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Grundlage der Moral
PhilTalk Philosophieforen Praktische Philosophie >> Ethik >>
Grundlage der Moral
(Thema begonnen von: Theaitetos am 22. Jan. 2005, 21:46 Uhr)
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Titel: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 22. Jan. 2005, 21:46 Uhr
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"Moral (frz.: moral, v. lat.: moralis die Sitten betreffend; (lat.:mos Sitte;
Plural mores) beschreibt
1. die Gesamtheit der sittlichen Normen, Werte,
Grundsätze, die das zwischenmenschliche Verhalten einer menschlichen
Gesellschaft regulieren und von ihrem überwiegenden Teil als verbindlich
akzeptiert oder zumindest hingenommen werden. (herrschende Moral; bürgerliche
Moral)
2. das sittliche Empfinden / Verhalten eines Einzelnen, bzw. einer
Gruppe. (hohe Moral; niedere Moral)
3. in der Philosophie (Immanuel Kant)
die Lehre vom sittlichen Verhalten des Menschen (häufiger Ethik genannt)
4.
in der Literatur die Nutzanwendung z.B. einer Erzählung ("Moral von der
Geschichte") "
- Wikipedia -
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Also gut es
gibt keine einheitliche Aussage was Moral überhaupt ist. Ich stell mir vor ich
komm in einem Punkt in meinem Leben und jemand hält mir eine geladene Waffe hin
und sagt: "Wenn du einen Menschen tötest geb ich dir 30 Millionen Euro".
Sokrates hat gesagt man soll dem Satz gehorchen, der sich bei der Prüfung als
der weiseste erweist. Jetzt ist aber die Frage wonach Prüfe ich diesen Satz? Das
verstehe ich unter Moral. Jeder Mensch hört auf die Ratschläge mancher Leute und
auf die anderer Leute wieder nicht. Wir bewerten diese Ratschläge (hoffentlich)
nach unserem eigenen Wertesystem, was moralisch richtig und was verkehrt ist,
und entscheiden dann auf welchen Ratschlag wir hören. Auf ähnliche
Verfahrensweise entstehen auch unsere Taten.
Jemand hat mir mal das mit
dem kathegorischen Imperativ erklärt, aber irgendwie habe ich das nicht ganz
kapiert. Ich werde also keinen Menschen töten, weil ich nicht will das man mich
tötet. Aber vielleicht will ich ja das der Mensch der mich tötet 30 Millionen
Euro bekommt, weil er sonst finanziell nicht überleben würde. Vielleicht
entwickle ich ja Mitleid zu dieser Person, weil sie mir nahe steht, der einzige
störende Faktor ist die Tatsache, dass sie beauftragt wurde mich zu töten...
Was ist wenn die 30 Millionen Euro dafür eingesetzt werden würden 100.000
Menschen vor dem Hungertod zu retten? Darf man ein Menschenleben opfern um einem
vielfaches Mehr von Menschenleben zu retten? Viele Staaten dieser Erde scheinen
dies für moralisch Vertretbar zu halten, denn sie entsenden ihre Soldaten in
unnötige Kriege.
Darf man also das Geld annehmen, und sich für den Akt
des Tötens verpflichten, wenn man mindestens mehr als 2 anderen Menschenleben
die Existenz erhält, die sonst bedroht worden wäre? Wenn mich die Polizei bei
sowas erwischt werde ich nicht unbeträchtlich lang meinem Grundrecht der
Freiheit beraubt. Damit will der Staat ausdrücken, dass ich unmoralisch
gehandelt habe.
Womit begründet der Staat das überhaupt was moralisch
richtig und was falsch ist? Da gibt's viele Versionen von "Ich bin der
stellvertreter Gottes" von irgend einem französischen Ludwig bis hin zu der
Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen.
Es gibt Gesetze die Frauen
unterdrücken. Es gab Gesetze, die das halten von Sklaven erlaubte. Es gab
Zeiten, da wurde jeder einzelne Paragraph der Menschenrechte auch hierzulande
gebrochen, aber gemäß des damals geltendem Recht und damit legal. Recht soll der
Audruck der allgemein gültigen Moral sein? Warum haben sich die Sklavenhalter
früher nicht gefragt: "Wäre ich eigentlich gerne ein Sklave und meinem Herrn zum
absoluten Gehorsam verpflichtet" ?
Wer hat die Menschenrechtscharta
geschrieben? Ein Mensch!
Wer hat 6 Millionen Juden vergast? Ein Mensch!
Wer hat Indien in die Freiheit geführt? Ein Mensch!
Wer richtet darüber, wenn
ich einen Menschen für 30 Millionen Euro töte? Ein Mensch...
Menschen
können moralisch "gut" und moralisch "verwerflich" handeln. Hatten diese
Menschen, die die Moral verworfen haben, denn wirklich keine Grundlage für
Moral?
Braucht nicht jeder Mensch ein moralisches Wertebild, wonach er
handelt und prüft ob es richtig ist Kühe zu verspeisen, aber drollige Pudel
nicht?
So viele Fragezeichen; ich weiss das ich nichts weiss. Ich würde
mich schon freuen eins davon beantwortet zu kriegen, dann weiss ich schon mal
etwas weniger als nichts.
Ich frage mich auch ob die Philosophie wirklich die
Antwort zu dieser Frage liefern kann. Weise handeln bedeutet sich was unheimlich
dummes auszudenken, und es dann nicht auszuführen. Einer der Schüler von
Sokrates hat mal die demokratische Athenische Regierung gestürzt und ein paar
Hinrichtungen ausführen lassen. Alexander der Grosse war auch nicht grad nett zu
den Menschen, trotz Lektionen von Aristoteles. Hitler hat bei seinem
Gefängnisaufenthalt anscheinend viel Nietzsche gelesen.
Schüler von Weisheits
Pfadfindern, die sich unheimlich dumme Dinge einfielen liessen, und sie dann
gemacht haben...
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 23. Jan. 2005, 00:54
Uhr
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Ich kann ja mal versuchen, auf deine Fragen eine Antwort zu geben.
1. Moral
stellt die Frage: Was ist gut, was ist böse.
2. Die Frage, was gut oder was
böse ist, wird in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich beantwortet. Eine
universell gültige Moral gibt es nicht.
3. Der kategorische Imperativ sagt:
Deine Vorstellungen vom richtigen Handeln sollten so wohl überlegt sein, dass
die als Basis für Gesetze taugen können. Hört sich gut an, hat aber einen
ziemlichen Nachteil: Der Islamist findet Handabhacken bei Kaufhausdiebstahl auch
als Gesetz gut. (vgl.2.)
4. Menschenrechte, Kriege, Völkermord, all das wird
und wurde von Menschen geschaffen, klar. Von wem sonst?
5. Wie man hört,
arbeiten Auftragskiller bereits für wesentlich geringere Beträge.
6. Es wird
dir nichts anderes übrig bleiben, als deine eigene Moral zu entwickeln, das
Angebot ist ja reichlich. Beachte: je mehr deine Moral den herrschenden Gesetzen
und Moralvorstellungen wie zB political correctness entspricht, desto angenehmer
lebt es sich. Du weißt ja, ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 23. Jan. 2005, 07:51
Uhr
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Hallo Theaitetos,
Du hast eine Diskussionsrunde über die Grundlagen der
Moral eröffnet und Du stellst eine ganze Reihe von Fragen. Für die Diskussion
wäre es nicht schlecht, wenn wir uns auf eine Fragestellung konzentrieren
könnten. Ich schlage vor, dass wir uns auf die Frage konzentrieren:
Wie
kann man Normen für das Handeln der Menschen einsichtig begründen?
Mit
"Normen" sind dabei Sätze gemeint, die beinhalten, was jemand zu tun oder zu
unterlassen hat, also Gebote, Verbote, Erlaubnisse oder ähnliches. Normen geben
Antwort auf die Frage: Wie soll ein Individuum in einer bestimmten Situation
handeln?
Wenn wir uns über die Fragestellung einig sind, besteht
Aussicht, dass wir nicht aneinander vorbei reden oder vom 100. ins 1000. kommen,
sondern Fortschritte bei der Beantwortung der Frage machen und zu tragfähigen
Ergebnissen kommen.
Und um das Ganze nicht zu abstrakt werden zu lassen,
sollten wir anhand eines konkreten Beispiels diskutieren. Für den Anfang schlage
ich die Norm vor: "Man soll einen anderen Menschen nicht töten!"
Wenn
Ihr, also Du und Hanspeter, einverstanden seid, kann unsere Diskussion beginnen.
Okay? Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 23. Jan. 2005, 11:44
Uhr
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Also wenn ich dich richtig verstehe begründest du die Moral in Normen, bzw. in
der einsichtigen Erklärung warum diese Normen so nötig sind wie sie sind.
Okay, die Norm wäre dann also "man soll keinen Menschen töten". Was aber,
wenn es diese Norm nicht gibt? Wenn man die Geschichtsbücher durchblättert gibt
es da viele Beispiele wo diese Norm für bestimmte Bevölkerungsteile nicht zu
gelten schien. Diese Normen werden ja von der Gesellschaft festgelegt und eine
Gesellschaft kann die merkwürdigsten moralischen Prinzipien aufstellen. So war
es in manchen griechischen Stadstaaten unmoralisch (Gesetzeswidrig) sein
gesamtes geerbtes Vermögen sinnlos zu verschwenden.
Wenn es ein Gesetz (eine
Norm) gibt, das sagt das ich Menschen mit einem bestimmten Merkmal (z.B. blaue
Augen) töten darf, ist es dann moralisch zu rechtfertigen dementsprechend zu
handeln?
Viele Religionen flüchten sich in eine übergeordnete Instanz,
die eine endgültige, unwiderlegbare Moral inne hält, oft in einer Personalunion
mit Gott. Viele Staaten verfallen in ein ähnliches Schema, indem sie eine
*unveränderliche* Verfassung schaffen. Ehrlich gesagt würde ich mich freuen wenn
das so einfach wäre, aber ich befürchte auf lange Sicht wird Hanspeter recht
behalten.
Das einzig erschreckende an Hanspeters Ausführungen ist, dass
wenn ich merke das meine moralischen Wertevorstellungen stark von den
gesellschaftlich vorgegebenen Werten abweichen oder sogar im Gegensatz stehen,
bekomme ich ein Problem mit der Gesellschaft. An wessen Stelle ist es dann zu
bewerten, wenn überhaupt, welche Werte die richtigeren sind? Anscheinend kann es
ja hier per Definition keine einheitliche Grundlage für Moral geben, womit jede
Diskussion über oder mit Moral ad absurdum geführt wird...
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Titel: HRe: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 23. Jan. 2005, 12:39
Uhr
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Hallo Theaitetos,
ein Tipp: Schau dir die - meines Wissens - 4 ziemlich
umfangreichen Threads über dieses Thema hier im Forum Ethik auf den Seiten 3, 4
und 5 an (stehen unten links).
Damit du besser gerüstet bist. ;-)
Zur
Beruhigung: Unsere Gesellschaft ist ziemlich tolerant, verglichen etwa mit dem
Iran oder China. Aber falls du etwa die Meinung vertreten solltest, dass die
Bombardierung Dresdens 1945 auch eine Form des Holocausts wäre, dann würde es
dir sehr schlecht gehen. Aber so eine Meinung würdest du ja als politisch
korrekter Mensch nicht einmal zu denken wagen. Gell!
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 23. Jan. 2005, 14:35
Uhr
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Hallo Theaitetos,
zu den Grundlagen der Moral kann man viele Fragen
stellen, wir müssten uns da schon entscheiden. Mein Vorschlag war zu fragen: Wie
soll ich handeln? Darf ich einen andern Menschen töten? Wenn "ja", unter welchen
Bedingungen, wenn "nein", warum nicht? Wie kann man allgemein einsichtig für
oder gegen die Regel argumentieren kann, dass das Töten von Menschen verboten
ist?
Die Beantwortung dieser Frage ("Wie kann man ein Tötungsverbot
einsichtig begründen?")" hängt nicht davon ab, ob es ein Tötungsverbot in
irgendeiner Gesellschaft "gibt", womit wohl gemeint ist, dass das Töten eines
Menschen dort unter Strafe gestellt ist.
Da Hanspeter offensichtlich der
Ansicht ist, dass in moralischen Fragen keine allgemein einsichtigen Argumente
möglich sind, kann er uns jeweils kritisch auf die Finger klopfen, wenn ein
Argument für ihn nicht nachvollziehbar ist.
Gibt es vielleicht Argumente,
die auch Hanspeter nicht zurückweisen kann?
Also noch mal: Welche Frage
stellst Du? Wenn das nicht klar ist, gibt es keine Aussicht auf
Erkenntnisfortschritte. Aber es kann natürlich trotzdem ein unterhaltsamer Talk
werden,
meint Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 23. Jan. 2005, 16:26
Uhr
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Jo okay bleiben wir bei deiner Frage. Allgemein wäre es natürlich gar nicht gut,
wenn alle Menschen hin gingen und andere Menschen töten würden, weil dann gäbe
es schnell keine Menschheit mehr. Dennoch scheint es Situationen zu geben in
denen das Töten eines Menschen gerechtfertigt ist. Hierzulande gibt es auch
Stimmen, die die Todesstrafe fordern.
Wie soll ich bei meinem Handeln
unterscheiden, wann ich die Regel befolge und wann ich eine Ausnahme mache?
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 23. Jan. 2005, 21:02
Uhr
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Hallo Theaitetos,
Es geht um die Begründung des Tötungsverbotes: "Man
soll andere Menschen nicht töten!"
Deine Begründung für das Tötungsverbot
ist, dass dadurch verhindert wird, dass sich die Menschen gegenseitig ausrotten
(" ... dann gäbe es schnell keine Menschheit mehr").
Du vergleichst also
eine Welt, in der das Töten anderer Menschen verboten ist, mit einer Welt, in
der das Töten anderer Menschen erlaubt ist. Du nennst für die zweite Alternative
eine negative Folge (Ausrottung der Menschheit), die allgemein als unerwünscht
bzw. katastrophal angesehen wird. Wer diese Konsequenz vermeiden will – und das
wollen offenbar alle – der muss ein Tötungsverbot akzeptieren.
Damit
hätten wir eine Begründung für eine der zentralen moralischen Regeln. Die Frage
ist, ob diese Begründung einer Kritik stand hält.
Außerdem scheint es
spezielle Bedingungen zu geben, unter denen das Töten eines andern Menschen
ausnahmsweise erlaubt sein sollte. Du nennst als mögliches Beispiel die
Bestrafung einer Tat mit dem Tod, ohne hier selber Stellung zu beziehen. Ich
schlage vor, dass wir uns erstmal auf das generelle Tötungsverbot konzentrieren
und fragen, ob diese Begründung akzeptiert wird.
Mein Einwand gegen
diese Begründung des Tötungsverbots ist, dass ich die Annahme: "Eine generelle
Erlaubnis zum Töten führt zur Ausrottung der Menschheit" für falsch halte.
Ich sehe keinen Grund, warum nicht mindestens ein fortpflanzungsfähiges
Menschenpaar überbleiben sollte. Der Wunsch, einen andern Menschen zu töten,
kommt – zum Glück – nur sehr selten auf.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 23. Jan. 2005, 23:24
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Zu Deinem letzten Beitrag noch eine Frage am Rande:
Welchen Zweck kann es haben, die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg als
"Holocaust" zu bezeichnen? Mit diesem Wort, das im Griechischen die Bedeutung
hat: "alles verbrannt", "Brandopfer", wurde bisher speziell das
nationalsozialistische Programm zur Ausrottung der Juden bezeichnet. .
Es
grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 24. Jan. 2005, 01:05
Uhr
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Hallo an Alle,
@Eberhard: Das Wort Holocaust kommt aus dem Englischen und
bedeutet dort Massenvernichtung, Brandopfer usw. und ist keineswegs nur auf die
Judenvernichtung bezogen. Auch der Brockhaus schreibt: "Tötung einer großen Zahl
von Menschen eine Volkes, vor allem die Vernichtung der Juden..."
Vor allem,
aber eben nicht nur. Und dass die Bombardierung Dresdens (ca.35.000 Tote) kein
militärisches, sondern ein ausschließlich ziviles Ziel traf und so konzipert
wurde, dass ein Maximum an Menschen getötet wurde, ist unumstritten. Warum es
nicht Holocaust nennen? Und warum seiner nicht gedenken?
@Theaitetos.
Die Frage nach der Rechtfertigung des Tötens ist zweifellos eine funtamentale
Frage in der Ethik.
Die Gefahr der Ausrottung der Menschheit - und hier muss
ich Eberhard widersprechen - besteht sehr wohl, beispielsweise durch einen
Nuklearkrieg. Diese Gefahr bestand ja auch schon durchaus real zu Zeiten der
Kuba-Krise. Derzeit ist sie aber als sehr gering einzustufen.
Generell
muss man sagen, dass es keinen Kulturkreis gibt, der ein allgemeines
Tötungsverbot akzeptiert: Notwehr im weitesten Sinn wird gutgeheißen, wobei der
Begriff Notwehr sehr extensiv ausgelegt werden kann: "Verteidiung unserer
Demokratie am Hindukusch". Und die Todesstrafe wird ja sehr kontorvers
diskutiert. Ebenso das Thema Euthanasie.
Daraus folgt: Das Tötungsverbot
muss spezifiziert und genau geprüft werden.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 24. Jan. 2005, 09:10
Uhr
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Hallo Hans-Peter,
Du fragst mich nach einem Grund, warum man die
Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg nicht als "Holocaust" bezeichnen
sollte. Bisher hat man unter dem "Holocaust" im Deutschen das Programm der
Nationalsozialisten zur Ausrottung der Juden verstanden. Wenn man den
Sprachgebrauch jetzt ändert und mit dem Wort "Holocaust" z. B. auch die
Bombardierung Dresdens bezeichnet, dann besitzt man kein Wort mehr, um das
Besondere an der Vernichtung der Juden im nationalsozialistischen Deutschen
Reich auszudrücken.
Wenn die Ausrottung der Juden und die Bombardierung
Dresdens beides Holocauste sind, dann sind sie insofern gleichartig. Und daraus
folgt weiter: Großbritannien ist genauso wie das nationalsozialistische
Deutschland für einen Holocaust verantwortlich. Insofern haben beide Staaten
Gleiches getan und sind in gleicher Weise verantwortlich und schuldig. Wir
müssen uns deshalb der Taten, die von den Generationen unserer Eltern und
Großeltern begangen wurden, nicht mehr schämen als die Briten für die Taten
dieser Generation.
Wäre das nicht erleichternd, wenn wir Deutschen damit
unsere besondere Scham und Schuld endlich los wären?
Meiner Ansicht nach
können wir uns das nicht so einfach machen, denn zwischen beiden Taten bestehen
moralisch bedeutsame Unterschiede.
Die Bombardierung Dresdens und
anderer deutscher Städte erfolgte, nachdem die deutsche Luftwaffe
völkerrechtswidrig London und andere britische Städte bombardiert hatte. Die
Bombardierung Dresdens war insofern eine Kriegshandlung, mit der dem
Kriegsgegner in gleicher Münze heimgezahlt wurde. Sie erfolgte, nachdem der
deutsche Minister für Propaganda unter dem begeisterten Beifall des Publikums
den totalen Krieg erklärt hatte und nachdem die Deutschen keinerlei Anstalten
zeigten, sich ihrer verbrecherischen Führung zu erledigen und den Krieg zu
beenden.
Die Ausrottung der Juden war dagegen keine Kriegshandlung gegen
einen militärischen Gegner, sie war überhaupt nicht Folge eines Kampfes, sondern
sie war die geplante und in industriellem Maßstab organisierte Ermordung aller
Menschen einer bestimmten Religion und Abstammung durch Behörden des Deutschen
Reiches in ganz Europa. Dabei spielte es keine Rolle, ob es sich bei den
Ermordeten um deutsche Veteranen des Ersten Weltkriegs handelte, die für ihren
Einsatz mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet worden waren, oder ob es
sich um polnische Schulkinder handelte, die von ihrer jüdischen Abstammung noch
nicht einmal etwas wussten.
Wir werden deshalb unserer besonderen
Verantwortung als Deutsche nicht gerecht, wenn wir versuchen, diese Unterschiede
zu verwischen, indem wir ein Wort, das diesen Unterschied bisher kenntlich
gemacht hat, nun auf beide Fälle von Massenvernichtung gleichermaßen anwenden.
Man kann der Opfer von Dresden gedenken auch ohne derartige
Begriffsklitterungen, die nicht vertretbaren politischen und moralischen
Schlussfolgerungen Vorschub leisten.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 24. Jan. 2005, 10:20
Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Hanspeter: ich bin erfreut darüber, dass Du
offenbar auch der Meinung bist, dass moralische Regeln unterschiedlich gut
begründet sein können, und dass nicht alle moralischen Überzeugungen
gleichermaßen subjektive und willkürliche Setzungen sind.
Ich schließe
das jedenfalls aus Deiner methodischen Forderung: "Das Tötungsverbot muss
spezifiziert und geprüft werden."
Nun zu der inhaltlichen Frage des
Tötungsverbots. Mein Einwand gegen die von Theaitetos vorgebrachte Begründung
des Tötungsverbots lautete: Eine generelle Erlaubnis zum Töten anderer Menschen
hat nicht die Ausrottung der Menschheit zur notwendigen Folge.
Ich habe
damit nicht die Möglichkeit verneint, dass die Menschheit in einem
Kernwaffenkrieg mit Interkontinental-Raketen ihre eigenen Lebensgrundlagen
zerstört. Ein solcher Krieg – wie auch jeder andere Krieg – wäre mit einem
Tötungsverbot nicht vereinbar.
Deinen Ausführungen kann ich nicht
entnehmen, ob Du das von Theaitetos vorgebrachte Argument teilst oder nicht.
Hier müsste auf jeden Fall näher ausgeführt werden, inwiefern eine
Tötungserlaubnis die Selbstvernichtung der Menschheit notwendigerweise (oder
auch nur: wahrscheinlich) herbeiführen wird.
Ich will hier eine andere
Begründung für ein generelles Tötungsverbot (mit bestimmten Ausnahmen) zur
Diskussion stellen:
Der Argumentationsgang ist dabei folgender:
Prämisse 1:
Kein Mensch will (ohne eigene Zustimmung) durch einen andern
Menschen getötet werden.
Prämisse 2
Jedem Menschen ist die Sicherheit,
nicht Opfer einer solchen Tat zu werden, wichtiger als die Möglichkeit, andere
Menschen töten zu dürfen.
Konklusion aus 1 und 2:
Also ist für alle
Menschen eine Welt besser, in der entsprechend der Norm gehandelt wird: "Man
soll andere Menschen nicht töten, (es sei denn, es liegen die besonderen
Bedingungen x, y, z vor)" als eine Welt, in der jeder jeden töten darf.
Wenn dieser Gedankengang richtig ist, dann ist damit die Forderung nach einer
allgemeinen Befolgung dieser moralischen Norm für jedermann akzeptabel und
einsichtig begründet.
Da dies jedoch nicht ausschließt, dass es
Situationen gibt, in denen es für jemanden vorteilhaft ist, einen andern zu
töten, muss die Befolgung der Norm auch tatsächlich durchgesetzt werden. Denn
nur dann sind die obigen Überlegungen anwendbar. Dort wird ja unter der
Voraussetzung argumentiert, dass die Norm tatsächlich allgemein befolgt wird.
Ist das überzeugend? fragt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 24. Jan. 2005, 11:09
Uhr
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Sorry, bin da noch nicht ganz überzeugt.
Die erste Prämisse spricht von
"kein Mensch", aber es ist nunmal Tatsache das es Menschen gibt die getötet
werden wollen. Suizid kämpft mit dem Unfalltod um die Stellung der häufigsten
Todesursache bei Menschen unter 25 Jahren.
Über Euthanesie wird nun auch
schon längere Zeit auch auf politischer Ebene diskutiert. Okay, dies wurde in
der Klammer zwar aufgeführt mit dem Zusatz "ohne seine Zustimmung", da dies aber
in Klammern steht, zählt es ja nicht so richtig zu der Regel oder? Ausserdem
gibt es den Fall in dem ein Mensch nicht seine Zustimmung gibt, bzw. dies nicht
kann. Was ist mit dem Fall, dass ein geopfertes Menschenleben tausende andere
Menschen retten könnte? Sollte man dies dann nicht tun, wenn der betreffende
Mensch seine Zustimmung verweigert?
Die zweite Prämisse setzt im Grunde
die Erfüllung der Ersten vorraus. Es gibt auch hier Menschen, denen es wichtiger
zu sein scheint andere Menschen zu töten, als den Schutz ihres eigenen Lebens zu
erhalten. Beispiele hierfür wären pubertierende Amokläufer wie bei Erfurt oder
Littleton.
Handeln die von mir beispielweise aufgeführten Menschen nun
ohne eine zugrunde legende Moral? Nun da wir Moral als Handlungsschema nach der
Frage "was soll ich tun?" definiert haben, kann dies nicht sein, denn diese
Menschen handeln ja auch, sie müssen also irgendwelche Antworten auf ihre
Überlegungen wie sie Handeln sollen gefunden haben. Ihre moralischen
Überlegungen stehen allerdings im krassen Gegensatz zu den allgemein
akzeptierten moralischen Grundwerten. An wessen Stelle ist es nun zu urteilen,
wer moralisch "richtig" und wer moralisch "falsch" handelt?
P.S.: Das
zwischengeschobene Beispiel über Dresden halte ich für ein schlechtes Beispiel.
In Deutschland ist der "Sühnekomplex" von den Tagen der NS-Herrschaft so
ausgereift, dass es schwer ist irgend etwas kritisches (ausser über die
Verbrechen der Deutschen) zu sagen ohne von den "Wirsindallesschuld"-Argumenten
überrollt zu werden. Deswegen findet man sich bei ehrlich gemeinter
Betroffenheitsbekundung in Dresden schnell von scharen NPD-Wähler und noch viel
zweifelhafteren Gestalten umzingelt.
Allerdings geriet die unnötige
Bombardierung Dresdens kurz nach ihrer Durchführung bei der britischen
Bevölkerung selbst unter schärfste Kritik und Churchill hatte daraufhin die
Generalvollmacht an das Bomber Command zur Bombardierung ziviler Ziele zurück
gezogen und es wurden glaube ich keine weiteren deutschen Städte von britischen
Bombern verwüstet. Die Täter selbst sehen ihre Schuld in dieser Tat ein, und die
Briten wissen auch ganz genau, dass dies nicht der einzige schwarze Fleck auf
ihrer verhuddelten weissen Weste ist! Die Sklaverei, Kreuzzüge, imperialistisch
ausbeuterische Kolonialpolitik, zig Krisen und Massaker an der Zivilbevölkerung
in den besetzten Gebieten und noch viel mehr Greueltaten in ihrer Geschichte
sind sich die Briten durchweg bewusst. Aber sie verfallen nicht in einen "wir
haben Coventry so verdient, weil wir so böse waren"-Komplex wie es die Deutschen
gerne tun. Im Gegenteil: Sie scheinen auch noch Stolz auf ihrer Vergangenheit
als Weltreich zu sein. Aufgrund dieser immensen Unterschieden zwischen den
beiden genannten Völkern über die zugrunde liegende Moral zu diskutieren dürfte
äusserst aufwendig und schwer ausführbar sein...
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 24. Jan. 2005, 14:09
Uhr
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Hallo Eberhard,
sowohl die Tötung der Juden, als auch die Bombardierung
Dresdens waren Verbrechen, um den Begriff Holocaust zu umgehen. Ersteres wird
von und beiden akzeptiert, letzteres offenbar nicht.
Gemäß dem Kriegsrecht
und der Haager Landkriegsordnung von 1907 ist die gezielte Vernichtung der
Zivilbevölkerung ausdrücklich verboten. Kollateralschäden werden zwar
akzeptiert, doch war Dresden eindeutig kein militärisches Ziel. Die Tatsache,
dass Hitler Verbrechen begangen hat, berechtigte die Allierten nicht, ebenso
Verbrechen zu begehen. Mich erstaunt deine eigenartige Moral: Verbrechen dürfen
mit Verbrechen vergolten werden.
Vielleicht kapieren es die Politiker
einmal, dass das die beste Unterstützung für die Rechtsradikalen ist.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 24. Jan. 2005, 14:29
Uhr
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Hallo Theaitetos,
dein Beitrag zum Thema "Bombardierung von Dresden"
findet meine volle Zustimmung!
[applause] [applause] [applause]
Vielleicht sollte man aber ergänzen, dass die Briten "Bomber-Harris" doch ein
Denkmal gesetzt haben - weiß nicht genau, wo es steht.
Nun zum
eigentlichen Thema.
Um eines gleich klarzustellen, meine Anregung "Das
Tötungsverbot muss spezifiziert und geprüft werden." macht nur in einem
gegebenen Kulturkreis einen Sinn.
Auch das Argument: "Kein Mensch will
durch einen anderen Menschen getötet werden" (eine Variante des Kat-Imps) hilft
uns nicht weiter. Es könnte ja sein, dass sein Tod anderen Menschen hilft:
Hitler wollte auch nicht getötet werden, doch Elser oder Stauffenberg versuchten
es und werden deshalb von uns geehrt. Dasselbe gilt für den ganzen
Notwehr-Komplex.
Ansonsten ist es natürlich plausibel, dass Menschen
normalerweise nicht getötet werden wollen, aber es geht ja um die Ausnahmen.
Eberhards Argumentation lässt jedoch, so sehe ich es jedenfalls, keine Ausnahme
zu.
Also einigen wir uns auf die Frage: Welche plausiblen Gründe kann es
dafür geben, (einen) Menschen zu töten.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 24. Jan. 2005, 17:21
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Du schreibst: "Mich erstaunt deine eigenartige Moral:
Verbrechen dürfen mit Verbrechen vergolten werden."
Ich wüsste nicht,
dass ich diese These irgendwo vertreten hätte.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 25. Jan. 2005, 00:41
Uhr
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Hallo Eberhard,
du schriebst:"Die Bombardierung Dresdens war insofern
eine Kriegshandlung, mit der dem Kriegsgegner i n g l e i c h e r M ü n z e
heimgezahlt wurde."
Das Verbrechen Coventry gegen das Verbrechen Dresden.
So habe ich das verstanden.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 25. Jan. 2005, 11:33
Uhr
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Hallo Hanspeter,
allerdings habe ich dies Verfahren ("mit gleicher Münze
heimzahlen") nicht gebilligt. Okay? Gruß Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Ragnar D. am 25. Jan. 2005, 13:58
Uhr
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Hallo Eberhard
on 01/25/05 um 11:33:41, Eberhard wrote:Hallo
Hanspeter,
allerdings habe ich dies Verfahren ("mit gleicher Münze
heimzahlen") nicht gebilligt. Okay? Gruß Eberhard.
Warum
miemst Du dann den Rechtsanwalt, dass man diese Greuel nicht Holocaust nennen
darf?!
(Sorry, das musste ich jetzt mal los werden.)
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 25. Jan. 2005, 15:51
Uhr
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Hallo Theaitetos,
Du schreibst mit Bezug auf Amokläufer, die möglichst
viele Menschen mit sich in den Tod reißen wollen: " ..Diese Menschen handeln ja
auch, sie müssen also irgendwelche Antworten auf ihre Überlegungen wie sie
Handeln sollen gefunden haben. Ihre moralischen Überlegungen stehen allerdings
im krassen Gegensatz zu den allgemein akzeptierten moralischen Grundwerten. An
wessen Stelle ist es nun zu urteilen, wer moralisch "richtig" und wer moralisch
"falsch" handelt?
Ich merke, dass wir die Frage: Was ist moralisch
richtig und wie bestimmt man, was richtig und was falsch ist? nicht verschieben
können: Packen wir den Stier bei den Hörnern.
Ich will Dir deshalb mal
die Entwicklung meiner eigenen Gedanken schildern. Ich war anfangs gläubiger
Christ, aber habe mich schließlich davon gelöst. Für mich war das religiöse
Weltbild unglaubwürdig geworden und ich konnte die christlichen moralischen
Grundsätze – vor allen auf dem Gebiet der Sexualität – nicht akzeptieren.
Nietzsche wurde meine bevorzugte Lektüre und es stellte sich das Problem des
Werte-Nihilismus. Wenn die Moral nicht als Wille Gottes verbindlich war, konnte
es dann überhaupt eine allgemeingültige Moral geben? Nietzsche konnte für mich
Fragen aufwerfen aber keine beantworten.
Die modernen
Erfahrungswissenschaften konnten ebenfalls moralische Fragen nicht beantworten,
das machte mir die Lektüre der Wiener Positivisten klar.
Ich las dann
ein Buch von Bertrand Russell über die Möglichkeit, mit den Mitteln unserer
Vernunft moralische Normen zu begründen, später auch Aufsätze von Jürgen
Habermas zur "Wahrheitsfähigkeit praktischer Fragen".
Was hat sich aus
all der Lektüre und eigenem Nachdenken über Moral und Recht für mich ergeben?
1. Wenn man die Frage nach der "richtigen Moral" stellt, dann sucht man
Antworten auf die Frage: "Wie sollen wir handeln?" die für alle gelten. (Es ist
dann also nicht sinnvoll zu sagen: "Dies ist meine richtige Moral, dies ist
Deine richtige Moral")
2. Moralische Regeln (Normen) drücken ein "Sollen"
aus: "Du sollst dies tun und jenes lassen!"
Wie entsteht ein "Sollen"? Das
Sollen ist die Kehrseite eines Wollens: Wenn A will, dass B nicht die Tür zu
knallt, dann ist das von A gewollte für B das gesollte. Den Befehl: "Knall die
Türen nicht so zu!" kann man mit dem Satz wiedergeben: "A hat B gesagt, er soll
die Türen nicht so zu knallen." Sollen kommt demnach von Wollen. Damit steckt
hinter der Frage: "Wie sollen wir handeln?" eigentlich die Frage: "Gemäß wessen
Wille sollen wir handeln?" oder "Wessen Wille soll allgemeine Norm sein?"
3. Die tradierte Antwort lautete: "Gottes Wille ist zu befolgen." Das
Problem ist, dass die Existenz eines allmächtigen Schöpfergottes für mich und
andere nicht glaubwürdig ist.
4. Eine andere Antwort ist: "Der Wille des
Gesetzgebers in Form des staatlichen Rechts ist zu befolgen". Aber das reicht
offenbar nicht aus. Denn es bleiben die Fragen: "Und welche Gesetze sollen
erlassen werden?" "Was ist, wenn der Staat in der Hand von Verbrechern ist?"
"Was ist, wenn diese Frage nicht gesetzlich geregelt ist?"
Hier will ich
erstmal unterbrechen.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 25. Jan. 2005, 19:41
Uhr
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Hallo Theaitetos,
Ich mache weiter in meinem Gedankengang.
Ich
hatte gesagt, dass moralische Normen ein Sollen enthalten, dass das Wollen des
einen das Sollen des andern ist und dass die Frage nach der richtigen Moral
übersetzt werden kann in die Frage: "Welcher Wille soll bestimmen, wie wir
handeln sollen?"
Weder ein göttlicher noch ein staatlicher Wille
erscheinen dafür geeignet,
Und da der Wille des einen nicht immer mit dem
Willen des andern vereinbar ist, kann man auch nicht auf die Willen der
Individuen zurückgreifen.
Wenn die Individuen ihre Willen ohne Rücksicht
auf irgendwelche Regeln verfolgen, bestimmen Konflikte und Kämpfe das Bild. Dann
entscheiden allein die bestehenden Stärkeverhältnisse darüber, wer wem seinen
Willen aufzwingt und wer bestimmt, welche Normen des Handelns faktisch gelten.
Der Schluss daraus: Wenn mit der "Richtigkeit" von moralischen Normen mehr
gemeint ist als ein auf überlegene Macht gestützter Anspruch auf allgemeinen
Gehorsam, dann muss diese "Richtigkeit" grundsätzlich auch allgemein einsehbar
begründet werden können.
Wenn gefragt wird: "Welcher Wille soll
allgemein gelten?" lautet meine Antwort: "Der gemeinsame Wille aller". Die Frage
nach der "richtigen" Moral entspricht deshalb der Frage: "Welche Regeln des
Umgangs miteinander können alle gemeinsam am ehesten wollen?"
Eine
moralische Norm kann meines Erachtens nur dann "Richtigkeit" beanspruchen, wenn
es allgemein nachvollziehbare Argumente für diese Norm gibt.
Es grüßt
Dich und alle, die sich Gedanken über die Begründung moralischer Normen machen,
Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 25. Jan. 2005, 21:16
Uhr
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Danke Eberhard, ich habe das Gefühl, du hast mich in meinem Erkenntnisprozess
erheblich weiter gebracht. Allerdings: Wer bin ich schon um das zu bewerten? ;)
Würde gerne mehr auf deinen religiösen Hintergrund eingehen, aber glaube das
fällt unter ein anderes Forum. Das schon ein ziemlich dünnes Eis für einen
Ahnungslosen wie mich: wenn ich noch nicht mal weiss was Moral so wirklich ist,
dann sollte ich besser nicht die Moral von ganzen Glaubensgemeinschaften
bewerten... Das wär ja so, wie wenn ein Blinder Richter bei einem
Schönheitswettbewerb ist.
Aber naja, vielleicht komm ich der Sache mit
der Moral näher. Also ich versteh dich so, dass die Moral quasie demokratisch
bestimmt werden sollte. Also im Grunde halt so wie das in den meisten modernen
Industrienationen über Umwegen mehr oder weniger erfolgreich geschieht.
Nun
denn, wenn man das auf eine Gesellschaft bezieht, scheint das ja ganz okay zu
sein. Allerdings scheint dieser demokratische Grundgedanke ausser Kraft zu
treten, wenn zwei oder mehr Gesellschaften mit rivalisierenden moralischen
Wertvorstellungen aufeinander treffen.
So gilt z.B. beim konkreten Beispiel
EU vs Türkei wieder das von dir geschilderten Recht des Stärksten. Die EU ist
eindeutig die stärkere Macht auf allen Gebieten, also diktiert sie der Türkei
welche moralischen Werte zu gelten haben. Ich glaube nicht das ein
Volksentscheid in der Türkei gemacht wurde, ob die gerne das so haben wollen...
Natürlich dadurch, dass die EU größtenteils aus halbdemokratischen (oder auf
halben weg dahin) Staaten besteht, liegt der Verdacht nahe das die hier
gefundenen moralischen Grundsätze auch einsichtig genug für die meisten Türken
sein werden. Trotz dem hätte man zumindest fragen können...
Allerdings
und überhaupt und sowieso... Dieser Gedankengang ist nur unter den
Voraussetzungen gültig, wenn es denn RICHTIG ist das moralische Grundsätze
demokratisch begründet werden sollten. Da ist eine gespenstige Frage die mir
immer Bauchschmerzen mit der Demokratiegeschichte gemacht hat: Was ist wenn die
Mehrheit den BÖSEN Typen wählt? Beispiele gibt's genug, wir brauchen nicht immer
auf den deutschen Paradeschurken verweisen, über den grossen Teich gucken reicht
ja auch schon...
Was ist wenn die Mehrheit sich dafür entscheidet, dass es
moralisch richtig ist zu töten? Oder was ist, wenn die gesellschaftliche Norm so
formuliert wird: "Du sollst nicht töten! Moslems sind keine Menschen"???
Wer
sich an dem Wort Moslems stört soll halt Juden, Verrückte, Kleinkinder oder lila
Plüschtiere dafür einsetzen, die Doppelmoral bliebe die selbe... Das soll ne
gute Grundlage für die Moral sein?
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 26. Jan. 2005, 01:55
Uhr
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Das Wesen der Demokratie ist nun einmal, dass "alle Macht vom Volk ausgehen"
sollte.
Doch, um ein oft zu hörendes Missverständnis klar zu nennen:
Demokratisch handeln heißt nicht unbedingt moralisch richtig handeln. Wenn zB
die Mehrheit der Israelis entscheidet, die Palästinenser in Israel sind allesamt
umzubringen, dann ist das eine demokratische Entscheidung. Und sie ist sogar vom
Standpunkt der ultraorthodoxen Juden moralisch gerechtfertigt, weil sie die
Vertreter des auserwählten Volkes sind und es Gottes Wille ist, dass ihnen
dieses Land zusteht.
Meinen moralischen Vorstellungen widerspricht dies,
aber eine demokratische Entscheidung ist es.
Mit anderen Worten, der
Demokratie-Begriff hilft bei der Festlegung der Moral nicht.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von hives am 26. Jan. 2005, 04:17 Uhr
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Hallo Theaitetos,
Hallo Diskussionsteilnehmer,
Zunächst sei mir
erlaubt, euch für diesen Thread und die bisherige Diskussion meinen Dank
auszusprechen, da ich mich gerade mit ähnlichen Fragen beschäftige - jedoch
möchte ich mich bis auf weiteres auf ein paar kurze Anmerkungen zu dem bisher
Geschriebenen beschränken.
In Bezug auf die von Theaitetos und Hanspeter
aufgezeigte Problematik demokratischer Entscheidungen möchte ich anmerken, dass
eine Ausrichtung moralischer Normen an Plebisziten oder anderen demokratischen
Entscheidungsprozessen auch der kurzfristigen Manipulation von stimmkräftigen
Interessengruppen weiteren maßgeblichen Einfluss verschaffen würde - letzteres
ist schon heute ein großes Problem von westlichen Demokratien und
Demokratie-ähnlichen Systemen. Durch eine Fixierung der Moral auf zeitlich
festgelegte Entscheidungen würden sich meines Erachtens in diesem Kontext große
Gefahren ergeben.
Weitere Fragen wären etwa, welche Voraussetzungen die
Argumente für moralische Normen erfüllen müssen.
Urteile nach deontischer
Logik gehen immer von Prämissen aus, die zu klären bzw. zu vereinbaren wären.
Logik bzw. Argumentation allein reicht nicht aus.
Auch steht für meine
Begriffe die Frage im Raum, ob unter dem "gemeinsamen Willen aller", den
Eberhard aufgeführt hat, ein kleinster gemeinsamer Nenner, ein produktiver
Kompromiss, ein Dogma intellektualistischer Prägung, oder gar eine höhere
Synthese unterschiedlicher Vorstellungen, Bedürfnisse oder Traditionen zu
verstehen ist. Hier wäre wohl auch der Ansatzpunkt für die Prämissen deontischer
Argumentation zu suchen.
freundliche Grüße,
hives
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 26. Jan. 2005, 14:37
Uhr
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Was genau verstehst du unter einer "deontischen Argumentation". Dass man seine
Pflicht zu erfüllen habe?
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Marpe am 26. Jan. 2005, 16:07 Uhr
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Hallo!
Ich möchte gerne anmerken, das ein verbindlicher, überzeitlicher
Moralkatalog unmöglich ist. Selbst vermeintliche Grundnormen wie bsw. ein
generelles Tötungsverbot, sind nicht praktikabel;- Notwehr mit tödlichem Ausgang
wäre ja ein Verstoß.
Was moralisch richtig ist, entscheidet der Einzelne
immer situativ, jede noch so ausgeklügelte praktische Ethik gelangt irgendwann
zu einer Aporie. Es lassen sich viele formal unentscheidbare Situationen
konstruieren, legt man eine fixierte Moralität zu Grunde. Dies bedeutet jedoch
nur die Notwendigkeit zur Modifikation, was eben Diskussion voraussetzt.
Konstruktionen sind schädlich, solange sie unentscheidbar bleiben: Die
Frage, ob es gerechtfertigt wäre einen Menschen zu töten, wenn dafür
Hunderttausende überleben würden ist unentscheidbar. Denn was wäre wenn dieser
Mensch einen Impfstoff entwickelt, der Millionen das Leben rettet? Oder wenn
unter den Hunderttausenden ein zukünftiger Diktator ist, der Millionen das Leben
kostet?
MfG Marcel
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von hives am 26. Jan. 2005, 16:15 Uhr
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Damit beziehe ich mich auf die von Eberhard geforderten nachvollziehbaren
Argumente für moralische Normen - passender wäre vielleicht die Bezeichnung
"Argumentation basierend auf deontischer Logik".
Um eine moralische Norm
argumentativ zu belegen, werden Prämissen benötigt. Insofern ist die Forderung,
ethische Normen argumentativ zu begründen meines Erachtens nur eine Verschiebung
des eigentlichen Problems: weg von den konkreten Fragen, die durch die
Argumentation behandelt werden, hin zu den Prämissen, auf denen die
Argumentation basiert.
Argumentation allein macht für meine Begriffe noch
keine Moral aus. Auch kommt eine rein intellektualistische Ethik unter diesen
Gesichtspunkten zu keinen Forderungen.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 26. Jan. 2005, 17:44
Uhr
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Hallo Theaitetos, Hanspeter und hives,
ich stimme Hanspeter zu, wenn er
schreibt: "Der Demokratie-Begriff hilft bei der Festlegung der Moral nicht."
Die Demokratie ist ein auf dem Mehrheitsprinzip beruhendes Verfahren der
Gesetzgebung. Damit werden verbindliche Normen erzeugt, die mit staatlichen
Strafandrohungen gegen Übertretungen bewehrt sind. Verfahrensmäßig erzeugte
Verbindlichkeit ist jedoch etwas anderes als Richtigkeit. Mehrheitsbeschlüsse
können inhaltlich falsch und trotzdem für mich verbindlich sein.
Das
Bemühen um die richtige Beantwortung moralischer Fragen ist eine Diskussion, bei
der Argumente für und wider bestimmte Normen gefunden und ausgetauscht werden.
Hier kann man vielleicht ein Meinungsbild herstellen, aber man kann über die
Richtigkeit einer moralischen Norm nicht abstimmen. Insofern im Prinzip
jederzeit neue Argumente auftauchen können, kann jedes Ergebnis wieder in Frage
gestellt werden. Insofern hat die aus Argumenten gebildete Diskussion kein
definitives gewissermaßen "amtliches" Resultat, so wie eine Abstimmung..
Wenn Individuum A gegenüber Individuum B eine Handlungsnorm N als "richtig"
("allgemeingültig", "wahr") behauptet, dann muss A zugestehen, dass es
grundsätzlich auch für B nachvollziehbare und akzeptable Argumente für die
Richtigkeit der Norm N gibt.
Denn wenn A gegenüber B erklärt: "Die Norm
N ist richtig, gleichgültig ob Du sie nun einsehen kannst oder nicht!", dann
gibt A damit zu erkennen, dass er nicht mit B argumentiert, sondern von B
Glauben fordert.
Und wenn er die für richtig erklärte Norm B gegenüber
auch durchsetzen will, so erzwingt er Gehorsam. Gegen Zwang kann man sich jedoch
nicht mit Argumenten wehren.
Solche dogmatischen Ansprüche auf
Richtigkeit einer Norm sind buchstäblich "indiskutabel".
Wenn eine Norm
für irgendein Individuum B richtig sein soll, dann muss B diese Norm auch im
Prinzip einsehen können, d. h. es muss argumentative Begründungen für diese Norm
geben, die B nachvollziehen und teilen kann.
So viel erstmal von
Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 26. Jan. 2005, 21:29
Uhr
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Hallo Marpe,
Es geht nicht um die Aufstellung eines verbindlichen
überzeitlichen Moralkatalogs, sondern um Antworten auf die Frage, wie man in
bestimmten Situationen handeln soll. Meinst Du, dass sich solche Fragen nicht
beantworten lassen? Gibt es keine Argumente, die man für oder gegen die
verschiedenen Handlungsalternativen vorbringen kann? Das heißt nicht, dass diese
begründeten Antworten nicht auch revidiert werden könnten.
Beispiel: Ich
sitze im Restaurant und sehe, dass einem Gast beim Weggehen die Brieftasche aus
dem Jackett rutsch und auf dem Boden liegen bleibt.
Soll ich den Gast
darauf hinweisen oder soll ich die Brieftasche unbemerkt einstecken? Gibt es
keine Gründe für oder gegen die beiden Handlungsweisen? Ich denke ja, es gibt
sie.
Richtig ist natürlich, dass ich für die moralische Entscheidung
häufig empirische Informationen benötige. Ist das Rauchen von Haschisch nun
gesundheitsschädigend oder nicht? Von der Antwort auf solche faktischen Fragen
hängt meine Entscheidung über ein Verbot von Haschisch ab. Die Norm kann nicht
besser seinals die Informationen, auf denen sie aufbaut.
Aber wie in der
(nicht-moralischen) "rationalen" Entscheidungstheorie kann man auch bei
moralischen Entscheidungen mit begründeten Wahrscheinlichkeiten arbeiten.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 26. Jan. 2005, 22:00
Uhr
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Hallo hives,
Du hast recht, wenn Du betonst, dass man nicht nur logische
Schlussregeln sondern auch Prämissen benötigt, um für oder gegen bestimmte
Normen zu argumentieren.
Die zentrale Prämisse der Argumentation für oder
gegen Normen ist nach meiner Ansicht die Forderung, dass die moralischen Normen
möglichst dem Gesamtwillen entsprechen sollen, wobei sich dieser Gesamtwille aus
der unparteiischen, wohlwollenden Berücksichtigung aller dauerhaften und
reflektierten individuellen Willensinhalte ergibt.
Es grüßt Dich
Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 27. Jan. 2005, 01:34
Uhr
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Hallo an Alle,
es ist sicher sinnvoll, unabhängig von der Tatsache, dass
es keine universelle Moral gibt, sich über konkrete Moral Gedanken zu machen und
durch Beispiele, wie sie Eberhard nannte, seine eigene Moral - sprich, seine
Urteilsfähigkeit von Handlungen - zu schärfen. Sozusagen im Sinne von
Czernyschen Moraletüden. [cheesy]
Eberhard möchte, wenn ich ihn recht
verstehe, moralisch relevante Handlungsweise rational begründen können, wobei
sein zentrales Argument die gegenseitige Akzeptanz der moralischen Normen ist.
Doch hier sehe ich das Problem: Die "nachvollziehbaren und akzeptablen
Argumente für die Richtigkeit der Norm" setzen ein vergleichbares Normensystem
voraus. Vermutlich könnten wir in diesem Kreis uns ohne weiteres auf diese oder
jene Norm einigen, weil niemand da ist, der ein gänzlich anderes Normensystem
vertritt.
Eberhard möchte keinen Glauben fordern. Schön, aber ohne
Glauben, das heißt, ohne die persönliche Festlegung eines Ziels des menschlichen
Handelns - und das ist eine Glaubenssache - lässt sich Moral nicht festlegen.
Dies ist erst dann möglich, wenn über die Zielvorgabe Einigkeit besteht.
Wenn das Lebensziel im christlichen oder mohammedanischen Sinn definiert
wurde, nämlich den Willen Gottes, wie er sich in Bibel oder Koran offenbart, zu
erfüllen, dann wird das mit dem Lebensziel, für das Wohl seines Volkes
einzutreten, oder sein eigenes Wohl zu optimieren niemals in Einklang zu bringen
sein.
Solange wir nicht wissen, was der Sinn des Lebens ist, müssen wir
glauben, dass die eigene Sinngebung richtig ist.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von dirkson am 27. Jan. 2005, 04:08
Uhr
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Entschuldigt bitte..aber die zerstörung von kulturdenkmälern stand irgendwo
obendrauf auf den ziellisten jener bomber.und es waren ja wohl nicht nur
britische, sonder auch amerikanische....fällt einen wie mir da nicht ins auge,
das eigentlich kein mensch sich während des krieges in solchen kulturdenkmälern
aufhält..weil sie einfach mal zu auffällig sind!
Nur warum wurden dann so
viele von ihnen zerstört? damit es den beweis unserer existenz nicht mehr geben
sollte..
sorry, ich greife mal etwas weiter in die vergangenheit..
das römische reich scheiterte schon an den alten germanen,hannibal blieb in
voralpen stecken, münchen reichte ihm dann wohl.die osmannen kamen nur bis kurz
vor wien. und die schweden scheiterten auch irgendwo nördlich von berlin!
Ist
es euch noch nie aufgefallen, das in berlin etwas sein muss, was die ganze welt
haben möchte, aber irgendwie nicht bekommt.
nur was passierte wirklich in den
letzten tagen des 2.wk? warum lag eine stadt kreisförmig in schutt und asche?
ich möchte mich ja nicht irgendwie festlegen, aber ich finde es schon
rechtseltsam..wenn man sich die neubebauung dieser stadt,nach dem 2.wk
ansieht..irgendetwas wird da verschwiegen..
Und der Holocaust, den es
gab. Was wurde den menschen versprochen,damit sie so folgten wie die
schafe.jeder hat ein überlebensinstinkt. und bei der menge...es ist schon
irgendwo sehr eigenartig. wer hat da die geschichte etwas manipuliert?
eigentlich hatte weder arbeiter noch bauer das sagen während der ns zeit. waren
es also meistens welche, die da gebildet waren...die eigentlich in der hierachie
der macht sass? und dessen kinder und kindeskinder heute immer noch irgendwo
schalten und walten wie sie wollen..man kann sich ja heute auch noch von schuld
freikaufen...eigenartig..und warum sagt da niemand was gegen? weil es so in
ordnung ist? weil die arbeiter und bauern heute wieder bluten müssen, was andere
jedes jahr aufs neue verzapfen?
was denkt ihr, wie lange das volk sich sowas
noch bieten lässt? diese verarsche..glaubt ihr nicht auch, das sie nun endgültig
genug für die wenigen die an der macht sitzen getan haben?
dirkson mutet
zu seiner wahren Gestalt
ANSUZ
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 27. Jan. 2005, 09:18
Uhr
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Uih das geht aber schnell. Von der Moral über die Bomberströme der Alliiierten
im 2.WK zu der Demokratie und den Sinn des Lebens, nur um wieder zurück zu den
Bomberströmen zu springen...
Hanspeter was ich über den Sinn des Lebens denke
habe ich bereits an anderer Stelle kund getan. Versteh ich dich denn richtig,
dass wenn darauf keine allgemein (für alle mehr oder weniger gleich gültige)
Antwort gefunden werden kann, so siehst du die Grundlage der Moral auch als
unklärbar an, weil sie auf den "Sinn von Allem" aufbaut? Hmm darüber muss ich
noch ne Weile grübel...
@dirkson: Ich möchte mal Eberhard vorweg greifen
und dich drann erinnern, wer zuerst damit angefangen hat Ideen über die
Ausrottung von Völkern zu generieren. In Coventry stand ne ziemlich alte
Kathedrale, die mit dem ganzen Rest der Stadt, von der deutschen Luftwaffe weg
gebombt wurde. Nach einigem Hin und Her in der britischen Führung hat man sich
dann dazu entschlossen aus "Rache" den Kölner Dom weg zu bomben. Wenn du
Luftaufnahmen von Köln '46 oder so gesehen hast wirst du wissen, dass sie nie
getroffen haben. Deswegen hat Arthur Harris später die Gelegenheit ergriffen
Dresden als Racheakt der königlichen Streitkräfte zu titulieren. Dieser Angriff
war übrigens der Einzige, bei dem ein ziviles Ziel (Dresdener Innenstadt) den
britischen Bomberbesatzungen gegeben wurde. Sonst flog man immer gegen
Kraftwerke, Fabriken oder halt den Kölner Dom, welche halt durch *Zufall* von
Zivilisten dicht besiedelt umzingelt waren. Natürlich war dies kein Zufall, denn
die Briten mussten ja bei Nacht ihre Bomben werfen und da war die Trefferquote
nicht berauschend, deswegen suchte man Ziele bei denen bei nicht treffen
trotzdem eine möglichst grosse Schockwirkung auf die Zivilbevölkerung (denn
diese unterstützte ja mit ihrer Arbeitsleistung den Krieg) ausgeübt werden
könnte.
Es gab da während des Krieges auf beiden Seiten so viele Änderungen
in der Taktik, dass es schwer ist von einem gezielten Genozid gegen bestimmte
Volksgruppen zu sprechen.
Ferner wollte ich noch anmerken, dass die Germanen
von denen du sprichst keine Deutschen waren. Die Briten haben sicherlich in
gleichen Teilen Vorfahren vorzuweisen, die das römische Imperium zu Fall
gebracht haben. Was meinst du warum man bei der englischen Landbevölkerung oft
von Angelsachsen spricht? Neben England sind auch viele Germanen zu den
baltischen und osteuropäischen Staaten abgewandert und warum heisst das
überhaupt FRANKreich?
Auch die USA bauen sehr stark auf germanische Wurzeln
auf, der Föderalismus war nun mal eine ur-eigenste Erfindung des heiligen
römischen Reichs deutscher Nationen und die deutsche Muttersprache soll nur mit
zwei Stimmen Unterschied beim Kongress gegen Englisch als Amtssprache verloren
haben. Die britische Königsfamilie ist übrigens sehr eng mit der Hannover
Adelslinie verflechtet. Der König der das mit den USA vermasselt hat war
übrigens ein Deutscher, er konnte sich mit seinem britischen Parlament nur auf
lateinisch unterhalten, weil er kein englisch sprach.
Also gerade in
anbetracht der Geschichte frage ich mich welches Interesse die Siegermächte des
2.WK gehabt haben sollen ihre eigene kulturellen Wurzeln mit auszulöschen...
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 27. Jan. 2005, 14:13
Uhr
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Hallo Theaitetos,
in der Tat, zur Zeit vollziehen wir da mehrere Salto
mortale. [cheesy]
Du schreibst, dass ich die Grundlage der Moral auch als
unklärbar ansehe, weil sie auf den "Sinn von Allem" aufbaut.
Das ist richtig.
Der Unterschied in den Moralen liegt ja nicht so sehr in unterschiedlichen
moralischen Forderungen, sondern in deren Hierarchie. Der brave Islamist
akzeptiert ja durchaus, dass man einander nicht tötet. Aber nun liest er im
Koran zB in der 4 Sure, Vers 89:über die Ungläubigen: "Und so sie den Rücken
kehren, so ergreifet sie und schlagt sie tot"
Also, was soll er machen? Und
wie erreicht man da einen Konsens?
Du schreibst zum Thema
Dresden-Bombardierung, man habe zu reflektieren "wer zuerst damit angefangen hat
Ideen über die Ausrottung von Völkern zu generieren."
Das war übrigens nicht
Hitler. Völkermord ist, sei es Menschen gibt, ein vielfältig genutztes
Verfahren, seine Interessen durchzusetzen. Und, vor allem, unter Christen und
Juden sehr geschätzt.
So lesen wir bei Jeremia 48,1 über das Volk der
Moabiter: "So spricht der Gott Israels: ...Kommt wir rotten es aus so dass es
kein Volk mehr ist" Und in Dt 7,1 lesen wir, welche Völker Israel - auf
göttlichen Befehl hin - ausgerottet hat: Die Hetiter usw., alles in allem 7
Stück. Falls du Details über die Ausrottungen wissen willst, empfehle ich die
Lektüre von Num 31,1ff
Und, falls du glauben solltest, Churchill,
Bomber-Harris & Co reflektierten über die historischen Wurzeln der
westeuropäischen Bevölkerung, dann irrst du gewaltig. Wenn dem so gewesen wäre,
hätten die Briten und Franzosen ja auch nicht Hitler den Krieg erklärt.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 27. Jan. 2005, 16:04
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Du schreibst: "Ohne die persönliche Festlegung eines
Ziels des menschlichen Handelns - und das ist eine Glaubenssache - lässt sich
Moral nicht festlegen. Dies ist erst dann möglich, wenn über die Zielvorgabe
Einigkeit besteht."
Das sehe ich anders: Wir haben doch bereits unsere
Ziele und Werte: wir wollen leben, gesund bleiben, einen geliebten Partner
finden, reich werden, berühmt werden, faulenzen, frei sein, Neues erleben,
Kinder und Enkel haben, unserem Hobby nachgehen, einen interessanten Beruf
ausüben, etc.
Ich sage einmal bewusst zugespitzt:
Das, was die
Menschen wollen, was ihnen lieb und teuer ist, das ist gewissermaßen das
Rohmaterial, aus dem die Regeln für den Umgang miteinander, die Moral, zu
gewinnen ist.
Hätten alle Menschen die gleichen Ziele, und könnte man
deshalb immer von sich auf andere schließen, so wäre die "Goldene Regel" (in der
negativen Formulierung: "Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch
keinem andern zu") ein geeignetes Prinzip zur moralischen Orientierung.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Marpe am 27. Jan. 2005, 16:59 Uhr
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Lieber Eberhard,
ich war wohl ein wenig mißverständlich. Es ging mir
lediglich darum aufzuzeigen, das ein festes Normengerüst nicht aufgestellt
werden kann noch sollte. Ethische Grundsätze bedürfen eines dauerhaften
gesellschaftlichen Diskurses und darüber hinaus der eigenverantwortlichen
situativen Auslegung.
Ich benütze dein Beispiel:
Ich sitze in einem
Cafe und sehe jemanden seine Brieftasche verlieren.
I. Ich gebe sie ihm
zurück, weil es mir moralisch richtig erscheint.
II. Ich gebe sie ihm
nicht zurück, weil ich sah wie er sie jemand anderem gestohlen hat.
III.
Ich behalte sie für mich, weil ich Hunger leide.
Zugegeben die letzte ist
moralisch betrachtet nicht ganz koscha. Sinn machen diese Konstruktionen keine,
denn sie sind selbstverständlich - für mich! Jedes andere Individuum wird
ähnlich oder völlig andersartig entscheiden. Das Urteil, ob diese Handlungen
moralisch richtig oder falsch sind, können Außenstehende zwar kommentieren, aber
sie können nicht in eine allgemeingültige und überzeitliche Form gebracht
werden. Die zehn Gebote sind das markanteste Beispiel dafür.
Das ganze
erinnert mich ein wenig an Poppers Ausführungen über den Wahrheitsbegriff.
Solange die Möglichkeit zur Falsifizierung besteht, gibt es keine Faktizität.
Ein moralischer Grundsatz ist eine Tagesentscheidung. Was heute richtig ist, ist
morgen vielleicht falsch. Es ändert nichts an der Tatsache, das man sich richtig
verhalten hat. Erziehung, Jurisdiktion und Literatur erleichtern zwar die
Entscheidungsfindung, können aber unmöglich eine klare Aussage über gut und böse
treffen - auch wenn sie sich dies anmaßen.
MfG Marcel
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 27. Jan. 2005, 22:22
Uhr
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Hallo Marpe,
Du schreibst:
"Es ging mir lediglich darum aufzuzeigen,
dass ein festes Normengerüst nicht aufgestellt werden kann noch sollte. Ethische
Grundsätze bedürfen eines dauerhaften gesellschaftlichen Diskurses und darüber
hinaus der eigenverantwortlichen situativen Auslegung:"
Soziale
Kooperation und Koordination ist nur möglich, wenn zumindest für die
elementarsten Konflikte zwischen den Gesellschaftsmitgliedern Entscheidungen
darüber getroffen werden, wie die am Konflikt Beteiligten handeln sollen, wenn
also Handlungsnormen aufgestellt werden.
Diese Handlungsnormen können
nicht als spezielle Anweisungen für die jeweils aktuelle Situation formuliert
werden.
Ein Grund hierfür besteht darin, dass solche singulären Normen
keine soziale Koordination ermöglichen. Nur wenn ich im Voraus darauf vertrauen
kann, dass der andere bestimmte Handlungen ausführt bzw. unterlässt (z. B. bei
"Rot" anhält oder mich nicht mit einem Messer plötzlich ersticht), ist eine
soziale Koordination möglich.
Schon aus diesem Grund muss es allgemein
bekannte und feststehende soziale Normen moralischer oder rechtlicher Art geben.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 28. Jan. 2005, 00:06
Uhr
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Hallo an Alle,
@Eberhard.
Du schreibst: "Wir haben doch bereits unsere
Ziele und Werte: wir wollen leben, gesund bleiben, einen geliebten Partner
finden, reich werden, berühmt werden, faulenzen, frei sein, Neues erleben,
Kinder und Enkel haben, unserem Hobby nachgehen, einen interessanten Beruf
ausüben, etc."
Das sind deine, zum Teil auch meine Werte, d'accord. Aber es
gibt Menschen, die diese Wertskala nicht teilen!! Die gibt es wirklich!! Die
wollen sich für andere aufopfern,in den Himmel kommen, sich in
Bedürfnislosigkeit im Nirwana auflösen, usw.
Gut, du kannst diese
Menschen ignorieren und sagen, wir wollen eine Moral für den westlichen
Hedonismus entwickeln. Einverstanden, nur darf man diese Moral dann nicht
allgemeingültig nennen.
@Marpe.
zum Brieftaschenbeispiel.
Du hast
Punkt IV vergessen:
IV. Ich behalte die Brieftasche, weil es niemand
sonst bemerkt hat und ich etwas mehr Geld gut gebrauchen kann.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 28. Jan. 2005, 08:49
Uhr
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Hallo Hanspeter,
ich hatte meine Aufzählung menschlicher Willensinhalte,
Ziele oder Werte mit einem "etc." abgeschlossen. Deshalb können die von Dir
genannten Werte ohne weiteres in das "Rohmaterial" zur Bestimmung eines
unparteiisch bestimmten "Gesamtwillens" mit aufgenommen werden.
Es grüßt
Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 28. Jan. 2005, 14:50
Uhr
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Hallo Eberhard,
aber die schließen sich doch gegenseitig aus! Altruist
und Egoist können nicht miteinander! Und wer nicht an die Autorität "Heiliger
Bücher" glaubt, kann mit religiösen Dogmen nichts anfangen.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 28. Jan. 2005, 19:55
Uhr
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Hallo Hanspeter,
es geht um die Willensinhalte, die die Individuen haben:
die können in die Diskussion zur Bestimmung des Gesamtwillens eingebracht
werden. Wenn jemand, sich für mich aufopfern will, bitte sehr, das schließt doch
nicht meine eher auf den eigenen Vorteil gerichteten Willensinhalte aus. Jemand
will asketisch leben? Kein Problem.
Was allerdings nicht zu
berücksichtigen ist, das sind seine moralischen Überzeugungen. Die richtige
Moral soll ja gerade erst bestimmt werden, d.h. jeder Teilnehmer an der
Diskussion muss bereit sein, seine moralischen Überzeugungen in Frage stellen zu
lassen, wenn er es Ernst meint mit der Frage nach der richtigen Moral.
Es
grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 29. Jan. 2005, 00:00
Uhr
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Hallo Eberhard,
nehmen wir ein besseres Beispiel: Religiöse Toleranz. Die
Menschenrechte fordern sie eindeutig, weder das Christentum, noch der Koran
können sie akzeptieren. Wobei es jetzt nicht um die Frage geht, Kathole -
Evangele oder Schiit - Sunnit, sondern Christ - Nichtchrist, Mohammedaner -
Ungläubiger. Beide, Christ und Mohammedaner können die "Götzendiener" nicht
akzeptieren, sondern haben sie zu bekämpfen. Die "Götzendiener" sehen das aber
anders.
Das ändert übrigens nichts daran, dass weite Teile des Christentum
und des Islams tonnenweise Kreide gefressen haben - religiöse Toleranz ist von
ihrem Grundverständnis nicht drin.
Gru HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 30. Jan. 2005, 16:12
Uhr
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Also das mit der religiösen Toleranz sehe ich eher anders Hanspeter. Da es in
den monotheistischen Religionen nur einen Gott gibt, so ist es doch logisch,
dass alle Menschen durch diesen *einen* Gott geschaffen wurden. In der Bibel
steht ja, dass Gott die Menschen mit Absicht so verschieden gemacht hat, damit
sie ihr ja nicht zu nahe kommen, siehe Turmbau zu Babel... Aber wenn es nur
einen Gott gibt, so müssten doch die logisch denkenden Anhänger dieser
Religionen doch auch zu der Ansicht gelangen können, dass Gott dann auch mit
absicht so viele verschiedene Religionen geschaffen hat, eben extra damit es
nicht so einfach ist seinen Weg zu Gott zu finden. Im Koran steht nun das man
Ungläubige meucheln soll, naja denke sowas ähnliches wird man auch in der Bibel
finden können (immerhin gibt's ja böse Zungen die behaupten Mohammed hat aus
diesem Buch abgeschrieben), aber das heisst ja nicht zwangsläufig Christen,
Juden oder was auch immer, denn diese sind ja gläubig, nur glauben sie nicht an
die selbe Interpretation von dem *einen* Gott.
Irgendwann in der Schule wurde
mir mal die schlaue Erkenntnis nahe gelegt, dass alle Menschen gläubig sind,
jeder auf seine Art wie er/sie es für richtig empfindet. Ungläubige gibt es also
nicht und was es nicht gibt kann man auch nicht töten, also verstösst der Koran
vielleicht doch nicht gegen sein eigenes Tötungsverbot.
Wenn man nun mal
ganz doof an die Zukunftsversion von der Terminator Filmreihe denkt, so könnte
es doch sein, dass eines Tages durch einen Fehler von uns ungläubige Wesen
geschaffen werden (Roboter), die an nichts glauben ausser ihre eigene
Überlegenheit. Wenn die anfangen die Menschheit auszurotten kann es vielleicht
ganz praktisch sein, wenn wir sie vorher ausrotten und so gegen unseren eigenen
Vorsatz des nicht tötens verstossen. Denke das ist es was Eberhard damit meint,
dass es auch Ausnahmen zu den grundlegensten moralischen Grundsätzen geben kann
und das diese wie Marpe sagt Situationsgerecht und Zeitnah von der Gesellschaft
immer wieder neu ausgearbeitet werden müssten.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 31. Jan. 2005, 10:15
Uhr
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Hallo Hanspeter, hallo Theaitenos,
bevor wir uns in Teilfragen
moralischer Ordnungen verlieren, möchte ich doch noch mal den Versuch machen,
über einige fundamentale Thesen Übereinstimmung zu erzielen.
Ich hatte
die Position vertreten, dass jedes Sollen Ausdruck eines Willens ist.
Wenn eine moralische Ordnung für mich mehr sein soll als eine bloße Aufforderung
zur Unterordnung unter einen fremden Willen, dann muss sie grundsätzlich auch
von mir gewollt werden können.
Das heißt, es muss für diese Ordnung
Gründe geben, die mir einsichtig sind.
Allgemein gesprochen heißt das:
Wenn eine moralische Ordnung für alle Individuen einer Gesellschaft gelten
soll und mehr sein soll als eine bloße Aufforderung zum allgemeinen Gehorsam,
dann muss sie grundsätzlich auch von allen gewollt werden können.
Das
Kriterium für eine moralische Ordnung ist demnach, ob diese Ordnung von all
jenen Individuen, für die sie gelten soll, grundsätzlich gemeinsam gewollt
werden kann.
Dieses Ziel muss jeder teilen, der für die von ihm
vertretenen moralischen Normen mehr beansprucht als gehorsame Befolgung. (Meine
zentrale These!!!)
Wenn jemand für irgendwelche Normen "Richtigkeit",
"Gültigkeit", "Wahrheit", "Verbindlichkeit", "Berechtigung" oder ähnliches
reklamieren will, dann muss er mir dafür einsichtige Gründe nennen, dann muss er
zeigen, dass auch ich diesen Normen zustimmen kann, dass auch ich deren
Befolgung wollen kann.
Ansonsten dienen diese wohlklingenden Wörter nur
der Verbrämung eines Herrschaftsanspruchs über mich und seine Normen stehen -
krass formuliert - auf einer Stufe mit dem Satz: "Geld her oder es knallt!"
Hier mache ich mal einen Einschnitt um Euch zu fragen:
Könnt ihr
diesen Gedankengang nachvollziehen?
Wenn nicht, dann sagt – möglichst
unter Bezug auf den Text und möglichst präzise - welche Prämissen und welche
Schlussfolgerungen ihr aus welchen Gründen nicht akzeptieren könnt (empirisch
falsch oder willkürlich gesetzt, logisch widersprüchlich, mehrdeutig,
unverständlich etc.).
Die weitere Frage, ob dies Ziel (eine moralische
Ordnung, die grundsätzlich von allen gemeinsam gewollt werden kann) überhaupt
erreichbar ist (hier sieht Hanspeter schwarz), wäre dann als nächstes zu
diskutieren.
Es grüßt Euch und alle andern Mitdenker Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Ragnar D. am 31. Jan. 2005, 12:15
Uhr
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hallo Eberhard
Der Knackpunkt ist: "dann muss sie grundsätzlich auch
von allen gewollt werden können."
Wie soll das festgestellt werden? Wenn
der vollständige Konsens dazu erforderlich ist, dann ist die ganze Fragestellung
überflüssig.
Wenn der vollständige Konsens dazu nicht erforderlich ist,
dann wird es dazu wohl trifftige Gründe geben müssen (fehlende
Konsensfähigkeit), die dem Wollen eines Zuwiderläufers widersprechen. Dann
brauchst Du auch nicht mehr nach dem Wollen fragen.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Marpe am 31. Jan. 2005, 17:46 Uhr
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Hallo.Eberhard:
Quote:Ansonsten dienen diese wohlklingenden Wörter
nur der Verbrämung eines Herrschaftsanspruchs über mich und seine Normen stehen
- krass formuliert - auf einer Stufe mit dem Satz: "Geld her oder es knallt!"
Das erinnert mich irgendwie an Rudi Dutschke; - mit besten
Hintergedanken!
Eberhard:
Quote:Das Kriterium für eine moralische
Ordnung ist demnach, ob diese Ordnung von all jenen Individuen, für die sie
gelten soll, grundsätzlich gemeinsam gewollt werden kann.
I. Ja!
- in einer Gesellschaft, die die Sozialisation ihrer Mitglieder vollkommen
gleichschaltet, sowie physiologisch identische Grundvoraussetzungen schafft
(programmiertes Erbgut).
II. Nein! - in jeder Gesellschaft, die nicht I.
ist.
Die Konsequenz : für eine konsensfähige moralische Ordnung muss eine
Gesellschaft in höchstem Maße unmoralisch handeln (I.).
Mit unverschämtem
Lächeln - Marcel
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 31. Jan. 2005, 22:05
Uhr
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Hallo Marpe,
verstehe ich Deinen Einwand richtig, dass Du eine gemeinsam
gewollte moralische Ordnung für nicht möglich hältst, wenn die Individuen
unterschiedlich sozialisiert sind und genetisch unterschiedlich sind?
(Zu
Dutschke bestehen Parallelen, insofern als ich nicht von etablierten Autoritäten
ausgehe. Seine Theorie vom "Spätkapitalismus" ist allerdings nicht haltbar.)
Hallo Ragnar,
auf Deine Argumente gehe ich gerne ein. (Pöbeleien
ignoriere ich). Du siehst das Problem darin, dass man nicht feststellen kann, ob
eine moralische Ordnung von allen gewollt werden kann. Sehe ich das richtig?
Wenn ich Eure Einwände richtig wiedergegeben habe, können wir loslegen.
Grüße von Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Marpe am 02. Feb. 2005, 16:34 Uhr
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Hallo!
Solange Individualität ein Aspekt der menschlichen Natur ist,
glaube ich nicht an die Möglichkeit "von allen gewollter" moralischer Ordnungen.
Natürlich bedeutet dies nicht, das sie nicht von allen verstanden werden
könnten. Doch Einsicht und Wille sind unterschiedliche Kategorien.
Der
Kognitivismus glaubt an die Möglichkeit zur Erkenntnis dessen, was gut und was
schlecht ist. Dies setzt aber voraus, das es objektive moralische Tatsachen
gibt. Nach Hume sind diese aber nicht erkennbar ("Abhandlung über die
menschliche Natur").
Die Alternative ist der Emotivismus, der sich von der
Objektivität verabschiedet und das moralisch subjektive Empfinden
entgegenstellt. Der entscheidende Mangel ist hier die Diskussionsfähigkeit:
Empfindungen kann man nicht diskutieren.
Die "Lösung" ist der
Institutionalismus: Moralische Basispropositionen sind eine von Menschen
gemachte Institution, eine soziale Einrichtung (Gesetzgebung, gute Manieren
etc.). Die gewonnene Intersubjektivität kombiniert die unmögliche Objektivität
(z.B. "Töten ist falsch"), mit der subjektiven Empfindung der Situation (z.B.
Notwehr, Sterbehilfe etc).
Diese "Lösung" bedeutet nichts weiter als die
Unmöglichkeit des Individuums aus sich selbst heraus, ohne Interaktion,
allgemeingültige Normen zu entwickeln. Jede Rücksicht auf andere bedeutet aber
Begrenzung der Individualität.
Darum kann es meiner Meinung nach keine
moralische Konsensfähigkeit geben.
MfG Marcel
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 02. Feb. 2005, 19:07
Uhr
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Hallo Marcel,
Du schreibst: "Solange Individualität ein Aspekt der
menschlichen Natur ist, glaube ich nicht an die Möglichkeit "von allen
gewollter" moralischer Ordnungen."
Dann führst Du kritisch den ethischen
Kognitivismus, Emotivismus und Institutionalismus auf.
Ich frage mich, wo
ich mich da einordnen soll. Am ehesten wohl beim "Kognitivismus", denn ich
verstehe unter "Erkenntnis" die richtige Beantwortung von Fragen. Insofern ist
die richtige Beantwortung moralischer Fragen eine Form der Erkenntnis
vergleichbar der Erkenntnis in Form der richtigen Beantwortung von Fragen über
die Beschaffenheit der Wirklichkeit.
Ich vertrete also die Ansicht, dass
man über die Richtigkeit von Antworten auf moralische Fragen vernünftig
argumentieren kann. Dazu ist es nicht nötig, moralische "Tatsachen" in der
Wirklichkeit zu entdecken, wie Du annimmst.
Ich will Dir dies an einem
Nachbargebiet demonstrieren, der Theorie der rationalen Entscheidung.
Diese – vor allem von Ökonomen entwickelte - Theorie beantwortet die Frage, wie
ein Subjekt sich entscheiden und handeln muss, wenn es seine Ziele maximal
verwirklichen will. (Als anschauliches Beispiel mag die Entscheidung beim Kauf
eines neuen Autos dienen).
Um sich "richtig" in diesem Sinne zu
entscheiden, muss es die verschiedenen Strategien, die ihm offen stehen,
bestimmen (Autotypen) und es muss diese Alternativen bewerten. Dazu muss es die
relevanten Kriterien der Bewertung finden (Preis, Kraftstoffverbrauch, Zahl der
Sitzplätze, Größe des Kofferraums, Reparaturanfälligkeit etc.).
In dem
Kalkül der rationalen Entscheidung gibt es empirische Tatsachen und Bewertungen
aber keine wertenden Tatsachen.
Mit bestimmten Einschränkungen lässt sich
das Problem der rationalen subjektiven Entscheidung mit dem Problem der
richtigen moralischen Entscheidung vergleichen. Allerdings besteht das Subjekt
der Entscheidung dort aus einer Vielzahl von Individuen und zur Entscheidung
stehen weniger Einzelentscheidungen als generelle Regeln.
Es grüßt Dich
Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 03. Feb. 2005, 07:29
Uhr
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Hallo Ragnar,
meine These ist:
Das Kriterium für die Gültigkeit
einer moralische Ordnung ist, ob diese Ordnung von all jenen Individuen, für die
sie gelten soll, grundsätzlich gemeinsam gewollt werden kann.
Deine
kritische Frage ist offenbar: Wie kann man feststellen, ob eine moralische
Ordnung von allen gemeinsam gewollt werden kann?
Meine Antwort darauf
lautet: man kann das feststellen, indem man alle dafür notwendigen Daten über
die realen Umständen und den Willen der Individuen zusammenträgt und daraus die
logischen Schlussfolgerungen zieht.
Ich will dies an einem extrem
vereinfachten fiktiven Beispiel demonstrieren.
Angenommen, wir haben eine
3-Personen-Gesellschaft bestehend aus den Individuen A, B und C. Alle drei essen
gerne Äpfel. Auf der Insel, auf der sie leben, stehen viele Äpfelbäume mit
reichlich Früchten für alle drei. (Dies wären die relevanten Daten.)
Es
lassen sich nun für die Verteilung der Äpfel verschiedene Regelungen denken,
z.B. "Alle Äpfel gehören A", "Niemand darf Äpfel pflücken", "Jeder darf sich so
viele Äpfel nehmen, wie er selber braucht", "Jeder darf Äpfel pflücken, so viel
er will" etc.
Meiner Ansicht nach kann man Argumente dafür finden,
welche der alternativen Regelungen die für alle beste ist und von allen
gemeinsam am ehesten gewollt werden kann.
Es grüßt Dich und alle, die
nach vernünftigen Regeln des Zusammenlebens suchen, Eberhard.
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Titel: Ich Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Marpe am 06. Feb. 2005, 23:17
Uhr
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Hallo Eberhard.
Ich weiß, was du meinst. Jedoch war ich wohl ein wenig
mißverständlich.
Wenn ich einen Vorgang in der Realität beobachte, besitzt
dieser keine augenscheinliche moralische Wertigkeit. Moral ist nicht sinnlich
erfaßbar, der Mensch besitzt kein Organ dafür. Ich kann ein Haus sehen, aber
nicht richtig oder falsch; - das ist Sache des "inneren Auges", der
Interpretation. Man kann zwar Vorgänge (Tatsachen) sammeln und vergleichen, aber
ableiten lässt sich daraus nichts : Vom Sein (wie etwas ist) kann nicht aufs
Sollen (wie etwas sein soll) geschlossen werden. (Hume)
Man könnte auch
sagen, das die Realität zu komplex ist, als das sie sich in Normen pressen ließe
- was nicht bedeutet das Normen unsinnig sind. Man kann über Moral diskutieren,
man kann auch zu Ergebnissen gelangen, aber man kann keine Normen erstellen, die
deduktive Fehlschlüsse vermeiden.
MfG Marcel
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 09. Feb. 2005, 14:59
Uhr
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Hallo Eberhard,
Zu deiner Grundthese:
"Das Kriterium für die
Gültigkeit einer moralische Ordnung ist, ob diese Ordnung von all jenen
Individuen, für die sie gelten soll, grundsätzlich gemeinsam gewollt werden
kann"
eine Frage: Was verstehst du genau unter "grundsätzlich gemeinsam
gewollt w e r d e n k a n n"? Bist du damit einverstanden, dass jeder sagt: "Ja,
das ist eine Möglichkeit, die man nicht vollständig von der Hand weisen kann"
oder verlangst du, dass das Individuum es tatsächlich will. Um es biblisch zu
formulieren: Hältst du es mit Mt 12,30: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich"
oder mit Mk 9,40: "Wer nicht gegen mich ist, ist für mich".
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 09. Feb. 2005, 16:26
Uhr
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Hallo Marpe,
ich stimme Dir zu, wenn Du sagst, dass wir mit unseren
Sinnen wahrnehmen können, wie die Welt ist, aber nicht, wie sie sein soll und
wie Menschen handeln sollen.
Ansätze, die eine Ethik begründen wollen auf
"moralischen Sinn", "moralische Intuition", "Rechtsgefühl", "Gerechtigkeitssinn"
oder "Werteschau" (analog zur sinnlichen Wahrnehmung der tatsächlichen Welt)
scheitern letztlich daran, dass das, was jeder daraus ableitet, von Mensch zu
Mensch verschieden ist.
Damit fehlt aber die Grundlage für
intersubjektiv nachvollziehbare Begründungen der behaupteten Moralnormen.
Ich stimme Dir auch zu, wenn Du auf den bereits von Hume kritisierten
logischen Fehlschluss von rein beschreibenden Prämissen auf
normativ-vorschreibende Konklusionen hinweist. Durch logische Schlüsse kann nur
das entfaltet werden, was in den Voraussetzungen enthalten ist, es kann jedoch
kein völlig neues Bedeutungselement abgeleitet werden.
Solche
Fehlschlüsse nehmen ihren Weg gewöhnlich über Begriffe, die sowohl eine
beschreibende Bedeutung, als auch eine vorschreibende Bedeutung haben wie z. B.
die Begriffe "Ziel", "Zweck", "Bestimmung", "Funktion", "Natur", "Wesen" oder
"Gesetz". Nach dem Muster: "Die Funktion der Sexualität ist die Fortpflanzung.
Also ist sexuelle Selbstbefriedigung, die diese Funktion nicht erfüllt,
abzulehnen."
Ich stimme Dir nicht zu, wenn Du daraus den Schluss ziehst,
man "kann keine Normen erstellen, die deduktive Fehlschlüsse vermeiden".
Das normative Element muss ja nicht aus dem Hut der faktischen Aussagen
gezaubert werden, normative Elemente ergeben sich logisch völlig unbedenklich
aus Willensäußerungen.
Ein Beispiel hierfür: Jemand ist müde und will
ein wenig schlafen. Er sagt zu seinen Mitbewohnern: "Ich will mich eine halbe
Stunde schlafen legen. Seid deshalb etwas leise!"
Hier wurde eine – nicht
unbedingt moralische – Norm erstellt. Siehst Du einen logischen Fehler?
fragt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 09. Feb. 2005, 19:33
Uhr
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Man sollte nicht nach etwas fragen, wenn man es nicht haben will... ;)
Also den logischen Fehler seh ich darin, dass ich Keinen kenne der es hinkriegt
innerhalb einer halben Stunde zu schlafen (also so richtig tief mit mind. einer
REM-Phase) und dann auch wieder innerhalb der gegebenen Zeit aufzustehen. Aber
das wolltest du jetzt bestimmt nicht hören. *g*
Was ist denn nun, wenn
zwei Individuen was völlig Gegenläufiges wollen ihr Zusammenleben aber davon
abhängt, dass sie die selben normativen Regelungen befolgen? Was ist wenn die
anderen Bewohner gerade eine Musikerkarriere anstreben und ganz dringend üben
müssen, gerade als sich die Person in deinem Beispiel schlafen legen will? Wer
bekommt "Recht"? Die Mehrheit oder der mit der schlüssigeren Argumentation? Muss
die schlüssigere Argumentation wirklich für die Mehrheit als solche ersichtlich
sein?
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 10. Feb. 2005, 10:34
Uhr
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Hallo Hanspeter,
ich hatte geschrieben:
"Das Kriterium für die
Gültigkeit einer moralische Ordnung ist, ob diese Ordnung von all jenen
Individuen, für die sie gelten soll, grundsätzlich gemeinsam gewollt werden
kann".
Du fragst: "Was verstehst du genau unter "grundsätzlich gemeinsam
gewollt w e r d e n k a n n?’ Bist du damit einverstanden, dass jeder sagt: "Ja,
das ist eine Möglichkeit, die man nicht vollständig von der Hand weisen kann’
oder verlangst du, dass das Individuum es tatsächlich will?"
Vorweg: es
ist doch angenehm, dass es noch Leute gibt, die bibelfest sind und zu ihren
Gedanken immer die passenden Bibelzitate zur Hand haben. Aber nun etwas
ernsthafter.
Ich freue mich, dass Du gleich zu den zentralen Fragen
kommst, muss allerdings gestehen, dass damit auch die schwierigsten und für mich
noch nicht ganz abgeschlossenen Teile dieses ethischen Ansatzes angesprochen
werden.
Vorweg eine allgemeine Bemerkung. Eine ethische Theorie bleibt
eine Theorie: sie kann kein Ersatz für Rechtsprechung und Politik sein. Sie ist
kein Computer, in den man nur die richtigen Daten einfüttern muss, damit der
Drucker den Bundesanzeiger mit den für alle Staatsbürger verbindlichen Normen
und Entscheidungen ausdruckt.
Die Ethik oder Moralphilosophie (ich
verwende beide Wörter synonym), ist kein Instrument der Philosophenherrschaft,
auch wenn sie mit dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit und einer intersubjektiv
sowohl nachvollziehbaren wie akzeptierbaren Methode daherkommt.
Die
Moralphilosophie bleibt, auch wenn sie nach allgemeingültigen Antworten sucht,
eine Wissenschaft, ein Ort der theoretischen Argumentation. Sie ist kein Ort der
praktischen Entscheidung.
Auch die Ergebnisse der
Erfahrungswissenschaften gehen nicht direkt in das soziale Handeln ein. Der
Richter kann ein Sachverständigengutachten zu Rate ziehen, aber er bleibt zu
Recht in seiner Beweiswürdigung frei.
Wir leben in einer Welt, in der wir
viele Fragen nicht beantworten können, wir leben in einer Welt mit Sicherheiten,
aber auch mit Ungewissheiten und Risiken. Deshalb bleiben auch in Bezug auf
empirische bzw. faktische Fragen häufig mehrere Antworten wissenschaftliche
vertretbar und die Entscheidung, welche der Antworten wir unserem Handeln
zugrunde legen sollen, lässt sich durch die Wissenschaft nicht völlig auflösen.
Dies als Vorbemerkung, um mich gegen bestimmte Missverständnisse und auch
gegen gezielte Fehlinterpretationen etwas abzusichern.
Nun zur
eigentlichen Frage;
Ich hatte gesagt: Sollen kommt von Wollen. Ich hatte
weiter gesagt: Wenn man mehr will als einem fremden Willen gehorchen, dann muss
man das, was man soll, letztlich auch einsehen und wollen können.
Wir
suchen nach einem Sollen, dass für alle, das heißt allgemein gilt. Deshalb muss
nur dann niemand einem fremden Willen gehorchen, wenn alle das, was sie sollen,
letztlich auch einsehen und wollen können.
Warum sage ich nicht einfach:
"was alle wollen" sondern "was alle wollen können"?
Wenn man sagen würde:
"Diejenigen Normen sollen allgemein gelten, die tatsächlich von allen gewollt
werden", so entspricht das einer Abstimmung nach der Regel der Einstimmigkeit:
wenn eine Norm allgemein gelten soll, dann müssen alle als Ausdruck ihres
tatsächlichen Willens für diese Norm stimmen.
Das Problem bei der
Einstimmigkeitsregel besteht jedoch darin, dass sie meist zu gar keinem Ergebnis
führt: Alle wollen auf dem schönsten Grundstück wohnen und das ist nicht
möglich. Dies Beispiel demonstriert: Was die Individuen als einzelne wollen, ist
meist nicht miteinander vereinbar. Folglich kann es keinen einstimmigen
Beschluss darüber geben, wer nun das schönste Grundstück bewohnen darf.
Wegen dieses Mangels wird die Einstimmigkeitsregel auch nur äußerst selten
angewandt. Ein Beispiel ist die Wahl des Oberhaupts der katholischen Kirche, bei
der die Kardinäle solange eingeschlossen bleiben, bis sich alle auf einen neuen
Papst geeinigt haben.
Deshalb wird die Einstimmigkeitsregel in der Praxis
meist mit der folgenden Klausel verbunden: Für den Fall, dass es zu keinem
einstimmigen Beschluss kommt, bleibt der bisherige normative Zustand, der
normative Status Quo für alle verbindlich.
Durch eine solche
Status-Quo-Klausel wird aus der Einstimmigkeitsregel unversehens ein Vetorecht
für jeden einzelnen. Damit haben wir eine extrem konservative Ordnung, die
Veränderungen des Status Quo nur zulässt, wenn niemand dagegen ist.
Entsprechendes gilt auch für Theorien, die die vertragliche Übereinkunft
souveräner Individuen als das einzige Verfahren zur Setzung verbindlicher Normen
propagieren, wobei die Geltung der Normen immer auf die Vertragschließenden
beschränkt ist und für die vereinbarten Normen keine allgemeine Geltung
beansprucht wird.
Um das Medium Internet-Forum und deren Nutzer nicht zu
überfordern, will ich hier mal eine Pause einlegen, auch wenn ich Deine Frage,
was "wollen können" in diesem Zusammenhang bedeutet, noch nicht beantwortet
habe.
Es grüßt dich und alle an rationaler Philosophie Interessierten
Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 10. Feb. 2005, 12:17
Uhr
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Hallo Eberhard,
du schreibst: "Die Moralphilosophie bleibt, auch wenn
sie nach allgemeingültigen Antworten sucht, eine Wissenschaft, ein Ort der
theoretischen Argumentation."
Dein Wort in der Philosophen Ohr!!!!
Trotzdem wird sie die Grundlagen für eine praktische Entscheidung suchen. Das
Recht sollte zumindest im Ansatz einer ethischen Diskussion standhalten können
und sich nicht nur darin ergehen, die am lautstärksten vorgetragenen Interessen
zu berücksichtigen. Die Theorie wird sich in der Praxis bewähren müssen!!
Aber lass dich nicht darin beirren, die offensichtlich entscheidende Frage
über "wollen" und "wollen können" zu beantworten.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 10. Feb. 2005, 17:01
Uhr
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Hallo allerseits,
bevor ich in meinem Gedankengang fortfahre, will ich –
zumindest vorläufig - auf die Frage von Hanspeter eingehen.
Um eine
Analogie zu gebrauchen: So wie man nach einer allgemein verständlichen Sprache
sucht, die jeder verstehen KANN, so wird hier nach allgemein akzeptablen Normen
gesucht, die jeder wollen kann.
Wenn man dagegen formulieren würde: Man
sucht eine Sprache, die tatsächlich jeder versteht, so hat man das Problem, dass
es Leute gibt, die sich um das Verständnis dieser Sprachen gar nicht bemühen und
die sie deswegen nicht verstehen. Das spricht jedoch nicht gegen die
Allgemeinverständlichkeit einer Sprache.
Vielleicht reicht dieser Hinweis
fürs Erste.
Ich hatte gesagt:: Nur dann muss niemand einem fremden Willen
gehorchen, wenn jeder das, was er soll, letztlich auch selber einsehen und
wollen kann.
Wie lassen sich Regeln unseres Umgangs miteinander
bestimmen, die wir gemeinsam wollen können?
Bevor man dieser Frage im
Einzelnen nachgeht, muss man sich über Folgendes im Klaren sein:
Derjenige, der die Suche nach Normen, die für alle einsichtig sind, aufgibt, der
bekundet damit zugleich, dass er es akzeptiert, dass Individuen fremde
Willensinhalte gewaltsam aufgezwungen werden. Wem es aber auf meine Einsicht
nicht ankommt, der ist für mich kein Diskussionspartner mehr, und ich muss mich
gegen ihn mit andern Mitteln als Argumenten behaupten.
Wer die Suche nach
allgemein einsichtigen Normen aufgibt, der verliert zugleich die Berechtigung,
für irgendwelche Normen nicht nur Gehorsam sondern auch Allgemeingültigkeit zu
beanspruchen, denn eine Allgemeingültigkeit, die ich nicht einsehen kann, bleibt
für mich ein unbegründeter Anspruch auf Unterordnung unter einen fremden Willen.
Es gibt von dorther einen "Zwang" zur Einigung. Jeder, der mehr will als
Normen nach dem Muster "Hände hoch oder ich schieße", jeder, der also mehr will
als Gehorsam fordern und erzwingen, muss sich auf dies Ziel verpflichten lassen:
auf das Bemühen um allgemein einsichtige Normen, die alle gemeinsam wollen
können.
Diesen etwas ungewohnten und schwierigen Gedanken muss man
verstanden haben, wenn man alle weiteren Schritte dieses ethischen Ansatzes
verstehen will. Im Hintergrund aller folgenden Argumente steht also dieser Zwang
zur argumentativen Einigung.
Damit ergibt sich als oberste methodische
Regel, dass alle Argumente, die mit dem Ziel einer argumentative Einigung nicht
vereinbar sind, auszuscheiden sind.
Um an einen einfachen Beispiel zu
demonstrieren was ich unter Argumenten verstehe, die mit dem Ziel eine
argumentative Einigung nicht vereinbar sind, können wir den von Theaitetos
genannten Konflikt nehmen. Wenn der Musiker argumentieren würde: Meine
Interessen haben immer Vorrang, so wäre dies sicherlich kein allgemein
akzeptables und einsichtiges Argument.
Damit ist das Problem natürlich
nicht gelöst, aber vielleicht hat jemand ja eine Idee.
Es grüßt euch
Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von karobra am 10. Feb. 2005, 19:59
Uhr
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In der Diskussion um das Thema 'Hirnforschung und Willensfreiheit' (und damit
wohl auch um die 'Grundlagen der Moral'!) wird der tatsächliche Forschungsstand
zumeist kaum oder gar nicht berücksichtigt. Dieser lautet bei Prof. Dr. KARL
ZILLES, einem im Forschungszentrum Jülich und an der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf tätigen Hirnforscher, insbesondere in seinen Untersuchungsergebnissen
zu dem neuerdings wieder heftig dikutierten Libet-Experiment:
1. Nicht
messbar ist, wie ein Mensch seine Entscheidungen trifft.
2. Nur das
Bewusstwerden einer Entscheidung kann gemessen werden.
3. Hirnforscher können
nur die M e c h a n i s m e n messen und beschreiben, die im menschlichen Gehirn
während einer Entscheidungs-situation zu beobachten sind.
4. Die I n h a l t
e dieser Entscheidungen sind nicht messbar, zumal es sich hierbei hauptsächlich
um strikt individuelle Gedächtnis-Inhalte handelt. Diese Inhalte sind weder
messbar noch sichtbar zu machen, auch nicht mit Hilfe der sogenannten "modernen
bildgebenden Verfahren" der Hirn-forschung.
5. "Das Libet-Experiment ist
nicht geeignet, ... eine Entscheidungssituation mit Relevanz für die Frage der
freien Willensentscheidung modellhaft nachzubilden..."
6. "Die Handlung im
Libet-Experiment ist ethisch und emotional irrelevant, Handlungen auf der Basis
von z.B. strafrechtlich relevanten Willensentscheidungen sind dagegen ethisch
und emotional bedeutend."
7. "Wie determiniert der freie Wille wegen der
zugrunde liegenden determinierten Hirnmechanismen ist, weiß gegenwärtig kein
Neuro-wissenschaftler." (K. Zilles, November 2004)
Mit diesen
Feststellungen hat Prof. Zilles der Diskussion einen neuen und zweifellos
philosophisch hoch bedeutsamen Impuls gegeben, auch wenn weiterhin ungeklärt
bleibt, ob Willensfreiheit wissenschaftlich nachweisbar oder erklärbar ist.
K.Robra
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Marpe am 10. Feb. 2005, 20:21 Uhr
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Ein Gruß an alle, die dieser interessanten Diskussion beiwohnen!
Eberhard:
Quote:Ich stimme Dir nicht zu, wenn Du daraus den Schluss ziehst,
man "kann keine Normen erstellen, die deduktive Fehlschlüsse vermeiden".
Das normative Element muss ja nicht aus dem Hut der faktischen Aussagen
gezaubert werden, normative Elemente ergeben sich logisch völlig unbedenklich
aus Willensäußerungen.
Zum ersten Absatz versuche ich meinen
Standpunkt zu erläutern, den zweiten kann ich nicht ganz nachvollziehen.
I. Denken wir uns also eine Norm, nach der sich alle richten wollen. Vermeiden
wir also die erste Barriere. Jetzt kommt mein Einwand, das diese Norm unmöglich
deduktive Fehlschlüsse vermeiden kann. Ich ergänze, das diese Norm nicht
notwendigerweise aus einem Satz oder einem Paragraphen bestehen muß, sie kann
beliebig viele besitzen. Aber hier ergibt sich das Problem: Wie kann man für
jede mögliche Situation die moralisch richtige Handlungsweise denken und
fixieren. Zugegeben es handelt sich hier um einen extremen Einwand, aber die
Auswirkungen spüren wir tagtäglich; - Jede Jurisdiktion verordnet uns
Handlungsmuster wie: "Du sollst dies und jenes nicht tun, abgesehen im Falle von
a, b, c.". Diese Restriktionen relativieren die Norm angesichts der Komplexität
der Realität,ohne die Funktionsweise unseres Zusammenlebens vollständig
auszuloten. Jeden Tag kommen Neue dazu: eine Sisyphusarbeit. Solange eine
Gesellschaft Veränderungen unterliegt, ist auch die Diskussion über ethische
Grundsätze notwendig. Es ist die Unvollständigkeit der Realität, die
Unwissenheit über das künftig Mögliche, die zum angesprochenen
Fehlschlussproblem führt.
II. Was ich nicht verstehe ist "logisch völlig
unbedenklich". Ich bitte um Aufklärung.
Ebenfalls ungeklärt scheint mir
die Problematik des Wollens. Das Problem des Menschen liegt darin, daß er immer
erst werden muss, was er ist. Sein Wollen unterliegt seinem
Verwirklichungsmoment, dem wo er gerade angekommen ist und wo er glaubt ankommen
zu müssen. Es ist also nicht nur die zwischenmenschliche Spaltung, die den
Willen zum Problem erhebt, es ist auch die Natur des Einzelnen, seine
Unfertigkeit.
MfG Marcel
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 10. Feb. 2005, 23:05
Uhr
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Hallo Eberhard,
die übrigen Teilnehmer mögen entschuldigen, dass ich noch
etwas länger an der Basis dieses Dialogs verweile.
Ich versuche jetzt,
deine Vorstellungen zum "wollen" mit meinen Worten zu beschreiben:
Zugelassen werden bei der Erstellung moralischer Normen nur jene Personen, die
bereit sind, ausschließlich auf der Basis von Logik und Vernunft zu
argumentieren. Alle Christen, Islamisten oder sonstige doktrinäre ...isten
werden deshalb ausgeschlossen, weil sich eindeutig in ihrem System logische
Widersprüche nachweisen lassen. Deshalb ist zB ein Verweis auf einen irgendwie
gearteten göttlichen Willen unzulässig.
Entspricht das deinen
Intentionen?
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 11. Feb. 2005, 18:07
Uhr
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Hallo allerseits,
Es geht um die Beantwortung der Frage, wie (bestimmte)
Individuen (in bestimmten Situationen) handeln sollen.
Meine These
lautete:
Jeder, der für die von ihm vertretenen Normen mehr will als
Gehorsam fordern und erzwingen, muss sich auf das Bemühen um allgemein
einsichtige Normen, die alle gemeinsam wollen können, festlegen lassen.
Wenn man diese Ausgangslage akzeptiert, dann ergeben sich daraus weitere
methodische Regeln, wie zum Beispiel:
"Bemühe dich um eine allgemein
verständliche Sprache!"
Denn Menschen die keine gemeinsame Sprache sprechen
und sich nicht verstehen, können auch nicht zu einer gemeinsamen Antwort kommen.
"Vermeide logische Widersprüche!"
Denn widersprüchliche Antworten auf
eine gestellte Frage sind gar keine Antworten.
"Schließe keine Person und
kein Argument von vornherein aus!"
Denn ohne Prüfung lässt sich nicht
entscheiden, ob ein Argument zur Beantwortung der Frage beiträgt oder nicht.
"Schließe kein Argument von der Prüfung auf allgemeine Nachvollziehbarkeit
aus!"
Denn von Voraussetzungen, die nicht allgemein geteilt werden können,
kann man auch keine Schlussfolgerungen ableiten, die allgemein geteilt werden
können.
Hanspeter, auf Deine Frage angewandt heißt dies, dass jeder seine
Meinung hinsichtlich der gesuchten Norm und die Begründung seiner Meinung
einbringen kann. Allerdings haben Argumente keine Kraft, die auf Prämissen
beruhen, die ihrerseits nicht allgemein akzeptabel sind.
Nehmen wir ein
Beispiel:
Ein Geistlicher erklärt: "Die große Welle, die Hunderttausende von
Menschen getötet hat, war die Strafe Gottes für die Verletzung seiner Gebote
hinsichtlich der Zur-Schau-Stellung des nackten Körpers in den Badeorten.
Deshalb sollt ihr diese Gebote zukünftig beachten!"
Ist dies ein zu
berücksichtigendes Argument für entsprechende Bekleidungsvorschriften? Das würde
voraussetzen, dass es eine allgemein nachvollziehbare Begründung dafür gibt,
dass ein Gott existiert, der die Naturgewalten beherrscht, und dass der
betreffende Geistliche in der Lage ist, die Absichten dieses Gottes richtig zu
erkennen.
Beides scheint mir nicht gegeben, aber ich bin für Argumente
immer offen.
Habe ich Deine Frage damit erstmal beantwortet, Hanspeter?
Theaitetos, nun zu Deinen Kritikpunkten:
Du fragst zweifelnd: "Wie
kann man für jede mögliche Situation die moralisch richtige Handlungsweise
denken und fixieren?"
Diese Frage deckt wichtige Probleme der
Normsetzung auf: "Wie genau sollen Normen in der Erfassung der Bedingungen sein,
damit moralisch Ungleiches nicht gleich behandelt wird?" und "Wie generell
sollen Normen formuliert werden, damit das System von Normen für die Individuen
noch überschaubar bleibt?" "Wie erfolgt eine notwendige Revision von Normen?"
Hier muss ein praktikabler Kompromiss zwischen Genauigkeit und Übersichtlichkeit
gesucht werden.
Mir ist unklar, was Du unter einem "logischen
Fehlschluss" verstehst. Ich verstehe darunter den Übergang von Prämissen zu
vermeintlichen Konklusionen, bei dem die Wahrheit der Prämissen nicht auf die
Konklusion übergeht. "Logisch unbedenklich" nenne ich eine Argumentation, in der
kein solcher Fehlschluss vorkommt.
Solltest Du in meinen Texten einen
logischen Fehlschluss bemerken, so gib bitte die betreffenden Prämissen und
Konklusionen an!
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 12. Feb. 2005, 00:11
Uhr
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Hallo Eberhard,
ein einfaches Ja oder Nein zu meiner Frage, ob meine
Formulierung deiner Intention entspricht, wäre mir lieber gewesen, aber dein
Beispiel spricht dafür, dass du damit leben kannst. Ich versuche nämlich,
Minischritt für Minischritt die Grundlagen der Moral zu suchen.
Der
nächste Schritt wäre nun folgendes:
Moral bewertet menschliche
Handlungen, fragt also, ob diese gut oder böse ist. Ich behaupte nun: Die Frage,
ob eine Handlungsweise gut oder böse ist, ist identisch mit der Frage, ob sie
richtig oder falsch ist, sofern ein allgemein akzeptiertes Handlungsziel
vorliegt. Solche Ziele könnten sein: Allgemeinwohl, Maximierung des Glücks,
Minimierung des Leidens usw., darauf müsste man sich noch einigen.
Kannst du
dem zustimmen?
(Im Zweifelsfall Mt 5,37: Eure Rede sei jaja....) [cheesy]
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Theaitetos am 12. Feb. 2005, 10:29
Uhr
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Eberhard du sagst man soll sich um eine allgemein verständliche Sprache bemühen,
damit zeigst du das logische Fehlschlüsse nie ausgeschlossen sind. Denn in der
Welt gibt es so viele Sprachen. Gerade das "aufzwingen" einer fremden Sprache
gehört zu den Musterbeispielen für die "moralisch düsteren Kapitel" in den
Geschichtsbüchern... Da war es erwünscht wenn die Sklaven gerade mal so viel von
der Sprache ihre Herren verstanden das sie dienen konnten. Also genau was du die
ganze Zeit sagst was du nicht willst: Es wurde ein fremder Wille aufgezwungen.
Diese grundregel mit dem vermeiden des logischen Widerspruchs kann also auch
nicht immer befolgt werden... Vielleicht kann man ja moralische Normen daran
bewerten wieviele ihrer eigenen Normen sie brechen müssen um zu Nachdruck
verholfen zu werden? Oder vielleicht kann man es auch wirklich nicht bewerten,
jedenfalls nicht für ewig, das bekanntlich der Job von Gott...
P.S.:
Selbst wenn zwei Menschen die gleiche Sprache sprechen ist das keine
Vorraussetzung das sie sich verstehen. Hier schwirrt der andere Thread rum, dass
nicht unbedingt alle gleich schlau sind. Ich habe grad keine Zeit nachzugucken
was eine Konklusion ist, aber ich wette das ist was ganz fieses... Neee ehrlich
manche Abschnitte bei dir versteh ich nur nach 10 min google ausquetschen. Wenn
du mir das irgendwie in der Kneipe oder so bei nem Bier erzählen würdest würd
ich davon nur ein paar Sachen behalten, z.B. das mit den Argumenten prüfen und
so das ja so nen evergreen in philo klingt schon cool...
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 12. Feb. 2005, 17:54
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Du schreibst: "Ein einfaches Ja oder Nein zu meiner
Frage, ob meine Formulierung deiner Intention entspricht, wäre mir lieber
gewesen". Also dann: Nein.
Niemand darf von der Argumentation
ausgeschlossen werden, gleichgültig welcher Weltanschauung oder Religionen er
angehört. Die Berufung auf einen göttlichen Willen ist nicht als solches ein
unzulässiges Argument. Sie setzt allerdings voraus, dass es diesen Gott gibt.
Hierfür gibt es jedoch - soweit ich sehe - keine allgemein nachvollziehbaren und
akzeptablen Argumente.
Du willst in kleinsten Schritten die Grundlagen
der Moral suchen. Dies halte ich für sinnvoll. Um eine Behauptung samt ihrer
Begründung zu überprüfen, muss man sie analysieren. Man muss sie in möglichst
einfache Aussagen zerlegen, die sich eindeutig verstehen lassen.
Du
stellst Deinen Gedankengang dar und fragst, ob ich dem zustimmen kann. Die
biblische Anweisung: "Eure Rede sei "jaj, ja oder "nein, nein’, was darüber ist,
ist von übel" halte ich nicht für eine sinnvolle Regel der Diskussion. Bevor ich
ja oder nein zu einer Position sage, muss ich mich ja vergewissert haben, ob ich
diese Position überhaupt richtig verstanden habe. Und die bloße Zustimmung oder
Ablehnung bringt wenig, wenn sie nicht begründet wird.
Du schreibst.
"Moral bewertet menschliche Handlungen, fragt also, ob diese gut oder böse
sind".
Dieser Satz ist offenbar eine Bestimmung der Bedeutung des Wortes
Moral. Ich nehme an, dass Du damit die allgemein übliche Bedeutung des Wortes
"Moral" wiedergeben willst, der Du Dich damit offenbar zugleich anschließt.
Wenn Du eine solche Definition zum Ausgangspunkt nimmst, dann gibt es
allerdings Moral im Plural, d.h. es gibt mehrere unterschiedliche Konzeptionen
von Moral, die menschliche Handlungen bewerten, und diese Bewertungen müssen
nicht übereinstimmen.
Da wir aber unsere moralischen Fragen beantworten
wollen, und da mehrere untereinander widersprüchliche Moralsysteme diese Antwort
nicht geben können, geht es nicht um irgendeine Moral, sondern um die "richtige"
Moral.
Zu Deiner Definition von Moral zwei Anmerkungen.
Zum einen:
Ich halte das Wort "böse" für erläuterungsbedürftig. Bedeutet es hier etwas
anderes als "nicht gut" bzw. "schlecht"? Wenn nicht, dann würde ich das Wort
"schlecht" vorziehen.
Zum andern: Statt zu sagen: "Moral bewertet
menschliche Handlungen" sollte man besser sagen: "Moral besteht aus Bewertungen
menschlicher Handlungen", denn wenn etwas bewertet wird, dann muss es auch ein
Subjekt geben, das bewertet. Die Moral ist jedoch kein Subjekt, das bestimmte
Handlungen – wie Bewertungen - ausführen kann.
Damit stellt sich die
Frage. WER bewertet die Handlungen UNTER WELCHEM GESICHTSPUNKT?
Wichtig
ist, dass wir zu Antworten auf unsere moralischen Fragen kommen. Und diese
Antworten sollen für alle gültig sein. Wenn jeder die Handlungen unter dem
Gesichtspunkt seines eigenen Interesses bewertet, so kämen wir nicht zu einer
bestimmten Antwort. Man kann zwar sagen: "Du hast Deine moralischen Auffassungen
und ich habe meine moralischen Auffassungen", aber es macht keinen Sinn zu
sagen: "Deine Bewertung der Handlung ist für dich richtig und meine Bewertung
derselben Handlung ist für mich richtig". Dann bliebe ja der Konflikt erhalten,
und man könnte sich die ganze Moralphilosophie ersparen.
Du lässt die
Frage nach dem Subjekt der Bewertungen erstmal offen. Und auf die Frage, unter
welchen Gesichtspunkten die Handlungen in der Moral bewertet werden, antwortest
du, wenn ich dich richtig verstanden habe: die Handlungen sind von einem
allgemein akzeptierten Ziel her zu bewerten.
Soweit, so gut. Ich glaube
jedoch nicht, dass man moralische Normen von einem allgemein akzeptierten Ziel
her begründen kann. So kann es mehrere allgemein akzeptierte Ziele geben (Ziel
1: Ausrottung des Malariaerregers, Ziel 2: Ausrottung des Aids-Virus), wodurch
es zu Zielkonflikten kommen kann.
So viel erstmal für heute. Es grüßt
Dich und alle anderen Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 13. Feb. 2005, 00:15
Uhr
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Hallo Eberhard,
das jaja, neinein war nur für diese eine Frage gedacht,
sonst ist es natürlich unsinnig.
Zunächst zum Moralbegriff:
Wenn ich
schreibe: "Moral bewertet menschliche Handlungen", so gehe ich davon aus, dass
Menschen unter Verwendung des moralischen Begrifffsspektums Handlungen bewerten.
Das Subjekt ist der moralisierende Mensch.
Der Ersatz des Begriffs "böse"
durch "schlecht" stört nicht.
Nun zum eigentlichen Problem. Du
schreibst: "Die Berufung auf einen göttlichen Willen ist nicht als solches ein
unzulässiges Argument. Sie setzt allerdings voraus, dass es diesen Gott gibt.
Hierfür gibt es jedoch - soweit ich sehe - keine allgemein nachvollziehbaren und
akzeptablen Argumente."
Das ist im Prinzip richtig, doch da es keinen Beweis
für die Existenz eines Gottes gibt, ist die Berufung auf einen göttlichen Willen
eben schon unzulässig. Ich sehe keine andere Möglichkeit, denjenigen aus der
Diskussion auszuschließen, der an die Existenz eines göttlichen Willens glaubt,
dem er unterworfen ist. Er hat seine Moral und sucht keine neue.
Übrigens
wird durch die Existenz mehrerer Moralen nicht die Moralphilosophie als solches
überflüssig. Alle Wissenschaften müssen damit leben, dass es unterschiedliche
Vertreter einer Theorie gibt, früher oder später setzt sich die richtige Ansicht
durch, unabhängign davon, ob es noch Vertreter einer abweichenden Meinung gibt.
Die Evolutionstheorie ist richtig, auch wenn die Kreationisten das leugnen.
Zur Zielproblematik: Es kann nur e i n höchstes Ziel geben. Natürlich kann
es da und dort Zielkonflikte geben, vor allem dann, wenn beide Ziele das höchste
Ziel kaum tangieren. Einen Zielkonflikt mit dem Malaria-Erreger oder dem
Aids-Virus kann ich nicht erkennen. Wie meintest du das? Ich denke, die
Beseitung beider wäre moralisch zu vertreten.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 13. Feb. 2005, 16:04
Uhr
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Hallo Marcel,
ich bitte um Entschuldigung, dass ich Deine Kritik und
Deine Fragen vom 10. Februar 05 irrtümlich Theaitetos zugeschrieben habe. Ich
will deshalb noch einmal etwas ausführlicher darauf eingehen.
Du stellst
die Frage nach der Möglichkeit, Regeln für das Handeln aufzustellen, angesichts
einer komplexen und noch dazu sich verändernden Welt. Du fragst: Wie kann man
für jede mögliche Situation die moralisch richtige Handlungsweise denken und
fixieren?
Angesichts dieser Probleme wird man wahrscheinlich so vorgehen
müssen, dass man nur für wiederkehrende und schwerwiegende Konflikte eine
Regelung schafft. Gleichzeitig muss man darauf achten, ob sich die Verhältnisse
so stark geändert haben, dass man die bisherigen Regelungen verändern oder
völlig neue Regelungen einführen muss.
Außerdem gibt es die Möglichkeit,
Normen relativ allgemein zu formulieren, und ihre Anwendung auf den konkreten
Fall getrennt davon vorzunehmen. Dies ist zum Beispiel die herrschende Praxis
bei uns, wo die Gerichte die relativ allgemein formulierten Gesetze nach
vorgegebenen Regeln anwenden und auslegen.
Hier wäre noch vieles zu
klären, aber da wir ja bei den Grundlagen der Moral sind, mag es genügen, wenn
gezeigt wird, dass es für bestimmte Probleme grundsätzlich eine Lösung gibt.
Zum Vorwurf des Fehlschlusses habe ich wohl bereits ausreichend geantwortet.
Du siehst weiterhin ein Problem, vom Willen der Individuen auszugehen,
angesichts der Unfertigkeiten und Veränderlichkeit des Einzelnen. Ich bin der
Meinung, dass hier noch reichlich Fragen zu klären sind. Um meine Position kurz
anzudeuten: Was als Wille eines Menschen gelten soll, muss überlegt sein und
eine gewisse Dauerhaftigkeit besitzen. Den Menschen nützt es nichts, wenn man
ihre auf falschen Informationen und schwankenden Gefühlen beruhenden Launen bei
der Normfindung berücksichtigt.
Ich hoffe, damit mein Versehen wieder
ausgebügelt zu haben.
Es grüßt Dich, Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 13. Feb. 2005, 20:48
Uhr
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Hallo Hanspeter,
auch der Anhänger einer bestimmten Religion und einer
entsprechenden Moral kann von seinem Glauben unabhängige Argumente einbringen.
Deshalb ist ein Ausschluss von Personen aus der moralischen Diskussion nicht zu
rechtfertigen. Fromme, die alles, was sie behaupten, mit Voraussetzungen
begründen, von deren Richtigkeit nur sie selbst und ihre Glaubensbrüder
überzeugt sind, tragen allerdings auch kein einziges brauchbares Argument zur
Bestimmung allgemeingültiger Normen bei.
Ein Problem bei weltanschaulich
oder glaubensmäßig gebundenen Diskussionsteilnehmern entsteht jedoch dann, wenn
zum Inhalt ihrer Konfession gehört, dass die soziale Ordnung nur im Sinne dieser
Konfession gestaltet werden darf.
Gegen einen derartigen
Gehorsamsanspruch helfen keine Argumente. Er zerstört die Grundlage jeder
Diskussion.
Ein Gläubiger, der die Ergebnisse der Diskussion für
gleichgültig hält und sich nicht um einen gemeinsamen Willen bemüht, hat sich
damit selber ausgeschlossen, er muss nicht erst ausgeschlossen werden.
Ich halte es nicht für sinnvoll, Deinen Ansatz im jetzigen Stadium schon
detailliert zu diskutieren. Einen wichtigen Unterschied zu mir sehe ich darin,
dass ich von einer Fragestellung ausgehe ("Wie sollen wir handeln?") während Du
von einem Moralbegriff ausgehst. Während ich versuche, aus der Art der
Fragestellung die Kriterien für die Beantwortung der Frage zu gewinnen, kommen
Deine Kriterien aus einem bestimmten Verständnis davon, was der Begriff "Moral"
beinhaltet.
Zu den Zielkonflikten: Ich sage dazu nur: Wenn man sich an
mehreren Zielen orientiert, dann kann man nicht mehr ausschließen, dass es zu
Zielkonflikten kommt. Es kann also Handlungen geben, die das Erreichen von Ziel
1 fördern und zugleich das Erreichen von Ziel 2 behindern, etwa wenn die
finanziellen Möglichkeiten nur die Ausrottung einer der beiden Seuchen erlauben
aber nicht beider. Hier bedarf es einer zusätzlichen Entscheidung. Offenbar gibt
es eine Rangfolge der Ziele.
Zu der Vielzahl vorhandener oder
vorstellbarer Moralsysteme: Ziel ist ja die Bestimmung der "richtigen Moral".
Bei Dir ergibt sich diese offenbar aus dem richtigen Ziel. Ich bin gespannt, wie
Du das richtige Ziel, von dem her die Handlungen zu bewerten sind, bestimmst.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 14. Feb. 2005, 02:03
Uhr
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Hallo Eberhard,
ob sich ein Anhänger einer Religion aus dem
Diskussionskreis selbst ausschließt oder wir es tun, ist uninteressant. Tatsache
ist, er ist ausgeschlossen. Und zwar deshalb, weil sein Glaube eine bereits
definierte Moral verbindlich vorschreibt. Akzeptiert er diese Moral nicht, ist
er eben kein Anhänger dieser Religion, da jede Religion die Definitionshoheit
über ihren Glauben und damit ihre Moral hat.
Zum Ziel: Die Frage nach
der Richtigkeit eines Handels ist nur dann zu beantworten, wenn das Ziel
definiert ist.
Wenn man als Ziel die Maximierung des eigenen Wohls
definiert, dann wir man sich anders entscheiden, als wenn man das Wohl der
ganzen Menschheit im Auge hat. Oger gar noch das Wohl künftiger Generationen.
Wenn der eine nach Moskau, der andere nach Rom will, werden sich die
beiden nur darin einig sein, dass sie gemeinsam ins Reisebüro gehen.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 14. Feb. 2005, 10:06
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Du schreibst: "Die Frage nach der Richtigkeit eines
Handelns ist nur dann zu beantworten, wenn das Ziel definiert ist".
Dabei
gehst du offenbar von einem bestimmten Subjekt aus, das dies Ziel hat und für
welches das Handeln richtig ist.
Wenn zwei Subjekte dasselbe Ziel haben,
dann sind demnach auch dieselben Handlungen für sie richtig und wenn alle
dasselbe Ziel haben, dann sind folglich auch für alle dieselben Handlungen
richtig.
Damit wäre für die Frage, wie die Menschen handeln sollen, eine
für alle gültige Lösung gefunden. sofern man Ziele bestimmen kann, die alle
gemeinsam haben.
Das klingt gut. Ich sehe dabei jedoch folgende
Schwierigkeiten.
Es macht einen Unterschied, wie man ein Ziel bestimmt.
Man kann ein Ziel definieren, indem man einen Zustand beschreibt, der zu
verwirklichen ist. Z. B. kann jemand das Ziel haben, Eigentümer eines Autos zu
werden.
Von diesem Ziel her lassen sich nun unter Zuhilfenahme unserer
Kenntnisse über die Beschaffenheit der Wirklichkeit verschiedene
Handlungsverläufe angeben, die dazu führen, dass das Ziel erreicht wird.
Wenn man voraussetzt, dass man das Auto kaufen muss, so muss man den
Kaufpreis aufbringen, wobei Jobben oder Sparen dafür in Frage kommen. Man könnte
vielleicht auch versuchen, eine reiche Tante zu überreden, dass sie einem das
Auto schenkt.
Was ich damit sagen will, ist, dass sich aus einem zu
erreichenden Zielzustand noch keine bestimmten Handlungen als die richtigen
ableiten lassen, da es gewöhnlich mehrere Alternativen zur Erreichung eines
Zieles gibt.
Man kann den Bereich der Handlungsalternativen dadurch
einschränken, dass man weitere Ziele postuliert. Bei dem obigen Beispiel würde
die Alternative Jobben z.B. ausscheiden, wenn ich auch das Ziel habe, mein
Studium erfolgreich abzuschließen, dies aber durch Jobben gefährdet würde.
Diese Einschränkung setzt aber bereits voraus, dass das Ziel
"Studienabschluss" für mich wichtiger ist als das Ziel "eigenes Auto".
Damit ich bestimmte Handlungen aus einem Ziel ableiten kann, muss ich genau
genommen sämtliche Ziele eines Subjektes berücksichtigen und gewichten (wobei
ich von dem Problem der Ungewissheit meiner Annahmen über die zu erwartenden
Folgen meiner Handlungen einmal absehe, also eine Entscheidung unter Gewissheit
annehme).
Was Du als Ziele des Handelns nennst: "größtes eigenes Wohl"
oder "größtes Wohl der Menschheit" sind keine Ziele in Form von beschreibbaren
Zuständen der Wirklichkeit. Wenn ich sage: "Mein Ziel ist mein eigenes Wohl",
dann habe ich damit noch nichts darüber gesagt, welche Zustände der Wirklichkeit
dem eigenen Wohl am besten entsprechen und folglich anzustreben sind.
Entsprechendes gilt für das Ziel "allgemeines Wohl".
Das schwierige
Problem der Bestimmung des "allgemeinen Wohls" liegt noch vor Dir, vergleichbar
der Schwierigkeit, die bei meinem Ansatz darin besteht, zu bestimmen, was alle
gemeinsam am ehesten wollen können.
Packen wir den Stier bei den Hörnern.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 14. Feb. 2005, 15:45
Uhr
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Hallo Eberhard,
es geht bei dieser Frage nicht um ein kurzfristiges Ziel,
sondern um das Ziel oder den Sinn des Lebens.
Wenn du sagst, mein
höchstes Ziel, der Sinn meines Daseins ist es, ein Auto zu besitzen, dann wäre
jede Handlungsweise gut, die dich diesem Ziel näher bringt. Also, nicht für die
Flutkatastrophe spenden, und bei der Frage, Scheidung ja oder nein sich mit dem
Anwalt genau über die Kosten besprechen.
Du schreibst: "Was Du als
Ziele des Handelns nennst: "größtes eigenes Wohl" oder "größtes Wohl der
Menschheit" sind keine Ziele in Form von beschreibbaren Zuständen der
Wirklichkeit. Wenn ich sage: "Mein Ziel ist mein eigenes Wohl", dann habe ich
damit noch nichts darüber gesagt, welche Zustände der Wirklichkeit dem eigenen
Wohl am besten entsprechen und folglich anzustreben sind."
Die Aufgabe
der Moral ist es nicht, die Wirklichkeit zu beschreiben, sondern Handlungen zu
bewerten. Was jeder als sein "größtes eigenes Wohl" betrachtet, ist zwar sicher
in Nuancen unterschiedlich, aber die Festlegung dürfte individuell nicht allzu
schwer fallen. Dieses Ziel begründet also einen eindeutigen Egoismus, das heißt
jede Handlung wird danach bewertet, ob sie einem persönlich nützt. Ich könnte
mir kein konkretes Beispiel vorstellen, bei dem mir keine Lösung einfiele.
Damit sage ich nicht, dass das ein wünschenswertes allgemein gültiges
moralisches Ziel ist, seinen eigenen Nutzen zu fördern, wenngleich vieles dafür
spricht, dass dieses Ziel zahlreiche Anhänger hat.
Doch über die
konkrete Formulierung eines moralischen Ziels müssten wir noch detaillierter
diskutieren.
Wie wäre es mit dem Ziel: "Das Wohl der Menschheit langfristig
zu verbessern und zu sichern?"
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 15. Feb. 2005, 18:27
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Du willst mit der Bestimmung eines gemeinsamen Ziels
aller beginnen, um daraus das richtige Handeln bzw. moralische Regeln
abzuleiten. Du schlägst als allgemeines Ziel vor, "das Wohl der Menschheit
langfristig zu verbessern und zu sichern".
Ich habe Sympathien für ein
solches Ziel, aber warum sollte ein erklärter Egoist dies Ziel zu seinem eigenen
machen?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 16. Feb. 2005, 01:47
Uhr
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Hallo Eberhard,
er könnte es, einige Intelligenz vorausgesetzt, dehalb
tun, weil er die Konsequenzen seiner Moral durchschaut. Wenn er seinen Egoismus
als höchstes Ziel setzt, muss er damit rechnen, eine sehr große Zahl von Gegnern
zu haben, die sein Lebensziel torpedieren.
Lediglich für einen
omnipotenten Herrscher macht das Ziel "Alles zu meinem Wohle" Sinn. Deshalb ist
diese Moral auch bei Diktatoren und Göttern sehr beliebt.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 16. Feb. 2005, 20:10
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Damit stützt Du Dich auf die Annahme, dass sich
moralisch richtiges Handeln und Handeln gemäß dem aufgeklärten, langfristigem
Eigeninteresse letzlich decken, sofern man keine extremen Machtunterschiede
annimmt.
Dies ist auch die Annahme der "klassischen" Vertragstheorie,
dass jedes Individuum ein Eigeninteresse daran hat, den "Natuzustand" (="Gesetz
des Dschungels") durch Bildung einer staatlichen Rechtsordnung zu beenden.
Ein Problem ist, dass man die einzelnen Menschen vielleicht noch für
annähernd gleich stark halten kann, dass es aber bei Kollektiven keinen Grund
für diese Annahme gibt ("Supermächte").
Den Egoismus kann ich bei meinem
Ansatz ausschließen, weil nicht alle gemeinsam wollen können, dass alles nach
den Interessen von Individuum X verläuft. Warum sollte ich dem zustimmen und
meine Interessen zugunsten von Individuum X hintenanstellen?
Es grüßt
Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 17. Feb. 2005, 01:17
Uhr
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Hallo Eberhard,
du schreibst: "Damit stützt Du Dich auf die Annahme, dass
sich moralisch richtiges Handeln und Handeln gemäß dem aufgeklärten,
langfristigem Eigeninteresse letzlich decken..."
Leider ist das mehr eine
Hoffnung. Ich sprach ja bewusst vom Wohl der "Menschheit", nicht des
Einzelindividuums. Dessen Wohl ist zwar auch von Bedeutung, doch sollten mit
dieser Formulierung auch künftige Generationen eingeschlossen werden. Und hier
liegt der entscheidende Punkt. Für das individuelle Interesse ist die sogenannte
"Nachhaltigkeit" kein Argument. Solange die Ressourcen bis ans eigene Lebensende
reichen, ist alles ok, danach mag vom Standpunkt der Egoisten die Sintflut
kommen.
Es ist also vom konventionellen moralischen Standpunkt richtig, wenn
man zB die Tropenwälder abholzt und damit idealerweise die dort darbende
Bevölkerung ernährt (die Tatsache, dass das Geld leider fast ausschließlich
einige Potentaten bekommen, sei hier unberücksichtigt). Fasst man aber das Wohl
der M e n s c h h e i t als höchstes Ziel, dann wird man die Tropenwälder intakt
lassen und stattdessen in Kauf nehmen, dass einige Menschen verhungern bzw. sie
anhalten, die Vermehrungsrate zu reduzieren.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 18. Feb. 2005, 11:31
Uhr
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Hallo Hanspeter,
zur Bestimmung des Wohls eines Individuums noch eine
Anmerkung. Man muss nicht davon ausgehen, dass die Interessen eines Individuums
nur auf das eigenen Lebensbedingungen gerichtet sind und dass deshalb für das
Individuum gilt: Nach mir die Sintflut!
Die Interessen eines Individuums
können - unabhängig von moralischen Motiven - auch die Lebensbedingungen anderer
betreffen. Am häufigsten ist die Identifikation mit den "Angehörigen" im
weitesten Sinne, den Nachkommen, der Verwandtschaft, den Freunden, den
Individuen gleicher Sprache, Kultur und Herkunft.
Hier gibt es also eine
kleine Brücke zum Wohlergehen zukünftiger Generationen.
Man muss deshalb
unterscheiden zwischen den im engeren Sinne "eigenen" Interessen, die sich auf
die eigenen Lebensbedingungen richten (ich schlage hierfür die Bezeichnung
"Eigeninteresse" vor) und den "individuellen Interessen", die neben den
Eigeninteressen auch noch die über den eigenen Tod und die eigenen
Lebensbedingungen hinaus gehenden Interessen beinhalten.
Allerdings sehe
ich immer noch nicht, dass die so definierten individuellen Interessen der
Individuen sich decken, auch wenn man annimmt, dass sie langfristig und aufgrund
richtiger Informationen bestimmt wurden.
Übrigens gibt es nicht nur
positive Identifikation, die man unter der Bezeichnung "angeborener
Ethnozentrismus" zusammenfassen kann, sondern es gibt auch Interessen, die sich
auf die Schädigung anderer richten, wie Missgunst, Schadenfreude, Hass etc.
Die gegen andere gerichteten individuellen Interessen können in meinem
Ansatz der Moralbegründung deshalb nicht berücksichtigt werden, weil es für die
von Missgunst betroffenen Individuen keinen Grund gibt, derartige gegen sie
gerichtete Interessen zu akzeptieren und bei der Bestimmung des allgemeinen
Interesses zu berücksichtigen.
Es bleibt die Frage, wie das "Wohl der
Menschheit" ermittelt werden soll. Wenn es eine moralische Verantwortung
gegenüber kommenden Generationen gibt, dann müsste man so handeln, dass man sein
Handeln mit Argumenten begründen kann, die auch die nach uns geborenen
Individuen akzeptieren können.
Eine moralische Verantwortung und auf
Argumente gestützte Rechtfertigung gegenüber Tieren kann es wohl nicht geben.
Allerdings haben wir individuelles Interesse auch an Artenvielfalt, Tierschutz
etc., so dass dieser Gesichtspunkt nicht unter den Tisch fällt.
Allgemein
akzeptabel kann m. E. nur eine soziale Ordnung sein, bei deren Bestimmung die
individuellen Interessen aller unparteiisch und wohlwollend berücksichtigt
werden.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 18. Feb. 2005, 13:55
Uhr
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Hallo Eberhard,
es ist sicher richtig, dass man auch gegenüber künftigen
Generationen - dein Stichwort Ethnozentrismus trifft die Sache -
Verantwortungsgefühl haben kann, doch liegt dieses eben jenseits einer
egoistischen Begründung. Letzlich ist es Altruismus pur. Und für jemanden, der
keine Kinder hat, kaum nachzuvollziehen.
Die Frage, den Begriff "Wohl
der Menschheit" exakt zu definieren, ist tatsächlich sehr schwer. Aber ist das
auch notwendig? Moralische Ziele sind ja hierarchisch geordnet. Wenn also ein
Vorgang das höchste Ziel, dem Erhalt der Menschheit, nicht widerspricht, dann
können auch "bescheidenere" Ziele, wie das Wohl einer bestimmten Menschengruppe
genügen.
Um also ein konkretes Beispiel zu nennen, das du früher schon
erwähntest: Bei der Frage, ob es moralisch gerechtfertigt ist, zB in einer WG
die Türen zuzuknallen, können wir kleinere Brötchen backen, das Wohl der
WG-Mitglieder maximieren, auf das Türenknallen verzichten und zur allgemeinen
Frustabsenkung einen Punching-Ball mit dem Antlitz des Hausbesitzers
installieren! [cheesy]
Noch ein Kommentar zum Ausschluss der Tiere. Das
ist eine schwierige Geschichte! Wie ja auch schon Peter Singer argumentierte,
mit welchem Grund sollen wir den Rassismus verurteilen, den Speziesismus aber
verteidigen? Diese Trennung ist nur dogmatisch zu vollziehen. Doch umgekehrt,
ein Dogma muss sein, denn von irgendetwas muss sich ja der Mensch ernähren. Es
gibt aber gute Argumente, die Primaten miteinzubeziehen.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 19. Feb. 2005, 16:02
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Du schreibst:
"Moralische Ziele sind hierarchisch
geordnet. Wenn also ein Vorgang dem höchsten Ziel, dem Erhalt der Menschheit,
nicht widerspricht, dann können auch "bescheidenere" Ziele, wie das Wohl einer
bestimmten Menschengruppe genügen."
Das macht den Eindruck, als hättest
Du eine Methode, um moralische Ziele zu formulieren und sie in eine eindeutige
Rangordnung zu bringen.
Das Fortbestehen der Gattung Mensch ist dabei
offenbar das Ziel mit dem ersten Rang.
Inhaltlich könnte ich dem
vielleicht zustimmen, aber wie begründest du das?
In meinem Ansatz würde
ich fragen: Gibt es für jedermann Gründe, der Norm "Niemand darf so handeln,
dass der Fortbestand der Menschheit beeinträchtigt wird" zuzustimmen?
Ich
denke, dass es möglich ist, über diesen Norm einen Konsens aller herzustellen,
wenn man voraussetzt, dass die Individuen verständig und informiert urteilen.
Normen gelten immer für bestimmte Gruppen, sie haben bestimmte Adressaten.
Wenn Normen für mich nicht gelten, dann fordern Sie von mir auch keinen
unbegründeten Gehorsam. Deshalb muss eine Norm auch nur für diejenigen
akzeptabel sein, für die dieser Norm gilt.
Anders ausgedrückt: Sofern von
einer Regelung nur ein bestimmter Kreis von Individuen betroffen ist, kann man
die Frage, ob alle diese Regelung wollen können, auf diese bestimmten Individuen
beschränken.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 20. Feb. 2005, 00:49
Uhr
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Hallo Eberhard,
es gibt keine Methode, um moralische Ziele zu formulieren
und einzuordnen. Hier muss das angewendet werden, was die Juristen als
"Güterabwägung" bezeichnen. Und hier sehe ich übrigens sehr wohl einen
fruchtbaren Ansatz dazu, einen allgemeinen Konsens zu erzielen, sofern das Ziel
unumstritten ist und sofern "die Individuen verständig und informiert urteilen."
Eine logische Begründung für das Ziel, für den Fortbestand der
Menschheit einzutreten, gibt es nicht. Das liegt daran, dass in der Entwicklung
des Kosmos kein Ziel und kein Sinn zu erkennen sind. Sterne und Planeten
entstehen und verschwinden, Arten entstehen und verschwinden - vieles spricht
dafür, dass dies alles nur ein Spiel der Materie ist, wir inklusive.
Aber es gibt immerhin eine plausible Begründung: Art- (oder auch Gen-) Erhalt
ist bei allen Lebewesen das oberste Ziel. Also: Cosi fan tutte!
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von louisquinze am 20. Feb. 2005,
20:33 Uhr
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Es spricht m.E. durchaus nichts für die, - prinzipiell denkbare - Möglichkeit,
daß die Welt ein Spiel der Materie sei. Was denn auch? Die Komplexität dessen
womit sich die Wissenschaft beschäftigt? Die ungeheuerlich zu nennenden
Kulturschöpfungen der Menschheit? Gar die Metaphysik und die tiefen Einsichten
moralischer Reflexion? (Kant, Scheler, Jaspers, Hartmann).
Die Evolution als
Gesamtprozeß mit ihren erstaunlichen Emergenzen, kann m.E. überhaupt nicht
gedacht werden ohne die Setzung eines absouten Aktes des Denkens, letzlich des
absoluten Geistes.
mfg
LOUISXV
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 20. Feb. 2005, 21:43
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Du schreibst:
"Eine logische Begründung für das Ziel,
für den Fortbestand der Menschheit einzutreten, gibt es nicht. …
Aber es gibt
immerhin eine plausible Begründung: Art- (oder auch Gen-) Erhalt ist bei allen
Lebewesen das oberste Ziel."
Ich frage Dich zurück: Wenn Arterhaltung bei
allen Lebewesen - also auch bei uns Menschen - bereits oberstes Ziel IST, ist es
dann nicht sinnlos, zusätzlich zu fordern, dass dies ein allgemeines Ziel SEIN
SOLL?
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 21. Feb. 2005, 00:54
Uhr
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Hallo Eberhard,
deine Frage ist berechtigt. Der Grund liegt darin, dass
der Mensch aufgrund seiner Intelligenz Regeln der Natur ausgehebelt hat, die für
ihn, kurzfristig gesehen, unangenehm sind.
Dazu ein Beispiel. Die Maus.
Sie frisst und pflanzt sich fort. Überlegungen, ob eine zu große
Nachkommenschaft die vorhandene Pflanzendecke irreversibel zerstören könnte oder
kranke Mäuse den Genpool irreversibel beschädigen könnten, braucht die Maus
nicht anzustellen.Dafür sorgen die natürlichen Gleichgewichte: Fuchs, Katze & Co
sorgen dafür, dass die Zahl der Mäuse in einem vernünftigen Gleichgewicht
verbeibt und dass die Kranken und genetisch Defekten kaum Gelegenheit haben,
ihrerseits für Nachwuchs zu sorgen. So läuft das Spiel der Natur bereits seit
Millionen von Jahren.
Anders der Mensch. Er hat seine Fressfeinde
minimiert, er hat sehr viel Scharfsinn entwickelt, auch Kranken und genetisch
Defekten eine gute Überlebenschance zu ermöglichen, er nutzt die vorhandenen
Ressourcen optimal und hat sich somit aus den natürlichen Gleichgewichten
ausgeklinkt. Er hat auch den nötigen Scharfsinn, diese Zusammenhänge zu
erkennnen, er hat aber nicht automatisch die Kraft, dem entgegenzusteuern.
Und so obliegt ihm jetzt die Verantwortung für seinen Erhalt, eine
Verantwortung, die andere Lebewesen von Natur aus eben nicht haben.
Gruß
HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von fFflLloOo am 21. Feb. 2005, 01:01
Uhr
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on 02/21/05 um 00:54:51, Hanspeter wrote:Anders der Mensch. Er hat seine
Fressfeinde minimiert, er hat sehr viel Scharfsinn entwickelt, auch Kranken und
genetisch Defekten eine gute Überlebenschance zu ermöglichen, er nutzt die
vorhandenen Ressourcen optimal und hat sich somit aus den natürlichen
Gleichgewichten ausgeklinkt. Er hat auch den nötigen Scharfsinn, diese
Zusammenhänge zu erkennnen, er hat aber nicht automatisch die Kraft, dem
entgegenzusteuern.
Und so obliegt ihm jetzt die Verantwortung für seinen
Erhalt, eine Verantwortung, die andere Lebewesen von Natur aus eben nicht haben.
Gruß HP
im prinzip ist das doch wie bei den mäusen: wenn
der mensch seine trägheit, sich der begrenztheit der regenerationsfaehigkeit der
biosphäre anzupassen, ueberwinden kann wird er ueberleben. wenn nicht, dann
nicht. wenn es gegenweartig so aussieht als sei der mensch einfach unfaehig sich
dieser letzten huerde seines ueberlebens zu widmen, was spielt es denn dann
qualitativ fuer eine rolle, ob er sich dessen bewußt ist? das kann man erst
hinterher entscheiden oder?
mfg flo
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von fanman@gmx.net am 21. Feb. 2005,
02:31 Uhr
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Recht. Na klar. Unrecht. Auch.
Da tut tatsächlich jemand so, als wäre alles
ein Kampf.
Selbst Konkurenz fällt nach hinten über, ein neuer kleiner
Zeitspahn wird geboren und betrogen werden. So ohne Seichtigkeit schätztŽs kein
Mensch mehr gerne.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von fanman@gmx.net am 21. Feb. 2005,
02:39 Uhr
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okay, wie man sagt. Bringt einen ja IMMER in vorzüglichen Verdruss.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 21. Feb. 2005, 13:05
Uhr
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Hallo Flo,
also ganz verstehe ich nicht, auf was du hier anspielst.
Meinst du, der Mensch sei zu träge, sich an die Regenerationsfähigkeit der
Biosphäre anzupassen? Ist das Trägheit, wenn er die Ressourcen plündert?
Ich sehe das Problem eher darin, dass der Mensch nicht oder nur sehr
begrenzt in der Lage ist, rationale Erkenntnisse in rationales Handeln
umzusetzen. Anders formuliert, das Hirn kann dem Bauch letztlich keine
Anweisungen geben - er diktiert das Handeln. So haben wir unsere natürlichen
Programme, uns zu vermehren und uns vor Feinden zu schützen, aber keines, mit
natürlichen Ressourcen schonend umzugehen.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 22. Feb. 2005, 06:23
Uhr
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Hallo Hanspeter,
zum Ziel der Arterhaltung: Offenbar bist du der Meinung,
dass der Menschheit dies Ziel verloren gegangen ist, das ansonsten in der
gesamten Natur gilt. Wenn du es trotzdem als anzustrebendes Ziel formulierst,
dann orientiertes du dich offenbar an einem Willen der Natur bzw. einer
natürlichen Ordnung.
Aber warum sollten wir Menschen eine natürliche
Ordnung wie zum Beispiel die für tierische Gemeinschaften typische hierarchische
"Hackordnung" übernehmen?
Wenn wir nach den Grundlagen der Moral suchen,
dann können wir m. E. nicht davon ausgehen, dass es diese Grundlagen irgendwo
schon gibt und wir sie nur entdecken müssen.
Ich sehe das Problem eher
andersherum. Wir Menschen können nur dann erfolgreich und befriedigend
zusammenleben, wenn wir unsere Handlungen koordinieren und für andere
berechenbar halten. Zugespitzt formuliert: Jede Gesellschaft braucht bestimmte
Regeln, an die sich die Mitglieder dieser Gesellschaft halten.
In der
Vergangenheit ergaben sich diese Regeln aus der Tradition, insbesondere aus der
überlieferten Religion.
Durch die modernen Wissenschaften verlieren die
religiösen Weltbilder jedoch zunehmend an Glaubwürdigkeit. Durch die weltweite
Kommunikation wird jedem Gläubigen klar, dass überall etwas anderes geglaubt
wird.
Durch die moderne Technik sind Kultur und Zivilisation rapiden
Änderungen unterworfen, so dass die Tradition, die für statische Gesellschaften
angebracht war, keine den modernen Bedingungen entsprechende Antworten mehr
liefern kann.
Wir stehen deshalb vor der Aufgabe, die geeigneten Regeln
des gesellschaftlichen Zusammenlebens selber zu entwerfen, was nicht heißt, dass
wir nicht vieles übernehmen könnten.
Meine Frage an Dich: Siehst du die
Problemlage ähnlich oder gibt es für dich eine Quelle der Moral, sei es die
Tradition, die Ordnung der Natur oder der Wille eines übermenschlichen Wesens,
aus der wir schöpfen können und die uns die Aufgabe abnimmt, die Regeln unseres
Zusammenlebens selber zu bestimmen?
Es grüßt dich und die andern
Interessierten Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 22. Feb. 2005, 14:15
Uhr
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Hallo Eberhard,
von den drei Quellen zählt für mich weder die Tradition,
noch der Wille eines nichtexistenten Höheren Wesens.
Bei der Natur ist es
etwas schwieriger. Ich halte es für sinnvoll, das Wirken der Natur zumindest als
Anregung zu betrachten. Doch das hängt vom konkreten Problem ab.
Jedenfalls
sollte wir - so meine Meinung - beim Austricksen der Regeln der Natur (an die
Gesetze sind wir ohnehin gebunden) mehr Vorsicht walten lassen, vor allem dann,
wenn wir die Natur und den Sinn ihrer Regeln nur ansatzweise verstanden haben.
Konkret: Hierarchische Strukturen um der Hierarchie Willen lehne ich ab.
Und es läge mir fern, zu sagen, es ist richtig, dass ein Mann versuchen sollte,
eine möglichst großen Harem zu schaffen und andere Männer im Zweikampf zu
beseitigen, weil die Seeelefanten so verfahren.
Andererseits überlege ich
mir, warum die Natur das so handhabt, erkenne, dass damit der Genpool optimiert
werden soll und frage mich dann, ob wir solche Überlegungen nicht auch unter uns
Menschen anstellen sollten.
Doch gibt es im zwischenmenschlichen Bereich
zahllose moralische Probleme, die wir "im Konsensverfahren" lösen können.
Gruß HP
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... ... ... ...
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 26. Feb. 2005, 06:52
Uhr
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Hallo allerseits, hallo Hansperter,
machen wir weiter in der Diskussion,
wie man moralische (und rechtliche) Normen vernünftig, d.h. mit allgemein
nachvollziehbaren Argumenten, begründen kann.
"Halt!" wird da vielleicht
der eine oder der andere meinen, "mit der Einschränkung auf allgemein
nachvollziehbar begründete Normen triffst Du ja bereits eine Vorentscheidung,
die Du nicht begründet hast."
Meine Antwort – und dies ist gewissermaßen
das grundlegende Fundament meiner Position – auf diese Entgegnung lautet: "Wenn
es jemandem NICHT um die Bestimmung einer Moral geht, die allgemein – also auch
für mich – nachvollziehbar begründet werden kann, dann ist es für mich nicht
sinnvoll, mit dem Betreffenden weiter zu diskutieren.
Wer moralische
Normen vertritt und verlangt, dass ich diese anerkenne und befolge, ohne
zugleich zuzugestehen, dass er dazu Argumente benötigt, die auch ich
nachvollziehen kann, der definiert damit sein Verhältnis zu mir als ein
Verhältnis, in dem Konflikte durch Macht – und nicht durch Vernunft –
entschieden werden sollen.
Ohne diese Festlegung auf intersubjektive
Nachvollziehbarkeit bleibt jede Beschwörung von Wahrheit, Allgemeingültigkeit,
Gerechtigkeit, Verbindlichkeit etc. hohl und verschleiert nur fadenscheinig den
nackten Herrschaftsanspruch mir gegenüber.
Dies ist der Angelpunkt
meiner moralphilosophischen Argumentation. Hier sehe ich eine tragfähige
Grundlage und einen geeigneten Ausgangspunkt, um alle weiteren moralischen
Fragen zu beantworten.
Es grüßt alle – auch alle, die hierzu
Gegenargumente haben – Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 26. Feb. 2005, 09:37
Uhr
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Hallo Eberhard,
dass ich die "Natur" nicht als eine Art Gottesersatz
begreife, habe ich hoffentlich klar zum Ausdruck gebracht.
Deine
Argumente lesen sich ja allesamt recht überzeugend. Doch der Teufel liegt im
Detail.
Ein Punkt, der mir auffiel:
Du schreibst: "Damit die
Bestimmung des Gemeinwohls allgemein nachvollzogen werden kann, muss sie auf
einer unparteiischen Abwägung der jeweils betroffenen individuellen Interessen
beruhen."
Die "individuellen Interressen". Das ist ja bereits das, was unser
Staat schon gemacht hat. All unsere Gesetze vertreten irgendwelche individuellen
Interessen. Fragt sich nur, die Interessen von welchen Individuen. Und wer wägt
unparteiisch ab, wenn schließlich jeder irgendwelche Interessen vertritt?
Außerdem, die sogenannte "Nachhaltigkeit" - ein blöder Begriff, aber er
meint die Berücksichtigung künftiger Generationen - wird normalerweise nicht
oder nur schwach von den derzeit existierenden Generationen vertreten. Wenn zB
der Staat Schulden macht, dann findet das in der Regel die Zustimmung der
meisten Individuen. Diejenigen, die sie bezahlen müssen, werden aber nicht
gefragt.
Nach welchen Kriterien sollen also die Interessen
berücksichtigt werden?
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 27. Feb. 2005, 07:15
Uhr
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Hallo Hanspeter,
ich hatte gesagt: eine normative Regelung ist nur dann
für jedes Individuum anerkennbar oder akzeptabel, wenn die Interessen jedes
Individuums positiv und unparteiisch berücksichtigt werden.
Du fragst:
Wie soll das gehen und weist auf die Interessen kommender Generationen und auf
den realen Prozess der Berücksichtung von Interessen in unseren politischen
Systemen hin.
Ich schlage methodisch Folgendes vor: Wir gehen einmal
nicht von den hochkomplexen realen Verhältnissen aus, sondern denken uns selber
einfache Fälle aus und fragen, wie die individuellen Interessen hier aussehen
und welche Lösungen am ehesten für alle akzeptabel sind.
Nehmen wir zum
Beispiel an, eine Gesellschaft besteht aus drei Individuen, A, B und C, die
völlig isoliert auf einer Insel leben und keine Nachkommen haben können. Weiter
nehmen wir an, dass sie das Ziel haben, möglichst lange zu leben. Sie ernähren
sich von Fischen, die sie jeder für sich angeln. Ihre Ergebnisse sind dabei von
Tag zu Tag sehr unterschiedlich. Mal fangen sie sehr viele Fische an einem Tag,
mal fangen sie tagelang gar keinen Fisch. Möglichkeiten zur Konservierung haben
sie nicht, der Fisch kann höchstens 1 Tag aufbewahrt werden.
In einer
solchen ausgedachten Modellgesellschaft lassen sich die Fragen der
Interessenberücksichtung überschaubar klären und lösen., was nicht heißt, dass
sich die Ergebnisse, die man für solche theoretischen Modelle findet, ohne
weiteres auf die realen Problemen übertragen lassen. Aber man kann ja
schrittweise diese Modellen komplexer gestalten und versuchen, Sie an die realen
Verhältnissen anzunähern.
Hättest du grundsätzliche Einwände gegen ein
solches methodisches Vorgehen?
fragt dich Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 27. Feb. 2005, 14:28
Uhr
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Hallo Eberhard,
nein, habe ich nicht. Wir können es ja mal probieren.
Ich nehme einmal etwas vorwitzig an, die 3 tun gut daran, jeden Fang
miteinander zu teilen, weil dadurch ihre Überlebenschancen drastisch steigen.
Stimmts?
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 27. Feb. 2005, 19:54
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Stimmt, darauf wollte ich hinaus. Wir konstruieren uns
eine kleine Modellgesellschaft mit unterschiedlichen Annahmen über die
Individuen und ihre Lebensverhältnisse und fragen dann: Welche aller möglichen
sozialen Ordnungen (hinsichtlich Moral, Recht, Wirtschaft, Staat) könnte am
ehesten von allen Gesellschaftsmitgliedern akzeptiert werden?
Ich hatte
Annahmen formuliert: hinsichtlich der
- Beschaffenheit der Individuen
(ständiger Bedarf an Nahrungsmitteln zum Überleben, begrenzte Fähigkeit
Nahrungsmittel zu erlangen, Ziel das eigene Leben zu erhalten) und der
-
Beschaffenheit ihrer Lebensverhältnisse (isolierte 3-Personen-Gesellschaft,
einziges knappes Nahrungsmittel: Fisch, der geangelt werden muss bei sehr
unregelmäßigen Fangergebnissen, keine Möglichkeit der Vorratshaltung),
Da jeder damit rechnen muss, einmal vom Anglerpech verfolgt zu sein und
womöglich zu verhungern, hat jeder ein Interesse, die Versorgung mit
Nahrungsmitteln möglichst gleichmäßig zu halten. Dies kann z.B. dadurch erreicht
werden, dass die Individuen ihren täglichen Fang zusammenlegen und jeder davon
ein Drittel bekommt.
Ich schlage vor, dass wir diese Mini Gesellschaft
etwas genauer betrachten, bevor wir das Modell variieren.
Interessant
ist, dass durch den gemeinsamen Topf moralische Normen sinnvoll werden, die
nicht nötig wären, wenn jeder die von ihm gefangenen Fische behalten würde.
Zwischen der Eigentumsordnung und der moralischen Ordnung besteht also ein enger
Zusammenhang.
Wenn die Individuen so beschaffen sind, dass sie bei
großer Hitze lieber im Schatten eines Baumes dösen, als Fische fangen, dann muss
es genügend starke Anreize oder Sanktionen geben, damit trotzdem genügend Fische
gefangen werden.
Dies kann z.B. durch die Anerziehung einer moralischen
Einstellung erreicht werden, für die es tadelnswert ist, sich bei der
gemeinsamen Arbeit zu drücken.
Auch in anderer Hinsicht sind bei
gemeinschaftlichem Eigentum die moralischen Anforderungen höher. Die Einzelnen
könnten ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln z.B. dadurch erhöhen, dass sie nicht
ihren gesamten Fang abgeben, sondern heimlich etwas für sich abzweigen.
Derartige Anforderungen an die Ehrlichkeit der Individuen sind bei individuellem
Eigentum nicht nötig.
Du hast wahrscheinlich auch noch einiges zur Moral
einer solchen Gesellschaft anzumerken.
Es grüßt Dich und alle
Interessierten Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 28. Feb. 2005, 00:10
Uhr
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Hallo Eberhard,
nehmen wir folgenden Fall an: A streift durch die Insel
und entdeckt eine Bananenstaude mit einem vollen Fruchtstand. Die ersten Früchte
sind bereits reif. Als moralisch korrekter Mensch hat er B und C von dieser
Entdeckung zu berichten und die Bananen sind brüderlich zu teilen.
Nun ist
aber offensichtlich, dass A seine Überlebenschancen erheblich steigert, wenn er
nichts davon erzählt, sondern jeden Tag heimlich dorthin geht, sich den Bauch
vollschlägt und den Zugang zu dieser Staude möglichst noch verdeckt.
Vorausgesetzt der Reifungsprozess geht so langsam, dass die Früchte nicht
verfaulen.
Wie beurteilst du diese Situation?
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von NeshmetJerechnet am 28. Feb. 2005,
10:14 Uhr
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Hallo Eberhard,
Solange die Bananenstaude nicht entdeckt wird, kann
meines Erachtens die Überlebenschance durch Betrug nicht erhöht werden da ja
(Zitat)
"...jeder damit rechnen muss, einmal vom Anglerpech verfolgt zu sein
und womöglich zu verhungern"
Man kann durch Betrug also höchstens die
Überlebenschancen der anderen verringern , aber die eigenen nicht erhöhen.
Durch HansPeters Bananenstaude wird aber nun die Möglichkeit geschaffen
überhaupt erst individuell zu handeln, d.h. die eigenen Chancen zu erhöhen ohne
die der anderen zu verringern. (verringern im Bezug auf die Ausgangssituation,
nicht im Bezug auf die optimale Handlungsweise nach Entdeckung der Staude)
Erst jetzt besteht also überhaupt die Möglichkeit des Betruges
um des eigenen
Vorteils willen(warum sollte man sonst betrügen)
NJ
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 28. Feb. 2005, 22:08
Uhr
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Hallo Hans-Peter,
wenn Individuum A die Bananen heimlich isst, dann zeigt
das schon, dass A nicht damit rechnet, dass es allgemeine Zustimmung finden
könnte, wenn er die Bananen alleine isst Öffentlichkeit und Transparenz sind das
beste Mittel gegen Verletzungen des Allgemeinwohls.
Durch die neue
Nahrungsquelle stellt sich auch die Frage nach der für alle besten
Eigentumsordnung neu.
Wenn es nicht nur vom Zufall abhängt, ob neue
Nahrungsquellen entdeckt werden, sondern auch von den Bemühungen, sie zu finden,
so wäre es sinnvoll, dass der jeweilige Entdecker einer neuen Nahrungsquelle
eine Belohnung für seine Entdeckung bekommt.
Das muss nicht das
individuelle Eigentum daran sein, es kann auch eine zeitlich begrenzte
Extraration an Bananen sein.
Sobald es individuelles Eigentum gibt, muss
es auch eine entsprechenden Moral geben also die Regel: Du sollst nicht stehlen!
Wenn die Fangergebnisse so reichlich sind, dass jeder sein Auskommen
hat, wenn er sich anstrengt, oder wenn durch die Verarbeitung zu Trockenfisch
Reserven geschaffen werden können, dann wird auch beim Fisch individuelles
Eigentum sinnvoll, verbunden mit einer Mindestversorgung durch Abgaben der
andern, falls durch Krankheit oder andere nicht selbst verschuldete Gründe die
Nahrung knapp wird.
Hier sind dann entsprechende moralische Regeln nötig
wie "Jedem nach seiner Leistung!" oder "Spare in der Zeit, so hast Du in der
Not!".
Neshmets Argumentation, dass erst durch einen Überschuss an
Nahrungsmitteln Betrug möglich wird, ist mir nicht ganz klar geworden.
Es
grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 01. März 2005, 00:37
Uhr
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Hallo Eberhard,
bleiben wir doch noch bei der gegebenen Situation und
beleuchten sie vom Standpunkt von A.
1. Das Fischen: 2 Möglichkeiten: Es
geschieht im Team, man hat e i n Netz und dieses kann man nur zu dritt optimal
nutzen.
Oder jeder hat eine Angel und hält sie solange hinein, bis ein Fisch
anbeißt. Das kann theoretisch auch einer allein mit drei Angeln.
2. Die
Ressourcen: Süßwasser, Bananen, Kokosnüsse oder andere Nahrungsmittel sind nur
im begrenzten Umfang vorhanden.
3. A:B:C. Die drei haben sich erst auf
dieser Insel kennnengelernt, oder aber A, B und C kennen sich seit langem und
wissen, dass sie sich gegenseitig vertrauen können.
Nehmen wir nun den
Fall an: 1. Jeder fischt für sich, 2. die Ressourcen sind stark begrenzt, 3. Man
kennt sich erst seit kurzen, B und C zeigen bereits Anzeichen einer verstärkten
Kooperation.
In diesem Fall ist es das Beste für A, nachts einmal aufzustehen
und B und C mittels eines kräftigen Steines ins Jenseits zu befördern.
Damit
erhöht er seine Lebenschancen ganz erheblich.
Und das mit der "Moral" wird
er schon auf die Reihe kriegen, klug genug ist er ja.
"Der Starke ist am
mächtigsten allein" (Schiller)
"Survival of the fittest" (Darwin)
"Jeder
ist sich selbst der Nächste" (Volksmund)
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von NeshmetJerechnet am 01. März 2005,
08:01 Uhr
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Hallo Eberhard,
Mir ging es darum zu zeigen, dass A ohne die Staude
KEINEN GRUND hat zu betrügen, da seine Überlebenschancen ohne die Gruppe,(B und
C könnten durch den Betrug zwar verhungern, doch dann steht A alleine da und
wird ,irgendwann vom Pech verfolgt, selber verhungern) also durch Betrug, nicht
höher werden.
Es ist zwar Betrug möglich(ich hatte mich schlecht ausgedrückt)
aber sinnlos. Als die Menschen noch in Stammesform lebten, war ein ausstoßen aus
der Gruppe gleichbedeutend mit einem Todesurteil.
Kurz nochmal, die
Behauptung, A erhöhe seine Chancen durch Betrug(ohne Staude) ist falsch, oder?
Mit Staude sieht das anders aus. Aber da steht dann die Frage im Raum ob es
Betrug ist den anderen die Entdeckung vorzuenthalten, da ihre Überlebenschancen
ja nicht geschmälert werden.
Im Grunde hängt die beste
Überlebensstrategie nur davon ab,
ob es nur Gute;Gute und Böse; oder nur Böse
gibt.
Ich glaube durch Computersimulationen und Experimente(mit
Bakterienkulturen!) wurden die Strategien schon herausgearbeitet.
Vielleicht sollte man daher die Charaktere von A,B,C präzisieren. Also sagen,
1.jeder muß damit rechnen, daß der andere betrügt und 2. man muß damit rechnen
den anderen "wiederzusehen"(also kein einmaliger Kontakt)
NJ
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 01. März 2005, 22:49
Uhr
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Hallo Hanspeter, hallo Neshmet,
theoretische Modelle können verschiedenen
Erkenntniszwecken dienen. Man kann z.B. versuchen, die tatsächlichen Vorgänge im
Modell zu simulieren, um Erklärungen oder Voraussagen für die realen
Gesellschaften zu machen.
Ich wollte solche erdachten Modelle dazu
verwenden, die Frage nach der Bestimmung eines Gesamtinteresses zu verfolgen.
Wenn man soziale Modelle verwendet, in der die Individuen in ihren
Bedürfnissen und Fähigkeiten annähernd gleich sind und sie auch in annähernd
gleichen Lebensverhältnissen leben, werden sie relativ leicht zu einer im
Gesamtinteresse liegenden Normsetzung kommen, vorausgesetzt, dass eine
unterschiedliche normative Behandlung von zwei Fällen nur dann gerechtfertigt
ist, wenn sachliche Unterschiede zwischen den Fällen bestehen. Unterschiedliche
Rechte und Pflichten für die Individuen dürfen nicht damit gerechtfertigt
werden, dass es sich einmal um Individuum A und das andere mal und das
Individuum B handelt. Dies wäre eine parteiische Normsetzung, die für die
"Diskriminierten" nicht allgemein akzeptabel sein kann.
Es darf insofern
keine auf individuelle Fälle bezogene Normen geben, sondern nur allgemeine
Gesetzte, die für alle ohne Ansehen der Person gelten. Dann kann man annehmen,
dass jeder – indem er die für sich beste Lösung bestimmt, automatisch auch die
allgemein beste Lösung bestimmt.
’
Aber wie gesagt: dies gilt nur bei
annähernder Vergleichbarkeit der Individuen und ihrer Lebensverhältnisse.
Es grüßt Euch Eberhard.
p.s.; Meiner Ansicht nach ist auch die
Unterschlagung von gefangenem Fisch Betrug, der zum eigenen Vorteil gereicht.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 02. März 2005, 01:19
Uhr
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Hallo Eberhard,
du schreibst: "Es darf insofern keine auf individuelle
Fälle bezogene Normen geben, sondern nur allgemeine Gesetzte, die für alle ohne
Ansehen der Person gelten. .... Aber wie gesagt: dies gilt nur bei annähernder
Vergleichbarkeit der Individuen und ihrer Lebensverhältnisse."
Genau. Und
da liegt das Problem, denn das ist in der Realität nicht gegeben. Wenn A,B und C
eine Familie darstellen (Vater, Mutter, Sohn) werden sie eben eine andere Moral
entwickeln, als wenn es sich um 3 beliebige Menschen handelt. Und diese wiederum
werden unterschiedliche Moralen entwickeln, wenn sie unterschiedliche Interessen
haben.
Wenn A das Ziel hat, zu überleben, wird er sich eben anders verhalten,
als wenn er das Ziel hat, in den christlichen Himmel zu kommen.
Ich weiß,
ich wiederhole mich, aber ohne ein gemeinsames Ziel keine gemeinsame Moral.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hans-Joachim_Heyer am 02. März
2005, 17:00 Uhr
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Sehr geehrter Herr Robra,
ich teile Ihre Bedenken am Libet-Experiment.
Ich habe mich in meiner Arbeit www.hanjoheyer.de/Libet.html des Themas
angenommen und das Libet-Experiment noch weiter auseinandergenommen.
Was
halten Sie von meiner Kritik?
mfg Hans-joachim Heyer
hanjoheyer@gmx.de
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von NeshmetJerechnet am 02. März 2005,
20:23 Uhr
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Hallo Eberhard,
"p.s.; Meiner Ansicht nach ist auch die Unterschlagung
von gefangenem Fisch Betrug, der zum eigenen Vorteil gereicht."
Mathematisch gesehen gereicht es ihm nicht zum Vorteil.
HansPeter hat
völlig recht. Warum sollten A,B,C den Fisch teilen? Vielleicht ist A 1.90 m groß
, mit schnellem Stoffwechsel und C nur 1.60 m groß mit langsamen Stoffwechsel.
Und B hat eine verkrüppelte Hand, aber Ideen!
Es kann keine allgemeinen
Normen ohne ALLGEMEINE Menschen geben , oder?
NJ
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 03. März 2005, 02:08
Uhr
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Hallo Neshmet,
das Problem das du ansprichst, kennt man auch in der
Physik. Dort nennt man es Quantentheorie. Auch da muss man ein Eisenstück von
einem Gramm anders beschreiben, als wenn man nur 3 Eisenatome betrachtet.
Eine Moral für 3 Personen in einem isolierten System wird daher schon
prinzipiell anders sein, als die Moral für eine Familie, eine Kleingruppe, die
Bewohner eines Landes oder für alle Menschen.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 03. März 2005, 20:42
Uhr
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Hallo allerseits,
hört die Möglichkeit gemeinsamen Wollens auf, wenn die
Individuen unterschiedlich sind in ihren Bedürfnissen, Zielen, Fähigkeiten?
Nehmen wir ein Paar, einen Mann und eine Frau. Sie besitzen nur einen
Fernseher und keinen Videorecorder. Beide sehen nach dem Abendessen gerne fern.
Die Frau sieht am liebsten Dokumentarfilme über andere Länder und Tiersendungen.
Der Mann sieht lieber Sportreportagen und Nachrichtensendungen.
Ist es
sinnlos zu fragen: Welcher Regelung hinsichtlich des Fernsehprogramms können
beide am ehesten zustimmen? Oder: Welche Regelung wäre am ehesten im gemeinsamen
Interesse?
Ich denke, dass z.B. die Regelung: "Wenn die Frau etwas
anderes sehen will als der Mann, dann entscheidet die Frau" nicht gerade einem
solidarisch bestimmten Gesamtinteresse entspricht.
Meiner Meinung nach
kann man die Interessenlage eines andern Menschen nachvollziehen, indem man sich
gedanklich in dessen Lage hinein versetzt und die zur Entscheidung anstehenden
alternativen Regelungen auch aus der Sicht des andern bewertet,
Oder gibt
es nur Mord und Totschlag? Fragt Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von NeshmetJerechnet am 04. März 2005,
09:00 Uhr
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Hallo Eberhard,
"Ist es sinnlos zu fragen: Welcher Regelung hinsichtlich
des Fernsehprogramms können beide am ehesten zustimmen? Oder: Welche Regelung
wäre am ehesten im gemeinsamen Interesse?"
Nein, wenn man konkret diese
zwei fragt.
"Ich denke, dass z.B. die Regelung: "Wenn die Frau etwas
anderes sehen will als der Mann, dann entscheidet die Frau" nicht gerade einem
solidarisch bestimmten Gesamtinteresse entspricht."
Es kann aber die
richtige in diesem Fall sein, weil der Mann vielleicht nicht solchen Wert auf
fernsehen legt.
Wenn man allerdings beide gleich setzt und auch alle
anderen Paare gleich, gibt es nur eine gerechte(im Sinne von Gleichheit) Lösung.
Jeden 2ten Tag wird gewechselt.
Und selbst da muß man praktische
Schwierigkeiten außer Acht lassen.
NJ
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 04. März 2005, 14:11
Uhr
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Hallo Eberhard,
natürlich können sich Mann und Frau auf eine Regelung
verständigen. Wenn sie sich lieben, ist das überhaupt kein Problem und wenn sie
die Vernunft als gemeinsame Basis akzeptieren, geht das ebenfalls. Denn beide
haben ja ein gemeinsames Ziel: Möglichst oft fernzusehen.
Also wird
abwechseld der eine, dann der andere die Fernbedienung betätigen.
Problematisch wird es nur, wenn die Ziele unterschiedlich sind, bzw. sich
gegenseitig ausschließen (zB. bei mangelnden Ressourcen). Und das kommt bei
Fragen der Moral leider desöfteren vor.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 05. März 2005, 18:32
Uhr
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Hallo Hanspeter, hallo Neshmet,
wie kann man Konflikte "gerecht" lösen?
Meine (optimistische) Antwort: Man kann Konflikte im Prinzip "gerecht"
lösen, wenn jeder sich auch "in die Lage des andern hineinversetzt", indem sich
jeder vorstellt, er wäre zugleich an der Stelle des anderen.
Dadurch
beurteilt jeder die möglichen Lösungen nicht nur "aus seiner Sicht" bzw. "von
seinem Standpunkt aus", sondern er beurteilt die möglichen Lösungen zugleich
auch aus der Sicht des andern.
Auf diese Weise kann jeder die
vergleichsweise Dringlichkeit der miteinander nicht zu vereinbarenden Wünsche
der Beteiligten gegeneinander abwägen.
Angenommen, ein Schiff ist im
Sturm untergegangen. Zwei Passagiere haben sich auf ein Floß gerettet, auf dem
sich aber nur noch eine Schwimmweste findet. Die Wellen drohen immer wieder die
beiden vom Floß zu reißen. Beide hätten gerne eine Schwimmweste.
Der
eine von beiden ist beim Untergang des Schiffes am Arm verletzt worden und kann
sich nur noch mit einer Hand richtig festhalten. Er sollte gerechterweise die
Schwimmweste bekommen, weil sein Bedürfnis nach zusätzlicher Sicherung
dringlicher ist.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 06. März 2005, 02:23
Uhr
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Hallo Eberhard,
grundsätzlich stimme ich deiner Sichtweise zu. In den
zahlreichen Fällen des normalen Lebens ist deine Methode des
Sich-in-den-Anderen-Hineinversetzen sehr hilfreich und führt zu einer halbwegs
gerechten Lösung.
Aber du warst so freundlich, ein Beispiel anzuführen,
das dieser Sichtweise fundamental widerspricht.
Sowohl der Armverletzte, als
auch der Normale wollen überleben. Das Sich-in-den-Anderen-Hineinversetzen hilft
hier nicht, denn das Ergebnis ist offensichtlich: Es ist anzunehmen, dass nur
der überlebt, der die Schwimmweste bekommt. Unabhängig davon, ob ein Arm
verletzt ist oder nicht. Wenn also der Armverletzte die Schwimmweste bekommt, so
nur deshalb, weil der Normale auf christliche Nächstenliebe getrimmt wurde und
entsprechenden himmlischen Lohn erwartet, oder aufgrund seiner Erziehung so
programmiert wurde, dass er ein schelchtes Gewissen bekommt, einem Menschen in
Not nicht geholfen zu haben. Ich gehe davon aus, dass er mit der Aufgabe der
Schwimmweste seine Überlebenschancen drastisch reduziert. Ich gehe aber auch
davon aus, dass die Überlebenschancen des Armverletzten mit Schwimmweste
geringer sind, als die des Normalen mit Schwimmweste. Deshalb würde ich dafür
plädieren, sie dem Normalen zu geben, weil damit die Chancen auf wenigstens
einen Überlebenden steigt.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 06. März 2005, 10:54
Uhr
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Hallo Hanspeter,
Wenn der Fall so wäre, wie du ihn jetzt entworfen hast
(Nur ein Unverletzter mit Schwimmweste hat überhaupt eine Chance zu überleben),
dann müsste eigentlich auch der Verletzte einsehen, dass ihm die Schwimmweste
nichts nutzt und dass der andere sie bekommen sollte.
Aber in einer
solchen Situation einsichtig zu sein und auf das eigenen Leben zu verzichten,
das bringt kein normaler Mensch fertig, und so etwas moralisch zu fordern, wäre
sicherlich eine moralische Überforderung. Wer diese Art von Einsicht hat und
entsprechend handeln kann, der kann vielleicht eine leuchtendes Vorbild sein,
aber man kann ein derartiges Maß an Selbstüberwindung nicht von allen fordern.
Dies ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass Werte, die nur eine
orientierende Bedeutung haben, und Normen, die direkter auf das Handeln bezogen
sind, unterschiedlich zu behandeln sind. Bei Normen stellt sich immer die Frage,
ob sie angesichts der Beschaffenheit der Menschen und der Möglichkeiten ihrer
Durchsetzung "realistisch" sind, Werte müssen nicht in dieser Weise realisierbar
sein.
In solchen Fällen, wo der Einzelne ein großes Opfer bringt im
Interesse der Allgemeinheit, gilt deshalb meist das Prinzip der Freiwilligkeit.
Weiterhin zeigt das Beispiel, dass unparteiische Gleichberücksichtigung der
Interessen aller Individuen nicht immer zu einer Gleichverteilung der Vorteile
und Nachteile auf die Individuen führt, sondern dass es Situation gibt, in denen
der eine für die anderen Opfer bringen muss.
Es freut mich, dass du das
"Sich–hineinversetzen–in die Lage des anderen" im Prinzip für gangbar hältst.
Ich glaube allerdings, dass die Entwicklung dieser Art von "sozialer Wahrnehmung
und Intelligenz" in der jetzigen Erziehung viel zu wenig berücksichtigt wird und
dass die Fähigkeit zur Lösung von Konflikten und zur Ausbildung von gemeinsamen
Entscheidungen und Normen auf dieser Grundlage viel zu wenig eingeübt wird.
Ein solcher "interpersonaler Nutzenvergleich", wie dies in der
Wohlfahrtsökonomie genannt wird, kann nicht durch eine einfache Messung
empirischer Art bewerkstelligt werden. Beobachten kann man anhand der
Wahlhandlungen ("Präferenzen") der Individuen nur die "intrapersonalen"
Wertverhältnisse für das betreffende Individuum. Der Vergleich zwischen der
Gewichtigkeit von Interessen verschiedener Individuen wirft hinsichtlich seiner
intersubjektiven Nachvollziehbarkeit noch erhebliche Probleme auf, doch halte
ich diese für überwindbar.
Soviel – oder so wenig – erstmal für heute.
Grüße auch an alle, die als Lehrende oder Lernende auf ethische Fragen nach
Antworten suchen, von Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 06. März 2005, 14:27
Uhr
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Hallo Eberhard,
du hast hier einen wesentlichen Punkt der gesamten
Moraldiskussion angesprochen: Die Tatsache, dass man in Situationen wie in
deinem letzten Fall von den Handelnden keine tiefgreifende Moraldiskussion
erwarten kann, sondern dass hier unter Todesangst archetypische Handlungsweisen
ablaufen, jenseits von jedem rationalen Denken.
Eine weitere Frage ist,
ob soziale Wahrnehmung und soziale Intelligenz lernbar sind. Im frühkindlichen
Bereich - möglicherweise ja, im Religions- oder Ethikunterricht des Gymnasiums
kaum.
Vermutlich ist das wie mit dem Klavierspielen. Ein bisschen kann
man lernen, aber eben nur ein bisschen. Den größten Teil muss man mit in die
Wiege bekommen haben.
Gruß HP
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 07. März 2005, 20:53
Uhr
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Hallo allerseits, hallo Hanspeter,
kehren wir noch einmal zum
anfänglichen Beispiel zurück.
Unsere Mini-Modellgesellschaft bestehend
aus den in ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten vergleichbaren Individuen A, B und
C ernährt sich ausschließlich durch Fisch, der individuell geangelt werden muss.
Nehmen wir nun einmal an, dass das Fangergebnis nicht vom Zufall abhängt,
sondern von den Anstrengungen des jeweiligen Individuums. Wenn alle Fische in
den gemeinschaftlichen Topf wandern, strengen sich die Einzelnen nicht übermäßig
an und jeder erhält durchschnittlich 1 kg Fisch am Tag.
Wenn jeder
seinen Fang behalten darf, strengen sich die Einzelnen mehr an und jeder fängt 1
bis 4 kg Fisch pro Tag.
Da dies für jeden eine Verbesserung darstellt,
wäre die letztere Regelung eher im Gesamtinteresse, oder?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Eberhard am 07. März 2005, 20:56
Uhr
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Hallo allerseits, hallo Hanspeter,
kehren wir noch einmal zum
anfänglichen Beispiel zurück.
Unsere Mini-Modellgesellschaft bestehend
aus den in ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten vergleichbaren Individuen A, B und
C ernährt sich ausschließlich durch Fisch, der individuell geangelt werden muss.
Nehmen wir nun einmal an, dass das Fangergebnis nicht vom Zufall abhängt,
sondern von den Anstrengungen des jeweiligen Individuums. Wenn alle Fische in
den gemeinschaftlichen Topf wandern, strengen sich die Einzelnen nicht übermäßig
an und jeder erhält durchschnittlich 1 kg Fisch am Tag.
Wenn jeder
seinen Fang behalten darf, strengen sich die Einzelnen mehr an und jeder fängt 1
bis 4 kg Fisch pro Tag.
Da dies für jeden eine Verbesserung darstellt,
wäre die letztere Regelung eher im Gesamtinteresse, oder?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Grundlage der Moral
Beitrag von Hanspeter am 08. März 2005, 01:30
Uhr
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Hallo Eberhard,
aha, Nachtigall, ick hör dir trapschen...
Zunächst
muss ich wieder an die Zielvorgabe appellieren. Die 3 wollen überleben, sie
wollen keinen Fischhandel aufbauen, um sich davon Statussymbole zuzulegen.
Ferner, sie können den toten Fisch nicht langfristig lagern, höchstens als
"Rettungsringe" in der Bauchgegend.
Daraus folgt: Wenn 1 kg Fisch pro
Tag zum Überleben reicht, besteht kein Grund, mehr zu fangen. Und wenn es um den
Hunger geht - so ist der Mensch nun einmal programmiert - wird er schon
entsprechend aktiv und die Fangmenge durch Mehrarbeit erhöhen.
Also, der
Kapitalismus hat in diesem Fall keine Vorteile gegenüber dem Kommunismus (die
Ossis sind ja zu DDR-Zeiten auch nicht verhungert! Und hätte es keine
Verlockungen des Westens, sondern nur den größeren Mangel im übrigen Osten
gegeben, wären sie vermutlich das glücklichste Volk auf Erden [cheesy]).
Gruß HP
... ... ...
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