine
Theorie des Bewußtseins voraus, vor dem auch die zuständige Wissenschaft (die
Psychologie?) bisher weitgehend kapituliert hat.
Ich bleibe also erstmal bei
der Anfangsfragestellung: "Sind Möglichkeiten wirklich?" (merkt ihr den kleinen
Unterschied in der Formulierung?)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
13. Aug. 2005, 16:48 Uhr
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Wirklich ist, was auf ein von mir ausgewähltes Probeobjekt wirkt. Genauer gesagt
ist dieses <wirklich> laut dieser Definition nun nur noch <wirklich relativ zu
etwas>.
So ist das Holz vor meinem Haus wirklich relativ zu meiner Axt.
Aber es ist nicht wirklich relativ zu Primzahlen. Mit denen kann man nämlich
kein Brennholz machen.
Primzahlen sind wiederum wirklich relativ zu anderen
mathematischen Objekten, wie zb gewissen Operatoren...
Winetou ist wirklich
in Bezug auf Old Shatterhand, aber nicht in Bezug auf Gerhard Schröder...
Wirklichkeit ist also kein absoluter Begriff, sondern ein relatives Konstrukt.
Ich lese gerade <Die Flucht aus der Beliebigkeit> von Josef Mitterer. Seine
zentrale Behauptung:
"Philosophie ist eine Argumentationstechnik, mit deren
Hilfe in Diskurskonflikten beliebige Eigenauffassungen immunisiert und beliebige
Gegenauffassungen kritisiert werden können."
Er endet: " Die Wirklichkeit ist
nichts anderes, als der <letzte Stand der Dinge>, als jene Auffassungen, die zum
gegenwärtigen Zeitpunkt vertreten werden............wir sollten nicht von einer
Übereinstimmung unserer Auffassungen mit einer unabhängigen Wirklichkeit
sprechen, sondern von einem KONSENS (Hervorhebung von mir) zwischen Teilnehmern
eines Gesprächs, das nur laufen kann, solange die Basiskonsense, von denen aus
es geführt wird, nicht zerbrechen."
Vermutlich wollte Adson von Melk auf
ähnliches mit seinem Nietzsche Zitat hinweisen. Es ist also IMHO nicht ganz fehl
an diesem Platze.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 13.
Aug. 2005, 18:06 Uhr
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Hi,
Um einen anderen Menschen zu erschießen, muss ich gezielt schießen
können.
Ich denke, der Begriff können ist hier unverzichtbar.
3
Beispiele:
A kann schießen und erschießt E.
B kann auch schießen, sagt
aber, ich kann E nicht erschießen, weil ich keine Menschen erschießen kann. Das
heißt, trotz seiner objektiven Fähigkeiten lässt seine psychische Verfassung die
Aktion nicht zu.
C kann auch schießen, beweist das vielleicht sogar, indem er
E den Hut vom Kopf schießt, sagt aber, ich kann, aber ich will nicht.
Letzteres sind die interessanten Fälle.
Nochmals gebe ich zu bedenken:
die Frage nach dem freien Willen lässt sich nicht auf die isolierte Tätigkeit
beziehen. Ob E den Finger krümmt ist irrelevant, wenn er sich zum Schießen
entschlossen hat. Dann wird er nämlich nicht mehr überlegen, ob er nun den
Finger krümmen soll, er wird es quasi automatisch tun.
Wie in dem Beispiel
mit dem Monopoly-Spiel: habe ich mich entschlossen, es mit dir zu spielen, werde
ich mich nicht fragen, ob ich nun würfeln soll oder nicht. Das Würfeln ist
unverzichtbar für das Spiel, es gehört dazu, ist in dem Komplex, den ich
beschlossen habe, enthalten, folglich denke ich darüber nicht mehr nach. Von
daher ist es übrigens unsinnig, Experimente zum freien Willen über einzelne
Tätigkeiten zu machen. Der Proband wird die Tätigkeiten im Zweifelsfalle
automatisch und ohne nachzudenken durchführen, weil die Entscheidung, an der
sein freier Willen beteiligt gewesen sein könnte, längst vorher gefallen ist,
nämlich die Entscheidung, an diesem Experiment teilzunehmen.
Vulgo: wer A
sagt, muss auch B sagen.
Ein Individuum hat verschiedene
Handlungsalternativen, wenn es sich selbst steuern kann, wenn es über
Selbstkontrolle verfügt, wenn es - wie man so sagt - Herr seiner selbst ist.
Die Selbstkontrolle ist ja gerade der springende Punkt. Hat das Individuum
die? Vom Körper her sind wir ein Viech wie jedes andere auch. Für die Viecher
gibt es genetisch einprogrammierte Steuerungsmechanismen, wir nennen sie, auf
uns selbst bezogen, Gefühle. Gefühle steuern das Individuum hin zum Überleben.
Dazu gehören Beuteaggression, Revieraggression, Dominanzaggression, sexuelle
Aggression, aber auch soziale-, Beute- und Nachwuchsappetenz. Über solche
Gefühle (dass man das bei Tieren Instinkt nennt, halte ich für Blödsinn; wer
Tiere nüchtern beobachtet, stellt fest, es ist genau dasselbe) wird das
Individuum gesteuert, es kann darüber nicht selbst verfügen. Ich kann nicht
steuern, ob mir etwas stinkt. Schädliche Substanzen stinken mir nunmal und
provozieren in mir das Gefühl, mich davon zu machen.
Selbststeuerung
heißt, dass ich die reale Möglichkeit (!) habe, mich nicht davon zu machen, also
wider meine biologische Steuerung zu agieren.
Kann ein Tier in den
Hungerstreik treten?
Wenn ich die Möglichkeit habe, wider meine Gefühle
zu agieren, so heißt das nicht, dass ich dafür keinen Grund habe. Aber es ist
eben ein anderer Grund. Ja, die Frage nach dem Grund entsteht überhaupt erst
dann, wenn ich die Möglichkeit habe, auch etwas anderes zu tun. Denn wenn ich
diese Möglichkeit nicht habe, kann ich gar nicht erst nach Alternativen, also
anderen Gründen, fragen. Ist also nicht die Frage nach dem Grund meines Handelns
bereits ein Beleg dafür, dass ich einen freien Willen habe?
Ist nicht die
Frage nach den Möglichkeiten letztlich eine Frage nach möglichen Gründen?
Und wenn ich mich für einen Grund entscheide, dann entscheide ich mich nicht
für eine einzelne, quasi isolierte Aktion, sondern für einen ganzen
Handlungskomplex, der aus automatischen, unbewussten Handlungen besteht.
A hat sich - wahrscheinlich lange vor dem Ereignis - entschieden, seinem Gefühl
zu folgen, das ihn Asylbewerber verabscheuen lässt. C hat sich dafür
entschieden, dass dieser Fall nicht rechtfertigt, seine Schießfähigkeiten
einzusetzen. Er verfolgt wahrscheinlich einen vernünftigen Grund. Auch C hat
sich wahrscheinlich lange vor dem Ereignis entschieden, statt seinen Gefühlen
vernünftigen Gründen zu folgen.
Womit wir bei der schwierigen Frage
wären, ob jedem Menschen diese alternativen Gründe zur Verfügung stehen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
13. Aug. 2005, 18:12 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Jonny,
ich habe die Fragestellung deshalb
umformuliert, weil sich im Laufe unserer Diskussion herausgestellt hat, dass der
Begriff „Möglichkeit“ mehrdeutig ist und dass der Begriff des Wirklichen in
seiner Bedeutung zwischen uns strittig war.
Deshalb dieser Versuch, zu
einer möglichst eindeutigen Fragestellung zu kommen, die sich sinnvoll
diskutieren lässt. Dies methodische Vorgehen schließt nicht aus, dass die damit
ausgegrenzten Fragen nicht ebenfalls behandelt werden.
Mein Vorschlag
ist, die Frage zu diskutieren, wie man begründen oder widerlegen kann, dass ein
bestimmter Mensch in einer bestimmten Situation mehrere alternative
Handlungsmöglichkeiten hat, zwischen denen er sich entscheiden kann.
Der
Begriff der Handlungsalternative scheint mir klar zu sein, während der
juristische Begriff der Option auch noch das normative Element enthält, wählen
zu dürfen.
Die Behauptungen:
„Ich steuere mich nicht selbst. Ich
treffe keine Entscheidungen. Entscheidungen werden auf einer tieferen Ebene als
der des Ich-Bewusstseins getroffen“
können wohl in dieser Allgemeinheit
nicht aufrechterhalten werden. Nicht ohne Grund unterscheiden Neurologen
zwischen einem willkürlichen und einem unwillkürlichen Nervensystem. Kein
Libet-Experiment hilft einem Schachspieler weiter, wenn er vor der Entscheidung
steht, eine Rochade zu machen oder nicht. Und im Restaurant treffe ich die
Entscheidung, welches Menü ich mir bringen lasse.
Dass es auch
Pseudoentscheidungen gibt, über deren tatsächliche Motivation man sich selber
täuscht, wusste schon Siegmund Freud, der hierfür den Begriff der
Rationalisierung prägte.
Grüße an alle Interessierten von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 13.
Aug. 2005, 19:54 Uhr
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@ Eberhard:
Meine Antwort habe ich in meinem Kopf.
Ich schreibe sie nicht.
Ich schreibe sie später.
Wenn ich will.
Warum?
Weil ich diese
Möglichkeit habe.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
13. Aug. 2005, 20:06 Uhr
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Guten Abend Eberhard,
ich zögere noch dir zuzustimmen. Als alter
Schachspieler weiß ich, daß nicht Ich die richtigen Züge finde. Ich habe
möglichst viel Eröffnungen und Endspielsituationen auswendig gelernt, aber gegen
einen ebenbürtigen Gegner muß da noch was dazukommen. Mit den Kindern spiel ich
oft Memory. Da zieh "ich", ohne zu denken, laß einfach die Hand hingreifen wohin
sie will. Ich bin ein gefürchteter Memoryspieler!
Und im Restaurant vor der
Speisekarte bin ICH hilflos, ohne meinen Magen und Darm...
Das ICH wird von
uns sehr überschätzt. Die Menschheit hat vielleicht die meiste Zeit ihres
Erdenlebens ohne ICH gelebt.(Jaynes, Whyte...)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
13. Aug. 2005, 22:01 Uhr
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Hallo Abrazo,
Du könntest also, wenn Du wolltest. Aber: Das kann jeder
sagen. Solange Du nicht willst, ist Deine Behauptung, dass Du kannst, nur eine
Aufforderung, Dir zu glauben. Wenn Dir etwas möglich ist, so musst Du die
Bedingen angeben, unter denen Du Deine Möglichkeit auch realisierst
meint Eberhard.
Hallo Jonny,
auf das „Ich“ kommt es nicht an.
Im Vietnamesischen soll es das Wort „ich“ gar nicht geben, und auch Kinder
sprechen von sich anfangs in der 3. Person. (Ich in meiner Grußfloskel übrigens
auch.).
Ich glaube, Abrazo hat einen brauchbaren Hinweis gegeben auf das,
was die Menschen von anderen Säugetieren unterscheidet. Gefühle haben beide.
(Mein Hund ist ein reines Gefühlsbündel. Der kriegt sich vor Freude oder
Aggression meistens kaum ein.)
Menschen sind nicht nur für kausale Gründe
(Ursachen) empfänglich wie z.B. Hunger, der das Verhalten bestimmt, Menschen
sind auch für Vernunftgründe (Argumente) empfänglich – oder sie können es
zumindest sein.
Wenn es uns – so wie gegenwärtig – um die richtige
Antwort auf eine gestellte Frage geht und wir uns gegenseitig von der
Richtigkeit oder Falschheit bestimmter Positionen und Behauptungen überzeugen
wollen, dann geht es nicht um eine kausale Beeinflussung des andern im Sinne der
eigenen Ansichten. Wir könnten vielleicht durch geschickte Rhetorik den einen
oder anderen überreden, aber damit wären wir dem Ziel, der richtigen Antwort,
keinen Zentimeter näher gekommen.
Wodurch unterscheidet sich eine
Argumentation, die zu einer Einsicht in die Richtigkeit einer Behauptung führt,
von einer Überredung oder einer Gehirnwäsche, die zu einem Bekenntnis zur
Richtigkeit einer Behauptung führt?
Meiner Ansicht nach ist entscheidend,
dass ich zu einem Argument „nein“ sagen kann und dass damit die Wirkung des
Argumentes auf mich aufgehoben ist.
Demgegenüber kann ich zu einer
Drohung („Wenn Sie Ihre kritischen Ansichten zur Lehre X nicht ablegen, ist für
Sie hier kein Platz mehr“) zwar „nein“ sagen, eine Drohung wirkt jedoch weiter
und übt auf mich einen Einfluss aus. Und eine geschickte Überredung gibt dem
Überredeten gar keine Möglichkeit, „nein“ zu sagen, weil sein kritisches
Urteilsvermögen eingelullt wurde.
Die Empfänglichkeit für Argumente, die
sich an das kritische Urteilsvermögen, an die „Vernunft“ richten, macht einen
entscheidenden Unterschied zwischen einem erwachsenen Menschen und einem
ausgewachsenen Hund aus, was die Fähigkeit zur Selbststeuerung betrifft. Ich
kann mich in meinem Verhaltensfluss unterbrechen und darüber nachdenken, was ich
gerade tue, ich kann mich fragen, welche Handlungsmöglichkeiten für mich
bestehen, kann das Für und Wider der Argumente erwägen und nach reiflicher
Überlegung eine Entscheidung treffen.
Hier ist meines Erachtens das
anzusiedeln, was man mit Selbststeuerung und der Existenz von
Handlungsalternativen für einen bestimmten Menschen in einer bestimmten
Situation meint.
behauptet Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 13.
Aug. 2005, 23:04 Uhr
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Hi,
Ok.
Jetzt antworte ich.
Kannst du einen Grund dafür angeben,
warum es mir beim ersten Mal nicht möglich gewesen sein soll zu antworten, oder
warum es mir jetzt unmöglich sein soll, nicht zu antworten?
Du könntest
imho nur auf das Motiv gehen: obwohl ich beim ersten Mal ebenso wie jetzt die
Möglichkeit gehabt hätte zu antworten, konnte ich diese Möglichkeit aufgrund
meiner subjektiven Verfassung nicht nutzen.
Ich denke, hauptsächlich geht es
darum: kann ich die objektiven Möglichkeiten wahlweise nutzen oder bin ich nur
auf eine einzige Möglichkeit quasi programmiert?
Hier halte ich entgegen:
setzt nicht der Zweifel am freien Willen die Existenz des freien Willens voraus,
d.h. ist nicht dieser Zweifel ein unsinniger Zweifel?
Oder: könnten wir die
Frage, ob es den freien Willen gibt, stellen, wenn es ihn nicht gäbe?
P.S.: als Bedingung gebe ich an, dass ich an einem funktionierenden PC sitze,
eine Antwort im Kopf habe und auch die Zeit, sie nieder zu schreiben.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
14. Aug. 2005, 09:26 Uhr
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on 08/13/05 um 20:06:11, jonny_W. wrote:Das ICH wird von uns sehr
überschätzt. Die Menschheit hat vielleicht die meiste Zeit ihres Erdenlebens
ohne ICH gelebt.(Jaynes, Whyte...)
Nicht überschätzt, sondern
vielleicht im Sprachgebrauch falsch angewandt. "Ich" ist immer der ganze Mensch.
Aber z.B. zur Feststellung von Krankheiten ist es erforderlich zu wissen welcher
Teil des Menschen erkrankt ist. Vielleicht ist es übertrieben bei Schnupfen zu
sagen: "Ich bin krank", bei anderen Krankheiten wo die Auswirkungen
weitreichenden sind, ist "Ich bin krank" schon angebrachter, aber selbst dann
ist nicht der ganze Mensch krank, also funktionsuntüchtig oder -eingeschränkt,
sondern immer nur Teile von ihm. Sonst wäre er tod.
schönen Tag
Lina
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
14. Aug. 2005, 09:27 Uhr
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Hallo allerseits,
mir wird bei unserer Diskussion immer klarer, dass der
Ausdruck: „Ich habe die Möglichkeit x oder y zu tun“ eine verkürzte Redeweise
ist, die ausgeführt heißt: „Ich habe die Möglichkeit x oder y zu tun, wenn ich
es will.“
Dieses „wenn ich es will“ steht offenbar unausgesprochen hinter
allen Aussagen über die eigenen Handlungsmöglichkeiten.
Der praktische
Zweck solcher Möglichkeitsaussagen besteht darin, dass ich mit ihrer Hilfe
klären kann, was ich überhaupt will. Ich kann mir damit die verschiedenen
Handlungsalternativen mit ihren Eigenschaften und Folgewirkungen vorstellen,
kann sie bewerten und zu einer Entscheidung kommen.
Das bedeutet: Mein
Wille als Ausdruck meiner Selbststeuerung ist keine Ansammlung fertig gegebener
Motive, sondern er bildet sich in der Überlegung erst heraus. Der Wille ist
insofern etwas dauerhaftes, was sich auch an der damit verbundenen Ausbildung
langfristiger Zielsetzungen zeigt.
Ein stimmungsabhängiger
Handlungsimpuls oder eine Reaktion in einer starken emotionalen Erregung ist
also noch nicht mit dem Willen des betreffenden Menschen gleichzusetzen.
In der Form „Wenn ich wollte, könnte ich x tun“ kann eigentlich auch kein
Determinist etwas gegen das Bestehen verschiedener Handlungsmöglichkeiten
einwenden. Ansonsten müsste er konsequenter Weise auch etwas gegen den Satz
haben: „Wenn das Wasser 100 Grad Celsius hätte, dann würde es kochen.“
Anhand der Diskussion meines Kopfdreh-Beispiels kann ich verdeutlichen, wie
wichtig der stillschweigende Bezug zu dem „wenn ich wollte ..." bei Aussagen
über Handlungsmöglichkeiten ist.
Ich hatte als Nachweis für die Existenz
mehrerer Handlungsmöglichkeiten folgendes Gedankenexperiment gemacht:
Ich
sitze und blicke geradeaus,
Dann sage ich zu dem Deterministen, der vor
mir sitzt:
„Ich habe zwei alternative Möglichkeiten, als nächstes meinen
Kopf zu drehen: einmal nach links und das andere Mal nach rechts.
Da Du
bestreitest, dass es für mich mehrere Handlungsmöglichkeiten gibt, zwischen
denen ich mich entscheiden kann, sage mir bitte, welche der beiden Möglichkeiten
mir denn nicht offen steht!“
Wenn der Determinist sagt: „Du hast nicht
die Möglichkeit, Deinen Kopf nach links zu drehen“, dann drehe ich ihn nach
links.
Wenn der Determinist sagt: „Du hast nicht die Möglichkeit, Deinen
Kopf nach rechts zu drehen“, so drehe ich ihn nach rechts.
Damit hätte
ich zwingend demonstriert, dass ich „wirklich“ zwei Handlungsmöglichkeiten
hatte.
Soweit mein kleines Gedankenexperiment.
Einem
Deterministen ist dann jedoch eine rettende Idee gekommen, wie er sich dieser
von mir aufgebauten Zwickmühle entziehen kann. Rage, so hieß mein
Diskussionspartner, sagte zu meiner Verblüffung: „Auf Deine Frage, welche der
beiden Möglichkeiten Du nicht hast, antworte ich Dir: Du hast diejenige
Möglichkeit nicht, die Du nicht wählen wirst.“
Ich war mit dieser Antwort
zwar irgendwie nicht zufrieden, konnte aber nicht genau festmachen, woran das
lag. Jetzt würde ich das Mangelhafte seiner Antwort darin sehen, dass der Satz
„Du hast diejenige Möglichkeit nicht, die Du nicht wählen wirst“ völlig an dem
Sinn und Zweck von Erwägungen über Möglichkeiten vorbeigeht.
Denn die
Antwort ignoriert völlig, dass sich das, was ich wählen werde und was ich damit
schließlich will, erst durch die Erwägung der verschiedenen
Handlungsmöglichkeiten (die ich hätte, wenn ich wollte) herausbildet.
Entsprechendes gilt für die Handlungsmöglichkeiten eines Anderen. Die Frage:
Hätte A auch anders handeln können (anstatt E zu erschießen)?“ ist immer zu
verstehen mit dem Zusatz, „wenn er es gewollt hätte“.
Ich will hier
erstmal abbrechen, weil der Beitrag von seiner Länge her sowieso schon schwer
verdaulich ist.
Einen schönen Sonntagmorgen ohne Sorgen wünscht allen
Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
14. Aug. 2005, 09:29 Uhr
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erstes résumé:
Die Detektoren des Doppelspaltexperimentes sind nach
allgemeiner Übereinkunft als wirklich zu bezeichnen.
Möglichkeiten wirken auf
diese Detektoren.
Also sind Möglichkeiten (wie sie die Quantenmechanik
definiert) wirklich. Möglichkeiten sind Elemente der Realität.
Das sei mit
sehr leiser Stimme gesagt, ganz vorsichtig und keineswegs im Brustton der
Überzeugung.
Jetzt erst können wir uns der veränderten Fragestellung
zuwenden:
Können Subjekte aus diesen Möglichkeiten auswählen?
In der
Sprache der Physik klingt das ketzerisch: Können Subjekte den Kollaps der
Wellenfunktion beeinflußen?
Auch diese Frage läßt sich im Experiment
beantworten. Die wissenschaftlich arbeitende Parapsychologie hat dies geleistet.
Mit signifikantem Ergebnis.
Nochmal meine immer noch unbeantwortete Frage;
"Was ist ein Subjekt?
Neu dazu stellt sich die Frage:
"Was ist das <ICH>?"
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Titel: Wenn dRe: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W.
am 14. Aug. 2005, 09:50 Uhr
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Guten Morgen Eberhard!
"Wenn der Determinist sagt: „Du hast nicht die
Möglichkeit, Deinen Kopf nach links zu drehen“, dann drehe ich ihn nach links.
Wenn der Determinist sagt: „Du hast nicht die Möglichkeit, Deinen Kopf
nach rechts zu drehen“, so drehe ich ihn nach rechts. "
Damit hast du nur
eines bewiesen, nämlich deine vollkommene Abhängigkeit von den Befehlen des
Deterministen.
Eberhard:"Mein Wille als Ausdruck meiner Selbststeuerung
ist keine Ansammlung fertig gegebener Motive, sondern er bildet sich in der
Überlegung erst heraus. Der Wille ist insofern etwas dauerhaftes"
<Wille> als
Substantiv ist gefährliche Metaphysik. Schopenhauer läßt grüßen. Das ist als
Leseempfehlung gedacht. Nach der echt amüsanten Lektüre von <Die Welt als Wille
und Vorstellung> tut man sich nämlich schwer mit Sätzen wie: "der Wille bildet
sich in der Überlegung erst heraus". All deine Überlegungen sind Ausdruck des
Willens. Der Wille ist primär.
schönen Sonntag!
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
14. Aug. 2005, 10:25 Uhr
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on 08/14/05 um 09:29:52, jonny_W. wrote:Also sind Möglichkeiten (wie sie die
Quantenmechanik definiert) wirklich. Möglichkeiten sind Elemente der Realität.
Ist es nicht so, dass wenn Möglichkeiten bestehen, sich für die
Möglichkeit entschieden wird, von der ausgegangen wird, dass sie ein Eigenleben
führen kann? Ich meine auf elementarster Ebene im Sinne von "Wir schlagen diesen
Weg ein" und nicht im Sinne von "Haben wollen". Und wenn wir auf zwei Wege
zusteuern, dann können wir doch davon ausgehen, auch wenn sie sich gleich sind,
dass sich für den Weg entschieden wird aus dem eine real eingestufte
Information, im Sinne von einer Information, die den Weg als tatsächlich
vorhanden, als Eigenleben, interpretiert. Unterliegen Quanten dieser etwas
anderen Art der Bereicherungstheorie? Wenn sich geteilt werden muß um einen
Punkt zu erreichen, dann spricht es dafür, dass diese beiden Wege als nicht
wirklich, als ohne Eigenleben interpretiert werden und wirklich ist nur
dasjenige was den Weg geht. Entscheiden heisst Zusammenführen. Entscheiden ist
so nichts weiter, als zwei Wege die für sich alleine keine Realität haben in
sich selbst zur Realität werden zu lassen. Wenn wir nun die Zellteilung z.B.
beim Menschen nehmen, dann ist es so, dass der Zusammenhalt dieser Zellen trotz
Teilung dadurch entsteht, dass jede Zelle für sich alleine genommen schon mehr
Informationen beinhaltet, als dass sie von Außen mit Zellen oder Etwas in
Berührung kommt, was sie dazu auffordern könnte einen anderen Weg einzuschlagen,
nämlich die fehlende Information, dass da noch Eigenständigeres ist, als sie
selbst als Ihresgleiches sein kann. Eine Chance übrigens für den Krebs, als
entartete Zellen, die Wohl über dieses Prinzip hinaus etwas erkannt haben, was
sie im Sinne des Menschen besser nicht getan hätten.
nochmal schönen Tag
Lina [smiley=feder.gif]
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Titel: Wenn sRe: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W.
am 14. Aug. 2005, 11:05 Uhr
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Sheelina: "Wenn sich geteilt werden muß um einen Punkt zu erreichen, dann
spricht es dafür, dass diese beiden Wege als nicht wirklich, als ohne Eigenleben
interpretiert werden und wirklich ist nur dasjenige was den Weg geht."
Das
gilt nicht für Quantenobjekte. Ein Teilchen, das in A erzeugt wird und kurz
darauf in B durch einen Detektor gemessen wird, hat keinen definierten Weg von A
nach B zurückgelegt. Der Weg des Teilchens ist kein Element der Realität, ist
nicht wirklich.
Wie ich schon - vielleicht etwas zu blumig - sagte,
Quantenobjekte leben, solange sie nicht gemessen werden, im Reich der
Möglichkeiten. Dieses Reich der Möglichkeiten ist wirklich.
Nach meiner
letzten Antwort an Eberhard, beschloss ich einen Teil dieses verregneten
Sonntages lesend zu verbringen. Ich schnappte mir ein Büchlein von D.T.Suzuki
über Zen und was durfte ich da lesen:
Zitat:
"Wie ich bereits sagte, ist
der Wille im primären Sinne elementarer als der Verstand, weil er das Prinzip
ist, das an der Wurzel aller Existenzen liegt und sie alle in der Einheit des
Seins vereint.Die Felsen sind wo sie sind - das ist ihr Wille.Die Flüße fließen
- das ist ihr Wille.......Menschen sprechen - das ist ihr Wille.............
Sein und Werden ist gleich Wollen. Es gibt in dieser Welt absolut nichts, das
nicht seinen eigenen Willen besitzt.
Der eine große Wille, aus dem all diese
unendlich verschiedenartigen Willen fließen, ist das, was ich das >>kosmische
(oder ontologische) Unbewußte<< nenne, das Null-Reservoir unendlicher
MÖGLICHKEITEN (!)."
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 14.
Aug. 2005, 11:13 Uhr
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Guten Morgen zusammen,
1. zum Ich:
Hier erscheint mir als der Weisheit
letzter Schluss:
Ich ist derjenige, der etwas über sich aussagt.
Ich ist
nicht dasjenige, was er über sich aussagt.
Begründung u.a. siehe
Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus.
2. zu den Möglichkeiten
Ich denke, dass unser Problem nicht darin besteht, dass es verschiedene
Möglichkeiten gibt. Die gibt es, das beweist auch Eberhards Kopfdrehexperiment.
Unser Problem besteht darin, aus welchem Grund ich das eine oder das andere
wähle. Das heißt, was immer ich wähle, ich habe für meine Wahl einen Grund.
Fragt sich nur, welchen, und ob ich auch da Entscheidungsfreiheit habe.
3. "Auf Deine Frage, welche der beiden Möglichkeiten Du nicht hast, antworte ich
Dir: Du hast diejenige Möglichkeit nicht, die Du nicht wählen wirst."
Gefällt mir auch nicht, aber in erster Linie deswegen, weil es ein Beweis a
posteriori ist. Der Beweis dafür, dass man vorher die Wahlmöglichkeit nicht
hatte, wird nachher erbracht. Wie könnte man diesen Beweis widerlegen? Antwort:
gar nicht. Nicht, weil er stimmt, sondern weil er nicht falsifizierbar ist.
Verifizierbar oder falsifizierbar ist nämlich nur die Prognose einer Wirkung,
weil sie über den Moment hinaus in die Zukunft reicht. Die Prognose ist
unvollendet. Ob sie stimmt oder nicht kann durch das in der Zukunft vollendete
Ereignis festgestellt werden.
Die Aussage "du hast die Möglichkeit nicht..."
ist quasi eine umgekehrte Prognose. Aus der vollendeten Wirkung wird die
Prognose konstruiert, die man in der Vergangenheit hätte machen können. Die
stimmt natürlich immer. Sie ist nur nicht überprüfbar, da in der Vergangenheit
gar keine Prognose erstellt wurde.
Auf die Wahlsituation bezogen heißt diese
Aussage: entweder A oder B oder C. Wenn A, dann nicht B oder C. Wenn B, dann
nicht A oder C. Wenn C, dann nicht A oder B.
Wat willste damit anfangen?
Wenn B eintritt, kriegste die Bestätigung, wenn B dann nicht A oder C. Na jut,
aber dat wussteste auch schon vorher.
4. Wahl
Was sagt Herr Hund
dazu?
Wenn der Herr auf einen fremden Rüden trifft, hat er objektiv zwei
Möglichkeiten: a) er verprügelt ihn, b) er verprügelt ihn nicht.
Sein Gefühl
treibt zu Möglichkeit a.
Nun ist der fremde Rüde aber ein ebenso großer,
kampferprobter Rabauke. Also staksen die zwei umeinander herum und stellen
offenbar fest, der Kraftaufwand, den eine Prügelei erfordern würde, wäre
ziemlich hoch und der Ausgang nicht gewiss. Folglich 'wählen' beide Möglichkeit
b. Vorsichtig ausgedrückt: das eine Gefühl - wird mühsam - dominiert das andere
Gefühl - hab Lust.
Ist dies nicht der Fall, 'wählt' der Herr dennoch b, wenn
Abrazo unmissverständlich Missfallen bekundet. Dann dominiert die
Gefolgschaftstreue die Lust.
(geht auch anders. Wenns um ne läufige Hündin
geht, dominiert die Lust die Gefolgschaftstreue.)
Gibts keine
Hinderungsgründe, gibts Prügel.
Diese Wahl ist nicht frei, weil der Herr die
Gründe nicht frei wählen kann.
Beim Menschen verhält es sich genau so.
Aber offenbar nicht immer. Selbst, wenn es nur Menschen gäbe, die entweder der
Lust oder dem gesetzlichen Verbot folgen würden (was keine freie Wahl wäre),
bliebe die Frage, warum es denn dieses gesetzliche Verbot gibt. Denn wenn die
hündische Gesellschaft ohne ein solches Verbot (verkörpert in Abrazo)
funktioniert, warum sollte es die menschliche Gesellschaft nicht tun (Antwort
der Religionen: weil Gott das verboten hat!Danach wäre Gott für den Menschen
das, was Abrazo für Herrn Hund ist. Allerdings ist Abrazos Existenz dem Herrn
unmittelbar einsichtig, die Existenz Gottes dem Menschen nicht.)? Will behauten:
das gesetzliche Verbot ist das Resultat einer irgendwann einmal stattgefundenen
freien Wahl.
5. Das bedeutet: Mein Wille als Ausdruck meiner
Selbststeuerung ist keine Ansammlung fertig gegebener Motive, sondern er bildet
sich in der Überlegung erst heraus. Der Wille ist insofern etwas dauerhaftes,
was sich auch an der damit verbundenen Ausbildung langfristiger Zielsetzungen
zeigt.
M.E. eine sehr wichtige Feststellung mit ner Menge komplizierter
Folgerungen. Ich möchte nur gerne erst das vorhergehende fest klopfen, bevor man
sich jener These widmet. Und das sollte man imho unbedingt.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
14. Aug. 2005, 12:07 Uhr
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Hallo jonny w,
wenn Du Deine wissenschaftlich sich fundierend zeigenden
Betrachtungen dafür nutzt missionarisch in eine bestimmte Religion zu weisen,
wie hier der von Dir eingeführte Begriff des "Zen", als Deinen
wissenschaftlichen Überlegungen übergeordnetem sich erscheindenen, dann würde
ich doch eher passen wollen.
nette Grüße
Lina
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
14. Aug. 2005, 15:08 Uhr
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Hi Sheelina,
nein ich bin kein Anhänger irgendeiner wie auch immer gearteten
Religion. Missionseifer verspür ich auch nicht.
Vom Zen hab ich viel gelernt.
In unseren Meditationen über den freien Willen werden wir hoffentlich noch auf
den Begriff der Spontanität stoßen. Und dazu hat Zen wiederum etwas zu sagen.
Nochmal zurück zum Doppelspalt:
Ein Teilchen starte in A und werde in B
mittels eines Detektors gemessen. Zwischen A und B befinde sich eine
undurchdringliche Wand mit zwei Spalten.
Das Teilchen, das in B ankommt ist
nicht entweder durch den einen oder den anderen Spalt gekommen. Es hat immer
noch beide Möglichkeiten. Beide Möglichkeiten sind sozusagen in B angekommen.
Wenn wir das teilchen nun einfach nur messen, wird die Antwort auf eine
diesbezügliche Frage auch auf immer im Reich der Möglichkeiten verbleiben. Wir
können aber durch ein trickreiches Arragment das Teilchen kurz vor B zwingen,
sich für einen Weg zu entscheiden. Genauer: sich für einen Weg entschieden zu
haben! Es liegt in unserer Macht das Teilchen zu einer (zeitlich rückwirkenden)
Entscheidung zu zwingen. Wir können es aber nicht zu einem bestimmten Spalt
zwingen. Die Antwort auf die durch-welchen-Spalt-Frage ist, nach Lehrmeinung der
Quantentheorie, rein zufällig. Rein zufällig!!!
Wer oder was entscheidet?
Nichts und niemand ? Rainer Zufall oder jonny W. oder der freie Wille des
Teilchens?????
Die Symmetrie der Anordnung wurde spontan gebrochen.
Spontanität ist eine Eigenschaft der Quantenwelt.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
14. Aug. 2005, 15:43 Uhr
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Die Religion steht jedem frei zu wählen. Nur, ich kann nicht davon ausgehen,
dass eine bestimmte Religion das priviligerte Recht haben sollte eine
Wissenschaftstheorie oder wissenschaftliche Hypothesen laut zu bestätigen. Da
müssten sich die Religionen bzw. deren Angehörige schon erstmal untereinander
auch lautend einig werden. Da ich nun in reinen Fragen der Begrifflichkeiten
lande, höre ich jetzt erstmal auf.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
14. Aug. 2005, 16:47 Uhr
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Hallo Jonny,
was Du ausführst, kann ich in den meisten Punkten nicht
nachvollziehen.
Zu meinem Gedankenexperiment schreibst Du: "Damit hast du
nur eines bewiesen, nämlich deine vollkommene Abhängigkeit von den Befehlen des
Deterministen."
Wie kann ich durch eine Strategie zur Widerlegung des
Deterministen beweisen, dass ich von den Befehlen des Deterministen abhängig
bin? Meine Reaktionen auf ihn sind doch nicht Ausfluss von Gehorsam sondern
ergeben sich aus dem Ziel der Widerlegung.
Meinen Erläuterungen, wie ich
den Begriff „Wille“ gebrauchen will, entgegnest Du mit einer Lektüreempfehlung
und setzt meinen Aussagen zum Willen einen anderen Gebrauch des Wortes entgegen,
nach dem auch Felsen ein Wille zugesprochen wird.
Soll das bedeuten,
dass ich den Begriff des Willens nur in Deinem Sinne bzw. im Sinne des von Dir
genannten Autors benutzen darf?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
14. Aug. 2005, 18:36 Uhr
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Hallo Eberhard,
die letzte Frage war rethorisch, ich erspare mir mit einem
klaren "Nein" zu antworten. [saint]
Zum Rest ein andermal mehr.
Der
Begriff des freien Willens wird mir immer suspekter.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 14.
Aug. 2005, 22:16 Uhr
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Also weiter im Text.
Von hinten durch die Brust ins Auge.
Ich will. Ist
das ein Atomsatz?
Ich meine, nein.
"Ich will" hat keinen Sinn, sofern es
nicht im Kontext mit vorher Genanntem steht. Anders als "Ich esse", "Ich laufe",
"Ich arbeite". Das sind klare Tätigkeitsbeschreibungen. "Ich will" ist das
ebensowenig wie "Ich habe". Solche Sätze sind unsinnig ohne die Angabe, was man
will oder was man hat. Sie geben vielmehr die Beziehung an, in der ein Subjekt
zu einem Objekt steht. Ohne Angabe des Objektes ist der Satz ebenso sinnlos wie
der mathematische Ausdruck 21 + .
Womit ich endlich mal verstehe, wieso
Wittgenstein im TLP sagte, vom Willen als Träger des Ethischen kann nicht
gesprochen werden. Klar, den reinen Willen gibt es ja gar nicht. Er benötigt
immer ein Etwas, auf das er sich richtet
Wenn wollen eine Beziehung
zwischen Subjekt und Objekt ist, muss es das Objekt geben. Wobei es gleichgültig
ist, ob es das Objekt in concreto oder als subjektive Vorstellung gibt. Aber
geben muss es das.
Nicht nur das: es muss auch in irgend einer Form für
das Subjekt erkennbar oder fassbar sein.
Wenn es nichts gibt, kann auch
nichts gewollt werden.
Wenn aber etwas gewollt werden kann, so setzt dies
nicht nur voraus, dass es etwas gibt, sondern auch, dass etwas erkannt wird.
Das Neugeborene will keine Nahrung, wenn es schreit. Es schreit nur sein
unwohles Hungergefühl heraus. Die Brust wollen kann es erst dann, wenn es
gelernt hat, dass das, was da raus kommt, das unangenehme Hungergefühl
beseitigt.
Mein Wille ist, weil er zu ihr in Beziehung steht, abhängig
von der Welt und ob und wie ich sie erkenne.
Wie verhält es sich hier nun
mit den Möglichkeiten? Spontan würde ich sagen, je bessere Kenntnis ich von der
Welt habe, desto mehr Möglichkeiten habe ich auch. Es kann aber auch das genaue
Gegenteil der Fall sein.
Ich mach hier mal Pause. Klar dürfte sein, dass
der Komplex Wollen mit dem Komplex Erkennen zusammenhängt und dass es sich bei
beidem um Prozesse in der Zeit handelt.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 15. Aug. 2005, 10:52 Uhr
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.... es gibt absolut keine realen möglich keiten !
weil ein
dummer mit dem andern konkuriert
seiner mama imponieren
frau
tochter
sekretärin
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
15. Aug. 2005, 13:07 Uhr
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Hallo allerseits,
es scheint angebracht eine kleine Zwischenbilanz zu
ziehen und die Positionen zu klären.
Meine Frage:
Besteht
Einverständnis, dass man die Möglichkeit, die Individuum A in der Situation s
hat, die Handlung h auszuführen, durch einen Satz von der allgemeinen Form
wiedergeben kann: „Individuum A kann in der Situation s die Handlung h
ausführen, wenn es das will.“
Ob es einen freien Willen – was immer das
bedeuten mag – gibt oder nicht, steht auf dieser Ebene noch gar nicht zur
Debatte.
Mit dem Satz: „A will h ausführen“ dürfte es auch keine
unüberwindbaren Probleme geben.
Und eine Vorentscheidung über die
Einbeziehung des menschlichen Handelns in die naturgesetzlich bestimmte Welt ist
damit auch nicht verbunden.
Besteht Einverständnis, dass derartige
Aussagen über das Bestehen von Handlungsmöglichkeiten richtig oder falsch sein
können?
Wenn ja, was sind die Kriterien für die Richtigkeit? Offenbar
kann der Nachweis durch A selber dadurch erbracht werden, dass er h tut.
Dritte haben es wohl schwerer. Der Satz: „Sie könnte, wenn sie nur wollte“ lässt
sich auf diese Weise nicht belegen, solange sie nicht will.
Grüsse und
Leuchtzeichen durch den Wortnebel sendet Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 15.
Aug. 2005, 14:34 Uhr
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Hi, Eberhard,
Besteht Einverständnis, dass man die Möglichkeit, die
Individuum A in der Situation s hat, die Handlung h auszuführen, durch einen
Satz von der allgemeinen Form wiedergeben kann: "Individuum A kann in der
Situation s die Handlung h ausführen, wenn es das will."
Nein, das sehe
ich nicht so.
Der Zusatz 'wenn es das will' ist imho überflüssig.
A
kann die Statik eines Hauses berechnen, wenn er diplomierter Bauingenieur ist,
denn dann hat er seine Fähigkeit dazu bewiesen.
Oder:
B kann zu Fuß zum
Dom gehen, denn er hat zwei gesunde Beine, einen Stadtplan und kann laufen.
Daran ändern würde sich nur etwas, wenn die Situation sich entscheidend ändert,
etwa wenn B sich ein Bein gebrochen hätte.
Ob er zu Fuß gehen will oder
nicht, ist völlig unerheblich dafür, dass er es kann. Wenn B lieber mit der
Straßenbahn fahren will, kann er trotzdem zu Fuß gehen; er tut es nur nicht.
Für das Können können objektive Maßstäbe entwickelt werden. Die Möglichkeiten,
die einer hat, hängen imho vom Können ab, nicht vom Wollen.
Die
Determinismusdiskussion zielt darauf ab, dass das Wollen tatsächlich nur ein
Können ist. 'Er will nicht' wird gleichbedeutend aufgefasst mit 'er kann
aufgrund seiner subjektiven Bestimmungen nicht'.
Mit dem Satz: "A will h
ausführen" dürfte es auch keine unüberwindbaren Probleme geben.
Damit gibt
es insofern ein Problem, als man, um diese Aussage machen zu können, entweder
auf eine entsprechende Aussage von A angewiesen ist oder auf die Interpretation
seines Handelns. Ob er das tatsächlich will, lässt sich mit Sicherheit nicht
sagen; er kann auch lügen oder sich verstellen. Um das subjektive Moment kommen
wir hier nicht herum.
Zur Aussage 'A kann das' lassen sich Kriterien
entwickeln, durch die sich entscheiden lässt, ob die Aussage wahr oder falsch
ist.
Zur Aussage 'A will das' lassen sich solche Kriterien nur dann
entwickeln, wenn man Wollen tatsächlich auf die reine Subjekt-Objekt-Beziehung
beschränkt, ohne einen mehr oder minder psychologischen Aspekt einzubeziehen.
Wenn mein Hund mich abends anstuppst, sage ich, 'der Hund will was zu Fressen
haben'. Aus Erfahrung, weil es seine Zeit ist und weil er das immer tut, wenn er
Hunger hat. Objektive Kriterien. Allerdings kann diese Definition des Wortes
wollen nichts zur Klärung beitragen, ob Möglichkeiten bestehen, weil das Wollen
nur festzustellen ist als Beziehung eines einzigen Subjekts zu einem einzigen
Objekt. Alternativen bleiben außen vor.
Willst du das Wollen aber
definieren als das Wollen einer von mehreren Möglichkeiten (Können), dann kannst
du imho keine objektiven Kriterien finden, sondern bist einzig und allein
angewiesen auf subjektive Aussagen. Selbst im Nachhinein könntest du nicht mit
Sicherheit feststellen, ob A h gewollt hat, denn ein Determinist wird dir immer
entgegnen, aufgrund seiner subjektiven Bestimmungen konnte A gar nichts anderes
wählen als h.
Davon bleibt unbenommen, dass, wie schon gesagt, der
Determinist seine Aussagen auch nicht belegen kann.
Außerdem neble ich
nicht. Was dir wie Nebel erscheinen mag, sind höchstens die Späne, die beim
Kleinhacken der Materie fliegen
[cloud]
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
15. Aug. 2005, 20:45 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
Dein Einwand leuchtet mir ein. Mit dem
Wort „kann“ ist ja die Kategorie der Möglichkeit bzw, Fähigkeit bereits
eingeführt, die ich gerade definieren will.
Also noch mal ganz von vorne,
auch wenn es mühselig ist. (Auf Englisch sagt man dazu wohl „philosophy in the
making“.)
Unser Ziel ist es, den Begriff des Möglichen zu klären,
insbesondere in seiner Beziehung zum Wirklichen.
Es geht gegenwärtig
speziell um die Frage: Wie kann man für und wider das Bestehen von
Handlungsmöglichkeiten (eines bestimmten Subjekts in einer bestimmten Situation)
argumentieren?
Nehmen wir das sehr simple aber gerade deswegen sehr
geeignete Kopfdreh-Beispiel. (Das Problem ist selber schon kompliziert genug.)
Es geht um den Nachweis für die Behauptung: „Ich kann (jetzt) meinen Kopf
nach links drehen“.
Die Argumente „Er hat das gelernt, deshalb muss er es
können“ und „Er hat vorhin den Kopf nach links gedreht. Das beweist, dass er es
kann“ sprechen zwar für die Behauptung, können jedoch entkräftet werden durch
ein Argument wie: „Er kann den Kopf jetzt nicht nach links drehen, weil er sich
gerade einen Nerv eingeklemmt hat“.
Das Argument „Er dreht den Kopf aber
nicht nach links, offenbar kann er es auch nicht“ kann durch den Hinweis „Er
kann es schon, aber er wollte gar nicht den Kopf nach links drehen“ entkräftet
werden.
Der beste Beweis dafür, dass ich jetzt den Kopf nach links drehen
kann, scheint mir darin zu bestehen, dass ich den Kopf tatsächlich nach links
drehe. Dazu muss ich ihn nach links drehen wollen.
Meine umformulierte
Frage lautet nun:
Kann ich den Satz „Ich habe jetzt die Möglichkeit, den
Kopf nach links zu drehen“ durch den Satz übersetzen „Wenn ich will, drehe ich
jetzt den Kopf nach links“?
Wenn nein, worin unterscheiden sich die
beiden Sätze?
Wenn der zweite Satz nicht Ausdruck einer Möglichkeit des
Handelns ist, was ist er dann?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
15. Aug. 2005, 22:40 Uhr
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Unser Problem ist doch folgendes:
Eberhards Aussage:
"Punkt ein Uhr werde
ich meinen Kopf nach links oder rechts drehen. Beide Möglichkeiten stehen mir
offen. Ich habe mich noch nicht für die Richtung entschieden. Ich werde diese
Entscheidung Punkt ein Uhr spontan fällen. Beide Richtungen sind bis dahin
möglich."
Ist diese Aussage richtig???
Oder steht schon jetzt für einen
Laplaceschen Dämon fest, wie Eberhard sich entscheiden wird ?
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 15.
Aug. 2005, 23:13 Uhr
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Hi,
können jedoch entkräftet werden durch ein Argument wie: "Er kann den
Kopf jetzt nicht nach links drehen, weil er sich gerade einen Nerv eingeklemmt
hat".
Ich sehe erst mal nicht, dass dieses Argument entkräftet. Wenn wir
sagen "X kann" (ob ich X bin, ist dabei völlig egal), setzen wir voraus, unter
nicht wesentlich geänderten Bedingungen. Ich kann heute Abend mit dem Hund im
Park Gassi gehen. Wenn mir allerdings auf dem Weg ein Blumentopf auf den Kopf
fällt, kann ich das nicht. Dann hat sich die Situation wesentlich geändert.
Es verhält sich hier doch nicht viel anders als in den Naturwissenschaften.
Wir sagen, Wasser kocht bei 100 Grad und setzen voraus, unter normalen
Bedingungen. Setze ich den Topf in ein Vakuum, kocht das Wasser bei wesentlich
niedrigerer Temperatur - aber das ist dann eben eine im Verhältnis zu normalen
Bedingungen wesentlich andere Situation.
Wie kann man für und wider das
Bestehen von Handlungsmöglichkeiten (eines bestimmten Subjekts in einer
bestimmten Situation) argumentieren?
Mir fällt jetzt auf, dass wir uns im
Grunde selbst aufs Glatteis führen. Du nimmst jetzt das Kopfdrehbeispiel. Aber
kannst du in dieser Situation wirklich nur den Kopf nach links oder nach rechts
drehen? Du kannst statt dessen auch aufstehen oder dich setzen, mit den Armen
rudern, dir was zu trinken holen ... ist es nicht unsinnig, die
Handlungsmöglichkeiten, die man in einer Situation hat, auf einen bestimmten
Ausschnitt zu beschränken, unsinnig, weil es nicht der Wirklichkeit entspricht?
Tatsächlich setzt doch das Kopfdreh-Experiment voraus, dass du das Ziel
hast, unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zu beweisen (was du eigentlich gar
nicht brauchst, aber bleiben wir dabei).
Ich denke, der springende Punkt
ist nicht, dass du den Kopf nach links drehen kannst (wie gesagt, dafür gibt es,
vorausgesetzt die Situation ändert sich nicht wesentlich, objektive Kriterien),
sondern, dass du ihn genau so nach rechts drehen kannst. Dabei handelt es sich
um gleichwertige Möglichkeiten in der Verfolgung des Zieles, nämlich, Beweis des
Bestehens alternativer Möglichkeiten. Ich denke, das ist wichtig, denn dadurch
unterscheidet sich das Kopfdrehen vom Bier aus dem Kühlschrank holen, denn diese
Handlung hätte ein anderes Ziel (obgleich du unterschiedliche Möglichkeiten
genau so nachweisen kannst, wenn du sagst, ne, statt Experimentieren hole ich
mir lieber ein Bier, die Möglichkeit habe ich auch).
Irgendwie ist das
alles sehr künstlich. Laboratmosphäre.
Und wenn ich sage: ich kann den
Kopf jetzt nach links oder nach rechts drehen, wie es ja tatsächlich der Fall
ist? Buridans Esel?
Kann ich den Satz "Ich habe jetzt die Möglichkeit,
den Kopf nach links zu drehen" durch den Satz übersetzen "Wenn ich will, drehe
ich jetzt den Kopf nach links"?
Wenn du die Möglichkeit hast, kannst du es.
Das ist abhängig von äußeren Bedingungen. Das kannst du feststellen wie jeden
anderen natürlichen Umstand. Z.B. durch eine medizinische Untersuchung, die
ergibt, wenn vom Gehirn ein bestimmter Impuls ausgeht, wird er den Kopf nach
links drehen. Das heißt, wenn zum bestehenden Umstand ein bestimmter dazu kommt,
wird etwas bestimmtes passieren. Im Grunde nichts anderes als wenn ich sage,
wenn ich Wasser Wärmeenergie zuführe, bis es sich auf 100 Grad erhitzt, wird es
kochen.
"Ich habe jetzt die Möglichkeit, den Kopf nach links zu drehen,
wenn ich will" hat dann die gleiche 'Wirklichkeitsqualität' wie der Satz, wenn
ich dieses Wasser bis auf 100 Grad erhitze, wird es kochen.
"Wenn ich
will, drehe ich den Kopf jetzt nach links" bedeutet nur scheinbar dasselbe. Wenn
ich will. Und wenn ich nicht will, was dann? Ich denke, über eventuell
bestehende Möglichkeiten sagt dieser Satz überhaupt nichts aus.
"Ich habe
jetzt die Möglichkeit, zum Mond zu fliegen, wenn ich will." Hä? Blödsinn. Welche
Möglichkeit?
"Wenn ich will, fliege ich jetzt zum Mond." Wat haste genommen?
Das heißt, Satz eins bezieht sich auf Objektives, Satz zwei auf Subjektives.
Ich denke, wir müssen die objektiven Möglichkeiten - die festzustellen kein
Problem sein dürfte - vom subjektiven Wollen, das die energeia für die dynamis
ist und zur Verwirklichung der Möglichkeit führt, trennen.
Oder auch:
notwendige und hinreichende Bedingung.
Auf jeden Fall muss beides vorhanden
sein: Möglichkeit und Willen (ob frei oder nicht).
Meint, vorbehaltlich
vernünftigen Protestes, erst mal Abrazo.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 15.
Aug. 2005, 23:20 Uhr
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@ Jonny:
Ich werde diese Entscheidung Punkt ein Uhr spontan fällen. Beide
Richtungen sind bis dahin möglich.
Spontan fällen - würde sich da der Willen
nicht darauf beschränken, die Entscheidung um ein Uhr einem mehr oder minder
biologischen Impuls zu überlassen?
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
16. Aug. 2005, 16:52 Uhr
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Hallo allerseits,
Abrazo hat recht: die Fähigkeit, etwas Bestimmtes zu
tun, besteht unabhängig vom Willen, dies zu tun. Insofern fragt der Berliner zu
Recht: "Kannste nich oder willste nich?"
Ob mir ein bestimmtes Tun
möglich ist im dem Sinne, dass ich dazu fähig bin, ist zu unterscheiden von
"möglich sein" in dem Sinne, dass ich ein bestimmtes Tun wählen kann.
Bei meinem Kopfdreh-Beispiel wird meine Fähigkeit, den Kopf zu drehen,
stillschweigend vorausgesetzt. Es kommt hier allein auf die Wahlmöglichkeit
zwischen Linksdrehung (Möglichkeit x) und Rechtsdrehung (Möglichkeit y) an.
Mit dem Gedankenexperiment soll bewiesen werden:
“Es gibt (um 1 Uhr)
mindestens zwei alternative Möglichkeiten des Handelns für mich, x und y,
zwischen denen ich wählen kann.“
Wenn dies gelingt, ist offenbar die
folgende Position widerlegt:
"Welche Handlung ein Mensch ausführt, ist
durch die jeweils gegebenen Bedingungen festgelegt. Es ist deshalb ein Irrtum,
wenn ein Mensch annimmt, er könne zwischen Handlungen wählen.“
Die Frage
ist, ob eine derartige Position überhaupt vertreten wird.
Eine andere
Position würde sagen: „Ich gebe zu, dass Du um 1 Uhr Deinen Kopf drehen kannst,
wohin Du willst, und insofern wählst Du die Handlung, Du wählst jedoch nicht
Deinen Willen, das was Du willst.“
Die Folgerungen für die ethischen
Fragen in Bezug auf Verdienst und Schuld, Belohnung und Bestrafung will ich
erstmal auslassen. Nur soviel, dass meiner Ansicht nach diese Kategorien
ansetzen, sobald man sagen kann: „Du hättest anders handeln können, wenn Du es
gewollt hättest.“
Soweit meine Klärungsversuche – die mich selbst
allerdings nicht recht befriedigen. Andererseits habe ich doch das Gefühl, dass
es - wenn auch mühsam -vorangeht.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
16. Aug. 2005, 17:24 Uhr
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Unter entsprechend günstigen Umständen, kann ich sicher das tun was ich will.
You can get it, if you realy want, but you must try.... Die Frage ist aber etwas
pointiert formuliert: "Kann ich auch wollen was ich will?
Will ICH? Oder will
ES mir?"
Der freie Wille wird mir immer suspekter. Ein nicht denkbarer
Begriff.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 16.
Aug. 2005, 22:23 Uhr
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Hi zusammen,
klar kommen wir vorwärts.
Überschrift: Kann ich auch
wollen was ich will - anders gesagt, nicht die Möglichkeit des Könnens ist unser
Problem, sondern die Möglichkeit des Wollens. Haben wir da Alternativen? Sieht
schwierig aus, ne?
Du beschließt, um ein Uhr deinen Kopf zu drehen,
entweder nach rechts oder nach links. Würde ich als Determinist sofort darauf
eingehen. Punkt ein Uhr werfe ich etwas neben deinen Sitz - und
selbstverständlich wirst du deinen Kopf in diese Richtung drehen, denn darauf
bist du biologisch programmiert.
Du hast zwar entschieden, deinen Kopf zu
drehen (könnte man sagen, manipuliert durch den Deterministen), aber du hast
nicht entschieden, in welche Richtung. Das heißt, du überlässt die Entscheidung
dem Zufall, lässt dich also steuern.
Ich denke, mit spontanen
Entscheidungen lässt sich nichts beweisen.
Welche Handlung ein Mensch
ausführt, ist durch die jeweils gegebenen Bedingungen festgelegt. Es ist deshalb
ein Irrtum, wenn ein Mensch annimmt, er könne zwischen Handlungen wählen.
Nehmen wir an, du entscheidest folgendes: um ein Uhr werde ich meinen Kopf in
die eine Richtung drehen, 10 Sekunden später in die andere. In welche Richtung,
entscheiden wir jetzt: du wirfst eine Münze, Kopf heißt rechts, Zahl heißt
links. Wenn du Zahl wirfst, drehe ich meinen Kopf um ein Uhr nach links, 10
Sekunden später nach rechts.
Selbst wenn der Determinist den Fall der Münze
manipuliert, so hat er doch nicht dich manipuliert, denn du hast dich ja
entschieden, dich nach dem Fall der Münze zu richten. Und auch die Bedingungen
um ein Uhr zu manipulieren hat nicht viel Sinn (unmöglich darf er es ja nicht
machen), denn die sind zum Zeitpunkt der Entscheidung ja noch gar nicht
vorhanden, können also nicht einwirken.
Was ließe sich nach der
Verwirklichung dagegen sagen, dass das eine freie willentliche Entscheidung war?
Wenn ich beide Beispiele zusammen fasse: kann ich frei wählen, ohne einen
Grund für meine Wahl zu haben, selbst wenn der Grund nur im Fall einer Münze
besteht? Ich denke, nein. Eine Wahl ohne Grund ist eine Scheinwahl. Als wenn ich
sage: ich komme dich morgen besuchen, wenn ich Lust habe. Ob ich dich besuchen
komme, hängt dann nicht von meinem Willen ab, sondern von meinem - letztlich
biologischen - Befinden.
Wenn ich aber sage: ich komme dich morgen
besuchen, egal wie das Wetter ist oder wie ich mich fühle, dann habe ich jetzt
eine willentliche Entscheidung getroffen für eine Zukunft, deren Bedingungen ich
nicht kenne und die zum Zeitpunkt der Handlung deswegen keinen Einfluss auf mich
haben können, wenn ich meiner willentlichen Entscheidung gemäß handle.
Wir kennen so etwas als Versprechen oder Vertrag. Und sehen gleich die Crux an
der Sache: die Handlung kann nämlich infolge des Versprechens zum Zwang gegen
unseren Willen werden. Also eine weitere Komplikation. Aber ich möchte so etwas
nicht ganz außen vor lassen, immerhin befassen wir uns ja mit Phänomenen, mit
denen die Menschheit seit paar tausend Jahren umgeht und entsprechende
Regelungen gefunden hat.
Dennoch scheint mir wichtig zu sein, dass der
Willen der Handlung in der Zeit vorausgeht.
Die Frage nach den möglichen
Alternativen bei diesem Willensentscheid wäre die Frage, ob es alternative
Gründe gibt, unter denen ich wählen kann:
1. ich besuche dich nicht
2.
ich besuche dich, wenn ich Lust habe
3. ich besuche dich auf jeden Fall.
Gründe heißt: ob ich dich morgen besuche oder nicht hängt davon ab, welcher
Grund für eine dieser Möglichkeiten mir einleuchtet oder welchem ich Priorität
zuweise.
Das scheint mir im Moment das größte Problem zu sein: für jeden
Grund, den ich wähle, kann man einen Grund finden, warum gerade der gewählt
wird. Eine freie willentliche Entscheidung wäre nur das Auswürfeln - aber das
macht natürlich keiner.
Mal gucken, was euch dazu einfällt; mit Blick auf
den letzten Absatz zweifle ich nämlich, ob dieser Ansatz fruchtbar ist.
Andererseits komme ich auf keine andere Möglichkeit
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
16. Aug. 2005, 23:16 Uhr
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Wir müssen zwei vollkommen symmetrische Möglichkeiten konstruieren, in der es
keinen Grund mehr gibt die eine Möglichkeit vor der anderen zu bevorzugen.
Roboter würden vor dieser Situation scheitern, kämen in eine endlos Schleife...
Abrazo: "Dennoch scheint mir wichtig zu sein, dass der Willen der Handlung
in der Zeit vorausgeht. "
jonny W: Dennoch scheint mir wichtig, daß der
Willen zur Handlung und die Handlung selbst identisch sind. Das nenn ich
Spontanität.
Im Zen muß der Schüler ein sogenanntes Koan lösen. Das ist
eine Aufgabe die rational unlösbar ist, für deren Lösung es keine Begründung
gibt.
z.B: Laß mich das Klatschen deiner einen Hand hören.
Die Lösung kann
nur spontan erfolgen - und frei!
Alles Rationalisieren und Klügeln wird
zurückgewiesen.
Wiederum müßte jeder Roboter, jeder Rechner, jede KI
scheitern. Der Mensch kann diese Aufgaben lösen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
16. Aug. 2005, 23:57 Uhr
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"Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches?" Eberhard
Hallo Eberhard,
wie meinst Du das eigentlich? Glaubst Du Möglichkeiten flitzen wie Atomkügelchen
durch die Gegend und man braucht sie nur aufzuschnappen auch wenn sie aus
Bereichen kommen die man gar nicht kennt oder gar mit dem Willen diese Kügelchen
beinflussen kann damit sie sich hier oder dort präsentieren?
Du fragst
doch nicht etwa eigentlich danach, ob Möglichkeiten Teile der Welt sind, die für
sich ein Eigenleben führen können?
Nacht
Lina
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 17.
Aug. 2005, 01:18 Uhr
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@ Jonny:
jonny W: Dennoch scheint mir wichtig, daß der Willen zur
Handlung und die Handlung selbst identisch sind. Das nenn ich Spontanität.
Es geht nicht um Spontaneität, es geht um den Willen.
Der Mensch ist
nicht mit einem Computer vergleichbar. Ein Computer ist ein geschlossenes
System. Der Mensch aber ist von vielfältigen unberechenbaren Umweltereignissen
beeinflusst. In Sachen Spontaneität würde jeder Determinist umgehend einen
Beweis für seine Thesen finden. Denn wo ein Computer wg Geschlossenheit in eine
Endlosschleife gerät, genügt beim Menschen ein kleiner Umwelteinfluss, um seine
Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu zwingen - wenn er das wg
'Nichtaktivierung' des Willens zulässt.
Es geht auch nicht um
Problemlösungen, sondern eben um Willen.
Und schließlich ist zumindest
religiöse Mystik regelmäßig auf das Gegenteil des freien Willens aus, nämlich
auf die 'Abgewöhnung' des Willens.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 17. Aug. 2005, 05:11 Uhr
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Hallo miteinander!
Der Begriff des freien Willens lädt zu
Missverständnissen ein. Man könnte sich darunter so etwas wie ein elementares
„Vermögen“ oder ein zentrales Steuerungsorgan vorstellen, das irgendwo „in der
Psyche“ seinen wohlbestimmten Ort hat – neben anderen Vermögen wie dem Verstand,
der Einbildungskraft, dem Begehrungsvermögen, dem Vermögen von Lust und Unlust
usw. Man kennt diese Aufgliederung des „Gemüts“ z.B. von Kant (sie ist natürlich
älter), weiß aber auch, dass schon Hegel sich über den „Seelensack“ lustig
gemacht hat, in dem jenes Sammelsurium von Vermögen angeblich zu unterscheiden
und - nach der Analogie von Körperorganen – bei der Arbeit zu beobachten sei.
Die „Beobachtung“ wäre dann freilich eine mit dem „geistigen Auge“, landläufig
auch „Introspektion“ genannt.
Wenn man sich „den“ freien Willen in
dieser Weise vorstellt, wird man wohl leer ausgehen. So haben auch die
Hirnforscher mit ihren „bildgebenden Verfahren“ festgestellt, dass so etwas wie
eine zentrale Steuerungseinheit im Gehirn nicht zu finden ist. Dass sie das
schon für einen Beleg gegen den „freien Willen“ halten, ist aber etwas naiv,
denn es ist ja nicht ausgemacht, dass ihm eine bestimmte Körperregion als sein
„Sitz in der Wirklichkeit“ korrespondieren müsse. Widerlegt ist mit dieser
Beobachtung nicht die Existenz eines freien Willens, sondern nur die – ohnehin
abstruse - Vorstellung, er ähnele irgendwie einem Körperorgan.
(Analoges
ließe sich auch zur „Einheit des Ich“ oder des Bewusstseins sagen.)
Mir
erscheint die Rede von der Freiwilligkeit, der Willkürfreiheit oder dem freien
Willen nicht als völlig sinn- oder gegenstandslos. Denn es ist ja nicht zu
bestreiten, dass wir alle auf Schritt und Tritt die Erfahrung des kontrollierten
und zielgerichteten Handelns machen, dass wir uns in vielen Situationen zwischen
Handlungsalternativen (aber auch zwischen verschiedenen Zielen) entscheiden
können. Ganz besonders wichtig ist dabei die Erfahrung, dass wir bestimmte
Handlungsmuster beliebig oft mit Erfolg wiederholen können – d.h. dass wir
Ziele, die wir uns selbst stecken, immer wieder erreichen können, in vielen
Fällen auch auf verschiedenen Wegen.
Was das Handeln angeht, so ist der
Erfolg – das wiederholte Erreichen des Ziels – zugleich der „Beweis“ für seine
Möglichkeit bzw. für unser Können. Ich verstehe darum nicht ganz Eberhards
Nachbohren an dieser Stelle. Dass ich meinen Kopf beliebig oft nach links wenden
kann, wenn ich es will, ist dadurch bewiesen, dass ich es tue. Und wer hier
skeptische Bedenken trägt, ob mein Wille oder mein Entschluss zu dieser
wiederholten Handlung „wirklich frei“ war oder ob er nicht durch irgendwelche
unbewussten Antriebe hinterrücks determiniert sein könnte, soll doch bitte
genauer erklären, wonach er fragt: Was meint er mit „wirklich frei“? „Absolute
Spontaneität“? Völlige und permanente Abwesenheit von Motiven oder
Einschränkungen? – Wenn unter „freiem Willen“ solch ein Metaphysikum zu
verstehen sein soll, in dem noch die Vision von Gottes Allmacht vor der
Erschaffung der Welt nachklingt, dann halte ich ihn für verzichtbar. Mein
profaner Bedarf an Freiwilligkeit ist durchaus gedeckt mit den
Handlungsmöglichkeiten, die ich nachweislich habe (bzw. die ich noch erlernen
kann), auch wenn ich dabei immer wieder an Grenzen stoße und so mancherlei zu
wünschen übrig bleibt (so ist das Leben).
Der Begriff des freien
Willens hat also durchaus einen brauchbaren Sinn. Aber ich neige dazu, ihn als
einen Sammel- und Reflexionsbegriff zu verstehen. Mit ihm wird nicht ein
irgendwie empirisch abgrenzbares „Vermögen“ bezeichnet, das neben anderen
Vermögen einen „Sitz“ in der Psyche oder im Gehirn hätte. Vielmehr beziehen wir
uns mit diesem Begriff abstrahierend auf viele beobachtbare (Einzel-)
Handlungen, die wir zielgerichtet vollziehen oder in der Vergangenheit vollzogen
haben, und denen gemeinsam ist, dass wir sie bejahen, kontrollieren und zu
bestimmten Zwecken einsetzen oder auch unterlassen können.
Es dürfte
schlicht unmöglich sein, „den Willen“ als solchen zu beschreiben und zu
lokalisieren. Aber es ist ein Leichtes, absichtliche Handlungen von
unabsichtlichen Reflexen zu unterscheiden. Und wir alle haben die Erfahrung
gemacht, dass wir ein Ziel über längere Zeiträume gegen alle möglichen
Widerstände anstreben und erreichen können. Ebenso kennen wir die umgekehrte
Erfahrung, nämlich dass wir auf ein Ziel hin handeln, aber an den Umständen
scheitern. In beiden Fällen kommt mit den Schwierigkeiten und Widerständen, die
das Erreichen des Ziels vereiteln (oder zu vereiteln drohen), auch so etwas wie
ein Wille zur Abhebung – als eine „Kraft“, die sich gegen die Widrigkeiten
anzustemmen scheint.
Mit meinen Bemerkungen unterstütze ich Abrazo,
der die Rede vom Wollen jeweils an bestimmte Handlungen und ihre Ziele
zurückbinden möchte (oben im Beitrag Nr. 45). Das Wollen wird also erkennbar an
beobachtbaren Handlungen. Und dort hat dieser Begriff auch eine intersubjektiv
verifizierbare Referenz.
Es grüßt Euch
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
17. Aug. 2005, 08:50 Uhr
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Hallo Lina,
Zu Deinen Fragen:
“Glaubst Du Möglichkeiten flitzen
wie Atomkügelchen durch die Gegend und man braucht sie nur aufzuschnappen ,,,?“
Nein.
“ Du fragst doch nicht etwa eigentlich danach, ob Möglichkeiten
Teile der Welt sind, die für sich ein Eigenleben führen können?“
Nein.
Moin.
Eberhard.
Hallo allerseits,
Halten wir fest,
bevor wir zur Frage der Freiheit des Handelns und Wollens kommen:
Eine
Fähigkeit („A kann x tun“ z.B. „Andrea kann Russisch“) wird unter Beweis
gestellt, indem sie tatsächlich praktiziert wird.
Eine Wahlmöglichkeit;
(„A kann entweder x oder y tun“ z.B. „A kann E entweder in den Kopf oder in die
Beine schießen“ = „A hat die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: E in den Kopf zu
schießen oder E in die Beine schießen“ . Anmerkung: Es können auch mehr als zwei
Möglichkeiten sein.)
Eine Wahlmöglichkeit kann z.B. durch das
Kopfdreh-Experiment unter Beweis gestellt werden.
Menschen können in
bestimmten Situationen – nicht immer – wählen, wie sie handeln.
Einverstanden? Gibt es dagegen deterministische Einwände, die nicht ausgeräumt
werden können?
fragt Eberhard.
p.s.: Ich halte meinen Beitrag
bewusst kurz, denn mit immer mehr Bällen gleichzeitig in der Luft verliert jeder
Jongleur irgendwann die Übersicht.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
17. Aug. 2005, 09:42 Uhr
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Abrazo: "Der Mensch ist nicht mit einem Computer vergleichbar. Ein Computer ist
ein geschlossenes System."
jonny:der Mensch ist kognitiv ein geschlossenes
System. Er interagiert nur mit seinen eigenen Zuständen. (v.Foerster, v.
Glasersfeld, Maturana...)
Das Gehirn ist in gewissen Aspekten vieleicht
tatsächlich mit einem Computer vergleichbar, grundsätzlich aber etwas ganz
anderes.
Den Willen finden wir nirgends im Körper als Organ. Der Wille ist
nicht lokal.
Theoretisch sollte sich aber jede Handlung bis ins Gehirn
zurückverfolgen lassen. Dort werden die entsprechenden Aktionspotentiale
aufgebaut. Wie kommt nun das Gehirn dazu Potential A statt Potential B
aufzubauen. Und an dem Punkt müssen wir wieder die Quantentheorie zu Rate
ziehen.
Ich bin mir ganz sicher, daß das Gehirn nur quantenmechanisch zu
beschreiben ist. (Die Neurologen, die sich auf dem Gebiet als Fachleute fühlen,
sind da allerdings ganz anderer Meinung.)
Abrazo: "Es geht nicht um
Spontaneität, es geht um den Willen."
jonny: Wille ist Spontaneität.
Abrazo: " Denn wo ein Computer wg Geschlossenheit in eine Endlosschleife gerät,
genügt beim Menschen ein kleiner Umwelteinfluss, um seine Entscheidung in eine
bestimmte Richtung zu zwingen"
jonny: Eben nicht. Wir sind hier im Zentrum
des Problems. Das Gehirn ist, da es ein quantenmechanisches System ist, nicht
durch Umwelteinflüße determiniert. Es existieren für das Gehirn
Möglichkeiten!!!!!!!!!!!
Diese Möglichkeiten sind WIRKLICH. Das Gehirn
arbeitet mit klassischer Information(bits), aber auch - und das ist entscheidend
- mit Quanteninformation (Qbits).
Abrazo: "Und schließlich ist zumindest
religiöse Mystik regelmäßig auf das Gegenteil des freien Willens aus, nämlich
auf die 'Abgewöhnung' des Willens."
jonny: na ja, ich stimm dem nicht zu,
aber das ist ne andere Baustelle.
Urs:"Und wer hier skeptische Bedenken
trägt, ob mein Wille oder mein Entschluss zu dieser wiederholten Handlung
„wirklich frei“ war oder ob er nicht durch irgendwelche unbewussten Antriebe
hinterrücks determiniert sein könnte, soll doch bitte genauer erklären, wonach
er fragt: Was meint er mit „wirklich frei“? „Absolute Spontaneität“? Völlige und
permanente Abwesenheit von Motiven oder Einschränkungen? – Wenn unter „freiem
Willen“ solch ein Metaphysikum zu verstehen sein soll, in dem noch die Vision
von Gottes Allmacht vor der Erschaffung der Welt nachklingt, dann halte ich ihn
für verzichtbar."
jonny: Genau darum gehts (mir zumindest) aber. Diese
"metaphysische" Frage kann vielleicht streng naturwissenschaftlich geklärt
werden.
Und da schwingt tatsächlich noch die Allmacht Gottes beim Erschaffen
der Welt mit. Nur daß wir es sind die diese Welt schaffen. Jeden Moment neu.
urs: "Es dürfte schlicht unmöglich sein, „den Willen“ als solchen zu
beschreiben und zu lokalisieren."
jonny: der Wille ist sicher nicht in Raum
und Zeit zu lokalisieren. Aber genau diese Tatsache weist wieder hin zur
Quantentheorie, die eine nichtlokale Theorie ist. Das ist ganz, ganz wichtig!
Sheelina:“Glaubst Du Möglichkeiten flitzen wie Atomkügelchen durch die
Gegend und man braucht sie nur aufzuschnappen ,,,?“
jonny: Um die Verwirrung
- oder besser gesagt meine Disqualifikation in euern Augen - vollständig zu
machen, im Prinzip, ja.
Eberhard: "Eine Wahlmöglichkeit kann z.B. durch
das Kopfdreh-Experiment unter Beweis gestellt werden."
jonny: Niemals!
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
17. Aug. 2005, 10:07 Uhr
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Hallo.
Ich frage mich eher, ob der Wille, den wir als unsrigen bezeichnen
überhaupt einer körperlichen Handlung bedarf. Inwiefern wir durch unseren Willen
schon mit der Welt verbunden sind. Ob nicht der reine Wille im Sinne eines
Kraftfeldes nicht ansich schon wirklich ist. Gesteigerte Emotionen Einfluss auf
Dinge haben können ohne dass diese mit uns in sinnlicher Wahrnehmung stehen,
weil sie keine Sinne haben, wir aber mit bzw. zu ihnen.
liebe Grüße
Lina
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 17. Aug. 2005, 10:28 Uhr
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.... sollte jemand tat sächlich
das gehirn als stätte des willens be
greifen ?????
nicht als tastatur des geistes
dann hat er keinen ......
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
17. Aug. 2005, 10:30 Uhr
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Der Wille ist sicher nichts mit einem Kraftfeld vergleichbares.
Zur
Begründung könnte ich auf Theorien und Experimente der Parapsychologie
verweisen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 17. Aug. 2005, 10:36 Uhr
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.... der wille ist der nicht materielle geist
so jemand hat einen
andern falls
ist das gehirn die tastatur der macht ..................
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 17. Aug. 2005, 12:05 Uhr
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Hallo Johnny!
Zu Deinem letzten Beitrag ließe sich eine Menge sagen. Ich
will mich so kurz fassen, wie es angesichts des schwierigen Themas vertretbar
ist.
Quote:Den Willen finden wir nirgends im Körper als Organ. Der
Wille ist nicht lokal.
Theoretisch sollte sich aber jede Handlung bis ins
Gehirn zurückverfolgen lassen. Dort werden die entsprechenden Aktionspotentiale
aufgebaut. Wie kommt nun das Gehirn dazu Potential A statt Potential B
aufzubauen. Und an dem Punkt müssen wir wieder die Quantentheorie zu Rate
ziehen.
Ich bin mir ganz sicher, daß das Gehirn nur quantenmechanisch zu
beschreiben ist. (Die Neurologen, die sich auf dem Gebiet als Fachleute fühlen,
sind da allerdings ganz anderer Meinung.)
Das Gehirn ist auf
sehr vielfältige Weise zu beschreiben. Offenbar ist es uns Menschen möglich,
Ausschnitte der Welt jeweils anhand verschiedener Modelle zu analysieren und
dabei die analysierte Einheit auch jeweils anders abzugrenzen. Die Auswahl aus
den uns zur Verfügung stehenden Beschreibungsmodellen steht uns frei und richtet
sich jeweils nach den Zielen, die wir dabei verfolgen. Den Beweis für diese
Möglichkeit liefern unsere vielstimmigen Wissenschaften.
Es fragt sich
aber, ob dieser vielstimmige Chor unbedingt auf EINE Stimme (z.B. die
Quantenphysik), die dann ALLES sagt und ALLEIN wahre Sätze vorbringt, reduziert
werden kann und soll. Bis jetzt scheint eine solche Reduktion unmöglich zu sein.
Und ich halte sie auch nicht für wünschenswert.
Grundlegend ist aber der
Unterschied zwischen wissenschaftlicher Analyse und lebensweltlichem Handeln zu
beachten und zu respektieren. Dieser Unterscheid ist auch ERKENNTNISTHEORETISCH
relevant.
Ein Gehirnforscher hat es in seiner Arbeit mit einem
bestimmten (von ihm so und so definierten) Körperorgan zu tun, dessen Bau und
Funktion er untersucht. Aber wenn ich handle oder mit anderen handelnden
Subjekten kommuniziere, handelt nicht mein Gehirn (sondern ich) und kommuniziere
ich nicht mit Gehirnen (sondern mit anderen Subjekten). Ich würde es mir auch
verbitten, dass mich jemand im alltäglichen Umgang wie ein Körperteil oder ein
„geschlossenes System“ behandelt.
Die erkenntnistheoretische Relevanz
des Unterschieds zwischen lebensweltlicher Praxis und wissenschaftlicher
Beschreibung zeigt sich daran, dass jeder Wissenschaftler in seinem
wissenschaftlichen Tun ein handelndes und erkennendes Subjekt ist und bleibt.
Menschliche Subjekte treiben Wissenschaft, nicht subatomare Teilchen oder
Gehirne. Das besagt: Die zweckorientierte wissenschaftliche Beschreibung
bestimmter Ausschnitte der Welt, die Konstruktion und Auswahl der dabei
genutzten Modelle liegt in einer methodischen Analyse des Erkennens den jeweils
erbrachten Erkenntnissen zugrunde. Das ist schon daran zu sehen, dass „das
Gehirn“ an der Konstruktion JEDES dieser verschiedenen Modelle beteiligt ist.
„Das Gehirn selbst“ macht offenbar keine Vorgaben und liefert keine Kriterien
dafür, welcher Gebrauch der richtige ist. Den Gebrauch, den wir von unserem
Gehirn machen, verantworten wir, die handelnden und erkennenden Subjekte.
Das ist auch meine Antwort auf Deine Frage:
Quote:Wie kommt nun
das Gehirn dazu Potential A statt Potential B aufzubauen. Und an dem Punkt
müssen wir wieder die Quantentheorie zu Rate ziehen.
Wir müssen
das ganz und gar nicht! Wir können es. Und wir können uns fragen, ob das
überhaupt sinnvoll ist und zu wahren Aussagen führt.
„Das Gehirn“ baut
seine Potentiale zu einem großen Teil dadurch auf, dass wir von ihm einen
bestimmten Gebrauch machen – z.B. indem wir eine Sprache lernen oder eine
Berufsausbildung machen, Wissenschaft treiben oder ein Musikinstrument spielen.
Wenn ich am Klavier sitze, setze ich andere Teile meines Körpers anders in
Aktion als beim Holzhacken. Mein Körper macht aber beides willig mit – was
allerdings gewisser Lernprozesse bedurfte.
Relativ zu diesen
Lernprozessen und ihren jeweiligen Zielen ist es sinnvoll, das Gehirn (oder
andere Körperteile) als Potential zu bezeichnen. Auch die Quantentheorie mag
etwas mit Potentialen zu haben, aber es sind offenbar Potentiale relativ zu
völlig anderen Beschreibungsmodellen und –zwecken.
Quote:Genau darum
gehts (mir zumindest) aber. Diese "metaphysische" Frage kann vielleicht streng
naturwissenschaftlich geklärt werden.
Und da schwingt tatsächlich noch die
Allmacht Gottes beim Erschaffen der Welt mit. Nur daß wir es sind die diese Welt
schaffen. Jeden Moment neu.
Ganz offenbar verfolgst Du andere
Erkenntnisziele als ich. Aber metaphysische Fragen mithilfe eines
Wissenschaftstyps beantworten wollen, der eigens konzipiert wurde, um
metaphysische Spekulationen ZU ERÜBRIGEN, finde ich paradox.
Interessant
ist aber, dass es Naturwissenschaftler gibt, die sich von ihrer Wissenschaft
einen vollgültigen Metaphysik-Ersatz erhoffen.
Schönen Gruß
von Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 17.
Aug. 2005, 12:57 Uhr
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Lieber Urs,
ich danke dir.
(Hab nämlich keinen Bock, mich auch noch um so
was zu prügeln. Ich bin nicht so lieb wie Eberhard [angry])
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
17. Aug. 2005, 17:17 Uhr
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kleines Intermezzo zum Thema Metaphysik.
Schon dein Verlangen nach wahren
Aussagen, mein lieber Urs, ist Sehnsucht nach Metaphysik.
Alle
Naturwissenschaften und speziell die Physik sind auf metaphysischen Fundamenten
gebaut. Gerade die Physik wird als Ersatzreligion von fast allen
Wissenschaftlern und Nichwissenschaftlern metaphysisch vergewaltigt. Wir sind
mit den metaphysischen Annahmen die im Fundament der Physik verborgen sind
aufgewachsen, sie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Als da wären: es
gibt Dinge, Dinge haben Eigenschaften, es gibt Raum und Zeit, Dinge sind
manipulierbar, Kausalität....Wir sind Subjekte, die Objekte wahrnehmen...
Es
wird uns nie gelingen eine metaphysikfreie Naturwissenschaft zu treiben.
Das
Programm des Positivismus darf als gescheitert gelten.
Meine Devise: ohne
Metaphysik gehts nicht, man sollte sich diese Tatsache aber immer vor Augen
halten: Alle naturwissenschaftliche Erkenntnis ist metaphysikverseucht.
Das
Verlangen nach Wahrheit, nach wahren Sätzen ist ein Verlangen nach Metaphysik
und hat in den Naturwissenschaften nichts verloren. Hier gehts nicht um
Wahrheit.
Wenn ich mit metaphysischem Pathos daherkommend sage, wir würden
die Welt jeden Augenblick neu schaffen, dann bilde ich mir ein zu wissen wovon
ich rede und hoffe das physikalisch begründen zu können. Und zwar mit einer
speziellen Theorie des quantenmechanischen Messprozesses, die in der Physik zwar
umstritten aber nicht exotisch ist.
usw, usw,...
zurück zu Möglichkeiten ,
Wirklichkeit und freiem Willen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
17. Aug. 2005, 17:52 Uhr
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Hallo allerseits, hallo jonny,
ich kann in 3 Minuten mehr behaupten als
100 promovierte Philosophen in 3 Jahren widerlegen können. Wenn wir also
irgendwelche bleibenden Resultate erzielen wollen, sollten wir uns in der
Diskussion jeweils auf eine These (und deren Begründung) konzentrieren.
Im Unterschied zu Dir geht es mir um die Wahrheit und Unwahrheit von
Behauptungen, Wahrheit dabei verstanden als ein begründeter, gerechtfertigter
Geltungsanspruch von Behauptungen.
Worum geht es denn hier sonst? Um den
Unterhaltungswert? Um Möglichkeiten, sich risikolos öffentlich in Szene zu
setzen? Um die Bekehrung Ungläubiger?
Du schreibst:
"Eberhard:
'Eine Wahlmöglichkeit kann z.B. durch das Kopfdreh-Experiment unter Beweis
gestellt werden.'
jonny: Niemals!"
Eben weil es hier um Wahrheit geht,
kann ich von Dir verlangen, eine Behauptung nicht nur in den Raum zu stellen,
sondern sie auch zu begründen,
meint der liebe Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 17. Aug. 2005, 18:37 Uhr
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Hallo Johnny!
Offenbar gebrauchst Du den Begriff der Metaphysik etwas
anders als ich, wenn Du bereits das Streben nach Wahrheit für ein metaphysisches
hältst.
Nach meiner Auffassung braucht man den Wahrheitsbegriff ebenso
wenig metaphysisch aufzuladen wie den des freien Willens. Ich gebe mich damit
zufrieden, „wahr“ solche Aussagen zu nennen, auf die so weit Verlass ist, dass
wir mit ihrer Hilfe unsere Zwecke (im weitesten Sinne: Lebensbewältigung)
erreichen können. Von einer „absoluten“ Wahrheit, die uns sagt, wie die Welt „an
sich“ (also jenseits unserer möglichen Erfahrung) ist, träume ich nicht.
Quote:Alle Naturwissenschaften und speziell die Physik sind auf
metaphysischen Fundamenten gebaut.
Wenn Du mit „metaphysischen
Fundamenten“ gewisse empirisch nicht ausweisbare Prinzipien und Normen meinst,
gebe ich Dir Recht. Aber solange sich solche Grundsätze nachvollziehen lassen
und solange sie indirekt dazu beitragen, sichere Aussagen über Gegenstände der
Erfahrung zu gewinnen, sollte man sie nicht „metaphysisch“ nennen. Denn das lädt
zu Missverständnissen ein.
Quote:Gerade die Physik wird als
Ersatzreligion von fast allen Wissenschaftlern und Nichtwissenschaftlern
metaphysisch vergewaltigt.
Ist das ein Argument für die
Metaphysik? Oder nicht eher eine implizite Aufforderung, solchen
Vergewaltigungen entgegenzutreten?
Quote:Wir sind mit den
metaphysischen Annahmen die im Fundament der Physik verborgen sind aufgewachsen,
sie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Als da wären: es gibt Dinge,
Dinge haben Eigenschaften, es gibt Raum und Zeit, Dinge sind manipulierbar,
Kausalität....Wir sind Subjekte, die Objekte wahrnehmen...
Wenn
Du meine argumentative Strategie über mehrere Beiträge verfolgst, wirst Du
feststellen, dass ich auch versuche, von diesen klassischen
erkenntnistheoretischen „Selbstverständlichkeiten“ weg zu kommen. Das tue ich ja
z.B., wenn ich vorschlage, „Möglichkeit“ und „Wirklichkeit“ oder
„Willensfreiheit“ als Reflexionsbegriffe zu verstehen, denen nicht irgendwelche
„wirklichen Dinge“ korrespondieren, sondern die ihren Realitätsgehalt in unserem
Gebrauch haben.
Aber ich will auch nicht das Kind mit dem Bade
ausschütten. Nur weil „der Wille“ kein organähnliches, lokalisierbares und
beobachtbares Vermögen ist, müssen wir nicht sofort behaupten, dass die Rede von
Freiwilligkeit sinn- und gegenstandslos ist. Nur weil „Strukturen der
Subjektivität“ nicht wie physikalische Strukturen zu beschreiben sind, müssen
wir Subjektivität nicht sofort zum Phantom erklären.
Stattdessen kann man
solche traditionellen Begriffe überprüfen und sich fragen, unter welchen
Bedingungen man sie noch sinnvoll gebrauchen oder sogar auf sie nicht verzichten
kann. (Was die Begriffe „Ich“, "Person“,„Subjekt“ angeht, plane ich übrigens die
Eröffnung einer Diskussion mit dieser Zielrichtung hier im Forum.)
Quote:Hier gehts nicht um Wahrheit.
Wenn ich mit metaphysischem Pathos
daherkommend sage, wir würden die Welt jeden Augenblick neu schaffen, dann bilde
ich mir ein zu wissen wovon ich rede und hoffe das physikalisch begründen zu
können.
Auch in diesen Sätzen schüttest Du das Kind mit dem Bade
aus.
Dagegen halte ich: Es geht hier sehr wohl um Wahrheit und Erkenntnis.
Nur sollten wir auf dem Teppich bleiben und von solchen Erkenntnissen sprechen,
die wir mit unseren menschlichen Möglichkeiten erreichen können. Und wir haben
doch riesige Wissensbestände, auf die wir uns bei unserer gemeinsamen
Lebensbewältigung verlassen können und die von unseren Erfahrungen immer wieder
bestätigt werden. Nun, gemessen daran, was ein Schöpfergott alles wissen mag,
mögen das Kinkerlitzchen sein. Aber wir müssen ja nicht unbedingt „Fischers Fru“
nacheifern.
Schönen Gruß
von
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
17. Aug. 2005, 19:44 Uhr
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Warum löschen? Lass es doch stehen. Zumindest dieser eine Leser (ich) hat
keinerlei Probleme mit Fussnoten. Im Gegenteil, sie geben Aufschluss über die
Beweggründe, die Motivation warum jener dieses will. Dass, so habe ich es in
meinen vergangenen Beiträgen zu diesem Thread wiederholt kundgetan ist das
Entscheidende, denn ich würde kaum ernsthaft postulieren, dass es eine vom
Willen losgelöste Verstandestätigkeit geben soll, die sich in Unkenntnis über
ihre Absicht anmasst eine vom Willen isolierte Wahrheit zu finden. Erkenntnis
findet intuitiv statt und um den rhetorischen Prügelknaben zuvorzukommen, die
meinen gleich einen Beweis eintreiben zu können, ich kann diese subjektive
Gewissheit nicht objektiv beweisen. Ich kann nur soviel sagen, dass Erkenntnis
der Verstandestätigkeit vorsteht und diese sich im glücklichen Fall, das heisst
in der Wahrheit der Erkenntnis mit dem Willen verbindet. Der Beweis hinkt der
Erkenntnis immer hinterher. (Wie sag ichs meinem Kinde? Und das Kind ist der
Verstand oder die wittgenstein'sche Leiter die man wegwirft, wenn man verstanden
hat.)
ludovico
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 17.
Aug. 2005, 19:51 Uhr
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Hi, zusammen,
@ Urs: [(Was die Begriffe "Ich", "Person", "Subjekt"
angeht, plane ich übrigens die Eröffnung einer Diskussion mit dieser
Zielrichtung hier im Forum.) - plane das bitte nicht kurzfristig, ein
vernünftiger Thread reicht./i] [nosee]
Zu Eberhards Fragen:
[i]Eine
Fähigkeit ("A kann x tun" z.B. "Andrea kann Russisch") wird unter Beweis
gestellt, indem sie tatsächlich praktiziert wird
Einverstanden. Sehe nichts,
was dagegen spräche.
Eine Wahlmöglichkeit kann z.B. durch das
Kopfdreh-Experiment unter Beweis gestellt werden
Ebenfalls einverstanden.
Menschen können in bestimmten Situationen - nicht immer - wählen, wie sie
handeln.
Quod est demonstrandum, also nein.
Dagegen steht die
deterministische These (deswegen ja Uhrzeit und Münzenwurf), dass unser
willentlicher Entscheid nur eine Illusion ist. Die These, dass wir zuerst zu
einer Entscheidung veranlasst werden durch die Kooperation der Umwelt mit
unseren physiologischen Prägungen und erst, nachdem diese Entscheidung getroffen
ist, uns die Gründe dafür überlegen. Damit wird die Möglichkeit der Wahl
abgelehnt.
Ich bin mir nicht sicher, ob meine Version des
Kopfdrehexperimentes - Experiment gewählt, zufälliger Grund gewählt (Münze),
späteren Zeitpunkt der Durchführung gewählt, Ausführung der Handlung gewählt
(besteht ja immer noch die Möglichkeit, das nicht zu tun) ausreicht, um das zu
widerlegen.
@ Urs:
Ich bin nicht damit einverstanden, dass Können
quasi gleichbedeutend mit der gleichartigen Wiederholung einer Handlung ist. Das
kann zutreffen, aber auch nicht. Ich kann etwas auch dann, wenn ich es zum
ersten Mal mache. Und eine Einübung kann auch zu Reflexhandeln führen, siehe das
automatische Bremsen beim Autofahren. Dann kann ich Auto fahren, ich kann auch
bremsen, aber ich mache es nicht mehr willentlich, weil ich gar nicht merke,
dass ich vorhabe zu bremsen. In so einem Falle ist also von einem freien Willen
nicht mehr zu reden.
Umgekehrt der Satz (besonders bei Kindern oft
angewandt): versuch mal, ob du das kannst. Gelingt der Versuch, kommt der
Kommentar: du kannst es.
Zum Willen möchte ich desweiteren anmerken:
a) es gibt dafür ein Wort, sogar ein Verb, und die sind nicht neu erfunden, es
wurde also auch in vorwissenschaftlicher Zeit schon etwas damit gemeint,
b)der Wille ist oft mit einem psychischen Erleben verbunden.
Ich melde also
Zweifel an, ob deine Auffassung, Urs Vielmehr beziehen wir uns mit diesem
Begriff abstrahierend auf viele beobachtbare (Einzel-) Handlungen zutrifft.
Grüße,
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 17. Aug. 2005, 23:57 Uhr
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Hallo Abrazo!
Quote:@ Urs: Was die Begriffe "Ich", "Person",
"Subjekt" angeht, plane ich übrigens die Eröffnung einer Diskussion mit dieser
Zielrichtung hier im Forum.
- plane das bitte nicht kurzfristig, ein
vernünftiger Thread reicht.[nosee]
:-) Keine Sorge! Vor
übernächster Woche komme ich schon mal gar nicht dazu. Und dann muss ich mal
sehen...
Auf Deine inhaltlichen Einwände gehe ich noch ein. Finde sie
interessant.
Schönen Gruß
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
18. Aug. 2005, 10:02 Uhr
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Hallo allerseits, hallo abrazo,
Du bestreitest die von mir aufgestellte
These:
“Menschen können in bestimmten Situationen - nicht immer - wählen,
wie sie handeln.“
Nehmen wir ein aktuelles realistisches Beispiel.
Ich habe an meinem Computer eine Tastatur, mit der ich Texte eingeben kann.
Ich habe jedoch auch ein Programm, das gesprochene Sätze in Texte
umwandelt.
Beide Möglichkeiten zur Erstellung eines Textes funktionieren.
Beide haben ihre Vor- und Nachteile.
Ich behaupte, dass ich zwischen
beiden Möglichkeiten wählen kann.
Für die folgende Diskussion einige
Hinweise zu der von mir benutzten Terminologie.
Ich verstehe den
Ausdruck: „ich kann zwischen den Möglichkeiten x und y wählen“ in dem Sinne,
dass die Realisierung von x oder y nur von meiner Bewertung der beiden
Möglichkeiten (einschließlich ihrer Konsequenzen) abhängt.
Eine Wahl
nenne ich „fremdbestimmt“ (und in diesem Sinne nicht selbstbestimmt und frei),
wenn mir jemand für den Fall, dass ich nicht so wähle, wie er es mir
vorschreibt, Reaktionen seinerseits ankündigt, die für mich von Vorteil oder
Nachteil sind (Sanktionen). Diese Sanktionierung kann auch wortlos wirksam
werden.
Wenn der andere z. B. bei Wahl der Alternative x eine Strafe
androht, so habe ich nicht mehr die Wahl zwischen den Alternativen x und y,
sondern nur noch zwischen den Alternativen (x mit Strafe) und y.
Eine
Wahl nenne ich „zwanghaft“, wenn ich eine Alternative wähle, obwohl ich weiß,
dass sie mir schadet und ich die Wahl bereuen werde. Dies ist ein Versagen der
Selbststeuerung (Sucht)..
Wenn jemand reflexartig oder automatisch
reagiert, handelt es sich nicht um eine Wahl.
Eine Wahl nenne ich
„aufgeklärt“, wenn ich von richtigen Annahmen über die Welt ausgehe und wenn ich
mir über die Motive meiner Wahl im Klaren bin. Menschen können über ihre Motive
und deren Herkunft nachdenken.
Als „Motiv“ bezeichne ich einen faktischen
Beweggrund des Handelns. Motive haben verschiedene Herkunft (angeborene oder
erlernte Triebe bzw. Bedürfnisse) können sehr komplex gemischt sein und müssen
nicht immer bewusst sein.
Das Vorschieben anderer Motive als der
tatsächlich wirkenden Motive nenne ich „Rationalisierung“. Sie kann auch auf
einer Selbsttäuschung beruhen.
Also: Habe ich eine Wahl?
Grüße von
Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 18. Aug. 2005, 11:21 Uhr
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...... natür lich hast du eine wahl !
du könntest an fangen die
wahr heit er gründen
über die tat säch lichen realitäten !
dann die
tabus brechen dieser ge meinen schafft !
also
warum selektiert eine
frau
einen welt aus plündernden gauner ?
keinen ver ant wort lichen homo
sapiens ...
warum ist staat liche zwangs arbeit er laubt ?
warum
arbeit schaffen ?
warum keine 10 stunden woche ?
der weil mit andern
menschen eine mensch heit gründen
aber das alles scheitert
an deinem
zer brochenen geiste .........
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
18. Aug. 2005, 11:36 Uhr
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Eberhard: " Eine Wahl nenne ich „zwanghaft“, wenn ich eine Alternative wähle,
obwohl ich weiß, dass sie mir schadet und ich die Wahl bereuen werde. Dies ist
ein Versagen der Selbststeuerung (Sucht).. "
Bleiben wir bei der Sucht.
Nehmen wir mal einen Alkoholiker.
Die anonymen Alkoholiker werden nicht müde
zu betonen, daß das Aufhören keine Willenssache sei. Trockenwerden ist keine
Sache eines starken oder schwachen Willens zum Nicht-Trinken.
Sondern: An
erster Stelle steht die Kapitulation!
Unter Willen ist hier aber nur das
einem Ich bewußte Wollen gemeint: ICH will aufhören!
Es ist nun
außerordentlich aufschlussreich zu sehen, daß dieses Wollen keine Konsequenzen
hat. Erst wenn das ICH das wollen aufgibt, scheint Rettung möglich.
Ich
zitiere den ersten und dritten der 12 Schritte der AA:
1.Wir haben
zugegeben, daß wir Alkohol gegenüber machtlos sind und unser Leben nicht mehr
meistern konnten.
3. Wir fassten den Entschluß, unseren Willen und unser
Leben der Sorge Gottes - wie wir ihn verstanden - anzuvertrauen.
Wie
schon Ludovico in Bezug auf Schopenhauer bemerkte, ist vernünftiges Abwägen und
einen Entschluss fassen noch kein Willensakt. Die Handlung selbst ist identisch
mit dem Willen. Dieser ist immer spontan. Inwieweit dieser Wille durch Vernunft
zu beherrschen oder zu lenken ist, das ist die große Frage.
IMHO: überhaupt
nicht, siehe AA.
Allerdings: das ICH kann sich in spontane Bewegungen
einmischen. Diese werden dann holprig und verlieren ihre Anmut und Effiziens.
Ein Fußballspieler, der allein mit dem Ball auf den gegnerischen Tormann zu
läuft, darf nicht genug Zeit haben um mit dem Denken anzufangen.
Eine
Tänzerin darf nicht anfangen sich vorzustellen, wie ihr Tanz wohl auf die
Zuschauer wirkt...
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
18. Aug. 2005, 15:39 Uhr
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Hallo jonny,
ich finde das, was Du zum Willen schreibst, in vielem
richtig. Allerdings habe ich absichtlich noch gar nicht vom Willen gesprochen,
sondern hatte behauptet, dass es für ein Individuum mehrere
Handlungsalternativen geben kann und dass Menschen in manchen Situationen
zwischen Handlungsalternativen wählen können.
Kann ich davon ausgehen,
dass Du dem zustimmst? Wenn nicht, was sind die Einwände und Gegenargumente zu
den beiden Thesen?
fragt Dich und alle andern Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 18.
Aug. 2005, 16:36 Uhr
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Hi, zusammen,
ich habe mir gedacht, bevor ich auf Eberhards Ausführungen
eingehe, stelle ich mal einige Thesen von Deterministen zusammen, mit einer
'Vorrede' von Einstein:
Albert Einstein: Ich weiß ehrlich nicht, was die
Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich
spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will, und tue das auch; aber wie kann ich
das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass
ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt?
Argumente
moderner Deterministen:
Jedermann hat zwar die Erfahrung, in seinem Denken
und Handeln bis hin zu Irrtümern frei und unabhängig zu sein, jedoch handelt es
sich dabei um eine Illusion. Der freie Wille ist eine Illusion. Wir sollten
folglich aufhören, von Freiheit zu reden.
Eine Täuschung ist auch die
Vorstellung, wir könnten vernünftige Erklärungen für unser Verhalten ablegen.
Intuitiv gehen wir davon aus, dass wir zuerst eine Entscheidung für eine
Handlung treffen, um danach diese Handlung auszuführen. Der Hirnforscher Libet
entdeckte jedoch, dass es sich genau umgekehrt verhält.
Niemand kann anders
(sein, handeln) als er ist.
Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir
wollen, was wir tun (Wolfgang Prinz, Psychologe).
Tu dies, sonst passiert
das, mit dieser Erziehungsmethode wird uns schon in jungen Jahren suggeriert,
dass wir uns auch anders hätten entscheiden können. So entstehe allmählich die
Vorstellung eines freien Willens in unserem Kopf. (lt. Wolf Singer)
Die
Ursachen für Straftaten sind entsprechend fehlangelegte neuronale Verbindungen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
18. Aug. 2005, 18:16 Uhr
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Hi Abrazo,
schade daß wir Einstein hier nicht zur Verfügung haben. Wir ,
gewappnet mit dem Wissen der Physik nach Einstein könnten ihm ganz schön Feuer
unter seinem Arsch machen. Und wie ich (bin großer Verehrer von Albert) Einstein
einschätze würde er sein Weltbild einstürzen lassen und dann wäre ich auf seine
neuen Argumente gespannt.
Zur Sache: Einstein war Determinist. Natürlich
konnte es für ihn keine Willensfreiheit geben. Sein Determinismus gilt heute
aber als widerlegt. Einer seiner letzten Sätze zu diesem Thema war sinngemäß,
einer der sich wie er groß um die Physik verdient gemacht habe, dürfe sich ja
wohl auch mal groß irren. Recht hat er. Wie fast immer. Was für ein Kerl. Und so
einer kommt aus Ulm.
Zum Rest später mehr
jonny
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
18. Aug. 2005, 18:31 Uhr
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Einstein war Pantheist. Ich meine das sollte man wissen, wenn mit Aussagen
dieser Person als unterstützendes Element gegen die Idee der Freiheit
opportuniert wird. Der Seelenbegriff war ihm fremd.
Das Problem ist doch
das. Strenge Deterministen betrachten die Materie als Primat. Ihnen fehlt die
Idee. Als klügster Ausweg aus einer sich dem Materialisten auftuenden Aporie,
bietet sich der Pantheismus mE. geradezu an.
Wohin im moralischen Sinne
der Pantheismus führt hat Lichtenberg angedeutet. Zum Machiavellismus. Und man
muss ihm wohl darin recht geben.
ludovico
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 18.
Aug. 2005, 20:16 Uhr
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@ johnny
Zum Thema 'Zufall in der Quantenphysik' : Prof.
Zeilinger
geht im Buch 'Einsteins Schleier' davon aus, dass beim
'Doppelspaltexperiment' ein prinzipieller Zufall am Werk sei.
andererseits schreibt er aber (S 161) :" ... kommt es zu einer
unvemeidbaren
Störung atomarer Systeme bei ihrer Beobachtung, da wir zur Beobachtung ja selbst
wieder nur
Quanten verwenden können."
und auf S 216 . "Ist es offenbar
sinnlos, über eine Wirklich-
keit zu sprechen, über die man keine Information
besitzen
kann."
Wenn es also sinnlos ist, über Dinge zu sprechen, über
die
man keine Information haben kann ( und dem stimme ich
vollends zu) ,
wie kommt man dann dazu, das Wirken eines
Zufalls zu postulieren??
Wenn
man nichts darüber sagen kann, kann man weder be-
haupten, dass da ein Zufall
am Werk sei, noch irgenetwas
Anderes...
Hat die Physik zu diesem Thema
noch etwas zu sagen oder
handelt es sich hier nicht um eine philosophische
Frage ?
@Eberhard
Es scheint mir auch sinnvoller, sich bei
einer philosophischen
Diskussion auf einige wenige Aussagen zu
konzentrieren,
sonst redet man, wie so oft in der Philosophie, nur
aneinander
vorbei.
So muss man die Diskussion um die 'Möglichkeiten',
eine
Handlung auszuführen natürlich von der Diskussion um den
'freien
Willen' trennen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 18.
Aug. 2005, 20:34 Uhr
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@ Eberhard
Wie du richtig festellst, ist z. B. bei der Aussage: Ich
habe
die Möglichkeit, meinen Kopf nach rechts zu drehen immer
implizit der
Zusatz 'wenn ich will' enthalten.
Diese Aussage ist natürlich vollkommen
unabhängig davon, ob
der Wille 'frei' oder 'determiniert' ist.
Man
kann über das Eine diskutieren und man kann über das
Andere diskutieren, aber
führt nur zu Verwirrung, wenn man
diese Themen vermischt.
@ johnny
zitat: '..ist vernünfitges Abwägen u. einen Entschluss fassen
noch keine
Willensakt. Die Handlung selbst ist identisch mit
dem Willen.'
Vernünfitges Abwägen ist noch kein Willensakt, denn dazu
gehört noch eine
emotionale Komponente; ohne Emotionen
kein Wille !- ( nicht ganz zum Thema
passende Nebenbemer-
kung: deshalb hat z.B. auch ein noch so intelligenter
Computer keinen eigenen 'Willen').
Jedoch scheint mir mit der
Entschlussfassung auch der Wille
gegeben (Entschluss = Wille).
Eine
Handlung muss daraus nicht unbedingt folgen -- man
kann ja auch an der
Ausführung seines Entschlusses (Willens)
gehindert werden.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 18.
Aug. 2005, 21:07 Uhr
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Hi, zusammen,
nach guter alter scholastischer Tradition, die mir hier
nutzbringend erscheint, spiele ich mal den advocatus diaboli.
Gegenthese
zu Eberhards These:
Du behauptest, du könntest zwischen der Eingabe von
gesprochener Sprache und der Eingabe von geschriebenem Text wählen. Ich
behaupte, du kannst das nicht. Vielmehr wirst du dich unbewusst für eine der
beiden Möglichkeiten entscheiden aufgrund der aktuellen Umweltbedingungen, die
auf deine Physis einwirken. Nachdem du diese Entscheidung getroffen hast, wirst
du behaupten, dass du sie getroffen hast, weil du es wolltest und dir im
Nachhinein plausible Gründe dafür zurecht legen, also rationalisieren. Du wirst
es deswegen tun, weil du einerseits durch deine Erziehung bzw. die Enkulturation
darauf programmiert bist (ggf. musst du anderen Entscheidungsgründe plausibel
darlegen können), andererseits, weil du einen plausiblen Grund dafür brauchst,
deine Entscheidung auch handelnd durchzusetzen. Um deinen Handlungsimpuls zu
verstärken, bist du biologisch auf den Willen programmiert, ein triebhaftes
psychisches Erlebnis, das die Funktion hat, dass du deine Entscheidung auch
durchsetzt.
Ich verstehe den Ausdruck: "ich kann zwischen den
Möglichkeiten x und y wählen" in dem Sinne, dass die Realisierung von x oder y
nur von meiner Bewertung der beiden Möglichkeiten (einschließlich ihrer
Konsequenzen) abhängt
Du hast gar keine Chance zu einer Bewertung, weil die
Entscheidung bereits gefallen ist, bevor du bewertest. Deine Bewertung ist a
posteriori und dient damit einem Zweck, nämlich den, die getroffene Entscheidung
zu rechtfertigen.
Eine Wahl nenne ich "zwanghaft", wenn ich eine
Alternative wähle, obwohl ich weiß, dass sie mir schadet und ich die Wahl
bereuen werde
Jede Wahl ist zwanghaft, nämlich erzwungen von den dich
umgebenden materiellen Umständen. Gegen diesen Zwang kannst du dich nicht
wehren, selbst wenn du einsiehst, dass die Handlung dir nicht bekommt. Der
Mörder muss morden, ob er will oder nicht. Der Lebensretter muss ins Wasser
springen, ob er will oder nicht, auch, wenn er dabei selbst in Lebensgefahr
kommt. Die Erwägung der Lebensgefahr tritt bei ihm erst als Rechtfertigung dafür
ein, dass er nicht ins Wasser springen kann.
Soweit der advocatus
diaboli.
Abrazo hat aber auch Einwände:
Als "Motiv" bezeichne ich
einen faktischen Beweggrund des Handelns. Motive haben verschiedene Herkunft
(angeborene oder erlernte Triebe bzw. Bedürfnisse) können sehr komplex gemischt
sein und müssen nicht immer bewusst sein. Nimm das Beispiel von Pater Maximilian
Kolbe, der sich anstelle eines polnischen Familienvaters ermorden ließ. Welcher
angeborene oder erlernte Trieb bzw. welches Bedürfnis könnte Motiv seiner Wahl
gewesen sein (nehmen wir mal an, dass er eine hatte)? Ich denke, wenn man da
nicht gerade einen Todestrieb annimmt wie Freud, der das Loch im Argument füllt,
sollte man erwägen, ob die von dir genannten tatsächlich alle möglichen Motive
sind.
Grüße an alle!
P.S.: Ich denke, die Zeit spielt bei diesem
Problem eine nicht geringe Rolle.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 18.
Aug. 2005, 21:28 Uhr
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@ginger:
Diese Aussage ist natürlich vollkommen unabhängig davon, ob der
Wille 'frei' oder determiniert' ist.
Man kann über das Eine diskutieren
und man kann über das Andere diskutieren, aber führt nur zu Verwirrung, wenn man
diese Themen vermischt.
Wenn das gelten würde: welche Bedeutung hat dann
noch der Satz 'ich will das'?
Würde einer, wenn er wegen eines Reflexes, etwa
wegen eines Zweiges, der im Weg ist, sagen, ich habe meine Augen kurz
geschlossen, weil ich es wollte?
Wir unterscheiden in der Sprache durchaus
zwischen einer reflexartigen Handlung - dann sagen wir nicht, ich will bzw. ich
wollte - und einer als bewusst angesehenen Handlung. Nur dann sagen wir: ich
will das.
Wenn wir aber von Wollen sprechen (ich sehe da keinen
relevanten Unterschied zu wählen, außer, dass nach dem Wählen der Wille mit
seinem psychischen Erlebnis kommt), setzen wir immer einen Grund dafür voraus.
Darum können wir imho keine Diskussion über den Willen/die Wahl führen, ohne uns
mit den Gründen für die Wahl zu befassen. Und die Frage frei oder unfrei lässt
sich nur aus den Gründen beantworten. Wobei wir eigentlich voraussetzen, dass
der Wille immer frei ist. Auch deswegen halte ich es für gefährlich, die Wahl
von der Diskussion um den freien Willen abzutrennen. Denn wenn wir sagen, wir
haben die Wahl, impliziert das, wir haben die freie, bewusste Wahl - und genau
das wird ja von den Deterministen abgestritten.
Grüße
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Titel: welcheRe: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W.
am 18. Aug. 2005, 21:45 Uhr
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Das ICH ist impotent, es kann nicht wollen. Es bildet sich nur im nachhinein ein
gewollt zu haben und erfindet flugs noch Gründe. Das ICH belügt sich in der
Regel selbst, indem es eine zu "seinen" Handlungen konsistente Geschichte
erfindet, die es sich selbst und anderen erzählt, überzeugt von deren
Wahrheitsgehalt. Experimente mit Brainsplitpatienten (ich werd noch
draufeingehen) und die Experimente Libets ec, ec.. belegen dies.
Zum Thema
zwei Statements: Das Ich ist nicht wirklich. Es ist Illusion. Möglichkeiten sind
wirklich.
Abrazo:"welche Bedeutung hat dann noch der Satz 'ich will das'?"
jonny: keine wirkliche.
Was ist das <Freier Wille> ???
Über Zeit
müssen wir unbedingt noch sprechen - versprochen!
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
18. Aug. 2005, 22:41 Uhr
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Hi jonny,
o.k., das Ich kann nicht wollen. Das ES will, unsere Triebe wollen.
Dann kommen noch die Anforderungen des Über-Ich hinzu, die Forderderungen und
Verbote der Gesellschaft.
Dazwischen sitzt unser Ich ohne eigene Kraft
(Freud sagt: Energie)
und
steuert.
?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 18.
Aug. 2005, 23:06 Uhr
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@ Johnny:
Sach mal, wat bist du denn hier für ein komischer Vogel?
Erzählst hier genau dasselbe, wie das, was der advocatus diaboli erzählt hat,
also überhaupt nix Neues, drohst auch noch, über die Experimente zu berichten -
vielleicht überlegste mal, dass man so was, weil hier unwichtig, mit Absicht
weggelassen hat - und versprichst uns dann, über die Zeit zu sprechen? Kannste
dir vorstellen, dass wir dann darüber sprechen, wenn es uns passt, und dass wir
dich dazu im Zweifelsfalle nicht brauchen?
Haste hier noch nich genug Prügel
gekriegt, willste noch mehr?
Menno!
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 18. Aug. 2005, 23:09 Uhr
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Hallo Johnny!
Quote:Das ICH ist impotent, es kann nicht wollen.
Es bildet sich nur im nachhinein ein gewollt zu haben und erfindet flugs noch
Gründe. Das ICH belügt sich in der Regel selbst, indem es eine zu "seinen"
Handlungen konsistente Geschichte erfindet, die es sich selbst und anderen
erzählt, überzeugt von deren Wahrheitsgehalt. Experimente mit
Brainsplitpatienten (ich werd noch draufeingehen) und die Experimente Libets ec,
ec.. belegen dies.
Soso, "Experimente belegen dies". Wer denkt
sich Experimente aus? Wer führt die Experimente durch? Wer wertet sie im Lichte
von theoretischen Annahmen aus? Wer beruft sich auf Experimente, um - mit dem
Anspruch auf wissenschaftliche Wahrheit - die Ohnmacht und Unwissenheit des
"Ich" zu belegen?
Bist Du zufällig so ein wissenschafttreibendes Ich?
Kann ein Ich, wie Du es hier entwirfst, überhaupt Wissenschaft treiben?
Bitte denke doch einmal darüber nach, welche Kompetenzen Du für Dich selbst in
Anspruch nimmst, indem Du solche Sätze äußerst!
Ähnlich ist auch gegen
einen Deterministen zu argumentieren, der sich mit seiner Position auf
wissenschaftliche Wahrheit stützt: Wäre es überhaupt möglich, Experimente zu
ersinnen und durchzuführen - also in einer bestimmten, zielgerichteten Weise zu
HANDELN -, wenn die Annahme der vollständigen Determination alles Geschehens
zuträfe?
Schöne Grüße
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
18. Aug. 2005, 23:53 Uhr
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Schalt mal runter Abrazo. Du hast hier in deinen ellenlangen Litaneien auch
nichts neues erzählt. Und deine Bemerkung, dass Zeit ein wichtiges Element sei,
hab ich schon vor bald 2 Wochen eingebracht. Das hast du in deiner
flappsig-rhetorischen Tieffliegerei versucht zu demontieren. Ich glaube du
willst dich hier einfach nur ein bisschen wichtig machen. Schaumschläger.
doc_rudi,
das Ich steuert nur bei jenem Menschen, der sich über seine
Energien im klaren (bewusst) ist. Ist dies nicht der Fall, so spielen die
Energien mit ihm.
Gruss, ludovico
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 19.
Aug. 2005, 09:02 Uhr
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Hi, ludovico.
herumlabern über Sein und Zeit und die Menschheit im
Allgemeinen und mich und meine Glaubensbekenntnisse im Besonderen, das ist keine
Kunst, das kann jeder.
Hier hat Eberhard konkrete Fragen und Thesen auf den
Tisch gelegt und ich bitte doch, sich konkret dazu zu äußern. So was nennt man
sachliche Methodik. Wem das nicht passt, wer lieber über etwas ganz anderes
reden möchte, für den gibt es eine ganz einfache Lösung: der kann seinen eigenen
Thread aufmachen.
Ich bin inzwischen so weit, dass ich mir die Beiträge hier
auf Festplatte kopiere und erst mal den ganzen Müll rauslösche, weil sonst bei
dem Thema, um das es hier geht, gar kein Durchkommen mehr ist. So was habe ich
nicht gerne, das macht nämlich Arbeit.
Fazit: ich bitte um etwas mehr
geistige Disziplin.
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
19. Aug. 2005, 09:15 Uhr
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Urs: "Wer denkt sich Experimente aus?"
Hinter allem was wir so treiben steckt
das Selbst, den diplomatischen Kontakt mit den Mitmenschen pflegt aber in großem
Maße das ICH. Es ist unsere Maske, wir spielen eine Rolle. So auch hier in
diesem Forum.
Für Kreativität ist das Selbst zuständig. Aber Kreativität
allein genügt nicht, ist oft nur Chaos. Zur Kreativität muß nun die Fleißarbeit
kommen, die Ordnung schafft. Das ist zum großen Teil das Geschäft des ICH.
So kommen Forumsbeiträge zustande, aber auch Doktorarbeiten und entsprechende
Experimente. Und sie alle tragen in wechselnden Anteilen die Handschrift des
Selbst und des ICH.
Nun ist ICH nicht gleich ICH. Hat sich ein Mensch gesund
entwickelt, steht sein ICH in engem Kontakt mit dem Selbst.
Man spürt das
sofort im Umgang mit diesen Menschen. Z.B.: So ein ICH nimmt sich nicht mehr
wichtig und tut nicht mehr aufgeblasen wichtig, es sagt nicht ICH sondern ich.
[cloud]
Deine Frage in der nötigen Ausführlichkeit zu beantworten, würde aber
den Rahmen dieses Threads sprengen. Wie soll der von dir geplante Thread heißen?
Vielleicht dort.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 19. Aug. 2005, 10:55 Uhr
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.... es geht aber nicht um ein ICH
oder ein ich .......
sondern um das ziel dieses > ich < !
also
bei diesem homo
catastrophicus auf dieser welt
sind es die katastrophen !
und bei
einem homo sapiens
ein paradies .......
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
19. Aug. 2005, 11:14 Uhr
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Schon seit Tagen regt sich in mir der Verdacht, daß die Deutung der Libetschen
Versuche, so wie ich sie oben (dabei T.Norretranders folgend) zum Besten gab
nicht haltbar ist.
Was Norretranders nämlich wiedermal nicht berücksichtigt
hat, ist die quantenmechanische Natur des Gehirns.
Muß nun nachdenken und
rechnen. Das kann dauern. Ihr seid mich also los.
Danke [applause] und Adios
[cry] sagt
euer jonny W.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
19. Aug. 2005, 11:29 Uhr
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Hallo allerseits,
Was kann man damit meinen, wenn man sagt, dass ein
bestimmter Mensch in Bezug auf sein Wollen "frei" ist?
Mein
Sprachwörterbuch erläutert die Bedeutung des Wortes „Wille“ mit „feste Absicht,
Wunsch, Vorsatz, Entschlossenheit“.
All diese Worte enthalten die
Orientierung eines Trägers des Willens auf ein Ziel, d.h. auf einen bestimmten
Zustand der Wirklichkeit, der hergestellt oder beibehalten werden soll, bzw. auf
ein Ereignis, das herbeigeführt oder vermieden werden soll.
'Etwas zu
wollen' bedeutet danach soviel wie 'zielstrebig sein'.
Wenn man bestimmte
Aktivitäten eines Individuums A (sein Handeln, Sprechen, Denken, Bewegen) als
"frei" bezeichnet, dann meint man damit gewöhnlich, dass A in dieser Aktivität
nicht durch andere Individuen oder durch die bestehenden Verhältnisse behindert
oder eingeschränkt wird, sondern dass A tun und lassen kann, was es will. Das
Wort "frei" bedeutet dann soviel wie 'gemäß dem eigenen Willen' oder
'selbstbestimmt'.
In diesem Sinne ist meine Meinungsäußerung frei, wenn
ich äußern kann, was ich will. Wenn meine Äußerung unterdrückt oder verfälscht
wird, wenn die Äußerung bestimmter Meinungen mit negativen Folgen für mich
verknüpft wird, dann bin ich nicht frei bzw. selbstbestimmt in meiner
Meinungsäußerung.
Was ist aber, wenn meine Meinung Einflüssen unterliegt,
z. B. wenn mich die Lektüre eines Zeitungsartikels zu dieser Meinung gebracht
hat? Bin ich dadurch in meiner Meinungsbildung und Meinungsäußerung nicht mehr
frei? Sind meine Meinungsäußerungen dann nicht mehr selbstbestimmt?
Meiner Ansicht nach muss das nicht sein. Dass sich meine Meinung durch
verschiedenste – auch äußere - Einflüsse bildet und verändert, beeinträchtig die
Freiheit meiner Meinungsbildung solange nicht, wie mir diese Meinung nicht
aufgezwungen wird, solange es also meine EIGENE Meinung bleibt, die auf meiner
Einsicht beruht.
Solange ich die Einflüsse, die auf meine Meinung
einwirken, kritisch beurteilen kann, solange ich sie bejahen oder verneinen
kann, solange bleibt meine Meinungsäußerung selbstbestimmt.
Übertragen
wir diesen Gedankengang auf das Wollen. Macht es Sinn zu sagen: 'Ich bin in
meinem Wollen frei, solange ich in meinem Wollen nicht durch andere Individuen
oder durch die bestehenden Verhältnisse behindert oder eingeschränkt werde,
solange ich also selbst bestimme, was ich will'?
Kann ein Mensch
überhaupt selbst bestimmen, was er will?
Eva will Carlos heiraten, weil
sie in ihn verliebt ist. Dass sie sich in Carlos verliebt hat, hat sie nicht
gewollt, sondern es hat sich aus bestimmten Eigenschaften des Carlos und den
dadurch in ihr ausgelösten Gefühlen ergeben. Ist ihr Wille, Carlos zu heiraten,
deshalb unfrei oder zwanghaft?
Wenn ich den ganzen Tag noch nichts
gegessen habe, bekomme ich Hunger und will etwas essen. Ist dieser Wille, etwas
zu essen, "frei" im Sinne von "selbstbestimmt"?
Ich habe keinen Einfluss
darauf, ob ich hungrig bin und deshalb etwas essen will oder nicht. Ich kann
meinen Willen, etwas zu essen, nicht willensmäßig steuern. Insofern ist dieser
Wille nicht selbstbestimmt.
Aber bin ich in diesem Fall unfrei und
fremdbestimmt? Mein Hungergefühl gehört ja auch zu mir: Ich bin es doch, der
Hunger hat, und essen will. Was macht es für einen Sinn zu sagen, dass ich in
meinen ureigensten Willensregungen nicht selbstbestimmt sondern "unfrei" bin?
In gewisser Weise ist ein Mensch in seiner gesamten Person nicht
selbstbestimmt. Niemand hat sich selber nach seinem Willen geschaffen und
niemand kann sich nach seinem Willen verändern. In dieser Sichtweise gibt es
letztendlich jedoch auch kein wollendes "Ich" mehr, dem die übrige Person als
etwas Fremdes gegenübertreten könnte, dass heißt, es gibt kein "Ich" mehr, das
unfrei sein könnte, womit sich das Problem erledigt hätte.
Wenn jemand
Hunger hat und man fragt ihn: "Willst Du etwas essen?" dann wird er das bejahen.
Es wäre befremdlich, wenn er antworten würde: "Ich bin gezwungen, etwas essen zu
wollen."
Wenn sich jemand in dieser extremen Weise von seinen eigenen
Antrieben distanziert, dann würde sich wahrscheinlich der Verdacht auf eine
Geisteskrankheit einstellen.
Es macht deshalb wenig Sinn zu sagen, dass
mein Wille unfrei ist, weil ich etwas essen will und weil ich dieses Wollen
nicht durch meinen Willen erzeugen oder beseitigen kann.
Des Teufels
Rechtsanwalt hat dazu die These aufgestellt:
“Jede Wahl ist zwanghaft,
nämlich erzwungen von den dich umgebenden materiellen Umständen.“
Wer den
Begriff „Zwang“ in dieser Weise benutzt, kann keinen Unterschied mehr machen,
zwischen jemandem, der nach grausamster Folter den Verbrechern den
Aufenthaltsort eines Menschen verraten hat und dem, der von vornherein sagt:
„Ihr könnt von mir alles wissen.“
Ich halte diesen Unterschied jedoch für
wichtig, etwa wenn ich mir Personen aussuche, mit denen ich zusammenarbeite.
Von einem unfreien Willen würde ich erst dann sprechen, wenn ich mich mit
den Antrieben in mir nicht identifizieren kann und diese Antriebe sich gegen
meine vernünftige Einsicht durchsetzen. Ein Beispiel hierfür ist Suchtverhalten.
Ich will vom Alkohol loskommen, weil ich sehe, dass er mein Leben ruiniert, aber
der Griff zur Flasche ist übermächtig.
Es grüßt Euch Eberhard.
p.s. Dieser Beitrag entstammt größtenteils meiner Website, aber auch Konserven
können notfalls den Hunger stillen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 19.
Aug. 2005, 12:52 Uhr
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@ Eberhard
Wenn ich etwas essen will, weil ich Hunger habe --
ist der Wille dann frei? Frei von äusseren Einflüssen?
Nach Deiner
Beschreibung ist der Wille frei, wenn er der
'inneren Einstellung' einer
Person entspricht und nicht un-
mittelbar von aussen aufgezwungen wurde.
Allerdings bildet sich die Persönlichkeit und Einstellung einer
Person
wiederum durch äussere Einflüsse; oft über Jahre
andhaltendem subtilem
äusserem Zwang.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 19.
Aug. 2005, 13:50 Uhr
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Hi,
Sprache ist eine Tatsache.
Wenn wir sprechen, meinen wir etwas mit
unseren Worten und Sätzen.
Wir unterscheiden zwischen freiem und unfreiem
Willen, also meinen wir etwas damit.
Eberhard unterscheidet zwischen dem
Willen und dem Zwang, der daran hindert, ihn durchzusetzen. Ich denke, wir
können dieser Unterscheidung zustimmen. Allerdings mit einer Einschränkung: der
Wille bezieht sich auf das momentante Wollen. Damit ist die Frage ausgeschaltet,
warum ich etwas will. Ausgeschaltet ist also die Frage nach dem Grund. Also
alles das, was dem bewusst gewordenen Willen voraus geht.
Das trifft im
Ergebnis nun allerdings nicht nur auf den Menschen zu, sondern auf alle
Lebewesen. Wenn Herr Hund sich prügeln will, dann kann ich auch das als seinen
freien Willen bezeichnen. Wenn ich ihn daran hindere, übe ich einen Zwang auf
ihn aus. Mit anderen Worten: hier zwischen Freiheit und Zwang zu unterscheiden
ist richtig, aber ich denke, es ist nicht das, was wir meinen, wenn wir vom
freien Willen sprechen. Zumindest ist es nicht alles, was wir damit meinen.
Eberhard schreibt:
Solange ich die Einflüsse, die auf meine Meinung
einwirken, kritisch beurteilen kann, solange ich sie bejahen oder verneinen
kann, solange bleibt meine Meinungsäußerung selbstbestimmt
Was heißt kritisch
beurteilen? Es heißt, für und wider abzuwägen, bestimmen zu können, welchen
äußeren Einfluss man in sich aufnimmt und welchen nicht.
Beziehen wir das auf
den Hunger: kann ich beeinflussen, ob ich das Hungergefühl in mich aufnehmen
will oder nicht? Natürlich nicht. Also gibt es hier einen Unterschied. Manche
Einflüsse kann ich abwehren, manche nicht.
Und eine für mich ganz
wichtige Frage: will ich überhaupt die auf mich wirkenden Einflüsse kritisch
beurteilen? Wenn ich nachts um 3 laute Musik hören will: mache ich das - oder
überlege ich, ob ich deswegen die gesamte Nachbarschaft aus den Betten scheuche?
Man könnte sagen, ich werde gezwungen, keine Musik zu hören, denn wenn ich es
tue, kann ich damit rechnen, dass erboste Nachbarn meine Wohnung stürmen und die
Polizei anrufen. Aber ist das immer und bei jedem der Grund, warum er nachts um
3 die Anlage nicht aufdreht, weil ihm gerade danach ist? Und mancher tut es
trotzdem - weil ihm danach ist.
Ich kann in den Hungerstreik treten. Ich
kann meinen Willen gegen meine biologisch bedingten Handlungsantriebe setzen.
Gäbe es in jeder Situation nur einen einzigen Handlungsantrieb, ich könnte immer
nur etwas bestimmtes tun und es nur unter Zwang lassen. Offensichtlich verhält
es sich manchmal aber anders.
Deswegen möchte ich die Frage - sofern
gegen das bisherige keine Einwände bestehen - umformulieren auf: haben wir
wirklich die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Handlungsantrieben /
Motiven zu wählen?
(Die anderen wichtigen Punkte in diversen Postings
vertage ich erst mal)
Grüße
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
19. Aug. 2005, 14:41 Uhr
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Hallo allerseits,
noch ein Nachtrag zu meinem letzten Beitrag. Manchmal
wird gesagt: „Man kann vielleicht tun, was man will, aber man kann nicht wollen,
was man will.“
Und an der Tatsache, dass ich meinen eigenen Willen nicht
nach meinem Willen ändern kann, wird die Unfreiheit des Willens festgemacht.
Nehmen wir einmal an, ich könnte das: ich verfügte gewissermaßen über einen
Metawillen, der meinen Willen ändern könnte.
Hätte ich dann einen freien
Willen?
Auf der Stufe des einfachen Willens: ja.
Aber dann würde
sich sofort die Frage stellen: Habe ich einen freien Metawillen? Ich wäre also
der Unfreiheit meines gesamten Willens damit nicht entkommen.
Und da sich
das Problem auf der Ebene des Metametawillens wiederum stellen würde und auf
jeder höheren Stufe wiederum, führt der hier verwendete Freiheitsbegriff zu
einem infiniten Regress und ins Absurde,
meint Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
19. Aug. 2005, 15:12 Uhr
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Hallo Abrazo,
Du willst die Frage umformulieren und fragen:
“Haben wir wirklich die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen
Handlungsantrieben / Motiven zu wählen?“
D.h.: „Kann ein Mensch zwischen
verschiedenen Handlungsantrieben bzw. Motivationen wählen?“
Meine These:
„Ein Mensch kann – unter gewissen Bedingungen und innerhalb einer bestimmten
Bandbreite – zwischen verschiedenen Handlungen wählen“ steht ja auch noch
umstritten im Raum.
Über eins müssen wir uns bei der Frage nach
derartigen Möglichkeiten im Klaren sein. Man kann das Bestehen mehrerer
Möglichkeiten, zwischen denen man wählen kann, nur nachweisen, indem man das –
gleichzeitige - Bestehen der einzelnen Möglichkeiten nachweist.
Wenn man
das Bestehen einer Möglichkeit nur dadurch nachweisen kann, dass man diese
Möglichkeit realisiert, dann ist es prinzipiell nicht möglich, das gleichzeitige
Bestehen mehrerer Möglichkeiten nachzuweisen. Denn insofern es sich bei den
Möglichkeiten um Alternativen handelt, können nicht mehrere Möglichkeiten
gleichzeitig realisiert werden.
Um wählen zu können, muss man jedoch über
mehrere Alternativen verfügen.
Es muss also auf anderem Wege nachgewiesen
werden, dass eine bestimmte Möglichkeit „wirklich“ besteht.
Es grüßt Dich
und alle andern Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 19.
Aug. 2005, 17:59 Uhr
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Hallo Eberhard ,
Du hast es auf den Punkt gebracht.
Wenn wir
immer weiter fragen -- und was sollte eine Philosophen daran hindern !? -- führt
sich der Begriff des
freien Willens ad absurdum.
Es ist sowieso nicht ganz
einsichtig, was der 'freie Wille'
sein sollte. Er müsste aus jeden Fall
unabhängig sein von
äußeren Einflüssen ( Mitmenschen und Umwelt); aber auch
von Gefühlen und Wertvorstellungen, da sich diese durch
Umwelteinfüsse
gebildet haben.
Der Wille müsste demnach dem Zufallsprinzip --
evtl der
Quantenphysik .. - unterliegen und Entscheidungen würden demnach nach rein
zufälligen Kriterien und ohne Zu-
sammenhang mit irgenwelchen
Einflussfaktoren getroffen.
Abgesehen davon, dass jeder Mensch aus eigner
Erfahrung
weiß, dass er seine Entscheidungen nach bestimmten Kriterien
(
Gedanken, Gefühle, Ideale etc.) trifft, wäre der Wille im
oben erwähnten Fall
vom Zufall a b h ä n g i g und damit
wieder nicht f r e i !!
Der Ausdruck
'freier Wille' scheint in der Tat eine Absurdität.
( eine sinnlose
Wortkombination wie das 'Kürbisgen der Sonnenblume' ?? )
Die Frage
scheint nur zu sein, ob es überhaupt einen Zufall
gibt, oder ob alles streng
nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung abläuft ?
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
19. Aug. 2005, 21:42 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
Du stellst die Frage; „Kann ein Mensch
seine Beweggründe wählen?“ Aber bringt uns das weiter? Für die Wahlentscheidung
bedarf es ja wieder eines Motivs, das aber nicht gewählt wurde. Hier entwickelt
sich wieder eine endlose Kette.
Vielleicht sollten wir einmal das
Spezifische der menschlichen Selbststeuerung herausarbeiten.
Warum gibt
es für Steine oder Pflanzen keine Beratung und keine Moral?
Warum gibt es
für Hunde zwar Verhaltensnormen aber keine Vorwürfe, wenn sie diese Normen
verletzen, sondern nur Strafen?
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 20.
Aug. 2005, 00:59 Uhr
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Hi, zusammen,
keine Feigheit vor dem Feind: sehen wir mal zu, ob wir uns
nicht vorwärts baggern können.
Wir hatten festgestellt, wir haben
objektiv alternative Handlungsmöglichkeiten. Also denke ich, dass deine These
Ein Mensch kann "unter gewissen Bedingungen und innerhalb einer bestimmten
Bandbreite" zwischen verschiedenen Handlungen wählen, was die Seite der Objekte
betrifft, entschieden ist. Unsere Frage ist, ob wir die auch subjektiv wählen
können oder ob uns die Wahl, wodurch auch immer, vorgegeben ist.
Ich
hatte behauptet, "ich will" ist kein Atomsatz, denn "ich will" erfordert
notwendigerweise die Angabe von dem, was ich will, sonst ist dieser Satz ohne
Sinn, unverständlich. Ich hatte daraus geschlossen, dass Wollen eine Beziehung
ausdrückt zwischen einem Subjekt und einem Objekt, auf das sie sich richtet.
Gibt es dagegen Einwände?
Die Seite des Objektes haben wir abgehakt
(Handlungsmöglichkeiten). Mit der Frage nach dem freien Willen, die imho die
Frage nach dem Grund, dem Motiv des Willens ist, befinden wir uns nun auf der
Seite des Subjektes. Einwände?
Die Frage, ob das Subjekt Mensch messbar
ist als Objekt (was ich bezweifle), lasse ich mal beiseite. Urs hat bereits
darauf hingewiesen, dass die vom Subjekt Mensch über das Subjekt Mensch
erbrachten und interpretierten Messergebnisse durchaus zweifelhaft sind. Aber
wenn wir diesen Weg weiter verfolgen, kommen wir nicht zu einem positiven oder
negativen Ergebnis, sondern zu einer Indifferenz: die Aussagen der Hirnforscher
mögen falsch sein, aber damit wissen wir noch lange nicht, was wahr ist.
Ich denke, es gibt eine Tatsache, durch die wir dem Subjekt besser beikommen
können als durch Beobachtung von Handlungen: die Sprache. Sie spiegelt zwar
nicht die Welt, wie sie ist, wohl aber unser Denken (und darüber dann wieder die
Welt, wie wir sie wahrnehmen und denken). Sätze, die nicht sinnvoll und damit
nicht verstehbar sind, sind Sätze, die wir nicht denken.
Also zurück zum
sinnvollen Satz: "ich will das".
Eberhard schreibt: an der Tatsache, dass ich
meinen eigenen Willen nicht nach meinem Willen ändern kann, wird die Unfreiheit
des Willens festgemacht.
Geht das? Kann ich dadurch, dass ich etwas, was
eine Beziehung ausdrückt, zum Begriff mache, diesen Begriff zum Objekt eben
dieser Beziehung machen? Oder ist das nicht unsinnig? Ist es nicht ein
Kategoriefehler?
Stellt euch das mal abstrakt vor: I ich-> will D das.
Jetzt macht ihr -> zum Begriff. Also: -> = D.
Und nun?
I -> -> - sieht
das nach einem sinnvollen Satz aus?
Oder haben wir hier nicht eher
Sprachverhexung vor uns?
Wenn es sich um Sprachverhexung handelt - und das
meine ich - sind weitere Erwägungen zum Meta-Meta-ad infinitum-Willen unsinnig.
Wenn man das Bestehen einer Möglichkeit nur dadurch nachweisen kann, dass
man diese Möglichkeit realisiert, dann ist es prinzipiell nicht möglich, das
gleichzeitige Bestehen mehrerer Möglichkeiten nachzuweisen
Ließen sich diese
Möglichkeiten nicht über die Sprache nachweisen? Werden denn nicht
unterschiedliche Möglichkeiten und die Gründe für ihre Wahl diskutiert?
(Ich
weiß, das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Aber erst mal Pfahl in den
Sumpf schlagen.)
Ob sie sich durch Beobachtung nachweisen ließen, halte ich
ja für prinzipiell zweifelhaft.
Zu Ginger:
Was ich will, will ich als
der Mensch, der ich jetzt bin. Ist es sinnvoll zu fragen, ob ich das auch als
der Mensch gewollt hätte, der ich vor zehn Jahren war, ohne die
zwischenzeitlichen Erfahrungen und Überlegungen? Oder gar: hätte ich es auch
gewollt als befruchtete Eizelle, die den Eileiter heruntergetanzt ist? Ich
meine, nein. Diese Frage ist nicht sinnvoll. Die implizierte Frage, inwieweit
ich mein momentanes So-Sein willentlich korrigieren kann, ist zwar berechtigt,
aber zur Zeit andere Baustelle.
Die Frage, die du zuletzt stellst,
Eberhard, die ist mir noch ein bisschen zu früh. Dennoch deute ich an, in welche
Richtung meine Überlegungen gehen: nämlich, dass wir biologisch bedingte Gefühle
als motivierenden Antrieb für unsere Handlungen haben, dass wir aber auch die
Möglichkeit haben, uns aus mehr oder minder vernünftigem Grund dagegen zu
entscheiden.
Grüße an alle
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 20. Aug. 2005, 10:57 Uhr
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.... also ich sehe hier
nirgends einen orginären willen !
sondern nur ein bildung
und die be glückung der weit ent fernten macht .....
des halb ihr auch nie wirklich
euerer möglich keiten ent sprechend
handeln könnt !
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 20.
Aug. 2005, 13:35 Uhr
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Hallo Eberhard und Abrazzo!
Glaube auch, dass es uns viel
weiterbringen würde, wenn wir
uns auf 2 Punkte konzentrieren würden.
Z.B.
n. Eberhard: Die menschliche Selbststeuerung -- wie funktioniert sie bzw was
unterscheidet
sie von anderen Lebewesen?
-> Abrazzo : Analyse von der
Sprache her
Ich glaube, die meisten philiosophischen Unklarheiten ließen
sich durch genaue Definitionen und genauen Gebrauch der
Sprache ausräumen.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 20.
Aug. 2005, 14:14 Uhr
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Hi,
da bin ich nicht mit einverstanden, ginger. Unabhängig davon, dass wir
uns selbstverständlich um klare Aussagen bemühen müssen - denn wenn wir etwas
nicht klar sagen können, haben wir es meist auch nicht kapiert - ist die Sprache
das gewachsene Primäre. Wir gewinnen nichts, wenn wir sie nach einer Sollnorm
umgestalten (mal abgesehen von wissenschaftlicher Terminologie, die aber auch
ihre Grenzen hat). Eine solche Umgestaltung würde zur Einschränkung und
Verarmung unseres Denkens führen. Wenn wir die Sprache nutzen wollen, um über
sie unserem Denken näher zu kommen, müssen wir sie untersuchen so, wie sie
gebraucht wird, nicht Normen aufstellen, wie sie gebraucht werden soll.
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 20.
Aug. 2005, 16:39 Uhr
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Hallo Abrazo!
Ich meinte nicht, dass wir Normen aufstellen sollen,
wie
wir die Sprache gebrauchen sollen s o n d e r n dass
wir k l a r s t e
l l e n (definieren), in welchem Sinn wir
ein Wort ( das in der
Umgangssprache oft verschiedene
Bedeutungen hat) gebrauchen.
Z.B. der
'Wille' oder das 'Ich' etc. sind Worte, unter denen
oft Unterschiedliches
verstanden wird. Man müsste
vorher definieren, was man darunter versteht,
damit man
sinnvoll darüber reden kann.
Man redet aneinander vorbei,
wenn 2 Leute dasselbe Wort
gebrauchen, damit aber etwas Unterschiedliches
meinen.
P.s. Man kann natürlich auch über die Definitionen, also was
man unter einem Wort verstehen will, diskutieren.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
20. Aug. 2005, 20:42 Uhr
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Hallo allerseits,
ich habe noch einen Vorschlag zum Nachweis mehrerer
Handlungsmöglichkeiten:
Ich behaupte, dass ich unter bei stimmten
Bedingungen x, y, z den Kopf nach links drehen kann. Dies kann ich dann
demonstrieren, indem ich den Kopf nach links drehe.
Anschließend behaupte
ich, dass sich unter genau DENSELBEN Bedingungen meinen Kopf auch nach rechts
drehen kann. Auch dies kann ich demonstrieren, indem ich meinen Kopf nach rechts
drehe.
Damit habe ich den Beweis erbracht, dass unter den Bedingungen x,
y z gleichzeitig zwei Handlungsalternativen für mich bestehen.
Soviel
dazu. (Zu einfach?)
Abrazo hat den Vorschlag gemacht, sich mit dem
wählenden Subjekt zu befassen.
Meine Thesen dazu war:
Menschen
können unter bestimmten Bedingungen zwischen verschiedenen Handlungsalternativen
wählen.
Das bedeutet, dass sie ihr Handeln und damit sich selbst steuern
können.
Damit wird nicht behauptet, dass Menschen sich beliebig steuern
können. Die Selbststeuerung kann auf bestimmte Bandbreiten beschränkt sein.
Damit wird auch nicht behauptet, dass Menschen sich jederzeit steuern
könnten. Dafür müssen bestimmte Bedingungen innerer und äußerer Art gegeben
sein.
Mit der Fähigkeit zur Selbststeuerung geht einher geht die
Fähigkeit des Menschen, seine Handlungen und die eigene Person zu kritisieren
und zu bewerten. Menschen können ihre Handlungen bewusst überdenken und zu ihnen
Stellung nehmen.
Mit dieser Möglichkeit, zu sich selber in Distanz zu
gehen, eröffnen sich dem Handeln vielfältige Möglichkeiten, die das
instinktgebundene Tier nicht hat. Gleichzeitig wird es für den Menschen
schwieriger, sich selbst zu finden und eine ungebrochene Identität als Person
auszubilden.
Damit ist allerdings über die inhaltliche Ausfüllung der
Selbststeuerung noch nichts gesagt.
Grüße an alle Mitdenker und
Mitdiskutierer von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
20. Aug. 2005, 21:33 Uhr
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Hi Leute,
in diesem thread wird ja ein interessantes Thema beleuchtet, was
aus dem Titel gar nicht hervorgeht.
Die Selbststeuerung des Mensch
betrifft vor allem das Unterlassen von Wunschbefriedigung aus Rücksicht auf die
Gemeinschaft, oder aus Angst vor Bestrafung.
Beispiel: ich möchte einen
Apfel essen. Das Naheliegendste wäre, mir den einfach zu nehmen, in zig
Supermärkten liegen tausende von Äpfeln. Das tue ich jedoch nicht, sondern ich
gehe erst zur Kasse und bezahle.
Diese Steuerung, die einen Verzicht auf
Sofortbefriedigung beinhaltet und die Berücksichtigung von gesellschaftlich
anerkannten Regeln, ist der Prototyp einer Steuerung, zeigt die Bedingungen der
Steuerung und ist daher auch die Grundlage unseres Strafrechts und dessen
Freiheitsbegriffs.
Im übrigen ist es gerade für den Menschen typisch, dass
er Möglichkeiten möglichst auch realisiert und damit Wirklichkeit schafft.
Der Mensch ist ein Schöpfer. Gott ist eine überflüssige Hypothese. Der Mensch
schafft die Welt.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 21.
Aug. 2005, 09:42 Uhr
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Guten Morgen, zusammen!
Zu ginger:
Z.B. der 'Wille' oder das 'Ich'
etc. sind Worte, unter denen oft Unterschiedliches verstanden wird. Man müsste
vorher definieren, was man darunter versteht, damit man sinnvoll darüber reden
kann.
In "normalen" wissenschaftlichen Diskussionen ist das zweifellos
richtig, hier aber würde ich keine Definition empfehlen. Es ist richtig, dass
unter dem Begriff "Willen" sehr vieles verstanden wird, was sich voneinander in
der Bedeutung unterscheidet. Da finde ich die Frage wichtiger, was denn alles
darunter verstanden wird, also wie der Begriff gebraucht wird.
Zu
Eberhard:
Anschließend behaupte ich, dass sich unter genau DENSELBEN
Bedingungen meinen Kopf auch nach rechts drehen kann. Auch dies kann ich
demonstrieren, indem ich meinen Kopf nach rechts drehe.
Es können niemals
genau die selben Bedingungen sein, weil seither Zeit vergangen ist, in der etwas
passiert ist, u.a. dass du den Kopf nach links gedreht hast. Der Moment ist
nicht wiederholbar.
Was du damit nachweisen kannst ist imho, dass du die
Fähigkeit zum Kopfdrehen hast. Die aber wird gar nicht bestritten.
Ich
denke, du hast einen sehr wichtigen Begriff eingeführt: die Distanz. Sie scheint
mir logisch notwendig zu sein.Ich kann meinen biologischen Steuerungen ebenso
folgen wie Fremdbefehlen. Dann nehme ich die Impulse meiner Umwelt auf und
reagiere auf den stärksten. Aber allein schon wenn ich wähle zwischen der
Steuerung und einem ihr widersprechenden Befehl, brauche ich beiden gegenüber
Distanz. Denn sonst könnte ich gar nicht erkennen, dass es Impulse sind und dass
sie einander widersprechen. Um zu erkennen, was auf mich einwirkt, muss ich zu
mir selber in Distanz gehen, muss das Subjekt sich als Objekt in der Welt sehen
können.
Herr Hund hat Lust, sich zu prügeln. Dem widerspricht mein
Befehl. Welcher Impuls ist stärker? Wenn er sich noch nicht der Prügelei
hingegeben hat, mein Befehl. Aber nur dann.
Und wenn er darüber
nachdenken würde? Dann müsste er erkennen, dass zwei unterschiedliche Impulse
auf ihn einwirken. Auf ihn, das heißt, er muss sich als Objekt sehen, als ein
Gegenstand, auf den etwas einwirkt. Und je nachdem, welche Möglichkeit er für
diesen Gegenstand wählt, wird es - erfahrungsgemäß - die und die Auswirkung auf
den Gegenstand haben. Er könnte dann entscheiden, welche Auswirkung für den
Gegenstand, der er selbst ist, besser / angenehmer / nützlicher ist.
Oder?
Handeln und damit sich selbst steuern - das setzt doch voraus, dass ich mich
selbst als steuerbaren Gegenstand betrachte, oder?
Allerdings nur dann,
wenn ich mich als steuerbaren Gegenstand betrachte. Sonst nicht.
Was zu einem
methodischen Problem bei unseren Hirnexperimenten führt: befand sich der Proband
in Distanz zu sich selbst oder nicht? Und wenn ja: wie verhält es sich, wenn er
sich selbst gegenüber die gleiche neugierige Distanz einnimmt wie der Neurologe?
Damit taucht natürlich die Frage auf, wer bin ich und wer ist dieser
Gegenstand?
Zu doc rudi:
Die Selbststeuerung des Mensch betrifft vor
allem das Unterlassen von Wunschbefriedigung aus Rücksicht auf die Gemeinschaft,
oder aus Angst vor Bestrafung.
Das trifft auf Herrn Hund genau so zu.
Im übrigen ist es gerade für den Menschen typisch, dass er Möglichkeiten
möglichst auch realisiert und damit Wirklichkeit schafft
Herr Hund hat die
Möglichkeit, sein Bällchen mitzuschleppen oder einzubuddeln. Die Realisierung
seiner Möglichkeiten liegt ihm viel näher als mir; ich denke nämlich oft erst
mal darüber nach. Also ist Herr Hund mehr und unmittelbarer als ich darauf aus,
Wirklichkeit zu schaffen.
Schafft er die Welt, weil er sie mit einem
Buddelloch versieht?
Grüße
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
21. Aug. 2005, 09:54 Uhr
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richtig abrazo,
der Hund schafft sich seine Welt (nicht nur der Mensch).
Diese - im übrigen eine Geruchswelt - besteht schließlich aus einem System von
verbuddelten Knochen.
Selbstverständlich gehört auch ein Mensch dazu, der
sich selbst "Herrchen" oder "Frauchen" nennt, der aber in Wahrheit der Effektor
des Hundes ist (ein anderes Wort für Sklave, nur nicht so demütigend), dessen
Funktion darin besteht, dem Hund Nahrung zu besorgen und ihm eine Unterkunft zu
verschaffen.
Ohne menschliche Sprache zu beherrschen, ist der Hund in der
Lage, das Verhalten seines "Herrchens" durch Knurren, Bellen und einige
Belohnungen, wie z.B. Männchenmachen, zu steuern.
Es gibt also auch eine
große Zahl von Menschen, die ihr Verhalten von einem Hund steuern lassen. Das
ist nichts Schlimmes. Jeder Mensch wird von irgendwem gesteuert, die meisten von
ihren Kindern. Eheprobleme sind meist Steuerungsprobleme: wer steuert wen?
Der Hund schafft sich also eine Welt, die aus einem "Herrchen", das die
Miete bezahlt und ihm regelmäßig Nahrung hinlegt, besteht. Die Buddelöcher sind
Beiwerk, Relikte der genetischen Steuerung seines Verhaltens.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ginger am 21.
Aug. 2005, 14:54 Uhr
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@ abrazo
"..finde ich die Frage wichtiger, was den alles darunter
verstanden
wird, aslo wie der Begriff ('Wille, Ich etc') gebraucht wird."
Zu dem Ausdruck 'ich' fallen mir spontan verschieden Verwendungen ein. Z.B.
bezeichne ich damit
o eine Person, die gestern hier am Computer geschrieben
hat
o meinen Körper
o meinen Verstand
o bestimmte Gefühle
.....
unter Wille versteht man
o Gedanken
o Gefühle
o Bedürfnisse
......
Unter dem Ausdruck 'ich will' kann man die vielen möglichen
Kombinationen der Bedeutungsvarianten verstehen.
Ohne nähere Definition
wird sich eine Diskussion darüber also
eher mühsam gestalten.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 21.
Aug. 2005, 16:04 Uhr
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Hi, ginger,
ich denke, der Weg, den wir hier beschritten haben, bewahrt
uns erst mal vor der Notwendigkeit, herausfinden zu müssen, was wer unter Willen
versteht. Da es wenig sinnvoll erscheint, von Willen zu reden, wenn es nur eine
einzige Möglichkeit gibt, befassen wir uns mit den Voraussetzungen für den
Willen, nämlich, ob es überhaupt alternative Möglichkeiten gibt, zwischen denen
man wählen kann. Objektiv gibt es die, aber gibt es die auch subjektiv - oder
bilden wir uns die freie Wahl nur ein, weil wir die Entscheidung für eine
Handlung nachträglich rationalisieren?
Ich möchte hier doch ein
Experiment anführen: ein Epileptiker wurde bei örtlicher Betäubung am Gehirn
operiert. Dabei traf der Chirurg den Nerv, der die Armbewegung steuert, so dass
der Operierte den Arm hob. Gefragt, warum er den Arm gehoben habe, gab er zur
Antwort, weil er es wollte.
Daraus folgt, wir können uns auch darin
täuschen, ob wir etwas willkürlich oder unwillkürlich tun bzw. getan haben.
Deswegen müssen wir ein bisschen genauer erkunden, ob es alternative
Möglichkeiten gibt, bei denen wir uns nicht darin täuschen können, dass wir sie
frei wählen können.
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
21. Aug. 2005, 18:48 Uhr
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Hallo Abrazo,
Du bist nicht der Meinung, dass mein letztes Szenario den
Nachweis mehrerer Handlungsmöglichkeiten im einer bestimmten Situation erbracht
hat.
Du schreibst:
Es können niemals genau dieselben Bedingungen
sein, weil seither Zeit vergangen ist, in der etwas passiert ist, u.a. dass du
den Kopf nach links gedreht hast. Der Moment ist nicht wiederholbar.
Dies
Argument kann gerade der Determinist nicht anführen, denn sein Konzept des
Naturgesetzes beruht ja gerade darauf, dass gleiche Ursachen gleiche Wirkungen
haben. Wenn die Situation S1 nicht die gleiche sein kann wie S2 bloß „weil
seither Zeit vergangen ist, in der etwas passiert ist“, dann könnte man gar
keine empirischen Regelmäßigkeiten und erst recht keine zeitunabhängigen
Naturgesetze formulieren.
Zwei Situationen, auf die die gleiche
Beschreibung zutrifft, sind insofern gleich. Die Beschreibung der
Ausgangssituation ist bei meinem Szenario dem Deterministen überlassen. Wenn ich
in beiden Situationen verschieden handle, habe ich damit den Nachweis erbracht,
dass ich in jeder der beiden Situationen mindestens zwei verschiedene
Handlungsmöglichkeiten habe.
Es grü0t Dich und alle andern ein
hartnäckiger Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 21.
Aug. 2005, 21:24 Uhr
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Hi, Eberhard,
Nachweis erbracht, dass ich in jeder der beiden Situationen
mindestens zwei verschiedene Handlungsmöglichkeiten habe.
Wie gesagt, m.E.
betrifft das die objektiven Möglichkeiten, und ich meine, dass da Alternativen
bestehen, sei bereits geklärt. Oder habe ich da irgendwo nicht verstanden, was
du meinst?
Dies Argument kann gerade der Determinist nicht anführen
Urs hat imho durchaus überzeugend die Lücken in der Argumentation der
Deterministen angeführt. Aber genügt es dir, die Argumente der Deterministen zu
widerlegen und die Frage mangels Antwort im Raum stehen zu lassen? Denn auch
wenn du die Behauptung der Deterministen durch ihre Methodik widerlegst, so
bleibt doch der Zweifel am Willen bestehen.
Wenn die Situation S1 nicht
die gleiche sein kann wie S2 bloß 'weil seither Zeit vergangen ist, in der etwas
passiert ist', dann könnte man gar keine empirischen Regelmäßigkeiten und erst
recht keine zeitunabhängigen Naturgesetze formulieren.
Das kannste bei
Steinen machen, Eberhard, aber bei Lebewesen wird das problematisch, alldieweil,
die sind lernfähig und speichern Erfahrungen. Und ich denke, selbst bei der
Quantenphysik kommste mit dem Argument in Schwulitäten.
Ich behaupte,
dass ich unter bei stimmten Bedingungen x, y, z den Kopf nach links drehen kann.
Dies kann ich dann demonstrieren, indem ich den Kopf nach links drehe.
Anschließend behaupte ich, dass sich unter genau DENSELBEN Bedingungen meinen
Kopf auch nach rechts drehen kann. Auch dies kann ich demonstrieren, indem ich
meinen Kopf nach rechts drehe.
Wieviele Willensentscheidungen sind das
tatsächlich? Ich behaupte, nur eine, nämlich, ich zeige dir nach diesem Plan,
dass ich meinen Kopf so und so drehen kann. Du hast also nur die Alternativen,
diesen Plan durchzuführen oder nicht. Dass du ihn durchführen willst liegt, so
advocatus diaboli, daran, dass du mit ihm etwas widerlegen willst, was dir nicht
passt, dass du Recht haben willst, von mir aus aufgrund biologisch bedingter
Rangkämpfe. Ergo: Motiv ist fremdbestimmt. Kein freier Willen.
Wie willst
du die Entscheidungssituation wiederholen? Wann und unter welchen Bedingungen du
sie auch immer wiederholst, es wird nichts daran ändern, dass deine vorherige
Entscheidung in deiner Erinnerung gespeichert ist - und damit ist die Situation
nach naturwissenschaftlichen Maximen nicht mehr die gleiche.
Und
schließlich muss ich Urs noch einmal zustimmen: ich glaube auch nicht, dass man
Subjektives durch objektives Zählen, Messen, Wiegen vollständig in den Griff
kriegen kann.
Grüße
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
21. Aug. 2005, 21:49 Uhr
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Hallo allerseits,
kann ein Mensch zwischen verschiedenen
Handlungsmöglichkeiten wählen und sich selbst steuern?
Dass es einen –
manchmal sehr schwierigen – Entscheidungsprozess in einem Menschen geben kann,
weiß wohl jeder aus der Erfahrung mit sich selbst.
Welchen Beruf will
ich einmal ausüben? Welches Fach soll ich studieren? Soll ich ihn bzw. sie
heiraten?: All das sind wichtige Fragen, wie ich mich angesichts verschiedener
Möglichkeiten entscheiden soll.
Dass die Wahl sogar zur Qual werden
kann, ist sprichwörtlich. Und manchmal ist man geradezu verzweifelt, weil man
sich nicht entscheiden kann. Es gibt Entscheidungen, die nicht wieder rückgängig
gemacht werden können, von denen vieles abhängt. Gerade ein sensibler und
nachdenklicher Mensch tut sich mit Entscheidungen oft schwer und hat Angst, eine
Fehlentscheidung zu treffen.
Diese empirischen Aussagen zur menschlichen
Psyche stelle ich einmal in den Raum, ohne sie weiter mit psychologischen
Forschungsergebnissen zu belegen, was methodisch sicher angebracht wäre. Ich
verlasse mich hier jedoch auf meine Selbstbeobachtung, und habe nicht die
Absicht, den Psychologen ins Handwerk zu pfuschen.
Die Frage ist, ob
andere diese Aussagen aus ihrer Erfahrung bestätigen können.
Dass die
menschliche Motivation und Selbststeuerung komplex und konfliktreich ist, zeigen
schon die zahlreichen, sehr differenzierten Wörter unserer Sprache, mit denen
wir verschiedene Ebenen und Quellen der Motivation vom dumpfen Triebimpuls bis
zur reiflich überlegten Willenserklärung unterscheiden können.
Wir
sprechen von Trieben, Impulsen, Leidenschaften, Ängsten und Hoffnungen,
Vorlieben und Abneigungen, Bedürfnissen, Wünschen, Affekten, Gefühlen,
Einstellungen, Gewohnheiten, Süchten, Beweggründen u. a. m., die alle unsere
Entscheidungen und unser Handeln bestimmen.
Wir stehen als Individuen vor
der Aufgabe, all diese Motivationen, die keineswegs alle in die gleiche Richtung
weisen sondern auch innerpsychische Konflikte darstellen können, in eine
Entscheidung umzusetzen, die wir möglichst nicht bereuen oder wieder umschmeißen
müssen.
Da ist es verständlich, wenn sich Individuen in Gemeinschaften
flüchten, wo Autoritäten ihnen diese Entscheidungen abnehmen, wo alles bereits
feststeht und wo alle in der Gemeinschaft es so machen.
Hier will ich
erstmal Schluss machen. Grüße an alle mehr oder weniger entscheidungsfreudigen
Philtalker von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
21. Aug. 2005, 22:32 Uhr
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Abrazo, über deine debilen Gedankengänge mag ich mir keine selbigen mehr machen.
Das verursacht nämlich Arbeit.
Zum Lösungsansatz. Wenn man den Willen als
notwendigerweise frei erklärt, schliesst diese Artikulation die moralische
Implikation die der Begriff des Willens mit sich führt mit ein.
Gott zum
Gruss
ludovico
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 22.
Aug. 2005, 00:00 Uhr
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Hi, ludovico,
Zum Lösungsansatz. Wenn man den Willen als notwendigerweise
frei erklärt, schliesst diese Artikulation die moralische Implikation die der
Begriff des Willens mit sich führt mit ein.
Toll. Großartig. Genial. Ich
bin zutiefst beeindruckt. Darauf wäre ich von selber nie gekommen.
Wer
von uns beiden ist eigentlich debil?
[grin]
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 22. Aug. 2005, 10:54 Uhr
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..... jetzt stellt euch einmal vor !
ihr wäret in einem irren
haus
und nur der wahn sinn wäre er wünscht
das wären dann die möglich
keiten von welchen ihr spricht ........
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
22. Aug. 2005, 15:47 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
mein Szenario (ich kann unter gleichen
Bedingungen verschiedene Handlungsmöglichkeiten realisieren) war noch ein
Nachtrag zum Bestehen mehrerer „objektiver“ Möglichkeiten des Handelns.
Dabei will ich nicht mehr und nicht weniger nachweisen, als dass ich berechtigt
bin zu sagen:
“Ich kann in dieser Situation die Handlungsalternative h1
tun, wenn ich es will, oder ich kann die Handlungsalternative h2 tun, wenn ich
es will.“
Oder etwas salopper ausgedrückt:
“Ich kann jetzt x tun
oder x lassen, ganz nach meinem Belieben.“
Das Szenario dient dem
Nachweis, dass diese Formulierungen keine Illusionen darstellen, sondern der
Sache angemessen sind.
Es dient dem Nachweis, dass es unangemessen ist zu
sagen: „Alles was Du tust, das musstest Du tun, weil Dein Tun - so wie alles
Geschehen - nach unveränderlichen Naturgesetzen abläuft.“
Wenn soweit
keine ernsthaften Gegenargumente auftauchen, können wir uns dem wählenden
Individuum zuwenden.
Am Beispiel der Erschießung eines Flüchtenden (E)
durch C könnte ich dann formulieren:
C hatte (mindestens) die zwei
(objektiven) Möglichkeiten, E in den Kopf zu schießen oder E in die Beine zu
schießen.
Wenn C gewollt hätte, hätte er E in die Beine schießen können.
C wollte E jedoch in den Kopf schießen und hat dies getan.
Allgemein
gesprochen hieße das:
C hätte anders handeln können, als er es getan hat,
wenn er nur gewollt hätte.
(Jetzt kommt die für uns zentrale Frage)
Aber hätte C denn anders wollen können?
(Meine Antwort darauf könnte
z.B. lauten:)
Ja, wenn C eine andere Kindheit gehabt hätte und nicht nur
ungeliebt herumgestoßen worden wäre (dies ist nur ein Beispiel), dann hätte er
nicht so bedenkenlos und ohne Mitgefühl ein Menschenleben ausgelöscht.
Das heißt: Auch der menschliche Wille ist im Prinzip veränderbar und unterliegt
bestimmten Einflussfaktoren.
Es grüßt Euch Eberhard.
p.s. Noch
eine Bemerkung zu der Kontroverse über Begriffsklärung. Ich neige der Position
von Ginger zu, bin jedoch der Meinung, dass eine explizite Definition erst dann,
notwendig wird, wenn wir tatsächlich aneinander vorbeireden, was bisher zum
Glück die Ausnahme ist.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
22. Aug. 2005, 18:51 Uhr
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Und schon wieder bist du am Witz vorbeigerasselt Abrazo. Du nimmst aber auch
jedes hingeworfene Stücklein dankbar auf. Also, ich lass es jetzt mal gut sein.
Wenn ihr allerdings weiterhin ohne den Faktor Zeit operiert, werdet ihr euch
noch selbst am Hintern kriegen. Das heisst eigentlich habt ihr das schon.
Alsbald, ludovico
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 22.
Aug. 2005, 19:53 Uhr
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Hi, zusammen,
ein umfangreiches Thema. Ich möchte zuerst einmal Eberhards
Thesen 'abarbeiten'.
Welchen Beruf will ich einmal ausüben? Welches Fach
soll ich studieren? Soll ich ihn bzw. sie heiraten?: All das sind wichtige
Fragen, wie ich mich angesichts verschiedener Möglichkeiten entscheiden soll
Advocatus diaboli:
Dieses Problem ist ganz einfach zu erklären:
Es
resultiert daraus, dass die Gesellschaft einen zu Entscheidungen zwingt, für die
noch gar keine individuellen Impulse vorhanden sind.
Der Fehler liegt an der
Gesellschaft: du sollst niemanden zu einer Entscheidung zwingen, wenn er dazu
gar keine Lust hat.
Die Frage ist, ob andere diese Aussagen aus ihrer
Erfahrung bestätigen können
Advocatus diaboli:
Natürlich können sie das.
In Schwulitäten kommen alle Menschen, die man grundlos zu Entscheidungen zwingt.
Wir stehen als Individuen vor der Aufgabe, all diese Motivationen, die
keineswegs alle in die gleiche Richtung weisen sondern auch innerpsychische
Konflikte darstellen können, in eine Entscheidung umzusetzen, die wir möglichst
nicht bereuen oder wieder umschmeißen
Advocatus diaboli:
Warum sollten
wir denn Entscheidungen nicht umschmeissen, vor allem dann, wenn sie erzwungen
wurden? Handelt es sich hier nicht um eine moralische Forderung der
Gesellschaft, die der Natur des Menschen nicht angemessen ist?
Da ist es
verständlich, wenn sich Individuen in Gemeinschaften flüchten, wo Autoritäten
ihnen diese Entscheidungen abnehmen, wo alles bereits feststeht und wo alle in
der Gemeinschaft es so machen.
Advocatus diaboli:
Warum zwingt denn
unsere Gesellschaft Menschen zu Entscheidungen? Warum zwingt sie sie dann zu
Entscheidungen, die sie gar nicht treffen wollen? Ist es nicht besser, ihnen
eine Verantwortung abzunehmen, die sie gar nicht haben wollen (Hitler)?
Es dient dem Nachweis, dass es unangemessen ist zu sagen: 'Alles was Du
tust, das musstest Du tun, weil Dein Tun - so wie alles Geschehen - nach
unveränderlichen Naturgesetzen abläuft.'
Ich glaube, du hast da einen
Gedankengang, den ich nicht habe. Nimm an, dein Wille wäre naturgesetzlich
determiniert. Was nichts an den objektiven Handlungsmöglichkeiten ändern würde.
Wie sähe die Sache mit dem Ablauf dann aus? Ich glaube, irgendwie fehlt mir da
noch ein Stück deiner Argumentationskette, um sie ganz zu verstehen.
Das
heißt: Auch der menschliche Wille ist im Prinzip veränderbar und unterliegt
bestimmten Einflussfaktoren
Gewiss. Aber ist nicht die Frage, ob daraus
folgt, dass man von einem freien Willen gar nicht sprechen kann?
Zu
deiner ginger-Bemerkung:
Ich stehe dazu gar nicht im Widerspruch, möchte nur
darauf hinweisen, dass es da zwei Methoden gibt. Die eine ist die, sich auf eine
bestimmte Bedeutung zu einigen. Unverzichtbar für den Dialog. Die andere aber
ist, auszubaggern, was denn mit diesem Wort gemeint ist. Die Diskussion über ein
solches Thema macht man unmöglich, wenn man da definiert oder sich auf eine
Bedeutung einigt. U.U. schneidet man dadurch die wichtigsten Fragen und Probleme
ab.
Ich bin zum Beispiel dagegen, hier Willen klar zu definieren.
Ich
habe heute einen Beagle beobachtet, dem die Krallen geschnitten wurden. Maul mit
einem Tuch zugebunden und den strampelnden, winselnden Kerl auf dem Schoß
festgehalten. Zweifelt einer, dass der Beagle das nicht wollte?
Andererseits
Sokrates, der, wie Platon berichtet, den Giftbecher trinken wollte und
Befreiungspläne ablehnte, aus Achtung vor dem Gesetz.
Schließlich
Aristoteles, der meinte, ein Sokrates würde reichen und sich davon machte. Auch
sein wohl überlegter Willen.
Bedenken wir, dass sie alle Lebewesen mit der
entsprechenden biologischen Programmierung sind, ergeben sich daraus doch
erhebliche Unterschiede in puncto Willen.
Wobei ich noch auf das Problem
Experimente hinweisen möchte: wenn advocatus diaboli meint, der Willen sei ein
psychisches Erlebnis, das dazu dient, eine aus biologischen Gründen getroffene
Entscheidung impulsiv zu verstärken, dann dürfen diese Entscheidungen von
Lebewesen zu Lebewesen prinzipiell nicht abweichen, von Art zu Art noch weniger,
und von Philosoph zu Philosoph müsste man Abweichungen erst mal mühsam erklären
können.
Das heißt: die Wiederholbarkeit eines Experimentes unter gleichen
Bedingungen ist individuell aufgrund des Einflusses des Faktors Zeit kaum
möglich, müsste aber, wenn es Gültigkeit beanspruchen will, bei gleichartigen
Individuen, bei denen gleiche Bedingungen herstellbar sind, wiederholbar sein.
M.E. ein triftiges Grundsatzproblem bei derartigen Experimenten.
Grüße
P.S.: Ich halte die Distanz für den zentralen Punkt, sowohl beim Thema
freier Willen als auch, damit zusammen hängend, beim Thema Bewußtsein.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
22. Aug. 2005, 21:04 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
ich kann den Einwänden von advocatus
diaboli nicht folgen.
Es mag sein, dass manche Entscheidungen gar nicht
dringlich sind und „ausgesessen“ werden können. Aber die meisten Entscheidungen
stehen unter einem Termindruck, weil im Zeitverlauf Alternativen verschwinden.
So ist für eine Frau die Frage, ob sie Kinder haben will, aus
biologischen Gründen nicht unbegrenzt aufschiebbar. Diese Zeitbegrenzung hat
keine sozialen Gründe.
Es mag sein, dass es manchmal besser ist, eine
Entscheidung wieder rückgängig zu machen, als an ihr starr festzuhalten. Aber
manche Entscheidungen lassen sich gar nicht oder nur unter großen Nachteilen für
einen selbst rückgängig machen.
Außerdem ist ein Mensch, der seine
Entscheidungen immer wieder umschmeißt, der also „nicht weiß, was er will“, kein
Partner, mit dem man kooperieren oder Vereinbarungen treffen möchte.
Du
bringst dann die Frage ins Spiel, „ob man von einem freien Willen überhaupt
sprechen kann“, wenn dieser Wille sozialen und anderen Einflüssen unterliegt
Da muss ich Dich doch fragen, wie Du die zwei Worte „freier Wille“
verstanden wissen willst.
Außerdem scheint es mir unumgänglich, dass wir
uns mit dem „ehernen Gesetz der Kausalität“ näher befassen. Dies ist ja die
Quelle für die These vom illusionären Charakter der Wahlmöglichkeiten.
Vielleicht kann jemand mal dies Prinzip darstellen und begründen.
Grüße
an alle von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 22.
Aug. 2005, 23:27 Uhr
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Hi, Eberhard,
was hast du denn mit unserem Advokaten für Probleme?
Wenn einer den Menschen als Objekt der Natur ansieht, der mit anderen Objekten
der Natur reagiert (und das tun de facto viele), dann muss er das auch
durchziehen. Und wenn man das durchzieht, kommt man nun mal zu dem Ergebnis,
dass die biologisch gesteuerten Reaktionen mit den gesellschaftlichen
Forderungen kollidieren. Dann kann eine Entscheidung ohne biologische Steuerung
gar nicht getroffen werden, d.h. entweder man folgt einer gesellschaftlichen
Forderung oder man 'lost', wenn man dazu gezwungen wird.
So ist für eine
Frau die Frage, ob sie Kinder haben will, aus biologischen Gründen nicht
unbegrenzt aufschiebbar. Diese Zeitbegrenzung hat keine sozialen Gründe.
Was
ist die Ursache des Problems? Die Empfängnisverhütung, nicht wahr? Und wie lange
gibt es die? Lange genug, dass die Biologie sich mit einem Reiz-Reaktions-Schema
anpassen konnte???
Qua Natur werden solche Entscheidungen nicht getroffen. Da
kommen die Kinder, produziert durch den Sexualtrieb, einfach so, ohne dass man
das entscheiden muss. Können Kinder verhindert werden, richtet sich die
Entscheidung nach der Stärke eines Muttertriebes (falls es den gibt) oder nach
gesellschaftlichen Anforderungen. Wenn beides ausfällt, gibt's eben keine.
kein Partner, mit dem man kooperieren oder Vereinbarungen treffen möchte.
Sag ich doch: sozialer Zwang. Belohnung und Strafe, das alte Prinzip, das
auch bei Herrn Hund funktioniert.
Was ich unter freiem Willen verstehe?
Gute Frage. Lass mich kurz antworten, frei ist mein Wille dann, wenn ich nicht
das will, was ich qua biologischer oder gesellschaftlicher Steuerung wollen
soll, sondern das, was ich aus eigener Überlegung für das Richtige halte - und
eben das setzt Distanz voraus, Distanz zu den Forderungen der Biologie, der
Gesellschaft usw. und damit die Fähigkeit, sie überhaupt als Forderungen zu
erkennen.
Die Voraussetzung dafür, dass das Subjekt überhaupt
Entscheidungsmöglichkeiten hat: es muss sie als Möglichkeiten erkennen können.
Wenn es das nicht kann, dann kann es auch nicht wählen, sondern lässt sich vom
stärkeren Impuls leiten.
Ich weiß nicht, ob es nötig ist, sich hier mit
dem Kausalitätsprinzip zu befassen. Ich bezweifle das.
Nachtgruß,
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 23. Aug. 2005, 10:50 Uhr
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> Der Fehler liegt an der Gesellschaft: du sollst niemanden zu einer
Entscheidung zwingen, wenn er dazu gar keine Lust hat.
....
katastrophen sind aber keine privat sache
auch wenn die regierung gerade zu
dies vor gibt .........
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
23. Aug. 2005, 19:43 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
Du schreibst:
“Frei ist mein
Wille dann, wenn ich nicht das will, was ich qua biologischer oder
gesellschaftlicher Steuerung wollen soll, sondern das, was ich aus eigener
Überlegung für das Richtige halte.“
Hier stellt sich die Frage, wieweit
man sich von biologisch bestimmten Motiven, die zu unserem genetischen Erbe
gehören, distanzieren kann.
Und es stellt sich die Frage, wieweit man
sich von der eigenen Erziehung und Sozialisation frei machen kann.
Es
heißt: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, …
… aber wir sind keine
Äpfel.
Wir können uns selbst beobachten, wir können uns die Motive
unseres Handelns bewusst machen, wir können Rationalisierungen und
Selbsttäuschungen aufdecken.
Wir können die uns anerzogenen
Verhaltensweisen kritisch überdenken, wir können die eigenen Eltern und
bestimmte Traditionen kritisch sehen, wir können selber neue Werte und Normen
formulieren und wir können andere Lebensformen ausprobieren, die den veränderten
Lebensbedingungen besser Rechnung tragen.
Das heißt: Wir können uns - in
Grenzen – selbst erziehen.
Eine solche Autonomie der Individuen ist erst
in den modernen Gesellschaften möglich geworden und auch dort alles andere als
die Regel.
Die Frage ist, wo die Grenzen und Gefahren dieser
experimentellen Art zu leben liegen.
Die menschliche Natur ist nicht
beliebig formbar und jede Generation baut notwendigerweise auf den Leistungen
früherer Generationen auf.
Es grüßt Dich und alle Interessierten
Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 24. Aug. 2005, 09:48 Uhr
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> Das heißt: Wir können uns - in Grenzen – selbst erziehen.
........ es gibt natürlich grenzen
diese selbst er ziehung an andere weiter
zu geben !
wie ge habt .....
aber prinzipiell keine grenzen der
eigen er zieh bar keit !
dies setzt ein wesen sich selbst .........
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 24.
Aug. 2005, 17:00 Uhr
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..... jetzt stellt euch einmal vor !
ihr wäret in einem irren haus
und nur der wahn sinn wäre er wünscht
das wären dann die möglich keiten
von welchen ihr spricht ........
Es geht aber nicht darum, was erwünscht
ist, homo sapiens, es geht darum, was wahr ist. Um das zu erkennen braucht man
Distanz, sowohl sich selbst gegenüber als auch anderen gegenüber. Denn beide, du
und die anderen, können sich irren. Doch um das festzustellen, muss man aus
seinem eigenen Kreis heraustreten können. Man muss mit anderen reden. Man muss
Argumente austauschen und sorgfältig prüfen, was denn nun stimmt. Und darf dabei
keine Rücksicht nehmen auf das, was man sich selbst wünscht oder was man selbst
gerne hätte. Und auch nicht auf das, was andere wünschen oder gerne hätten.
Denn, wie gesagt, irren können sich beide.
........ es gibt natürlich
grenzen
diese selbst er ziehung an andere weiter zu geben !
wie ge
habt .....
aber prinzipiell keine grenzen der eigen er zieh bar keit !
dies setzt ein wesen sich selbst .........
Warum soll man denn seine
Selbsterziehung an andere weitergeben? Doch wohl nur, wenn man meint, die
absolute Wahrheit gepachtet zu haben. Das aber ist ein Irrtum. Niemand kennt die
absolute Wahrheit, auch du nicht. Wer glaubt, er kenne die absolute Wahrheit und
habe deswegen das Recht, andere zu ihr zu erziehen, ist anmaßend und bekommt
deswegen von anderen zu Recht Tritte vors Schienbein. Manchmal sind solche
Tritte heilsam, denn manchmal zwingen sie zu überlegen, ob man sich nicht irrt.
Es ist immer schlecht, die Welt, wie sie ist, abzulehnen und sich statt
dessen in eine irreale Scheinwelt zu flüchten. Man braucht Essen und Trinken und
Luft zum Atmen, schon das kann eine Scheinwelt nicht bieten. Man kann in ihr
nicht leben. Und weil die meisten Menschen das genau wissen, ist der Versuch
sinnlos, sie in die eigene Scheinwelt hinein erziehen zu wollen. Wenn Menschen
etwas absolut nicht mitmachen wollen, sollte das ein Anlass sein zu überlegen,
ob man nicht mit seinen Vorstellungen völlig falsch liegt.
[balloon]
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 24.
Aug. 2005, 20:55 Uhr
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Hi, Eberhard,
Eine solche Autonomie der Individuen ist erst in den
modernen Gesellschaften möglich geworden und auch dort alles andere als die
Regel.
Damit wäre ich vorsichtig. Ich denke, autonom waren Menschen auch in
früheren Zeiten.
Liegt nicht in dem simplen Satz 'ich habe Hunger'
bereits eine Distanzierung? Denn ich betrachte mich hier selbst als Objekt, an
dem ich ein bestimmtes Gefühl wahrnehme.
Andererseits kann dieser Satz
weitergegeben werden. Er kann gelehrt und gelernt werden. Und kann, wenn er
gelernt wurde, die gleiche Funktion haben wie 'Sitz' oder 'Fuß' beim Hund: ein
Signal, von dem bestimmte Reaktionen erhofft werden oder das bestimmte
Reaktionen gewohnheitsmäßig zur Folge hat.
Wenn mein Hund Hunger hat,
sagt der dasselbe in anderer Sprache: er stuppst mich mit der Schnüss an. Ein
Signal, Ausdruck eines Gefühls. Es erfordert keine Selbstdistanzierung.
Ich frage mich, ob nicht die freie Willensentscheidung sich auf die Entscheidung
für oder wider die Selbstdistanzierung beschränkt.
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 25. Aug. 2005, 10:02 Uhr
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> Es geht aber nicht darum, was erwünscht ist, homo sapiens, es geht darum, was
wahr ist.
....... das genau ist meine ganze aus sage !
daß
ihr von einem massen irr glauben aus geht
und euch nur mit andern irr
gläubigen unter hält
anstatt die wahr heit zu suchen ......
> Warum soll man denn seine Selbsterziehung an andere weitergeben? Doch wohl
nur, wenn man meint, die absolute Wahrheit gepachtet zu haben.
.... natür lich sollte mensch
eine weiter ent wickelung weiter geben !
wenn es denn je eine mensch heit geben sollte .....
> Doch
wohl nur, wenn man meint, die absolute Wahrheit gepachtet zu haben. Das aber ist
ein Irrtum. Niemand kennt die absolute Wahrheit, auch du nicht.
....
be weisen !!!! ...... argumente !!!
keine dumme polemik .....
wider
lege eine meiner aus sagen !
> Wer glaubt, er kenne die absolute
Wahrheit und habe deswegen das Recht, andere zu ihr zu erziehen, ist anmaßend
und bekommt deswegen von anderen zu Recht Tritte vors Schienbein.
..... sagen immer die irr gläubigen !
die in einem massen schwach sinn ge
fangen ....
> Manchmal sind solche Tritte heilsam, denn manchmal
zwingen sie zu überlegen, ob man sich nicht irrt.
...... dann
tue es doch end lich !
frage dich ?
ob du dich nicht mit allen andern
zu sammen
> irrst < ....
weil ich denke seit einer ewig keit
darüber nach
und er kenne mich immer als
der einzig richtige
............
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
25. Aug. 2005, 12:55 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
vielleicht ist es sinnvoll, noch einmal
zu fragen, warum es überhaupt wichtig ist zu wissen, ob unser Willen frei ist
oder unfrei.
Der Gedanke, dass das, was ich will, bedingt ist durch
meine biologische Natur und meine Lebensgeschichte, hat für mich erstmal nichts
Negatives.
Es wird nur dort zum Problem, wo ich mich mit Bereichen
meiner Person nicht identifizieren kann. Zum Beispiel, wenn ich in bestimmten
Situationen Hemmungen, Ängste oder Schuldgefühle habe, die ich bei nüchterner
Überlegung für völlig unbegründet halte, die ich mir aber aus meiner
Kindheitsgeschichte erklären kann.
Oder wenn ich in mir „atavistische“
Neigungen zum „Stammesdenken“ verspüre, die ich bei nüchterner Überlegung für
unangebracht halte, die ich mir aber als Erbschaft aus Millionen Jahren
Menschheitsgeschichte gut erklären kann.
Problematisch empfinde ich es
also, wenn ich mich selber nicht in der Weise steuern kann, wie ich es bei
vernünftiger Überlegung eigentlich möchte. Oder anders ausgedrückt: Probleme
bestehen dort, wo ich im Konflikt liege mit „eigenen“ Motiven in mir, mit denen
ich mich nicht identifizieren kann.
Außerdem spielt die Freiheit des
Willens eine Rolle bei der Rechtfertigung von Strafen.
Gewöhnlich sieht
man die Bestrafung eines Menschen für eine Normverletzung nur dann als
gerechtfertigt an, wenn dieser die Normverletzung auch hätte unterlassen können.
Wenn der menschliche Wille jedoch durch die gegebenen Bedingungen festgelegt
ist, hatte der Täter keine Möglichkeit, anders zu handeln als er es getan hat.
Nach dieser Auffassung ist sinnlos, jemandem für ein normwidriges
Handeln zur Verantwortung zu ziehen, ihm dafür die Schuld zu geben und ihn zu
bestrafen, wenn er dies normwidrige Handeln gar nicht unterlassen konnte.
Diese Auffassung halte ich in dieser Form nicht für richtig.
Eine
Norm, die ein bestimmtes Verhalten, z.B. Körperverletzung, als gegen das
allgemeine Interesse gerichtet verbietet, soll durchgesetzt werden. Eine
Möglichkeit hierfür ist die Sanktionierung dieser Norm durch eine Strafandrohung
gegen mögliche Normverletzer.
Die Strafandrohung beeinflusst den Willen
zur Normverletzung. Sie verringert die Attraktivität einer Normverletzung und
verringert damit die Häufigkeit von Normverletzungen.
Die Bestrafung von
Normverletzern ist dadurch bereits gerechtfertigt, denn eine Verringerung der
Normverletzungen ist im allgemeinen Interesse.
Ich benötige also für die
Rechtfertigung einer Bestrafung keine Annahmen über die Willensfreiheit.
Allerdings macht die Bestrafung keinen Sinn, wenn dadurch die Häufigkeit von
Normverletzungen nicht verringert wird, weil der Normverletzer bereits den
Willen zur Befolgung der Norm hat, und die Normverletzung versehentlich oder
unwissentlich begangen wurde.
Es grüßt Dich und alle Interessierten
Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von ludovico am
25. Aug. 2005, 18:23 Uhr
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Zitat Eberhard:
"Allerdings macht die Bestrafung keinen Sinn, wenn dadurch
die Häufigkeit von Normverletzungen nicht verringert wird, weil der
Normverletzer bereits den Willen zur Befolgung der Norm hat, und die
Normverletzung versehentlich oder unwissentlich begangen wurde."
Und
das Eberhard kommt im wesentlichen daher, dass du die Zeit unberücksichtigt
gelassen hast. Der Wille zur "Befolgung der Norm" nach einer nachgewiesenen
Straftat dem zutreffenden Kanditaten bezüglich, hat allenfalls strafmilderne
Folgen. Auch schützt Nichtwissen der "Norm" nicht vor einer Strafe. Auch hier
kann allenfalls eine Strafmilderung zum tragen kommen. Bei einem Versehen
spricht man üblicherweise von einem Unfall.
Ein so am Rande mitlesender
ludovico
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 25.
Aug. 2005, 20:15 Uhr
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Hi, Homo Sapiens,
nein, schau mal hier:
daß ihr von einem massen irr
glauben aus geht
und euch nur mit andern irr gläubigen unter hält
Das
ist eine Behauptung von dir. Die musst erst mal du beweisen.
Und auch diese
Behauptung von dir:
.... natür lich sollte mensch
eine weiter ent
wickelung weiter geben !
Und dann solltest du noch erklären, wieso du von
Menschheit reden kannst, wenn du meinst, es gäbe sie gar nicht. Oder erklären,
was du mit Menschheit meinst.
So sind hier die Spielregeln.
[smiley=wavey.gif]
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 25.
Aug. 2005, 20:57 Uhr
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Hi, zusammen, hi Eberhard,
interessant wäre es doch, mit welchen
Bereichen der eigenen Persönlichkeit man sich nicht identifizieren kann - ich
würde sagen, nicht einverstanden ist - und warum. Wobei die Frage nach dem Warum
noch viel interessanter ist. Warum sollst du denn einem Fremden keinen Tritt in
den Hintern verpassen? Warum sollst du dir denn nicht das nehmen, was du haben
willst, wenn dich keiner daran hindern kann? Gibt es dafür einen vernünftigen
Grund? Klar, wenn man will, kann man alles begründen. Aber nur dann, wenn man
unterschlägt, dass es vielleicht auch andere Möglichkeiten gibt.
Oder
wenn ich in mir 'atavistische' Neigungen zum 'Stammesdenken' verspüre, die ich
bei nüchterner Überlegung für unangebracht halte, die ich mir aber als Erbschaft
aus Millionen Jahren Menschheitsgeschichte gut erklären kann
Meinst du nicht,
dass es für diese Erbschaft einen vernünftigen Grund geben könnte? Warum lehnst
du sie dann ab? Warum ist sie ein Problem für dich?
Ist das, was du dir dazu
vernünftig überlegst, wirklich vernünftig? Oder könnte es sein, dass du das, was
dir 'die Natur' sagt, einfach ganz unvernünftig nicht willst? Dass alles, was
wir Humanität nennen, diesem unvernünftigen, unnatürlichen Willen entstammt?
Und auch mit den Rechtsnormen scheint das gar so einfach nicht zu sein. Es
gibt da so einen Ausdruck im Strafrecht, der nennt sich untauglicher Versuch.
Zum Beispiel, wenn ein Mann seiner Ex, die ihm vorgegaukelt hat, schwanger zu
sein, in den Bauch tritt, um das Kind abzutreiben. Geht gar nicht. Weil sie
nicht schwanger ist. Ist aber trotzdem strafbar. Warum? Weil, nun, eine böser
Wille dahinter steckt. Umgekehrt ist Irrtum in der Nothilfe nicht strafbar, weil
da ein guter Wille hinter steckt.
Warum ist es wichtig zu wissen, ob
unser Wille frei ist oder unfrei?
Ich denke, es ist ein altes Problem der
Philosophie, das in unterschiedlichen Gewändern immer wieder aufgetaucht ist
(und heimlich verschwiegen wurde): wenn der Wille nicht frei ist, dann gibt es
auch keine Ethik. Dann gibt es zwar gesellschaftliche Moralen, aber die sind
bekanntlich wandelbar und verschieden.
Plastisch gesagt: wenn der Wille nicht
frei ist, dann sind gesellschaftliche Systeme wie der Nationalsozialismus ok.
Ich weiß nichts, was dagegen spricht - außer, dass Menschen das nicht wollen.
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
26. Aug. 2005, 07:09 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
Du schreibst in Deinen letzten
Beiträgen:
"Frei ist mein Wille dann, wenn ich nicht das will, was ich
qua biologischer oder gesellschaftlicher Steuerung wollen soll, sondern das, was
ich aus eigener Überlegung für das Richtige halte.
Wenn der Wille nicht
frei ist, dann gibt es auch keine Ethik. Dann gibt es zwar gesellschaftliche
Moralen, aber die sind bekanntlich wandelbar und verschieden."
Ich
will versuchen, meine eigene Sicht dagegen zu setzen, im zu sehen, ob unsere
Ansichten differieren.
Zu den Rahmenbedingungen unseres Daseins, unseren
Antrieben und Fähigkeiten.
Einig sind wir uns wohl darin, dass das, was
ein Mensch will, von den verschiedensten Bedingungen abhängt: vor allem von
seinem biologischen Erbe und seiner sozialen Umwelt. Wir haben angeborene Triebe
wie Hunger, Sexualität, Angst, Ekel, Eifersucht, Geltungsstreben und wir
verinnerlichen in einem Sozialisationsprozess Normen und Werte der Gesellschaft
und ihrer Subkulturen, in denen wir aufwachsen.
Außerdem haben wir
angeborene Fähigkeiten des Spracherwerbs, der sinnlichen Wahrnehmung und der
Informationsverarbeitung, die es uns ermöglichen, in einem Lernprozess das
kulturell angehäufte Wissen uns anzueignen. Wir haben die Fähigkeit, über uns
selbst und über unsere Stellung in der Gesellschaft und in der Natur
nachzudenken. .
Unter diesen Rahmenbedingungen können wir uns als
Individuen ein eigenes Bild von der Welt machen und uns eigene Ziele setzen, die
mit denen unserer Eltern, Lehrer oder Nachbarn nicht identisch sind.
Wenn
diese grobe Skizze der condition humaine akzeptiert wird, kann ich weiter gehen.
Einen Willen, der frei von Einflüssen aus der uns umgebenden Welt ist, kann
es für ein menschliches Individuum danach nicht geben.
Frei kann mein
Wille nur insofern sein, als er selbstbestimmt und nicht fremdbestimmt ist.
Dabei kann „selbstbestimmt“ nicht heißen, dass das was wir wollen, nur von
uns selber bestimmt wird, ohne jegliche Einflüsse von außen. Denn das Individuum
hat sich ja nicht selbst erzeugt, es hat sich aus den Genen seiner Eltern und
den Hilfestellungen seiner sozialen Umwelt zum selbständigen handlungs- und
denkfähigen Menschen entwickelt, der sagen kann: Das bin ich, So bin ich. Das
ist meine soziale und kulturelle Herkunft. Das hat mich beeinflusst und zu dem
gemacht, was ich heute bin.
Da ein Mensch denkfähig ist, kann er auch
fragen, wie diese verschiedenen Einflüsse, die er durch seine Umwelt mitbekommen
hat, zueinander passen.
Ich bemerke dann z.B. eine emotionale Gruppen-
und „Wir“- Orientierung und ein „Stammesdenken“ in mir, die angesichts der
großen Probleme, die nur im globalen Maßstab zu lösen sind, eher hinderlich und
schädlich ist. Ich denke da an die Zerstörung der Ozonschicht, den
Treibhauseffekt oder die Arsenale an Wasserstoffbomben und Raketen.
Diese
Stammesmentalität steckt in mir drin, und sie hatte in den Jahrmillionen, in
denen meine Ahnen in Stammesverbänden lebten, sicherlich ihre Funktion in der
Daseinsbewältigung und Selbsterhaltung. Aber wenn man heute diese archaischen
Emotionen und Verhaltensmuster ungebremst weiter auslebt, dann ist unser
Raumschiff Erde bald unbewohnbar. Also lebe ich meine atavistischen Emotionen
lieber beim Volleyball aus, wo mit dem Gegner gekämpft wird und am Ende
Siegesgeschrei zu hören ist. Außerdem ist das eine Möglichkeit, der modernen
Bewegungsarmut entgegenzuwirken, für die unser Körper nicht geeignet ist und die
ihn krank macht.
Dies als ein Beispiel, wie das Individuum sich aufgrund
vernünftiger Einsicht von genetisch verankerten eigenen Motivationen
distanzieren kann.
Um Deine Formulierung abzuwandeln:
Frei im Sinne
von selbstbestimmt ist mein Wille dann, wenn ich nicht das will, was ich qua
biologischem Erbe mitbekommen habe, sondern das, was ich aus eigener Überlegung
für das Richtige halte.
Soviel fürs Erste. Zur Möglichkeit von Ethik
komme ich noch.
Bis dann, Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 26. Aug. 2005, 09:47 Uhr
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> nein, schau mal hier:
daß ihr von einem massen irr glauben aus geht
und
euch nur mit andern irr gläubigen unter hält
Das ist eine Behauptung von dir.
Die musst erst mal du beweisen.
..... du be weist sie doch selber
jetzt
und immer fort
und be vor !
warum sollte ich das auch noch
tun ?
ich könnte das genauso mit einem dr mengele ver suchen ....
> Und auch diese Behauptung von dir:
.... natür lich sollte mensch
eine
weiter ent wickelung weiter geben !
Und dann solltest du noch erklären, wieso
du von Menschheit reden kannst, wenn du meinst, es gäbe sie gar nicht. Oder
erklären, was du mit Menschheit meinst.
..... wie dumm kannst du denn
noch werden ?
ach ja
es helfen dir doch so viele millionen damit !
weil sicher bin > ich< mensch !
und eine mensch heit gibt es auch
aber
leider nicht auf dieser welt .....
> So sind hier die Spielregeln.
....... ein menschen würdiges leben ist aber kein spiel !
nur
spieler wie euer bundes kanzler
haben spiel regeln !
menschen haben
charakter
und eine ethik ...........
euer ganzes problem be steht
darin ...
daß ihr leider
wider euerer ein ge bildeten be schreibung
keine homo sapiens seid !
sondern kriminelle wesen
die mit ihrer
kriminellen gruppe
damit konkurieren jeden homo sapiens zu ignorieren
defamieren
ver zweifeln
deshalb der kriminelle verein weiter
perpetiert werden kann !
und natür lich die welt zer stört ..........
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 26.
Aug. 2005, 22:34 Uhr
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Hi, zusammen, hi Eberhard,
so ganz bin ich mit dem nicht einverstanden,
was du im ersten Teil schreibst. Du drückst es aktivisch aus; ich meine, man
sollte es überwiegend passivisch ausdrücken, sonst kommt man aufs falsche Gleis.
Einen Teil des kulturellen Wissens eigenen wir uns an. Der größere Teil aber
wird uns angeeignet. Ebenso machen wir uns kein Bild von der Welt. Unser (klar,
individuelles, aber in groben Zügen auch gesellschaftliches) Weltbild entsteht.
Denn es hängt zunächst einmal davon ab, was wir überhaupt von der Welt
wahrnehmen.
Wir nehmen die Daten wahr und damit auf, die uns von der
Außenwelt geboten werden. Oder die Reaktionen unserer Innenwelt auf Reize aus
der Außenwelt. Aus diesen Daten konstruieren wir ein logisches Weltbild, aber
nicht, weil wir das so wollen, sondern weil wir gar nicht anders als logisch
denken können. Das logische System Weltbild, das sich aus unseren Daten ergibt,
ist zwingend.
Unsere aktiven Fähigkeiten liegen m.E. darin, dieses
Weltbild kritisch zu betrachten, zu prüfen auf Übereinstimmung mit den uns jetzt
zugänglichen Wahrnehmungen und Tatsachen und es ggf zu korrigieren. Von daher
können wir mit unserem Weltbild so verfahren, wie mit der Welt selbst:
überlegen, ob wir damit einverstanden sind, wie es ist, oder ob wir es nicht
lieber ändern wollen. Was allerdings die Fähigkeit zur Distanz voraussetzt. Denn
wenn mir mein Weltbild so selbstverständlich ist, dass mir die Möglichkeit von
Alternativen gar nicht in den Sinn kommt, komme ich gar nicht auf die Idee, dass
es da etwas zu prüfen geben könnte.
Einen Willen, der frei von Einflüssen
aus der uns umgebenden Welt ist, kann es für ein menschliches Individuum danach
nicht geben.
Es kann ihn nicht nur danach nicht geben, es kann ihn überhaupt
nicht geben. Denn 'ich will das' geht nur, wenn es ein Das gibt. Ohne Welt kein
Wille. Ohne Hunger kein Säuglingsgeschrei. Davon auszugehen, ein freier Wille
setze im Idealfalle ein von nichts beeinflusstes leeres Bewusstsein voraus, ist
danach Unsinn, weil Bewußtseinsinhalte die Voraussetzung dafür sind, überhaupt
etwas wollen zu können. Ein leeres Bewußtsein will nichts.
Exkurs:
kritischer Punkt in der Mystik. Aber darauf will ich hier nicht eingehen.
Das heißt: wenn wir von einem freien Willen sprechen wollen, müssen wir
voraussetzen, dass er sich auf etwas Vorhandenes bezieht, auf dessen
Vorhandensein wir primär keinen Einfluss haben. Anders gesagt: der freie Wille
muss sich notwendigerweise auf etwas bereits Gegebenes beziehen. Weil es sonst
Unsinn wäre, vom Willen zu reden. Daraus folgt: das Gegebene negiert den freien
Willen nicht, es schafft ihn geradezu.
Frei kann mein Wille nur insofern
sein, als er selbstbestimmt und nicht fremdbestimmt ist.
Was ist, das
Vorhergehende bedacht, damit gemeint? Ich muss gestehen, dass ich es nun
eigentlich nicht mehr verstehe. Selbstbestimmt und fremdbestimmt schnurren
sozusagen zu Bezeichnungen für zwei unterschiedliche psychische Eindrücke
zusammen. Ist denn mein Wille fremdbestimmt, wenn ich den Eindruck habe, er wäre
es? Ist er selbstbestimmt, wenn ich den Eindruck habe, er wäre es? Habe ich es
hier erwähnt, den Epileptiker, der bei einer Gehirnoperation aufgrund eines
entsprechenden Reizes den Arm hob und, gefragt warum, sagte, weil er es gewollt
habe? Offenbar hatte er den psychischen Eindruck 'selbstbestimmt' - und der war
falsch. Umgekehrt könnte Kants kategorischer Imperativ den psychischen Eindruck
fremdbestimmt hervorrufen; wäre der richtig? Mir erscheint es jedenfalls nicht
zuverlässig, sich darauf zu verlassen.
Das bin ich, So bin ich.
Das
bin ich nicht. Ich bin der, der das sagt. Bin ich auch der, der will? Was die
Frage nach dem Was und Warum außerordentlich schwierig machen würde.
Schau, was du tust, wenn du lieber Volleyball spielst: du steuerst deine
erkannten natürlichen und damit ohne Schaden nicht abstellbaren Bedürfnisse in
vernünftige Bahnen. Mache ich mit Herrn Hund auch. Ich regiere Herrn Hund. Und
ich regiere mich - eigentlich nicht viel anders.
Und immer wieder komme
ich zu dem Ergebnis, dass die Distanz der zentrale Begriff ist. Und dass genau
sie die Voraussetzung für den freien Willen ist, denn im Grunde ist es egal, ob
ich mich zur Außenwelt in überlegende Distanz begebe oder zu mir selbst bzw dem,
was ich als zu mir selbst gehörend erkannt habe. Und dass die primäre
Willensentscheidung die Entscheidung für die Distanz ist.
Womit sich die
Frage nach der Alternative stellt und unter welchen Voraussetzungen ich das eine
oder andere überhaupt wollen kann.
Ich weiß es nicht, aber ich fürchte
die Möglichkeit, in meinem Schrieb könnten ein paar schwierige Sachen drin sein.
Deswegen reicht mir das für heute.
Gruß an alle, die sich so was antun
wollen
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 27. Aug. 2005, 10:32 Uhr
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..... für menschen gibt es nur eine möglich keit
frei zu sein
menschen würdig leben ......
und das wäre in einer mensch heit !
die in einer öffent lichen diskusion
sinn volle lösungen aus arbeitet für die
zu kunft !
aber das interessiert kein schwein ............
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 27.
Aug. 2005, 12:40 Uhr
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Hi, Homo sapiens,
na, was machen wir denn gerade?
Aber bedenke, die
Welt ist groß und vielfältig und kompliziert. Niemand weiß alles und niemand
kann alles machen.
Die Philosophie baut keine Luftschlösser und gibt keine
Gesetze. Die hockt unten im Keller und passt auf, dass das Ganze auch auf
soliden Fundamenten steht.
Deswegen: wenn du was behauptest, kriegst du die
Antwort: beweis mal.
Und wenn du einem Philosophen sagst, er sei dumm,
kriegst du die Antwort: gut möglich, aber dann erklär das doch mal einem Dummen.
:-)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
27. Aug. 2005, 21:41 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Abrazo,
ich will noch mal zurückkommen auf Deinen
Satz:
"Wenn der Wille nicht frei ist, dann gibt es auch keine Ethik. …
dann sind gesellschaftliche Systeme wie der Nationalsozialismus ok. Ich weiß
nichts, was dagegen spricht - außer, dass Menschen das nicht wollen."
Meiner Ansicht nach kann überhaupt nicht mehr gegen etwas sprechen, als dass
Menschen das nicht wollen.
Jedes Sollen entspringt doch einem Wollen.
Wenn ich sage: "Ich will nicht, dass du weggehst", so kann ich den Inhalt dieses
Wollens durch ein Sollen ausdrücken: "Du sollst nicht weggehen."
Ein
Sollen, das nicht von irgendeinem Subjekt gewollt wird, ist absurd.
Um es
zugespitzt zu formulieren:
Was wir als Einzelne ethisch sollen, ist das,
was wir alle gemeinsam wollen.
Das ist das ganze Mysterium der Moral,
wenn man davon ausgeht, dass es keine übermenschlichen Wesen gibt, deren Wille
uns Befehl ist.
Mit dieser ketzerischen These grüßt Dich und alle
Interessierten Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
28. Aug. 2005, 06:13 Uhr
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Hallo Eberhard, Abrazo incl. Herrn Hund u.a.,
die von Abrazo genannte Distanz
ist die eine Voraussetzung für das Erkennen der Wirklichkeit. Da haben wir
Menschen ein gutes Instrument.
Wir versauen uns jedoch meines Erachtens den
klaren Blick, wenn wir nicht willenlos und neutral auf das schauen, was wir dann
sehen. Mit Ethik, Moral, Wollen und Sollen sehen wir wir dann genau das, was wir
vermutet hatten.
Lasst uns doch mal ohne irgendwelche Erwartungen die Welt
und uns betrachten.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
28. Aug. 2005, 07:55 Uhr
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Hallo Doc Rudi,
wenn wir die Welt mal ganz ruhig und aus der Distanz
sehen, dann sehen wir, dass Menschen wollende Wesen sind, dass sie sich mit
ihrem Wollen in die Quere kommen und dass dies zu Ereignissen führt wie
Weltkrieg I und II.
Und wenn wir die 25 Millionen Toten aus der Distanz
und ganz in Ruhe betrachten, dann dämmert es vielleicht, dass man sich über das,
was Menschen können, wollen und sollen Gedanken machen muss,
meint (Doc)
Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
28. Aug. 2005, 09:20 Uhr
--------------------------------------------------------------------------------
ja Eberhard,
da stimme ich zu.
Mein Nicht-wollen bezog sich ja auf den
Zustand des Betrachters.
Wenn wir die Welt betrachten, sollten wir neben der
räumlichen auch eine emotionale Distanz haben, um neutral zu sehen.
Was das
Beobachtete oder das Zubeobachtende (die Menschen) anbetrifft, würde ich erst
einmal sagen: die Menschen bewegen sich da und schlagen sich gegenseitig die
Köpfe ein.
Dann kommt jedoch bereits Hypothetisches ins Spiel: die Annahme
des Willens. Auch das kann man machen, ich mache es ja auch, dass ich sage: wenn
sich etwas bewegt, muss da etwas sein, was die Bewegung verursacht (von außen
oder innen), und das nenne ich
Kraft (wenn es sich um nichtlebende Objekte
handelt)
oder
Willen (wenn es sich um lebende Objekte handelt),
die
ich als Subjekt betrachte.
Die nächste Frage wäre: wo kommt das Wollen, der
Wille her?
Da kennst Du meine Antwort bereits:
Der Wille kommt aus unserer
genetisch gespeicherten Verhaltensprogrammierung.
Das Ziel dieses Willens
ist: die Weiterexistenz, das Überleben und das Weiterentwickeln dieser Gene.
Denn diese überleben immer, egal, welche Kriegspartei die andere ausrottet.
Da wird mir dann schnell Sozialdarwinismus unterstellt.
Da kann ich nur
sagen: Das Urteil emotional beobachtender Zeitgenossen ist zwar aller Ehren
wert, aber so werden sie die Wirklichkeit nie sehen können.
Du kennst auch
meine nächste Schlussfolgerung, die da lautet:
Dieses Morden (der Krieg) ist
das Instrument der Evolution genetisch gespeicherter Daten, und es ist
überflüssig, da der Mensch inzwischen Wissenschaft betreibt und seine
Erkenntnisse hirnextern speichert. Damit ist die Evolution der genetischen
Datenspeicherung und ihre Methoden: Staatenbildung, Waffenprodukton und
Kriegsführung, überflüssig.
Und alles, was überflüssig geworden ist, wird
verschwinden.
Die Verwirklichung (Entwirklichung) der Wahrheit schreitet
voran und Staaten in ihrer außenpolitischen Funktion werden verschwinden.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 28. Aug. 2005, 12:38 Uhr
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Hallo Eberhard und Doc Rudi!
Nur ein kurzer Einwurf:
So
unscharf, wie Ihr den Begriff des Wollens verwendet, geht er fließend über in
"bedürfen", "begehren", "brauchen", "nötig haben", "umgetrieben werden"... Aber
was sagt man dann, wenn man den Menschen als "wollendes Wesen" bezeichnet? Ist
dann nicht auch eine Qualle ein "wollendes Wesen"?
Mir scheint, dass der
Begriff des Willens nur dann einen spezifischen Sinn hat, wenn man ihn an die
Fähigkeit des Überlegens, des Abwägens und Entscheidens bindet und ihn damit in
den Umkreis des Handelns stellt. Dabei sollte aber auch das unterlassbare
"Handeln" vom "blinden", "triebhaften" oder reflexartigen "Verhalten"
unterschieden werden.
Schöne Grüße
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 28.
Aug. 2005, 13:57 Uhr
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Hi, zusammen,
Urs hat schon recht: wir müssen sorgfältig bestimmen, wovon
wir gerade reden.
Eberhard schreibt:
Was wir als Einzelne ethisch
sollen, ist das, was wir alle gemeinsam wollen
Damit habe ich eine
Schwierigkeit: ich habe nämlich noch kein ethisches Sollen ausmachen können. Das
einzige, auf das ich mich hier festlegen kann, ist das ethische Nein, das
ethische Nicht-Wollen.
Beispiel: die Moral verlangte über Jahrhunderte
freudige Kampfbereitschaft im Krieg für Volk und Vaterland. Nicht nur bei uns.
Nach Ansicht der Islamisten geht der Märtyrer umgehen ins Paradies ein. Also
eine hoch moralische Angelegenheit: du sollst dein Leben im Kampf für den Islam
opfern (und dabei so viele wie möglich mitnehmen). Normal. Kennen wir eigentlich
aus der eigenen Kultur.
Denken wir an die Kriegsdienstverweigerer vergangener
Zeiten. Was hatten die in der Gewissensbefragung letztlich der allgemeinen Moral
anderes entgegen zu setzen als ihr Nicht-Wollen?
Moral und Ethik werden
meist synonym verwendet. Dass das nicht richtig ist zeigt sich, wenn die Ethik
sich gegen die Moral, gegen das moralische Sollen wendet.
Ich würde dir,
Eberhard, also nur teilweise Recht geben: Ethik ist das, was wir alle gemeinsam
nicht wollen.
Im Gegensatz zur Moral. Die ist das, was alle gemeinsam
wollen. Damit ist noch lange nicht gesagt, ob Moral das ist, was wir alle
gemeinsam wollen. Was die bürgerliche Gesellschaft gemeinsam will unterscheidet
sich von dem, was z.B. die Junkie-Szene gemeinsam will und entsprechend
unterscheiden sich die Moralen. Welche Moral die herrschende ist, wird dann
letztlich zu einer Machtfrage.
Du meinst, 'ich will nicht, dass du
weggehst' ist gleichbedeutend mit ' du sollst nicht weggehen'. Klar. Für dich.
Aber nicht für den anderen, der aufbrechen will. Der will nämlich vielleicht
etwas anderes. Und ob dein 'du sollst' verwirklicht wird, hängt ab von deiner
Einflussnahme - oder von deiner Macht.
Danke für die Grüße an Herrn Hund,
doc Rudi. Der meint allerdings, er erkenne die Wirklichkeit auch, sonst könnten
wir nicht Stöckchen spielen. Ich zweifle aber, ob er fähig ist, sich selbst als
Objekt dieser Wirklichkeit zu erkennen und nur das setzt die Distanz voraus. Die
Distanz, die ich meine, heißt gerade, die Welt ohne unsere Erwartungen zu
betrachten. Denn wer sich selbst als Objekt der Welt sieht, sieht eben auch
dessen Erwartungen in Bezug auf Moral, Wollen, Sollen, Emotionen usw.
Das
Ziel dieses Willens ist: die Weiterexistenz, das Überleben und das
Weiterentwickeln dieser Gene. Denn diese überleben immer, egal, welche
Kriegspartei die andere ausrottet.Wenn das Ziel des Willens das Überleben der
Gene ist, warum wollen dann Menschen keine Kinder kriegen? Und warum bekommt man
dann Ärger mit anderen Menschen, wenn man nach eigener und vielleicht sogar
ihrer Ansicht auf dieser Welt überflüssige Menschen um die Ecke bringt? Denn von
der genetischen Programmierung her ist gegen letzteres nichts einzuwenden,
während ersteres dem widerspricht.
Dieses Morden (der Krieg) ist das
Instrument der Evolution genetisch gespeicherter Daten
Damit machst du die
Evolution zum handlungsfähigen Subjekt. Ist sie das - oder handelt es sich hier
nicht eher um Sprachverhexung?
Urs meint:
Dabei sollte aber auch das
unterlassbare 'Handeln' vom 'blinden', 'triebhaften' oder reflexartigen
'Verhalten' unterschieden werden
Das geht mir fast schon etwas zu weit.
Unterscheiden sollte man. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass wir genau
das in der Umgangssprache nicht tun. Es ist nicht das einzige Wort unserer
Umgangssprache, das in diesem Sinne doppeldeutig ist. Wittgenstein hat z.B. auf
die unterschiedliche Bedeutung des Wortes 'gut' hingewiesen: das ist ein guter
Stuhl vs. das ist ein guter Mensch.
Der Begriff 'Willen' hat durchaus auch
ohne Bindung an diese Fähigkeiten einen Sinn in der Sprache.
Grüße an
alle
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
28. Aug. 2005, 14:35 Uhr
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Hallo,
zu Urs: das "bedürfen", "begehren", "brauchen", "nötig haben",
"umgetrieben werden"..., in das Du differenzieren möchtest, ist meines Erachtens
nicht mehr objektiv, sondern subjektiv, von Deinem Erleben bestimmt. Zunächst
sollten wir jedoch erst einmal nur beobachten und uns einigen, ob wir eine Kraft
(Willen) als Ursache von Bewegung annehmen.
zu Abrazo: ich denke, Herr Hund
sieht in Dir ein Objekt genau wie umgekehrt. Und Du (ich u. alle) sollten sich
realisieren, dass wir alle Objekte für unsere Mitmenschen sind.
Der Hund
erkennt genau Dein Wollen und ist deshalb in der Lage, Dich abzurichten. Das ist
nur eine Frage des Standpunkts.
Du meinst weiterhin, ich mache die
Evolution zum handlungsfähigen Subjekt. Du meinst sicher die genetische
Verhaltensprogrammierung, deren Folge dann die Evolution ist.
Lass mich
den Standpunkt erklären:
Menschliches (und hundisches) Verhalten ist
Handlung innerhalb von Regelkreisen. Ein Regelkreis mit negativer Rückkopplung
hat immer einen Sollwert, bei lebenden Systemen ist dies ein Sollwertbereich.
Nehmen wir die Sauerstoffkonzentration im Blut. Du hast Rezeptoren, die Dir
melden, dass die Sauerstoffkonzentration ineinen kritischen Bereich absinkt. Das
setzt bewegung in Gang (Atmung), der Effekt ist, dass die Sauersoffkonzentration
wieder steigt. Von all dem merkst Du nichts.
Frage: wer oder was hat den
Sollwertbereich festgelegt?
Antwort: der ist bereits in Deiner genetischen
Programmierung festgelegt.
Das wäre ein Beispiel für einen
Selbsterhaltungsregelkreis (das gleiche kannst mit Hunger und Essen
durchdenken). Solche Regelkreise haben immer eine negative Rückkopplung.
Es
gibt aber auch Regelkreise mit positiver Rückkopplung: das erwünschte Verhalten
wird belohnt.
Beispiel: Sexualtrieb. "Erwünscht" ist, dass der Samen in der
Scheide deponiert wird. Belohnt wird dieses Verhalten mit dem Orgasmus. Der
Endeffekt ist die Vermehrung (Vervielfältigung) der Gene.
Nun kommt aber der
Mensch und setzt dem seinen Willen entgegen. Der Mensch kann Nein-sagen zur
Vermehrung (und das kann der Hund nicht). Der Mensch kann die genetische
Verhaltensprogrammierung austricksen, die Belohnung (den Orgasmus) nehmen und
die Vermehrung vermeiden.
Aus dieser Regelkreisbetrachtung ist auch der Ramen
für Entscheidungsfreiheit ableitbar. (ich kann eine Zeit lang hungern, ich kann
wählen, was ich esse, ich kann den Partner wählen usw.)
Ich meine also:
der Eindruck, dass ich die Gene zum Subjekt mache, ist mir zwar nachvollziebar,
aber wie erklärst Du Dir denn, dass wir atmen, essen und einen Vermehrungstrieb
haben? Oder meinst Du, diese Beobachtung ist falsch?
(Nicht ausgeführt habe
ich hier, dass das kriegerische Verhalten das Ziel hat, konkurrierende Gene zu
eliminieren. Aggressivität ist genauso natürlich wie der Sex)
Gruß
rudi
--------------------------------------------------------------------------------
Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 28.
Aug. 2005, 15:39 Uhr
--------------------------------------------------------------------------------
[smiley=boxen.gif]
Hi, Doc Rudi!
Würdest du dich bitte erst einmal
von deinen eigenen Vorstellungen distanzieren?
Es geht nicht darum, ob
Herr Hund mich als Objekt der Wirklichkeit ansehen kann, sondern ob ich selbst
mich als Objekt der Wirklichkeit ansehen kann!
Ich, ich, ich!
[smash]
Klaro?
Dat is wat anderes!
Und du hast auch nicht die Gene zum Subjekt
deines Satzes und damit zum handelnden Subjekt gemacht, sondern die Evolution!
Du, du, du!
[smash]
Klaro?
Dat wir unseren Willen dagegen
setzen können, wissen mir ald lang.
Die Frage is: warum. Und die beantwortest
du nicht.
Klaro?
Himmeldonnerwetternochemol.
[smiley=casanova.gif]
Gruß
--------------------------------------------------------------------------------
Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
28. Aug. 2005, 16:38 Uhr
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doc rudi: "Zunächst sollten wir jedoch erst einmal nur beobachten und uns
einigen, ob wir eine Kraft (Willen) als Ursache von Bewegung annehmen."
Rudi, sag mir, wie hältst du es mit dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, der
Erhaltung der Energie ?
frägt jonny W
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 28. Aug. 2005, 17:52 Uhr
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Hallo Abrazo!
Du wendest ein:
Quote:Unterscheiden sollte man
[nämlich zwischen "Handeln" und "Verhalten" (Urs)]. Man sollte aber auch nicht
vergessen, dass wir genau das in der Umgangssprache nicht tun. Es ist nicht das
einzige Wort unserer Umgangssprache, das in diesem Sinne doppeldeutig ist.
Wittgenstein hat z.B. auf die unterschiedliche Bedeutung des Wortes 'gut'
hingewiesen: das ist ein guter Stuhl vs. das ist ein guter Mensch.
Der
Begriff 'Willen' hat durchaus auch ohne Bindung an diese Fähigkeiten einen Sinn
in der Sprache.
Die Umgangssprache, als DAS elementare Medium
unserer Lebensbewältigung, ist sicherlich eine wichtige Quelle für
"sachdienliche Hinweise". Aber wir müssen sie deshalb doch nicht zur
unkritisierbaren Autorität erheben. Denn in ihr tummeln sich ja doch alle
möglichen Begriffe aus zweifelhaften, wenn nicht trüben Quellen, und uns geht es
um Klarheit. :-)
Übrigens meine ich, dass man höheren Tieren
manchmal durchaus mit Recht so etwas wie "Abwägung" und "Entscheidung" - und
damit auch "Wollen" in rudimentärer Form - zuschreiben kann. Und das wiederum
hängt mit ihrer individuellen Lernfähigkeit zusammen.
Wenn etwa ein
jagendes Rudel Löwen seine Beute aus einer Antilopenherde ausspäht und -wählt,
wenn es sich mit einer bestimmten Taktik koordiniert und - sollte es nötig
werden - diese Taktik blitzschnell abwandelt, dann hat solches "Verhalten"
durchaus ein Moment von "Handlung". Es ist jedenfalls mehr als nur das "blinde"
Abspulen eines genetischen "Programms" (d.h. buchstäblich einer "Vorschrift").
Bei den Orcas (den so genannten "Killerwalen") hat man beobachtet, dass sie
in verschiedenen Teilen der Welt so etwas wie eigene Traditionen ausbilden
können. Denn während die jungen Orcas vor der Küste Patagoniens von ihren Eltern
lernen, wie man Robben im seichten Wasser eines Sandstrandes jagt, erlernen sie
in den Fjorden Norwegens eine völlig andere Fangmethode - nämlich das
Zusammentreiben und "Pflücken" von Heringsschwärmen. Wieder andere Orca-Kolonien
- an der amerikanischen Westküste - ziehen umher und machen Treibjagd auf große
Wale usw.
Diese Flexibilität - also Lernfähigkeit - macht die Tiere bis
zu einem gewissen Grade "frei" von einem starr verankerten "Programm".
Fangmethoden können an unterschiedliche Umweltbedingungen angepasst und an die
jüngeren Generationen weitergegeben werden. Und es scheint mir: Je größer die
Flexibilität/Lernfähigkeit von Lebewesen, desto zahlreicher ihre Möglichkeiten
der Initiative und der Reaktion auf Umweltfaktoren, und desto signifikanter ihre
Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, die dem einzelnen Individuum zugerechnet
werden können.
Denn "Entscheidung" ist ja eine Auswahl, die wir
Individuen - oder Kollektiven von Individuen - zurechnen, im Unterschied zu
starr "programmierten" Verhaltensweisen, die bei allen Exemplaren einer Spezies
gleich ausfallen. Darum sollte man auch nur dort von einem "Wollen" sprechen, wo
es Individuen - und zwar entscheidungsfähigen Individuen - zugerechnet werden
kann.
Schönen Gruß
von
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 28. Aug. 2005, 18:35 Uhr
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Hallo Rudi!
Quote:zu Urs: das "bedürfen", "begehren", "brauchen",
"nötig haben", "umgetrieben werden"..., in das Du differenzieren möchtest, ist
meines Erachtens nicht mehr objektiv, sondern subjektiv, von Deinem Erleben
bestimmt. Zunächst sollten wir jedoch erst einmal nur beobachten und uns
einigen, ob wir eine Kraft (Willen) als Ursache von Bewegung annehmen.
Diesen Einwand verstehe ich nicht. Wieso ist es nur eine Frage des
„subjektiven“ Erlebens, wenn ich Handeln, das entscheidungsfähigen Individuen
zugerechnet werden kann, von „programmiertem“ Verhalten unterscheide, auf das
Individuen keinen Einfluss haben?
Ein Beispiel: Wir alle haben Hunger
und müssen geeignete Nahrung aufnehmen und verdauen. Auf diese Notwendigkeit
können wir reagieren – z.B. durch Fasten oder Hungerstreik -, aber wir können
sie nicht abstellen.
Welche Nahrung wir aufnehmen und wie wir sie
zubereiten, das ist bei uns Menschen weitgehend dem Einzelnen überlassen. Der
Rahmen unseres Bedarfs mag natürlich abgesteckt sein, aber innerhalb dieses
Rahmens können wir erfinderisch sein und uns je nach Laune oder nach ethischen
oder diätetischen Regeln entscheiden. D.h. hier können wir handeln. Ob ich heute
Abend eine Schale Muesli zu mir nehme oder mir ein Steak brate, ist eine mir und
niemandem sonst zurechenbare Entscheidung.
Sobald ich das Essen gekaut
und geschluckt habe, setzt die unwillkürliche Verdauung ein, und die dürfte wohl
in jedem menschlichen Körper – so weit „ungestört“, also „gesund“ – auf dieselbe
Weise ablaufen. Ich könnte mich, wie ein genusssüchtiger Römer oder ein
Essgestörter zwar noch zum Erbrechen des Gegessenen bringen, aber was hinter dem
„Pförtner“ geschieht, entzieht sich meinem Einfluss.
Ich denke, das
Kriterium für den Unterschied zwischen "Handeln" und "Verhalten" ist so weit
klar und sachlich bestimmt. Es mag zweifelhafte Grenzfälle geben, aber das ist
bei allen Kriterien so.
Nochmals: Wieso soll die so gefasste Unterscheidung
eine nur „subjektive“ sein?
- - - - -
Das Wollen als eine
„Kraft“ anzusprechen, die Bewegungen antreibt, halte ich für schon im Ansatz
verfehlt. Damit wäre das Wollen von vornherein nach der Analogie physikalischer
„Kräfte“ oder „Impulse“ interpretiert. Klar: Dir ist an einer solchen
„Naturalisierung“ menschlichen Handeln und Entscheidens gelegen. Das ist
sozusagen Dein Programm, zu dem Du Dich aus bestimmten Gründen entschieden hast.
Ich entscheide mich aus anderen Gründen gegen eine solche Verwischung der
Unterschiede.
Immerhin scheinst Du uns die Fähigkeit noch zuzugestehen,
verschiedene Interpretationsmodelle gegeneinander abzuwägen und sie zu
begründen. Und an genau dieser Stelle fragt sich dann, ob Deine Interpretation
menschlichen Handelns als Vollzug genetischer Vorschriften noch greift. Aber
vermutlich überlässt Du es der „Evolution“, welche Gründe sich durchsetzen
werden. Die Theorie, die „überlebt“, ist dann die „wahre“, weil "stärkere"...
:-)
Schönen Gruß
von Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
28. Aug. 2005, 21:16 Uhr
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Hallo Rudi,
Du schreibst: „(Der Krieg) ist das Instrument der Evolution
genetisch gespeicherter Daten, und es ist überflüssig, da der Mensch inzwischen
Wissenschaft betreibt und seine Erkenntnisse hirnextern speichert. Damit ist die
Evolution der genetischen Datenspeicherung und ihre Methoden: Staatenbildung,
Waffenproduktion und Kriegführung, überflüssig.
Und alles, was überflüssig
geworden ist, wird verschwinden.“
Ich teile Deinen Optimismus
hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung nicht. Die Evolution ist kein Wesen,
das bestimmte Ziele verfolgt und dazu rationell die geeigneten Mittel auswählt
und überflüssig gewordene Mittel abschafft.
Die Evolution ist ein
zielloser Prozess von Mutation und Selektion. Es gibt keinen Grund, von der
evolutionär entstandenen genetischen Programmierung zu erwarten, dass diese in
der Lage ist, auch historisch neuartige Gefahren wie die atomare Kriegführung zu
bewältigen,
Hallo Urs,
Ich hatte mein Verständnis des Willens
schon einmal indirekt eingebracht. Zur Vermeidung von Missverständnissen deshalb
hier meine Bestimmung des Willens.
Wir sprechen von Trieben, Impulsen,
Leidenschaften, Ängsten und Hoffnungen, Vorlieben und Abneigungen, Bedürfnissen,
Wünschen, Affekten, Gefühlen, Einstellungen, Gewohnheiten, Süchten, Beweggründen
u. a. m., die unsere Entscheidungen und unser Handeln beeinflussen.
Wir
stehen als Individuen vor der Aufgabe, all diese Motivationen, die keineswegs
alle in die gleiche Richtung weisen müssen, in ein Handeln umzusetzen, das wir
möglichst später nicht bereuen müssen.
Das, was sich nach versuchter
Aufklärung und Abwägung der eigenen Motive an relativ dauerhafter
Zielstrebigkeit ergibt, nenne ich den Willen eines Menschen. Damit bin ich nicht
weit von Deiner Definition entfernt.
Ich ordne den Willen dem Handeln zu,
das immer gewollt ist. „Verhalten“ ist der Oberbegriff, der auch unwillkürliche
Reaktionen wie z.B. Niesen oder Gähnen umfasst.
Hallo Abrazo,
Du scheibst, dass Du noch kein ethisches Sollen ausmachen konntest. Ich meine
z.B. die Verpflichtung, wenn möglich, Menschen zu helfen, die unverschuldet in
große Not geraten sind.
Gruß an alle und die Bitte, die Kurve zum Thema
„können – wollen – sollen“ zu kratzen, von Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 28.
Aug. 2005, 23:05 Uhr
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Hi, zusammen,
zunächst zu Urs:
Was die Klarheit der Begriffe betrifft,
so darf man eines nicht übersehen: So trüb die Quellen auch immer sein mögen,
sofern es sich nicht um Unsinn handelt, also um Wörter, mit denen nichts
sinnvoll bezeichnet oder ausgesagt wird, müssen wir uns imho der
Doppeldeutigkeit gegewärtig sein. Sprache spiegelt unser Denken, und das ist
angesichts der Doppeldeutigkeit offenbar verschieden. Diese Verschiedenheit ist
ein wichtiger Aspekt (übrigens auch für die Verständlichkeit von dem, was wir so
zusammen schreiben).
Bezüglich der Tiere wird Herr Hund dir sofort
zustimmen. Prophylaktisch bei Fuß gehen, wenn ein großer fremder Rüde kommt,
weil er in Kenntnis meiner Vorlieben schon weiß, dass ich wahrscheinlich etwas
dagegen habe, wenn er sich mit ihm prügelt, ist ihm ebenso wenig angeboren wie
mir mitzuteilen, dass er jetzt aber, bitte schön, mal an nen Baum muss. Und die
in unserem Revier geltenden Hundemanieren haben dem hoffnungsvollen Nachwuchs
zwei dominante olle Haudegen beigebracht. Man braucht also nicht erst die sieben
Meere nach Orcas abzusuchen.
@ all:
Zusammenfassend würde ich sagen,
da das Wetter schön ist und auch bleiben soll, empfiehlt es sich für die Fans
der Naturwissenschaften, mit unserem Problem in einem schönen Baggerloch baden
zu gehen.
[smiley=fische.gif]
Hi, Eberhard,
ich habe das durchaus
bedacht. Aber ich habe doch erhebliche Zweifel, ob das der Fall ist.
1.
Was die Verpflichtung betrifft, so erinnere ich an Wittgensteins Einwand: du
sollst - na schön. Und was ist, wenn ich es nicht tue?
2. Unverschuldet
in Not geraten ist sehr theoretisch. Verschuldet oder nicht hat mich nie
interessiert. Haste auch gar keine Zeit zu zu eruieren, ob und inwieweit so'n
armseliges Würstchen nun Schuld an seinem Elend ist oder nicht. Im Kopf hat man
da andere, weitaus pragmatischere Gedanken.
3. Vielleicht kann man die
Sache aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Aber ich sehe es (aus
praktischer Erfahrung) nun mal so, dass die Not, in die ein Mensch geraten ist,
zu einem bestimmten Ablauf der Dinge führen wird. Wenn beispielsweise einer
sturzbesoffen im Schnee liegt, wird er sich Erfrierungen holen (hat sich schon
manch einer Hände und Füße bei abgefroren). Das will ich nicht, also greife ich
in den Ablauf der Dinge ein und sehe zu, dass ich ihn auf die Füße und an
irgendeinen Ort kriege, wo ihm selbiges nicht passieren kann. Ich sehe da also
nicht so sehr das Positive, also Schaffen, Bewirken (das machen andere Leute von
Berufs wegen, wobei die Motive durchaus verschieden sind), sondern das Negative,
die Rebellion gegen den natürlichen Ablauf der Dinge.
Schaffen, Bewirken,
Verbessern, Planen sind ja nun auch willensgesteuerte Handlungen. Sie können
moralisch gut sein, auch von einer menschenfreundlichen Grundhaltung geprägt
sein, meinetwegen auch von Pflichtbewußtsein zeugen, aber ethisch, in dem
strengen Sinne, wie ich es meine, ohne erkennbare Motivation, nur durch einen
besonderen Willen angetrieben, würde ich sie nicht nennen.
Grüße
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
28. Aug. 2005, 23:35 Uhr
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Hi Eberhard,
Deiner Bitte, die Kurve zum „können – wollen – sollen“ zu
kratzen, komme ich gern nach.
Ich habs ja schon versucht, es anhand eines
Regelkreises mit negativer Rückkopplung zu machen und hätte wohl nicht sagen
sollen, dass meines Erachtens der Sollwertbereich genetisch festgelegt ist.
Nehmen wir die Nahrungsaufnahme:
Im Blut muss die Glucosekonzentration (quasi
Zucker als Energielieferant) sich in einem bestimmten Bereich liegen, damit wir
nicht bewusstlos werden. Sinkt diese ab, bekommen wir Hunger.
Daraus
resultiert aus meiner Sicht ein biologisch festgelegtes Sollen. Es ist ein Muss,
dass wir nun langsam daran denken sollen, uns Nahrung zu besorgen und demnächst
zuzuführen damit die Glucosekonzentration wieder ansteigt. Je doller die sinkt,
desto stärker wird der Hunger, bis wir schließlich zum Tier werden. So weit
lassen wir es aber nicht kommen. Wir haben längst vorgesorgt und braten uns ein
Ei, das wir im Kühlschrank finden. Das ist unsere Entscheidung. Falls wir noch
was anderes Essbares im Kühlschrank haben, können wir zwischen verschiedenen
Sachen wählen. Wir können uns aber auch entscheiden, etwas später zu essen, weil
wir noch was wichtiges anderes vorhaben.
Das Essen innerhalb eines bestimmten
Zeitrahmens ist ein Muss, das biologisch vorgegeben ist, und dieses Muss ist aus
meiner Sicht die Grundlage des Wollens.
Oder: das Wollen ist die Subjektive
Seite der Abweichung vom Sollwert. Je stärker der Istwert vom Sollwert abweicht,
desto stärker wird mein Wunsch, mein Wille, mein unbedingter Wille, bis es
schließlich sein muss, dass ich etwas esse. Genauso ist es mit dem Durst, der
immer stärker wird, je mehr mein Wasser-Istwert vom Sollwert abweicht.
Und:
je stärker der biologisch begründete Wille wird, also je mehr der Istwert vom
Sollwert abweicht, desto kleiner wird meine Entscheidungsfreiheit. Kurz vorm
Verdursten trinken ich sogar Dreckwasser oder Salzwasser.
Mein Fazit: mein
Gefühl des Wollen und dessen Intensität ist biologisch gesteuert, es ist ein
subjektives Gefühl, dessen Stärke davon abhängt, wie viele Rezeptoren meinem
Hirn ein Absinken meines Wasserdrucks im Körper melden.
Und so ist es
übrigens auch mit der Evolution: tritt eine Dürrekatastrophe ein, überleben die
Menschen, die mit Hilfe ihres Gehirns auf die besten Ideen kommen, wo sie Wasser
herkriegen können oder wie sie Wasserverbrauch reduzieren können. Die überleben
und vermehren sich weiter, die Ideenlosen werden ausselektiert. Dieses Prinzip
funktioniert nur, weil selbst die Nachkommen eines Elternpaares bei
zweigeschlechtlicher Vermehrung alle unterschiedlich sind. Da benötige ich nicht
einmal die "Mutation" als Faktor für die Evolution.
Eine weitere
Voraussetzung für dies alles ist natürlich ein Wille zum Leben, den ich
Selbsterhaltung nenne. Wer nicht leben möchte oder nicht leben will, braucht
selbstverständlich nichts zu trinken oder zu essen.
Alles in Allem kommt
natürlich auch keine Energie hinzu. Ich kann auf Dauer nicht mehr Energie durch
Bewegung verbrauchen als ich mir durch Essen und Trinken zuführe. So weit zur
Frage, wie ichs mit dem Energieerhaltungssatz halte.
Dennoch erlaube ich mir,
diesen Willen zur Selbsterhaltung mit einer physikalischen Kraft zu vergleichen.
Diese ist biologisch begründet, ich selbst kann sie nicht erschaffen oder
vergrößern, ich kann nur die Befriedigung der aus ihr resultierenden Bedürfnisse
(z.B. Hunger, Durst) in einem gewissen Rahmen steuern. Insofern habe ich
"Freiheit", nämlich Wahlfreiheit.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 29. Aug. 2005, 10:24 Uhr
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....... wenn jemand nicht inteligent
dann hat er irgend wann auch
physikalische probleme
wenn aber jemand weise
wird er nie zum tier
.........
das problem dieser welt ist also
daß es keine mensch heit
gibt !
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
29. Aug. 2005, 13:11 Uhr
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Hallo Rudi,
dass biologisch verankerte Triebe wie z.B. Hunger eine
Grundlage unseres Wollens sind, ist wohl kaum zu bestreiten. Allerdings gibt es
daneben auch andere Motivationen, die sozial erworben sind.
Dass die
ausreichende Versorgung mit Nahrung notwendig für das Überleben des Organismus
ist, ist wohl ebenfalls klar. Aber das „Sollen“, das sich daraus ergibt, ist
nicht das moralische Sollen. Dies tritt erst im Verhältnis mehrerer Individuen
zueinander auf.
Hallo Abrazo,
was meinst Du mit „ethisch im
strengen Sinne“? Welche Handlungen sind das, die nur durch einen besonderen
Willen angetrieben sind, ohne erkennbare Motivation?
Denkst Du an
Menschen, die sich in einem solchen Maße für andere aufopfern, dass es für die
allermeisten Menschen eine moralische Überforderung darstellen würde, wollte man
das Gleiche von ihnen verlangen?
Es grüßt Euch Eberhard,
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 29.
Aug. 2005, 16:23 Uhr
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Hi, Eberhard,
ne, so romantisch bin ich nich. :-)
Ethisch im
strengen Sinne, wie ich es verstehe, ist eine Handlung, die wir anerkennen,
meist - nicht immer - als gut, der aber kein vernünftiges (im Sinne von
rational, logisch) Motiv zugrunde liegt.
Wir kennen biologisch gesteuerte
Motive.
Wir kennen auch sozial vermittelte Motive. Die Moral gehört dazu. Du
sollst einem helfen, der unverschuldet in Not geraten ist, ist eine moralische
Norm. Aber auch Motive, die sich aus der rationalen Kalkulation herleiten.
Für die Ethik, meine ich festgestellt zu haben, gibt es keine Vorschriften
und keine Normen. Dem ethischen Willen sind Normen und Vorschriften völlig
gleichgültig. Eine Soll-Vorschrift kann noch so vernünftig begründet sein, wenn
der ethische Wille widerspricht, wird sie gebrochen.
Oder möchtest du
Beispiele? Nun, ich meine, für unsere ethischen Grundwerte - nicht lügen, nicht
stehlen, nicht töten - gibt es keine vernünftige Begründung. Zwar lässt sich aus
unserer Gesellschaftsordnung eine solche Begründung herleiten. Das ist aber
unzulässig, weil die Gesellschaft, die sich unter dem Vorhandensein solcher
Werte entwickelt hat, diese nicht im Nachhinein begründen kann.
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 29. Aug. 2005, 17:10 Uhr
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Hallo Abrazo, hallo miteinander!
Quote:Und immer wieder komme ich zu
dem Ergebnis, dass die Distanz der zentrale Begriff ist. Und dass genau sie die
Voraussetzung für den freien Willen ist, denn im Grunde ist es egal, ob ich mich
zur Außenwelt in überlegende Distanz begebe oder zu mir selbst bzw dem, was ich
als zu mir selbst gehörend erkannt habe.
Ich glaube, ich
verstehe schon, was Du mit dem Begriff der Distanz meinst, und kann Dir so weit
auch zustimmen, dass diese Distanz die Voraussetzung für das „Überblicken“ von
bestehenden Handlungsmöglichkeiten und -motiven ist. Aber lässt sich dieser
Begriff mit seiner räumlichen Metaphorik noch weiter aufklären und auf etwas
Elementareres zurückführen? Wie kommt diese „Distanz“ zustande? Finden wir sie
einfach in uns vor?
An einer anderen Stelle erklärst Du die Distanz als
eine „Betrachtung“ der Welt ohne Erwartungen und als eine Selbst-Objektivierung:
Quote:Die Distanz, die ich meine, heißt gerade, die Welt ohne unsere
Erwartungen zu betrachten. Denn wer sich selbst als Objekt der Welt sieht, sieht
eben auch dessen Erwartungen in Bezug auf Moral, Wollen, Sollen, Emotionen usw.
Damit gibst Du der „Distanz“ eine „theoretische“ Wendung. Es
geht um ein abgelöstes, unberührtes „Sehen“, und als solches wurde seit alters
die „theoria“ (die „Schau“) begriffen. Und von da aus ist es nicht mehr weit zur
Idee des „geistigen Auges“ und einer Aufspaltung des Menschen in einen
körperlichen und einen geistigen Teil.
Noch einmal meine Frage: Wie
lässt sich die „überlegende Distanz“ präzisieren, allerdings ohne dabei auf den
traditionellen Dualismus von Handeln/Erkennen bzw. Körper/Geist zurückzugreifen?
Ich habe hier selbst noch keine befriedigende Antwort.
Schöne
Grüße
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
29. Aug. 2005, 17:32 Uhr
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Hi Eberhard, Abrazo,
schön Eberhard, dass Du nachvollziehen kannst, dass
Gefühle und Bedürfnisse die subjektiv empfundene Seite von körperlichen
organisch messbaren Abweichungen des Istwertes verschiedener lebensnotwendiger
Sollwertbereiche sind.
Nun führst Du ein moralisches Sollen an.
Auch
diesbezüglich würde ich vorschlagen, dass Du konkrete Handlungsweisen benennst,
die Du Dir damit erklärst, dass der Betreffende aus moralischen Motiven heraus
handelt, also Handlungsweisen, von denen Du annimmst, zuerst sei eine moralische
Wertung im Individum verankert (da können wir dann auch überlegen, wo diese
herkommt), und dieseWertung sei die Ursache des Handelns.
Ich verspreche Dir,
für jede derartige Handlung einen profanen, nicht-moralischen Grund anführen zu
können.
Abrazo hat ja bereits solche Handlungen angeführt, von denen er
meint, sie seien moralisch begründet: nicht lügen, nicht stehlen, nicht töten.
Was das Stehlen und Töten anbetrifft: dies sind, da stimme ich zu, zunächst
einmal naheliegende natürliche Handlungen, wenn ich etwas haben will, und der
Eigentümer des Begehrten diese mir nicht freiwillig gibt, was ich haben will.
Lebende Systeme haben eine ständige Vergrößerungstendenz, die sich nach
Abschluss der Körperwachstums in der Vergrößerung seines Eigentums zeigt.
Den Verzicht auf derartige Handlungen, die der Vergrößerung des Eigentums
dienen, betrachtet Abrazo also als moralisch.
Da kann man leicht einige
Gründe finden, warum ein Mensch aus vernünftigen Gründen darauf verzichtet
(Angst davor, aus der Gesellschaft ausgestoßen zu werden, die Überlegung, andere
könnten mit einem selbst in dieser Weise verfahren usw.)
Außerdem sind
Stehlen und Morden unter Strafe gestellt. Da kann man dann darüber diskutieren,
ob die Menschen sich nur der Strafen wegen an die Gesetze halten. Wie auch
immer.
Falls ein Mensch jedoch behaupten würde, das alles wäre ihm egal, er
stehle und morde nur deshalb nicht, weil es ihm ein moralisches Bedürfnis sei,
wäre das erstens nicht nachweisbar, also eine reine Behauptung, zweitens käme in
Betracht, das der Betreffende lügt (das ist ja nicht strafbar, leider auch
selten nachweisbar), drittens käme in Betracht, dass er seine wahren Motive
selbst gar nicht kennt und sich selbst etwas vormacht.
Auf einen derart
unsicheren Boden möchte ich keine Philosophie stellen.
Also ich schlage vor,
ihr benennt mal ein konkretes Handeln, das keinen anderen Schluss zulässt als
den, moralisch begründet zu sein.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
29. Aug. 2005, 17:41 Uhr
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Hallo Urs,
ich nenne dies "Sehen".
Um es zu präzisieren: einfach nur zu
betrachten, was an beobachbarem Handeln geschieht, ohne vorher eine Wertung
vorzunehmen. Einfach wertungsfrei beobachten.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 29. Aug. 2005, 18:57 Uhr
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Hallo Rudi!
Quote:Einfach wertungsfrei beobachten.
Kannst Du mir - wohlgemerkt: im Rahmen Deiner Theorie! - erklären, wie "lebende
Systeme", deren Verhalten vollständig determiniert/programmiert ist, zu einer
"wertungsfreien" Beobachtung gelangen können? Und kannst Du mir auch erklären,
nach welchen allgemein verbindlichen Kriterien dann die Wertungsfreiheit im
Einzelfall festgestellt werden kann (und von wem)?
Schönen Gruß
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 29. Aug. 2005, 19:09 Uhr
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PS.
Quote:Ich verspreche Dir, für jede derartige Handlung einen
profanen, nicht-moralischen Grund anführen zu können.
Ja,
"anführen" vielleicht. Aber kannst Du Deine Behauptungen dann auch streng
naturwissenschaftlich beweisen? Oder genügt es Dir, ein paar
naturwissenschaftliche Kategorien anzuwenden, deren Zutreffen Du einfach mal
voraussetzt?
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
29. Aug. 2005, 20:34 Uhr
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Hallo urs,
zur 1. Frage: im Rahmen meiner Theorie ist das Handeln des
Menschen nicht vollständig determiniert. Das hast Du falsch verstanden. Richtig
ist: ich sagte, dass die Sollwertvorgaben, die Sollwertbereiche genetisch
determiniert sind.
Dies ist eine Zielprogrammierung, keine Programmierung
der einzelnen Handlungen. Vorgegeben ist das Ziel "Selbsterhaltung" und das Ziel
"Selbstentfaltung". Wie das Individum diese Ziele erreicht, kann es frei
entscheiden. Die Natur ist übrigens voller unterschiedlicher Lösungen bei dem
Erreichen dieser Ziele und der Mensch ist zu unserem Glück am wenigsten von
allen Lebewesen festgelegt in der Wahl seiner Wege zu Selbsterhaltung und
Selbstentfaltung.
zu 2.: ob ich meine Interpretation der Ursachen des
Handelns im Einzelfall streng wissenschaftlich beweisen kann, wird sich zeigen.
Selbsteinschätzungen der Art, dass die Person ihr eigenes Verhalten als
moralisch empfindet und so begründet, kann in meinen Augen jedenfalls
keinesfalls als Beweis gelten.
Das lebende System Mensch (Individuum) ist
jedenfalls in der Lage, Bewegungen zu beobachten und darauf zu verzichten,
Selbsteinschätzungen des Objekts (emotionale oder rationale) als Erklärung für
die der Bewegung zu benutzen. So machen es die Physiker mit der Beobachtung
ihrer Objekte (die natürlich auch gar nicht sprechen können), und nach diesem
Vorbild philosophiere ich so gut es geht. Ich kann allerdings mit meinen
lebenden Objekten nicht experimentieren und meine Vermutungen experimentell
falsifizieren.[nixweiss]
Den Beweis, dass eine Handlung moralisch begründet
ist, sollte allerdings der antreten, der eine solche Handlung für möglich hält.
Ich behaupte lediglich, dass ich in der Lage bin, jede menschliche Handlung,
erscheine sie auch noch so moralisch, auch anderweitig erklären zu können.
Nämlich als Handlung, die innerhalb eines Regelkreises dazu führt, einen
genetisch vorgegeben Sollwertbereich zu erreichen.
Das ist der Punkt. ;-)
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
29. Aug. 2005, 23:07 Uhr
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Hallo allerseits,
was ist Moral?
Ich bin als Letzter allein im
Umkleideraum, Da sehe ich unter der Bank einen Geldschein, einen 50-Euro-Schein.
Den muss einer der Mitspieler verloren haben. Soll ich den Schein klammheimlich
für mich behalten oder soll ich den Verlierer ausfindig machen, um ihm das Geld
zurückzugeben?
Ich entscheide mich für das Letztere. Warum?
Weil
ich es für richtig halte, gefundene Wertsachen zurückzugeben?
Weil ich ein
moralischer Mensch bin, und es meine Selbstachtung beschädigen würde, wenn ich
das Geld nicht zurückgeben würde?
Weil ich vor den andern als guter Mensch
glänzen will?
Weil ich in meiner Kindheit diese Regel eingeimpft bekommen
habe?
Weil ich genug Geld habe und Geld mir wenig bedeutet?
Weil ich mir
den Verlierer verpflichten will?
Mit diesen Fragen grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 29.
Aug. 2005, 23:55 Uhr
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Hi, zusammen,
Urs fragt:
Wie kommt diese "Distanz" zustande? Finden
wir sie einfach in uns vor?
Das weiß ich auch nicht. Vor allem, sie besteht
ja nur zeitweise. In unseren normalen alltäglichen Aktionen finden wir keine
Distanz zu uns selbst. Da handeln wir automatisch, ohne zu überlegen. So muss es
auch sein, sonst kämen wir zu nichts. Auch wenn wir vernünftig überlegen, also
Daten der Außenwelt kalkulieren, distanzieren wir uns nicht von uns selbst. Dann
konzentrieren wir uns einzig und allein auf solche vernünftigen Überlegungen.
Allerdings, wenn wir überlegen, was will ich eigentlich, welche Möglichkeiten
habe ich, wie empfinde ich das, dann kommen wir ohne Distanz nicht aus.
abgelöstes, unberührtes "Sehen"
Mit einer kleinen entscheidenden Veränderung:
ich kann nicht einfach beschließen, die Welt jetzt 'abgelöst', 'unberührt' zu
sehen. Die Voraussetzung dafür, dass ich das einigermaßen kann, ist die
Erkenntnis dessen, was mich berührt. Ich muss wissen, was mich beeinflusst, um
mich von diesem Einfluss lösen zu können. Und eben dazu muss ich mich selbst als
Objekt betrachten und untersuchen können. Das Eine geht also nicht ohne das
Andere. Ich gehe davon aus, dass das Tier das nicht kann. Das handelt immer
spontan und mit sich selbst im Einklang. Ich glaube nicht, dass der Hund denken
kann, wenn ich keinen Herrn hätte, wäre ich nicht auf seine Worte programmiert
und könnte auch anders handeln (warum tu ich es dann nicht?).
Wie lässt
sich die "überlegende Distanz" präzisieren
Es genügt mir erst mal
festzustellen, dass sie da ist (sonst hätte man ja nix mehr zu tun :-). Sie
zeigt sich auch in der Sprache. Der simple Satz 'ich geh gleich essen' enthält
bereits eine Distanzierung, eine Selbstbeobachtung des eigenen Handelns und
Vorhabens. Allerdings kommt man dem nicht ohne historische Sichtweise bei.
Natürlich kommt uns dieser Satz ohne nachzudenken über die Lippen. Aber Sprache
hat sich entwickelt. Der Satz kann nur deswegen gedankenlos gesagt werden, weil
sich irgendwann einer Gedanken gemacht hat, was das ist, das er jetzt tun wird.
Es passt allerdings zu Wittgensteins Überlegungen zum metaphysischen Ich, das an
der Grenze der Welt steht und seine ganze Welt als einen geschlossenen Komplex
übersieht, in dem er selbst Objekt und Akteur ist.
Doc Rudi schreibt:
Da kann man leicht einige Gründe finden, warum ein Mensch aus vernünftigen
Gründen darauf verzichtet (Angst davor, aus der Gesellschaft ausgestoßen zu
werden, die Überlegung, andere könnten mit einem selbst in dieser Weise
verfahren usw.)
Außerdem sind Stehlen und Morden unter Strafe gestellt. Da
kann man dann darüber diskutieren, ob die Menschen sich nur der Strafen wegen an
die Gesetze halten. Wie auch immer.
Abrazo schrieb:
Zwar lässt sich
aus unserer Gesellschaftsordnung eine solche Begründung herleiten. Das ist aber
unzulässig, weil die Gesellschaft, die sich unter dem Vorhandensein solcher
Werte entwickelt hat, diese nicht im Nachhinein begründen kann.
(Vertauschen
von Ursache und Wirkung [sly])
Doc Rudi schreibt:
Vorgegeben ist das
Ziel "Selbsterhaltung" und das Ziel "Selbstentfaltung".
Frage 1: was meinst
du mit Selbstentfaltung - und wie soll sie biologisch begründet sein?
Frage
2: wie erklärst du damit das Verhalten eines Selbstmordattentäters (was
selbstverständlich nur rein spekulativ möglich ist) - um mal mit einfachen
Sachen anzufangen?
Zusatzfrage: wie und warum wurde der Begriff Moral
gebildet?
Zu Eberhard:
Da ich kein moralischer Mensch bin, rühren mich
diese Überlegungen nicht. Mir passt jedoch der Gedanke nicht, dass in Kürze
einer meiner Mitspieler seinem Fuffi nachtrauern wird. Das lässt sich ändern.
:-)
Grüße
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 30. Aug. 2005, 09:43 Uhr
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.... ein tier wird nie einen menschen be greifen !
sondern
ihn für ein dummes tier halten
weil er nicht mit andern tieren wett eifert
aus zu sterben ..........
weil es eine einzige blamage !
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 30. Aug. 2005, 12:33 Uhr
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Hallo Rudi,
Meine Frage war: Wie kommt ein lebendes System zu einer
„wertungsfreien Beobachtung“? Darauf gehst Du, so weit ich sehe, nicht ein. Im
Gegenteil, Deine Antwort scheint die Möglichkeit einer wertungsfreien
Beobachtung sogar prinzipiell auszuschließen. Denn wenn ein System prinzipiell,
d.h. in jedem gegebenen Fall, seine Selbsterhaltung anstrebt, ist dieses Ziel
auch stets sein einziger (oder zumindest oberster) Maßstab der Bewertung. Dieses
System kann also keine Handlung ausführen, die es nicht im Hinblick auf seine
Selbsterhaltung bewertete.
Wovon redest Du also, wenn Du empfiehlst:
„Einfach wertungsfrei beobachten!“
Des weiteren sehe ich in Deiner
Antwort einen Widerspruch. Im ersten Teil behauptest Du, nur das Ziel
(Selbsterhaltung, Selbstentfaltung) sei für ein lebendes System programmiert,
die Art und Weise seiner Erreichung sei frei, besonders für uns Menschen. D.h.
es ist also nicht auszuschließen, dass Menschen ihr Handeln, so weit es frei
ist, nach moralischen Regeln beurteilen. Moral ist also grundsätzlich möglich
und damit auch eine moralische Verantwortung der persönlich zurechenbaren
Handlungen.
Im zweiten Teil Deiner Antwort heißt es dagegen
abschließend:
Quote:Den Beweis, dass eine Handlung moralisch
begründet ist, sollte allerdings der antreten, der eine solche Handlung für
möglich hält. Ich behaupte lediglich, dass ich in der Lage bin, jede menschliche
Handlung, erscheine sie auch noch so moralisch, auch anderweitig erklären zu
können. Nämlich als Handlung, die innerhalb eines Regelkreises dazu führt, einen
genetisch vorgegeben Sollwertbereich zu erreichen.
Du willst
also nachweisen, dass KEINE menschliche Handlung moralisch motiviert sein kann,
also die Möglichkeit der Moral, die Du im ersten Teil Deiner Antwort zulässt,
wieder ausschließen.
Im übrigen bestreitest Du hier implizit noch einmal
die Möglichkeit der wertungsfreien Beobachtung. Denn „wertungsfrei“ wäre eine
Beobachtung, die nicht immer nur am Vorteil des Beobachters selbst orientiert
ist und daher „unparteiisch“ oder „selbstlos“ genannt zu werden verdient.
Moralische Bewertungen haben mit wissenschaftlichen Beobachtungen das Prinzip
der Unparteilichkeit gemein.
Die Möglichkeit von Wissenschaft räumst Du
allerdings ausdrücklich ein. Du schreibst:
Quote:Das lebende System
Mensch (Individuum) ist jedenfalls in der Lage, Bewegungen zu beobachten und
darauf zu verzichten, Selbsteinschätzungen des Objekts (emotionale oder
rationale) als Erklärung für die der Bewegung zu benutzen. So machen es die
Physiker mit der Beobachtung ihrer Objekte (die natürlich auch gar nicht
sprechen können), und nach diesem Vorbild philosophiere ich so gut es geht. Ich
kann allerdings mit meinen lebenden Objekten nicht experimentieren und meine
Vermutungen experimentell falsifizieren.
„Wertungsfreie
Beobachtung“ erklärst Du hier freilich so, dass dabei die (emotionale oder
rationale) Selbsteinschätzung des beobachteten OBJEKTS ignoriert wird. Meine
Frage ist aber: Wie können lebende Systeme andere lebende Systeme so beobachten,
dass sie ihre Beobachtung nicht immer nur an ihrem persönlichen Vorteil
orientieren? Ich frage also nach den SUBJEKTEN der Beobachtung, nach DEREN
Zielen und IHRER Rationalität. Oder „gildet das nicht“ – Physiker als „lebende
Systeme“ zu betrachten, und zwar ohne Rücksicht auf ihre emotionale und
rationale Selbsteinschätzung?
Was Du hier sagst, verdient es,
wiederholt zu werden. Es ist geradezu decouvrierend:
Quote:So machen
es die Physiker mit der Beobachtung ihrer Objekte (die natürlich auch gar nicht
sprechen können), und nach diesem Vorbild philosophiere ich so gut es geht. Ich
kann allerdings mit meinen lebenden Objekten nicht experimentieren und meine
Vermutungen experimentell falsifizieren.
Warum kannst Du nicht
mit lebenden Objekten in der angemessenen Weise experimentieren? Weil Du
persönlich nicht die nötigen Mittel hast? Oder weil es moralisch verwerflich
wäre, mit Menschen umzugehen wie mit physikalischen Objekten? Vorbilder für
einen solchen menschenverachtenden Umgang gibt es ja, auch in der Wissenschaft
und Medizin. Und was wäre auch dagegen einzuwenden, wenn doch „Selbsterhaltung“
und „Selbstentfaltung“ die von der Natur programmierten (und damit
legitimierten) höchsten Ziele der Experimentatoren sind?
Schöne Grüße
von Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von nicht_ich am
30. Aug. 2005, 14:57 Uhr
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Hallo miteinander,
ich denke die Diskussion beginnt sich wieder dem
eigentlichen Problem zu nähern. Worum es geht ist ist nämlich die Frage:
Was ist das Bewusstsein? Was ist das Ich?
Alles Entscheiden, Handeln,
Wollen und damit alle "Möglichkeit", geht von der stillschweigenden Implikation
aus, dass das Ich, etwas objektives ist, d.h. ein vom Rest der Welt getrenntes,
abgeschlossenes System.
Diesen Befund kann man, sobald er einem Bewusst
wird, z.B. als "Distanz" bezeichnen. Letzten Endes geht es aber um die völlig
irrationale und unbewiesene Annahme, das an allem Anfang die Betrachtung der
Welt steht, und nicht die Welt selbst.
Das wir es freilich so halten und
nicht anders, ist durch tradierte Denkmuster zu erklären, und lässt sich
kulturgeschichtlich schon sehr früh fassen. Ich denke hier an die Bibel:
"Am Anfang war das Wort...".
In philosophische Kategorien übersetzt,
heist das doch: "Am Anfang war das Ich", das betrachtende, objektivierte und
distanzierte Bewusstsein. Auf dieser Aussage baut das menschliche
Selbstverständnis seit 4000 Jahren.
Und es muss so sein, diese Qualität
unterscheidet uns vom Tier.
Ich aber bin kein religiöser Mensch, Ich
meine:
"Am Anfang war die Tat."
Der Mensch ist vom Rest der Welt
nicht getrennt. Sein Ich-Bewusstsein ist nichts transzendentes, das im Reich der
Freiheit, vom Kausalprinzip losgelöste existiert. Wie alles andere ist der
Mensch eine Wirkung von Ursachen, er ist reines Subjekt, denn sofern es um ihn
selbst geht, ist Distanzierte Betrachtung ein religiöses Hirngespinnst.
Der Mensch IST einfach, er ist schlechthin. Alles Begründen, alles Beobachten
und Entscheiden, kommt als soches erst im Nachhinein hinzu: Nachträglich, und
nicht losgelöst von der Welt und ihren Ursachen.
Spätestens seit dem 19.
Jhr., seit Darwin und Nietzsche, ist diese Einsicht bekannt. Doch ihre
praktischen Konsequenzen sind beinahe nicht durchzuhalten, wir kämpfen noch
immer damit.
Für den weiteren Diskussionsverlauf möchte Ich eine weitere
Umformulierung der Fragestellung anregen:
"Ist das menschliche
Bewusstsein etwas wirkliches?"
fragt und zweifelt nicht ich
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 30.
Aug. 2005, 17:18 Uhr
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[smiley=contra2.gif]
Da ich nicht weiß, was Bewußtsein ist, sehe ich
keinen Sinn darin zu diskutieren, ob es wirklich ist.
Wüsste ich, was es
ist, bräuchte ich nicht zu diskutieren, ob es wirklich ist.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
30. Aug. 2005, 18:38 Uhr
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"philosophische Rodungsarbeiten"
Hallo Abrazo,
darf ich mal fragen, wo
Deine philosophischen Rodungsarbeiten bleiben? Ich hab Dich bisher nur von Baum
zu Baum schwingen gesehen. Echt.
Gruߎ
Lina :-)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 30. Aug. 2005, 19:04 Uhr
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Hallo „nicht ich“!
Quote:Alles Entscheiden, Handeln, Wollen und
damit alle "Möglichkeit", geht von der stillschweigenden Implikation aus, dass
das Ich, etwas Objektives ist, d.h. ein vom Rest der Welt getrenntes,
abgeschlossenes System.
Hier regt sich bei mir sofort
Widerspruch gegen Dein „das heißt“. Ist etwas nur dann „etwas Objektives“, wenn
es als ein vom Rest der Welt getrenntes, abgeschlossenes System angesehen werden
kann? Keineswegs. Etwas „objektivieren“ bedeutet m.E. es auf nachvollziehbare
Weise beschreiben, so dass seine Realität allgemein eingesehen werden kann.
Eine solche Beschreibung kann auf die begrifflichen Mittel der Systemtheorie
zurückgreifen, muss es aber nicht. Es gibt durchaus andere Wege, die Realität
von etwas nachzuweisen. Und nicht alles, was wirklich ist, bedarf überhaupt des
expliziten Nachweises. Dass ich z.B. „wirklich“ die Fähigkeit habe, Deutsch zu
sprechen und zu schreiben, „beweise“ ich hier implizit auf Schritt und Tritt.
(Allerdings kann dies nur von denen eingesehen werden, die selbst Deutsch
können. Einem Besucher von Alpha Centauri würde meine Absonderung von
Schallwellen zunächst einmal wenig „beweisen“; aber wenn er schlau ist, wird er
mit der Zeit zumindest gewisse Regelmäßigkeiten in meinen Lauten erkennen.)
Fazit: Ich sehe keinen Grund, das „Ich“ ausschließlich als ein
abgeschlossenes System zu interpretieren.
Quote:Letzten Endes
geht es aber um die völlig irrationale und unbewiesene Annahme, dass an allem
Anfang die Betrachtung der Welt steht, und nicht die Welt selbst.
Wie Du zu diesem Satz kommst, ist mir nicht ganz klar.
Wir sprechen
doch immer noch vom „Objektiven“ oder „Objektivierbaren“ – oder? Oder anders
gesagt: Wir sprechen von UNSEREM gesicherten WISSEN um die Welt. Dass es eine
Welt jenseits unseres Wissens gibt, will ich nicht bestreiten, im Gegenteil.
Aber alles was WIR von der Welt wissen, wissen wir nur aufgrund UINSERES
handelnd-erkennenden Umgangs mit (Teilen!) der Welt.
Dass die Welt vor
unserem Wissen von der Welt da war, dieser – nach unserem Ermessen wahre –
Sachverhalt ist wiederum UNSER WISSEN. Und wenn wir danach fragen, wie wir
überhaupt zu solchem gesicherten, also wahren Wissen gelangen, betreiben wir
keine Physik oder Chemie oder Astronomie, sondern Erkenntnistheorie. D.h. wir
fragen nach unseren allgemein verbindlichen Methoden und Regeln, mit deren Hilfe
wir zu gesicherten Aussagen über „die Welt, wie sie unabhängig von uns
existiert“ gelangen (z.B. auf dem Gebiet der Physik, der Chemie, der
Astronomie).
Im Rahmen einer solchen methodischen Fragestellung – „Was
müssen wir können und beachten, um zu gesichertem Wissen zu gelangen?“ – hat nun
allerdings unsere „Betrachtung“ der Welt einen (methodischen) Vorrang vor dem
Betrachteten. Denn hier wollen wir UNS als erkennende Wesen erkennen. Wir
überlegen z.B., welche Bedingungen WIR erfüllen müssen, damit wir eine
wissenschaftliche Aussage über einen Teil der Welt machen können.
Die
Sprachbegabung übrigens wird in einer Liste solcher von uns zu erfüllenden
Bedingungen ziemlich weit oben rangieren, so dass wir – im Rahmen einer
erkenntnistheoretischen Untersuchung! – in der Tat sagen müssten: „Im Anfang war
das Wort...“ Denn eine sprachlose Wissenschaft ist ja wohl ein Unding.
Quote:In philosophische Kategorien übersetzt, heißt das doch: "Am Anfang war
das Ich", das betrachtende, objektivierte und distanzierte Bewusstsein. Auf
dieser Aussage baut das menschliche Selbstverständnis seit 4000 Jahren.
Und
es muss so sein, diese Qualität unterscheidet uns vom Tier.
Du
verwechselst hier die beiden grundverschiedenen Perspektiven einer a)
sachgerichteten, also „objektsprachlichen“ Beschreibung und einer b)
(analytischen) Reflexion auf die Methode des Beschreibens überhaupt.
Dieser
Verwechslung sind auch manche Philosophen erlegen, die allen Ernstes Sätze
behaupteten wie „Im Anfang war das Ich“ und glaubten, damit (objektsprachliche)
Tatsachenfeststellungen zu machen. Aber die Ansichten dieser Philosophen sind
nicht gleichzusetzen mit dem „menschlichen Selbstverständnis seit 4000 Jahren“.
Nicht alle Menschen hatten nur Unsinn im Kopf.
Allerdings wirst Du doch
zugeben müssen: Unsere Erkenntnisleistungen übersteigen die der uns bekannten
Tiere ganz erheblich. Allein aufgrund unserer Erkenntnisfähigkeiten – zu denen
die Sprachbegabung ganz elementar gehört -, wissen wir z.B. überhaupt von der
Welt, wie sie war, bevor es uns gab. Nur wegen dieser Erkenntnisfähigkeiten
kannst Du z.B. behaupten: „Im Anfang war gar nicht das Wort.“ Oder: „Alles
Begründen, alles Beobachten und Entscheiden, kommt als solches erst im
Nachhinein hinzu: Nachträglich, und nicht losgelöst von der Welt und ihren
Ursachen.“
Also pass auf, dass Du Deinen eigenen sachlichen Behauptungen
nicht den Boden entziehst, indem Du das Erkennen-Können kleinredest!
Quote:Der Mensch ist vom Rest der Welt nicht getrennt. Sein Ich-Bewusstsein
ist nichts transzendentes, das im Reich der Freiheit, vom Kausalprinzip
losgelöste existiert. Wie alles andere ist der Mensch eine Wirkung von Ursachen,
er ist reines Subjekt, denn sofern es um ihn selbst geht, ist Distanzierte
Betrachtung ein religiöses Hirngespinst.
Wieder die gleiche
Perspektivenverwechslung! Daneben rennst Du gegen eine These an, die Du selbst
aufstellst und umstandslos als „das menschliche Selbstverständnis seit 4000
Jahren“ unterstellst (aber fälschlich, wie gesagt). Außerdem starke Thesen über
die Unmöglichkeit der Selbsterkenntnis...
Ist es nicht eine
„distanzierte Betrachtung“, wenn wir die Bedingungen unseres Wissens von der
Welt zum Gegenstand der Analyse machen? Du machst ja immerhin auch Aussagen über
„das Subjekt“, und zwar sehr bestimmte, weitgreifende. Aber wird durch diesen
Perspektivenwechsel – von der Aussage über Sachen zu den Voraussetzungen des
Aussagens – „das Subjekt“ zwingend in eine „transzendente“ Angelegenheit
verwandelt? Wo siehst Du das Religiöse in einer solchen methodischen Reflexion?
Schöne Grüße
Urs
PS. Ich sehe, der Thread „Ich,
Person, Subjekt“ kann nicht mehr lange aufgeschoben werden...
:-)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 30.
Aug. 2005, 21:39 Uhr
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Hi, Urs,
jau, dat mach mal.
Und ich wünsche dir viel Spaß mit den
Physikern, Psychofans, Esoterikern, bibeltreuen Christen, Tierfreunden,
Zen-Buddhisten, Neohinduisten ...
Dat is absolut nix gegen dich. Ich weiß
nur, worauf die Brüder am meisten abfahren.
:-)
Hi, Sheelina,
wie
soll ich deine Frage jetzt verstehen? Gehört sie eher zum Themenkomplex
Möglichkeit und Wirklichkeit oder bereits zur Möglichkeit Moral?
Grüße
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 30.
Aug. 2005, 22:16 Uhr
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Hi, Eberhard,
versuchen wir mal, weiter zu machen.
Du fragst:
Weil ich es für richtig halte, gefundene Wertsachen zurückzugeben?
Weil ich
ein moralischer Mensch bin, und es meine Selbstachtung beschädigen würde, wenn
ich das Geld nicht zurückgeben würde?
Weil ich vor den andern als guter
Mensch glänzen will?
Weil ich in meiner Kindheit diese Regel eingeimpft
bekommen habe?
Weil ich genug Geld habe und Geld mir wenig bedeutet?
Weil ich mir den Verlierer verpflichten will?
Unterschiedliche
Aussagen, die alle den gleichen Zweck haben: zu begründen, warum du etwas tun
sollst.
Was in mir den Verdacht erweckt,
a) dass es dafür gar keinen
Grund gibt,
b) dass damit erreicht werden soll, dass man etwas tut, was man
gar nicht will. Wer das sowieso will, braucht nämlich solche Begründungen nicht.
c) Und damit du das auch gewisslich tust, wird dir eine Belohnung versprochen.
Eigentlich nicht das, was man so mit Moral meint. Aber ich denke, mit
moralischen Aussagen verhält es sich immer so.
Es zwingt mich jetzt zu
Kant.
Gut ist nur der gute Wille. Eine Handlung, die mir Vorteile bringt, mag
richtig sein, ist damit aber nicht gut. Folgerichtig musste sein zentraler
moralischer Satz eine prinzipielle Aussage ohne konkreten Inhalt sein.
Auf jeden Fall bringt die Moral eine Entscheidungsalternative hinein. Ich kann
den Fuffi einstecken, ich kann ihn aber auch dem Verlierer geben.
Kann
ich oder muss ich?
Deterministen würden sagen, das hängt davon ab, welcher
Reiz für ein spezielles Individuum der stärkere ist. Hängt letztlich von den
Prägungen durch Kultur und Erziehung ab. Je nachdem wird es sich entscheiden
(oder auch nicht. Denn einstecken und weitergeben kann man auch ohne tiefsinnige
Überlegungen).
Die von dir angeführten Begründungen sprechen also imho
für die Moral als soziale Norm, die sich entwickelt hat und von den meisten
Individuen verinnerlicht ist, so dass sie automatisch danach handeln.
Bloß, dass sie das gerne nicht tun.
Weswegen man sie teils mit Lob und
Belohnung, teils mit Knast und Höllenfeuer dazu zu bringen trachtet. Mit anderen
Worten: man traut ihr und ihrer Überzeugungskraft tatsächlich nicht.
Und
wieder komme ich zu Kant: moralisch gut ist eine Handlung dann, wenn man sie
auch gegen seinen eigenen Willen tut, wenn man statt dessen etwas anderes will:
nämlich den vernünftigen Notwendigkeiten / Pflichten folgen, die der Verstand
erkennt.
Auch danach sind deine Sätze nicht in dem Sinne, wie wir es
eigentlich meinen (gut), moralisch.
(Ich hab mit der Materie etwas
Schwierigkeiten, weil ich auf der Seite der Ethik stehe, und solche Leute haben
meist für Moral wenig bis gar nichts übrig.)
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Sheelina am
31. Aug. 2005, 06:15 Uhr
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on 08/30/05 um 21:39:05, Abrazo wrote:Hi, Sheelina,
wie soll ich deine
Frage jetzt verstehen? Gehört sie eher zum Themenkomplex Möglichkeit und
Wirklichkeit oder bereits zur Möglichkeit Moral?
Grüße
Du
brauchst mir nicht zwei Wörter vorzugeben mit denen Du mich in einen Komplex
sperren willst:-)Also ich hätte einfach gerne eine Antwort auf die Frage, was
"philosophische Rodungsarbeiten" sind. Ich las vor kurzem etwas über Popper und
seine erkenntnistheoretische Einteilung in 1.2.u.3. Welt. "Du" passest irgendwie
in die 3. Welt, wie eben jemand, der von Baum zu Baum hangelt. Aber, ohne
Antwort auf meine Frage, nun auch keine weitere Antworten mehr auf Deine Fragen.
Gruß an alle
Lina
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2005, 08:22 Uhr
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Hallo Urs,
Du fragst: "...wenn ein System prinzipiell, d.h. in jedem
gegebenen Fall, seine Selbsterhaltung anstrebt, ist dieses Ziel auch stets sein
einziger (oder zumindest oberster) Maßstab der Bewertung. Dieses System kann
also keine Handlung ausführen, die es nicht im Hinblick auf seine
Selbsterhaltung bewertete.
Wovon redest Du also, wenn Du empfiehlst:
„Einfach wertungsfrei beobachten!“"
o.k., logisch richtig. Nur: mit
Handlungen meine ich aktive Taten, sozusagen den output des Systems. Das
Beobachten ist in dem Sinn keine Handlung, sondern ein input.
Von der
(automatischen, reflexhaften) Bewertung unter dem Gesichtspunkt: ist das Objekt
als Futter geeignet oder umgekehrt, kann ich mich natürlich distanzieren.
"Wertungsfrei" setzt also die Kenntnis der Bewertungskriterien voraus. Die
Distanzierung von ihnen ist der zweite Schritt, über den Du dann entscheiden
kannst.
Dazu solltest Du Dein Unbewusstes kennenlernen.
Beispiel:
Dir gefällt eine Frau. Wenn Du Deine Bewertungskriterien kennst, zum Beispiel
die Eigenschaften Deiner Mutter, weißt Du zumindest, warum sie Dir gefällt.
Desweiteren fragst Du nach moralischen Handlungen.
Wenn ich sage,
ich experimentiere nicht mit lebenden Systemen, kannst Du das selbstverständlich
als moralisches Handeln bewerten. Meine eigene Erklärung, dass ich nur
beobachten will und nicht durch einen aktiven Eingriff (Experiment) das System
nach meinen Vorstellungen verändern will, weil ich ja zu objektiven Ergebnissen
kommen will und nicht das finden will, was ich vorher vermutet hatte, kannst Du
aus Deiner Sicht natürlich als Selbsttäuschung interpretieren.
Umgekehrt
bin ich skeptisch, wenn mir jemand erzählt, seine Handlung sei moralisch
motiviert gewesen. Da vermute ich meinerseits eine Selbsttäuschung.
Was
meinst Du, wie man aus diesem Dilemma herauskommt?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2005, 08:41 Uhr
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Hallo Abrazo,
Du sagst, Moral ist eine soziale Norm. Völlig richtig.
Da
erfüllt sie einen einfachen Zweck, nämlich das friedliche Zusammenleben der
Menschen zu gewährleisten.
Moral ist also nicht etwas, was von Gott kommt,
etwas Religiöses,
sondern etwas ganz weltlich Zweckmäßiges.
Eine
Regelwerk, das das Zusammenleben von Menschen garantiert.
Moral ist die
Spielregel für das menschliche Zusammenleben in einem System höherer Ordnung
(einer Gemeinschaft). Sie hat den Zweck, aus einer Menschenmasse eine
funktionierende Gemeinschaft zu machen.
Da könnte ich mich sogar mit dem
Moralbegriff anfreunden.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 31. Aug. 2005, 09:44 Uhr
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.... eine schein heilige moral
hat den zweck katastrophen
kreieren zu können
und sich etwas darauf ein zu bilden
aus zu steben !
eine ethik ent standen aus einer öffent lichen wahr heit
hat den zweck un
end lich lange
menschen würdig zu leben ........
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
31. Aug. 2005, 10:40 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Urs, ich denke, eine gesonderte Diskussion zur
Klärung des Subjektbegriffs könnte uns weiterbringen.
Hallo Abrazo,
Ich hatte gefragt: Warum habe ich den gefundenen 50-Euro-Schein
zurückgegeben?
Diese Warum-Frage ist doppeldeutig:
Es kann einmal
eine Frage nach den Beweggründen (Motiven) sein, mit denen ich mein Handeln
kausal erklären kann.
Es kann aber auch eine Frage nach den
Vernunftgründen (Argumenten) sein, mit denen ich mein Handeln rechtfertigen
kann.
Vernunftgrund wäre in meinem Beispiel: "Ich habe den Schein
zurückgegeben, weil dies moralisch richtig ist." D.h. ich habe das getan, weil
es eine allgemeingültige Norm gibt, die beinhaltet, dass ich das tun soll.
Die Angabe eines Vernunftgrundes für mein Handeln kann mein Handeln nicht
kausal erklären. Dazu muss der Vernunftgrund zu einem Beweggrund werden. Es muss
der Wille vorhanden sein, gültige moralische Normen auch zu befolgen, und dieser
Wille muss eine gewisse Stärke haben, damit er sich auch gegen das vorhandene
Eigeninteresse (an zusätzlichen 50 ? in meinem Portemonnaie) durchsetzen kann.
Diesen Willen zu stärken, ist meiner Ansicht nach eine der dringendsten
Aufgaben, vor denen wir heute stehen. Eine Voraussetzung hierfür ist die
glaubwürdige, nachvollziehbare Begründung der behaupteten Normen. (Deshalb will
ich in diesem - übrigens meinem 1000. Beitrag zu Philtalk - ein ethischesThema
zur Diskussion stellen.)
Die Frage dieser Runde, inwiefern
Möglichkeiten "real" bestehen, ist offensichtlich zu eng geworden. Wir sollten
sie gegebenenfalls später wieder aufnehmen.
Ich hätte stattdessen
Interesse, unser (hoffentlich) verbessertes Verständnis von Wahlfreiheit und
Willensfreiheit auf eine konkrete moralische Frage anzuwenden.
Eine
Frage, die ich unter den heutigen Verhältnissen für besonders diskussionswürdig
halte, ist die, ob jeder das Recht haben sollte, über sich selbst zu bestimmen
bis hin zu der Freiheit, sich selbst zugrunde zu richten.
Es ist für
mich keineswegs entschieden, wo die Grenzen der Verfügung des Einzelnen über
sich selber liegen sollten. Einerseits heißt es: "Jeder Mensch weiß selber am
besten, was für ihn gut ist." Andererseits kann es einer Gesellschaft doch wohl
nicht gleichgültig sein, was aus ihren Mitgliedern wird.
Die Haltung in
dieser Frage hat Konsequenzen für die Behandlung zahlreicher Einzelprobleme wie:
Anschnallpflicht im Auto, Freigabe von Rauschmitteln und Genussgiften, Werbung
für Suchtmittel, Zwangsentzug für Süchtige, erhöhte Krankenversicherungsbeiträge
für Raucher, Verlust des Versicherungsschutzes bei bestimmten Sportarten,
Obdachlosigkeit als Folge von Alkoholismus, Verbot von Medien wegen schädlicher
Inhalte, Altersgrenze für die Mündigkeit in Bezug auf Wahlberechtigung und
Geschäftsfähigkeit, Entmündigung von geistig behinderten oder verwirrten
Personen, Bewertung der Selbsttötung als Selbstmord oder Freitod, Freigabe von
Glücksspielen, u.a.m..
Ich denke, dass anhand dieses Themas Fragen wie:
"Kann ein Mensch sich selbst steuern?" und "Hat er verschiedene
Handlungsalternativen?" eine konkrete Bedeutung erhalten.
Mit diesem
Thema begeben wir uns offensichtlich auf das Gebiet der normativen Ethik. Nach
vorherrschender Meinung können Fragen der normativen Ethik nicht allgemeingültig
beantwortet werden. Deshalb wird es von besonderer Bedeutung sein, sich
klarzumachen, von welcher Art die von den Diskussionsteilnehmern eingebrachten
Argumente sind und insbesondere zu fragen, inwieweit die vorgetragenen Argumente
allgemein nachvollziehbar sind.
Also: Soll jeder die Freiheit haben über
sich selbst zu bestimmen, auch wenn er sich dabei selber zugrunde richtet?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 31. Aug. 2005, 11:19 Uhr
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Hallo Rudi!
Quote:Nur: mit Handlungen meine ich aktive Taten,
sozusagen den output des Systems. Das Beobachten ist in dem Sinn keine Handlung,
sondern ein input.
Von der (automatischen, reflexhaften) Bewertung unter dem
Gesichtspunkt: ist das Objekt als Futter geeignet oder umgekehrt, kann ich mich
natürlich distanzieren.
"Wertungsfrei" setzt also die Kenntnis der
Bewertungskriterien voraus. Die Distanzierung von ihnen ist der zweite Schritt,
über den Du dann entscheiden kannst.
Zustimmung zum letzten
Satz! Um sich von der eigenen Wertung distanzieren zu können, muss man sie
zunächst einmal kennen. D.h. man muss die Kriterien oder Regeln kennen, nach
denen man bewertet. Diese Erkenntnis bewirkt, dass die eigene Wertung nicht mehr
alternativlos ist: Man kann nun so oder auch anders werten, zumindest in der
Reflexion. (Dass man die aktive Bewertung damit auch schon verändern kann, ist
oft fraglich, denn lang eingespielte Gewohnheiten kann man nicht im Handumdrehen
ablegen. Aber zweifellos ist es in vielen Fällen möglich, sich zu ent-wöhnen
oder umzugewöhnen. Bei dieser Anstrengung kommt dann in der Tat etwas zur
Abhebung, was man einen „starken“, weil ausdauernden „Willen“ nennt...)
Distanzierung von der eigenen Wertung hängt also offenbar mit dem Erkennen
von/Verfügen über alternative/n Bewertungsmöglichkeiten zusammen. Noch etwas
grundlegender ist die Einsicht, dass die eigene Bewertung einer Regel folgt:
„Immer wenn... dann werte ich so und nicht anders.“ Eine einmalige, spontane
Bewertung ist dagegen schwer zu durchschauen.
(Darum fällt es auch
schwer zu durchschauen, ob ich in den wenigen, locker an einer Hand abzählbaren
Fällen von heftiger (folgenschwerer) Verliebtheit einem bestimmten Muster
gefolgt bin, ob ich also einem ganz bestimmten „Typ“ von Frau erlegen bin und
immer wieder erliege. Die Datenbasis ist für sichere statistische Erhebungen
einfach zu schmal... In puncto „Liebelei“ oder „Affäre“ oder „Flirt“ ist sie
größer, aber da kann ich sicher sagen, dass es kein Muster gibt. „Ob blond, ob
braun...“)
Widerspruch allerdings zur Einsortierung des
Beobachtens unter dem „Input“ des Systems!
„Beobachten“ oder „beachten“
ist doch zweifellos eine gezielte Handlung, im Unterschied zum „abwesenden
Starren“ oder „glasigen Blick“. Worauf wir den Blick richten oder auf welches
Geräusch wir hören, unterliegt unserer Willkür. Sonst könnte man nicht
auffordern: „Schau mal dort!“ – „Hör mal ganz genau auf diese Stelle!“ – „Achte
an dieser Stelle jetzt mal nicht auf die Melodie, sondern nur auf den Rhythmus!“
– „Kneif mal die Augen zusammen und richte den Blick auf nichts Bestimmtes:
Entdeckst du dann nicht ein Muster?“ Usw.
Offenbar können wir unsere
Aufmerksamkeit willkürlich „fokussieren“ und dabei die Kriterien bestimmen, nach
denen sie sich richtet. Das tun wir schon im Alltag dauernd, und für
Beobachtungen „höheren Grades“ – also z.B. wissenschaftliche Untersuchungen –
ist diese Fähigkeit erst recht unerlässlich. Insofern ist die Rede vom „Input“
nicht nur schief, sondern sogar falsch. Denn es lässt sich tausendfach belegen,
dass wir auf der Grundlage immer „derselben“ Datenbasis jeweils etwas anderes
wahrnehmen oder „beobachten“ können. Unser Wahrnehmen folgt also nicht nur
natürlichen Gesetzen, sondern auch erlernten Regeln. Und: Wir könnten weder die
naturgesetzlichen noch die erlernten Regelmäßigkeiten erkennen und von einander
unterscheiden, wenn unser Wahrnehmen nicht nach von uns selbst gesetzten
Kriterien lenkbar wäre. Denn ohne diese Fähigkeit der kontrollierten (und damit
auch „distanzierten“) Beobachtung wäre schlechterdings keine Wissenschaft
möglich.
(Bei „Naturalisten“ immer wieder zu beobachtender, regelmäßiger
Kurschluss: Die Beschreibung des Systems „Mensch“ mit wissenschaftlichem
Anspruch fällt so aus, dass dieses System nicht in der Lage wäre, genau das zu
tun, was der Beschreibende gerade tut: nämlich Wissenschaft treiben... Wäre
unser Wahrnehmen in der Tat als „Input“ zutreffend oder erschöpfend beschrieben,
könnten wir gar nicht wissenschaftlich beobachten.)
Quote:Meine
eigene Erklärung, dass ich nur beobachten will und nicht durch einen aktiven
Eingriff (Experiment) das System nach meinen Vorstellungen verändern will, weil
ich ja zu objektiven Ergebnissen kommen will und nicht das finden will, was ich
vorher vermutet hatte, kannst Du aus Deiner Sicht natürlich als Selbsttäuschung
interpretieren.
Die Annahme, dass „objektive“ Erkenntnisse
dadurch zustande kommen, dass man „einfach nur hinsieht“ oder „einfach sieht,
was ist“, sollte doch gerade einem Systemtheoretiker leicht als Irrtum
durchschaubar sein. Die Bedingungen, unter denen ein System seine Umwelt
wahrnimmt, stellt das System und nicht die Umwelt. Oder schlichter gesagt: Das
System nimmt nur wahr, was es wahrnehmen kann. Darum bedarf es gerade einer
besonderen Anstrengung – also einer gezielten Aktivität - , diese von Natur aus
eingegrenzte Wahrnehmung zu erweitern und zu Aussagen über die Umwelt zu
gelangen, die nicht durchweg standortbedingt oder „perspektivisch“ verkürzt
sind.
Ob diese Anstrengung in Form von Experimenten erbracht wird oder
in Form von kontrollierten, kriteriengesteuerten Beobachtungen, macht nur
oberflächlich einen Unterschied: Beides ist methodisches Vorgehen, beides
„modelliert“ den Untersuchungsgegenstand, beides blendet immer gewisse Aspekte
daran aus, um andere Aspekte hervortreten zu lassen usw. Das „objektive“ Bild
von diesem Gegenstand ergibt sich dann als Resultat aus der kontrollierten
Erkenntnisleistung. Wäre es anders, müsste doch jede wissenschaftliche
Untersuchung die Wahrnehmung verfälschen, dann würde nur der „erste,
unverstellte, unschuldige Blick“ uns die Wahrheit offenbaren...
Also,
ich sehe schon eine „Selbsttäuschung“ bei Dir am Werk, allerdings keine
moralische, sondern eine erkenntnistheoretische.
Auf die
Moralfrage gehe ich ein andermal ein. Dieser Beitrag ist schon wieder sehr lang
geworden.
Schönen Gruß
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2005, 11:41 Uhr
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Hi Eberhard,
Du bist hier der Chef, gibst das Thema vor, das seinerseits
schwierige Fragen aufwirft. (wer was über die Philosophie lebender Systeme
wissen wil, z.B. Urs oder Abrazo, kann ja seine Fragen dort stellen: -
praktische Philosophie - Sozialphilosophie)
Du beziehst das Thema,
nebenbei bemerkt, auf Friedenszeit.
Im Krieg verlangt die Gesellschaftsmoral
vom Individuum, sich für das Wohl der Gesellschaft zugrunde zu richten, sich im
Krieg zu opfern und möglichst viele Feinde dabei zu töten. Einige religiös
definierte Gesellschaften auf der Erde befinden sich im Kriegszustand und
verlangen von ihren Individuen Selbstmordattentate.
Das Individuum, das sich
gesellschaftlich anerkannten Regeln unterwirft, handelt in meinen Augen nicht
frei, wenn es sich im Auftrag der Gesellschaft selbst als Soldat oder
Selbstmordattentäter zugrunde richtet.
Aber zurück zum Frieden. Der
Auftrag der Gesellschaft ist zu solche Zeiten der gegenteilige.
Lebe gesund,
erhalte Deine Arbeitskraft und setze sie zum Wohl aller (Mitglieder deiner
Gesellschaft) ein. Die Freiheit, sich selbst zugrunde zu richten, steht dem
entgegen.
Meine Antwort resultiert natürlich aus meiner Philosophie und
die besagt, dass kein Individuum (hier lebendes System Mensch) den natürlichen
Impuls hat, sich zugrunde zu richten.
Jeder Mensch hat als lebendes System
die Selbsterhaltungs- und die Selbstentfaltungstendenz.
Aus diesen beiden
Kräften resultieren zwar Handlungen, die anderen Individuen Schaden zufügen
können, wogegen diese sich wehren können und man sich auf allgemeinverbindliche
Umgangsformen einigt,
aber kein lebendes System würde sich ohne Einwirkung
von außen selbst schädigen (genauso, wie kein physikalischer Körper ohne
Einwirkung von außen seine Bewegungsrichtung ändern würde.)
Beobachte ich
also an einem Menschen selbstschädigende Handlungen, wie zum Beispiel auch an
mir, dann müssen diese irgendwie durch Einwirkung von außen verursacht worden
sein (wie z.B. eine Infektionskrankheit durch die Invasion von Bakterien in den
Körper). Eine Selbstschädigende Handlung ist also Indiz für Unfreiheit.
Deshalb enthält Dein Fragesatz für mich einen inneren Widerspruch:
Eine
freie Bestimmung über sich selbst kann nicht zu einer Verkleinerung des Selbst
führen (es sei denn, sie wäre vorübergehend oder taktisch), ein
Sich-selbst-zugrunde-richten kann per se nicht auf freier Entscheidung beruhen.
Wie Du siehst, benötige ich nicht die Konstruktion einer Rücksichtnahme auf die
Mitmenschen.
Dass Selbstschädigung gesetzmäßig auch eine Schädigung der
Gesellschaft enthält, hält nach meiner Beobachtung niemanden davon ab, sich
zugrunde zu richten.
Insofern enthält Selbstschädigung auch immer eine
Rachetendenz gegen die Gesellschaft.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von doc_rudi am
31. Aug. 2005, 14:23 Uhr
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Hallo Urs,
Du beschreibst den Wahrnehmungsakt sehr richtig als aktive
Leistung zum Erkennen der Umwelt. Wir können unsere Aufmerksamkeit fokussieren
usw.. "...ohne diese Fähigkeit der kontrollierten (und damit auch
„distanzierten“) Beobachtung wäre schlechterdings keine Wissenschaft möglich."
Auf diese Weise kommen wir auch zu objektiven, wissenschaftlichen Ergebnissen.
Richtig. Wir benutzen auch Instrumente, um unsere begrenzte
Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern.
"Das „objektive“ Bild von diesem
Gegenstand ergibt sich dann als Resultat aus der kontrollierten
Erkenntnisleistung. Wäre es anders, müsste doch jede wissenschaftliche
Untersuchung die Wahrnehmung verfälschen,..."
Stimmt zwar schon, aber die
Resultate unserer Naturwissenschaften sind ja aus diesem Grund immer nur
Scheuklappenresultate. Deshalb haben wir ja auch so viele Wissenschaften, die
ihre Bedingungen selbst gesetzt haben und Ergebnisse bekommen, die nicht mit den
Ergebnissen aus anderen Wissenschaften vergleichbar sind. Wie willst du Physik
und Chemie vereinigen? Jede Wissenschaft sieht die Welt aus ihrer Perspektive.
Deshalb hat schon Fichte gesagt, die Wissenschaft muss mit dem Ich beginnen, der
Trennung von Ich und Nicht-Ich.
Und wenn ich das möglichst ohne
Voreinstellungen, Erwartungen, Hypothesen usw., also neutral, beobachte, sehe
ich mich und andere lebende Systeme, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie
begrenzt und offen sind.
Das lebende System ist nicht ein geschlossenes
System, sondern es hat eine Grenze, die in beiden Richtungen durchlässig ist,
es hat eine offene Grenze.
Es nimmt Substanzen und Ideen von außen auf
und gibt Materie und Ideen nach außen ab. Obwohl es seine Materie ständig
austauscht und neue Zellen bildet, bleibt es gleich (Homöostase). Gleich bleibt
objektiv nur sein Bauplan, also etwas Geistiges. Und der überlebt auch den Tod
des Individuums, wird genetisch gespeichert an die nächste Generation
weitergegeben. Dabei ist das Individuum Teil (Baustein, Element) einer
Gesellschaft (eines lebenden Systems höherer Ordnung) und erfüllt in dieser
Gesellschaft Aufgaben. Daraus kann sich ein Interessenkonflikt zwischen dem
Individuum und der Gesellschaft ergeben. Die Gesellschaft vermittelt dem
Individuum seine Interessen durch Moral, Gesetze, ein Über-Ich und ein
schlechtes Gewissen, durch negative Rückkopplung (Bestrafung) bei
gesellschaftsschädigendem Verhalten, je nachdem, ob ich das aus religiöser oder
psychoanalytischer Sicht usw. (z.B. aus der Sicht der Philosophie lebender
Systeme) interpretiere.
Womit wir hoffentlich wieder beim Thema wären.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 31.
Aug. 2005, 16:05 Uhr
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Hi, zusammen,
Lasst uns die Frage nach Willensfreiheit und Moral doch mal
kurz an einem konkreten Beispiel erläutern:
Stellen wir uns vor, es gibt
ein paar - so ganz wenige - Leute, die von Philosophie eine etwas altertümliche
Vorstellung haben. Die meinen nämlich, Philosophie befasse sich mit Sätzen, also
mit Aussagen, die in ihrer Bedeutung, ihrem Sinngehalt und ihren Begründungen zu
klären sind. Zu diesem Behufe diskutieren die über ein stinklangweiliges Thema.
Stellen wir uns vor, es gibt da eine ganze Menge andere Leute, die von
Philosophie eine ganz andere Auffassung haben. Die meinen nämlich, Philosophie
sei der Bereich, in dem man seine persönlichen Meinungen, sein Weltverständnis,
seine persönliche Auffassung, was danach richtig und was falsch sei und wie man
überhaupt die Welt und die Menschheit im allgemeinen und die Mitdiskutanten im
besonderen viel lieber hätte, propagieren und nach Möglichkeit seine lieben
Mitmenschen dahigehend missionieren kann.
Da sie ihre Meinung aber viel
mehr interessiert als die anderer Leute, finden sie, die müsse auch überall
diskutiert werden. In jedem Thread. Alles andere sei langweilig und
uninteressant. Und so gehen sie denn auch zu Werke, lesen nach, wo sie das
entsprechende Stichwort finden, um ihre persönliche Auffassung hinein zu
psalmodieren.
Nun, die Freiheit dazu hat man. Wie aber ist dies moralisch
zu bewerten? Ließe sich da überhaupt eine moralische Bewertung finden? Und wie
sieht das aus, wenn man mal dem ollen Kant seinen kategorischen Imperativ dran
hält?
Nun sind die altmodischen Philosophieanhänger aber auch keine
Engel. Neigen schon etwas zur Intoleranz, was möglicherweise moralisch
verwerflich sein könnte. Die behaupten z.B. frech, Meinungen würden in der
Philosophie seit den Zeiten des ollen Platon als vorwissenschaftlich gelten und
hätten in der Philosophie nix zu suchen. Zudem reagieren die mit grimmem
Zähnefletschen, wenn eine Diskussion durch einige Protagonisten vom Thema (den
Sätzen) ab ins Uferlose schweift. Sie sind auch nicht dankbar für die
freundlichen Informationen, die man ihnen gibt, sondern behaupten, dabei handle
es sich um Allgemeinplätze, die ohnehin längst bekannt sind. Am Ende sind sie
sogar so bösartig, die hoch wichtigen Diskussionen um die spezifischen Denk- und
Persönlichkeitsstrukturen einzelner Diskussionsteilnehmer als Weibergeschwätz
abzuqualifizieren.
Wie wäre denn das moralisch zu bewerten?
Sollte man daraus nicht die moralische Konsequenz ziehen, den Philosophen die
Philosophie zu untersagen, weil sie darauf bestehen, Philosophie nicht daran
auszurichten, was die Mehrheit wünscht?
Sch-meine, man könnte natürlich
auch fragen, inwiefern Menschen soweit mit freiem Willen ausgestattet sind, dass
sie fähig wären, den Labertrieb zu disziplinieren oder zumindest den einen oder
anderen Thread damit zu verschonen ...
mit grübelnden Grüßen
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Titel: Und icRe: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W.
am 31. Aug. 2005, 18:04 Uhr
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Abrazo: "Und ich wünsche dir viel Spaß mit den Physikern, Psychofans,
Esoterikern, bibeltreuen Christen, Tierfreunden, Zen-Buddhisten, Neohinduisten
... "
und das schreibt einer, der nicht, wie noch von Sheelina großzügig
vermutet, sich elegant von philosophischem Baum zu philosophischem Baum
schwingt, sondern festgebunden an einem Bäumchen namens Tractatus (naja, is ja
auch nich allzudick, kann man schon mal durchblättern...) banalst plappert um
des Plapperns willen. Würd ich auch gar nix gegen sagen,Spaß muß sein, aber
verbunden mit einer Intoleranz bar jeden Fachwissens, ist das zuviel des
Schlechten.
meint
jonny W. ( Physiker,Psychofan, Esoteriker, Bibelfan,
Tierfreund und deshalb gegen Hundehaltung,
Zenbuddhist.......Anarchodenker.........)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 31.
Aug. 2005, 18:25 Uhr
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Hi, Jonny,
schau, ich bin eine ganz miese Type, ein unbelehrbarer,
unmissionierbarer, altmodischer Sturkopp, der auch noch die Unverschämtheit
besitzt, dass es ihm völlig gleichgültig ist, was andere von ihm halten.
Warum verschwendest du deine kostbaren Energien an so ein übles Subjekt und
suchst dir nicht andernorts geeignetere Opfer?
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Jochen43 am
31. Aug. 2005, 18:42 Uhr
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Au weia Johnny, da hast Du Dich aber schlimm geoutet! Bibelfan, Esoteriker,
Zenbuddhist, Physiker und Anarchodenker! Kann's denn nicht noch fürn Fuffy mehr
sein? Da ist mir um Deutschland nicht mehr bange! Nur, was sagen die
Bibelautoren zu diesem Tante-Emma-Laden?
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Abrazo am 31.
Aug. 2005, 23:10 Uhr
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Hi, Eberhard,
Soll jeder die Freiheit haben über sich selbst zu
bestimmen, auch wenn er sich dabei selber zugrunde richtet?
Nein.
Warum nicht?
Weil ich es nicht will (und diesen Willen teile ich mit
zahllosen Menschen).
Es tut mir leid, aber ich habe dafür keine andere
Erklärung. Ich habe des öfteren vor Menschen gestanden, die sich zugrunde
richteten, die dem eigenen Leben keinen Wert beimaßen oder sich gar selbst
insgeheim zum Tode verurteilt hatten. Hab mich durchaus mit ihren Aussagen
abgequält. Und auch der Spruch der anderen Seite "lassen Sie sie doch verrecken,
wenn sie unbedingt wollen" hat sich mir eingeprägt. Ich will es nicht, ohne es
vernünfig begründen zu können, und das seltsame ist, dass diejenigen, die diesen
Willen nicht haben, ihn überhaupt nicht begreifen. Als wären sie eine andere
Menschenart. Offenbar bestehen da grundlegende Unterschiede, aber worin bestehen
sie?
Immerhin rechtfertigt das die Notwendigkeit normativer Spielregeln.
Nicht allen sind sie von selbst einsichtig.
Wäre übrigens eine Frage für
die Verfechter sozialer Determination: würde das nicht heißen, dass man
Spielregeln (mal abgesehen von Straßenverkehrsregeln) nicht braucht?
Ich
habe den ernsthaften Verdacht (und bin da nicht die einzige), dass sich die
Ethik überhaupt nicht vernünftig begründen lässt.
Du stellst fast die
gleiche Frage zuvor in leicht geänderter Formulierung:
ob jeder das Recht
haben sollte, über sich selbst zu bestimmen bis hin zu der Freiheit, sich selbst
zugrunde zu richten.
Da nun würde ich entschieden bejahen.
Also:
Recht ja, Freiheit nein.
Warum dieser Widerspruch?
Ich denke, es zeigt
sich in der Struktur des Satzes "ich will das". Also Wollen als eine Beziehung
zwischen einem Subjekt und einem Objekt. Das menschliche Subjekt in seinen
Rechten und in seiner Freiheit einzuschränken ruft den Widerstand der Ethik auf.
Aber ebenso ruft es den Widerstand der Ethik auf, wenn in Bezug auf die Objekte
(auch wenn das Subjekt sich selbst zum Objekt seines Willens macht), auf die
sich der Willen richtet, alles freigestellt wird. Nicht wer etwas will, ist
entscheidend, sondern was gewollt wird.
Bezieht sich die Ethik immer auf
das Gewollte und nie auf den Wollenden? Bei der Moral scheint das anders zu
sein.
Gruß
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von Eberhard am
01. Sept. 2005, 08:38 Uhr
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Hallo allerseits,
hier mein persönliches Fazit aus unserer Diskussion zu
der Frage: Sind (Wahl)Möglichkeiten etwas Wirkliches?
Oder anders
ausgedrückt: Gibt es Situationen, in denen ein Mensch zwischen verschiedenen
Handlungen wählen kann?
Ob eine Handlung einem Menschen offen steht, ist
eine Frage nach seinen Fähigkeiten.
Eine Fähigkeit wird dadurch erwiesen,
dass sie ausgeübt wird.
Schwieriger ist der Nachweis einer Unfähigkeit
etwas zu tun. Wenn jemand aber gewillt ist, etwas zu tun, und er tut es dann
nicht, so ist der Schluss berechtigt, dass ihm die Fähigkeit dazu fehlt.
Außerdem ist niemand fähig, logisch Unmögliches, naturgesetzlich Unmögliches
oder Technisch unmögliches zu tun, also z.B. schwarze Schimmel zu züchten, ein
perpetuum mobile zu bauen oder in fünf Sekunden von Berlin nach Paris zu
gelangen.
Wenn ich die Fähigkeit habe, meinen Kopf nach links und nach
rechts zu drehen, und mich nichts an der Ausübung dieser Fähigkeit hindert, dann
bestehen für mich zwei alternative Möglichkeiten, meinen Kopf zu drehen. Oder
anders ausgedrückt: wenn ich will, kann ich den Kopf nach rechts oder nach links
drehen. D. h. ich habe eine Wahlmöglichkeit.
Dagegen wird der Einwand
erhoben, dass dies keine „wirkliche“ Wahlmöglichkeit sei, weil ich nicht auch
die Beschaffenheit meines Willens wählen könne.
Daran ist richtig, dass
ich nicht auswählen konnte, wer und wie ich bin. Ich habe mich nicht selbst
erschaffen, ich bin eingebettet in die Wirkungszusammenhänge dieser Welt, aber
ich habe damit keine Probleme.
Das schließt nicht aus, dass ich mit
manchen meiner Motive unzufrieden bin. Aber damit muss man leben, so wie man mit
einer gesundheitlichen erblichen Belastung leben muss.
Soviel
abschließend von meiner Seite. Dankeschön an all jene, die sich hier mit eigenen
Gedanken beteiligt haben, sagt Eberhard.
p.s.: Die Diskussion über
moralische Grenzen der Selbstbestimmung läuft der Ordnung halber unter "Ethik".
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 01. Sept. 2005, 10:42 Uhr
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> Außerdem ist niemand fähig, logisch Unmögliches, naturgesetzlich Unmögliches
oder Technisch unmögliches zu tun,oder in fünf Sekunden von Berlin nach Paris zu
gelangen.
.... ich brauche dafür nicht eine !
und hättet ihr
einen geist
dann wüßtet ihr das auch .............
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 01. Sept. 2005, 12:11 Uhr
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Hallo miteinander,
die angekündigte Diskussion über "Ich, Person,
Subjekt" berührt zwar auch Erkenntnistheorie und Ethik, ich habe sie aber unter
"Philosophische Anthropologie" einsortiert.
Schöne Grüße
Urs
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von homo_sapiens
am 02. Sept. 2005, 09:34 Uhr
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> Wenn jemand aber gewillt ist, etwas zu tun, und er tut es dann nicht, so ist
der Schluss berechtigt, dass ihm die Fähigkeit dazu fehlt.
........
also wenn ich die welt retten will
vor dem homo catastrophicus
und ich
tue es nicht
dann bin ich nicht un fähig
sondern ihr alle .......
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
08. Okt. 2005, 12:35 Uhr
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Die Welt der klassischen Physik besteht aus eindeutiger Realität, es gibt keine
Möglichkeiten. Die Welt der klassischen Physik bildet ein Blockuniversum, das
alle Vergangenheit und Zukunft in eindeutiger Form enthält.Das gilt auch noch
für Einsteins SRT und ART.
Hier gibt es keine Wahl.
Die Welt der
modernen Quantentheorien besteht aus Möglichkeiten. Sie bilden einen Vektorraum,
genauer gesagt einen unitären Hilbertraum.
Beobachter (noch zu definierender
Begriff) können durch den Akt der Beobachtung (=Wahrnehmung) die Anzahl der
existierenden Möglichkeiten reduzieren. Möglichkeiten werden also gelöscht.
Alles Wahrgenommene bildet eine Teilmenge der Menge der Möglichkeiten. (Darf man
das sagen?)
Unter speziellen Umständen können bereits gelöschte Möglichkeiten
wiederhergestellt werden. (Quantenradierer)
Beobachtung = Wahrnehmung =
Auswahl = Löschung von Möglichkeiten
Nach bisheriger Quantentheorie gibt es
keine gezielte Auswahl. Dieser Prozess verläuft statistisch.
Experimentel
ermittelte Daten der Parapsychologie sind aber ein nicht zu unterschätzender
Hinweis darauf, daß wohl doch eine gewisse Auswahl stattfindet.
Wer oder was
wählt dann aber aus?
Laut Weizsäcker besteht die Welt der Quantentheorie
aus Information. Diese läßt sich aufteilen in einen klassischen Teil, den er
Faktizität nennt und einen nichtklassischen, den er Potentialität nennt.Zeit
entspricht dem Übergang von Potentialität zu Faktizität.
Faktizität
entspricht klassischer Information, gemessen in bits, Potentialität entspricht
Quanteninformation gemessen in Qubits.
Wie klassisch ist aber Faktizität
tatsächlich?
Ist sie vielleicht nichts anderes als reduzierte Potentialität?
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von mbl am 09.
Okt. 2005, 08:02 Uhr
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Quote:Die Welt der modernen Quantentheorien besteht aus Möglichkeiten. Sie
bilden einen Vektorraum, genauer gesagt einen unitären Hilbertraum.
Beobachter (noch zu definierender Begriff) können durch den Akt der Beobachtung
(=Wahrnehmung) die Anzahl der existierenden Möglichkeiten reduzieren.
Möglichkeiten werden also gelöscht.
Alles Wahrgenommene bildet eine Teilmenge
der Menge der Möglichkeiten. (Darf man das sagen?)
Unter speziellen Umständen
können bereits gelöschte Möglichkeiten wiederhergestellt werden.
(Quantenradierer)
Beobachtung = Wahrnehmung = Auswahl = Löschung von
Möglichkeiten
Nach bisheriger Quantentheorie gibt es keine gezielte Auswahl.
Dieser Prozess verläuft statistisch.
Experimentel ermittelte Daten der
Parapsychologie sind aber ein nicht zu unterschätzender Hinweis darauf, daß wohl
doch eine gewisse Auswahl stattfindet.
Wer oder was wählt dann aber aus?
Ja, die Auswahl dessen, was wahrgenommen wird, bildet die sogenannte
Realität. Diese Möglichkeiten werden realisiert und wahrgenommen. Alle anderen
unzähligen Möglichkeiten werden nicht gelöscht sondern ebenfalls realisiert,
aber nicht wahrgenommen. Die Realität ist eigentlich keine "Teilmenge", sondern
eher der Bereich, den man mit dem Spotlight der Wahrnehmung sieht. Ändert man
die Orientierung, können andere Bereiche der realisierten Möglichkeiten
wahrgenommen werden.
Wer entscheidet, was wahrgenommen wird? Es ist
natürlich das Individuum, das die Wahl trifft, welche Möglichkeiten wahrgenommen
werden sollen. Diese Auswahl ist sehr stark durch die Definitionen und
Überzeugungen des Individuums beeinflusst. Gewöhnlich wird aufgrund von
Voreinstellungen gewählt. Die Welt, so wie sie allgemein wahrgenommen wird, ist
eine dieser Voreinstellungen. Nur leben wir jetzt in einem Zeitalter, in dem
diese voreingestellten Überzeugungen zunehmend abbröckeln und die Rolle des
Individuums erkannt wird, das sehr viel mehr Macht und Fähigkeiten hat, als dies
bisher geglaubt wurde. Tatsächlich ist das Individuum so machtvoll wie das in
vielen Varianten projizierte Gottesbild, das immer schon ein gefühlter Ausdruck
des Individuums war.
Quote:Wie klassisch ist aber Faktizität
tatsächlich?
Ist sie vielleicht nichts anderes als reduzierte Potentialität?
Die Faktizität ist nur der temporäre Ausdruck einer Auswahl von
Wahrscheinlichkeiten. Man könnte jederzeit auch ganz andere Wahrscheinlichkeiten
auswählen. Bleibt nur noch herauszufinden, wie das in der Praxis geht. Eben
"Magie als Strategie" oder v+e=m (Vision + Emotion = Manifestation).
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von jonny_W. am
09. Okt. 2005, 10:37 Uhr
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mbl: " Die Realität ist eigentlich keine "Teilmenge", sondern eher der Bereich,
den man mit dem Spotlight der Wahrnehmung sieht."
Was ist das "Spotlight der
Wahrnehmung" ?
Wenn du der Meinung bist alle Möglichkeiten würden realisiert,
befindest du dich in seriöser Gemeinschaft. Die sog. Many Worlds Interpretation
- kurz MWI - findet unter den Physikern immer mehr Anhänger.
Unser Leben wäre
in deinem Spotlightbild der Weg des Bewußtseins durchs Labyrinth der unendlich
vielen real existierenden Möglichkeiten.
Nicht gelebte Möglichkeiten sind
aber so gut wie gelöscht - sie können nicht alternativ nochmal gelebt werden.
Oder siehst du das anders?
Deshalb sage ich lieber, sie sind gelöscht.
Bewußtsein wäre in deinem Modell etwas zur Welt zusätzliches, oder gar
außerweltliches - eben dein Spotlight.
In meinem Modell ist Bewußtsein der
Prozess der Reduktion der Wellenfunktion.( = Löschung der nicht realisierten
Möglichkeiten). Flapsig gesprochen:
Bewußtsein ist Kollaps der
Zustandsfunktion.
mbl: "Es ist natürlich das Individuum, das die Wahl
trifft, welche Möglichkeiten wahrgenommen werden sollen."
So einfach kann das
nicht sein. Es deckt sich nicht mit unseren Alltagserfahrungen. Kann ich den
Fall der Würfel beim Würfelspiel beeinflußen, die Kugeln im Roulett, den Zerfall
der Atomkerne im Zufallsgenerator?
Die Parapsychologie sagt "ja aber" in sehr
engen Grenzen. Es gibt bereits gute mathematische Modelle, die diese Grenzen
beschreiben.
Was passiert z.B. wenn ein Individuum A will und ein anderes
will B.?
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von mbl am 09.
Okt. 2005, 13:55 Uhr
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Mein Spotlight ist einfach der Bereich, wo meine Aufmerksamkeit liegt. Das nehme
ich wahr. Der Rest bleibt im Dunkeln, obwohl er ebenso präsent ist. Deshalb
denke ich auch, dass man auch die verworfenen Wahrscheinlichkeiten sehen kann,
obwohl das schon eine sehr große Bewusstseinsausdehnung erfordert. Z.B. sind
"vergangene Wahrscheinlichkeiten" extrem schwierig zu sehen - noch.
Und
nein, ich habe keine zwei Bewusstseinsebenen. Ich sehe nur eine, die alles
umfasst und das, was ich davon wahrnehmen kann, entspricht meinen aktuellen
Überzeugungen, die hartnäckig behaupten - immer noch - dass z.B. die Materie
ziemlich fest ist und dass es Raum und Zeit außerhalb von mir gibt obwohl ich
intuitiv weiß, dass es so nicht ist. Es sind die Überzeugungen - quasi
Voreinstellungen, welche es nicht so ohne Weiteres zulassen, dass man sich
selbst erlaubt, die Würfel gezielt zu werfen und den Tisch schnell in ein
Tischlein-deck-dich umzuwandeln. Aber ich halte das für absolut möglich.
Außerdem denke ich, dass jeder Mensch die ganzen Ressourcen - einfach Alles
- zur Verfügung hat und nichts geteilt werden muss. Deshalb nehme ich mit meiner
Entscheidung einem anderen Menschen nichts weg. Wenn er weniger hat, dann liegt
das nur an seinen Überzeugungen, die nicht mehr zulassen. (Entwicklungshilfe
müsste deshalb zusätzlich zur physischen Hilfe vor allem Selbsterkenntnis sein:
Was hindert mich, um meine Wünsche zu erfüllen. Tatsächlich sind es die
Überzeugungen des Menschen, warum er sich selbst als arm oder reich, krank oder
gesund... wahrnimmt.)
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Titel: Re: Sind Möglichkeiten etwas Wirkliches? II
Beitrag von
Urs_meinte_Euch am 18. Apr. 2006, 22:34 Uhr
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