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Argumente gegen den Determinismus II

 

(Auswahl)

(Diskussion bei PhilTalk) PhilTalk Philosophieforen  Theoretische Philosophie >> Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie >> Argumente gegen den Determinismus II
(Thema begonnen von: Eberhard am 2006-12-05, 18:13 Uhr)

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Titel: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-05, 18:13 Uhr
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Hallo allerseits,

angesichts der Länge des bisherigen Threads habe ich hier eine Fortsetzung eingerichtet. Offenbar gibt es noch einiges zum Thema zu sagen und zu fragen.

Dass einige dickfellige Zeitgenossen entgegen wiederholter Bitten unverdrossen ihre nicht zum Thema gehörenden Beiträge einstellen, müssen sie mit ihrer eigenen Selbstachtung ausmachen - sofern sie eine haben.

Grüße an alle von Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-05, 23:24 Uhr
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Hallo allerseits,

Xenon schrieb:
"Die Evolution hat nun in Jahrmilliarden komplexe Strukturen höherer Ordnung hervorgebracht, welche sich zweckgerichtet verhalten. Dieses finale Verhalten höherstufiger Entitäten (Gesamtsysteme) fußt nun aber weiterhin auf dem reibungslosen Funktionieren der physiko-biologischen Basis. Deren Ursache-Wirkungs-Kausalität ist nicht aufgehoben, sondern die Metastufe (gemeint hier: die Ebene des menschlichen Denkens und Handelns) macht sich diese Kausalität zunutze."

Es scheint mir, dass in dieser Richtung eine Lösung zu finden ist. Aber noch haben wir den Knoten nicht durchgehauen. Ich schrieb: "Die Physik kennt keine Bedeutungen" und Philosoph schrieb, dass die Physik keine Intentionen kennt.

Vielleicht könnte man einmal analysieren, wie sich die Ebene der physikalischen Kausalität zu der Ebene des kybernetischen Regelkreises verhält.

Ein bekanntes Beispiel für einen Regelkreis ist eine durch Thermostat gesteuerte Heizung. Der Thermostat ist auf eine bestimmte Soll-Temperatur eingestellt. Er misst die tatsächliche Temperatur und wenn sie unter dem Sollwert liegt, wirft er die Heizung an. Hier sind die elementarsten Formen von Zielgerichtetheit und "Wille" zu finden.

Oder man müsste einmal analysieren, wie sich die physikalische Kausalität zu der Ebene einer mechanischen Rechenmaschine oder eines einfachen Computerprogramms verhält.

Computer bedienen sich der Halbleiter-Elektronik, aber geht eine Software darin auf? Was ist das, was die physikalische Ebene übersteigt?

Ich vermute, dass sich Überlegungen in dieser Richtung lohnen.

Das ist alles noch ins Unreine gedacht, aber vielleicht erhält der eine oder andere dadurch Anregungen und kann seinerseits etwas daraus machen.

Eine solche kreative Kooperation wünscht sich

Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Abrazo am 2006-12-05, 23:38 Uhr
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Hi,

Eberhard, Du führst Produkte an. Produkte sind vom Menschen gemacht, zu einem bestimmten Zweck. Sie sind etwas Neues, was es vorher, ohne menschliche Tätigkeit, nicht gab. Sie nun hinzustellen, als wären sie etwas eigenes, naturgewachsenes, halte ich für den falschen Weg.

Die Wurzeln kausalen Denkens finden sich in der Beobachtung des Naturgewachsenen, nicht im aus diesem Denken geschöpften Produkt.

Gruß

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von doc_rudi am 2006-12-06, 08:06 Uhr
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Hallo Eberhard,
schön, dass Du auch über Regelkreise diskutieren möchtest.
Hier einer von meiner Beiräge in dieser Art:

http://www.philtalk.de/msg/1144859946-15.htm#17

Die von Dir hier angesprochenen Regelkreise sind jedoch nur für Selbsterhaltung zuständig und lassen einen relativ engen Spielraum für freie Entscheidungen. Größer ist die Entscheidungsfreiheit bei positiver Rückkopplung (was kein Regelkreis im eigentlichen Sinn ist, sondern einfacher gesagt positives feedback).

Die Kybernetik hat leider keinen Ausdruck für den Festleger der Sollwerte im Regelkreis gefunden. In der Biologie scheinen diese genetisch festgelegt zu sein. Im zwischenmenschlichen Bereich nenne ich diese Instanz den Dominator.
Der Dominator setzt den Sollwert fest und macht damit von Freiheit Gebrauch. Dies ist die Instanz in Dir und in jedem Menschen, die dann entscheidet, wenn Du Geld ausgibst, wenn Du etwas kaufst. In diesem Moment der Kaufentscheidung ist das Individuum Dominator, Festsetzer eines Sollwerts, Ausüber von Freiheit (... Dominator scheint mir doch noch am besten).

@abrazo
Freiheit entwickelt sich im Lauf der Evolution, deshalb zeigen sich die Freiheitsspielräume in der Gegenwart besser als in der Vergangenheit.

Gruß
rudi


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-06, 09:48 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Abrazo,

man kann für Regelkreise auch Beispiele aus der belebten Natur nehmen wie den Baum, der zum Licht wächst oder die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur beim Menschen.

Hallo doc_rudi,
mein Interesse gilt nicht der kybernetischen Systemtheorie als solcher, sondern dem Unterschied zwschen einer solchen Betrachtungsweise (Akteure mit Zielen) und einer physikalischen Betrachtungsweise (Abfolge von Ereignissen).

Diese Vorgänge in Systemen widersprechen den physikalischen Regelmäßigkeiten nicht, sondern bedienen sich dieser.

Doch die Lebewesen mit ihren Eigenschaften und Verhaltensweisen lassen sich offenbar nicht in Begriffen der Physik erklären.

Hier könnte der Schlüssel liegen zu der Frage, warum sich das Handeln von Menschen trotz vieler Bemühungen kaum nach dem Muster naturwissenschaftlicher Kausalität erklären lässt.

Der Mensch ist zwar eine Ansammlung von Atomen verschiedener Elemente, aber er ist offenbar nicht nur das. Ein Mensch handelt, entscheidet – ein Atom nicht. Ein Mensch hat Absichten, Ziele – ein Molekül nicht.

Das Bemerkenswerte dabei ist, dass sich das organische Leben aus der unbelebten Natur entwickelt hat. Irgendwann vor wahrscheinlich mehr als 3 Milliarden Jahren muss ein Gebilde entstanden sein, dessen Struktur zumindest solange stabil blieb, bis es eine Kopie bzw. einen sich selbst verwirklichenden Bauplan von sich selbst anfertigte und sich so vermehrte. Ab hier gab es Leben, das sich zwar auf chemisch-physikalischer Grundlage entwickelte und an diese gebunden war, das aber dennoch etwas Neues darstellte.

Die Wissenschaften vom handelnden Menschen sind bei der Aufstellung allgemeiner empirischer Regelmäßigkeiten bisher nicht sehr erfolgreich gewesen und sind über statistische Korrelationen nicht weit hinausgekommen.

Und in der Theoriebildung wird - nicht nur in der Ökonomie - mit Annahmen wie dem Rationalverhalten (Maximierung der Zielereichung) gearbeitet. Die Spieltheorie (ein etwas irreführender Name für diese Theorien) ist dafür ein gutes Beispiel. In diesen Modelltheorien menschlichen Verhaltens und Entscheidens ist die Selbstbestimmung der Akteure, das Anstreben eigener Ziele, die Entscheidung gemäß den eigenen Interessen und Werten bereits Grundlage aller Erklärungsversuche.

Allerdings: Das Gesagte enthält mehr Fragen als Antworten.

Eine andere Fragerichtung hat m. E. eine mindestens gleich große Bedeutung: Ich meine die Frage nach dem, was den Menschen in seinem Handeln gegenüber anderen Lebewesen auszeichnet, die Fähigkeit zur Unterbrechung und Prüfung von Handlungsabläufen, die Fähigkeit zum Nachdenken und Überlegen, die Fähigkeit zur Kritik des eigenen Handelns etc. Wie diese Vorgänge in Kausalketten aufgelöst werden könnten bleibt weithin ungeklärt.

Soviel erstmal von diesem schwierigen Gelände. Es grüßt Euch Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von doc_rudi am 2006-12-06, 10:23 Uhr
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Hallo Eberhard,
Du: "Das Bemerkenswerte dabei ist, dass sich das organische Leben aus der unbelebten Natur entwickelt hat. ... Ab hier gab es Leben, das sich zwar auf chemisch-physikalischer Grundlage entwickelte und an diese gebunden war, das aber dennoch etwas Neues darstellte."

Genau. Davon gehe ich auch aus. Wobei die Verhaltensdeterminierung zunächst sehr stark war. Die Evolution geht jedoch den Weg der Reduzierung der Determinierung und der Vermehrung von Freiheitsgraden.

Du: "Die Wissenschaften vom handelnden Menschen sind bei der Aufstellung allgemeiner empirischer Regelmäßigkeiten bisher nicht sehr erfolgreich gewesen ...."

Stimmt. Das liegt eben daran, dass die Freiheitsgrade sich beim Menschen vermehrt haben. Deshalb lassen sich wenig empirische Regelmäßigkeiten finden.

Gruß
rudi

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von doc_rudi am 2006-12-06, 18:25 Uhr
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Hi Joy,
Du: "Die Darwinsche Evolutionstheorie unterstellt, wie fast alle wissenschaftlichen Theorien, ... die materiell geistig-bewusst wahrgenommene Welt, würde raumzeitlich materiell für sich selbst als eine solche existieren."
Ich finds schön, dass das allgemein anerkannt ist und man mit Leuten, die Innenwelt und Außenwelt und Traum welt trennen, diskutieren kann.
Du erkennst offenbar keinen Unterschied zwischen Veränderungen außen, die in Deinem Hirn zu Wahrnehmungen führen (realen Begebenheiten) und Sinnestäuschungen, die entstehen, wenn ich Dein Gehirn elektrische reize, du halluzinogene Drogen nimmst oder träumst. Ich denke, das haben alle hier registriert. Was willst Du mehr?
Heute gibts noch Einzeller, weil nicht alle mutiert sind oder von Mehrzellern gefressen wurden. Vielleicht werden die uns auch noch überleben, weil sie resistenter gegen Gammastrahlung sind.
Was passiert denn deiner Meinung nach mit Dir, wenn DU Polonium oder irgendein Gift isst? Du kaufst Dir wahrscheinlich Bionahrung, obwohl die nur geistig in Deinem geistigen Raum existiert und nicht von realen Pflanzen hergestellt wurde. Warum bezahlst Du sie eigentlich?
@Eberhard
Selbst Regelkreise mit negativer Rückkopplung, die für eine Homöostase im Körper sorgen, lassen Freiheitsspielraum, weil kein punktgenauer Sollwert festgelegt ist, sondern ein Sollwertbereich. Je größer dieser ist, desto größer ist Deine Freiheit.
Gruß
rudi

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-06, 20:51 Uhr
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Hallo Joy,

Du hältst folgenden Satz von mir für falsch:

"Irgendwann vor wahrscheinlich mehr als 3 Milliarden Jahren muss ein Gebilde entstanden sein, dessen Struktur zumindest solange stabil blieb, bis es eine Kopie bzw. einen sich selbst verwirklichenden Bauplan von sich selbst anfertigte und sich so vermehrte."

Dein Gegenargument lautet: Dieser Satz sei "bloße Theorie" und durch keine einzige nachprüfbare Tatsache belegt.

Dies ist zwar kein inhaltliches Gegenargument, aber immerhin eine methodische Kritik.

Nun wollte ich in diesem Beitrag nicht die Evolutionstheorie begründen, sondern habe sie nur herangezogen im Zusammenhang mit der Diskussion des Physikalismus, der beinhaltet, dass sich alles Geschehen letztlich physikalisch erklären lassen werde.

Dass es sich bei einer wissenschaftlichen Position um eine Theorie handelt, ist unvermeidlich, sofern diese Position mehr beinhaltet als eine Beschreibung von Fakten. Insofern ist die abwertende Formulierung "nur eine Theorie" ohne Sinn.

Wenn es sich um eine positive Theorie handelt, also eine Theorie, die die "gegebene" Wirklichkeit erklären will, so muss diese Theorie empirisch (an der Erfahrung) überprüft werden. Dies geschieht in der Weise, dass aus der Theorie logische Schlüsse gezogen werden, die beobachtbare Fakten enthalten. Dann vergleicht man die auf Grund der Theorie zu erwartenden Fakten mit den empirisch vorgefundenen Fakten. Gibt es intersubjektiv nachprüfbare Fakten, die der Theorie logisch widersprechen, so ist das für die Theorie fatal, sie ist falsifiziert (als falsch erwiesen).

Wie Du deutlich gemacht hast, bestreitest Du die Evolutionstheorie generell. Ich will hier nur auf die eine, für jedermann nachprüfbare Tatsache verweisen, dass die Entwicklung des Embryos im Mutterleib die stammesgeschichtliche Entwicklung des Homo Sapiens im Zeitraffertempo wiederholt.

Der zitierte Satz über die Entstehung des organischen Lebens auf der Erde beruht auf allgemein zugänglichen Forschungsergebnissen, die ich hier nicht näher ausbreiten will.

Organische Lebewesen besitzen die Fähigkeit zur Selbsterhaltung und die Fähigkeit, allein oder zusammen mit Sexualpartnern genetisch entsprechende Nachkommen zu zeugen. Dies muss irgendwie einmal angefangen haben und zwar vor mehr als 3 Millionen Jahren, denn bis in diese Zeit lässt sich organisches Leben nachweisen.

Dass diese Annahmen bereits die letzte Weisheit seien, will ich nicht behaupten. Aber sie sind nach dem heutigen Stand der Erkenntnis bestens begründet.

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von doc_rudi am 2006-12-06, 21:06 Uhr
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Hi Eberhard,
Du: "...dass die Entwicklung des Embryos im Mutterleib die stammesgeschichtliche Entwicklung des Homo Sapiens im Zeitraffertempo wiederholt."
Es geht viel weiter mit dem Haeckelschen Gesetz: es wird die Entwicklungsgeschichte des Lebens im Zeitraffertempo durchlaufen. Zwischenzeitlich hat das menschliche Embryo sogar Kiemen.
Mit dem Charakter ist es ähnlich, der bleibt auch bisweilen auf tierische STufe stehen oder regrediert dahin: Menschen mit Löwen-Charakter, mit Fisch-Eigenschaften usw, usw...
Elias Canetti hat das erkannt.
Gruß
rudi


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Philosoph am 2006-12-06, 22:56 Uhr
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Hallo Joy,

wenn man so wie sie in einer Diskussion zu sehr rüden Wortmeldungen greift, die meiner Ansicht nach in philosophischen Diskussionen keinen Platz haben,(..und wahrscheinlich auch nirgend anders) dann sollte man zumindest selber über die notwendige Exzellenz verfügen. (die allerdings auch wenn man sie hat keine Entschuldigung für oben genanntes darstellt)

Sie schreiben
"Was, Eberhard, außer einer bloßen Theorie trägst Du hier denn bitte vor, was Deine hier von mir zitierte Aussage faktisch abstützt? Nenne bitte auch nur einen einzigen hier und jetzt nachprüfbaren Fakt, der Deine Aussage unter Berufung auf eine solche Theorie abstützt."


Wenn sie also diese Exzellenz besitzen, dann wissen Sie,
dass die Entwicklung einer wissenschaftlichen Theorie, die geistig herausragenste Leistung in einer Wissenschaft darstellt. Eine Theorie ordnet dabei ein weites Wissensgebiet nach Grund und Folge. Sie besteht aus Axiomen und Theoremen und erhebt den Anspruch konsistent zu sein. Eine konsistente philosophische Theorie,(wie z.B.: die Logik Freges) ist hochpräzise.

(Der Vortrag von Eberhard ist keine Theorie)

In Ihrem Sprachgebrauch scheinnen sie allerdings eine Theorie für eine bloße Sammlung von unbegründeten Behauptungen zu halten. Dies ist ein Irrtum.

Gerade in philosophischen Diskussionen erscheint mir logische strenge und Begriffsschärfe eine wichtige Voraussetzung, will man nicht schon nach wenigen Beiträgen im Niemandsland angekommen sein.

Auf dies sollten wir uns mehr konzentrieren als auf gegenseitige Beschimpfungen.

Einen schönen Abend




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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von doc_rudi am 2006-12-07, 16:26 Uhr
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Hallo Eberhard,
um die Diskussion fortzuführen, hier noch mal kurz mein erstes (rein zeitlich in dieser Runde) Argument gegen den Determinismus:

"Selbst Regelkreise mit negativer Rückkopplung, die für eine Homöostase im Körper sorgen, lassen Freiheitsspielraum, weil kein punktgenauer Sollwert festgelegt ist, sondern ein Sollwertbereich. Je größer dieser ist, desto größer ist Deine Freiheit."

Gruß
rudi

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-07, 20:49 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo rudi,

Du schreibst: "Selbst Regelkreise mit negativer Rückkopplung, die für eine Homöostase im Körper sorgen, lassen Freiheitsspielraum, weil kein punktgenauer Sollwert festgelegt ist, sondern ein Sollwertbereich. Je größer dieser ist, desto größer ist Deine Freiheit."

Wenn Du hier von "Freiheit" sprichst, dann gebrauchst Du das Wort im Sinne von "Verhaltensrepertoir" bzw. "Handlungsspielraum". Ein Stein kann nur fallen, ein Wurm kann nur Kriechen, ein Vogel kann Hüpfen und Fliegen, ein Mensch kann laufen, Radfahren, Schwimmen. Mit der zunehmenden Komplexität des Nerven- und Hormonsystems erweitert sich der Handlungsspielraum der Lebewesen. Ihre Möglichkeiten zur Erreichung ihrer Ziele werden damit vielfältiger. Das sehe ich wohl ähnlich wie Du.

Wenn der Determinist die Freiheit des menschlichen Wollens bestreitet, dann zielt er auf etwas anderes. Er ist der Auffassung, dass alles Geschehen kausalgesetzlich abläuft, was bedeutet, dass man aus dem heutigen Zustand der Welt sowie den kausalen Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich bereits den Zustand der Welt zu einem späteren Zeitpunkt vorhersagen kann. Man muss nur die Ausgangsbedingungen und die wirkenden Kausalgesetzmäßigkeiten kennen.

Dies gilt auch für noch so komplex entwickelte Lebewesen.

Der Determinist tut sich allerdings in Bezug auf den Menschen außerordentlich schwer, wenn er die hier geltenden Kausalgesetzlichkeiten formulieren soll.

Gegenwärtig setzen deshalb Deterministen ihre Hoffnung vor allem auf die Fortschritte in der Genetik und der Gehirnphysiologie. Vor nicht allzu langer Zeit waren es andere Theorien, wie der Historische Materialismus oder die Psychoanalyse, die den Determinismus beflügelten und auf Grund derer die Entscheidungsfreiheit des Menschen dahin zu schwinden schien.

Die Frage, die ich mir – allerdings noch recht unklar – stelle, ist das Verhältnis zwischen der physikalischen Betrachtung eines Regelkreises

A bewirkt B, B bewirkt C, C bewirkt D, D bewirkt A2, A2 bewirkt B2, B2 bewirkt C2, C2 bewirkt D2, D2 bewirkt A3, A3 usw.

und der kybernetischen Betrachtung des Regelkreises als eines zielstrebigen Prozesses:

ein bestimmter Zustand soll - innerhalb eines Schwankungsbereiches – aufrechterhalten werden. Dies geschieht durch einen Sensor, der den Zustand erfasst und ab einer bestimmten Größe der Abweichung vom angestrebten Zustand Signale an einen Mechanismus aussendet, der diese Abweichung durch das Starten geeignete Prozesse wieder ausgleicht usw.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Gnoseias am 2006-12-08, 06:52 Uhr
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Guten Morgen Eberhard,


on 12/07/06 um 20:49:14, Eberhard wrote:Er ist der Auffassung, dass alles Geschehen kausalgesetzlich abläuft, was bedeutet, dass man aus dem heutigen Zustand der Welt sowie den kausalen Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich bereits den Zustand der Welt zu einem späteren Zeitpunkt vorhersagen kann. Man muss nur die Ausgangsbedingungen und die wirkenden Kausalgesetzmäßigkeiten kennen.


Die grundsätzliche Vorhersage schließt einen (echten) Zufall in den Kausalgesetzmäßigkeiten aus, den der Determinist jedoch nicht bestreitet.
(Die entscheidende Frage des (In-)Kompatibilismus doch vielmehr, ob sich die Willensfreiheit mir dem Determinismus und damit mit den Kausalgesetzmäßigkeiten vereinbaren lässt.)


on 12/07/06 um 20:49:14, Eberhard wrote:Wenn der Determinist die Freiheit des menschlichen Wollens bestreitet, dann zielt er auf etwas anderes.

Gegenwärtig setzen deshalb Deterministen ihre Hoffnung vor allem auf die Fortschritte in der Genetik und der Gehirnphysiologie.


Wuwei wies bereits mehrfach darauf hin, dass der Determinist nicht in der Lage ist zu "bestreiten", zu "zielen" oder zu "hoffen".
Er ist mit allem seinem Denken und Handeln im Determinismus "gefangen" und widerlegt sich dadurch selbst.

Um etwas zu begründen, braucht man die Freiheit die Gründe abzuwägen, die der
Determinismus nicht bietet.

Gruß, Gnoseias

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Xenon am 2006-12-09, 08:25 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Philosoph,
hallo Eberhard,

Wir sind leider immer noch nicht an dem Punkt, wo wir uns auch nur annähernd auf eine Definition von "Determinismus" geeinigt haben.

Schlimmer noch: Jeder verwendet den Begriff anders, zumeist ohne hinreichend Rechenschaft über sein Begriffsverständnis abzugeben. Häufig wird – darauf hatte ich schon verschiedentlich hingewiesen - der Begriff unterschwellig im Sinne einer allumfassenden "Vorhersehbarkeit" oder "Berechenbarkeit" gesehen, was dann quasi im Automatismus Willensfreiheit ausschließt.

In einem seiner letzten Beiträge finde ich folgende Definition von Eberhard:

"Er (der Determinist) ist der Auffassung, dass alles Geschehen kausalgesetzlich abläuft, was bedeutet, dass man aus dem heutigen Zustand der Welt sowie den kausalen Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich bereits den Zustand der Welt zu einem späteren Zeitpunkt vorhersagen kann."

Dieses Begriffsverständnis finde ich insoweit unbefriedigend, weil unterstellt wird, dass Kausalität nicht nur als allgemeines Ordnungsprinzip (genauer gesagt: dass Ordnung überhaupt IST) anerkannt wird, sondern tatsächlich konkrete Voraussagen möglich sind.

Unklar ist mE auch, wer mit "man" gemeint ist. Ist "man" hier als ein Platzhalter zu sehen für menschliche Fähigkeiten und menschliches Wissen? "Know How" bezogen auf das gegenwärtig der Menschheit zur Verfügung stehende Wissen? Oder auch das unbestimmte Wissen und die technischen Möglichkeiten künftiger Generationen? Oder könnte "man" auch ein - nur rein theoretisch vorstellbarer - allwissender Laplace`scher Dämon sein?

Unklar bleibt mE bei der o.g. Definition auch, was mit dem Begriff der Kausalität gemeint ist. Kausalität im Sinne des Ursache-Wirkung-Prinzips bei naturgesetzlichen Zusammenhängen oder auch auf der höheren Ebene des Denkens und Handelns, so dass Kausalität die Beziehung zwischen menschlicher Intention und menschlichem Handeln einschließt - etwa dergestalt:

"XY geht die Treppe hinauf, um in den ersten Stock zu gelangen"
"XY hebt den Arm, um bei der Auktion zu bieten."

Es wäre ja höchst widersinnig, ein solches umfassenderes Verständnis von Kausalität in einem Widerspruch zu sehen zur Idee der Freiheit und zur persönlichen Autonomie.

In dem obigen Satz von Eberhard klingt jedoch durch, dass unter Kausalität offenbar nicht das Verhältnis zwischen Absicht und Tun (Finalprinzip) verstanden ist, auch nicht etwa als Unterfall eines allgemeinen Ursache-Wirkungs-Prinzips. Kausalität meint hier wohl einen exakt beschreibbaren Ursache-Wirkungszusammenhang, welcher auf niederer Stufe angesiedelt ist, d.h. die materielle Basis betrifft.

Die Gesetzmäßigkeiten dieser "niederen Stufe" legen wir ja unserem bewussten Denken und Handeln nicht zu Grunde, maßgeblich erscheint uns vielmehr die "Welt der Begründungen". Die Inkompatibilisten jedenfalls sehen wohl deshalb zwischen dem eher mechanistisch verstandenen Kausalprinzip und dem Finalprinzip (Zielgerichtetheit) einen unauflösbaren Widerspruch.

Zur Zeit sehe ich persönlich es so, dass das Finalprinzip ein Unterfall des Kausalprinzips ist, man könnte auch sagen: Eine besondere Form bzw. Spielart von Kausalität. Der deterministische Ansatz dagegen beschreibt – aus meiner Sicht - das "Verhalten" eines komplexen Systems tatsächlich auf einer niederen Stufe (Biologie, Physik). Damit ist nichts über die Aussagefähigkeit (Sinnhaftigkeit) der Beschreibungsmöglichkeiten gesagt, diese ist m.E. kontextabhängig zu sehen.

Beispiel: Jemand geht wegen psychischer Probleme zum Psychologen. Der analysiert zunächst mögliche psychische "Parameter" (Intaktheit sozialer Beziehungen, allgemeine Motivation, Übereinstimmung von Selbstbild und Fremdbild, innere Ausgeglichenheit, Selbstwertgefühl, Kindheitstraumata etc). Schließlich stellt sich jedoch heraus, dass die Ursache der Störungen ein Gehirntumor ist und plötzlich liegt der Fokus der Betrachtung – und zwar in diesem Fall völlig zu Recht - auf der deterministischen Seite. Hier ist Reduktionismus angesagt.

"Wenn jede Wirkung eine Ursache hat"..., schreibt Philosoph. Aber impliziert der Begriff "Wirkung" nicht bereits quasi tautologisch das Vorhandensein einer Ursache? ("Wirkung" = immer "Wirkung" von etwas anderem?).

Diese Tautologie deutet darauf hin, dass das "Prinzip" Ursache-Wirkung nicht erst eine empirische Erkenntnis ist, sondern vielmehr so sehr in unserem Denken, im besonderen in unserem Zeiterleben, drinsteckt, dass dann möglicherweise eher von einer a-priori-Gegebenheit anstatt von einer a-posteriori-Erkenntnis) gesprochen werden sollte.

Man könnte anstelle des Begriffs "Wirkung" den neutraleren Begriff des "Geschehens" verwenden, um dieses sprachliche Präjudiz zu vermeiden. Aber für welche Art "Geschehen" in der makroskopischen Welt kämen wir denn auf den Gedanken, es erfolgte tatsächlich "ganz spontan", völlig ohne Zusammenhang zu früheren Zuständen (unabhängig davon, ob wir sie kennen)?

Selbst wenn wir menschliches Handeln beschreiben, geht es ja nicht um Akausalität, sondern wir legen lediglich Wert darauf, dass hier eine "besondere Kausalität" anzutreffen ist, die den Menschen als autonome "ganze Person" sieht und durch Begriffe wie Denken, Handeln, Wollen, Sollen usw. charakterisiert ist.

Philosoph ist offensichtlich der Auffassung, dass das Kausalitätsprinzip nicht a priori allen Aussagen und Vermutungen über die Wirklichkeit bereits zugrunde liegt.

Er schreibt:

"Woher nehmen wir also die Erkenntnis, dass das Prinzip der Kausalität in z.B. 1000 Jahren noch gültig ist? (Wir tun so als wüssten wir das) Kennen wir jemanden der Ursache und Wirkung in der Zukunft bereits wahrgenommen oder beobachtet hat?"


"In 1000" Jahren unterstellt, dass es Zeit gibt. Dass das 1000. Jahr vor dem 999. Jahr kommt usw. Ist Zeit etwas anderes als das Aufeinanderfolgen von Zuständen, wobei eine das Wort "Aufeinanderfolgen" eine zeitliche Hierarchie, eine Ordnung impliziert? Wie könnte jedoch überhaupt "Beobachtung" möglich sein (und wie könnte ein Beobachter existieren?), wenn nur Chaos wäre und keine raumzeitlich-logische Verbindung zwischen den Zuständen entlang des Zeitpfeils?

Vielleicht meint Philosoph ja auch nur, dass es "Lücken" geben könne, einzelne Geschehnisse, die aus dem Rahmen der Kausalität fallen. Unbefriedigend erschiene das, weil es der Urerfahrung der Symmetrie und Geschlossenheit der Welt widerspräche (auf die Problematik "Anfang der Welt" und Quantenphysik gehe ich später noch ein). An anderer Stelle ist jedenfalls ausgiebig aus kompatibilistischer Sicht dargestellt worden, weshalb es jedenfalls für die Idee der Freiheit gar keine Notwendigkeit gibt, das menschliche Denken aus dem Naturzusammenhang herauszunehmen (im Gegenteil). Und - provokativ formuliert- : Das Atom "weiß" ja nichts davon, ob es sich zufällig in einem Stein, in einem Einzeller oder in einem Gehirn aufhält. Und sicher sind Atome in Steinen, Einzellern und Gehirnen auch nicht voneinander zu unterscheiden.


Philosoph schreibt weiter:

"Der Satz "Alles was geschieht, hat Ursachen". ist ein synthetischer Satz. Seine Erkenntnisquelle a posteriori

Für dies Art Sätze gilt:
Es ist logisch unmöglich von Sätzen die vergangene Ereignisse beschreiben, gültig auf Sätze zu schließen die zukünftige Ereignisse beschreiben."

Zur Thematik "a posteriori" hatte ich oben bereits Ausführungen gemacht. Was als Kriterium für die Gültigkeit von Sätzen angenommen wird, ist auch ein Stück weit Konvention und folgt m.E. nicht einer reinen Logik. Wie könnten denn überhaupt noch nach Deinem strengen Maßstab, lieber Philosoph, irgendwelchen Sätzen ein Wahrheitswert zugewiesen werden?

Man könnte dann ja wohl beispielsweise nicht mehr sagen, die Fallgesetze der Physik seien "allgemein gültig". Die Wissenschaftstheorie hat hier ja längst das Gültigkeitskriterium der Falsifizierbarkeit eingeführt.

Ich neige dazu anzunehmen, wie oben bereits ausgeführt, dass das Kausalprinzip sozusagen jeglichen Aussagen über die Wirklichkeit bereits immanent ist. Aussagen stellen Beziehungen her zwischen Bestandteilen und Aspekten der äußeren Welt.

Steckt nicht bereits auch in der Verwendung von Sprache Kausalität? Ich verwende Buchstaben, um bestimmte Worte zu bilden, welche zu Sätzen zusammengefügt eine gemeinte Bedeutung ergeben. Damit wiederum verbindet sich die Erwartung intersubjektiv verstanden zu werden.

Zumindest nach einem Verständnis von Kausalität, welches auch die Zielgerichtetheit des Denkens und Handelns einschließt, lässt sich meine Behauptung begründen, allgemeingültige Aussagen, implizierten bereits Kausalität.

Philosoph schreibt:

"Wenn jede Wirkung eine Ursache hat, dann gibt es keinen Anfang der Welt. (Die Naturwissenschaft behauptet allerdings, der Weltbeginn wäre der Urknall.)"

Das scheint mir nun ein außerordentliches gutes Argument gegen Kausalität und Determinismus zu sein, an dem wohl nicht leicht zu kauen ist.

Konkret zum Urknall. Behauptet die Naturwissenschaft tatsächlich einen Weltbeginn? M.E. beschränken sich die astrophysikalischen Analysen nur auf einen Zeitpunkt kurz vor dem eigentlichen "Big Bang". Über den allerersten Anfang der Welt wird aber aus naturwissenschaftlicher Sicht nichts ausgesagt.

Es liegt nahe, dass gar keinen Anfang im Sinne einer klassisch gedachten "Erstbewegung" gegeben hat (übrigens würde hier die Einführung einer göttlichen Instanz das Problem entweder nur nach hinten verlagern oder wegdefinieren).

Die Geschichte der Forschung zeigt, dass viele über Jahrhunderte offene Fragen nicht einfach nur beantwortet wurden, sondern durch neuere Erkenntnisse in ganz neuem Licht erschienen sind. Z.B. fragten sich Menschen sicher über viele Jahrhunderte, was denn wohl auf der Unterseite der Erdscheibe wäre oder wie es sei, am äußeren Rand der Scheibe zu stehen. Einstein überlegte, wie es wohl sei, mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen und mit vorgestreckten Händen nach einem Lichtstrahl zu greifen. Spätere Erkenntnisse brachten die Einsicht, dass diese Fragen so nie beantwortet zu werden brauchten bzw. beantwortet werden konnten, weil sie schlicht obsolet waren.

Könnte es sich ähnlich verhalten hinsichtlich der Frage nach dem Beginn der Welt? Die Quantenphysik gibt uns nach meinem intuitiven (allzu gewagten?) Verständnis den Hauch einer Ahnung von einer Brücke zwischen dem Seienden und dem Nichts. Ließe sich von Potentialität nicht sagen, sie umschreibe etwas (noch) nicht Existierendes, aber doch bereits mehr als das absolute Nichts?

Unsere Unfähigkeit, das "Warum ist nicht nichts?"-Problem und die Quantenphysik anschaulich zu verstehen, liegt doch vielleicht gerade in unserer spezifischen Verfaßtheit begründet, wonach das Kausalprinzip eben bereits der Natur unseres Denkens innewohnt. Sollte deshalb davon abgegangen werden, das Kausalprinzip als "Eigenschaft" der Wirklichkeit zu sehen?

Es geht jedoch vielleicht gar nicht um eine Kausalität oder Determinismus in einem ganz strengen Sinne, im Sinne einer absoluten Letzterklärung der Welt als Ganzes.

Entscheidend ist vielmehr aus meiner Sicht, dass man nur bis zu einer bestimmten niederen Betrachtungsebene eines Systems (Mensch, Schachcomputer) "hinabsteigen" muss – aber auch nicht darüber hinaus (um nicht mit der Quantenphysik ins Gehege zu kommen) – um dessen deterministisches Funktionsprinzip zu erkennen.

Kürzlich hat ein Schachcomputer den amtierenden Schachweltmeister besiegt. Obwohl sich das "Verhalten" eines Schachcomputers auf einer niederen Stufe (binär codierter Algorithmus) exakt beschreiben und vorhersagen lässt, kann auf schachlicher Ebene bereits von einer Zielgerichtetheit und Kreativität gesprochen werden. Subtile Programmierung und schnöde Rechenpower ermöglichen beides. Aber nicht anders verhält es m.E. beim Menschen und seiner Hardware, dem Gehirn.

Wenn Schachspielen etwas Kreatives ist, kann es nicht dadurch zu etwas Unkreativem werden, dass die Züge von einem Schachcomputer stammen. Kreativität und stupider Determinismus schließen sich insoweit nicht gegenseitig aus.

Soweit Zustimmung?

fragt Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-09, 09:17 Uhr
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Hallo allerseits,

(Anmerkung vorweg: Xenons Beitrag und meiner haben sich mal wieder gekreuzt. Ich werde später darauf eingehen.)

Im Folgenden ein paar Gedanken, die allerdings eher am Rande der im engeren Sinne philosophischen Problematik des Determinismus stehen.

Ein Weg, um die Diskrepanz zwischen allgegenwärtigen Naturgesetzen und menschlichem Freiheitsbewusstsein aufzulösen, war die "Zwei-Welten-Lehre": Als Naturwesen gehören wir zum "Reich der Notwendigkeit". Aber wir sind zugleich auch "Vernunftwesen" und als solche gehören wir auch dem "Reich der Freiheit" an. Der Mensch gehört beiden Welten an und lebt in dieser Spannung. (In diese Richtung ging wohl die Theorie von Kant.)

Gegen eine solche Position, die der Rolle der vernünftigen Moral eine zentrale Bedeutung zuschrieb, wandte sich der historische Materialismus. Die Begründung von Zielen und Programmen aus der Idee wird als hilflos eingeschätzt. Der Mensch ist Teil der Natur und unterliegt deren Gesetzmäßigkeiten. Auch die Geschichte der Menschheit, die Entwicklung der Gesellschaftsformen, folgt bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die man erforschen und erkennen kann. Diese "Bewegungsgesetze", die vor allem mit der Entwicklung der Produktivkräfte zusammenhängen, gilt es aufzudecken, um das Ziel der Menschheitsgeschichte zu bestimmen. Dies ist wissenschaftlich begründeter Sozialismus, im Unterschied zum utopischen Sozialismus, der eine ideale Gesellschaftsordnung moralisch begründen will. (In diese Richtung ging wohl die Theorie von Marx und Engels).

Gegen den Menschen als "Vernunftwesen" wandten sich auch Positionen, die den Menschen als Triebwesen ansahen. Ohne dass sich die Menschen dessen bewusst sind, werden sie nach dieser Auffassung durch starke Triebe, das "Es", in ihrem Verhalten bestimmt.

Frühkindliche Konflikte zwischen der Triebstruktur und der sozialen und moralischen Ordnung prägen die Persönlichkeit des Individuums. In der Situation kindlicher Ohnmacht und Angst können diese Konflikte oft nicht bewusst gemacht und verarbeitet werden. Sie wirken traumatisch und das schwache Ich kann sich ihrer nur dadurch erwahren, dass es sie ins Unbewusste verdrängt. Dadurch kommt es zu Triebfixierungen und Neurosen.

Durch eine Bewusstmachung und Analyse dieser verdrängten frühkindlichen Konflikte und Ängste hat das erwachsene Individuum jedoch die Möglichkeit, diese Situationen noch einmal bewusst zu durchleben und von einer realistischen Position aus zu verarbeiten. Dadurch lösen sich die neurotischen Konflikte und die Fixierungen der Triebe auf kindlichen Entwicklungsstufen auf. Wo "Es" war, ist jetzt das "Ich", das das Realitätsprinzip verkörpert. (In diese Richtung ging wohl die Theorie von Freud.)

Grüße an alle nachdenklichen Vordenker von Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Philosoph am 2006-12-09, 12:10 Uhr
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Hallo Joy,

vielen Dank für ihren Beitrag in bezug auf meine Äußerungen hinsichtlich dem Thema 'Theorie' vom 6. Dezember.

Ich bin weitestgehend mit ihren Ausführungen einverstanden.

Allerdings erscheint mir Ihr Verständnis des Begriffes ,Theorie' in verbindung mit 'Wirklichkeit' einer Nachbesserung zu bedürfen:

Eine wissenschaftliche Theorie = eine Abbildung eines ausgewählten Ausschnittes der Wirklichkeit.

Wenn e sich z.B.: um eine naturwissenschaftliche Theorie handelt wird ein bestimmter Bereich der 'wirklichen' Natur untersucht. Diese Untersuchungen werden nach Grund und Folge geornet. Ihre Konsistenz mittels empirischer Beweise begründet. Eine exakte naturwissenschaftliche Theorie über den ausgewählten Bereich ist entstanden. (z.B Gravitationsgesetze)


Ein 'Vortrag' (z.B.: der Vortrag Eberharts) ist per Definition keine Theorie. Es ist eine Sammlung von Anhamen und eventuell noch Hypothesen. Annahmen erheben keinen Wahrheitsanspruch. Das heißt, wenn ich sage: 'Die Sonne geht morgen nicht mehr auf' dann ist das eine Annhame, denn ich habe keine (faktischen) Begründungen dafür.

Sehr vereinfacht dargestellt: Könnte ich nun aufgrund von Experimenten beweisen, dass die Sonne morgen nicht mehr aufgeht und wären meine Beweise in sich schlüssig, dann hätte ich eine konsistente Theorie vom 'nicht aufgehen der Sonne' entwickelt.

Der Philosoph, und da haben sie recht' würde nun daran gehen die Theorie auf inkonsistenz hin zu untersuchen.

Der Philosph ist aber (und das besagt ja auch meine Beipiel der formalen deduktiven Logik) auch an der Entwicklung von Theorien (nun bitte 'Theorie' gedacht im gebräuchlichen Terminus technicus der Wissenschaften) interessiert.

Schöne Grüße

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-09, 22:12 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Xenon,

ich bin der Meinung, dass der Begriff "Determinismus" im allgemeinen Wortgebrauch etwas mit der Vorherbestimmtheit des Geschehens und damit mit dessen Voraussagbarkeit zu tun hat.

Der Initiator dieser Determinismus-Diskussion, non-anthroph schrieb auf meine Frage, wie er "starken Determinismus" definiert: " … unter starkem Determinismus verstehe ich …, dass mit Anbeginn des Universums alles vorherbestimmt ist und alles eine Ursache (Aktio=Reaktio) hat. Das Universum sozusagen als riesiges Uhrwerk. "

Kausale Gesetzmäßigkeiten sind ja diejenigen Gesetzmäßigkeiten, die eine zeitliche Dimension besitzen. Die Wirkung folgt zeitlich immer der Ursache und die Regelmäßigkeit in der Beziehung zwischen beiden Phänomenen sowie unsere Kenntnis von dieser Regelmäßigkeit erlaubt uns eine begründete – wenn auch nicht eine beweisbare - Aussage über die Zukunft.

Ich will damit keinen Streit um Worte anfangen. Es gibt immer die Möglichkeit, unterschiedliche Varianten des Determinismus zu definieren und jede für sich zu diskutieren.

Es gibt wohl auch Gesetzmäßigkeiten ohne zeitliche Richtung. Z. B. die Regelmäßigkeiten in Bezug auf die Winkel eines Dreiecks oder die Gesetzmäßigkeiten der Hebelkraft. Vielleicht kann hhmoeller uns da Hilfestellung leisten.

In dem Zusammenhang an ihn die Bitte, seine sehr interessante Aussage zur "Zielursache" im subatomaren Bereich etwas ausführlicher zu erläutern. Er schrieb: "Es gibt z.B. keine Wirkursache dafür, daß ein Atomkern ein Alpha-Teilchen emittiert. Es gibt aber eine Zielursache, nämlich, das Ziel des energieärmsten Zustands."

Es grüßt Euch Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Xenon am 2006-12-10, 14:14 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Eberhard,

ich finde, es ist ein guter Ansatz von Dir, die ursprüngliche Fragestellung und die Intention des Thread-Begründers Nonantroph wieder ins Spiel zu bringen.

Wenn von einem "strengen Determinismus" die Rede ist, dürfen wir wohl tatsächlich die Quantenphysik nicht aus unseren Betrachtungen ausblenden, sondern sollten diese hier verstärkt in den Fokus nehmen.

Es sei mir erlaubt, eine kurze Passage aus dem Buch "Der Stoff aus dem der Kosmos ist" von Wayne Greene zu zitieren (ein Buch, dass ich übrigens sehr weiterempfehlen kann):

" (...) Mit Newton und seiner exakten deterministischen und mathematischen Beschreibung von Bewegung veränderte sich die Beschreibung erneut. Die Entwicklung des Universums wurde mit einem riesigen, großartigen Uhrwerk verglichen: Einmal aufgezogen und in seinen Anfangszustand versetzt, läuft das Uhrwerk-Universum von einem Augenblick zum anderen mit vollkommener Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit

(...)

Die Quantenmechanik bricht mit dieser Tradition. Wir können noch nicht einmal den genauen Ort und die genaue Geschwindigkeit eines einzelnen Teilchens kennen. Wir können noch nicht einmal das Ergebnis des einfachsten Experiments vorhersagen, von der Entwicklung des gesamten Kosmos gar nicht zu reden. Die Quantenmechanik zeigt, dass wir allenfalls die Wahrscheinlichkeit voraussagen können, mit der ein Experiment zu diesem oder jenem Ergebnis führt. Und da die Quantenmechanik über Jahrzehnte durch Experimente von fantastischer Genauigkeit verifiziert worden ist, lässt sich Newtons kosmische Uhr (...) als Metapher nicht mehr aufrechterhalten. Sie liefert nachweislich kein richtiges Bild von den Vorgängen in der Welt."

Nach diesen Ausführungen ergibt sich ein überzeugendes Gegenargument gegen den Determinismus (so auch von Hel in zwei Beiträgen in dem Thread vertreten).

Nonantroph hielt dieses Gegenargument allerdings nicht für überzeugend:

http://www.philtalk.de/msg/1110406240.htm#5

Mir stellt sich noch eine weitere Frage. In unserer alltäglichen Welt scheint ja die Quantenphysik kaum eine Rolle zu spielen. Dies mag daran liegen mag, dass sich die klassische Welt erst durch statistische Ausmittlung der quantenphysikalischen Wellenfunktionen ergibt.

Meine Frage deshalb: Löscht diese "Ausmittlung" alle Spuren der Quantenphysik auf der Makroebene und oder bleiben praktische Konsequenzen für die "klassische Welt" erhalten? Zumindest die Diskussion um die Quantenphysik ist ja eine solche "praktische Konsequenz".

Interessant kann in diesem Zusammenhang der von hhmoeller in dem "Ist- alles nur-Bewusstsein?–Thread VIII" verlinkte Vortrag von H.-P. Dürr sein. Hier noch mal der direkte Link:

http://www.forum-humanum.org/index.php?sub=projekte&seite=mkt2l

Dürr sieht offensichtlich praktische Konsequenzen für die "klassische Welt" als gegeben an, wie sich z.B. aus der Erläuterung seines Pendel-Beispiels ergibt.

Da ich selbst, was die Quantenphysik angeht, Laie bin (und das ist noch vorsichtig ausgedrückt) und auch Eberhard ja – meine Wissens – nicht aus der "physikalischen Ecke" kommt, könnte es sicher dem Thread zuträglich sein, wenn sich hier Mitglieder verstärkt einklinken könnten, die sich hier besser auskennen (z.B. denke ich da an hhmoeller, Hel, Hajo oder jonny).

Noch eine Schlussbemerkung. Kämen wir zu dem Ergebnis, der starre Determinismus sei durch die Quantenphysik widerlegt, sollten wir m.E. das Thema Determinismus dennoch noch nicht zu den Akten legen.

Es gibt ja sozusagen noch eine Lesart dieses Begriffs, welche in der "klassischen Welt" angesiedelt ist und mit einem "echten Zufall" gerade nichts zu tun hat.

Ich behaupte: Die eigentliche "Musik", die in der Determinismus-Problematik steckt – nämlich die häufig gesehene Gegensätzlichkeit zum Freiheitsbegriff – ist in der ganzen Diskussion über Determinismus & Quantenphysik noch gar nicht tangiert.

Mit Rücksicht auf die Ausgangsfrage und aus Respekt vor dem Thread-Begründer sollte allerdings auch nach meiner Meinung zunächst der Fokus auf den "starren Determinismus" gelegt werden und deshalb halte ich es für angebracht, dass wir einige Zeit beim Thema Determinismus & Quantenphysik verweilen.

Ich schlage allerdings vor, dass wir, nachdem wir hoffentlich diesbezüglich zu einem Zwischenergebnis gekommen sind, die Fragestellung erweitern auf andere mögliche Inhalte des Determinismusbegriffs und seine Konsequenzen.

Künftige Nachfolge-Threads sollten deshalb – so mein Vorschlag – "Determinimus III" (usw.) genannt werden, wobei im jeweiligen Eröffnungs-Post auf die beiden Vorgänger– Threads deutlich hingewiesen wird. Überhaupt halte ich für eine gute Idee, wenn bei Nachfolge-Threads im jeweiligen Eröffnungs-Beitrag auf die bisherigen Threads verlinkt wird - seit heute kann ich auch solche Links auf andere Beiträge setzen :-)

Die Diskussion im Philtalk krankt ja oft daran, dass sie sich im Kreis dreht, weil vorangegangene Beiträge gar nicht berücksichtigt werden. Dabei würde doch eine systematischer Diskurs, der eine gewisse Struktur und Entwicklung aufweist, weitaus mehr im Hinblick auf einen Erkenntnisfortschritt bringen.

Vorbildhaft finde ich nach wie vor, wie Hajo sein "Freie-Wille"-Thread und sein "Bewusstseins"-Thread eingerichtet hat. Gerade letzterer war ja mal als "größeres Projekt" geplant, nun aber scheint mir der Diskussions-Thread ziemlich "verloddert" zu sein – wie man übrigens nicht nur an am Eröffnungs-Post, sondern auch an der inhaltlichen Disziplin erkennt. Schade.

Ein schönes Rest-Wochenende wünscht Euch
Xenon


PS: Ich habe heute morgen ein wenig mit dem Doppelspalt-Experiment beschäftigt und festgestellt, dass ich es nicht wirklich verstanden habe. Zwei –wahrscheinlich höchst dumme – Fragen haben sich ergeben, die ich vielleicht in einer anderen Philtalk-Rubrik stellen werde. Mal sehen.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Abrazo am 2006-12-10, 14:28 Uhr
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Ich halte meinen Lösungsvorschlag dagegen:

http://www.abrazo.de.ms/

Inhalte - Physik - Prinzip Logik.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Xenon am 2006-12-10, 17:55 Uhr
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Hallo allerseits,

ich greife nochmals die Äußerung von Nonantroph auf. Soweit ich sehe, bisher der einzige, der die Auffassung geäußert hat, die Quantenphysik widerspreche nicht dem Determinismus.


on 03/10/05 um 19:33:27, Nonantroph wrote:Die Quantentheorie ist meiner Ansicht nach eher ein schlechtes Beispiel, da man die Quanten im Sinne einer Wellentheorie deuten kann und diese Wellentehorie dann deterministisch ist. Ich glaube die statistische Natur der Quantentheorie kommt eher durch unsere Deutung als Beobachter zustande. Was die Mehrheit der Physiker dazu sagt, weiß ich leider nicht !?

Dazu erlaube ich mir (ein letztes Mal, versprochen) aus dem Buch von Wayne Greene kurz zu zitieren ("Der Stoff aus dem der Kosmos ist, S. 113):

"Nachdem wir die vermeintliche Wahrscheinlichkeitswelle für das Elektron einer gegebenen Versuchsanordnung berechnet haben, führen wir wieder und wieder identische Versionen des Experments durch.

Im Gegensatz zu dem, was Newton erwartet hätte, führen identische Versuchs- und Anfangsbedingungen nicht notwendigerweise zu identischen Messergebnissen. Stattdessen ermitteln unsere Messungen eine Vielzahl von Orten. Manchmal finden wir das Elektron hier, manchmal dort und genauso häufig ein Stück weiter da drüben".

Die zitierte Newton'sche Erwartung (offensichtlich damit gemeint: identische Ausgangsbedingungen führen immer zu identischen Ergebnissen) entspricht m.E. ziemlich genau der Eberhard`schen Lesart von Determinismus.

Mit der Feststellung, dass identische Expermente zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wäre m.E. der "strenge Determinismus" widerlegt.

Das Gegenargument von Nonantroph überzeugt mich nicht. Zwar mag die Wellenfunktion eine klare Gesetzmäßigkeit im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit aufweisen, z.B. ein Elektron an einem bestimmten Ort anzufinden. Die Potentialität ist m.E. jedoch keine Form der raumzeitlichen Existenz.

Wenn Kausalität bedeutet, dass die Ursache x eine Wirkung y zur Folge hat, dann muss y etwas sein, von dem man sagen kann, es sei raumzeitlich vorhanden. Das behaupte ich jetzt einfach mal so... :-)

@Abrazo
Unter dem angegebenen Link habe ich zum Thema Determinismus & Quantenphysik direkt nichts gefunden.

Zur Quantenphysik habe ich eigentlich nur den Satz gefunden, ein Elektron könne an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig sein.

Mir ist nicht ganz klar, ob sich diese Äußerung auf die Wellen-Wahrscheinlichkeitsfunktion oder auf das Phänomen der Teilchenverschränkung bezieht.

Was die Wellenfunktion angeht, habe ich es bisher so verstanden, dass man lediglich von einem potentiellen Aufenthaltsor
t der Teilchen sprechen kann. Somit wäre es dann unzutreffend zu sagen, ein Elektron könne innerhalb einer Welle an zwei Orten gleichzeitig sein.

Das zweite angesprochene Phänomen der Teilchenverschränkung verstehe ich so, daß zwei verschränkte Teilchen nichtlokal miteinander korrespondieren können. Wenn an einem Teilchen eine bestimmte Eigenschaft gemessen wird (z.B. ein bestimmter Spin), würde instantan an dem - u.U. am anderen Ende des Universums befindlichen - "Partnerteilchen" exakt dieselbe Eigenschaft gemessen. Auch dieses Phänomen wäre allerdings durch die Aussage "Elektronen könnten gleichzeitig an verschiedenen Ort sein" nur ungenau wiedergegeben.

Johnny widerspricht ersichtlich nicht der Behauptung, die Quantenphysik sei ein überzeugendes Argument gegen den starken Determinismus.

Seine Aussage hinsichtlich der Bedeutung für die "klassische Welt" sollten wir m.E. zunächst noch nicht diskutieren, solange Nonantrophs Argument ("Quantenphysik widerlegt nicht den starken Determinismus") noch im Raum steht.

Als Vertreter und Verteidiger des Determinimus, für den ich mich bisher durchaus gehalten habe, wenngleich auch "Determinimus einer besonderes Lesart", erkläre ich hiermit angesichts des quantenphysikalischen Arguments meine vorläufige Kapitulation, was den STARKEN Determinismus angeht. Damit ist das Gesamtthema allerdings für mich noch nicht erledigt.

Kleiner Zusatz zur Klarstellung:

Wenn ich oben schrieb, ich sähe mich als Vertreter und Verteidiger des Determinismus, meine ich damit lediglich, dass man auch komplexe Systeme auf einer basalen Beschreibungssstufe (Biologie, Physik) jenseits der Quantenphysik) als determiniert auffassen kann, nicht jedoch dass der deterministische Ansatz ausreicht, um das "Verhalten" dieser Systeme auf einer hohen Beschreibungsstufe erschöpfend zu erklären. Und schon gar nicht sehe ich den wohlverstandene Freiheitsbegriff durch meine Lesart von Determinismus gefährdet...

Frage an die Runde:

Gibt es noch jemanden, der den "starken Determinimus" angesichts des quantenphysikalischen Arguments verteidigt, z.B. indem er Nonantroph unterstützt oder ein anderes Argument vorbringt?

Falls nicht, könnten wir ein Zwischenfazit ziehen und uns als nächstes der Frage widmen, ob - und wenn ja: auf welche Weise - sich der quantenphysikalische Indeterminismus in der klassischen Welt "fortpflanzt". So mein Vorschlag zum Fortgang der Diskussion.

Allerdings bleibt im Zusammenhang mit Quantenphysik & Determinismus auch noch Eberhards Frage an hhmoeller betreffend "Zielursachen im subatomaren Bereich" im Raum.

Liebe Grüße
Xenon



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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hhmoeller am 2006-12-10, 20:36 Uhr
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on 12/10/06 um 15:00:57, jonny_W. wrote:"In unserer alltäglichen Welt scheint ja die Quantenphysik kaum eine Rolle zu spielen. Dies mag daran liegen mag, dass sich die klassische Welt erst durch statistische Ausmittlung der quantenphysikalischer Wellenfunktionen ergibt."

Das ist ein leider grundlegender Irrtum. Unsere Alltagswelt ist quantenmechanisch durch und durch.


Das wiederum halte ich für einen Irrtum.

Werner Heisenberg bezeichnet die klassische Physik und die Relativitätstheorie als a priorische Grundlage der Quantenphysik, also als Vorbedingung für quantenphysikalische Erkenntnis.

Ohne den Heisenberg-Schnitt gibt es keine klassischen Observablen. Die Klassische Physik ist also eine Prämisse der Quantenphysik.

Das wird auch am Formalismus deutlich. Was bleibt vom Formalismus übrig, ohne Orts-, Impuls, Energieoperatoren, ohne Korrespondenzprinzip?


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-10, 21:18 Uhr
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Hallo allerseits,

Xenons Strukturierungsvorschlag für die weitere Diskussion halte ich für sinnvoll. Gegen die Position des starken Determinismus sind im Verlauf der Diskussion verschiedene Argumente vorgebracht worden, die man vielleicht noch einmal zusammenstellen sollte.

Besonderes Interesse habe ich an der Diskussion der Quantentheorie und deren Folgen für unser Verständnis der Welt. Da kaum jemand diese Theorie mitsamt ihrer Begründung kennt, eignet sie sich vortrefflich für allerlei Mumpitz. Man kann oft nur staunen über das, was die Quantentheorie angeblich alles wissenschaftlich erwiesen habe. Von einer nachvollziehbaren Begründung findet man dann meist nichts mehr. Stattdessen werden drei oder vier "Links" serviert, aus denen man sich die Begründung holen könne.

Es wäre verdienstvoll, wenn es gelänge, eine für den Nicht-Physiker nachvollziehbare Darstellung der Quantentheorie zu geben, die es jedem logisch Denkenden erlaubt, die Konsequenzen dieser Theorie für unser Verständnis der Welt abzuschätzen.

Zum Verhältnis von Quantentheorie und Kausalität lese ich z. B.

"Die Bedingungen, unter denen Erfahrungen von quantenmechanischen Systemen überhaupt möglich sind, sind die physikalischen Gesetze der Messgeräte und diese sind die Gesetze der Quantentheorie selbst. Aus diesem Zusammenhang wurde in der Theorie des Messprozesses klar, dass nur gewisse Eigenschaften des Systems im klassischen Sinne durch Kenntnisnahme gemessen werden können, die wir deshalb als 'objektiv' bezeichnet haben. ….

Die Anwendung der Kausalkategorie auf die zeitlichen Veränderungen der objektiven Eigenschaften eines quantenmechanischen Gegenstandes führt also dazu, dass ein im Wechsel seiner Eigenschaften jederzeit wieder erkennbares Objekt entsteht. Da sich außerdem die objektiven Eigenschaften widerspruchslos als Akzidentien einer Substanz interpretieren lassen, weisen die in der Erfahrung auftretenden "quantenmechanischen Gegenstände" alle wesentlichen Charakteristika eines "Gegenstandes der Erfahrung" auf. …..
Dem Kausalgesetz, das a priori für alle Gegenstände der Erfahrung gelten sollte, wird für die quantenmechanischen Gegenstände durch das quantenmechanische Kausalgesetz Genüge getan. Denn der Kausalsatz gilt hier für alle die Eigenschaften, die widerspruchslos als Akzidentien einer Substanz interpretiert werden können. Eine darüber hinausgehende Berechenbarkeit nicht objektiver Eigenschaften ist auf Grund des a priori gültigen allgemeinen Kausalsatzes nicht zu erwarten. Wie wir sehen werden, ist eine solche Berechnung auch tatsächlich nicht möglich." (aus Peter Mittelstaedt: Philosophische Probleme der modernen Physik. BI Mannheim 1966.)

Vielleicht kann dies jemand kommentieren oder ergänzen ??

hofft Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hel am 2006-12-11, 13:08 Uhr
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Hallo Eberhard

Quote:....
Besonderes Interesse habe ich an der Diskussion der Quantentheorie und deren Folgen für unser Verständnis der Welt. Da kaum jemand diese Theorie mitsamt ihrer Begründung kennt, ......
....
Stattdessen werden drei oder vier "Links" serviert, aus denen man sich die Begründung holen könne.
.....
Es wäre verdienstvoll, wenn es gelänge, eine für den Nicht-Physiker nachvollziehbare Darstellung der Quantentheorie zu geben, die es jedem logisch Denkenden erlaubt, die Konsequenzen dieser Theorie für unser Verständnis der Welt abzuschätzen.


Ich bin ja auch nur interessierter Laie und eine Gesamtschau der Quantentheorie ist leider weit ausserhalb meiner Fähigkeiten.
Die Relevanz der Quantentheorie für dieses Thema hat sich mir vor allem anhand von 3 sehr gut dargestellten und erläuterten Experimenten ergeben:
A) Test des EPR Paradoxon unter Verwendung der Bellschen Ungleichungen. Dieses Experiment zeigt, dass es zumindest keine lokalen kausalen Ursachen geben kann. Weiters: da die Abstimmung der Photonen in Null-Zeit funktioniert ergibt sich bei Berücksichtigung der speziellen Relativitätstheorie das Problem, dass je nach Betrachterperspektive die Reihenfolge der Ereignisse unterschiedlich ist. (Einmal gleichzeitig, dann Messung an Photon a vor Messung an Photon b und kommt der Beobachter aus der anderen Richtung noch einmal umgekehrt. Es bleibt also offen, welche Messung die andere beeinflusst)
http://homepage.univie.ac.at/Franz.Embacher/Quantentheorie/EPR/
B) Tests mit dem Mach-Zehnder Interferometer.
Aus diesem Experiment lässt sich sehr schön ebenfalls die nichtlokalität erschließen. Aber auch, dass anders als in der klassischen Anschauung das Gesamtsystem das Verhalten einzelner Teile davon beeinflusst.
http://homepage.univie.ac.at/Franz.Embacher/MERLIN_MPI/konzept.htm
C) Test mit der Verschränkung dreier Photonen.
M.E. der stärkste Schlag gegen den Determinismus. Plakativ: gewisse Eigenschaften von Teilchen sind vor der Messung nicht gegeben. Es gibt quasi keinen definierten IST-Zustand, von dem aus ein allwissender Dämon ausgehen könnte.
http://homepage.univie.ac.at/Franz.Embacher/MERLIN_MPI/quspiel.doc

Es macht allerdings erst dann Sinn, über die Bewertung dieser Tests zu sprechen, wenn man sich das Zeug durchliest. Keine Angst - die links beinhalten maximal Gymnasialschulmathematik - sonst hätte ich auch nichts verstanden - machen aber trotzdem einen sehr seriösen Eindruck.

Grüße,
hel



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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-11, 21:20 Uhr
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Hallo Joy,

das sind gerade die Beiträge zum Thema Quantenphysik, die niemandem weiterhelfen, weil sie nullkommanix Inhaltliches dazu sagen, aber großartige Schlüsse daraus ziehen.

Anstatt in Ehrfurcht vor der Unbegreiflichkeit zu erschauern, und aus den Sonntagsreden von Nobelpreisträgern zu zitieren, sollten wir die Theorie verständlicher machen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf Kausalität und Logik iin der Quantenphysik liegen. Leider sind Physiker und Mathematiker nicht immer die besten Didaktiker.

Eine Passage zur Quantenlogik.(Abrazo wandte sich gegen Formulierungen, dass ein und dasselbe Teilchen zugleich an zwei verschiedenen Orten sein könne.)
"Die Quantentheorie, insbesondere die Theorie des Messprozesses, zeigt jedoch, dass die Gewinnung neuer Informationen - etwa die Feststellung, dass die Eigenschaft B vorliegt - nicht nur die Wahrscheinlichkeit für die beobachtete Eigenschaft B ändert, ... sondern dass sich auch die Wahrscheinlichkeiten aller anderen Eigenschaften ändern. ...

Solange man jedoch an der Logik in ihrer klassischen Gestalt festhält, ist eine gleichzeitige Objektivierung der Eigenschaften A und B nicht möglich. ... Die Behauptung, dass bestimmte Kenntnisse, die das Subjekt von dem Objektsystem hat, verloren gehen können, verliert ihren paradoxen Charakter, wenn man beachtet, dass sich bereits bekannte Eigenschaften nicht durch bloße Kenntnisnahme anderer Eigenschaften ändern können, sondern nur durch Messung." (aus Mittelstaedt s.o.)

Vielleicht kann man in dieser Weise die ganze Sache etwas nüchterner sehen.

Für mich veranschaulicht die Quantenphysik sehr klar die Unangemessenheit der deterministischen Uhrwerk-Analogie in Bezug auf die Wirklichkeit.

Grüße an alle von Eberhard.
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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-12, 07:53 Uhr
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Hallo allerseits,

In der Physik ergab sich zu Anfang des letzten Jahrhunderts das Problem, dass es nicht gelang, Ort und Impuls von Teilchen des subatomaren Bereichs gleichzeitig zu bestimmen. Es konnten nur Wahrscheinlichkeiten hierfür ermittelt werden. Durch die Entwicklung der Quantenmechanik gelang es, auch diese Vorgänge exakt zu beschreiben und theoretisch zu erklären.

Man kann sich das Problem veranschaulichen anhand der Schwierigkeit, einen Kolibri zu fotografieren.

Nimmt man eine Belichtungszeit von 1/10 Sekunde, dann erscheinen die Flügel auf dem Foto durch die schnelle Bewegung verwischt. Man erkennt keinen bestimmten Ort, an dem sich die Flügel zum Zeitpunkt der Aufnahme befinden.

Wählt man eine sehr kurze Belichtungszeit von 1/1000 Sekunde, so erhält man zwar ein Bild, das die Flügel an einem bestimmten Ort zeigt. Jedoch ist jetzt aus dem Foto nicht mehr die Bewegung der Flügel zu ersehen. (Diese Analogie fand ich in dem populärwissenschaftlichen Buch "Faszination Natur und Technik")

Ich sehe gegenwärtig nicht, dass sich aus der Quantenmechanik – außer der bereits genannten Kritik an der Uhrwerk-Analogie der Welt – weitere Konsequenzen für das Determinismus-Problem ergeben.

Ich bin gespannt, was für eine akzeptable Form von Determiniertheit Xenon vorstellen will.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-12, 14:03 Uhr
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Hallo allerseits,

dass das Fotografieren eines Kolibris kein Messvorgang im subatomaren Bereich ist, ist wohl selbstverständlich, jonny. Deshalb habe ich ja von einer Analogie gesprochen. Ein schlüssiges Argument gegen diese Veranschaulichung sehe ich bisher nicht.

Dass die Vorgänge im subatomaren Bereich nicht beobachtbar und nicht anschaulich sind, weiß ich nicht erst, seit die Reden von Nobelpreisträgern im PhilTalk wiedergeben werden.

Das konnte man schon vor 50 Jahren etwa in dem Fischer Taschenbuch "Einstein und das Universum" von L. Barnett nachlesen, das immer noch bei mir im Regal steht.

Die abenteuerlichen Schlussfolgerungen, die von manchen Leuten aus der modernen Physik gezogen werden, sind durch die Ergebnisse der physikalischen Forschung leider nicht belegt.

So schrieb z. B. Joy im Anschluss an einen Text von Zeilinger: "Das heißt vor allem, dass wir nicht mehr sagen können, dass diese Teilchen als Grundlage der Materie überhaupt als solche, real, da sind."

Dann beschleunigt also ein Teilchenbeschleuniger (eines der wichtigsten Forschungsinstrumente der Physiker), etwas, das real gar nicht da ist.

Na ja. Logik ist nicht jedermanns Sache.

meint Eberhard.
jonny

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-12, 18:22 Uhr
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Hallo jonny,

Du schreibst, dass 50 Jahre in der Physik eine sehr, sehr lange Zeit sind.

Einsteins Relativitätstheorie ist mehr als doppelt so alt.

Zu dem Buch von Barnett schrieb er 1948 das Vorwort.

Noch eine letzte Frage an jonny: Gibt es Elektronen?

Grüße an alle von Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Xenon am 2006-12-14, 00:53 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Eberhard,

leider habe ich die Woche über kaum Zeit, aber vielleicht kann ich mein Determinismus-Konzept doch noch einmal kurz erläutern.

Ausgangspunkt Quantenphysik. Es mag sein, jonny, dass Elektronen kollabierten, wenn sie klassisch und nicht quantenmechanisch funktionieren würden (was immer das genau heißen mag). Die andere Frage ist jedoch, ob sich der quantenmechanische Indeterminismus in der klassischen Welt (Makrowelt) fortpflanzt.

Das ist m.E. jedenfalls umso mehr NICHT der Fall, wie die klassische Welt Strukturen höherer Ordnung aufweist, wir es also nicht mit einem reinen Chaos zu tun haben.

"Strukturen höherer Ordnung" gibt es ja bereits in der unbelebten Welt reichlich: Als solches verstehe ich bereits Moleküle, Zuckerkristalle, ein Regentropfen, Wolken usw.
Das Verhalten von derlei Strukturen ist nicht völlig unvorhersehbar, sondern zeit- und ortsgebunden beschreibbar. Will heißen: Ein Molekül, das ein Wissenschaftler im Mikroskop beobachtet, verschwindet nicht einfach plötzlich aus der Petrischale – ebenso wenig wie das Wasser in meiner Badewanne.

Mögen die kleinsten Bestandteile der Materie sich einer "Greifbarkeit" entziehen und chaotisch irrlichtern, so erfolgt dieses "Irrlichtern" immerhin nach Gesetzmäßigkeiten, welche sich durch eine Wahrscheinlichkeitsfunktion beschreiben lassen und sich nach dem Gesetz der großen Zahl statistisch ausmittelt. Umso mehr die kleinsten Bestandteile in Strukturen höherer Ordnung eingefügt sind, umso weniger kann der quantenmechanische Zufall sich in der Makrowelt auswirken.

Man stelle sich mal einen einfachen Aufbau von Domino-Steinen vor. Zehn Dominosteine stehen in einer Reihe. Der erste Dominostein wird angestoßen, fällt um, stößt den zweiten um usw., bis schließlich der zehnte und letzte ebenfalls umgefallen ist. Kann man hier nicht davon sprechen, das Geschehen sei "determiniert" (unter Außerachtlassung des Ursprungs eines allerersten Anstoßes, versteht sich) ? Die quantenphysikalische Unbestimmtheit scheint hier doch jedenfalls keine Rolle mehr zu spielen (?).

Nun lässt sich ein komplexerer Aufbau von Dominostein denken. Man könnte sich ja beispielsweise vorstellen, dass die Dominosteine mit einer Feder versehen werden und sich nach einer kurzen Zeitverzögerung wieder von selbst aufrichten würden und somit Teil des aktiven Aufbaus bleiben könnten.

Weiter wäre denkbar, dass ein Dominostein mehrere "Nachbarn" haben könnte. So ließe sich ganz sicher ein sinniger Aufbau vorstellen, der zu komplexen Rechenoperationen fähig wäre. Der "Input" könnte darin bestehen, dass jeweils die ersten Steine bestimmter Reihen des komplexen Aufbaus angestoßen werden. Die Dominosteine könnte man dann als die elementaren Bestandteile eines komplexen Systems auffassen. .

Immer noch ließe sich sagen, dass das System determiniert sei, weil das Verhalten der einfachsten Strukturelemente eindeutig beschrieben werden kann: Ein Dominostein fällt um, weil der benachbarte Dominostein umgefallen ist (der quantenmechanische Indeterminismus spielt dabei keine Rolle).

Ebenso wie bei einem noch so komplexen Computerprogramm ein Bit nur zwei Zustände annehmen kann: 0 oder 1, so gibt es auch für einen Dominostein nur zwei Zustände: Umfallen oder Stehenbleiben. Diese "Information" wird nach dem Prinzip Ursache-Wirkung weitergegeben an benachbarte Dominosteine. Funktioniert unser Gehirn nicht nach einem ähnlichen Muster, nur unvergleichlich viel komplexer aufgrund der Myriaden von Vernetzungen?

Betrachtet man das Gesamtverhalten eines Systems, mag dieses in einem praktischen Sinne unvorhersehbar sein. Diese Unvorhersehbarkeit beruht jedoch lediglich auf einer Zunahme an Komplexität und nicht aus einer Außerkraftsetzung des Ursache-Wirkungs-Prinzips. Kann man dann nicht sagen, dass in diesem Sinne sind auch komplexe Systeme determiniert sind?

fragt Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hel am 2006-12-14, 06:45 Uhr
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Hallo Xenon, hallo miteinander

on 12/14/06 um 00:53:28, Xenon wrote:....
Die andere Frage ist jedoch, ob sich der quantenmechanische Indeterminismus in der klassischen Welt (Makrowelt) fortpflanzt.

Das ist m.E. jedenfalls umso mehr NICHT der Fall, wie die klassische Welt Strukturen höherer Ordnung aufweist, wir es also nicht mit einem reinen Chaos zu tun haben.
.....

Man stelle sich mal einen einfachen Aufbau von Domino-Steinen vor. .....
Man könnte sich ja beispielsweise vorstellen, dass die Dominosteine mit einer Feder versehen werden und sich nach einer kurzen Zeitverzögerung wieder von selbst aufrichten würden und somit Teil des aktiven Aufbaus bleiben könnten.
.....
Kann man dann nicht sagen, dass in diesem Sinne sind auch komplexe Systeme determiniert sind?


Aber was ist mit denjenigen Systemen in der klassischen Welt, die als chaotische Systeme beschrieben werden? Darunter fallen interessanter Weise auch die Planetenbewegungen, die früher ja als das Paradebeispiel determinierbarer Prozesse galten. Hier haben wir das Phänomen, dass beliebig kleine Unterschiede in der Ausgangssituation nach einem gewissen Zeitfaktor große Unterschiede im Ergebnis haben. In diesen Systemen könnten theoretisch auch minimalste quantenphysikalische "Zufälle" eine Rolle spielen, die sich eben nicht ausmitteln.
Generell kommen weiters die Momente in Systemen in Frage, wo sich sie sich in einem labilen Gleichgewicht befinden. Beim Beispiel mit den Dominostein beim Wiederaufrichten durch den Federzug. Da könnte es einen Moment geben...wo es nach dem Federzug vollständig "auf der Kippe steht" ob der Dominostein stehenbleibt oder nach hinten auf die andere Seite umkippt.
Analog beim Menschen: während gewisse Rekationen und Verhaltensweisen stark determiniert sind, gibt es vielleicht auch bei uns Momente labilen Gleichgewichts, wo wir einfach nicht wissen können, was wir als nächstes tun.

Mein Modell wäre also: die klassischen Systeme sind über große Strecken deterministisch, haben aber "Knotenpunkte" labilen Gleichgewichts, in denen der Zufall (entsprechend der jeweiligen quantenphysikalischen Wahrscheinlichkeitsverteilung) entscheidet wie es dann weitergeht. Weiter geht es dann wieder eine weil deterministisch, bis wir an den nächsten Knotenpunkt kommen.

Wäre interessant - sieht eigentlich die Neurologie das Gehirn als "chaotisches System" an? Gibt es da schon Aussagen?

Grüße,
hel

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hel am 2006-12-14, 10:19 Uhr
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hallo jonny

on 12/14/06 um 09:20:15, jonny_W. wrote:Beispiel: In welchem Zustand befindet sich ein normaler Würfel, nachdem er mittels Würfelbecher geschüttelt und danach unsichtbar unter diesem auf den Tisch gestülpt worden ist? Ist das Ergebnis schon entschieden und wir wissen es nur noch nicht, oder ist es tatsächlich noch offen?
Die Frage kann aufs Experiment gebracht werden.

Frage: In welcher Form liegen unbeobachtete Makro-Quantensysteme vor?


Ich würde, bevor ich meinen Tipp agbebe noch nachfragen: unbeobachtet oder unbeobachtbar? Ein normaler Würfelbecher mit seinen Würfeln ist ein System das über Temperatur, Druck auf die Tischplatte, elektromagnetischen Kräften etc. derart viel Wechselwirkung mit seiner Umgebung hat, dass ich ihn unter die "Objekte" die einen Zustand auch dann haben, wenn ich sie nicht beobachte, weil es prinzipiell beobachtbar ist, einreihen würde.

Grüße,
hel

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard---------- am 2006-12-14, 12:26 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Xenon,

Du entwirfst ein System, dessen elementare Bestandteile Dominosteine sind, die sich in zwei möglichen Zuständen befinden können: aufrecht oder liegend. Sie kippen vom aufrechten in den liegenden Zustand, wenn ein benachbarter Dominostein kippt. Ein solches System könnte nun eine höchst komplexe Struktur haben, so dass sein Verhalten praktisch nicht vorhersagbar ist.

Diese Unvorhersehbarkeit beruht dabei lediglich auf einer Zunahme an Komplexität und nicht auf einer Außerkraftsetzung des Ursache-Wirkungs-Prinzips.

Du fragst: "Kann man dann nicht sagen, dass in diesem Sinne auch komplexe Systeme determiniert sind?"

Wenn man Deine Prämissen zugrunde legt, müsste man wohl zustimmen. Das Problem liegt jedoch in den Prämissen.

Hel hat bereits eingewandt, dass es möglicherweise weitere Zustände der Dominosteine gibt – etwa einen labilen Gleichgewichtszustand zwischen Kippen und Stehen, dessen Ausgang nicht auf der Makroebene der Mechanik starrer Körper entschieden wird, sondern eventuell auf subatomarer Mikroebene.

In ähnlicher Weise würde ich die Prämisse "elementarer Bestandteile" in Frage stellen.

Wir werfen unsere Begriffssysteme über die Wirklichkeit und meinen, sie damit ein für allemal eingefangen zu haben. Aber nach einigen Jahren, manchmal Jahrzehnten und vielleicht sogar erst nach Jahrhunderten erweisen sich diese vermeintlich elementaren Bestandteile ihrerseits als komplex strukturierte Gebilde. Das Atom (griechisch: das Unzerschneidbare, das Unteilbare) wird gespalten.

Jede Antwort der Wissenschaft führt zu neuen Fragen. Ich sehe nicht, dass wir jemals sicher sein können, die letzten elementaren Bestandteile der Welt entdeckt zu haben.

Ich sehe auch keinen Grund, die Existenz "letzter" Bausteine zu postulieren.

Grüße an alle, denen es um einen Fortschritt in der Sache geht, von Eberhard.

p.s.: Hallo jonny: War meine Frage an Dich zu schwer?

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Abrazo am 2006-12-14, 14:00 Uhr
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Quote:IMHO hängt alles davon ab, daß aus an sich bedeutungsloser Quanteninformation Bedeutung also klassische Information wird. Bedeutung kann es nur für Subjekte als Empfänger von Information geben. Bedeutung wird IMHO erst im Empfänger erzeugt.

Jenau.
Und deswegen sind (!) Quanten keine Informationen.
Informationen gewinnen wir aus der Beobachtung.
Beobachtung von dem, was sich überhaupt durch uns beobachten lässt.
Wenn wir Wirkungen auf Beobachtbares haben, dessen Ursache Unbeobachtbares ist, dann ist zu fragen, was wir warum beobachten können.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Abrazo am 2006-12-15, 10:39 Uhr
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Quote:Man könnte Dein Verständnisproblem lösen, indem jeder von sich in der dritten Person unter Angabe eines eindeutigen Namens spricht, anstatt "jetzt" immer das konkrete Datum und die Uhrzeit sagt und statt "hier" eine Ortsbezeichnung nach Breiten und Längengraden abgibt. Weil wir Menschen aber faul sind, verwenden wir diese Abkürzungen.


Stimmt nicht, hel.

Mit "ich" ist etwas anderes gemeint als mit dem eigenen Namen.
Probier's aus: "Ich bin der Ansicht, dass ..." vs. "Hel ist der Ansicht, dass ...". Beide Aussagen beschreiben zwar dasselbe, jedoch quasi in unterschiedlichen Farben.

Und ich zumindest verwende, je nachdem, was ich meinen Worten an Bedeutung mitgeben will, beide Möglichkeiten.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hel am 2006-12-15, 13:24 Uhr
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on 12/15/06 um 10:39:24, Abrazo wrote:Stimmt nicht, hel.

Mit "ich" ist etwas anderes gemeint als mit dem eigenen Namen


Es "fühlt sich anders an", da hast Du schon recht. Aber inhaltlich hat es nun mal die gleiche Bedeutung. Wenn ich sage "hel ist müde" oder "ich bin müde". So gibt es keinerlei i n h a l t l i c h e n Unterschied.

Grüße,
hel

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Abrazo am 2006-12-15, 16:22 Uhr
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Doch, Hel, den gibt es, den inhaltlichen Unterschied. Aber er ist kompliziert und mir noch nicht hunderprozentig klar.

Ich sage: Hel ist müde. Wie komme ich dazu? Zum Beispiel, indem ich gesehen habe, dass Hel gegähnt hat. Daraus und vielleicht aus seinem sonstigen Verhalten schließe ich: aha, der ist müde. Ich schließe das. Damit binde ich aber Hels gegenwärtigen Zustand gleichzeitig ein in einen Prozess, der eine Ursache hat - für die Müdigkeit - und eine Folge - der geht bald ins Bett oder schläft so ein oder kriegt nicht mehr alles so mit.

Was geschieht, wenn ich sage, "Abrazo ist müde"? Woraus schließe ich das? Muss ich in den Spiegel gucken, um das festzustellen? Aus der Tatsache, dass ich müde bin, schließe ich, dass Abrazo müde ist. Lachhaft, nicht wahr?

Kann man sagen, mein Empfinden ist die Prämisse, die zusammen mit im Wort festgehaltenen allgemeinen Beobachtungen anderer (och, das Kind reibt sich die Augen, das Kind ist müde) zur Schlussfolgerung Müdigkeit und damit zur Einbindung meines gegenwärtigen Zustandes in einen Prozess kommt? Nicht so ganz, aber irgendwie doch. Ich ordne das, was ich empfinde, in einen allgemeinen Zusammenhang. Ein Zusammenhang, der mir sozial vermittelt wurde. Ohne den ich nichts sagen kann. Nicht nur, weil ich die Worte nicht kenne, die das, was ich empfinde, bezeichnen, sondern weil ich diesen ordnenden Zusammenhang gar nicht hätte. Ich wüsste mit meinen Empfindungen gar nichts anzufangen. Ich könnte zwar auf sie reagieren, wie der Hund mit dem Schwanz wedelt, wenn er einen begrüßt, aber ich könnte sie nicht in einen Prozess einordnen. Heißt, ich könnte auch nicht wissen, was ich danach tun werde (wozu es mich danach treibt), und dann auch nicht entscheiden, ob ich mich dazu denn treiben lassen soll oder ob es nicht eine Möglichkeit gibt, das vorab zu verhindern, wozu es mich treiben wird.

Ich könnte allerdings wissen, was geschehen wird, aus Erfahrung. Immer wenn ich müde bin, suche ich mir einen Platz zum schlafen. Die Regel.

Es ist eine isolierte Erfahrung. Für solche Erfahrungen brauche ich keinen sozialen Abgleich.

Da ist einiges miteinander vermischt. Und das auseinander zu klamüsern, ist verdammt schwierig.

Was heißt: "ich weiß, dass das meine Hand ist?"
(Bin jetzt wieder bei Wittgenstein angekommen)


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-15, 16:49 Uhr
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Hallo allerseits,

(vorweg: Abrazo war wohl schneller)

auch wenn es nicht zum Thema gehört. Die Sätze: "Ich schreibe gerade einen Beitrag" und "Eberhard schreibt gerade einen Beitrag" sind semantisch gleiche Aussagen, sie bedeuten dasselbe.

Manchmal ist es jedoch auch wichtig, wer eine Aussage macht, ob ich über mich oder ein anderer über mich. Wenn ich sage: "Ich habe Zahnschmerzen" dann hat das ein anderes Gewicht als wenn ein anderer sagt: "Eberhard hat Zahnschmerzen". Denn woher will er das wissen?



Zu dem Satz: "Ich bin Du". Er ist sprachlich problematisch, wenn nicht regelwidrig.

Das Wort "Ich" drückt aus, dass der Sprecher etwas über sich selber aussagt.

Das Wort "Du" drückt aus, dass der Sprecher etwas über den Angesprochenen aussagt (oder fragt).

Letzteres ist bei dem Satz "Ich bin Du" jedoch nicht der Fall.

Der Satz "Ich bin Du" sagt ebenso wenig etwas über den Angesprochenen aus, wie der Satz "Ich bin blond" etwas über Blondheit aussagt.

Erst mit dem Satz: "Ich und Du, wir sind dieselbe Person" macht der Sprecher zugleich eine Aussage über sich und über den von ihm Angesprochenen.

Soviel zu meinem Deutschverständnis.

Grüße von Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von WuWei am 2006-12-15, 19:26 Uhr
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Hallo Eberhard,


on 12/15/06 um 16:49:54, Eberhard wrote:Zu dem Satz: "Ich bin Du". Er ist sprachlich problematisch, wenn nicht regelwidrig.

Der Satz ist eine Andeutung, man darf ihn nicht wörtlich verstehen. Oder sagen wir: es kommt auf die Ebene der Betrachtung an.

Man könnte ebenso sagen: ich ist ich, egal wer es sagt.

Wer "ich" sagt, meint normalerweise damit seine Person, seine körperlich-geistige Erscheinung. Aber dennoch bin "ich" mir doch dieser Person mit all ihren Eigenarten, dieser körperlich-geistigen Erscheinung bewusst. So gesehen bin "ich" völlig nicht-objektiv, denn alles, dessen ich mir bewusst bin, ist ein Objekt: mein Körper, meine Gefühle, meine Gedanken. Das "ich" kann sich selbst also nicht fassen. (siehe dazu das Subjekt-Verständnis von Wittgenstein auf Abrazos Homepage).

Dieses sich selbst nicht fassende "ich" ist also nicht-objektiv und damit nicht zu unterscheiden von "anderen" ichs. Es hat ja keine Merkmale, um unterschieden werden zu können.

Auf dieser Ebene also bin ich du. Aber das ist missverständlich, denn mit "du" kann ich ja nur eine Person, also z.B. deine Person, meinen. Sowenig wie ich ein "ich" in meiner Person finde, finde ich eines in deiner Person. Und daher bin ich auf der persönlichen Ebene von dir verschieden. Sonst könnten wir ja auch nicht so schön diskutieren ;-)

viele Grüße,
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hel am 2006-12-15, 20:34 Uhr
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Hallo wuwei,

on 12/15/06 um 19:37:55, WuWei wrote:.....Warum aber fühlt es sich anders an? Vielleicht weil da die Ahnung ist, doch nicht einfach nur diese körperliche Erscheinung zu sein?


Wenn ich jetzt z.B. sage "wuwei versucht zu verstehen, was ich schreibe". Dann gehe ich nicht davon aus, dass wuwei nur eine körperliche Erscheinung ist. Ich projiziere - in diesem Fall eigentlich nur auf ein set von mail-postings, die ja von verschiedenen leuten stammen könnten - elemente meines eigenen Erlebens: nachdenklich sein, versuchen verständnis zu erlangen, Sympathie oder Asympathie, Gefühle, Empfindungen etc...
Ich weiss natürlich, dass dies nur eine Projektion ist und sich nicht beweisen lässt, in welchem maße sie zutrifft oder nicht. Wenn Du willst, ein Glaube.
Ich habe auch keine Ahnung wie Körper und - sagen wir mal - Geist Bewußtsein miteinander gekoppelt sind. Es schaut nur so aus, als ob der Geist Bewußtsein eben mit dem Körper entsteht und sich mit ihm auch wieder verabschiedet. - Was mir halt, so ich dran denke, als Zukunftsperspektive immer wieder mal Bauchschmerzen verursacht.

Grüße,
hel

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von WuWei am 2006-12-15, 20:52 Uhr
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Hallo Hel,


on 12/15/06 um 20:25:14, hel wrote:Ich hatte die Aussage joys:

"ICH BIN DU = DU BIST ICH = ICH BIN (ist) ALLES (selbst)"

Als Aussage der Identität zwischen Ich, Du und dem sonstigen Universum verstanden. Diese Identität will ich mit meiner obigen Begründung bestreiten. Wenn Du jetzt antwortest, dass das keiner sage, was tust Du dann:
sagst Du dass dieser Anspruch gar nicht existiert und die Worte joys etwas ganz anderes bedeuten?
Wenn ja, würde ich gerne verstehen, was er eigentlich sagen will.



Er will sagen, dass die Erscheinungen alle verschieden, aber in dem, was sie SIND, identisch sind.

Mein beliebtes und naives Beispiel:
Zinnfiguren sind als Figuren unterschiedlich, aber in dem, was sie SIND (nämlich Zinn), identisch.

Das ist nur ein schwacher Fingerzeig, aber immerhin.

viele Grüße,
WuWei


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hel am 2006-12-15, 20:54 Uhr
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on 12/15/06 um 16:22:57, Abrazo wrote:Doch, Hel, den gibt es, den inhaltlichen Unterschied. Aber er ist kompliziert und mir noch nicht hunderprozentig klar.


Ich kann Dir eigentlich nur konzidieren, dass die beiden Sätze:
a) Ich bin müde.
b) Hel ist müde.
unterschiedliche Informationen tragen.
Wenn wir uns z.B. auf der Strasse treffen und Du kennst mich nicht bei Namen dann gibt dir a) die Information darüber, wer müde ist, während b) dich darüber im Unklaren lässt. Umgekehrt kannst Du, wenn Du z.B. nur eine Tonbandaufzeichnung hörst, bei a) nicht wissen, wer da müde ist, bei Variante b) schon. (So du nicht die Stimmen erkannt hast. Und so weiter.
Aber die Behauptung des Sachverhalts, die Satzaussage selbst ist identisch.

Grüße,
hel

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-15, 21:13 Uhr
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Hallo WuWei,

Du schreibst:
" Wer "ich" sagt, meint normalerweise damit seine Person, seine körperlich-geistige Erscheinung. Aber dennoch bin "ich" mir doch dieser Person mit all ihren Eigenarten, dieser körperlich-geistigen Erscheinung bewusst. So gesehen bin "ich" völlig nicht-objektiv, denn alles, dessen ich mir bewusst bin, ist ein Objekt: mein Körper, meine Gefühle, meine Gedanken. Das "ich" kann sich selbst also nicht fassen. (siehe dazu das Subjekt-Verständnis von Wittgenstein auf Abrazos Homepage)."

Ehrliche gesagt, ich kann Dir in Deinen Schlüssen nicht folgen ("Das 'ich' kann sich selbst also (?) nicht fassen.")

Ich kann mich selber körperlich anfassen, und ich kann mich selbst bewusst denkend erfassen.

Da hab ich keine Probleme,

versichert Dir Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-15, 21:24 Uhr
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Hallo Joy,

wenn Du wirklich in Deiner Sprache konsequent sein willst, dann solltest Du als allererstes nicht immer zwischen den Ebenen springen, wie es Dir gerade passt, sondern Du solltest die illusionären Objekte der Welt auch immer als solche kennzeichnen.

Wenn Du also auf der non-dualen Ebene formulierst, solltest Du nicht von "Eberhard" sprechen, sondern vom "illusionären" oder "scheinbaren Eberhard",

meint Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Joy am 2006-12-15, 22:33 Uhr
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on 12/15/06 um 21:24:07, Eberhard wrote:Hallo Joy,

wenn Du wirklich in Deiner Sprache konsequent sein willst, dann solltest Du als allererstes nicht immer zwischen den Ebenen springen, wie es Dir gerade passt, sondern Du solltest die illusionären Objekte der Welt auch immer als solche kennzeichnen.

Wenn Du also auf der non-dualen Ebene formulierst, solltest Du nicht von "Eberhard" sprechen, sondern vom "illusionären" oder "scheinbaren Eberhard"

Hallo Eberhard,

Dein Einwand bzw. Deine Forderung basiert auf der Annahme, dass Dualität getrennt von Non-Dualität sei. Ist es aber nicht. Dualität und Nondualität sind eins. Nondual ist die bewusst-geistige Erlebens-Wirklichkeit. Dual ist deren sprachlich-geistige Reflexion. Nondual zu formulieren ist nur in Paradoxen möglich, wie z.B. "Ich bin alles und ich bin zugleich nichts".

Ich schreibe, reflektiere verbal sozusagen über die nonduale Wirklichkeit, kann dies aber nur in dualistischer Weise, da Sprache dualistisch ist. Aber Sprache, Reflektion, ist nicht die Wirklichkeit selbst, sondern nur deren geistige Spiegelung.

Schau mal hier (http://www.philtalk.de/cgi-bin/YaBB.cgi?action=display;board=logic;num=1161790261;start=165#170) in diesem Beitrag, ich zitiere da aus einem Buch, in dem der amerikanische Autor ebenfalls aussagt "Wenn ich also weiß, wer ich bin, bin ich Sie und Sie und Sie und so weiter. Von Ihrem Standpunkt aus, sind Sie ich und er und sie und so weiter." Siehst Du, wieder wer, der das selbst erkannt hat. Der schreibt auch ebenso "Die Wahrheit ist, dass Alles und Nichts das gleiche sind und wir beides sind."

Und, Eberhard, ich springe auch nicht wirklich zwischen den "Ebenen". Diese "Ebenen" sind nur verschiedene sich aber zu einem Ganzen vereinende Sichtweisen und existieren nicht getrennt real für sich selbst. Sie dienen fragmentarisch nur der Veranschaulichung, bilden verschiedene Betrachtungs-Kontexte, um auf das, was-wirklich-IST, sprachlich metaphorisch zu verweisen. Den Zusammenhang zu erkennen, erfordert aber ein Loslassen von Konzepten, die allein für sich für wahr und wirklich geglaubt werden und doch nur konditionierte Glaubensannahmen sind.

Joy
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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Abrazo am 2006-12-15, 23:33 Uhr
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Hi Hel,

Quote:Aber die Behauptung des Sachverhalts, die Satzaussage selbst ist identisch.
Ne, isse nich.
Ich bin nicht Du.
Heißt: ob Du an meinem Verhalten feststellst, dass ich müde bin, oder ob Du das von mir hörst, das ist ein und derselbe Sachverhalt, der von Dir zur Kenntnis genommen wird. Er wird mittelbar zur Kenntnis genommen, denn Du bist angewiesen auf Deine Beobachtung; darin kannst Du Dich irren oder ich kann Dich belügen. Jedenfalls kannst Du Dir nicht hundertprozentig sicher sein.
Es macht da für Dich auch in puncto Sachverhalt keinen Unterschied, ob ich sage "ich bin müde" oder ob ich sage "Abrazo ist müde".

Aber ist das auch der Fall, wenn Du sagst, "ich bin müde"?
An welchen Symptomen machst Du das fest - und kannst Du Dich da irren?
(Ich rede nicht von der Ursache; vielleicht hast Du gar nicht zu wenig geschlafen, vielleicht hat man Dir ein Schlafmittel verpasst. Ändert aber nichts an der unverbrüchlichen Wahrheit Deiner Aussage.)
Stell Dir vor, ich gähne, und sage dann "tja, wie's aussieht, ist Abrazo müde." Wie interpretierst Du das? So, dass Du fragen würdest, ob mein Schluss nicht irrtümlich ist?
Der Sachverhalt ist ein anderer. Denn er ist zentral dadurch bestimmt, dass ich selber die Sache bin, die sich verhält.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Xenon am 2006-12-16, 08:11 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo hel,

ist es erlaubt, zwischendurch mal wieder auf das eigentliche Thema dieses Threads zurückzukommen? (wer hier ein gewisses Grummeln zwischen den Zeilen liest, hat sich nicht verhört).

Hel, gern gehe ich auf Deine wie immer fundierten Einwände ein und hoffe ihnen halbwegs Rechnung zu tragen. Leider steht mir auch an diesem WE nur wenig Zeit zur Verfügung, so dass meine Antwort auch nur recht kurz und vielleicht nicht immer wohldurchdacht ausfallen kann.


on 12/14/06 um 06:45:15, hel wrote:Aber was ist mit denjenigen Systemen in der klassischen Welt, die als chaotische Systeme beschrieben werden? Darunter fallen interessanter Weise auch die Planetenbewegungen, die früher ja als das Paradebeispiel determinierbarer Prozesse galten. Hier haben wir das Phänomen, dass beliebig kleine Unterschiede in der Ausgangssituation nach einem gewissen Zeitfaktor große Unterschiede im Ergebnis haben. In diesen Systemen könnten theoretisch auch minimalste quantenphysikalische "Zufälle" eine Rolle spielen, die sich eben nicht ausmitteln.


Da erwischst Du mich auf dem falschen Fuß. Ich habe Planetenbewegungen immer als Inbegriff von Determinismus gesehen. Ist es nicht so, dass wir nach wie vor die Zeitpunkte von künftigen oder vergangenen Sonnenfinsternissen exakt ermitteln können, über Zeiträume von Zehntausenden von Jahren?

Besonders dann, wenn ein quantenmechanischer Zufall Ausgangspunkt für das Entstehen und die "Erstausstattung" eines Zustands bzw. Systems ist, dann hast Du wohl recht, dass sich solche Effekte multiplizieren können. Ich habe ja bereits eingeräumt, dass der Determinismus in einem ganz strengen Sinne von mir nicht mehr vertreten wird. Vielleicht stand sogar am Anfang von allem ein quantenmechanischer Zufall?
[/quote]



on 12/14/06 um 06:45:15, hel wrote:Generell kommen weiters die Momente in Systemen in Frage, wo sich sie sich in einem labilen Gleichgewicht befinden. Beim Beispiel mit den Dominostein beim Wiederaufrichten durch den Federzug. Da könnte es einen Moment geben...wo es nach dem Federzug vollständig "auf der Kippe steht" ob der Dominostein stehenbleibt oder nach hinten auf die andere Seite umkippt.



Zugegeben. Aber wäre das "Verhalten" der Dominosteine in dieser Weise unspezifiziert und dem quantenmechanischen Zufall ausgeliefert, würde der Aufbau als informationsverarbeitendes System wohl auch nichts taugen und man müßte ihn modifizieren (z.B. durch eine Sperre, die verhinderte, dass der Stein in die andere Richtung schwingen könnte). Ein informationsverarbeitendes System braucht m.E. diese Verläßlichkeit der Strukturelemente.

Nehmen wir mal das Beispiel mit der sog. "Großmutter-Zelle". Die Vorstellung, dass ein bestimmtes Neuron meine Großmutter repräsentiert, ist natürlich totaler Blödsinn. In Wirklichkeit steckt ein komplexes neuronales Muster dahinter. Die Neurowissenschaft ist wohl noch Lichtjahre davon entfernt, Zuordnungen zwischen Neuronenverbänden und konkreten Repräsentationen / Symbolen vornehmen zu können. Aber irgendwie scheint es doch eine neuronale Codierung für meine Großmutter zu geben. Die Codierung muss funktionieren, sonst "funktioniert" auf höherer Ebene das Denken nicht, auf der wir ja mit diesen Symbolen jonglieren. Was könnte ein quantenmechanischer Zufall hier anderes bewirken als Chaos und ein Fehlfunktion des Systems?


on 12/14/06 um 06:45:15, hel wrote:Analog beim Menschen: während gewisse Rekationen und Verhaltensweisen stark determiniert sind, gibt es vielleicht auch bei uns Momente labilen Gleichgewichts, wo wir einfach nicht wissen können, was wir als nächstes tun.



Ich denke nicht, dass solche Empfindungen der Unschlüssigkeit irgend etwas mit einer Unbestimmtheit des Systems auf niederer Stufe zu tun haben. Ebenso wenig wie ein Fehler im Kopfrechnen darauf zurückzuführen ist, dass im Gehirn etwas akausal zugeht. Beim Denken wirkt sozusagen ein anderer Modus. In der "Unschärfe" beim Denken spiegelt sich eben wieder, dass auf der höheren Beschreibungsstufe symbolische Repräsentationen der Wirklichkeit miteinander jonglieren.

Der Taschenrechner beispielsweise hat keine symbolische Vorstellung von der Zahl "vier", er vermag seine Rechenoperationen nicht auf einer höheren Bedeutungsstufe zu interpretieren. Damit können ihm auch keine Fehlinterpretationen unterlaufen. Gerade seine "Dummheit" führt hier zur Fehlerlosigkeit.

Dass wir nicht wissen können, was wir als nächstes tun, liegt eben auch daran, dass für uns das determinierte Geschehen niederer Stufe "versiegelt" ist. Wir betrachten das System aus der Perspektive der Repräsentationsebene (deren bedeutendste Repräsentation das "ICH" ja selbst darstellt) und da diese ja auf dem neuronalen Substrat basiert, ist uns eine Reduktion des "ICH" auf dieses Substrat nicht möglich (logisches Paradoxon, s. auch Eberhards Kopfdrehbeispiel).

Eine kurze Anmerkung noch zum sogenannten spontanen Handeln. Wenn wir uns im "Zustand labilen Gleichgewichts" befinden, entscheiden wir uns ja häufig "aus dem Bauch heraus" entweder für die eine oder die andere Alternative. Unsere "Fähigkeit" zu dieser Spontaneität empfinden wir ja gemeinhein als Ausdruck von Freiheit. Aber auch diese Spontaneität rechnen wir ja unserer Person zu und führen sie nicht auf einen "echten Zufall" zurück. Das wäre auch höchst unbefriedigend. Leider fehlt mir jetzt die Zeit, diesen Gedanken weiter auszubuchstabieren.



on 12/14/06 um 06:45:15, hel wrote:Mein Modell wäre also: die klassischen Systeme sind über große Strecken deterministisch, haben aber "Knotenpunkte" labilen Gleichgewichts, in denen der Zufall (entsprechend der jeweiligen quantenphysikalischen Wahrscheinlichkeitsverteilung) entscheidet wie es dann weitergeht. Weiter geht es dann wieder eine weil deterministisch, bis wir an den nächsten Knotenpunkt kommen.



Hmmmm.... man stelle sich mal vor, es gebe auch bei Computersystemen solche Knotenpunkte, in denen der Zufall über die weitere Programmausführung entscheidet. Computer nutzen bekanntlich den Stromfluß zur Informationsverarbeitung. Elektronenfluß wäre ja durchaus im Quantenbereich angesiedelt. Trotzdem sind Computer der Inbegriff von Determinismus. Warum eigentlich?

Mag sein, dass es die von Dir erwähnten "Knotenpunkte" – Einfallstore des Indeterminismus - gibt, aber ich glaube eher nicht dann, denn diese würden mE das Funktionieren des Systems aus den oben genannten Gründen eher beeinträchtigen als ermöglichen.




on 12/14/06 um 06:45:15, hel wrote:Wäre interessant - sieht eigentlich die Neurologie das Gehirn als "chaotisches System" an? Gibt es da schon Aussagen?



Als "chaotisch" würde ich das Gehirn nicht bezeichnen. Andererseits können wir das menschliche Verhalten und den menschlichen Geist m.E. aber eben auch nicht auf das rein deterministische Geschehen der materiellen Grundlage reduzieren. Das deterministische Geschehen wird sozusagen transzendiert.

Das Wechselspiel zwischen mechanistischer Kausalität und der finalen Kausalität, welche – obwohl doch auf der ersteren Kausalität basierend, diese für sich nutzt – scheint mir hier ein entscheidender Punkt zu sein. Irgendwie scheint mir das grundlegende Paradoxon, das diese verwickelte Hierarchie zwischen den verschiedenen Formen der Kausalität mit sich bringt, der Hintergrund dafür zu sein, dass sich im Laufe der Evolution jene "Instanz" entwickeln und zunehmend von ihrer materiellen Grundlage emanzipieren konnte, die wir "Geist" nennen.


Liebe Grüße
Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-16, 10:57 Uhr
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Hallo Joy,

es gibt gute Gründe für die grammatischen Regeln einer Sprache. Ohne sie verliert die Sprache ihre Verständlichkeit. Die Regeln können sich im Laufe der Zeit ändern, aber ohne diese Regeln kann niemand einem andern etwas mitteilen.

Deshalb sind Sätze wie " 'Ich' sagt: 'mein Körper' " genau genommen sinnleer. Du benutzt ein Pronomen, ein Für-Wort, das für etwas steht ("ich" steht für die jeweilige Person des Sprechers), als Nomen und andere sollen sich dann mit dem entstehenden Kauderwelsch auseinandersetzen. Damit verlangst Du allerhand.

Das Possessiv-Pronomen "mein" drückt die Zugehörigkeit zum jeweiligen Sprecher aus. Dabei kann die Art der Zugehörigkeit recht unterschiedlich sein: "mein Auto" – "das Auto, dessen Eigentümer ich bin", "meine Frage" – "die Frage, die ich stelle", "mein Finger" – "der Finger, der Teil meines Körpers ist", "meine Heimatstadt" – "die Stadt, in der ich aufgewachsen bin", mein Eindruck" – "der Eindruck, den ich habe", "mein Körper" – "der Körper, der zu mir gehört".

Die Verwendung des Wortes "mein" ist keineswegs willkürlich, wie Du meinst, allerdings ist die Art der ausgedrückten Zugehörigkeit unterschiedlich.

Wenn mein Auto in die Schrottpresse gelangt, dann lebe ich weiter. Wenn mein Körper zerstört wird, dann lebe ich nicht weiter.

Ich sehe da kein Problem. Denn Körper und bewusst denkende Person bilden eine Einheit. Nach allen Erfahrungen, die ich dazu machen konnte, sind die Gehirnzellen nach 8 Minuten ohne Sauerstoffversorgung zerstört und damit ist die Fähigkeit zum bewussten Denken ebenfalls verloren. Wesen ohne Körper, die mit mir z. B. gesprochen haben, sind mir bis jetzt nicht begegnet.

Grüße an alle von Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von WuWei am 2006-12-16, 13:32 Uhr
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Hallo Eberhard,


on 12/15/06 um 21:13:33, Eberhard wrote:Ehrlich gesagt, ich kann Dir in Deinen Schlüssen nicht folgen ("Das 'ich' kann sich selbst also (?) nicht fassen.")

Ich kann mich selber körperlich anfassen, und ich kann mich selbst bewusst denkend erfassen.

Klar. Aber wer ist dabei "ich" und wer ist "mich"?

Um bei diesen Begriffen zu bleiben: ich kann mich erfassen, aber ich kann nicht ich erfassen. Verstehst du? Was immer ich erfasse, meinen Körper, meine Gefühle, meine Gedanken, sind "Dinge", die mir bewusst sind. Als dies ist "mich", aber das was sich all dessen bewusst ist - eben "ich" - kann sich nicht erfassen. Es steht quasi für sich selbst im toten Winkel.

viele Grüße,
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von Eberhard am 2006-12-16, 13:45 Uhr
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Hallo WuWei,

in dem Satz: "Ich erkenne mich auf dem Foto wieder" beziehen sich "ich" und "mich" auf die gleiche Person.

Grüße von Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen den Determinismus II
Beitrag von hel am 2006-12-16, 14:33 Uhr
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Hallo xenon
nur ganz kurz zu den Planetenbahnen, anderes später:

on 12/16/06 um 08:11:35, Xenon wrote:Da erwischst Du mich auf dem falschen Fuß. Ich habe Planetenbewegungen immer als Inbegriff von Determinismus gesehen. Ist es nicht so, dass wir nach wie vor die Zeitpunkte von künftigen oder vergangenen Sonnenfinsternissen exakt ermitteln können, über Zeiträume von Zehntausenden von Jahren?


Hat mich auch überrascht. Es gibt aber mittlerweile auch schon einige gute Ressourcen darüber im Internet. Anbei der link zu einem sehr technisch gehaltenen Papier (falls Du selbst Naturwissenschaftler bist sicher interessant), das folgendes Resume bringt:
http://www.eberl.net/chaos/Sem/Krause/D_index.html#5

Quote:5.1 Anwendung der Ergebnisse auf unser Sonnensystem

Da bei dem mit drei beteiligten Massen recht einfachen und überschaubaren Modell des eingeschränkten 3KP, chaotisches Verhalten nachgewiesen werden konnte, ist anzunehmen, daß viel komplexere Systeme, wie etwa unser Sonnensystem auch chaotisches Verhalten zeigen können.

Dies hätte zur Folge, daß sich die Bahnen der Planeten der langfristigen Berechenbarkeit entziehen, weil bei chaotischen, also nichtperiodischen Bahnkurven, jeder noch so kleine Fehler in der Bestimmung der Ausgangsbedingungen multiplikativ zunimmt [4]. Im Gegensatz dazu kann man bei periodisch verlaufenden Bahnen zu jedem beliebigen Zeitpunkt den Ort mit einem gleichbleibenden Fehler berechnen. Der Fehler ist dabei gleich dem Fehler den man bei der Bestimmung der Ausgangsposition macht.

Rechnungen von Jacques Laskar für die Erde deuten darauf hin, daß schon eine Meßungenauigkeit der Erdbahn von 15 Metern nach 100 Millionen Jahren zu einer Ungenauigkeit von 100 Prozent für die Bahnparameter unseres Heimatplaneten führt [4]. Es läßt sich also sagen, daß sich unser Sonnensystem durchaus chaotisch verhalten kann, sich dies aber erst in für uns ungeheuer großen Zeiträumen äußert.

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