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Argumente gegen den Determinismus I


PhilTalk Philosophieforen  Theoretische Philosophie >> Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie >> Argumente gegen Determinismus
(Thema begonnen von: Nonantroph am 2005-03-09, 23:10 Uhr)



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Titel: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Nonantroph am 2005-03-09, 23:10 Uhr
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Hallo,

wer kennt ein nachvollziehbares Argument gegen einen starken Determinismus in diesem Universum ?

Danke !

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2005-03-10, 08:13 Uhr
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Wie meinst du das? Wer oder was sollte denn determiniert sein?

WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von _its_not_me_ am 2005-03-10, 09:20 Uhr
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Ich kann im Detail nicht viel dazu sagen. Aber Emergenz wird hin und wieder als Argument gegen Determinismus gehandelt. "Emergenz" und "Antideterminismus" sind auch gute Suchbegriffe bei gooogle etwa.

Grüße me

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von hel am 2005-03-10, 10:13 Uhr
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Hallo Nonantroph

Ich glaube, die stärksten Argumente gegen einen Determinismus bietet die Quantenphysik. Diese beschreibt das Verhalten nicht nur auf statistischer, also auf nicht-deterministischer Basis, es sind auch alle Versuche, das Verhalten von Quanten mittels verborgener Parameter determinsitisch zu erklären, bis jetzt gescheitert. Gutes Beispiel ist das Verhalten von verschränkten Photonen bei Polarisierungsfilter und Experimente mit dem Mach-Zehnder-Interferometer.
Siehe http://www.ap.univie.ac.at/users/fe/Quantentheorie/
Sehr gut dafür die Links Unterrichtskonzept, Quantenspiel und EPR-Paradoxon.

Beste Grüße,
hel

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-10, 10:24 Uhr
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Hallo nonantroph.

Zum Determinismus ein kleines Gedankenexperiment:

Ich behaupte, dass ich nicht determiniert bin in dem, was ich tue, sondern dass es für mich mehrere Möglichkeiten des Handelns gibt, zwischen denen ich mich entscheiden kann.

Das Experiment beginnt:

Ich setze mich auf einen Stuhl und behaupte, dass ich (zumindest) zwischen den zwei Möglichkeiten wählen kann „Meinen Kopf nach links drehen“ und „Meinen Kopf nach rechts drehen“.

Wenn der Determinist das akzeptiert, erkennt er an, dass mein Handeln nicht determiniert ist.

Wenn er aber bestreitet, dass ich (zumindest) diese zwei Handlungsmöglichkeiten habe, so frage ich ihn: „Welche der beiden Möglichkeiten habe ich nicht?“

Wenn er sagt: „Du hast nicht die Möglichkeit, den Kopf nach links zu drehen“, so drehe ich ihn nach links. Wenn er sagt: „Du hast nicht die Möglichkeit, den Kopf nach rechts zu drehen“, so drehe ich ihn nach rechts.

In beiden Fällen muss er zugeben, dass ich zwei Handlungsmöglichkeiten hatte.

Wenn er jedoch im Nachhinein meint: „Als Du den Kopf nach rechts gedreht hast, hattest Du nicht die Möglichkeit, ihn nach links zu drehen“, dann antworte ich: „Wenn es vor einer Minute wahr war, dass ich zwei Handlungsmöglichkeiten hatte, dann muss dies auch jetzt noch wahr sein, denn eine wahre Aussage wird nicht allein durch den Zeitverlauf unwahr.“

Und ich kann zu Recht sagen: „Wenn ich gewollt hätte, so wäre es anders gekommen.“

Die Zukunft ist also offen.


Mein kleines Gedankenexperiment hat bewiesen, dass ich meinen Kopf drehen kann, und es hat nebenbei auch noch demonstriert, dass ich mehrere Handlungsalternativen zur Auswahl habe, die ich realisieren kann. Insofern ist die Zukunft offen und nicht vorherbestimmt. (Für Deterministen jeder Art ist das erstmal ein schwer verdaulicher Brocken.)

Was folgt daraus?

Ich bin zum einen berechtigt zu sagen: „Ich hätte auch anders handeln können“.

Wenn das richtig ist, dann ist auch ein anderer berechtigt, zu mir zu sagen: „Du hättest auch anders handeln können.“

Und wenn es sich bei den Handlungsmöglichkeiten statt um Kopfdrehen um die Krümmung meines rechten Zeigefingers am Hahn einer Pistole gehandelt hätte, bin ich und sind andere berechtigt, zu mir zu sagen: „Du hättest auch anders handeln können, anstatt abzudrücken und ihn zu erschießen.“

Sie könnten auch zu mir sagen: „Du hast ihn erschossen. Damit hast Du eine Handlung gewählt, die moralische und rechtliche Normen verletzt.“

Um eine Wiederholung dieser Normverletzung durch mich möglichst zu verhindern, müssen sie auf MICH einwirken, denn die „Ursache“ für den tödlichen Schluss liegt in mir. (Wäre ich ein 5-jähriges Kind, das mit der Dienstpistole des Vaters gespielt hat, so müsste man nicht bei mir sondern bei meinen Eltern die Ursache suchen und auf sie einwirken, damit sie mich besser beaufsichtigen.)

Um eine Wiederholung der Tat möglichst zu verhindern, gibt es verschiedene Möglichkeiten: man könnte mich töten, man könnte mich lebenslang einsperren, man könnte mir als Konsequenz ein Übel zufügen, um meine Motivation zu verändern.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Nonantroph am 2005-03-10, 19:33 Uhr
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Danke für die Antworten.

Also Emergenz halte ich für ein ganz gutes Argument, über dessen tatsächliche Bedeutung ich mir allerdings noch nicht ganz im klaren bin. Ist das ganze wirklich mehr als die Summe seiner Teile ? Schwer zu beurteilen...

Die Quantentheorie ist meiner Ansicht nach eher ein schlechtes Beispiel, da man die Quanten im Sinne einer Wellentheorie deuten kann und diese Wellentehorie dann deterministisch ist. Ich glaube die statistische Natur der Quantentheorie kommt eher durch unsere Deutung als Beobachter zustande. Was die Mehrheit der Physiker dazu sagt, weiß ich leider nicht !?

@Eberhard : Danke für das ausführliche Beipsiel.
Ich sehe da aber ein Problem: Dein Handeln wird auch durch meine Vorhersage determiniert. Das heißt, wenn ich was anderes gesagt hätte, dann würdest Du Deinen Kopf womöglich in die andere Richtung drehen. Ein dritter allwissender Beobachter könnte immer noch vorhersagen, wie Du Dich entscheiden wirst. Dein Beispiel widerlegt zwar in meinen Augen meine Fähigkeit zur Vorhersage Deines Handelns, ist aber kein stichfestes Argument gegen den Determinismus.





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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von sebi0815 am 2005-03-10, 19:37 Uhr
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Hallo Eberhart!
Ich finde dieses Gedankenexperiment beweist Žnoch gar nichts, es beschreichbt lediglich das, was wir als freien willen verstehen bzw. als elementare Grunderfahrung erleben. Die frage die offen bleibt ist, woher will ich wissen das ich anders handeln hätte können und dass nicht alle Einflüsse dieses Moments(Biochemische im Gehirn, Sinneseindrücke ...) mir quasi gar keine andere Wahl liesen als den "Kopf nach links zu drehen". ("ich tu was ich kann und ich kann was ich tu")
Ich würde eher das Kantische Argument empfehlen, wonach Kausalität als Kategorie ein Produkt des menschlichen Verstandes ist, und dazu dient, die Welt der Erscheinungen zu ordnen. Kausalität nicht als absolutes Prinzip, sondern als Kategorie des Menschlichen Verstandes. Deswegen scheint auch jede menschliche Handlung eine Wirkung von Ursachen zu sein. Weil wir zeitliche Abfolgen in diese Ordnung bringen. Wir sind die Schöpfer der Kausalität, so ist nicht gesagt, dass diese auf alles und jedes in der Realität anwendbar ist, schon gar nicht auf den Schöpfer
So ist zumindest die Bedingung der Möglichkeit des freien Handelns bewiesen.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von louisquinze am 2005-03-10, 22:05 Uhr
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Messieurs,

eine theoretische Widerlegung des Determinismus halte ich für ausgeschlossen. Da alles was denkbar möglich, was möglich aber auch wirklich sein kann, so kann der Determinismus, da er widerspruchsfrei denkbar ist, auch wirklich sein (wozu nichts anderes als logische Widerspruchsfreiheit erforderlich ist). Viele andere Theorien, die auf ihre Weise absurd sind, sind so denkbar und möglich.

Daher mein Vorschlag: Der Determinismus widerlegt sich performativ! Ganz ähnlich wie Aristoteles den Skeptiker bezüglich seiner Zweifel am Kontradiktionsprinzip im Buch Gamma der Metaphysik widerlegt.
Jede Handlung und Aktion (Performanz) die wir bewußt vollziehen setzt Freiheit als Bedingung ihres Sinnes voraus. Sonst wäre ja schon eine Diskussion wie diese sinnlos. Jede Kommunikation, jedes Gespräch setzt voraus, daß der Einzelne überlegen und sich entscheiden kann etwas zu sagen oder zu tun. Ansonsten wären wir alle wie Tonbänder die unterschiedliche Stimmen und Gesänge abspielten, die niemand hören würde. Offensichtlich eine Absurdität, da wir die Welt anders erleben. Im Übrigen basiert der Determinismus auf einer unzulässigen Verallgemeinerung des Kausalprinzips nach welcher zwar jede Wirkung eine Ursache haben muß, aber nicht eine notwendige Ursache zu denken ist.

mfg
Lq

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-10, 22:57 Uhr
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Hallo Nonantroph,

vielleicht wäre es sinnvoll, einmal "starken Determinismus" zu definieren. Was behauptet diese Position genau?

fragt Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Nonantroph am 2005-03-10, 23:18 Uhr
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@sebi0815 - Zu Deinem Kantische Argument: Kann man nicht die Evolution als Argument sehen, dass das Gehirn die tatsächlich existierende Kausalität abbildet und nicht andersrum ? Ferner, ist unsere Fähigkeit zu Prognostizieren nicht erstaunlich (zB Wetter, Planetenbahnen), wenn diese Welt nicht kausal wäre (zumindest in einem best Maß). Oder habe ich das Kantische Argument einfach nicht verstanden ?

@louisquinze:

>Jede Handlung und Aktion (Performanz) die wir bewußt vollziehen setzt Freiheit als Bedingung ihres Sinnes voraus. Sonst wäre ja schon eine Diskussion wie diese sinnlos.

Evtl ist es ja sinnlos !?

>Jede Kommunikation, jedes Gespräch setzt voraus, daß der Einzelne überlegen und sich entscheiden kann etwas zu sagen oder zu tun. Ansonsten wären wir alle wie Tonbänder die unterschiedliche Stimmen und Gesänge abspielten, die niemand hören würde.

Wir wären zwar wie Tonbänder, aber würde uns das wirklich auffallen ?

>Offensichtlich eine Absurdität, da wir die Welt anders erleben

evtl macht uns unser Gehirn da ja nur was vor ?


Also unter starkem Determinismus verstehe ich als Laie (ohne die exakten, wissenschaftlichen Definitionen zu kennen), dass mit Anbeginn des Universums als vorherbestimmt ist und alles eine Ursache (Aktio=Reaktio) hat. Das Universum sozusagen als riesiges Uhrwerk.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von leo_casimir am 2005-03-11, 07:14 Uhr
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on 03/09/05 um 23:10:39, Nonantroph wrote:Hallo,

wer kennt ein nachvollziehbares Argument gegen einen starken Determinismus in diesem Universum ?

Danke !



Hallo,

wenn alles determiniert wäre, gäbe es für jeden "Ablauf", für jeden "Entscheidungsprozeß" einen Haltepunkt (einen Punkt, an dem die Entscheidung gefallen ist). Dazu eine Anmerkung aus dem Bereich Entscheidbarkeit/Unentscheidbarkeit:

Nicht alles über Algorithmen können wir mit Algorithmen sagen. Heißt: ein durchgängig bestimmter Gesetzeszusammenhang ist noch kein Argument für einen Determinismus.

Grüße
Leo

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Goergke am 2005-03-11, 08:27 Uhr
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Hallo Nonanthrop!


Quote:Ein dritter allwissender Beobachter könnte immer noch vorhersagen, wie Du Dich entscheiden wirst.


Woher weißt Du das?



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von _its_not_me_ am 2005-03-11, 09:35 Uhr
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Hi Nonantroph,

Emergenz und Holismus sind nicht ganz das selbe, aber egal: Im Lexikon findet man folgende Erläuterung:

Wenn eine Wechselwirkung zwischen Isolierten Elementen einsetzt, kann die Gesamtheit der Elemente neue Eigenschaften aufweisen, die man aus den Kenntnissen über die einzelnen Elemente nicht voraussagen kann. Diesen Umstand bezeichnet man als Emergenz (lat. emergere: auftauchen)

Zwei Beispiele:
1. Die Eigenschaften von Wasser lassen sich nicht vorhersagen aus dem Wissen, dass ein Wasseratom aus einem Sauerstoff und zwei Wasserstoffatomen besteht.
2. Das Bewusstsein.

Hier: http://klaus.e175.net/diplomarbeit.pdf gibt es einen Aufsatz (eine Diplomarbeit) zum Thema, die auch der Fragen nach Determinismus bzw. Undeterminismus nachgeht.

Ein Ausschnitt:

Die emergentistischen Ideen Karl Poppers sind von einer explizit antideterministi-schen Haltung geprägt, die auf dem Konzept der Propensitäten aufbaut. Propensitäten sind dabei objektive (also nicht aus einem Wissensmangel des Beobachters resultierende ) Verwirklichungs-Wahrscheinlichkeiten, die einer Situation innewohnen:

Popper: Zurückliegende Situationen ...determinieren keineswegs die zukünftige Situation. Vielmehr bedingen sie veränderliche Propensitäten, die zukünftige Gegebenheiten beeinflussen, ohne sie jedoch auf eine ganz bestimmte Weise festzulegen ... Die Zukunft ist offen: objektiv offen.

Diese objektive Wahrscheinlichkeit hat ihre Wurzeln nach Popper darin, dass alle physischen Systeme in Wirklichkeit ”Wolken“ sind, also ihrem Wesen nach indeterministische Gebilde (im Gegensatz zu der mechanistischen Vorstellung von ”Uhren“ ,völlig deterministischen Gebilden).

Ich hab den Aufsatz nicht komplett gelesen. Was ich aber gelesen habe, war klar und deutlich geschrieben. Ich finde ihn lesenswert.

Grüße me

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Nonantroph am 2005-03-11, 10:16 Uhr
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>eine theoretische Widerlegung des Determinismus halte ich für ausgeschlossen. Da alles was denkbar möglich, was möglich aber auch wirklich sein kann, so kann der Determinismus, da er widerspruchsfrei denkbar ist, auch wirklich sein (wozu nichts anderes als logische Widerspruchsfreiheit erforderlich ist). Viele andere Theorien, die auf ihre Weise absurd sind, sind so denkbar und möglich.

Aber eine theoretisch konsistente Theorie, die nicht auf die Realität des Universums zutrifft, müsste sich doch experimentiell widerlegen lassen, oder ? z.B. Eine widerspruchsfreie Theorie über grüne Drachen auf dem Mars kann man widerlegen, indem man eine Sonde hinschickt oder andere Sachen prüft und mißt.

>Nicht alles über Algorithmen können wir mit Algorithmen sagen. Heißt: ein durchgängig bestimmter Gesetzeszusammenhang ist noch kein Argument für einen Determinismus.

Ist ein Algorithmus nicht zwangsläufig deterministisch, da es ja ein mathematisches Konstrukt ist ? Und warum sollte ein durchgängiger Prozess nicht determiniert sein ?

>Ein dritter allwissender Beobachter könnte immer noch vorhersagen, wie Du Dich entscheiden wirst.

>Woher weißt Du das?

Ja stimmt, kann man nicht wirklich wissen - sollte nur zeigen, dass es von außen uU anders ausschaut als aus der subjektiven Sicht.

@_its_not_me_: Danke für den Link - werds mir bei Gelegenheit durchlesen.

Mein Problem mit der Emergenz ist folgendes: Die emergente Eigenschaft ergibt sich ja aus der Struktur der Einzelteile. Das heißt, das ganze ist zwar mehr als die Summe seiner Teile, aber dieses mehr ist eben die Struktur (zB Anordnung der Wassermoleküle). Daher müssten die Eigenschaften von Wasser sowie das Bewußtsein evtl unter Kenntnis der Struktur theoretisch vorhersagbar sein (zumindest im physikalischen Sinne).

Popper habe ich sogar gelesen, aber leider nicht verstanden. Seine Sprache ist mir unverständlich und zu verwirrend.

Dennoch halte ich Emergenz für das stärkste der bisher vorgebrachten Anti-Determinismus-Argumente.



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2005-03-11, 11:46 Uhr
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Hallo Eberhard,

du hast mit deinem kleinen Experiment leider gar nichts bewiesen, außer dir selbst, daß es dir noch möglich ist, deinen Kopf zu drehen. [grin]

Zitat:
"Und ich kann zu Recht sagen: „Wenn ich gewollt hätte, so wäre es anders gekommen.“ Die Zukunft ist also offen."

Das sind alles gedankliche Vorstellungen über die Wirklichkeit, die nichts mit der Wirklichkeit selbst zu tun haben. Es gibt in der Natur keinen Konjunktiv, außer als menschliche Vorstellung, oder nicht?

Wovon sollte es abhängen, daß du auch anders gekonnt hättest, daß du anders gewollt hättest? Das ist doch nur eine Phantasie im nachhinein. Du kannst weder mir noch dir beweisen, daß du anders hättest handeln können. Genausowenig kann ich natürlich beweisen, daß du NICHT anders hättest handeln können.

Diese ganze Diskussion ob frei oder determiniert, ist meiner Ansicht nach eine Gespensterdiskussion. In Wirklichkeit drehst du einfach deinen Kopf. Fertig. Das ist weder frei noch unfrei. Diese Diskussion darüber ist nichts als eine "semantische Zerstreuung der Wirklichkeit" wie es Nagarjuna ausdrückte. Da ist ein Geschehen, und wir versuchen dieses Geschehen in gedanklich-sprachliche Kategorien zu pressen. Kategorien, die sich gegenseitig bedingen. Wenn alles determiniert wäre, welche Bedeutung hätte dies dann noch? Dann wäre gleichzeitig nichts determiniert, weil sich der Begriff Determinierung immer nur über den Begriff Freiheit definieren kann.

Dieser Frage "frei oder unfrei" liegt außerdem ein Mißverständnis zugrunde, nämlich daß es ein separates "Ich" mit einem eigenen Willen gibt, das vom Körper bzw. von der Natur völlig getrennt wäre und demzufolge frei oder determiniert sein müßte. Wie sollte aber so eine Trennung aussehen?

Grüße,
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-11, 18:46 Uhr
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Hallo allerseits,

unter „starkem Determinismus“ wird die Theorie verstanden, dass mit Anbeginn des Universums alles vorherbestimmt ist.

Gesucht werden nachvollziehbare Argumente gegen diese Theorie. Oder anders ausgedrückt: „Wie kann man die These widerlegen, dass alles Geschehen in der Welt vorherbestimmt ist?“

Bevor man in eine Diskussion einsteigt, sollte man klären, was mit dem Wort „ vorherbestimmt“ gemeint ist. Ich schlage folgende Definition vor:

Ein Zustand der Welt ist vorherbestimmt, wenn er aus der Kenntnis eines vorhergehenden Zustandes in Verbindung mit bestimmten Regeln der Veränderung vorhergesagt werden kann.

Oder anders ausgedrückt:

Ein Zustand der Welt (Z1) ist „vorherbestimmt“, wenn aus der Gesamtheit aller Aussagen (A1-Am), die den früheren Zustand (Z0) beschreiben, sowie den Regeln R1-Rn („Immer wenn o, p; q dann folgt r“) der spätere Zustand (Z1) logisch folgt.

Der so definierte „starke Determinismus“ beinhaltet nun, dass jede Veränderungen von einem Zustand zum andern Zustand durch die Wirksamkeit gleichbleibender Regelmäßigkeiten oder „Naturgesetzen“ vorherbestimmt ist.

Auf abgegrenzte Teilbereiche der Welt und deren Veränderung bezogen bedeutet dies, dass jedes Geschehen im Prinzip aus den zeitlich vorangehenden Bedingungen sowie den Naturgesetzen sowohl nachträglich erklärt werden kann als auch für die Zukunft vorhergesagt werden kann.

Um was für eine Art von Theorie handelt es sich beim Determinismus? Da der Determinismus weder inhaltliche Aussagen über bestimmte Zustände der Welt noch Aussagen über den Inhalt der „Naturgesetze“ macht, handelt es sich nicht um eine empirische Theorie. Der Determinismus kann deshalb nicht an der Erfahrung scheitern, er ist mit jedem Geschehen vereinbar.

Nur wenn der Determinismus sich auf bestimmte Zustandsbeschreibungen und Gesetzmäßigkeiten festlegen würde, könnte man empirisch testen, ob das daraus theoretisch ableitbare Geschehen auch tatsächlich eintritt.

Da der Determinismus dies jedoch vermeidet, kann er in Fällen fehlender Erklärung oder falscher Prognose immer sagen: „Das liegt eben daran, dass wir nicht alle relevanten Randbedingungen erfasst haben“ oder „Das liegt eben daran, dass wir noch nicht alle relevanten Naturgesetze kennen.“

Der Determinist und der Nicht-Determinist sind sich also hinsichtlich der wahrnehmbaren Welt einig. Der Unterschied besteht allein darin, dass der Nicht-Determinist sagt: „So-und-so ist die Welt beschaffen“ und der Determinist jedes Mal hinzusetzt „… und das muss so sein“.

Hier will ich erstmal abschließen. Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von louisquinze am 2005-03-11, 20:40 Uhr
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Bonsoir tout le monde!

@ #9 und #13

ich sagte ja performativ und nicht theoretisch!
Das bedeutet, wenn es Bedingung dafür ist sinnvoll zu diskutieren, frei zu sein, ist die gegenteilige Annahme offensichtlich sinnlos, also unmöglich in die Diskussion einzubringen.

Im Übrigen zeigt doch schon der ganze Sermon unseres in so vieler Hinsicht vortrefflichen Eberhard, daß hier die fundamentale Freiheit einer möglichen Stellungnahme zu den vorgebrachten Argumenten vorausgesetzt wird.

Zur Frage der Emergenz: dies ist gerade eine Form des Indeterminismus', also ebenso eine metaphysische Theorie.
Diese Theorien können nach Popper niemals falsifiziert werden. Gerade deshalb nennt er (!) sie ja unwissenschaftlich.

Nach meiner eigenen (an hervorragenden Geistern geschulten) Auffassung stellt durchgängige kausale Bestimmtheit und menschliche Freiheit übrigens keinen Widerspruch dar.

mfg
Lq


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-11, 21:50 Uhr
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Hallo WuWei,

Ich hatte geschrieben: „Ich kann zu Recht sagen: „Wenn ich gewollt hätte, so wäre es anders gekommen.“

Du bestreitest das und schreibst: „Das sind alles gedankliche Vorstellungen über die Wirklichkeit, die nichts mit der Wirklichkeit selbst zu tun haben. Es gibt in der Natur keinen Konjunktiv, außer als menschliche Vorstellung, oder nicht?"

Willst Du bestreiten, dass ich meinen Kopf entsprechend meinem Willen nach rechts oder links drehen kann?

Willst Du es für falsch erklären, wenn ich im Konjunktiv sage: „Ich könnte jetzt meinen Kopf nach links drehen, ich könnte ihn aber auch nach rechts drehen?“

Willst Du es für falsch erklären, wenn ich sage: „Ich habe sowohl die Möglichkeit, meinen Kopf nach links zu drehen, als auch die Möglichkeit, meinen Kopf nach rechts zu drehen“?

Wenn ich nicht die Möglichkeit bedenken würde, dass mein Tank leer wird, würde ich nie zur Tankstelle fahren und würde immer auf freier Strecke liegen bleiben.

Hat dieser Satz voller Konjunktive „nichts mit der Wirklichkeit selbst zu tun“?

fragt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2005-03-12, 08:27 Uhr
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Hallo Eberhard,

Zitat:
"Willst Du bestreiten, dass ich meinen Kopf entsprechend meinem Willen nach rechts oder links drehen kann?"

Nun, ich glaube gern, daß du deinen Kopf nach rechts oder auch nach links drehen kannst. Aber wenn du das jetzt tust, dann sage mir, WIE du den Impuls erzeugt hast, den Kopf z.B. nach links zu drehen. Ich weiß das nicht, genausowenig wie ich weiß, wie ich z.B. mein Frühstück verdaue. Und deswegen sind meine Gedanken wie auch meine Verdauung nicht frei, und sie sind natürlich auch nicht determiniert.
Sie geschehen einfach. Oder anders ausgedrückt: ich kann scheinbar tun, was ich will, kann in Wirklichkeit aber nicht wollen, was ich will.

Zitat:
"Willst Du es für falsch erklären, wenn ich sage: „Ich habe sowohl die Möglichkeit, meinen Kopf nach links zu drehen, als auch die Möglichkeit, meinen Kopf nach rechts zu drehen“?"

Nein, du hast physiologisch natürlich unzählige Möglichkeiten, deinen Kopf zu bewegen.

Zitat:
"Willst Du es für falsch erklären, wenn ich im Konjunktiv sage: „Ich könnte jetzt meinen Kopf nach links drehen, ich könnte ihn aber auch nach rechts drehen?“"

Nicht falsch, du kannst dir alles mögliche ausmalen. Das tut jeder Mensch. Ich frage mich auch, ob ich lieber dies oder jenes tun soll. Aber wenn ich dann jenes getan habe, dann komme ich nie auf die Idee zu sagen, ich hätte besser dieses getan, weil ich weiß, daß es lediglich eine abstrakte theoretische Möglichkeit ist, die ich mir vorher oder nachher vorstelle. Im Moment des Handelns spielt sie keine Rolle.
Ich weiß auch, daß mein vorheriges Abwägen nur geschah, und nicht auf freiem Willen beruhte. Wer wäre denn so blöd und würde sich aus freiem Willen ständig den Kopf zerbrechen? [cheesy]

Die Frage ist doch: wenn du auch anders hättest handeln können, warum hast du es dann nicht getan? Wenn ich z.B. einen Freund beleidige, dann mag es mir nachher leid tun, aber hätte ich wirklich anders handeln können? Wenn ja, warum habe ich es dann nicht getan, was hielt mich davon ab? Mein mangelnder guter Wille? Aber liegt es in meiner Macht, einen guten Willen zu haben?

Zitat:
"Wenn ich nicht die Möglichkeit bedenken würde, dass mein Tank leer wird, würde ich nie zur Tankstelle fahren und würde immer auf freier Strecke liegen bleiben.
Hat dieser Satz voller Konjunktive „nichts mit der Wirklichkeit selbst zu tun“?"

Nein, man kann nicht sagen, daß dieser Satz nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.
Lustigerweise ist es mir gestern fast so ergangen, ich bin quasi mit dem letzten Tropfen an der Tankstelle angekommen. Natürlich sagt man da schnell:"Ich hätte eher ans Tanken denken können". Offenbar hätte ich aber nicht, denn sonst hätte ich ja getankt ;-)

es grüßt dich,
WuWei


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-12, 08:58 Uhr
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Hallo allerseits,

Ich hatte anfangs geschrieben:
“Ich behaupte, dass ich nicht determiniert bin in dem, was ich tue, sondern dass es für mich mehrere Möglichkeiten des Handelns gibt, zwischen denen ich mich entscheiden kann.“

Auf Grund der nachfolgenden Begriffsklärung halte ich es für sinnvoll, meine These zu modifizieren, sodass sie jetzt lautet:

„Ich behaupte, dass ich nicht durchgehend fremdbestimmt bin in dem, was ich tue, sondern dass es für mich in bestimmten Situationen mehrere Möglichkeiten des Handelns gibt, zwischen denen ich mich entscheiden kann.“

Diese These wurde meines Erachtens durch mein kleines Gedankenexperiment bewiesen.

Dabei bedeutet „fremdbestimmt“ im Unterschied zu „selbstbestimmt“, dass mein Handeln von Einflüssen bestimmt wird, die sich entgegen meiner eigenen Einsicht und entgegen meinem eigenen Willen durchsetzen.

Ich gehe einmal die verschiedenen Einwände dagegen durch.

1. „Dein Handeln wird auch durch meine Vorhersage determiniert. Das heißt, wenn ich etwas anderes gesagt hätte, dann hättest Du Deinen Kopf womöglich in die andere Richtung gedreht.“

Es ist richtig, dass mein Handeln nicht frei von äußeren Einflüssen ist. Deine Vorhersage beeinflusst zwar das, was ich tue, es schaltet jedoch nicht meine Selbstbestimmung aus.

2. „Woher will ich wissen, dass ich anders hätte handeln können und dass nicht alle Einflüsse dieses Moments (biochemische im Gehirn, Sinneseindrücke ...) mir quasi gar keine andere Wahl ließen, als den Kopf nach links zu drehen?"

Die bei diesem Einwand vorausgesetzte Trennung der Bewusstseinsinhalte wie Überlegungen, Gedanken oder Entscheidungen von den elektrochemischen Prozessen im Gehirn teile ich nicht. Meinen bewussten Überlegungen („Wenn der andere sagt: ‚Du kannst den Kopf nicht nach links drehen’, so werde ich ihn nach links drehen“) entsprechen ebenfalls elektrochemische Prozesse in meinem Gehirn, ähnlich wie dem Monitorbild meines Computers elektrische Prozesse im Computer entsprechen.
Durch die meinen Denken und Wollen entsprechenden elektrochemischer Gehirnsprozesse werde ich nicht fremdbestimmt, denn diese Prozesse machen ja das aus, was ich bin.

Insofern halte ich es für grundsätzlich falsch, davon zu sprechen, dass „mein Gehirn mich zu einem bestimmten Handeln zwingt“. Denn, zugespitzt formuliert: Ich bin mein Gehirn.

Insofern teile ich nicht die mir offenbar zugeschriebene Ansicht, dass es ein separates "Ich" mit einem eigenen Willen gibt, das vom Körper bzw. von der Natur völlig getrennt wäre.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Nonantroph am 2005-03-12, 11:16 Uhr
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>Durch die meinen Denken und Wollen entsprechenden elektrochemischer Gehirnsprozesse werde ich nicht fremdbestimmt, denn diese Prozesse machen ja das aus, was ich bin.
>Insofern teile ich nicht die mir offenbar zugeschriebene Ansicht, dass es ein separates "Ich" mit einem eigenen Willen gibt, das vom Körper bzw. von der Natur völlig getrennt wäre.

Aber wenn man annimmt, das ALLES Naturgesetzen unterliegt (was die Wissenschaft ja postuliert) und dein Gehirn (=Dein Ich) natürlicher Art ist, folgt daraus nicht unweigerlich, dass Dein Gehirn wie ein Automat diesen Gesetzen folgt ? Wenn es aber Naturgestzen (also den Regeln R1-Rn) unterliegt, kann man grundsätzlich jeden Zustand ZX vorhersagen. Wenn aber alles vorhersagbar ist, welche Art von Handlungsfreiheit bleibt dann ?

>Nach meiner eigenen (an hervorragenden Geistern geschulten) Auffassung stellt durchgängige kausale Bestimmtheit und menschliche Freiheit übrigens keinen Widerspruch dar.

Aber die Art der Freiheit wird dann stark von dem abweichen, was man gemeinhin unter Freiheit versteht ? Bzw. eine Freiheit als totale Unabhängigkeit ist dann undenkbar. Oder wie siehst Du das ?

Meiner Ansicht nach kann der Wille sowieso schon deshalb nicht frei sein, weil er dann niemandem gehören kann. Da mein ICH ja vor allem meine Erfahrungen ausmachen, wird jede Entscheidung durch diesen Erfahrungszustand meines Gehirns (und damit mein ICH) determiniert. Aber ein determinierter Wille (und sei es durch das ICH) kann nicht frei sein, wenn die zugrunde liegenden Prozesse Naturgesetzen folgen.



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von louisquinze am 2005-03-12, 13:10 Uhr
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Hallo Nonantroph,

also da hat Ihnen jemand einen Bären aufgebunden.
Kein Naturwissenschaftler behauptet (qua Naturwissenschaftler), daß alles Naturgesetzen unterliegt. Vielmehr untersucht der Naturwissenschaftler n u r dasjenige, was prinzipiell Naturgesetzen unterliegen kann. Über das darüber hinausgehende schweigt er.
Die erstere Behauptung fällt nur einem Metaphysiker ein. Und so ist denn die Behauptung ALLES unterliege Naturgesetzen, d.i. alles sei z.B. im Endeffekt kausal-mechanistisch zu deuten, eine metaphysische Behauptung, namentlich eine naturalistische, besser: physikalistische (allerdings durch nichts mehr zu beweisende, m.E. ein Aberglaube).

Zur Frage der menschl. Freiheit:
Es gibt halt notwendige und freie Ursachen, die freien beginnen eine neue Kausalkette. Ganz einfach! Durch die Stufenordnung des Seienden und die Irreduzibilität (Nichtzurückführbarkeit) der Stufen: materiell, organisch lebendig, geistig aufeinander ergibt sich die Möglichkeit neuer Determinanten.

mfg
Lq

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von leo_casimir am 2005-03-12, 16:16 Uhr
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on 03/12/05 um 11:16:40, Nonantroph wrote:Aber wenn man annimmt, das ALLES Naturgesetzen unterliegt (was die Wissenschaft ja postuliert) und dein Gehirn (=Dein Ich) natürlicher Art ist, folgt daraus nicht unweigerlich, dass Dein Gehirn wie ein Automat diesen Gesetzen folgt ? Wenn es aber Naturgestzen (also den Regeln R1-Rn) unterliegt, kann man grundsätzlich jeden Zustand ZX vorhersagen.



Laplace hat bereits in seiner "Théorie analytique des probabilités" auf der Grundlage der Hamiltonschen Mechanik die Vorstellung von einem allwissenden Dämon entwickelt. Der, weil er alle relevanten gegenwärtigen Parameter kennt, alle künftigen Zustände in der Welt berechnen kann. Zustände sind hier immer physikalische Zustände. Ein so strikter Determinismus setzt aber, wie bereits Leibniz bemerkt hat, entsprechende "Naturgesetze" voraus. Nämlich Naturgesetze, die eine exakte Bestimmung zukünftiger Zustände der Gegenstände der Natur erlauben. Damit schließt der Laplace'sche Dämon von vornherein wahrscheinlichkeitstheoretische Betrachtungen aus. Vergessen wir ihn also, denn es gibt die Quantentheorie, es gibt Hume und Kant. Und vor allen Dingen vergessen wir den naiven Dualismus von Freiheit und Kausalität.

Die Emergenz ist kein Argument für einen Indeterminismus, sie ist eine einzige methodische Verlegenheit. Ihre Anhänger sind Widerkäuer. Sie kauen die Basissatztheorie des "Logischen Empirismus" wider. Das ist eine völlig armselige Veranstaltung. Sie wird so schnell wieder verschwinden, wie seinerzeit der "Logische Empirismus" verschwunden ist.

Grüße
Leo




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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-12, 17:43 Uhr
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Hallo allerseits,

vorweg ein Vorschlag: Damit wir nicht aneinander vorbeireden, sollte jeder bei der Benutzung notorisch mehrdeutiger Begriffe wie „Freiheit“ kurz erläutern, was er damit meint.

Nach meinem Verständnis von „Freiheit“ bin ich in meinem Handeln dann „frei“, wenn dies Handeln meinem eigenen Willen und meiner eigenen Einsicht entspricht. Zur Vereinfachung der Diskussion will ich diese Konzeption kurz „Freheit“ im Sinne von „Selbstbestimmung“ nennen.

Ein Handeln entsprechend dem eigenen Willen und der eigenen Einsicht ist grundsätzlich nicht unvereinbar mit meiner Zugehörigkeit zu einer Welt, die sich entsprechend bestimmten erkennbaren Regelmäßigkeiten ändert.

So schließt Sebstbestimmung z. B. nicht aus, dass ich genetisch in vielen meiner persönlichen Eigenschaften programmiert bin oder dass ich in vielen meiner Charaktereigenschaften durch die Erziehung meiner Eltern geprägt bin.

Dies macht ja mich als Person gerade aus. Dass ich mich selbst nach eigenem Willen erschaffen haben muss, kann wohl keine Voraussetzung von Selbstbestimmung sein.

Zu der Vorstellung von der Welt als einem in seinem Ablauf festgelegten „Uhrwerk“ einige Anmerkungen.

Die Annahme, dass alles Geschehen bestimmten gleich bleibenden Gesetzmäßigkeiten gehorcht, lässt sich nicht anhand der Erfahrung beweisen.

Auch wenn zahlreiche Regelmäßigkeiten in der Wirklichkeit entdeckt wurden, folgt daraus nicht logisch, dass alles regelmäßig erfolgt. Dies ist eine induktive Verallgemeinerung, aber kein logischer Schluss.

Man kann auch ganz gut ohne diese Verallgemeinerung auskommen. Für mich ist die Annahme, dass alles seine Ursache hat, eher eine „heuristisch“ sinnvolle Annahme, um die Wirklichkeit zu gestalten.

Ich suche nach empirischen Regelmäßigkeiten oder „Ursachen“, um gezielt etwas herstellen oder beseitigen zu können. Wenn ich die Ursache von Krebs kenne, kann ich die Krankheit gezielt bekämpfen. Wenn ich die Ursache für die heilende Wirkung von Kamille kenne, kann ich diesen Stoff chemisch gewinnen und anwenden.

Ob die ganze Welt nach dem Prinzip eines Uhrwerks aufgebaut ist, mag dabei dahingestellt bleiben.

Schließlich gibt es bei der Suche nach den Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens noch eine besondere Schwierigkeit. Man spricht von „Gesetzmäßigkeiten“, wenn unter gleichen Ausgangsbedingungen immer die gleichen Folgen eintreten.

Da aber der Mensch ein Gedächtnis hat, gibt es für ihn streng genommen niemals die gleiche Situation noch einmal. Es gibt immer nur die Wiederholung der Situation plus die Erinnerung an das letzte Mal.

Streng genommen kann man deshalb das Handeln von Menschen nicht völlig durch derartige Gesetzmäßigkeiten erfassen,

meint Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2005-03-12, 20:21 Uhr
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Hallo Eberhard,

ich bin wie gesagt kein Vertreter des Determinismus. Ich halte Begriffe wie Freiheit und Determinismus für bloße abstrakte Gedankenkonstrukte, die lediglich in der menschlichen Fantasie existieren.

Zitat:
"Insofern halte ich es für grundsätzlich falsch, davon zu sprechen, dass „mein Gehirn mich zu einem bestimmten Handeln zwingt“. Denn, zugespitzt formuliert: Ich bin mein Gehirn."

Völlig richtig! Es gibt keine Entität "Ich", die vom Gehirn zu einem bestimmten Handeln gezwungen werden könnte.
In gewisser Weise bist du - auch - dein Gehirn. Aber warum hier eine Grenze ziehen? Du bist ebenso der Körper. Aber sind Gehirn und Körper denn abgetrennt von der Umwelt? Sie könnten gar nicht existieren ohne Umwelt, ohne Sauerstoff, Nahrung usw. Wo endet also das Ich?

Wenn man sich die Vorgänge in der Natur anschaut, hat es bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein, daß da verschiedene Ursachen verschiedene Wirkungen erzeugen.
Der Wind bewegt den Baum, der Schnee läßt den Ast brechen usw. Aber von einer "höheren" Warte betrachtet, ist es nicht so, daß eigentlich nichts geschehen kann, ohne daß ALLES geschieht? Wenn du dein Badewasser ablaufen lässt, muß jedes einzelne Molekül "mitspielen", sonst läuft das Wasser nicht ab. Oberflächlich betrachtet bist natürlich du die "Ursache" für das ablaufende Badewasser. Aber eigentlich spielst du auch nur mit in diesem Spiel. Warum ist der Baum vor meinem Fenster genauso gewachsen wie er jetzt dasteht? War er frei, so zu wachsen, oder war er determiniert? Weder noch. Er wuchs in Einklang mit dem gesamten Ablauf der Natur.

Ich meine, wo fängt ein "freier Wille" an? Kann sich die kreisende Münze entscheiden, auf welche Seite sie fällt?
Kann sich der Vogel frei entscheiden, auf welchen Ast er fliegt? Kann sich der Schimpanse frei entscheiden, ob er die Banane isst oder nicht? Wo fängt da "Freiheit" an, welche Qualität muß sie haben, um so genannt werden zu können?
Weißt du, was ich meine?

Zitat:
"Insofern teile ich nicht die mir offenbar zugeschriebene Ansicht, dass es ein separates "Ich" mit einem eigenen Willen gibt, das vom Körper bzw. von der Natur völlig getrennt wäre."

Dann bin ich ja beruhigt ;-)

viele Grüße,
WuWei


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-13, 07:06 Uhr
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Hallo WuWei,

auch wenn Dein Beitrag die Problematik des Determinismus sprengt, möchte ich doch auf Deine Gedanken eingehen.

Deine Frage: „Weißt Du, was ich meine?“ hat schon ihren guten Grund, denn du malst das Bild einer Welt, das der westlichen Tradition in vielem fremd ist.

In Deiner Weltsicht lösen sich die Grenzen zwischen ich und du, zwischen wir und ihr, zwischen Mensch und Welt in einen kosmischen Einklang auf.

Dies „Von-sich-selber-absehen-können“, dies „Aufgeben-des-Sorgens um die eigene winzige Existenz“ hat sicherlich etwas Befreiendes und Erlösendes. Es kennt kein „ich will“ kein „Du sollst“, kein „Du musst“, kein Bemühen, keine Konkurrenz und keinen Kampf.

Diese Sicht von einer „höheren Warte“ tut uns sicherlich gut. Es verschwinden unter dem Gesichtspunkt des Ganzen oder der Ewigkeit, wie man früher sagte, die kleinen Eitelkeiten und Beschränktheiten unseres kurz bemessenen Daseins.

Aber die Realitäten unseres Lebens verschwinden durch diese Sicht nicht. Uns quält die Krankheit, der Hunger, der Mangel, der Schmerz genauso weiter. Und meine Krankheit ist nicht Deine Krankheit, und mein Erfolg ist nicht Dein Erfolg, und mein Schmerz ist nicht Dein Schmerz.

Wenn wir beide jeder eine Hand auf diesen Tisch legen und ein Dritter haut mit dem Hammer darauf, dann schreit nur einer von uns vor Schmerz auf. Hier ziehe nicht ich sondern hier zieht die Realität eine Grenze.

Wir können nicht mehr leben wie die Vögelein unter dem Himmel, sondern müssen uns anstrengen, um den gewünschten Platz in dieser Welt zu erhalten.

Und auch der Mönch, der sein Leben der Ewigkeit geweiht hat, lebt von den Spenden der anderen.

Es grüßt dich und alle anderen an diesem schönen Sonntagmorgen Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von doc_rudi am 2005-03-13, 10:41 Uhr
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Hallo,
wuwei fragt: "Wo endet also das Ich?"
Mein Ich endet bei den Dingen, die ich bewegen kann.
Ich kann meine Hand bewegen, also gehört sie zu mir. Ich kann aber auch mein Auto bewegen, meinen Fernseher und meinen Computer, also gehören meine Maschinen, mein materielles Eigentum zu mir. Ich kann auch zeitweilig meinen Handwerker bewegen, der mein Auto oder meinen Wasserhan bewegt. Also gehören die als Effektoren zu mir, wie eine Verlängerung meines Arms.
Mein Ich reicht sogar nach Übersee, weil ich mit meiner Entscheidung zum Kauf einer Banane durch diese positive Rückkopplung die Bananenhersteller und -transporteure zu weiterer Tätigkeit anrege.
Eure Ichs sind übrigens genauso groß, ob ihrs wisst oder ob ihr nicht wiisen wollt. Ihr könnt dieses Wissen natürlich auch verleugnen.
Ich nenne dies allerdings zur Vermeidung von Missverständnissen nicht die "Ich"s, sondern die "Systeme Mensch".
Eure Wünsche und Bedürfnisse sind zwar determiniert, aber wie ihr sie befriedigt, bleibt eurer Entscheidung vorbehalten.
Einen schönen Sonntagmorgen
rudi



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Nonantroph am 2005-03-13, 11:30 Uhr
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Gibt es denn in den Naturwissenschaften außer der Quantenmechanik (und damit dem radioaktiven Zerfall) einen Hinweis auf einen möglichen Indeterminismus ?

Zitat:
Kein Naturwissenschaftler behauptet (qua Naturwissenschaftler), daß alles Naturgesetzen unterliegt.

Ist das nicht sogar die Vorraussetzung jeder Naturwissenschaft, dass prinzipiell ALLES Naturgesetzen folgt ? Keinem Experiment wäre zu trauen, wenn auch nicht kausale Einflüsse das Ergebnis beeinflussen könnten. Oder anders gesagt, gibt es denn ein Indiz für etwas in diesem Universum, das nicht Naturgesetzen unterliegt ?

Vielleicht gibt es hier ja einen Physiker. Wie ist das - was ist die aktuelle Auffassung der Naturwissenschaften (inklusive Neurobiologie) zum Thema des Determinismus ???

Zitat:
Damit schließt der Laplace'sche Dämon von vornherein wahrscheinlichkeitstheoretische Betrachtungen aus. Vergessen wir ihn also, denn es gibt die Quantentheorie, es gibt Hume und Kant. Und vor allen Dingen vergessen wir den naiven Dualismus von Freiheit und Kausalität.

Die Quantentheorie ist durchaus auch deterministisch interpretierbar. Und Hume sowie Kant findet man bei Google zuweilen sogar als Vertreter des Determinismus !?

Zitat:
Der Wind bewegt den Baum, der Schnee läßt den Ast brechen usw. Aber von einer "höheren" Warte betrachtet, ist es nicht so, daß eigentlich nichts geschehen kann, ohne daß ALLES geschieht?

Könnte man das nicht als gute Definition eines starken Determinismus auffassen ? Das ganze Universum geht dabei gemäß den Naturgesetzen von einem Zustand in den nächsten über.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2005-03-13, 18:54 Uhr
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Hallo Eberhard,

Zitat:
"Diese Sicht von einer „höheren Warte“ tut uns sicherlich gut. Es verschwinden unter dem Gesichtspunkt des Ganzen oder der Ewigkeit, wie man früher sagte, die kleinen Eitelkeiten und Beschränktheiten unseres kurz bemessenen Daseins.
Aber die Realitäten unseres Lebens verschwinden durch diese Sicht nicht. Uns quält die Krankheit, der Hunger, der Mangel, der Schmerz genauso weiter. Und meine Krankheit ist nicht Deine Krankheit, und mein Erfolg ist nicht Dein Erfolg, und mein Schmerz ist nicht Dein Schmerz.
Wenn wir beide jeder eine Hand auf diesen Tisch legen und ein Dritter haut mit dem Hammer darauf, dann schreit nur einer von uns vor Schmerz auf. Hier ziehe nicht ich sondern hier zieht die Realität eine Grenze."

Ich gebe dir in gewisser Weise sogar recht. Aber du vermutest hier einen Gegensatz zwischen meinem, wie du sagst, "kosmischen Einklang" und der "Realität", wie du sie beschreibst. Es ist nicht voneinander zu trennen. Es gäbe keine Realität, wenn ihr kein kosmischer Einklang zugrundeläge. Und ohne Realität könnten wir uns nicht über Einklang oder sonstwas unterhalten. Um zu erkennen, daß alles eins ist, müssen mindestens zwei erscheinen. Und somit sind Einklang und (scheinbare) Trennung immer gleichzeitig anwesend.
Die Einheit zu erkennen, heißt nicht, daß dann die Probleme für die Person verschwinden. Zum Leben gehört immer beides, schönes und häßliches. Allein das zu akzeptieren, heißt schon viel.

eine schöne Woche wünscht
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von louisquinze am 2005-03-13, 19:49 Uhr
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Lieber Nonantroph,

es scheint, in Ihrer Argumentation läuft nun manches bunt durcheinander.

Nochmals: Naturwissenschaftler als solche untersuchen nur naturwissenschaftliche Gegenstände. Die Frage etwa, ob es Gott gibt oder nicht wird Ihnen kein Naturwissenschaftler beantworten können und auch nicht w o l l e n (!). Sie ist für den Naturwissenschaftler prinzipiell unmöglich.

Ein Zweites: Freilich untersucht der Naturwissenschaftler Kausalzusammenhänge. Aber wozu soll er denn einen Determinismus annehmen? Das ist doch völlig abwegig, weil das Metaphysik ist, d.i. eine Annahme über die Wirklichkeit als Ganze. Welche Naturwissenschaft befaßt sich denn Ihrer Meinung mit soetwas?

mfg
Lq

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Nonantroph am 2005-03-14, 00:14 Uhr
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Zitat:
Ein Zweites: Freilich untersucht der Naturwissenschaftler Kausalzusammenhänge. Aber wozu soll er denn einen Determinismus annehmen? Das ist doch völlig abwegig, weil das Metaphysik ist, d.i. eine Annahme über die Wirklichkeit als Ganze. Welche Naturwissenschaft befaßt sich denn Ihrer Meinung mit soetwas?

Die moderne Physik in gewissem Sinne. Sie sucht nach Gesetzmäßigkeiten auf der untersten Ebene der Natur mit dem Ziel eine universale Theorie des Universums (Weltformel) zu finden, die alles innerhalb (!!!) des Universums erklärt (auch sich selbst). Ob das utopisch oder realistisch ist, sei dahingestellt. Insofern würde ich zwar zustimmen, dass sich die Naturwissenschaft nicht direkt mit Metaphysik befasst, aber versucht jegliche Metaphysik zu widerlegen bzw. als Erklärung auszuschließen.

Zitat:
Freilich untersucht der Naturwissenschaftler Kausalzusammenhänge. Aber wozu soll er denn einen Determinismus annehmen?

Ohne Determinismus sind Naturgesetze wertlos. Denn die Bahn der Planeten könnte sich ja schlagartig und ohne Ursache ändern, etc. Ich denke ohne die Annahme eines Determinismus kann man sich die Naturwissenschaften sparen, da ihre Aussagen wertlos wären. Kausalzusammenhänge sind ja gerade das Wesen des Determinismus.

Ich möchte nochmal die angeführten Anti-Determinismus Argumente zusammenfassen:
- Emergenz
- Quantenphysik
- subjektives Erleben des freien Willen
- Kausalität lediglich als Kategorie ein Produkt des menschlichen Verstandes
- logische Selbstwiderlegung / Inkonsistenz des Determinismus

Ich hoffe ich habe niemanden übergangen oder falsch zusammengefaßt.

Interessant finde ich die Idee der prinzipiellen Nicht-Widerlegbarkeit (bei gleichzeitigem Nicht-Zutreffen des Determinismus). Daher möchte ich das Thema mal andersrum stellen:

Kennt jemand gute Argumente gegen die Existenz eines Indeterminismus in diesem Universum ?

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von leo_casimir am 2005-03-14, 07:37 Uhr
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on 03/14/05 um 00:14:22, Nonantroph wrote:Ohne Determinismus sind Naturgesetze wertlos. Denn die Bahn der Planeten könnte sich ja schlagartig und ohne Ursache ändern, etc. Ich denke ohne die Annahme eines Determinismus kann man sich die Naturwissenschaften sparen, da ihre Aussagen wertlos wären. Kausalzusammenhänge sind ja gerade das Wesen des Determinismus.



Braver und tapferer Nonantroph,

Kausalzusammenhänge bzw. gesetzmäßige Beschreibungen gehören zum Wesen der Naturwissenschaft. Sie sagen für sich genommen nichts über Determinismus/Indeterminismus. Mathematiker können auch die Ziehung der Lottozahlen mit allerlei Formeln gesetzmäßig beschreiben. Welche Zahlen am nächsten Wochenende gezogen werden, können sie nicht vorhersagen. In der Quantentheorie verhält es sich genauso. Dort sind keine Voraussagen über einzelne Ereignisse mehr möglich. Vergleichen wir das mal mit einem Tennisball, der an eine Mauer geworfen wird. In der klassischen Physik kommt der Ball von der Mauer immer zurück (elastischer Stoß). In der Quantentheorie kommt er mal zurück und mal nicht (obwohl die Mauer immer da ist), er kommt mal als Ball und mal als Welle zurück. Da funktioniert auch die klassische Auffassung von Kausalität nicht mehr.

Grüße
Leo


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von louisquinze am 2005-03-14, 09:46 Uhr
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Hallo Nonantroph,

was heißt: sind Naturgesetze wertlos?

Sie gelten nur von Tatsachen, die hier und jetzt beobachtet und beschrieben werden. Was morgen sein wird kann Ihnen kein Naturwissenschaftler mit Sicherheit vorhersagen.

Um es etwas philosophischer auszudrücken:
Naturgesetze sind ihrem Wesen nach kontingent, sie könnten genauso gut auch nicht gelten.
Die Frage nach dem Determinismus ist hierbei noch gar nicht berührt.

mfg
Lq

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2005-03-15, 06:59 Uhr
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Hallo Nonantroph,

Du schreibst: „Kausale Zusammenhänge sind ja gerade das Wesen des Determinismus.“

Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Determinismus gewissermaßen ein endgültiges Modell der Welt voraussetzt mit bestimmten Grundelementen und bestimmten Eigenschaften ihres Verhaltens.

So glaubten im Anschluss ein Newtons Theorie manche, dass die Welt letztlich aus Atomen bestünde, die sich nach den Gesetzen der Mechanik bewegten. Sie glaubten, dass man damit die Welt erfassen könnte so wie ein Uhrwerk nur viel komplizierter.

Wie sich jedoch herausstellte, gab es keine kleinsten Einheiten in Form der Atome und deren Mechanik, sondern es gab auch Elektrizität und Magnetismus. Und deren Erforschung führte dazu, dass man das Atom selber als ein komplexes Gebilde ansah bestehend aus Neutronen, Elektronen usw… Und auch das war noch nicht das letzte Wort, es kamen die Quarks.

Die Ursachenforschung in der Wissenschaft wird dagegen betrieben ohne die Annahme, zu den elementarsten Strukturen der Welt vorgestoßen zu sein. Sie bezieht sich auf abgegrenzte Bereiche der Wirklichkeit und beanspruche nicht, der Weisheit letzter Schluss zu sein. Es genügt, dass man hier und heute die gewünschten Folgen gezielt hervorrufen kann.

Es grüßt Dich Eberhard.


Hallo allerseits, hallo Nonantroph,

Aber zur Sache, Nonantroph schreibt: „Ohne Determinismus sind Naturgesetze wertlos. Denn die Bahn der Planeten könnte sich ja schlagartig und ohne Ursache ändern, etc. Ich denke ohne die Annahme eines Determinismus kann man sich die Naturwissenschaften sparen, da ihre Aussagen wertlos wären.“

Damit stellt sich mir die Frage: Was wissen wir über die Zukunft? Brauchen wir die Annahme unveränderlicher Naturgesetze? Welchen Wert haben unsere Erfahrungen und Wahrnehmungen?

Ich sitze jetzt hier und habe die Augen geschlossen. Ich öffne die Augen, und ich habe optische Sinneseindrücke. Ich erkenne einen Monitor vor mir.

Ich schließe die Augen, warte einen Augenblick und öffne die Augen wieder: Ich habe nahezu dieselben optischen Sinneseindrücke wie vorher. Ich sehe immer noch einen Monitor von gleichem Aussehen an der gleichen Stelle vor mir. Ich erkenne den Monitor wieder.

Damit habe ich ein dauerhaftes Objekt gefunden, das ortsfest und über einen Zeitraum gleich geblieben ist. Ich schließe die Augen, dann öffne ich sie wieder. Ich sehe jedes Mal den gleich aussehenden Monitor am gleichen Ort.

Wenn ich nun Annahmen über die Zukunft machen muss, um möglichst gezielt (zu meiner Selbsterhaltung oder Wunschbefriedigung) handeln zu können, dann liegt die Annahme nahe, dass die Bestandteile meiner Umwelt, die seit langem unverändert bestehen (das Haus, in dem ich wohne; der Grund und Boden, auf dem das Haus steht; die Straße vor meinem Haus; die Bergkette am Horizont usw.) auch weiterhin unverändert bleiben.

Das, was bisher dauerhaft war, nehme ich sinnvoller Weise auch für die Zukunft als dauerhaft an - zumindest solange sich nichts ändert. Damit ist schon ein Großteil dessen, was die Zukunft bringen wird, bekannt, wie jeder durch einfaches Überlegen über die konstanten Größen in seiner Umwelt feststellen kann.

Zweitens gibt es regelmäßig sich wiederholende Abläufe, wie „Einatmen – Ausatmen“ oder „linker Fuß vor – rechter Fuß vor“ oder „Sonnenaufgang – Sonnenuntergang“ oder „Pendelschwung hin – Pendelschwung zurück“, „Warme Jahreszeit – kalte Jahreszeit“, „Tag – Nacht“. Das Dauernde und das sich regelmäßig Wiederholende machen zusammen einen großen Teil unserer jetzigen und unserer zukünftigen Lebensbedingungen aus. (Wäre es anders, dann hätte es den Menschen als Resultat der Evolution wohl nie gegeben.)

Als Drittes seien die gleichförmigen Veränderungen genannt: Der aus der Ruheposition fallende Stein behält seine senkrechte Richtung bei, wenn nichts seinen Weg verstellt. Der Baum vor meinem Haus wird von Jahr zu Jahr größer, ebenso das neugeborene Baby, das Wasser des Flusses fließt gleichmäßig flussabwärts,

Als Viertes gibt es die sich gleich bleibenden, aber ortsveränderlichen, mobilen Objekte, wozu nicht zuletzt ich selber mit meinem Körper, mit Kopf, Rumpf, Armen, Beinen, Füßen, Händen, Fingern etc. gehöre, aber auch Sonne, Mond und Sterne, die Tiere oder die andern Menschen.

Schließlich gibt es verschiedene Phänomene, die regelmäßig zusammen auftreten: Wenn die Sonne über den Horizont steigt, wird es hell, wenn man Papier ins Feuer hält, fängt es an zu brennen, wenn man einen Stein in die Luft wirft, fällt er zur Erde zurück, wenn etwas Spitzes meine Haut ritzt, empfinde ich Schmerz , wenn ich den Schalter drücke, geht das Licht an usw. Hierhin gehören Fragen nach Ursachen und Folgen.

Wenn bisher (in der Vergangenheit) dieses Zusammentreffen stattgefunden hat, dann liegt es nahe, dies auch für die Zukunft anzunehmen – zumindest solange, wie dies Zusammentreffen sich fortsetzt.

Dieses – wie immer auch vorläufige – Wissen ist m.E. nicht wertlos.

Dies wurde bewusst unphilosophisch und ohne monströsen Begriffsapparat formuliert von Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Jarok am 2005-03-28, 02:58 Uhr
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Ein "es war immer so, also wird es immer so sein" hat keine strenge Geltung. Selbst in der steten Wiederholung des Gleichen ist ein Abfall zu erkennen; das System "Pendel" verliert Stück für Stück immer mehr seiner anfänglichen Gesamtenergie. Ideale Verhältnisse sind rein hypothetisch.

Widerspricht es sich, dass es Freiheit und Ordnung nebeneinander gibt? Offenbar zumindest soweit, dass sie ständig gegeneinander kämpfen, ohne das je eine von beiden endgültig siegen könnte. Was ich immer sehr bemerkenswert finde, das ist dieses starke Sendungsbewusstsein des Naturwissenschaftlers, der dem Menschen seine Unfreiheit zu verkünden sucht, die nun endgültig, ja eigentlich auch endlich, sicher feststehe. Ihm gegenüber steht das Bedürfnis vieler Menschen sich etwas verkünden zu lassen, die jene Offenbarung dann liebend gerne annehmen. Ein Verhalten das durchaus eine gewisse Unterwürfigkeit, welche aus der Annahme der eigenen Inkompetenz entweder, oder aber mangelnder Urteilskraft erwächst, mit sich trägt.

Ordnung und Freiheit sind Weiber, mit denen man nicht zugleich ins Bett gehn möchte, so sehr bekeifen sie sich. Es ist eher eine Frage des persönlichen Eros, ob man den militärischen Marsch oder die Spontanietät des Gedanken liebt.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von MultiVista am 2006-11-03, 11:11 Uhr
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Und was ist mit EMERGENZ?

Das ist Entstehung des Neuen, das aus den Voraussetzungen nicht deterministisch vorhersagbar ist, also das Gegenteil von Descartes Ansatz... aber was wäre das denn? Im übrigen, denke ich, wäre das kein Widerspruch (Determination & Emergenz), denn selbst wenn etwas deterministisch -also auch das neue - festgelegt ist, dann kann ich es noch lange nicht voraussagen!



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-03, 12:43 Uhr
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Hallo allerseits,

Es werden Argumente gesucht gegen die Behauptung

(1): "Im Universum ist so wie in einem Uhrwerk alles mit Anbeginn vorherbestimmt".

Ich vertrete die Behauptung

(2): "ich kann zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten wählen."



Erste Frage an die Kritiker meines Kopfdreh-Experimentes:

Ist die Behauptung (1) mit der Behauptung.(2) logisch vereinbar?

Wenn "nein", dann wäre der Beweis der Behauptung (2) zugleich die Widerlegung der Behauptung (1).

Wenn beide Behauptungen logisch miteinander vereinbar sind, verliert die Behauptung (1) erheblich an Faszination bzw. Bedrohlichkeit.

Also:

Ist die Behauptung (1) mit der Behauptung (2) logisch vereinbar?

fragt Euch

Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Wolfgang_Horn am 2006-11-03, 14:34 Uhr
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Hi, Eberhard


Du: [i]Ist die Behauptung (1) mit der Behauptung.(2) logisch vereinbar?

Gegenfrage: Was ermutigt uns zu der Annahme, die Behauptungen (1) und (2) seien beide allgemeingültig für das gesamte Universum in seiner Gänze und in allen seinen Teilen?

Wenn ich Hunger habe, halte ich die Notwendigkeit des Essens für "determiniert". Unter Freiheit verstehe ich, wenn unter dem Vorrat in meinem Kühlschrank wählen kann.


Ciao
Wolfgang Horn

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-03, 22:14 Uhr
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on 11/03/06 um 12:43:59, Eberhard wrote:Hallo allerseits,

Es werden Argumente gesucht gegen die Behauptung

(1): "Im Universum ist so wie in einem Uhrwerk alles mit Anbeginn vorherbestimmt".

Ich vertrete die Behauptung

(2): "ich kann zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten wählen."



Erste Frage an die Kritiker meines Kopfdreh-Experimentes:

Ist die Behauptung (1) mit der Behauptung.(2) logisch vereinbar?

Wenn "nein", dann wäre der Beweis der Behauptung (2) zugleich die Widerlegung der Behauptung (1).

Wenn beide Behauptungen logisch miteinander vereinbar sind, verliert die Behauptung (1) erheblich an Faszination bzw. Bedrohlichkeit.

Also:

Ist die Behauptung (1) mit der Behauptung (2) logisch vereinbar?

fragt Euch

Eberhard.





Hi,
nur ein kurzer Einwurf, da ich mich jetzt gerade eigentlich anderen Threads widmen wollte...

Vielleicht ist das Problem, dass der erste Satz eine falsche Assoziation schafft. Nämlich die, dass der Mensch jedwedes Uhrwerk - verstanden hier als die "waltende" Ursache-Wirkungs-Kausalität - von außen imstande zu betrachten und vollständig zu verstehen vermag.

Soweit das "ICH" jedoch von diesem kausalen Mechanismus selbst erzeugt wird, ist der Mensch außerstande, diesen vollständig zu verstehen und zu durchschauen. Er ist dann sozusagen Teil des Uhrwerks, das sich jedoch nicht "selbst verschlucken" kann. Dieser Problematik entspricht formallogisch abgeleitet wohl dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz.

Die finale Betrachtungsweise steht dem Menschen offen. Möglicherweise ließe sich sogar sagen, er "sei" - um hier den Aspekt des phänomenalen Bewußtseins ins Spiel zu bringen - sozusagen diese Betrachtungsweise (auf den neu aufgenommenen Thread von Hajo sei verwiesen).

Es bleibt dann eine Frage der sprachliche Umschreibung, ob wir anführen, die Welt insgesamt sei nicht deterministisch oder ob wir - vorsichtiger - uns darauf beschränken, die Welt, im besonderen aber das eigene Sein, von unserem finalen Standpunkt aus, als nicht gänzlich deterministisch erklärbar anzusehen.

Insgesamt kann ich also bezogen auf die beiden Sätze festhalten:

Der erste Satz ist zu hinterfragen, die Bedeutung von "wie ein Uhrwerk" entschärft sich dann. (Die quantenmechanische Sichtweise mag hier noch eine zusätzliche Relativierung mit hineinbringen, was sich jedoch meinem Verständnis entzieht).

Der zweite Satz beruht auf der finalen Betrachtungsweise. Kausale und finale Betrachtungsweise widersprechen sich nicht.

Letztlich läßt es sich mE so verstehen, um die Sache endgültig auf den Punkt zu bringen, dass sich die beiden Sätze eher nicht logisch widersprechen.


Liebe Grüße
Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-03, 22:56 Uhr
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on 11/03/06 um 14:34:41, Wolfgang_Horn wrote:Du: [i]Ist die Behauptung (1) mit der Behauptung.(2) logisch vereinbar?

Gegenfrage: Was ermutigt uns zu der Annahme, die Behauptungen (1) und (2) seien beide allgemeingültig für das gesamte Universum in seiner Gänze und in allen seinen Teilen?



Für mich wäre in erster Linie zunächst die Frage zu klären: Was meinen wir eigentlich mit "determiniert" einerseits und dem Begriff der Handlungsfreiheit andererseits? Wie Dein weiterer Satz verrät, ist Dein Verständnis - aus meiner Sicht - nicht schlüssig. Du schreibst:


on 11/03/06 um 14:34:41, Wolfgang_Horn wrote:Wenn ich Hunger habe, halte ich die Notwendigkeit des Essens für "determiniert". Unter Freiheit verstehe ich, wenn unter dem Vorrat in meinem Kühlschrank wählen kann.



Besteht nicht auch die Möglichkeit, der Versuchung zu widerstehen, selbst für den Hungernden, und den Vorrat des Kühlschranks gänzlich unangetastet zu lassen? Ist dieses Verständnis von Determiniertheit wirklich schlüssig?

Liebe Grüße
Xenon


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von MultiVista am 2006-11-04, 07:36 Uhr
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Braucht Determinismus bzw. das Kausalität-"gesetz" selbst einen Ursprung ?

Dr. Helmut Hesse, Dozent begründet sein Pläadoyer für die Willensfreiheit damit, dass es der Naturwisenschaft(damit auch in der Hirnforschung) nicht gelingen könne, den
Anfang selbst zu finden,
obwohl sie das Kausalitätgesetz gelten lassen muss!

"Während die Metaphysik alles aus einem Ursprung herleitet,
denkt die Philosophie der Differenz einen "nicht-ursprünglichen Ursprung" (von wem stammt das?)



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Wolfgang_Horn am 2006-11-04, 12:01 Uhr
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Hi, Multi,


Du: Braucht Determinismus bzw. das Kausalität-"gesetz" selbst einen Ursprung ?

Nein.

Logischer Beweis: Gesetze haben weder Masse noch Energie. Wer ihnen die Tätigkeit "ist" zuschreibt, irrt darin.
Ebenso, wer nach einem Beginn oder Ende dieser Zuschreibung fragt.

Ende des Beweises.

Komplizierter muß es nicht sein.
Wer von zwei möglichen Beweisansätzen den komplizierteren bevorzugt, der verfolgt wohl andere Ziele als die Beweisführung.


Ciao

Wolfgang Horn


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-07, 13:47 Uhr
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Hallo allerseits,

ich hatte gefragt, ob der Satz "

(1): "Im Universum ist so wie in einem Uhrwerk alles mit Anbeginn vorherbestimmt".

mit dem Satz

(2): "ich kann zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten wählen."

logisch vereinbar ist.

Auf diese Frage herrschte weitgehend Schweigen. Nur Xenon hat mit einem "Ja" geantwortet.

Wenn beide Sätze miteinander vereinbar sind, dann hat mein Kopfdrehbeispiel, das meines Erachtens nach den Satz (2) bewiesen hat, zwar nicht den Satz (1) widerlegt, aber ein "Determinismus", in dem ich zwischen Möglichkeiten wählen kann, hat seine Faszination wohl so ziemlich verloren, meint

…. Eberhard.



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Findus am 2006-11-11, 23:49 Uhr
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Hallo in die Runde,

was soll eigentlich gegen die Vereinbarkeit von Determinismus und Indeterminismus sprechen?

Warum sollten kausal organisierte Systeme in ihrer Eigenschaft als >Subsysteme< nicht einen Entwicklungskontext erzeugen, der selbst wiederum die Eigenschaft sog. >Offener< Systeme besitzt? - wobei zwischen beiden Ebenen eine Wechselbeziehung existiert.
M. E. leidet die ausschließliche Gegenüberstellung beider Formen an einem "Vereinheitlichungsdefizit", wie dies auch für Teiltheorien aus anderen Bereichen gilt oder gegolten hat (siehe z.B. Physik).
Es besteht m. E. überhaupt kein Wiederspruch, das sich der Kontext kausaler Systeme als >emergentes< und >kontingentes< Potential eines (offenen) Metasystems darstellt.
Um zu verhindern, daß die Verwandlung rhethorischer "Ist"-Zustände in "Masse" und "Energie" Kausalitäten erzeugt, die dann als beeindruckende >Quasare< (quasi-stellare Objekte) (lieber Wolfgang Horn) zu optischen Täuschungen führen ,- vielleicht für den Anfang - guckst du hier:
1. http://de.wikipedia.org/wiki/Kontingenz_%28Philosophie%29
2. http://de.wikipedia.org/wiki/Emergenz

Gruß Findus [surprise]

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-12, 08:35 Uhr
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on 11/11/06 um 23:49:07, Findus wrote:Hallo in die Runde,

was soll eigentlich gegen die Vereinbarkeit von Determinismus und Indeterminismus sprechen?

Warum sollten kausal organisierte Systeme in ihrer Eigenschaft als >Subsysteme< nicht einen Entwicklungskontext erzeugen, der selbst wiederum die Eigenschaft sog. >Offener< Systeme besitzt? - wobei zwischen beiden Ebenen eine Wechselbeziehung existiert.
M. E. leidet die ausschließliche Gegenüberstellung beider Formen an einem "Vereinheitlichungsdefizit", wie dies auch für Teiltheorien aus anderen Bereichen gilt oder gegolten hat (siehe z.B. Physik).
Es besteht m. E. überhaupt kein Wiederspruch, das sich der Kontext kausaler Systeme als >emergentes< und >kontingentes< Potential eines (offenen) Metasystems darstellt.
Um zu verhindern, daß die Verwandlung rhethorischer "Ist"-Zustände in "Masse" und "Energie" Kausalitäten erzeugt, die dann als beeindruckende >Quasare< (quasi-stellare Objekte) (lieber Wolfgang Horn) zu optischen Täuschungen führen ,- vielleicht für den Anfang - guckst du hier:
1. http://de.wikipedia.org/wiki/Kontingenz_%28Philosophie%29
2. http://de.wikipedia.org/wiki/Emergenz

Gruß Findus [surprise]





Hallo Findus,

ich meine, Du hast einen wahren Gedanken, aber würde ihn nicht auf den Nenner bringen, Determinismus und Indeterminus seien vereinbar. Denn hier handelt es sich um ein begriffliches Gegensatzpaar. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Ich versuche mal in Worte zu kleiden, wie ich die Sache sehe. Vielleicht mal am besten gleich anhand eines Beispiels. Dem "System Mensch". Wenn wir menschliches Handeln auf der Meta-Ebene betrachten, also auf der Person-Ebene, sprechen wir von Willen, Motiven, Charakter, Antrieben usw. Auf dieser Ebene betrachten wir das System als "offen".

"Offen" bedeutet jedoch nicht, dass das Geschehen auf der Meta-Ebene rein zufällig erfolgt. Vielmehr lassen sich auf der Meta - Ebene gebündelte kausale Wirkkräfte feststellen ("Ich esse, weil ich Hunger habe), die das System aber nicht EXAKT beschreiben oder künftiges Verhalten EXAKT vorhersagen können.
Exakt wird alles weiter durch die untere Ebene determiniert. Aber Determiniertheit ist etwas anderes als Berechenbarkeit oder Vorhersehbarkeit.

Die Instanz, welche Vorausberechnungen oder Vorhersagen zu machen vermag, kann ja ontologisch gesehen nur auf der Meta-Ebene selbst angesiedelt sein. Dann aber bleibt diese aus prinzipiellen logischen Erwägungen heraus (Stichwort: Gödel oder Eberhards Drehstuhlexperminent) "unvollkommen" und daraus begründet sich m.E. das, was Du "Offenheit" des Metasystems nennst. Man könnte es auch "Freiheitsspielraum" nennen.

Zusammenfassend würde ich also Deinen Satz etwas umformulieren:

Determiniertheit einerseits und Nicht-Berechenbarkeit bzw. Nicht-Voraussagbarkeit andererseits widersprechen sich nicht.

Liebe Grüße
Xenon





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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-12, 14:44 Uhr
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Hallo,

ich habe heute morgen in der Badewanne über die Problematik weiter nachgedacht.

Dabei ist mir klar geworden, daß die ganze Angelegenheit noch von mir weiter präzisiert werden muß.

Wenn ich Determiniertheit von der Berechenbarkeit unterscheide ("Determiniertheit bedeutet nicht Berechenbarkeit"), wie - zum Teufel - definiere ich dann eigentlich "Determiniertheit" ?

"Determiniertheit" - damit assoziiere ich doch, dass das Determinierte nach starren Regeln abläuft. Dann aber sollte es auch berechenbar sein.

Und so sehe ich das auch. Die Frage ist nur: Berechenbar für wen und von welchem Standpunkt aus?

Meine Antwort: Von einem - wenn auch vielleicht nur theoretisch gedachten - Standpunkt außerhalb dessen, was da berechnet und durch die Berechnung "vollkommen" verstanden werden soll, so dass auch exakte Vorhersagen von künftigen Geschehen möglich sein sollen.

Der Mensch kann sich nicht vollständig verstehen durch die Analyse von Neuronenaktivitäten seines Gehirns. Denn der Meß- und Verstehensprozess ist ja bereits wieder mit einer Veränderung der neuronalen Zustände verbunden. Hier wirkt sich also ein Zirkelschluss aus, der formal-logisch dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz entsprechen mag.

Die gleiche Problematik ergibt sich im Falle des Eberhard`schen Kopfdrehexperiments (das ich kurioserweise in meinem letzten Beitrag aufgrund irgendeiner Fehlzündung in meinem Gehirn versehentlich als "Drehstuhlexperiment" bezeichnet hatte).

So nun meine - keineswegs fertig durchdachte - "These", die ich hier bitteschön kritisiert sehen will.

Ein System ist "determiniert", wenn es auf einer elementaren Beschreibungsstufe als nach starren Gesetzen ablaufend beschrieben werden kann (z.B. einander umwerfende Dominosteine, Algorithmus eines Computerprogramms, neuronales Netzwerk).

Bezogen auf die Kausalität der sich aufwerfenden Dominosteine und den Algorithmus des Computerprogramms sollte klar sein, inwiefern hier "Determiniertheit" verstanden wird.

Um zu präzisieren, was ich damit bezogen auf das neuronale Netzwerk meine, muß ich nun auf Hajos "Probelauf - Gedanken" Bezug nehmen.

Nehmen wir an, ich könnte die Anfangszustände eines Systems, beispielsweise aller Erregungszustände der Neuronen, genau festlegen. Bei verschiedenen "Probeläufen" bei gleichen Anfangsbedingungen und konstanten äußeren Reizen käme dann jedes Mal das gleiche heraus: Auf allen Beschreibungsstufen, also auch der gleiche Bewusstseinszustand. Das meine ich mit "starren Regeln".

Nicht dass ich meinte, dass da jetzt dieses Geschehen einfach etwas auf herkömmliche Art leicht nachzurechnen und vorherzusagen wäre. Ich weiss auch nicht, ob Hajo die Wirkungsweise eines neuronalen Netzwerks zutreffend oder jedenfalls erschöpfend mit "nicht-linear" beschreibt. Hochkomplex und multipel, jedenfalls für starre Algorithmen herkömmlicher Computer nicht darstellbar ist es jedenfalls.

Dennoch läßt sich m.E. das, was im neuronalen Netzwerk geschieht, auf einer elementaren Ebene als "starr" beschreiben: Es gibt so etwas wie einen "kritischen Schwellenwert" für einen eingehenden Impuls an der Synapse. Ist dieser überschritten, nimmt das Neuron den Impuls auf und leitet ihn über seine Axone an benachbarte Neuronen weiter. So jedenfalls mein laienhaftes Verständnis. Ich hoffe, hier habe ich mich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Hajo wird hierzu mehr sagen können.

Nun ist mir jedenfalls folgendes wichtig:

Indeterministisches, also ein etwa aus quantenphysikalischen Phänomenen resultierender "echter Zufall", würde das ganze System nur "stören". Es bringt hier insoweit nicht ein Jota an "Freiheit" hinein. Im Gegenteil.

Wenn es zutrifft, dass der Widerspruch zwischen Determiniertheit und Freiheit auf einem Mißverständnis beruht, geht der Ansatz, in dem Gehirn einen Quantenrechner zu sehen, m.E. ins Leere.

Wir brauchen den "Quantenzufall" nicht. Und wenn es ihn gäbe und er sich tatsächlich im Alltag auswirkte, würde er ja nur dazu führen, dass unser Handeln etwa auf folgende Art unberechenbar würde:

"Warum haben denn heute morgen meine Hände nach dem Kaffee gegriffen, obwohl ich doch eigentlich im Einklang mit meinen geschmacklichen Präferenzen viel lieber den daneben stehenden Tee getrunken hätte?"

Insofern meine provokante Aussage: Determiniertheit ist die Voraussetzung für "Freiheit" und steht nicht in einem Widerspruch zu ihr.


Liebe Grüße
Xenon



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von HaJo am 2006-11-12, 16:24 Uhr
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Im Hinblick auf QuantenRechner müsste ich mich erst wieder etwas einlesen, um tiefer etwas sagen zu können. Dazu hab ich im Moment keine Lust. Aber es sind auf jeden Fall Rechner, Xenon oder sollen es einst werden, wenn man es denn schafft, sich die entsprechenden Prinzipien zudienste zu machen. Es ist nicht so, dass sie dann "verwaschene" Ergebnisse liefern würden oder dergleichen. Die Endresultate müssen verwertbar sein. Es sollte auf jeden Fall möglich sein, dass viele Rechenprozesse gleichzeitig laufen. Und wenn du in deinem Kopf "einen Film drehst", dann ist das genau so - wiewohl selbstverfreilich die Beziehung von Neuronen zu Quantenprozessen heute noch nicht herstellbar ist - mitunter nie herstellbar sein wird. Aber ich vermute sehr: Es wird sie geben! Aber eben dann auch nicht in dem Sinne, dass dies zu vermehrtem "Hintergrundrauschen" führen würde - also wir dadurch so sehr in jenes Nebulöse gerieten, in welchem wir uns fast beständig bewegen. Das glaube ich eher nicht. Das ist vielmehr definiert durch die maximal pro Zeiteinheit verarbeitbaren Daten. Und die erleben wir in uns drin ja wohl sicherlich alle als begrenzt.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-12, 17:23 Uhr
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Hallo Hajo,
als ich den Quanten-Rechner erwähnte, ging ich tatsächlich davon aus, dass er aufgrund der quantenmechanischen Unschärfe "verwaschene" Ergebnisse liefern würde.

Das war wohl falsch, weswegen ich in diesem Punkt schon mal zurückrudere.

Entscheidend ist aber, dass die Aussage "Das Gehirn ist ein Quantenrechner" nicht der Annahme der Determiniertheit des neuronalen Geschehens widerspricht, im Gegenteil: es bestätigt sie dann sogar eher.

Von daher habe ich auch nichts dagegen, das Gehirn als Quanten-Rechner anzusehen. Für die gemachten Aussagen wäre dies irrelevant.

Liebe Grüße
Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-13, 09:43 Uhr
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Hallo allerseits! Hallo Xenon!

Zu Determiniertheit und Vorhersagbarkeit.

(wobei 'determiniert' bedeutet, dass sich aus dem Zustand der Welt zum Zeitpunkt t0 und den wirkenden Gesetzmäßigkeiten der Zustand der Welt zum späteren Zeitpunkt t1 logisch ableiten lässt.)

Ich variiere mein Kopfdreh-Beispiel einmal etwas und sage zum Deterministen:

"Wenn alles determiniert ist, dann ist auch das, was ich jetzt tue, determiniert.
Ich kann aber wählen, ob ich als nächstes meinen Kopf nach links oder rechts drehen werde. Ich habe also zwei Möglichkeiten zur Auswahl."

Wenn der Determinist das bestreitet, frage ich ihn: "Welche der beiden Möglichkeiten habe ich denn Deiner Ansicht nach nicht?"

Der Determinist antwortet diesmal - anders als zuvor: "Das weiß ich nicht."

Woraus ich den Schluss ziehe: "Also musst Du mit beiden Möglichkeiten rechnen."

Der Determinist: "Das stimmt. Aber das liegt nur an meinem unvollständigen Wissen über den jetzigen Zustand der Welt und die Gesetzmäßigkeiten des Geschehens. Wenn ich all das wüsste, könnte ich Dir sagen, welche der beiden Möglichkeiten Du nicht hast."

Ich frage nach: "Was meinst Du mit 'Gesetzmäßigkeiten'?"

Seine Antwort: " Unter Gesetzmäßigkeiten verstehe ich wahre Sätze der allgemeinen Form: 'Immer wenn die Bedingungen a, b, c … gegeben sind, dann geschieht X'. Gleiche Ausgangsbedingungen führen also zu gleichen Folgen."

Dem halte ich entgegen: "Für ein Wesen mit Gedächtnis, nennen wir es WG, gibt es keine gleichen Situationen. Denn selbst wenn die Situation S2 ansonsten vollkommen identisch ist mit einer vorangegangenen Situation S1, so unterscheidet sich doch S2 von S1 immer dadurch, dass sich WG an S1 erinnert."

Es gab eine kleine Pause. Dann stand der Determinist auf und sagte: "Darüber muss ich erstmal nachdenken."

Ich sagte: "Warte noch einen Augenblick. Bevor Du gehst, will ich Dir gleich noch etwas zum Nachdenken geben.

Wir suchen doch nach der richtigen Antwort auf die Frage 'Ist alles determiniert?'.

Aber hat das Bemühen um die richtige Antwort überhaupt einen Sinn, wenn alles determiniert ist und unsere Antworten von kausalen Beweggründen und nicht von einsichtigen Vernunftgründen bestimmt werden?"

Weiß jemand, was bei den Überlegungen des Deterministen herausgekommen ist?

fragt Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Abrazo am 2006-11-13, 22:33 Uhr
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Hi Eberhard,


Quote:Dem halte ich entgegen: "Für ein Wesen mit Gedächtnis, nennen wir es WG, gibt es keine gleichen Situationen. Denn selbst wenn die Situation S2 ansonsten vollkommen identisch ist mit einer vorangegangenen Situation S1, so unterscheidet sich doch S2 von S1 immer dadurch, dass sich WG an S1 erinnert."


Da sehe ich kein Problem. Jedes höher entwickelte Tier erinnert sich an vergangene Situationen. Und arbeitet damit.
Arbeitet qua Regel, welche lautet, ist der aktuelle Sachverhalt gleich dem erinnerten, so wird auch das gleiche ablaufen. Logisches Prinzip.
Läuft er nicht gleich ab, dann war der Sachverhalt nicht gleich.

Für mich ist der Käse Determinismus mit der Reflexion gegessen.
Menschen sind fähig, zu merken, was sie tun und fühlen (und denken).

Wenn ich etwas nicht nur tue, sondern wenn mir auch bewußt ist, was ich tue, so greife ich dieses Handeln abgrenzend aus dem Kontext meines Daseins heraus. Aus dieser Abgrenzung entsteht logisch zwingend die Möglichkeit, es auch anders zu machen.

Beispiel: wenn Du automatisch bei einer Gefahrenlage beim Autofahren auf die Bremse trittst, hast Du nicht die Möglichkeit, nicht auf die Bremse zu treten, weil Du Dir gar nicht bewußt bist, dass Du es tust. Die unbewußte Handlung ist ununterscheidbar im Ablauf Deines Daseins.

Jetzt nimm an, ein Mensch hat Hunger. Er riecht leckeres Essen. Ein Hund würde, so er mit der Gegend keine schlechten Erfahrungen gemacht hat, sofort dorthin marschieren und sich mit an den Tisch setzen.

Ein Mensch kann aber reflektieren und darum wissen, was er tut. Also kann er sich in dieser Situation ebensogut entscheiden, nicht zu essen.

Selbstverständlich hat er für seine Entscheidung einen Grund. Determiniert ist sie dennoch nicht, denn für die andere Entscheidung gäbe es genau so einen Grund.

Determiniert sieht die Sache immer nur dann aus, wenn die Entscheidung gefallen und gehandelt worden ist. Weil dann der verworfene Grund nicht mehr existiert.

Ach, ich bin dieser Diskussion wirklich müde. In ihr geht es doch um etwas ganz anderes, nämlich darum, mich für das, was ich tue, nicht verantworten zu müssen. Das nämlich ist der Fall, wenn alles determiniert ist. Und das hat nunmal die nette Konsequenz, dass man letztlich immer das tun kann, worauf man gerade Lust hat, ohne sich der Mühsal des Überlegens unterziehen zu müssen.

Oder, wie die Jungs schon im Mittelalter erkannt hatten, dass sie sagen können, kann nix dafür, dass ich Straßenräuber geworden bin, hat der liebe Gott so vorher bestimmt, müsst ihr mit leben.

Gruß

Gruß

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-18, 12:10 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Eberhard,
hallo Abrazo,

bevor ich auf Eure Anmerkungen, Eberhard und Abrazo, eingehe, möchte ich die gesamte Problematik noch einmal etwas ausführlicher darstellen (wobei ich bereits Gesagtes teilweise wiederhole), auch um für mich selbst eine Klärung herbeizuführen.

Wenn ein Geschehen (ich will nicht gleich von der „ganzen Welt“ sprechen) determiniert ist, dann bedeutet das lediglich, dass es nicht von einem Zufall abhängt.

Es bedeutet nicht, dass irgendein Mensch – beispielsweise ich – TATSÄCHLICH in der Lage ist, das künftige Geschehen vorauszusagen. Die Gründe, warum ich das nicht kann, können verschieden sein.

Sie können zum einen mit meiner begrenzten Informationsverarbeitungskapazität zu tun haben. Solche Probleme sind zumindest theoretisch überwindbar.

Es kann sich aber auch prinzipielle Gründe handeln, die mit der inneren Logik der Konstellation zu tun haben.

Wenn ich mit Dir in Wechselwirkung trete, so dass ich selbst Teil des Gesamtgeschehens bin, dessen exakten kausalen Ablauf ich jedoch gerade vorauszusehen trachte, dann stoße ich auf ein logisches Paradoxon (verwickelte Hierarchie): Ein Metasystem kann nicht seine kausale Basis, von der es doch erzeugt wird, gänzlich „in den Griff bekommen“. Ich kann aus prinzipiellen Gründen weder mein eigenes Verhalten noch fremdes vorhersagen, sofern die Vorhersage auf das Vorausgesagte einwirkt. Im Kopfdrehbeispiel wären der Determinist und Eberhard beide ein „Gesamtsystem“, das sich nicht „selbst verschlucken“ kann, sprich: Eberhards künftiges Verhalten exakt voraussagen könnte, wenn er in t-1 mit der Voraussage konfrontiert würde.

Denn würde ich Dir im Zeitpunkt t-1 mitteilen: Du drehst den Kopf nach links, könntest Du ihn in t einfach nach rechts drehen. Die Reaktion auf die Voraussage würde die Voraussage widerlegen. Diese Reaktion kann aber nicht in die Voraussage selbst integriert werden, da ja auch die angepasste Voraussage wiederum die Wirklichkeit verändern würde usw.. Man hat es also mit einem logischen Zirkelschluß zu tun. Es ergibt sich eine ähnliche Problematik wie bei der sog. „Epidemides-Paradoxie“ (Der Kreter Epidemides sagt: „Alle Kreter lügen“: Diese Aussage kann weder wahr noch unwahr sein).

So gesehen, widerspricht die Tatsache, dass ich Dir nicht im voraus mitteilen kann, in welche Richtung Du den Kopf drehen wirst, nicht der Determiniertheit (verstanden als Nicht-Zufälligkeit) des Geschehens.

Nach meinem Eindruck wird der Begriff der Determiniertheit weitestgehend gleichgesetzt mit Vorhersehbarkeit (oft wird dies vielleicht auch nur unbewusst unterstellt), ich finde dieses Verständnis aber unbefriedigend.

Zum einen würde dem Begriff der Determiniertheit dann eine eigenständige Bedeutung genommen, was nicht wünschenswert wäre.

Zum anderen verdunkelt diese Sichtweise aber auch das, wofür der Begriff der Determiniertheit im Verhältnis zu seinem Gegenbegriff, dem Indeterminismus, eigentlich stehen soll: Nämlich die Nicht-Zufälligkeit.

Zur Klarstellung und Abgrenzung des Zufallsbegriffs ein kurzer Einschub. Mit „Zufall“ ist hier ein „echter Zufall“ gemeint. In der Allltagswelt bezeichnen wir Geschehnisse oft als „zufällig“, weil uns einfach das Wissen über die Hintergründe fehlt. Wenn wir sagen, etwas geschehe zufällig, dann meinen wir eigentlich keineswegs damit, dass dieses Geschehen aus der Kausalität herausgenommen sei. Auf Grund der symmetrischen Beschaffenheit eines Würfels beispielsweise schließen wir, dass jede der Augenzahlen 1-6 gleich wahrscheinlich ist. Das müßte keineswegs so sein, wäre das „Verhalten“ eines Würfel dem Kausalgesetz entzogen. Ein noch besseres Beispiel ist die sog. „Pseudo-Zufallszahl“, die ein Computerprogramm auswirft. Der Computer errechnet mittels einer rekursiven Funktion aus einem Startwert jeweils die Folgewerte aus. Das ist geradezu der Inbegriff von Determiniertheit. Ein „echter Zufall“ könnte demgegenüber der quantenmechanische Zufall sein. Exkurs Ende.

Man könnte dennoch den Begriff der Determiniertheit wie folgt mit der Voraussagbarkeit und (theoretischen) Berechenbarkeit in Zusammenhang bringen: Das nämlich die Voraussage bzw. die Berechnung von einer „Außenperspektive“ erfolgt. Das ist in einem strengen Sinne unmöglich. Denn Kenntnis von einer Situation kann nur durch erlangt werden, dass in irgendeiner Weise in Wechselwirkung mit ihr getreten wird. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Wechselwirkung für die Analyse eines abgeschlossenen Systems unbedingt „schädlich“ ist. So können wir z.B. den Algorithmus eines Taschenrechners analysieren und feststellen, dass das binäre Programm das duale Zahlensystem in den Grundrechenarten isomorph abbildet. Wir können das „Verhalten“ des Algorithmus, seinen „Phänotyp“ auf der Metastufe des dualen Zahlensystems exakt vorhersagen.

Eine – aus meiner Sicht- noch wichtige Ergänzung:

Die Determiniertheit geht von der „Basisstufe“ eines Systems aus.

Eine Aussage wie: „Ich bin überzeugt davon, dass X heute ins Kino geht, weil er mir gesagt hat, er wolle den Film zum frühestmöglichen Zeitpunkt sehen“ beschreibt ja keine Kausalität im strengen Sinne der Determiniertheit. Es handelt sich um eine vergleichsweise vage Interpretation auf der Metastufe. Der X kann durch unvorhersehbare Geschehnisse gehindert werden, das Kino tatsächlich aufzusuchen: Z.B. durch Krankheit oder Unfall. Auch diese Ereignisse entziehen sich aber nicht der Determiniertheit in einem strengen Sinne.


on 11/13/06 um 09:43:31, Eberhard wrote:Dem halte ich entgegen: "Für ein Wesen mit Gedächtnis, nennen wir es WG, gibt es keine gleichen Situationen. Denn selbst wenn die Situation S2 ansonsten vollkommen identisch ist mit einer vorangegangenen Situation S1, so unterscheidet sich doch S2 von S1 immer dadurch, dass sich WG an S1 erinnert."



Hier ist mir nicht ganz klar: Wendest Du Dich mit diesem Einwand gegen die Annahme einer in Abgrenzung zum echten Zufall verstandene Determiniertheit an sich? Oder hältst Du sie nur für unschädlich im Hinblick auf die Annahme einer (wohlverstandenen) Freiheit des Menschen?

M.E. steht Deine – wichtige und richtige Aussage – in keinem Widerspruch zu einer richtig verstandenen Determiniertheit.

Meine These lautet ja: Selbst – und genaugenommen sogar: nur - in einer determinierten Welt bin ich von meinem Standpunkt aus gesehen in der Lage, zwischen alternativen Handlungsmöglichkeiten zu wählen.



on 11/13/06 um 09:43:31, Eberhard wrote:Aber hat das Bemühen um die richtige Antwort überhaupt einen Sinn, wenn alles determiniert ist und unsere Antworten von kausalen Beweggründen und nicht von einsichtigen Vernunftgründen bestimmt werden?"



In der Frage steckt mE eine falsche Annahme, in dem ein Gegensatz behauptet wird, der nicht gegeben ist.

Den Begriff „Beweggründe“ verstehe ich eher im Sinne von „Motiven“ und halte ihn auf der Metastufe menschlichen Denkens und Handelns angesiedelt. Wenn ich von Kausalität im Sinne von Determiniertheit spreche, verbinde ich damit das Geschehen auf der Basisstufe, z.B. der neuronalen Aktivitäten.

Richtig müsste es mE heißen: Unser Antworten werden sowohl von determiniertem Geschehen auf der Basisstufe (Kausalgesetz) als auch von einsichtigen Vernunftgründen (finale Betrachtungsweise) bestimmt. Das ist nicht additiv zu verstehen, sondern eher aspektdualistisch im Sinne unterschiedlicher Beschreibungsebenen, die auf komplexe Weise in einer Art verwickelten Hierarchie wechselwirken. Dazu ein Beispiel. Zwei Versionen für ein- und dasselbe Geschehen:

Version A
Der Blutzuckerspiegel eines Menschen namens A. sinkt auf einen kritischen Pegel. Dies löst neuronale Aktivitäten im Gehirn des A. aus. Nach Freischaltung durch die Basalganglien werden Impulse für die Bewegung der unteren Gliedmaßen über das Rückenmark geleitet und entsprechende koordinierte Muskelkontraktionen der Beine herbeigeführt. Die Person des A. verändert darauf ihren lokalen Standort in Richtung eines McDonalds Restaurants.

Version B
A. sagt (oder denkt): „Ich geh mal gleich nach`m McDo, weil ich tierischen Hunger hab“ - und macht sich gleich auf den Weg....

Vielleicht könntest Du noch einmal auf den Punkt bringen, in welcher Weise eine in Abgrenzung zum echten Zufall verstandene Determiniertheit beispielsweise „das Bemühen um richtige Antworten“ in Frage stellt. Oder hast Du doch ein anderes Verständnis von Determiniertheit? Mag auch sein, dass meine Ausführungen Unschlüssigkeiten enthalten....

Zu Abrazo:

Im Ergebnis stimmen wir überein, dass Determiniertheit (ich verwende ungern den Begriff Determinismus, weil ich -ismen gerne vermeide) das wohlverstandene "Andershandeln-Können" nicht in Frage stellt. Die Neigung, Determiniertheit ins Spiel zu bringen gegen das "Prinzip Verantwortung" ist ja weit verbreitet. Sie ist jedoch m.E. keineswegs Ausflucht nur derjenigen, die SICH SELBST vor Verantwortung drücken wollen.

Denke nur an Hajo, der - wenn ich ihn richtig verstanden hatte - mit der Begründung, Straftäter könnten gar nicht anders handeln, das Prinzip des Strafens ganz für obsolet hielt. Tatsächlich ist die Beurteilung, ob z.B. Triebtäter auch hätten anders handeln können, eine schwierige Angelegenheit. Dabei dürfte das Verständnis der verwendeten Begrifflichkeiten doch wichtig sein. Ich finde im Gegensatz zu Dir, dass hier noch einiger Klärungsbedarf besteht.

Du führst aus, dass die Vergangenheit determiniert sei, da feststehend, und nicht, wie die Zukunft, noch beeinflussbar. Eine so verstandene Determiniertheit bedeutet, dass von einem Geschehnis X nicht intertemporal ausgesagt werden kann, es sei determiniert. Ein solches Verständnis scheint mir auf den ersten Blick wohl doch recht weit entfernt von meiner Definition im Sinne von "nicht zufällig".

Mein Nachdenken über die Problematik ist aber alles andere als abgeschlossen. Ich schließe nicht aus, dass ich da irgendwie auf dem Holzweg bin und wäre für kritische Anmerkungen dankbar...

Ein schönes Wochenende wünscht Euch
Xenon


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Abrazo am 2006-11-18, 23:57 Uhr
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Hi Xenon,

nach meiner Erfahrung verstehen die meisten, die Determination und Indetermination mehr oder minder philosophisch diskutieren, darunter etwas anderes, als Du. Vielleicht unterscheidet sich die Terminologie je nach Fachgebiet.

Determination lässt sich traditionell wohl am besten mit 'Vorherbestimmt' übersetzen. Wie ich mehrfach erwähnte, die Diskussion Determination - Indetermination wurde u.a. auch in der islamischen Theologie und Philosophie geführt. Denn da erkannte man den Konflikt zwischen der Willensfreiheit des Menschen, die, wenn er Übles will, Grund für die Bestrafung im Jenseits ist, und der göttlichen Vorherbestimmung, die dann allerdings weder menschliche noch göttliche Strafe rechtfertigt; schließlich kann der Massenmörder nichts dafür, wenn er massenweise mordet, Gott hat ihn so gebaut. Theologisches Problem: wer für Indetermination einsteht, kommt in Konflikt mit der göttlichen Allwissenheit und Allmacht. Denn wenn Gott allwissend ist: weiß er dann auch, wie der entscheidungsfreie Neugeborene sich als Vierzigjähriger in einer bestimmten Situation entscheiden wird? Wenn er allmächtig ist: kann er eine Entscheidung (Entscheidung, nicht Handlung) verhindern, wenn sie ihm nicht passt?

Determination steht also in dieser Diskussion im Gegensatz zur Entscheidungsfreiheit. Deswegen ist aber eine freie Entscheidung nicht zufällig; der Entscheidende hat für seine Entscheidung ja Gründe und entscheidet nicht einfach so, wie wenn er eine Münze wirft.

Hier sage ich nun: Entscheidungsfreiheit heißt nicht, dass man sich aus einer schier unendlichen Anzahl Möglichkeiten für irgend eine entscheidet. Es genügt eine Alternative. Und die, sage ich, ist gegeben qua Logik durch die Fähigkeit zur Reflexion. Denn sobald ich abgrenze, was ich tue, grenze ich auch das ab, was ich nicht tue, woraus logisch zwingend die Möglichkeit erwächst, es auch anders zu machen. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten, so oder anders, kann ich mich entscheiden. Vorausgesetzt, ich reflektiere über das, was ich tue. Denn wenn ich darüber nicht reflektiere, heißt, es mir nicht bewußt mache, heißt, unbewußt handle, heißt, es gar nicht weiß, habe ich auch keine alternative Möglichkeit. In dem Falle habe ich nur die einzige Möglichkeit, nach den zwingenden biologischen Bestimmungen zu handeln.

Dein Kopfdrehexperiment hingegen, da stimme ich Xenon zu, überzeugt mich leider nicht, Eberhard.

Das ist mein Hauptkritikpunkt an der so, wie von mir angegeben, verstandenen Determinationslehre. Weniger wichtig, aber immerhin gegeben, ist meine Kritik an der Methode. Wie gesagt, wenn eine Entscheidung samt Handlung (oder auch Nichthandeln) vollendet ist, dann gibt es dafür eine Kausalkette. Die andere Kausalkette, die es gegeben hätte, wäre die Entscheidung anders gefallen, gibt es ebenso wenig, wie das Ergebnis dieser nicht gefallenen Entscheidung. Lässt sich also auch gar nicht empirisch untersuchen, dat geht nich, wennet wat nich gibt. Nun aber von der einzigen vorhandenen Kausalkette auf Determination zu schließen - non sequitur.

Gruß

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Findus am 2006-11-19, 14:54 Uhr
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Hi Xenon,-

>Determiniertheit< ist immer begriffsimmanent an ein >Grund - Folge< / >Ursache - Wirkung< - Schema gebunden.
Zusammen mit der positivistischen Wissenschaftstheorie und dem daraus folgenden Empirismus hat sich daraus ein quasi Apriori - Ansatz ergeben, wonach diese kausale Qualität sozusagen in dem untersuchten Gegenstand als >Eigenschaft<, nämlich kausal mit einem bestimmten Element seiner Umwelt interagieren / reagieren oder korrespondieren zu können, angelegt sein muß. Man muß die Zusammenhänge dann eben nur finden,- ungefähr so wie (frei aus dem Gedächtnis) man nach Kant ja auch den Begriff >Substanz< apriori immer auch im Zusammenhang mit >Ausdehnung< denkt.
So gesehen haben analytische Urteile über einen Ursache-Wirkungssachverhalt immer auch etwas tautologisches (aufgrund ihres rekonstruktiven Charakters) was dazu führt, daß wir keinen Paradigmenwechsel erreichen indem wir beispielsweise Kausalität nur komplexer organisiert sehen, sodaß die Zahl der sog. >intervenierenden Variablen< zunimmt und ein Kontrolldefizit als Prognoseproblem letztlich wie die Freiheitsgrade eines Ursache-Wirkungssystems erscheinen. Das spornt maximal die Deterministen an, noch mehr Wissen über ein Interaktionsschema zu erlangen ( siehe z. B. aktuelle Ansätze zur Hirnforschung ).
Ich denke, wir kommen erst dann weiter, wenn wir die begrenzte Gültigkeit kausaler Wirkungssysteme als (notwendige aber nicht allgemeingültige )Eigenschaft von Denk- oder Erkenntniskategorien und damit als Problem der Kontextbildung verstehen.
In gekrümmten Räumen ist z. B. die Winkelsumme eben nicht mehr 180° und den Leuten in der ISS fällt der Apfel auch nicht mehr auf den Kopf.
Und so, wie der komplexeste Quantencomputer ( Effizienzsteigerung durch Ersetzung hardware-elektromagnetisch-binär organisierter Rechnerzustände durch Energiezustände von Elektronen eben in Form von Quanten ) "Reflektion" aber immer noch maximal als Zustand im Rahmen der feedbackmäßig (fremd-) organisierten Ausführungskontrolle "versteht" sehe ich eher mit einem gelassenen Gefühl den "modernen" Hirnforschern bei dem Versuch zu >Kreativität< kausal zu erfassen.
Indeterminismus bedeutet m. E. letztlich doch, daß ein Systemverhalten nicht auf die Ergebnisse der Analyse seiner Teilelemente rückführbar (rekonstruierbar) ist; nicht wegen eines Prognosedefizites aufgrund mangelnder Kenntnis über Wirkungszusammenhänge sondern weil sich tatsächlich neue >Wirkungsotentiale< bilden.Das System wird >fluktuativ<.
Dabei stört die Existenz kausaler Strukturen ( z. B. im Sinne der Selbsterhaltung / Selbstwahrnehmung ) zum Zweck einer zeitlichen Überdauerung oder funktional-organisierenden Systematik überhaupt nicht.
Es gibt keinen hinreichenden logischen Grund, welcher z. B. die gleichzeitige Existenz z. B. von Systemen deren Zustand mit der klassischen newtonschen Mechanik und denen, die eher in relativistischen "Zuständen" beschreibbar wären ausschließt.
Die Quantenmechanik verliert ihre Relevanz ja auch nicht dadurch, daß uns der newtonsche Apfel nach wie vor auf den Kopf fallen würde wenn wir uns denn in dem entsprechenden Kausalsystem aufhalten.
Das Problem ist eher, daß wir Wege zwischen den (Denk-)Kategorien finden müßten,- so wie in der Physik die größten Herausforderungen letztlich immer die Versuche sind Vereinheitlichungstheorien für scheinbare Unvereinbarkeiten zu finden ( z. Z. übrigens Quanten- und Relativitätstheorie).

Widersprüche entstehen m. E. übrigens nur wenn wir das außer acht lassen was ich als "Transitivität" der Kategorien in dieser Welt bezeichnen würde und die Lösung innerhalb des gleichen Denk- oder Zustandsbereiches gesucht wird.
Aber spätestens seit Gödels >Unvollständigkeitssatz< wissen wir, daß ein axiomatisches System sich nie selbst vollständig beweisen kann.

Grüße, Findus [sun]

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-21, 23:23 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Abrazo,
Hallo Findus,
hallo Eberhard,
Vielen Dank erst mal für Eure Antworten, Abrazo u. Findus.

Zunächst wende ich mich an Abrazo:

Wenn Du Determination so definierst, dass sie Entscheidungsfreiheit ausschließt, dann kann ich nur sagen: "Einspruch, Euer Ehren!" :-)

Man mag unterschiedlicher Auffassung sein, ob Willens- bzw. Entscheidungsfreiheit mit der Determiniertheit vereinbar sind. Dies ist genau der Streitpunkt. Daraus folgt, dass nicht bereits qua Definition feststehen kann, dass Entscheidungsfreiheit als Gegensatz zur Determiniertheit aufzufassen ist. Jedenfalls wäre diese Feststellung dann reine Tautologie.

Es ist sicher wünschenswert, dass dem Wort „Determiniertheit“ eine eigenständige Bedeutung zukommt, d.h. durch dieses Wort nicht lediglich die Abgeschlossenheit der Vergangenheit ausgedrückt werden soll. Gerade wenn Determiniertheit mit „Vorbestimmtheit“ übersetzt wird, erscheint die Aussage, dass sie nur für die Vergangenheit gelte, doch aus meiner Sicht sehr fragwürdig.

Die Vereinbarkeit der Determiniertheit mit dem Konzept der Willens- bzw. Entscheidungsfreiheit ist wie gesagt strittig. Eine starke, nach meiner Einschätzung zunehmend im Vordringen befindliche philosophische Richtung - der sog. Kompatibilismus - steht auf dem Standpunkt, dass eine Vereinbarkeit gegeben ist. Maßgebliche Vertreter dieser Richtung aus dem deutschen Sprachraum sind in der aktuellen philosophischen Diskussion u.a. Ansgar Beckermann, Peter Bieri oder Michael Pauen.

Die Non-Kompatibilisten argumentieren - sehr grob verkürzt dargestellt - etwa wie folgt: Kein Denken ohne Gehirn. Das Gehirn ist der naturgesetzlichen Kausalität unterworfen. Der einzelnen Gehirnzelle ist es "egal", welche Denkinhalte gerade reflektiert werden. Der „Output“ der Neuronenaktivität ist das Denken und Tun der Menschen. Somit entscheiden die Naturgesetze darüber, was Menschen denken und tun.

Sicher wird auch der Non-Kompatibilist zugeben, dass Menschen (bzw. Gehirne?) „reflektieren“. Aber er hält diese Reflexion nicht für die eigentliche Ursache des Tuns. Dass Menschen sich „frei“ fühlen, sei nichts als eine Illusion. Die eigentliche Ursache für ihr Tun seien die naturgesetzlich determinierten Abläufe im Gehirn. Oder – wie Hajo vielleicht sagen würde (liebe Grüße, falls er dies lesen sollte): „Da (=nämlich im Gehirn) steckt doch alles drin!“

Letztlich geht es um die Frage: Bestimmt die naturgesetzliche Kausalität das Verhalten der Menschen oder gibt es eine besondere Form von Kausalität, die entweder aus dem übrigen Naturgeschehen herausgenommen oder jedenfalls mit ihr vereinbar ist.

Jedenfalls ist also der Begriff der Determiertheit eng verknüpft mit der Vorstellung naturgesetzlicher Kausalität. Ich sehe nicht, wie Du in Deinen letzten beiden Beiträgen auf diese Problematik eingegangen bist.

Ganz nebenbei: Ich wüßte gar nicht, wo ich in meinem letzten Beitrag Eberhard im Hinblick auf das Kopfdrehexperiment widersprochen hätte....

Mein Vorschlag ist folgender: Anstatt eine Definition von „Determiniertheit“ in Form einer verbalen Aussage zu finden, diskutieren wir anhand eines praktischen Fallbeispiels, ob „Determiniertheit“ vorliegt.

Auf der Grundlage dieses Beispiels könnte dann Findus auch seine allgemeinen Aussagen einmal konkret ausbuchstabieren.

Meine Idee ist, dass wir – auch um uns nicht zu verzetteln – bei Eberhards Kopfdrehbeispiel verbleiben, allerdings wie folgt erweitert:

Der Vertreter der Determiniertheit X befindet sich mit E. in einem Raum. Es findet nun folgender Dialog statt:

*****************

X: „Ich persönlich kann Dir, lieber E, nicht voraussagen, in welche Richtung Du den Kopf gleich drehen wirst. Aber im Nebenraum ist eine Scan-Anlage, welchen den kompletten Raum bis hin zum kleinsten Atom in einer Bestandsaufnahme erfassen und anschließend codiert in einem daneben befindlichen Computer abbilden kann.

Der Computer emuliert die menschliche Hardware mit doppelter Geschwindigkeit, d.h. ist imstande, innerhalb von 10 Sekunden auszurechnen, in welche Richtung Du den Kopf in 20 Sekunden drehen wirst. Die Beschleunigung wird dadurch ermöglicht, dass bestimmte Vorgänge chemischer Natur, welche im Gehirn ablaufen, durch elektromagnetische emuliert werden.

E: „Was Du beschreibst, scheint mir technisch unmöglich zu sein. Wie denn allein schon dieses Scannen technisch funktionieren?“

X: „Es handelt sich um eine Art Beamen, welche sich die Teilchenverschränkung zunutze macht. Dieses Beamen steht nicht im Widerspruch zu quantenphysikalischen Gesetzmäßigkeiten, im Gegenteil: es macht sich sogar grundlegende Erkenntnisse der Quantenphysik zunutze. Ich selbst habe davon keine Ahnung, aber kann Dir gerne Informationen darüber vermitteln.“

E: „Also gut, wir können es ja mal testen“.

X: „O.k. ich aktiviere jetzt den Scan. Innerhalb von 10 Sekunden werden wir das Ergebnis haben. Um exakt 21.00 Uhr. Überlege schon mal, in welche Richtung Du den Kopf dann um exakt 21.00 Uhr 10 Sekunden bewegen wirst.“

E: „Ich denke bereits darüber nach“.

X: „So, 10 Sekunden sind gleich vorbei. Jetzt müsste das Rechenergebnis feststehen. Wir könnten es uns jetzt im Prinzip im Nebenraum ansehen. Obwohl das Ergebnis ja bereits feststeht, beginne ich jetzt mit dem Countdown für Deine Entscheidung über die Drehrichtung Deines Kopfes: 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1, 0 ...“

E: „Ich werde den Kopf nach links drehen“ (dreht den Kopf nach links).

X: „Ich schlage vor, dass wir nun zusammen in den Nebenraum gehen und uns die Auswertung des Computers anschauen.“

E und X gehen in den Nebenraum, wo bereits A und F warten. X entnimmt dem Ausgabefach der Rechenanlage einen versiegelten Brief. Er reicht den Brief der A., welche ihn öffnet. A. liest laut vor: „Stand 21.11.06, 21.00 Uhr: E. wird in 10 Sekunden im Nebenraum seinen Kopf nach links drehen“.

Nachdem das "Experiment" 15x mal wiederholt wurde, wobei jedes mal der Rechner die richtige Richtung vorausgesagt hat, meldet sich der X wie folgt zu Wort."

X: „Ich stelle fest: Der Rechner hat jeweils 10 Sekunden, bevor E seinen Kopf nach links bzw. rechts gedreht hat, die Information herausgegeben, in welche Richtung die Drehung erfolgt. Offensichtlich gibt es nur EINE Kausalkette für das Verhalten des E., die der Rechner exakt emulieren konnte.“

Der X fragt die A: „Nehmen wir an, dies hier wäre kein Taschenspielertrick, sondern würde im Prinzip funktionieren. Wärst Du dann bereit, das Geschehen als „determiniert“ zu bezeichnen? Oder DÜRFTE das Experiment gar nicht so funktionieren, ohne Dein Weltbild zu erschüttern? Denn läßt sich nun noch behaupten, es könne vor dem Zeitpunkt des Kopfdrehens noch mehr als eine Kausalkette geben?“

Der X fragt den F:

„Durch unseren Versuch haben wir bewiesen, dass die kausalen Wirkungssysteme unbegrenzt gültig sind. Der Rechner konnte, in dem er die Abläufe im Gehirn exakt emulierte, eine zutreffende Voraussage treffen. Würdest Du vor diesem Hintergrund, Deine Aussage zur begrenzten Gültigkeit kausaler Wirkungssysteme aufrechterhalten? Wäre das Ergebnis des „Experiments“ mit ihr verträglich?“

********************

Findus, vielleicht könntest Du anhand des Experiments Deine Ausführungen zur begrenzten Gültigkeit und Kontextabhängigkeit von kausalen Wirkungssystemen ein wenig präzisieren. Das Beispiel mit der Apfelsine im Orbit konnte ich jedenfalls nicht nachvollziehen, bestätigt es doch m.E. die universelle Geltung der Naturgesetze auf geradezu eindrucksvolle Weise... Vielleicht habe ich Dich hier aber auch mißverstanden.

Damit wir uns nicht verzetteln, Findus, habe ich jetzt erstmal nur diesen Punkt Deiner Antwort herausgegriffen.

Kurze abschließende Bemerkung:

Mir ist bewußt, dass ich mein hypothetisches Szenario einschließlich der verwendeten Begrifflichkeiten stark suggestiv aufgebaut habe. Mir ging es sozusagen darum, den Gegner stark zu machen. Der Gegner heißt aber aus meiner Sicht nicht Determiniertheit, sondern gemeint ist der „Makel“, der vielfach mit ihr verbunden wird und den Abrazo geradezu mit ihr gleichsetzt:

Dieser „Makel“ besteht darin, dass man dann, wenn man die Abläufe im Gehirn als determiniert ansieht, eventuell nicht mehr sinnvoll sagen könne, dass auch ein "Andershandeln" möglich sei.

Liebe Grüße
Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-23, 10:40 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Xenon,

Es geht uns um die Frage, ob das menschliche Handeln – so wie das sonstige Geschehen - determiniert ist.

Um die Frage beantworten zu können, muss man wissen, was mit "determiniert" gemeint sein soll.

Ich hatte definiert: Das reale Geschehen ist determiniert, wenn sich aus der Beschreibung des Zustands der Welt zum Zeitpunkt t0 und den Aussagen über die wirkenden Gesetzmäßigkeiten die Beschreibung des Zustands der Welt zum späteren Zeitpunkt t1 logisch ergibt.

Du hast demgegenüber formuliert: "Wenn ein Geschehen … determiniert ist, dann bedeutet das lediglich, dass es nicht von einem Zufall abhängt."

Damit verschiebt sich die Frage auf die Bedeutung des Wortes "Zufall". Du hast zwar verschiedentlich erklärt, was "Zufall" nicht ist, hast jedoch nicht angegeben, was Du nun unter "Zufall" verstehst (abgesehen vom Hinweis auf die Quantenphysik).

Ohne eine genaue Definition dessen, was "determiniert" bedeuten soll, kann jedoch die Frage, ob ein Geschehen determiniert ist, nicht mit Aussicht auf Erfolg diskutiert werden. Deshalb sollte jeder sagen, was er unter "determiniert" versteht.


Mein Kopf-dreh-Beispiel demonstriert, dass man mit mehreren Möglichkeiten meines Handelns rechnen muss. Realisieren kann ich nur eine der Möglichkeiten, aber welche das ist, kann man nicht im Voraus sagen. Es hängt von meiner Entscheidung ab, ob ich meinen Kopf als nächstes nach links oder nach rechts drehen werde. Es ist insofern meine Wahl. Ich entscheide mit meinem Willen, was geschehen wird.

Der Determinist muss dies zugestehen, er wird jedoch sagen:

"Es mag zwar Deine Wahl sein, wie Du handelst und welche Möglichkeit Du realisierst, aber das, was Du willst, ist seinerseits determiniert. Deine Entscheidung wird durch zahlreiche Faktoren bestimmt:

- durch Deine angeborenen Trieben und Bedürfnissen, die im nervlich-hormonalen Steuerungssystem somatisch verankert sind,
- durch die Ziele, Motive und Gewohnheiten, die Du im Sozialisationsprozeß erlernt und u.a. im Großhirn gespeichert hast,
- durch Dein Verständnis der Entscheidungssituation,
- durch Deine Annahmen über die positiven oder negativen Folgen der Alternativen und Deine Fähigkeit, diese gegeneinander abzuwägen,
- durch Belohnungen und Strafen, die andere in Aussicht gestellt haben,
- und nicht zuletzt auch durch Deine moralischen Einstellungen und Überzeugungen."

Dem kann ich prinzipiell zustimmen, mache jedoch ein Fragezeichen hinter die Formulierung "Was Du willst, ist determiniert."

Wenn meine Wahl u. a. durch das Abwägen von Vor- und Nachteilen für mich und andere und durch moralische Erwägungen bestimmt wird, was heißt dann, dass das Resultat "determiniert" ist?

Folgt aus der Beschreibung aller Faktoren und kausalen Regelmäßigkeiten – unter Umgehung dieses Abwägungsprozesses – logisch, wie ich mich entscheiden werde?

Muss dieser Abwägungsprozess nicht in seiner ganzen Komplexität zumindest simuliert werden, wenn man dessen Resultat erhalten will?

Weiterhin sollen zwei Punkte hier noch festgehalten werden:

1.) Wenn Strafandrohungen den Willen beeinflussen, kann die Bestrafung unerwünschten Handelns damit gerechtfertigt werden.

2.) Ein wichtiger Unterschied ist, ob ich selbstbestimmt oder fremdbestimmt entscheide, auch wenn beides unter dem Oberbegriff "determiniert" zusammengeworfen wird.

Es grüßt Euch Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2006-11-23, 12:07 Uhr
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Hallo Eberhard,

ich denke, es kommt auch hier darauf an, aus welcher Perspektive ich das "Problem" beleuchte.

Auf der Ebene des von dir selbst empfundenen Willens ist es so, dass ein Unterschied besteht zwischen einem selbstbestimmten und einem fremdbestimmten Handeln.

Wenn dir jemand befehlen würde, den Kopf zu drehen, und du tätest es, könnte man deine Handlung fremdbestimmt nennen. Dennoch könntest du einwenden, dass du freiwillig den Kopf gedreht hast, denn du hättest dich auch dem Befehl widersetzen können. Also hast du dich demnach freiwillig dem Befehl gebeugt.
Aber kann man das so sagen? Ich denke nicht, denn dann würde man jedem, der sich der Gewalt beugt, unterstellen, er habe es ja freiwillig gemacht, denn er hätte sich auch widersetzen können.

Also kann mit Selbstbestimmtheit und Freiwilligkeit (auf dieser Ebene) nur ein Handeln gemeint sein, das nicht durch Gewaltandrohung beeinflusst wurde. Aber die Grenzen sind hier fließend. Was ist, wenn mir mein Chef eine Arbeit aufträgt, die mir zuwider ist, die ich aber dennoch mache, weil er indirekt durchblicken lässt, dass es für mich negative Folgen hätte, würde ich ablehnen? Ist das noch selbstbestimmt?

Ich denke, um mit den Begriffen "selbstbestimmt" und "fremdbestimmt" sinnvoll umzugehen, müssen wir den jeweiligen Bezug deutlich machen. Von freien (also selbstbestimmten) Wahlen kann ich nur sprechen, wenn die Wähler ohne Beeinflussung und anonym ihre Stimme abgeben können, und wenn sie die Wahl zwischen Alternativen haben.

Wenn ich das Ganze nun auf einer anderen, "höheren" Ebene betrachte, stellt es sich anders dar. Denn wie gesagt:

Ich kann tun, was ich will, aber ich kann nicht wollen, was ich will. Könnte ich es wollen, könnte ich wiederum dieses Wollen nicht wollen. Eine endlose Regression. Immer wieder dasselbe Prinzip: ich kann mein Wollen nicht wollen, ich kann meinem Denken nicht gedanklich vorausgreifen, ich kann mich nicht selbst emporheben, eine Waage kann sich nicht selbst wiegen.

Das aber heißt in keinster Weise, dass mein Handeln und Denken als solches (unabhängig vom jeweiligen Bezug) determiniert ist.

Das was der Determinist als Argument dafür vorbringt, dass mein Handeln vorbestimmt ist, und was du hier aufgelistet hast, ist ja nichts fremdes. Das alles BIN ja ich. Also wäre mein Handeln durch mich selbst determiniert. Das aber ist Unsinn, denn ich kann nicht durch mich selbst determiniert sein, ganz egal, wer oder was mein Denken und Handeln auslöst. Also bin ich weder frei noch determiniert.

Alle, ausnahmslos alle, solche Kategorien ergeben nur einen Sinn, wenn ich sie auf etwas anderes beziehe, sie sind also relativ. Versuche ich jedoch etwas ohne einen Bezug zu untersuchen, versuche ich also herauszufinden, ob mein Denken und Handeln als solches, also grundsätzlich, so oder so ist, dann heben sich alle Kategorien immer auf. Dies gilt für alles, was ich untersuche. Will ich feststellen, ob die Welt determiniert oder zufällig ist, ob sie real oder eine Illusion ist - immer heben sich bei einer solchen Betrachtungsweise die Kategorien auf.

Grüße,
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Abrazo am 2006-11-23, 14:08 Uhr
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Hi zusammen,

dass Determiniertheit mit naturwissenschaftlicher Kausalität (ich lasse mal außen vor, dass man auch diesen Begriff kritisch untersuchen kann) heute ebenso verknüpft ist wie im Mittelalter mit der göttlichen Vorherbestimmung, habe ich vorausgesetzt.


Quote:„Ich stelle fest: Der Rechner hat jeweils 10 Sekunden, bevor E seinen Kopf nach links bzw. rechts gedreht hat, die Information herausgegeben, in welche Richtung die Drehung erfolgt. Offensichtlich gibt es nur EINE Kausalkette für das Verhalten des E., die der Rechner exakt emulieren konnte.“


Genau darum geht es. Und genau das ist auch experimentell nachgewiesen worden. Die Behauptung der Illusion der Freiheit gründet ja darauf, dass die Probanden trotz Vorhersagbarkeit (gemessen an Hirnströmen o.ä.) das Gefühl des Wollens hatten. An anderer Stelle habe ich darauf hingewiesen, dass das Gefühl des Wollens nicht maßgebend ist, weil das Gefühl des Wollens offenbar die biologische Funktion hat, die getroffene Entscheidung durch die Zeit hindurch zu tragen, bis das angestrebte Ziel erreicht ist und insofern jede Entscheidung, ob determiniert oder nicht, begleiten müsste.

Determiniert heißt, aus A folgt B und nichts anderes (wobei A natürlich ein komplexes Ursachensystem sein kann). Indeterminiert heißt danach, dass aus A entweder B oder C folgt, jedoch unbegründet, ohne dass eine intervenierende Ursache D hinzu kommt, also zufällig. Zufällig heißt nicht, wie im allgemeinen Sprachgebrauch, keine Ahnung, warum aus A C und nicht B gefolgt ist, sondern zufällig heißt, es kann, ohne jede Ursache, entweder B oder C folgen. Heißt also letztlich Entstehen aus dem Nichts. Unter diesem Aspekt ist alles determiniert, denn von nix kütt nix.

Wenn es nun darum geht, experimentell die Determiniertheit menschlichen Entscheidens nachzuweisen, werden typischerweise immer einfache, körperliche Bewegungen heran gezogen: Arm heben, auf den Tisch klopfen, Kopf drehen. Behaupte ich mal, das sind alles Sachen, die uns egal sind. Ich jedenfalls - und ich bin da gewiss nicht der einzige - würde keine philosophische Analyse dazu anstellen, ob ich nun meinen Kopf nach rechts oder nach links drehen soll, sondern sagen, et kütt wie et kütt, wie ich gerade Lust habe, sofern nicht etwas von außen kommendes meine Aufmerksamkeit lenkt, also auch mein Handeln determiniert, und wozu ich gerade Lust habe, das bestimmt meine Biologie. Hier soll also etwas bewiesen werden, was überhaupt nicht in Frage steht.

Wenn ich aber keine Lust habe, morgens aufzustehen, dann wäre es biologisch normal, dass ich eben liegen bleibe, mich umdrehe und weiter schlafe. Das einzige, was mich daran hindern kann, sind die Nachteile, die ich davon zu erwarten habe. Ein abhängig Beschäftiger fliegt dann irgend wann raus und landet, wenn er es konstant so weiter treibt, auf Hartz IV. Die meisten stört das, paar stört das nicht; die setzten halt je nach persönlicher Disposition die Prioritäten anders. Um nach der jeweiligen Ursache zu suchen, kann man schön deterministisch nen Psychologen beauftragen.

Nun gibt es aber Leute, die stehen auf, obwohl sie selber wissen, dass sie vom Weiterschlafen persönlich gar keine Nachteile zu befürchten hätten. Aber andere bekämen dann Probleme. Wodurch soll denn eine solchen Entscheidung determiniert sein? Durch Verpflichtung im Sozialverband? Die sozialen Bindungen sind so locker, die kann man vergessen; der persönliche Egoismus wäre ein viel stärkeres Motiv. Hier fällt die Entscheidung aufgrund einer Bewertung von Alternativen. Womit aber will man Bewertung messen, setzt doch die Bewertung alternative Möglichkeiten voraus, die von Deterministen von vorn herein nicht in Betracht gezogen werden?

Sollen die Hirnforscher erst mal erklären.

Gruß

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-23, 20:15 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Xenon,

in meinem letzten Beitrag bin ich auf Deine Überlegungen nicht detailliert eingegangen, weil mir die genaue Definition des Begriffs "determiniert" wichtig war. Dein Vorschlag, anhand eines praktischen Fallbeispiels zu diskutieren, ob „Determiniertheit“ vorliegt, erscheint mir nicht sinnvoll, denn ohne eine anfängliche Definition können wir die Fragestellung nicht zuspitzen. Ich schließe allerdings nicht aus, dass es sich bei tieferem Eindringen in die Problematik als sinnvoll erweisen kann, diese Definition zu revidieren-

Ich schlage vor, ein Geschehen als "determiniert" zu bezeichnen, wenn aus der Beschreibung des Geschehens zum Zeitpunkt t(0) und den relevanten Gesetzesaussagen die Beschreibung des Geschehens zum Zeitpunkt t(1) logisch folgt. Abrazos Definition ("B folgt aus A") geht auch in diese Richtung.

Das heißt, dass jemand, der die Beschreibung des Geschehens bei t(0) und die relevanten Gesetzesaussagen kennt, das Geschehen bei t(1)) im Voraus beschreiben kann.

Du hast nun bestimmte zusätzliche Aspekte eingeführt.

Zum einen grenzt Du einen bestimmten Teil der Wirklichkeit als "System" ein, was die Unterscheidung zwischen Aktivitäten innerhalb des Systems und Aktivitäten außerhalb des Systems erlaubt. Aus Deinen Überlegungen folgt, dass von einem systemexternen Standpunkt aus andere Möglichkeiten der Voraussage des Handelns bestehen als von einem systeminternen Standpunkt.

Außerdem führst Du verschiedene Ebenen der Systembetrachtung ein, die sich als unterschiedlich relevant erweisen. Du siehst die "Basisebene" als die maßgebende an. Basisebene ist für Dich offenbar die physikalische Betrachtungsweise der Vorgänge. Hier sind unsere heutigen wissenschaftlichen Möglichkeiten allerdings noch recht dürftig.

Das menschliche Gehirn ist das bei weitem komplizierteste Organ des menschlichen Körpers. Es besteht aus der unvorstellbar großen Zahl von ca. 4,1 Milliarden Nervenzellen. Eine einzige Nervenzelle kann wiederum über Fortsätze (Dendriten) bis zu ca. 10.000 mal mit anderen Nervenzellen verknüpft sein. (Boooohh!)

Wie angesichts dieser unvorstellbaren Komplexität Naturgesetze nach dem Schema "Wenn x, y, z. dann immer f" gefunden werden können, die das Geschehen im Gehirn erklären können, ist immer noch eine harte Nuss. Die Wissenschaft steht mit ihren Untersuchungen zur Funktionen verschiedener Hirnregionen m. E. noch ganz am Anfang, und der Scanner, der die Prozesse in meinem Gehirn erfasst und schneller zum Resultat kommt als ich selber, gehört dem Bereich der Science fiction an aber nicht der science.

Mir wäre wichtig festzustellen, ob es Einwände gegen die Auffassung gibt, dass Menschen in weiten Bereichen entsprechend ihrem eigenen Willen zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten wählen können. (Diese Aussage sagt noch nichts zur Bedingtheit des Willens.)

Mehr sollte mein Kopfdrehbeispiel auch nicht demonstrieren.

Wenn es Einwände gibt, sollten wir diese zuerst diskutieren, bevor wir uns an Fragen der Vorhersagbarkeit menschlichen Handelns heranwagen.

Aus der obigen These folgt logisch, dass Menschen in weiten Bereichen hätten anders handeln können, wenn sie es gewollt hätten.

Damit ergibt sich eine mögliche Begründung für die Bestrafung unerwünschten Verhaltens, die verändernd auf den Willen wirkt, ohne mit den schwierigen Begriffen "Schuld" und "Freiheit" hantieren zu müssen.

Damit wäre dem Determinismus viel von seiner Wichtigkeit genommen,

meint Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-24, 00:24 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Eberhard,


on 11/23/06 um 10:40:53, Eberhard wrote:Es geht uns um die Frage, ob das menschliche Handeln – so wie das sonstige Geschehen - determiniert ist.

Um die Frage beantworten zu können, muss man wissen, was mit "determiniert" gemeint sein soll.

Ich hatte definiert: Das reale Geschehen ist determiniert, wenn sich aus der Beschreibung des Zustands der Welt zum Zeitpunkt t0 und den Aussagen über die wirkenden Gesetzmäßigkeiten die Beschreibung des Zustands der Welt zum späteren Zeitpunkt t1 logisch ergibt.

Du hast demgegenüber formuliert: "Wenn ein Geschehen … determiniert ist, dann bedeutet das lediglich, dass es nicht von einem Zufall abhängt."

Du hast zwar verschiedentlich erklärt, was "Zufall" nicht ist, hast jedoch nicht angegeben, was Du nun unter "Zufall" verstehst (abgesehen vom Hinweis auf die Quantenphysik).



Ich stimme Dir absolut darin zu, dass das genaue Verständnis des Begriffs "Determiniertheit" entscheidend ist.

Ich stelle allerdings eine gewisse Tendenz fest, den Begriff so zu definieren, dass er Freiheitsgrade auf der (Meta-)Stufe des Denkens und Handelns ausschließt oder einschränkt (dazu später mehr).

Aber zunächst zu Deiner Frage nach der Zufälligkeit. Ein Ereignis sehe ich als "zufällig" an, wenn es - so wie auch im letzten Beitrag von Abrazo ausgeführt - dem Prinzip der Ursache-Wirkungs-Kausalität widerspricht.

Ein Ereignis würde ich demnach als "zufällig" bezeichnen, wenn sich - in genauer Umkehrung aus Deiner Determiniertheit-Definition – “aus der Beschreibung des Zustands der Welt zum Zeitpunkt t0 und den Aussagen über die wirkenden Gesetzmäßigkeiten zum späteren Zeitpunkt t1... “ NICHT logisch ergibt.

Eine Schwierigkeit sehe ich aber schon bei dieser Definition: Sie enthält selbst wieder unscharfe Begriffe. Damit meine ich insbesondere das Wort „Aussagen“ und die Wendung „logisch ergibt“.

Es stellt sich die Frage, ob hier bekannte konkrete Aussagen gemeint sind und die logische Ableitung aufgrund des vorhandenen Wissens und der praktischen Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich möglich sein muss.

Würde man dies so sehen, wäre folgender Satz als wahr zu bezeichnen:

„Der Lauf der Planeten war mindestens noch bis zum 16. Jahrhundert, also bevor Kepler und Newton die Planeten- bzw. Gravitationsgesetze entdeckten, nicht determiniert.“

Das fände ich eine sehr unbefriedigende Definition von „Determiniertheit“, da von einem bestimmten Geschehen nicht mehr intertemporal und interkulturell gültig ausgesagt sein könnte, es sei determinert.

Wenn du schreibst ....

„Die Wissenschaft steht mit ihren Untersuchungen zur Funktionen verschiedener Hirnregionen m. E. noch ganz am Anfang, und der Scanner, der die Prozesse in meinem Gehirn erfasst und schneller zum Resultat kommt als ich selber, gehört dem Bereich der Science fiction an aber nicht der science. ...."

... deutest Du damit nach meiner Einschätzung an, dass Du Determiniertheit in dieser – relativen - Weise interpretierst, etwa im Sinne von „praktische Vorhersehbarkeit in einer konkreten Situation". Oder diskutierst Du hier bereits die praktische Relevanz?

Darauf deutet auch Deine anschließende Anmerkung hin:

„Mir wäre wichtig festzustellen, ob es Einwände gegen die Auffassung gibt, dass Menschen in weiten Bereichen entsprechend ihrem eigenen Willen zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten wählen können. (Diese Aussage sagt noch nichts zur Bedingtheit des Willens.)“

M.E. muss aber die Behandlung der Frage, was denn überhaupt unter Determiniertheit zu verstehen sei, und -zweitens-, ob auch komplexe Systeme wie der Mensch determiniert seien, logisch der Frage nach ihren Konsequenzen – beispielsweise für die Problematik des freien Willens – vorangehen.... Könnte es sein, dass Du diese Fragen hier vermischst? Mir fällt jedenfalls auf, dass Du Determniertheit irgendwie meistens mit praktischer Vorhersehbarkeit gleichsetzt (?).

In Deinem letzten Beitrag hattest Du geschrieben, ich würde die „Basisebene“ als die maßgebende ansehen. Hier könnte ein Missverständnis bestehen. Präzise müsste es heißen: Ich sehe die Basisebene als maßgeblich FÜR DIE DEFINITION VON DETERMINIERTHEIT an.


on 11/23/06 um 10:40:53, Eberhard wrote:Folgt aus der Beschreibung aller Faktoren und kausalen Regelmäßigkeiten – unter Umgehung dieses Abwägungsprozesses – logisch, wie ich mich entscheiden werde?

Aus dieser Abwägungsprozess nicht in seiner ganzen Komplexität zumindest simuliert werden, wenn man dessen Resultat erhalten will?


Schließt denn Simulation Determination aus? Läuft nicht auch die Simulation nach kausalen Regeläßigkeiten ab? Kann eine Simulation denn „funktionieren“, wenn sie nicht nach Gesetzmäßigkeiten abläuft, sondern auf Basis von Zufällen?

Hier muss ich leider meine Ausführungen aus Zeitgründen abbrechen... Auf Abrazo und WuWei kann ich leider nicht mehr weiter eingehen...

Liebe Grüße
Xenon


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2006-11-24, 09:53 Uhr
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Hallo Eberhard,

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Mir wäre wichtig festzustellen, ob es Einwände gegen die Auffassung gibt, dass Menschen in weiten Bereichen entsprechend ihrem eigenen Willen zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten wählen können. (Diese Aussage sagt noch nichts zur Bedingtheit des Willens.)
[i]

Nein, keine Einwände. Allerdings steht die Aussage unter Vorbehalt, solange die "Bedingtheit des Willens" nicht geklärt ist.

[/i]
Aus der obigen These folgt logisch, dass Menschen in weiten Bereichen hätten anders handeln können, wenn sie es gewollt hätten.
[i]

Ja, aber unter erwähntem Vorbehalt.

[/i]
Damit ergibt sich eine mögliche Begründung für die Bestrafung unerwünschten Verhaltens, die verändernd auf den Willen wirkt, ohne mit den schwierigen Begriffen "Schuld" und "Freiheit" hantieren zu müssen.
[i]

Eben. Auch wenn z.B. der Sexualstraftäter keine "Schuld" in diesem Sinne hat, weil er seinen Willen nicht wollen konnte, so gibt es davon unbeeindruckt Gründe, ihn zu bestrafen: nämlich andere vor ihm zu schützen, und ihm auch die Möglichkeit einer Therapie zu geben. Dies erscheinen mir überhaupt die einzigen sinnvollen Gründe.

Aber: was für den Straftäter gilt, gilt auch für seine Richter. Auch sie können ihren Willen nicht wollen. Und so werden sie ihn bestrafen, wie sie es für richtig halten (innerhalb des Gesetzes natürlich).

Grüße,
WuWei


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-24, 18:26 Uhr
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Hallo allerseits,
hallo Xenon,

offensichtlich gibt es reichlichen Klärungsbedarf zwischen uns, der ein wenig Geduld erfordert. Missverständnisse beruhen ja nicht immer auf ("böser") Absicht.

Einig sind wir uns in der Fragestellung ("Ist das menschliche Handeln determiniert?") und in der Notwendigkeit, zumindest eine gemeinsame, vorläufige "Arbeitsdefinition" des Wortes "determiniert" zu schaffen.

Du schlägst vor, dann ein Ereignis als "determiniert" zu bezeichnen, wenn es "nicht zufällig" eintritt, was Du wiederum gleichsetzt damit, dass es "kausal erklärt werden" kann.

Das entspricht weitgehend meiner Definition, wenn die kausale Erklärung von A in der logischen Ableitung von A aus den gegebenen Randbedingungen und einer Gesetzmäßigkeit besteht. Sowohl das Vorliegen der Randbedingungen als auch die Gesetzmäßigkeit werden in Aussage-Sätzen formuliert (die Randbedingungen in Beschreibungen vorliegender Sachverhalte, die Gesetzmäßigkeiten in allgemeinen Wenn-Dann-Sätzen).

Ich hatte definiert: Das reale Geschehen ist determiniert, wenn sich aus der Beschreibung des Zustands der Welt zum Zeitpunkt t(0) und den Aussagen über die wirkenden Gesetzmäßigkeiten die Beschreibung des Zustands der Welt zum späteren Zeitpunkt t(1) logisch ergibt.

Dabei bezieht sich der Ausdruck "zum Zeitpunkt t(0)" nur auf den Zustand der Welt, nicht jedoch auf die Beschreibung des Zustandes. Wenn wir also heute frühere Ereignisse kausal erklären können, dann sind sie bereits damals determiniert gewesen, selbst wenn damals noch niemand die Gesetzmäßigkeit kannte.

Vielleicht sollte ich meine Definition vereinfachen und die sprachliche Umsetzung der Fakten stillschweigend voraussetzen. Sie lautet dann:

Ein reales Geschehen bezeichnen wir dann als "determiniert", wenn aus dem Zustand zum Zeitpunkt t(0) und den wirkenden Gesetzmäßigkeiten der Zustand zum späteren Zeitpunkt t(1) folgt.

Unsere Frage lautet dann z. B.: "Ist das menschliche Handeln so beschaffen, dass aus dem Zustand gestern und den wirkenden Gesetzmäßigkeiten der Zustand heute folgt?"

Das Problem sind offensichtlich die "Gesetzmäßigkeiten".

Ein Weg könnte der sein, dass man das menschliche Handeln aus Vorgängen im Gehirn erklärt und die Vorgänge im Gehirn physikalisch-chemisch erklärt.

Ich habe hier auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich zum einen aus der unvorstellbaren Komplexität des menschlichen Gehirns ergeben.

Zum andern ist noch weitgehend ungeklärt, wie z. B. die Verarbeitung von Bedeutungen (etwa die Symbolisierung des Ausdrucks "k mal 7 minus 5" durch das Zeichen "v") kausal geschehen kann. Die Physik kennt keine Objekte, die etwas "bedeuten".

Oder nimm eine einfache Endlosschleife:


1.) i ist gleich 1
2.) Drucke i
3.) i ist gleich i plus 1.
4.) Mach weiter bei 2.)

Was sind die kausalen Gesetzmäßigkeiten dieser Struktur?

Die Software bedient sich der physikalischen Hardware, sie verletzt dabei keine Gesetzmäßigkeiten der Halbleiter-Technologie, aber sie geht darüber hinaus.

Wie könnte eine physikalische Erklärung menschlichen Handelns aussehen?

Mir wird vor der Größe der Aufgabe schwindlig.

Trotzdem: Grüße an alle Philo-Freaks von Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Abrazo am 2006-11-25, 00:02 Uhr
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Hi, Du Freak,

Kurzer Einwurf:

Quote:Zum andern ist noch weitgehend ungeklärt, wie z. B. die Verarbeitung von Bedeutungen (etwa die Symbolisierung des Ausdrucks "k mal 7 minus 5" durch das Zeichen "v") kausal geschehen kann. Die Physik kennt keine Objekte, die etwas "bedeuten".


Für das Huhn bedeutet das Korn was.
Trotzdem sät und erntet es nicht.

Gruß

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Wolfgang_Horn am 2006-11-25, 07:24 Uhr
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Hi, Eberhard,


Du: Zum andern ist noch weitgehend ungeklärt, wie z. B. die Verarbeitung von Bedeutungen (etwa die Symbolisierung des Ausdrucks "k mal 7 minus 5" durch das Zeichen "v") kausal geschehen kann. Die Physik kennt keine Objekte, die etwas "bedeuten".

Welche Fragen, meinst Du, seien wichtig zu klären und noch offen?

Butter bei die Fische!

Ciao
Wolfgang Horn

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-25, 10:38 Uhr
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Hallo Wolfgang,

Leider kann ich Dir nur Margarine und keine Butter bei die Fische bieten, aber dafür geb ich Dir auch nur kleine Fische.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel:

Wie könnte - im Prinzip zumindest - eine physikalische Erklärung für die Tatsache aussehen, dass an Kreuzungen bestimmte Fahrzeuge anhalten und andere durchfahren?

Mal sehen, welche Fragen dabei offen bleiben. (Ich möchte allerdings nicht, dass Du am Wochenende Überstunden für die Philosophie schiebst.)

Es grüßt Dich Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von hhmoeller am 2006-11-25, 14:59 Uhr
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on 11/23/06 um 12:07:36, WuWei wrote:Ich kann tun, was ich will, aber ich kann nicht wollen, was ich will.


Ich schon.

Der Willensentscheidung geht die Willensbildung voraus. Das kann ein langer und komplexer Vorgang sein. Selbstverständlich kann man über zukünftige Willensentscheidungen vorab eine grundsätzliche Entscheidung treffen.

Wer sich etwa dem Kategorischen Imperativ verpflichtet fühlt, will wollen, was als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung geeignet ist.

Wir haben im Allgemeinen Zweifel an der Moral eines Menschen, wenn er seinem Handeln nicht aber seinem Willen ethische Grenzen setzt. So hat Ralph Giordano F.J. Strauss als "Zwangsdemokraten" bezeichnet.


on 11/23/06 um 12:07:36, WuWei wrote:Immer wieder dasselbe Prinzip: [...] ich kann mich nicht selbst emporheben, eine Waage kann sich nicht selbst wiegen.


Hier zeigt sich, was Analogieschlüsse Wert sind:

Ich kann mich tatsächlich nicht emporheben. Eine Waage kann sich aber sehr wohl selbst wiegen - vovon sich jedermann in der Küche überzeugen kann: Man muß die Waage nur auf den Kopf stellen und von unten ablesen.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Wolfgang_Horn am 2006-11-25, 15:05 Uhr
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Hi, Eberhard,


Du: einfaches Beispiel: Wie könnte - im Prinzip zumindest - eine physikalische Erklärung für die Tatsache aussehen, dass an Kreuzungen bestimmte Fahrzeuge anhalten und andere durchfahren?

Ich beschreibe diesen Vorgang in umgedrehter Slow-Motion:
1. Gummi quietscht und stinkt auf Asphalt.
2. Der Fuß des Fahrers tritt das Bremspedal bis auf Bodenblech. (die simplen mechanischen Verbindungen übergehe ich)
3. Bestimmte Muskelstränge des Fahrers haben sich zusammengezogen.
4. Nervenenenden haben ein Signal an diese Muskeln angelegt.
5. Neuronen im Gehirn haben den Befehl "Bremsen!" gegeben.
6. Diese und andere Neuronen im Gehirn haben folgenden Prozeß durchgeführt: Erblicken der roten Lichtes in der Ampel, Erinnerung an die Regel "rot - halten", Entschluß.
7. Sinneszellen in den Augen haben rotlicht detektiert und andere Lichtsignale.
8. Die Glühwendel hinter der Rotlichtscheibe hat geglüht.
9. Eine Uhr hat die Glüwendel aktiviert.

Welche Fragen könnten einem Dreikäsehoch wichtig sein und noch offen?


Ciao
Wolfgang Horn

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-25, 18:11 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Wolfgang,

Xenon hatte zur Fragestellung dieser Runde geschrieben:
"Letztlich geht es um die Frage: Bestimmt die naturgesetzliche Kausalität das Verhalten der Menschen oder gibt es eine besondere Form von Kausalität, die entweder aus dem übrigen Naturgeschehen herausgenommen oder jedenfalls mit ihr vereinbar ist."

Zugespitzt lautet die Frage:

Lässt sich menschliches Verhalten letztlich physikalisch erklären?

Ich hatte zu bedenken gegeben, dass noch weitgehend ungeklärt ist, wie z. B. die Verarbeitung von Bedeutungen kausal geschehen kann. Die Physik kennt keine Objekte, die etwas "bedeuten".

Wolfgang, Du siehst hier offenbar keine grundsätzlichen Probleme. Deshalb habe ich das Kreuzungsbeispiel ins Spiel gebracht, um die Möglichkeiten einer physikalischen Erklärung menschlichen Handelns zu analysieren.

Ich hatte geschrieben:
"Wie könnte - im Prinzip zumindest - eine physikalische Erklärung für die Tatsache aussehen, dass an Kreuzungen bestimmte Fahrzeuge anhalten und andere durchfahren?"

Ich hatte eigentlich an eine Kreuzung ohne Ampelregelung gedacht mit einer rechts-vor-links Regelung, aber wir können auch das Ampelbeispiel nehmen.

In Deiner Schilderung heißt es an einer Stelle:
"Erblicken der roten Lichtes in der Ampel, Erinnerung an die Regel "rot - halten", Entschluß."

Meine Frage an Dich und andere: Ist der Begriff "Regel", so wie er hier verwendet wird, ein physikalisch definierbarer Begriff?

Man kann die Regel sprachlich formulieren:"Wenn das Ampellicht rot ist, soll man anhalten". Dieser Satz ist nicht gleichbedeutend mit der empirischen Regelmäßigkeit "Immer wenn die Ampel rot ist, halten die Fahrzeuge an".

Meiner Meinung nach ist "Regel" hier kein physikalisch definierbarer Begriff, woraus folgt, dass die unter Verwendung dieses Begriffes erfolgte Erklärung des menschlichen Verhaltens ebenfalls nicht physikalisch (naturgesetzlich) ist.

Ich will noch auf weitere Komplikationen hinweisen.

Herr Meier hat zum Spaß eine ausrangierte Verkehrsampel erworben und auf seinem großen Grundstück aufgestellt. Hier gönnt er sich die Befriedigung, auch bei "rot" immer durchzufahren. Das Beispiel zeigt: Es spielt also auch das Wissen über den Geltungsbereich der Regel "Bei Ampelrot halten!" eine Rolle.

Frau Schneller fährt gelegentlich auch bei "rot" durch, weil sie meint, dass sie bei ihrem Tempo sowieso nicht mehr vor der Ampel zum Stehen gekommen wäre.

Ihr Nachbar, Herr Nochschneller, verfährt nach der Devise: Um zügig ans Ziel zu kommen, ignoriere ich Ampeln, wenn es die Verkehrslage erlaubt und das Auge des Gesetzes gerade woanders hinschaut.

Es fehlt also auch die empirische Regelmäßigkeit (dass alle bei "rot" tatsächlich anhalten) als Resultat der Regel. Die Regel wird nicht immer befolgt.


Also: Lässt sich die Bedeutung von "rot" als "Halte an!" - zumindest im Prinzip - physikalisch formulieren und wird damit auch das Verhalten von Herrn Meier, Frau Schneller und Herrn Nochschneller erfasst? .

fragt Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Wolfgang_Horn am 2006-11-25, 22:14 Uhr
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Hi, Eberhard,


Du: Meine Frage an Dich und andere: Ist der Begriff "Regel", so wie er hier verwendet wird, ein physikalisch definierbarer Begriff?

Der Begriff selber nicht. Beschreibbar sind aber die Prozesse, die dabei ablaufen.
Daß eine Gehirn mit seinen Neuronen ein weißes Licht ignoriert, aber gelernt hat "rotes Licht an der Ampel bedeutet bremsen" .

Die Prozesse zur Speicherung der Informationen zu "weißes Licht" und "rotes Licht" werden identisch sein, aber wahrscheinlich verschiedene Neuronen.


Du: Meiner Meinung nach ist "Regel" hier kein physikalisch definierbarer Begriff, woraus folgt, dass die unter Verwendung dieses Begriffes erfolgte Erklärung des menschlichen Verhaltens ebenfalls nicht physikalisch (naturgesetzlich) ist.

Jetzt sehe ich, worauf Du hinaus wolltest.
Zustimmung: Ich sehe keinen Sinn in der Beschreibung des Prozesses "weißes Licht neben der Ampel ignorieren, rotes Licht in der Ampel halt" mit physikalische Bezeichnungen und Prozessen.
Aber die Art und Weise, wie unser Gehirn sich Informationen merkt und zur Entscheidung daran erinnert, das ist läßt sich mit physikalischen Bezeichnungen beschreiben.


Du: Herr Meier hat zum Spaß...

Zu seinem oder zu Deinem Spaß?
Du kannst den Teil des Prozesses vom Aufglühen der Lampe hinter dem Rotfilter und der Entscheidung im Gehirn "Halt" natürlich beliebig komplizieren.

Komplizierter machen ist immer leichter.

Aber was bringt uns das?


Ciao
Wolfgang Horn

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2006-11-26, 00:02 Uhr
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Hallo hhmoeller,


on 11/25/06 um 14:59:11, hhmoeller wrote:Der Willensentscheidung geht die Willensbildung voraus. Das kann ein langer und komplexer Vorgang sein. Selbstverständlich kann man über zukünftige Willensentscheidungen vorab eine grundsätzliche Entscheidung treffen.



Du verschiebst damit nur das prinzipielle Problem.

Auch wenn meine zukünftigen Entscheidungen durch eine grundsätzliche Entscheidung geprägt sein mögen, ändert das nichts daran, dass ich den Willen zu der grundsätzlichen wie auch zu den darauffolgenden Entscheidungen nicht wollen kann.

Das soll wirklich keine eitle Wortspielerei sein, sondern darauf hinweisen, dass ich mir selbst nicht zuvorkommen kann.
Was immer ich will, geschieht aus mir heraus, bin ich, aber
ich kann es nicht willentlich anstoßen, weil ich in diesem Fall quasi neben mir stehen müsste. Die Vorstellung eines freien Willens ist aber mit der Vorstellung eines neben-sich-selbst-stehens verbunden, genauso wie es auch die Vorstellung einer Determiniertheit ist.


on 11/25/06 um 14:59:11, hhmoeller wrote:Wer sich etwa dem Kategorischen Imperativ verpflichtet fühlt, will wollen, was als Grundlage einer allgemeinen Gesetzgebung geeignet ist.



Ja klar, aber das ändert nichts an der Unmöglichkeit, sich selbst zuvorzukommen bzw. sich selbst zu überholen. Oder sich selbst anstoßen zu können (bildlich gesprochen).

Ich sage ja nicht, dass dies alles völlig beliebig und zufällig geschieht. Denken und Handeln organisiert sich selbst. Dein Denken und Handeln folgt bestimmten Regeln, Prägungen, Eigenarten, die alle Teil deines Wesens sind, ebenso wie meines.


on 11/25/06 um 14:59:11, hhmoeller wrote:Hier zeigt sich, was Analogieschlüsse Wert sind:
Ich kann mich tatsächlich nicht emporheben. Eine Waage kann sich aber sehr wohl selbst wiegen - vovon sich jedermann in der Küche überzeugen kann: Man muß die Waage nur auf den Kopf stellen und von unten ablesen.



Schlaumeier ;-)! Du hättest auch einwenden können, dass du
aber Teile von dir hochheben kannst oder auch hochspringen kannst....

Grüße,
WuWei


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-26, 10:34 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Xenon,

Geschieht das menschliche Handeln gemäß kausalen Naturgesetzen und ist es damit im Prinzip vorhersagbar?

Auf ein bestimmtes Individuum bezogen lautet die Frage: Unterliegt meine Entscheidung, als nächstes den Kopf nach links (bzw. rechts) zu drehen, Naturgesetzen?

Xenon nimmt einmal an, dass ein Rechner existiert, der aufgrund der vorliegenden Daten fehlerlos vorhersagen kann, ob ich als nächstes den Kopf nach rechts oder links drehen werde.

Angenommen, diese Fiktion wäre Realität, so würde ich dies als einen Nachweis über die Kausalgesetzlichkeit menschlichen Handelns ansehen.

Die Frage ist, was daraus folgt.

Aus der Annahme der Kausalgesetzlichkeit menschlichen Handelns folgt nicht, dass ich fremdbestimmt handle. Mein Wille bleibt mein Wille, auch wenn er in kausalen Zusammenhängen steht.

Aus der Annahme der Kausalgesetzlichkeit folgt weiterhin nicht, dass ich nicht hätte anders handeln können, wenn ich es nur gewollt hätte.

Die Beeinflussung dieses Willens durch Lob und Tadel, durch Belohnung und Bestrafung bleibt ein Weg zur Änderung von Verhaltensweisen. Insofern bleiben Lohn und Strafe sinnvolle Maßnahmen.

Eine andere Frage ist, wie die Ursachenforschung in Bezug auf menschliche Entscheidungen eingeschätzt wird.

Ein Problem besteht darin, dass die Erkenntnis von Ursachen selber wieder ein wirkender Faktor ist. Xenon hat in seinem Beispiel dies Problem berücksichtigt.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass der Mensch und auch die Menschheit als Ganze lernende Systeme sind. Deshalb wiederholt sich die Geschichte nicht. Wenn wir heute wieder in der Politik "Weimarer Verhältnisse" bekommen würden, dann würde das sicherlich nicht zur Machtergreifung der Nazis führen, weil bis auf ein paar % Unbelehrbare die Menschen Lehren aus der jüngsten deutschen Geschichte gezogen haben. Die Frage stellt sich, ob es für lernende Wesen überhaupt zwei identische Situationen geben kann.

Eventuell ist der Mensch nicht nur ein lernendes Wesen, sondern ein sich selbst programmierendes Wesen – zumindest in gewissen Grenzen. Worte wie "Selbstüberwindung" und "Selbsterziehung" deuten in diese Richtung, und es ist immer wieder erstaunlich, wozu Menschen in Ausnahmesituationen fähig sind.

Abschließend noch eine Anwerkung zu Abrazos Begründung menschlicher Freiheit. Sie schreibt:
" Entscheidungsfreiheit heißt nicht, dass man sich aus einer schier unendlichen Anzahl Möglichkeiten für irgend eine entscheidet. Es genügt eine Alternative. Und die, sage ich, ist gegeben qua Logik durch die Fähigkeit zur Reflexion. Denn sobald ich abgrenze, was ich tue, grenze ich auch das ab, was ich nicht tue, woraus logisch zwingend die Möglichkeit erwächst, es auch anders zu machen. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten, so oder anders, kann ich mich entscheiden. Vorausgesetzt, ich reflektiere über das, was ich tue."

Mit der Reflexion hat man die Alternative vorerst nur im Denken und noch nicht im Handeln.

Einen Gruß an alle an diesem sonnigen Novembersonntag von Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Abrazo am 2006-11-26, 11:23 Uhr
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Hi,


Quote:Mit der Reflexion hat man die Alternative vorerst nur im Denken und noch nicht im Handeln.


Wie wichtig ist dieser Unterschied?

Praktisches Beispiel:

Hunde sind verfressen. Stelle einem Hund einen gefüllten Fressnapf hin und er wird sich darauf stürzen, ggf seine 'Beute' sogar gegen Dich knurrend verteidigen.

Zur Erziehung eines anständigen Hundes gehört, dass er genau das, was seinen natürlichen Trieben entspricht, nicht darf. Heißt, Du stellst ihm den gefüllten Napf hin, doch er darf erst anfangen zu fressen, wenn Du es ihm erlaubst. Damit bietest Du dem Hund keine Handlungsalternative, sondern Du machst ihm die natürliche, biologisch gesteuerte Handlung unmöglich und schreibst ihm statt dessen einen anderen Handlungsablauf vor. Nur einen.

So ähnlich läuft es ab, wenn man Kinder dazu erzieht, mit dem Essen erst anzufangen, wenn der Gastgeber es tut und sich so lange zurück zu halten.

Wer aber dressiert einen auf Hungerstreik?
Wohlgemerkt, Hungerstreik als bewusste Entscheidung und nicht aufgrund von Appetitlosigkeit.

Wenn ich Hunger habe, so kann ich entweder essen oder auch nicht. Die biologische Vorschrift ist eindeutig: essen.
Die soziale Vorschrift sagt: aufschieben. Erst Genehmigung durch Kauf oder Gastgeber, und danach bitte essen wie ein zivilisierter Mensch, also nicht Teller an den Mund und reinschieben.
In bestimmten Situationen kann ich aber auch die Option 'überhaupt nicht essen, trotz Hunger' wählen. Wenn ich diese Option wähle, wüsste ich nicht, was mich daran hindern könnte.

Gruß


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-26, 12:26 Uhr
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Hallo allerseits,

zunächst mal muss ich mich doch für meinen letzten Beitrag entschuldigen, der kurz vorm Einschlafen entstand. Habe mit der Bearbeitungsfunktion zwar nur einige wenige Korrekturen gemacht, aber damit hoffentlich die gröbsten sprachlichen und sinnentstellenden Schnitzer beseitigt. Bitte auch um Verständnis, dass ich auf die letzten Beiträge noch nicht eingehen kann.

Zunächst noch mal zu Abrazo.

Deine Position ist mir noch unklar. Beitrag # 61 liest sich noch wie ein Plädoyer gegen den Determinismus:


on 11/18/06 um 23:57:51, Abrazo wrote:„Determination steht also in dieser Diskussion im Gegensatz zur Entscheidungsfreiheit.“
.....
„Denn sobald ich abgrenze, was ich tue, grenze ich auch das ab, was ich nicht tue, woraus logisch zwingend die Möglichkeit erwächst, es auch anders zu machen. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten, so oder anders, kann ich mich entscheiden. Vorausgesetzt, ich reflektiere über das, was ich tue. Denn wenn ich darüber nicht reflektiere, heißt, es mir nicht bewußt mache, heißt, unbewußt handle, heißt, es gar nicht weiß, habe ich auch keine alternative Möglichkeit. In dem Falle habe ich nur die einzige Möglichkeit, nach den zwingenden biologischen Bestimmungen zu handeln.“
.......
„Das ist mein Hauptkritikpunkt an der so, wie von mir angegeben, verstandenen Determinationslehre.“



Andererseits heißt es in Beitrag # 67:


on 11/23/06 um 14:08:43, Abrazo wrote:„Zufällig heißt nicht, wie im allgemeinen Sprachgebrauch, keine Ahnung, warum aus A C und nicht B gefolgt ist, sondern zufällig heißt, es kann, ohne jede Ursache, entweder B oder C folgen. Heißt also letztlich Entstehen aus dem Nichts. Unter diesem Aspekt ist alles determiniert, denn von nix kütt nix.




Mit „unter diesem Aspekt“ - meinst Du damit Determinismus verstanden als Abwesenheit von Zufällen?

Du schreibst nun aber weiter:


on 11/23/06 um 14:08:43, Abrazo wrote:„Wenn ich aber keine Lust habe, morgens aufzustehen, dann wäre es biologisch normal, dass ich eben liegen bleibe, mich umdrehe und weiter schlafe. Das einzige, was mich daran hindern kann, sind die Nachteile, die ich davon zu erwarten habe. Ein abhängig Beschäftiger fliegt dann irgend wann raus und landet, wenn er es konstant so weiter treibt, auf Hartz IV. Die meisten stört das, paar stört das nicht; die setzten halt je nach persönlicher Disposition die Prioritäten anders. Um nach der jeweiligen Ursache zu suchen, kann man schön deterministisch nen Psychologen beauftragen.

Nun gibt es aber Leute, die stehen auf, obwohl sie selber wissen, dass sie vom Weiterschlafen persönlich gar keine Nachteile zu befürchten hätten. Aber andere bekämen dann Probleme. Wodurch soll denn eine solchen Entscheidung determiniert sein? Durch Verpflichtung im Sozialverband? Die sozialen Bindungen sind so locker, die kann man vergessen; der persönliche Egoismus wäre ein viel stärkeres Motiv. Hier fällt die Entscheidung aufgrund einer Bewertung von Alternativen. Womit aber will man Bewertung messen, setzt doch die Bewertung alternative Möglichkeiten voraus, die von Deterministen von vorn herein nicht in Betracht gezogen werden?




Das hat nun gar nichts mehr mit dem „Zufall“ / „Nicht-Zufall“ bzw. ursachelosem Geschehen zu tun.

Man könnte das Weiterschlafen auch als eine Art Handlung bezeichnen, vielleicht auch als das – allerdings kategoriegleiche - Unterlassen einer Handlung (dem Aufstehen nämlich).

Den Begriff Determination im Zusammenhang mit einer Handlung zu bringen, halte ich mittlerweile für eher problematisch. Einfach deswegen weil der Begriff Determination mit der nicht auszurottenden Assoziation eines falsch verstandenen „Festgelegtseins“ verbunden ist.
Der Begriff „Handlung“ setzt ja qua definition voraus, dass aus Sicht der Person-Ebene (Metastufe) auch ein Andershandeln–Können möglich sein muss (auf diesem Punkt hat insbesondere Urs hier oft – und zu Recht - herumgeritten). Damit ist aber gerade nicht gemeint, dass das Denken und Handeln aus dem Naturzusammenhang herausgenommen wäre – etwa in dem cartesianischen Sinne, wonach eine der körperlichen Ursache-Wirkungskausalität entzogene, selbständige Seele im Zentrum des Ich steht und quasi als eigentliche Steuerungsorgan der Person darstellt. Oder eben „herausgenommen“, insofern das Denken und Handeln in irgendeiner Weise "zufällig" bedingt ist.

Wenn ich dennoch sage: „Handeln ist determiniert“, wäre – aus meiner Sicht – nur gemeint: "Handeln" hat auch eine biologische Grundlage. „Handeln“ beruht nicht auf Zufall. Der Satz sollte m.E. aber gerade NICHT bedeuten: „Handeln“ kann auf die biologische Grundlage reduziert werden.

Nun zu Eberhard.


on 11/24/06 um 18:26:48, Eberhard wrote:Du schlägst vor, dann ein Ereignis als "determiniert" zu bezeichnen, wenn es "nicht zufällig" eintritt, was Du wiederum gleichsetzt damit, dass es "kausal erklärt werden" kann.



Wobei "kausal erklärt werden" aus meiner Sicht nicht heißen soll, dass tatsächlich jemand die Gesetzmäßigkeiten kennen muss oder überhaupt jemals kennen wird. Letztlich geht es darum, dass alles Geschehen in ein Ursache-Wirkungszusammenhang eingebettet ist. Nichts geschieht einfach völlig ursachelos, jedenfalls solange nicht ein "echter Zufall" wirksam wäre. Und gäbe es ihn, dann würde er "nichts bringen" im Hinblick auf das Konzept der alternativen Handlungsmöglichkeiten.

Der Knackpunkt scheint mir zur Zeit zu sein, ob für die Annahme der Determiniertheit die tatsächliche Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten vorhanden sein muss und – und nun kommt das noch Entscheidendere – DIE FOLGEN der Gesetzmäßigkeiten TATSÄCHLICH von Menschen (evtl. mit technischen Hilfsmitteln) EXAKT ABGELEITET WERDEN KÖNNEN.

Hier ist mir nach wie vor nicht ganz klar, wie Du das siehst. Einerseits schriebst Du:“


on 11/24/06 um 18:26:48, Eberhard wrote:Wenn wir also heute frühere Ereignisse kausal erklären können, dann sind sie bereits damals determiniert gewesen, selbst wenn damals noch niemand die Gesetzmäßigkeit kannte.



Dieses Verständnis von Determiniertheit deutet darauf hin, dass Du unabhängig davon, ob Menschen die Ursache-Wirkungszusammenhänge von Prozessen verstehen, diese für für determiniert halten können.


on 11/24/06 um 18:26:48, Eberhard wrote:Unsere Frage lautet dann z. B.: "Ist das menschliche Handeln so beschaffen, dass aus dem Zustand gestern und den wirkenden Gesetzmäßigkeiten der Zustand heute folgt?"

Das Problem sind offensichtlich die "Gesetzmäßigkeiten".

Ein Weg könnte der sein, dass man das menschliche Handeln aus Vorgängen im Gehirn erklärt und die Vorgänge im Gehirn physikalisch-chemisch erklärt.

Ich habe hier auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich zum einen aus der unvorstellbaren Komplexität des menschlichen Gehirns ergeben.“



Diese Äußerungen gehen nun m.E. in eine entgegengesetzte Richtung. Ich glaube, Du machst hier – so sehe ich es – den Fehler, die Bejahung der Determiniertheit gleichzusetzen mit der Schlußfolgerung, man könne auf die der Metastufe des Denkens und Handelns zuzurechnende Begrifflichkeit (die Welt der Motive und Gründe) verzichten. Wenn ich aussage, dass die „Systemeinheit Mensch“ auf einer elementaren Beschreibungsstufe als determiniertes System verstanden werden kann, so heißt das m.E. nicht, dass es auch sinnvoll ist, ihr Wirken insgesamt auf physikalische oder biologische Funktionen zu reduzieren. Denn der Determinismus bietet auch nach meiner Meinung keine Möglichkeit, das Verhalten auf einer höheren Stufe hinreichend zu verstehen.



on 11/24/06 um 18:26:48, Eberhard wrote:Zum andern ist noch weitgehend ungeklärt, wie z. B. die Verarbeitung von Bedeutungen (etwa die Symbolisierung des Ausdrucks "k mal 7 minus 5" durch das Zeichen "v") kausal geschehen kann. Die Physik kennt keine Objekte, die etwas "bedeuten".

Oder nimm eine einfache Endlosschleife


1.) i ist gleich 1
2.) Drucke i
3.) i ist gleich i plus 1.
4.) Mach weiter bei 2.)

Was sind die kausalen Gesetzmäßigkeiten dieser Struktur?



Da stehe ich jetzt etwas auf dem Schlauch, worauf Du hinauswillst. Hätten wir hier nicht einen die kausale Gesetzmäßigkeit der Zahlenfolge 1, 2, 3, 4, 5 usw. beschreibenden Algorithmus?


on 11/24/06 um 18:26:48, Eberhard wrote:Wie könnte eine physikalische Erklärung menschlichen Handelns aussehen?



Die kann es m.E. per definitionem nicht geben. Physik ist für die Analyse und Beurteilung menschlicher Handlungen nicht zuständig. Falsche Baustelle. Mit einem derartigen Reduktionismus kommen wir m.E. nicht weiter. Deswegen geht meiner Meinung nach aber die zuletzt geführte Diskussion über das Straßenkreuzungs-Beispiel hier am Thema vorbei (obwohl sie natürlich trotzdem interessant ist).

Fraglich ist allerdings, ob mein Verständnis des Wortes „Determination“ verstanden wird, schlüssig und sinnvoll ist und Zustimmung findet.

Im Grunde hatte ich mich ja der vorläufigen Arbeits-Definition von Eberhard angeschlossen. Das Problem ist jedoch dass die Definition selbst wiederum Begriffe enthält, die ebenfalls unscharf und erklärungsbedürftig sind und daher unterschiedlich interpretiert werden kann. So verbindet Eberhard mit „Determinismus“ offensichtlich zwingend die Möglichkeit einer reduktionistischen Welterklärung, was bei mir nicht der Fall ist. Dieser grundlegende Dissens steht noch im Raum.

Aufgrund der Schwierigkeiten mit der Definition bzw. ihrer Auslegung mein Vorschlag in Beitrag # 63 einfach ein praktisches Beispiel zu präsentieren und dann zu fragen:

Meint ihr, wenn das beschriebene Geschehen so sein könnte wie eben beschrieben, würdet ihr es dann als determiniert bezeichnen?

Wobei ich anmerken möchte, dass das Geschehen selbst (E. entscheidet sich, den Kopf entweder nach links oder nach rechts zu drehen) im Grunde banal ist und der Kunstgriff darin besteht, ein zweites, paralleles Geschehen einzuführen, um damit den Blick auf das eigentliche Geschehen in einem neuen, speziellen Licht zu sehen.

Man könnte auch anders ansetzen. Der "Film des Lebens" wird zurückgespult. Wäre etwas im Hinblick auf das Anders-Handeln-Können gewonnen, wenn der E. nun im zweiten Anlauf seinen Kopf nach rechts statt nach links drehen würde?

Leider hat auf meine Frage niemand konkret geantwortet :-( (Achtung: Wink mit dem Zaunpfahl!)

Das Beispiel hatte übrigens nicht den Hintergrund, wie von Eberhard angedeutet, die Diskussion in irgendeiner Weise festzuzurren. Im Gegenteil sollte es eine Diskussion über einen zweckmäßigen Gehalt des Begriffs "Determination" anregen.

Um abschließend ein kurzes Zwischenfazit zu ziehen:

Ich denke, dass wir zur Zeit immer noch im Stadium der Begriffsklärung sind. Bei mir sind die Überlegungen alles andere als abgeschlossen. Noch halte ich aber an meiner Position fest, dass das Wort „Determination“ lediglich die Einbindung z.B. auch menschlicher Denkprozesse in den allgemeinen Naturzusammenhang, d.h. die Ursache-Wirkungs-Kausalität, ausdrücken soll.

Liebe Grüße
Xenon


PS: WuWei will ich gern als nächstes in einem gesonderten Beitrag antworten



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von jonny_W. am 2006-11-26, 12:53 Uhr
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„Zufällig heißt nicht, wie im allgemeinen Sprachgebrauch, keine Ahnung, warum aus A C und nicht B gefolgt ist, sondern zufällig heißt, es kann, ohne jede Ursache, entweder B oder C folgen. Heißt also letztlich Entstehen aus dem Nichts. Unter diesem Aspekt ist alles determiniert, denn von nix kütt nix."

Aus Sicht der Physik ist das nicht richtig.
Dort stellen wir in entsprechenden Experimenten etwa fest:

Aus A folgt B
aber auch:
Aus A folgt C
Mal folgt B mal Folgt C, wobei der Anfangszustand identisch A ist. Und das ist keine Frage der Präparation von A!!!
Und da kann es keine uns eben nicht bekannte Unterschiede im jeweiligen Versuch geben, die dann das Ergebniss determinieren.
Die Quantentheorie sagt eindeutig: Aus A folgt mal B ein andermal C. Für den jeweiligen Ausgang gibt es keine Gründe (verborgene Variablen).
Jedenfalls keine physikalischen.

jonny

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Abrazo am 2006-11-26, 14:25 Uhr
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Womit wird begründet, dass es keine Gründe gibt?

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-26, 21:17 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Xenon,

Offenbar hast Du meine Anwort auf Deine Frage überlesen. Ich schrieb:

"Xenon nimmt einmal an, dass ein Rechner existiert, der aufgrund der vorliegenden Daten fehlerlos vorhersagen kann, ob ich als nächstes den Kopf nach rechts oder links drehen werde.

Angenommen, diese Fiktion wäre Realität, so würde ich dies als einen Nachweis über die Kausalgesetzlichkeit menschlichen Handelns ansehen."

Zum Stand der Diskussion stellst Du fest, dass wir uns noch in der Phase der Begriffsklärung befinden. Das Problem ist dabei, dass wir dies Stadium nur verlassen können, wenn wir uns auf eine möglichst präzise Fragestellung einigen können.

Dass die Menschen, ihr Fühlen, Denken und Handeln in die Wirkungszusammenhänge der umgebenden Welt eingebunden ist, wird jedem klar, der z. B. einen doppelten Klaren zu sich nimmt. Die Wirkung der chemischen Substanz Alkohol auf den Stoffwechsel des Gehirns ist seit langem bekannt. (Nicht umsonst sprach man früher auch von den "geistigen" Getränken). Diese Weltsicht (ohne ein separates Reich der Vernunft) würde ich allerdings nicht unter der Überschrift "Determinismus" diskutieren wollen.

Die Frage ist: Was ist die These des Determinismus bzw. seiner verschiedenen Spielarten?

Eine Variante wäre die These, dass sich das menschliche Handeln restlos kausal erklären lässt, d.h. dass aus der Angabe von Randbedingungen und ausnahmslosen Zusammenhängen das jeweilige Handeln eines Menschen erklärt werden kann.

Da wir bekanntermaßen davon noch weit entfernt sind, müsste sich die Diskussion auf die Frage richten, ob es prinzipielle Hindernisse für das kausale Erklärungsprogramm gibt.

Dazu gehört meine These, dass es nicht zwei identische Situationen gibt. Die gleiche Situation wie gestern ist für ein mit Erinnerung und Denkfähigkeit ausgestattetes Wesen eben nicht mehr die gleiche.

Dazu gehört wohl die Unmöglichkeit, eine externe Beobachterposition einzunehmen, ohne dabei auf das beobachtete Geschehen Einfluss zu nehmen.

Dazu gehören Argumente, dass durch die Erkenntnis der Verhältnisse diese zwangsläufig geändert werden.

Dazu gehören auch Positionen, die eine Veränderung des Menschen durch Lernen und Selbstprogrammierung für real halten.

Wir müssten auf jeden Fall versuchen, die zur Diskussion gestellte Position klar zu formulieren.

Eine Möglichkeit wäre die Zuspitzung der Diskussion in der Frage:

"Ist es theoretisch denkbar, dass ein Mensch die Frage, wie er sich angesichts mehrerer Alternativen entscheiden soll, durch die Frage ersetzt, welche Entscheidung er in dieser Situation angesichts der bekannten kausalen Gesetzmäßigkeiten treffen wird?"

Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang die Frage zu sein, welche Positionen miteinander kompatibel sind. Meiner Ansicht nach ist die Position, dass unser Handeln kausalgesetzlich abläuft, logisch vereinbar mit der Position, dass der Mensch "frei" im Sinne von "selbstbestimmt" ist. Haltungen des Fatalismus und der Verantwortungslosigkeit sind demnach keine logischen Folgerungen aus der These der Kausalgesetzlichkeit. Wenn das richtig ist, ist jeglichem Determinismus viel von seiner Brisanz genommen.

Wichtig scheinen mir auch die Beziehungen zwischen verschiedenen Analyseebenen und ihrer jeweiligen Begrifflichkeit zu sein.

Meine Äußerungen gegen eine physikalische Reduktionsstrategie bei der Erklärung menschlichen Verhaltens ziehe ich allerdings zurück, da das noch ziemlich unausgegoren ist und weil auch niemand hier die kühne Strategie verfolgt, die Psychologie des Menschen durch die Physiologie des Menschen überflüssig zu machen.

Soviel für heute von Eberhard


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von jonny_W. am 2006-11-26, 22:51 Uhr
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Hi Eberhard,
du: ""Dazu gehört wohl die Unmöglichkeit, eine externe Beobachterposition einzunehmen, ohne dabei auf das beobachtete Geschehen Einfluss zu nehmen."

Wieso soll das nicht möglich sein?

jonny

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-26, 23:04 Uhr
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Hallo Eberhard,
nur ein kurzer Einwurf.


on 11/26/06 um 21:17:26, Eberhard wrote:Hallo allerseits, hallo Xenon,

Offenbar hast Du meine Anwort auf Deine Frage überlesen.



Ja sorry, hatte den letzten Beitrag schon abgeschickt, bevor ich Deinen letzten las (allerdings schrieb ich auch, dass ich die letzten Beiträge noch nicht berücksichtigen würde).



on 11/26/06 um 21:17:26, Eberhard wrote:Eine Möglichkeit wäre die Zuspitzung der Diskussion in der Frage:

"Ist es theoretisch denkbar, dass ein Mensch die Frage, wie er sich angesichts mehrerer Alternativen entscheiden soll, durch die Frage ersetzt, welche Entscheidung er in dieser Situation angesichts der bekannten kausalen Gesetzmäßigkeiten treffen wird?"



Das klingt aus meiner Sicht wie ein reduktionistischer Ansatz. Sollen wir Reduktionismus mit Determination gleichsetzen? Dann hätte allerdings der Begriff der Determination gar keinen eigenständigen Gehalt mehr, oder?

Hinsichtlich der übrigen von Dir vorgebrachten Punkte stimme ich Dir uneingeschränkt zu.... Da gibt es aus meiner Sicht gar nichts hinzuzufügen...

Liebe Grüße
Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-27, 14:18 Uhr
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Hallo jonny,

bei der Passage, die Du in Frage stellst, handelt es sich nur um eine Aufzählung möglicher prinzipieller Grenzen der Ursachenforschung. Man kann z.B. in der Psychologie nicht einfach experimentelle Forschung betreiben wie in den Naturwissenschaften, weil ein Mensch sich anders verhält, wenn er weiß, dass er Versuchsperson ist (Labor-Effekt).

Wie weit das Argument trägt, lasse ich offen.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-27, 18:10 Uhr
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Hallo allerseits,

ich habe den Eindruck, dass unter uns zum Thema "Determinismus" kein großer Dissens besteht.

Xenon versteht unter "Determinismus" eine Position, die die Einbindung z.B. auch menschlicher Denkprozesse in den allgemeinen Naturzusammenhang, d.h. die Ursache-Wirkungs-Kausalität beinhaltet.

In diesem Sinne bin ebenfalls ein "Determinist".

Andererseits halte ich jedoch die Schlussfolgerungen, die viele Deterministen daraus gezogen haben, für falsch:

"Es ist alles vorherbestimmt",
"Du handelst so, weil Du so handeln musst",
"Es gibt keine freie Entscheidung zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten",
"Wer nicht frei ist, kann auch nicht schuldig werden, und wer nicht schuldig werden kann, darf auch nicht bestraft werden",
"Ich brauche mich nicht mehr anzustrengen, um bestimmte Ziele zu erreichen, denn alles kommt so. wie es kommen muss".

Was meiner Ansicht nach als Problem noch übrig bleibt, ist die Diskrepanz zwischen der Sprache des Handelns und Entscheidens und der Sprache der ursächlichen Verknüpfung, wenn man beide Sichtweisen auf den Menschen bezieht. Wie verhalten sich Beweggründe (Motive) zu Vernunftgründen (Argumenten)?

fragt Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2006-11-27, 19:11 Uhr
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Siehste Eberhard, vielleicht kommen wir auch langsam auf den Trichter, dass wir hier gedanklich ein Problem lösen wollen, dass wir allein mit unserem Denken geschaffen haben.

Die Antwort auf das Problem: "Freiheit oder Determiniertheit" ist, dass es dieses Problem gar nicht gibt. Es existiert nur in unserer Frage.

Wenn du akzeptierst, dass dein Denken im "allgemeinen Naturzusammenhang" steht, dann weiß ich nicht, wie darin noch sowas wie ein freier Wille Platz haben sollte. Denn dieser müsste ja außerhalb der Kausalitätskette stehen, um in sie eingreifen zu können. Das gleiche gilt aber auch für die Determiniertheit, die darin auch keinen Platz hätte. Denn der "allgemeine Naturzusammenhang" könnte nur durch sich selbst determiniert sein, wodurch dieses Prinzip sich selbst aufhebt.

Und so gebe ich dir recht, dass aus dem "allgemeinen Naturzusammenhang" auch nicht eine "Vorbestimmtheit" folgt, auch kein Fatalismus und keine Straffreitheit.

Grüße,
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von ranx am 2006-11-27, 20:36 Uhr
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on 11/27/06 um 19:11:32, WuWei wrote:Und so gebe ich dir recht, dass aus dem "allgemeinen Naturzusammenhang" auch nicht eine "Vorbestimmtheit" folgt, auch kein Fatalismus und keine Straffreitheit.



vielleicht doch. vielleicht resultiert mal ein anderer Umgang mit altehrwürdig Dingen wie Strafe, Schuld und Sühne aus Einsicht in diese simplen zusammenhänge? Denn wer ist Schuld, dass er geboren wurde? Oder dafür, dass er ist, wie er ist? Genaugenommen finden wir uns so vor, wir wir jetzt in diesem Augenblick sind, mit allem was wir haben, mit allem, was wir nicht haben. Nur ein Blinder würde behaupten, es sei jedem jederzeit möglich, sich zu ändern, denn dann wäre er blind für die Tatsache, das dann auch diese Änderung Teil des Gesamtplanes desjenigen sein müsste.

gruss
ranxos

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von hhmoeller am 2006-11-27, 20:55 Uhr
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on 11/26/06 um 12:53:32, jonny_W. wrote:[i]Die Quantentheorie sagt eindeutig: Aus A folgt mal B ein andermal C. Für den jeweiligen Ausgang gibt es keine Gründe (verborgene Variablen).


Es gibt keine Wirkursache aber eine Zielursache.

Es gibt z.B. keine Wirkursache dafür, daß ein Atomkern ein Alpha-Teilchen emmittiert. Es gibt aber eine Zielursache, nämlich, das Ziel des energieärmsten Zustands.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von hhmoeller am 2006-11-27, 21:17 Uhr
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on 11/26/06 um 00:02:02, WuWei wrote:Du verschiebst damit [mit der Reflexion der Willensentscheidung] nur das prinzipielle Problem.


Daß der Wille vom Willen abhängt ist kein Problem, sondern genau der Umstand, der uns Willensfreiheit verschafft.

Durch die Selbstbezüglichkeit des Willens entstehen Sätze, die logisch nicht entscheidbar sind, wie das folgende Beispiel zeigt:


Protagoras unterrichtet Euatlos in Rhetorik. Hinsichtlich des Honorars wird vereinbart, daß Euatlos ein Honorar nur zahlen muß, wenn er seinen ersten Prozeß gewinnt. Nach dem Ende der Ausbildung führt Euatlos keinen Prozeß. Daraufhin verklagt ihn Protagoras auf die Zahlung eines Honorars, In dem anschließenden Prozeß argumentieren beide Parteien in Form eines Dilemmas.

Protagoras erklärt:

Euatlos wird gewinnen oder verlieren.

Wenn Euatlos gewinnt, zahlt er Honorar (wegen des Vertrages).

Wenn Euatlos verliert, zahlt er Honorar (wegen des Prozeßausganges).

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(Gleichgültig, ob Euatlos gewinnt oder verliert,) er zahlt Honorar.


Euatlos erwidert:

Ich werde gewinnen oder verlieren.

Wenn ich gewinne, zahle ich kein Honorar (wegen des Prozeßausganges).

Wenn ich verliere, zahle ich kein Honorar (wegen des Vertrages).

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(Gleichgültig, ob ich gewinne oder verliere,) ich zahle kein Honorar.

Die Sache ist nicht logisch nicht entscheidbar. Das Urteil hängt vom Urteil ab. Der Richter ist also auch in einem deterministischen Universum nicht auf ein bestimmtes Urteil determiniert.

Die Fähigkeit das eigene Handeln zu reflektieren ist genau der Umstand, der uns Willensfreiheit verschaft.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Abrazo am 2006-11-28, 00:52 Uhr
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Hi Hhmoeller,

Quote:Die Fähigkeit das eigene Handeln zu reflektieren ist genau der Umstand, der uns Willensfreiheit verschaft.


Schön, dass wenigstens einer mir zustimmt.
Denn mit dieser Feststellung ist die ganze nachfolgende Diskussion imho überflüssig.
Gruß

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Joy am 2006-11-28, 04:28 Uhr
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on 11/28/06 um 00:52:26, Abrazo wrote:Hi Hhmoeller,


Zitat:

Die Fähigkeit das eigene Handeln zu reflektieren ist genau der Umstand, der uns Willensfreiheit verschaft.

Schön, dass wenigstens einer mir zustimmt.
Denn mit dieser Feststellung ist die ganze nachfolgende Diskussion imho überflüssig.




Naja, wenn Dir Zustimmung so wichtig ist und Du nur nach Bestätigung suchst, dann bist Du beim intellektuellen Mainstream sicherlich gut aufgehoben...

Aber wie kurzsichtig und völlig verquert muss eigentlich ein Denken sein, das von Reflexion auf einen freien Willen schliesst? Das ist derart absurd, dass ich mich frage, wie es überhaupt möglich ist, solch einen völlig offenbaren Unsinn überhaupt annehmen zu können? Ganz davon zu schweigen, dass es gar niemanden gibt, keine einzige reale ontische Entität, die je einen freien Willen haben oder ausüben könnte.

Das Welterleben ist freilich selbstbestimmt - aber "ICH BIN" (ist) doch die wahrgenommene Welt selbst. Wiederholter Wortlaut von Abrazo an anderer Stelle: "Es gibt keine Dinge an sich." (Würde Abrazo die Konsequenz dieser Aussag auch nur im Ansatz verstehen, sie würde solchen Unsinn nicht schreiben, wie sie ihn hier immer wieder schreibt! Und außer verbalem Rumgeseiere kam von ihr auch noch nicht einmal ein weiteres faktisch selbst nachprüfbares Argument hierzu. Da kommt dann immer das Gesülze von der "Konstitution des Lebewesens, welches seine Form zeitlich beibehält" und ähnlich intellektueller kleingeistiger Schwachsinn. Sorry, Abrazo, für diesen Tonfall, aber Du scheinst ihn zu ja lieben und vor allem auch sehr gut zu verstehen, denn er ist ja Dein eigener... ;-))

In Bezug auf was sollte denn da von was oder wem ein freier Wille überhaupt ausgeführt werden? Von einer ontologischen, einer gedanklich konstruierten Entität auf ein gedanklich konstruiertes ontologisches Ding etwa? ;-)

Mensch, Abrazo, mach Dich doch bitte nicht noch lächerlicher! Wie lange willste denn Deinen infantilen "dance about a circle" noch weiter machen? Dir muss doch schon kotzübel sein davon. Naja, hast Dich hier im Forum ja auch schon einige Male mächtig ausgekotzt... (auch hier wieder nur Abrazos eigenen Wortlaut widergegeben)

Komme doch endlich mal zur geistigen Klarheit und vergesse alle Deine für wahr und wirklich geglaubten raumzeitlichen Konzepte und halte nur einmal selbst an. Die phänomenale Welt ist geistige Erscheinung - nur raumzeitlos hier und jetzt. Raumzeitliche Existenz ist eine Illusion. Raum und Zeit, selbst bei Kant bereits nachlesbar und ebenso in jedem guten Physikbuch, sind keine Realitäten, keine Wirklichkeit, sondern Kategorien des reflektierenden Denkens! Schalte doch nur einmal die beknatterte raumzeitliche Reflexion ab und erkenne das, was-wirklich-IST. Das zu verstehen, wenn es schon nicht lebendig zu erkennen, das ist sogar ohne Probleme für die zirkuläre Logik möglich - sofern Du sie denn wirklich anzuwenden verstehst.

"Ich" nehme eine gefüllte Kaffeetasse vor mir auf dem Schreibtisch wahr, ebenso einen Körper, den ich meinen eigenen nenne. Der wahrgenommene Körper greift nach der wahrgenommenen Kaffeetasse und trinkt einen Schluck. "Ich" bin (in diesem Augenblick!) nur der Beobachter dieser phänomenalen Szenerie, das beobachtende, wahrnehmende und reflektierende geistige Bewusstsein davon. Alles was "ich" reflektiere ist Vergangenheit, ist quasi soeben (scheinbar!) geschehen, das trifft auch ebenso auf wahrgenommene reflektierte Gedanken zu, die von mir aus auch lauten können, "ich kann jetzt einen Schluck Kaffee trinken oder es aber auch lassen". Da ist aber kein separierter Denker, der mal Gedanken denkt und mal grad keine denkt. Da ist nur wahrnehmendes reflektierendes Bewusstsein. Die Welt ist reflektierte verdinglichte und verbal-begrifflich objektivierte Wahrnehmung, Spiegelung der Wahrnehmung. Reflexion heißt, die Welt im Rückspiegel zu sehen, in der Vergangenheit. Das raumzeitlose Erleben ist echt, ist real, aber nicht die verbal-begriffliche raumzeitlich strukturierte Reflexion und deren gedanklich lineare Verknüpfung - das ist nur Vorstellung! Vermagst Du denn wirklich nicht zwischen mentalen Vorstellungen und Realität zu unterscheiden?

Und da kannst Du hundertmal arrogant und ignorant hier lässig rumtönen, dass dies alles nur Esoterikkram sei und Deine Tonne-Smilies dazusetzen. Klar, wenn einem die Argumente ausgehen, man aber dennoch seine besserwisserische und rechthabersche Position nicht aufgeben kann, vor lauter Stolz und Eitelkeit, dann motzt man halt ein bisschen proletenhaft rum, in der Hoffnung, das würde von der eigenen Unkenntnis ablenken. Ich gebe Dir gern mal detailierte Nachhilfe in Physik, auch auf verbal verständliche Weise ohne den ganzen verwirrenden mathematischen Formalismus, denn die sagt Dir im Grunde genau dasselbe, was ich hier schreibe. Aber wahrscheinlich ist auch die Physik für Dich nur esoterischer Spinnerkram, denn Du bist ja die Größte, mit Deiner philologischen Berufung auf "seriöse und authentische Texte"... [grin]

Bist ne geile Spielkameradin. Für mich die beste und liebste hier im Forum! Besser noch als hhmoeller oder der langweilige Eberhard mit seiner Soziologie und Psychologie, denn Du schreibst wenigstens schon davon, dass es Deiner Ansicht nach keine "Dinge an-sich" gibt. Und vor allem weiß ich, dass Du alle meine Beiträge liest. Dein infantiler Trotz und die ausdrückliche Betonung, Joy-Beiträge zu scrollen sind ein wunderbares Indiz. Ohne Dich wäre es mir hier langweilig, denn ich suche keine Bestätigung oder Zustimmung, sondern gerade den Widerspruch und vielleicht wird Deiner ja auch mal argumentativ etwas substanzieller, vielleicht mal mehr, als nur hilflose verlegene Polemik... ;-)



Joy




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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2006-11-28, 11:16 Uhr
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on 11/27/06 um 20:36:59, ranx wrote:vielleicht doch. vielleicht resultiert mal ein anderer Umgang mit altehrwürdig Dingen wie Strafe, Schuld und Sühne aus Einsicht in diese simplen zusammenhänge? Denn wer ist Schuld, dass er geboren wurde? Oder dafür, dass er ist, wie er ist? Genaugenommen finden wir uns so vor, wir wir jetzt in diesem Augenblick sind, mit allem was wir haben, mit allem, was wir nicht haben. Nur ein Blinder würde behaupten, es sei jedem jederzeit möglich, sich zu ändern, denn dann wäre er blind für die Tatsache, das dann auch diese Änderung Teil des Gesamtplanes desjenigen sein müsste.



Ja, klar. Aber das widerspricht ja nicht meinen Aussagen. Straffreiheit: nein. Ein anderer Umgang mit Schuld und Sühne:ja.

viele Grüße,
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2006-11-28, 11:44 Uhr
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Hallo hhmoeller,


on 11/27/06 um 21:17:52, hhmoeller wrote:Die Sache ist nicht logisch nicht entscheidbar. Das Urteil hängt vom Urteil ab. Der Richter ist also auch in einem deterministischen Universum nicht auf ein bestimmtes Urteil determiniert.



Dein Beispiel geht am Kernpunkt vorbei, es hat auch gar nichts mit meinen Aussagen zu tun. Schließlich rede ich doch nicht von Determiniertheit. Ich sage: weder frei noch determiniert.


on 11/27/06 um 21:17:52, hhmoeller wrote:Die Fähigkeit das eigene Handeln zu reflektieren ist genau der Umstand, der uns Willensfreiheit verschaft.



Das ist lediglich eine Behauptung. Wo ist hier der Zusammenhang zwischen Reflektion und Willensfreiheit? Du hast das eigentliche Problem hier noch nicht erkannt oder willst es nicht erkennen.

Du kannst dein Denken und Handeln nicht selbst anstoßen, denn dazu müsstest du außerhalb des Denkens und Handelns stehen. außerhalb von dir selbst. Dies geschieht nicht determiniert, sondern aus dir selbst heraus, gemäß deinem Wesen und gemäß der Umstände. Aber gerade WEIL es aus dir selbst heraus entsteht, kannst du es nicht kontrollieren.

Das muss man gar nicht intellektuell ausdiskutieren, das kann jeder ganz einfach bei sich selbst beobachten. Was immer ich denke, erscheint in mir, fließt aus mir, aber ohne dass ich es selbst "herausholen" könnte. Weil es eine solche Ich-Instanz nicht gibt, die das tun könnte.

Daran ändert die Tatsache, daß du über dein Denken und Handeln reflektieren kannst, nicht das Geringste.

Grüße,
WuWei



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-28, 18:24 Uhr
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Hallo allerseits,

hallo Xenon,

was ist aus Deiner Sicht denn noch zu diskutieren, wenn unwidersprochen bleibt, dass ein Mensch vor Alternativen steht, zwischen denen er sich entscheiden kann und muss, und dass er hätte anders handeln können, wenn er es gewollt hätte (beides demonstriert durch mein Kopfdreh-Beispiel)?

Es wurde noch die These (Schopenhauers) diskutiert, dass ein Mensch nicht wollen könne, was er wolle. Dahinter steckt offenbar eine besondere Definition von "frei": "Derjenige ist frei, der tun und lassen kann, was er will."

Demnach wäre ein Mensch in Bezug auf sein Wollen dann frei, wenn er wollen kann, was er will.

Ich hatte dazu anderswo geschrieben:

"Aber macht die Frage: "Kann der Mensch wollen, was er will?" überhaupt einen Sinn?

Durch eine derartige Stufentheorie des Wollens mit einem Willen erster Ordnung (auf das Handeln bezogen) und einem übergeordneten Willen zweiter Ordnung (auf das Wollen bezogen) wird jedoch die Frage nach der Freiheit des Willens nicht gelöst sondern nur endlos verschoben. Denn nun stellt sich das Problem der Freiheit des Willens für das Wollen zweiter Ordnung und so weiter und so fort. Das heißt, dass sich ein unendlicher Regress ergibt, wenn man die Selbstanwendung des Willens auf sich selbst zulässt.

Sofern man also "frei wollen" im Sinne von "wollen können, was man will" versteht, ist die Frage, ob der Mensch einen "freien Willen" hat, nicht zu beantworten." ( www.ethik-werkstatt.de/Willensfreiheit.htm )

Ich ziehe deshalb vor, unter einem "freien" Wollen ein selbstbestimmtes Wollen zu verstehen, wobei natürlich zu präzisieren wäre, was ein selbstbestimmtes Wollen von einem fremdbestimmten Wollen unterscheidet.

Selbstbestimmung des Menschen ist ohne weiteres damit vereinbar, dass der Mensch im Wirkungszusammenhang der Welt eingebunden ist.

Insofern muss ich WuWei widersprechen, wenn er schreibt:
"Wenn du akzeptierst, dass dein Denken im 'allgemeinen Naturzusammenhang' steht, dann weiß ich nicht, wie darin noch sowas wie ein freier Wille Platz haben sollte. Denn dieser müsste ja außerhalb der Kausalitätskette stehen, um in sie eingreifen zu können."

Ranx fragt – kritisch gegen die Berechtigung von Strafe gewendet:
"Wer ist Schuld, dass er geboren wurde? Oder dafür, dass er ist, wie er ist? Genau genommen finden wir uns so vor, wie wir jetzt in diesem Augenblick sind, mit allem was wir haben, mit allem, was wir nicht haben. Nur ein Blinder würde behaupten, es sei jedem jederzeit möglich, sich zu ändern …"

Nehmen wir jemanden, der zwei Geldboten erschießt, um sich viel Geld zu beschaffen.
Nehmen wir an, er sagt:
"Ich kann nichts dafür, dass ich so bin, wie ich bin. Ich bin das Produkt meiner genetischen Anlagen und der sozialen Verhältnisse, unter denen ich aufgewachsen bin. Ich bin nicht schuld für das, was ich tue. Also darf man mich auch nicht dafür bestrafen."

Die Reaktion der andern wäre wohl klar:
"Wer andere erschießt, ohne dafür die Verantwortung zu übernehmen, ist gemeingefährlich und gehört sicher verwahrt."

Das hat noch nichts mit "Strafe" zu tun.

Sie würden weiter sagen:

"Der Täter wollte sich das fremde Geld aneignen und hat als Mittel dazu auch die Tötung der Geldboten bejaht. Um einen derart gefährlichen Willen zu beeinflussen, ist die Androhung einer schweren Strafe für den Täter angebracht. Dies schreckt ihn und andere mögliche Täter von der Tat ab – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine große Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Bestrafung eines Täters besteht."

Man würde einen Unterschied machen zwischen jemandem, der das erste Mal straffällig geworden ist, und jemandem, der praktisch "Berufsverbrecher" ist. Man würde den einsichtigen Täter, der seine Tat bereut und der zukünftig nie wieder so etwas tun will, anders behandeln als den abgebrühten Verbrecher, der für eine derartige moralische Einsicht in die Schlechtigkeit der eigenen Tat nur ein müdes Lächeln übrig hat.

meint Eberhard.
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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-11-28, 21:15 Uhr
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Hallo Eberhard,

leider kann ich aus Zeitgründen nur sehr kurz antworten.

Zwischen uns sehe ich eigentlich keinen wesentlichen Dissens mehr, wenn er überhaupt je vorhanden war.

Welche Fragen sind noch offen?

Wohl nicht geklärt ist, wie denn nun "Determinismus" letztlich genau zu definieren ist. Auch wenn diese Frage unser Ausgangspunkt gewesen ist, scheint sie doch nicht so entscheidend gewesen sein. Denn wenn man einfach die jeweils gemeinte Bedeutung erläuternd ergänzt: ("Wenn unter Determinismus verstanden wird, dann.... "), lassen sich eben doch Mißverständnisse vermeiden.

Dies scheint allerdings auch erforderlich, denn die Assoziation eines umfassenden Festgelegtseins auf der Ebene des Denkens / Handelns / Entscheidens, die mit diesem Begriff häufig verbunden wird, ist doch überaus hartnäckig.

Was man ansonsten in diesem Thread noch diskutieren könnte? Hm... vielleicht sind uns schlicht die "Gegner" ausgegangen?

Die übliche Joy-Platte läßt einen vielleicht doch noch einmal darüber nachgrübeln, ob nicht am "harten" Determinismus was dran sein könnte...:-).

Tatsächlich wäre das noch eine interessanter Aspekt: Zu untersuchen, wo sich der verborgene Naturzusammenhang doch sozusagen immer wieder "Recht verschafft" und sich Bahn bricht - wider aller "Vernunft".

Ansonsten hätte ich noch zu Deinen letzten Postings die eine oder andere Anmerkung, aber wie gesagt: keine wesentliche Kritik.

Ich greife hier mir hier nur kurz mal einen Punkt heraus. Die von Dir kritisch gesehene Mehrstufigstufigkeit des Willens. Ich sehe diesen Ansatz, der meines Wissens von dem amerikanischen Philosophien Harry G. Frankfurter stammt, nicht so kritisch wie Du.

Natürlich macht die Wendung: "Ich kann nicht wollen, was ich will" keinen Sinn, wenn beide Wollen jeweils auf einer Stufe angesiedelt sind. Es lassen sich jedoch unzweifelhaft verschiedene Kategorien des Willens unterscheiden. Ich denke dabei an den spontanen, den instrumentellen und den substanziellen Willen...

Der substanzielle Wille steht sozusagen auf der höchsten Stufe. Er beruht auf einer strategischen Grundentscheidung der Person, gehört jedenfalls zu ihrem Kern.

Z.B. jemand habe entschieden, als Arzt nach Afrika zu gehen, um sich für die Gesundheit armer und hungernder Menschen einzusetzen.

Nun kann er aufgrund der schlechten medizinischen Ausstattung in eine Situation kommen, die ihn dazu zwingt, ohne Narkose jemanden ein Bein zu amputieren. Sein widerstrebender "spontaner Wille" erster Stufe läßt ihn diese Handlung zu einer wahren Tortur werden, jedoch ist sein Tun höchst vereinbar mit dem instrumentellen Willen zweiter Stufe und mit dem diesen wiederum untergeordneten substanziellen Willen höchster Stufe (ein entsprechendes Beispiel brachte Bieri wohl in seinem Buch "Handwerk der Freiheit").

Und woher kommt der Wille "höchster" Stufe und warum gibt nicht noch einen Willen höherer Stufe (Problem des infiniten Regresses). Ich glaube, diese Problematik stellt sich nur, wenn man von einem erreichbaren absoluten inneren Kern des Ich ausgeht...

Vielleicht schweift diese Diskussion jedoch zu stark vom eigentlich Thema ab, das ja bekanntlich "Gegenargumente gegen den Determinimus" lautete.

Ich habe auf jeden Fall noch vor, das von mir erweiterte, auf Eberhards Kopfdrehexperiment beruhende Beispiel noch weiter zu entwickeln, um den "Schrecken des Determinismus" weiter zu "entzaubern". Werde dazu aber frühestens am WE dazu kommen.

Liebe Grüße
Xenon




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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von ranx am 2006-11-29, 02:18 Uhr
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moin E.


on 11/28/06 um 18:24:43, Eberhard wrote:"Der Täter wollte sich das fremde Geld aneignen und hat als Mittel dazu auch die Tötung der Geldboten bejaht. Um einen derart gefährlichen Willen zu beeinflussen, ist die Androhung einer schweren Strafe für den Täter angebracht. Dies schreckt ihn und andere mögliche Täter von der Tat ab &#8211; allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine große Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Bestrafung eines Täters besteht."

Man würde einen Unterschied machen zwischen jemandem, der das erste Mal straffällig geworden ist, und jemandem, der praktisch "Berufsverbrecher" ist. Man würde den einsichtigen Täter, der seine Tat bereut und der zukünftig nie wieder so etwas tun will, anders behandeln als den abgebrühten Verbrecher, der für eine derartige moralische Einsicht in die Schlechtigkeit der eigenen Tat nur ein müdes Lächeln übrig hat.



du kommst nicht dahinter, solange du mit Masstäben anderer hantierst. Schau dich selbst an und du wirst feststellen, dass du nicht in Frage kommst für Überfälle auf Geldboten. Alle Spekulationen, dass du's vielleicht doch tun könntest, führen zu nichts, es sind und bleiben Vorstellungen. Tja Ebi, so siehts aus, dir sind in dieser Hinsicht Grenzen gesetzt. Nun wird man das nicht als Nachteil empfinden, wer wird sich über die eigene Unfähigkeit zum Morden beschweren? Woher diese Unfähigkeit kommt, weisst du nicht. ebensowenig weisst du etwas über den Ursprung deiner sonstigen Eigenschaften. Du kannst endlos über deine bestimmten Interessen, Vorlieben und Abneigungen berichten, du kannst aber nichts darüber sagen, wo die Wurzel ist, woher sie stammen, wieso du so bist und nicht anders. Sieh ein, es ist nicht dein Verdienst, ein redliches Mitglied der Gesellschaft zu sein. und genausowenig ist es jemandes "Schuld", ein Verbrecher zu sein.

Es gibt Muster und Eigenschaften, die in ihrer Summe die Persönlichkeit ausmachen. Es passt gut zu dir, als redlicher Bürger zu leben, sicherlich, aber ein Verbrecher wird dir verraten, dass es für ihn gut passt, Verbrecher zu sein. Das heisst nun nicht, dass sich da nicht auch mal was ändern könnte, wenn sich Umstände ändern, das Interesse sich verlagert, aber es wird nicht er sein, der das ändern könnte, das muss man mal zutiefst verstehen. Wie denn auch? Er kennt ja nicht die Kraft, die sein Interesse steuert, die Quelle seines Bewußtseins und seiner Gedanken, noch viel weniger ist er sich bewußt, dass eine solche Kraft existiert.

dein Beispiel des Kopfdrehens ist für solche Erörterungen im übrigen nicht sehr glücklich gewählt, denn es ist völlig belanglos, ob du den Kopf drehst, es bleibt ohne Folgen für dich und dein Leben und da hast du sicherlich deine Freiheit und die will dir auch niemand wegnehmen. Die Welt ist voll von Leuten die Belangloses tun und sagen, daran ist nichts verkehrt, aber ob sich in China ein Schmetterling in den Arsch beisst oder du den Kopf drehst, ist von ganz ähnlicher Trivialität. Der Überfall auf einen Geldoten wäre als Modell schon besser geeignet, denn hier sehen die Dinge anders aus. Wieso trittst du nicht auch hier mal mutig zum Praxisbeweis an? Erfreu uns doch mal mit einen schönen kleinen Überfall auf euren örtlichen Geldboten. Du brauchst ihn ja nicht umbringen, fesseln und knebeln reicht. Die Kohle kommt in die Forumskasse, da machen wir ma n schönen Busausflug von. [bounce]


cheers
ranx [cool]






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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Sheelina am 2006-11-29, 07:05 Uhr
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zum Willen

Ist es nicht so, dass man auch Wollen wollen muss, und zwar dann, wenn sich etwas auf zukünftige Ereignisse bezieht? Sobald wir doch sagen „ich will“ ist etwas von dem was wir wollen schon in derartiger Reichweite, dass wir es auch „greifen“ können, und zwar ohne dass das „Greifen“ selbst noch einer weiterer Überlegung bedürfte (z.B. eine Überlegung im Rahmen von ethischer Überprüfung). Vor dem Willen, also dem Wollenkönnen, steht doch die Frage nach dem Wollen sollen, also die Frage, ob wir überhaupt wollen können, und zwar genau (erst) dann, wenn das Gewollte auch derart an einen Herangetreten ist, dass es auch „greifbar“ ist – also Wollen wollen, als Selbstbestimmung.

Diesem Absatz ging die Frage zuvor: Können wir wollen, dass wir wollen? In gewisserweise determiniert sich der Mensch so selbst, wenn die Frage mit Ja zu beantworten ist, was ich tun würde. Es geht wohl in Richtung Wille und Vernunft, wobei es vielleicht dabei verbleibt, dass es der Wille ist, der sich unmittelbar zeigt, so auch vernünftig zeigt, nicht zuletzt an den Reaktionen der Umwelt zu erkennen, die nun mit dem eigenen Willen kompatibel erscheinen.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-29, 09:34 Uhr
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Hallo ranx,

Dein letzter Beitrag ist amüsant zu lesen, doch ich frage mich, was er gebracht hat.

Dein erster Absatz endet in dem Satz: "Sieh ein, es ist nicht dein Verdienst, ein redliches Mitglied der Gesellschaft zu sein. und genausowenig ist es jemandes 'Schuld', ein Verbrecher zu sein."

Hört sich gut an, aber wo habe ich denn jemals etwas derartiges behauptet? Es bringt doch nichts, sich hier selber einen Pappkameraden, namens Ebi, zurechtzuzimmern, und dann kräftig auf diesen Pappkameraden einzudreschen - ganz abgesehen davon, dass das nicht die feine englische Art ist.

Dann stellst Du Behauptungen auf wie die Folgende: "Du kannst endlos über deine bestimmten Interessen, Vorlieben und Abneigungen berichten, du kannst aber nichts darüber sagen, wo die Wurzel ist, woher sie stammen, wieso du so bist und nicht anders."

Ich hätte nun gern eine nachvollziehbare Begründung für diese kühne These bekommen, (vor allem, da Du mich nur aus meinen schriftlichen Internetaktivitäten kennst) - aber von Begründung und Argumenten keine Spur.

Nun bin ich alt genug, um mich selber einigermaßen gut zu kennen, und ich hatte Zeit genug, um herauszufinden, warum ich so bin wie ich bin. Im Unterschied zur Lehre, der Du offenbar gegenwärtig anhängst, endet meine Selbsterkenntnis, meine Selbstbeobachtung und meine Selbstanalyse nicht in einem begriffslosen Geisteszustand fern von allen realen Problemen.

So, wie ich weiß, woher ich die Form meiner Nase habe, und so, wie ich weiß, warum ich gestern schlecht gelaunt war, so weiß ich auch, woher meine Vorliebe für sportliche Aktivitäten wie Volleyball oder Rollschuhlaufen kommt und woher meine Abneigung gegen jede Art von Dogmatismus und Abschottung gegen Kritik kommt.

Wenn Du - geheimnisvoll andeutend – von einer Kraft sprichst, die das Interesse der Menschen steuert, die Quelle ihres Bewusstseins und ihrer Gedanken ist, und von der die Menschen oft gar nicht wissen, dass sie existiert, dann weiß ich schon, was mich erwartet. Aber – wie Du vielleicht gemerkt hast – bin ich nicht bereit, meinen kritischen Verstand am Eingang zum Tempel abzugeben.

Deine Kritik an der Belanglosigkeit des Kopfdreh-Beispiels beruht auf einem mangelnden Verständnis des Determinismus-Problems. Der "harte" Determinismus bestreitet prinzipiell, dass ein Mensch die Möglichkeit hat, zwischen verschiedenen Handlungsalternativen zu wählen. Er begründet dies mit der Annahme unveränderlicher und ausnahmslos wirkender Naturgesetze, die der menschlichen Entscheidung keinen Spielraum lassen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich um lebenswichtige oder belanglose Entscheidungen handelt. Wenn das Argument richtig ist, dann gilt es für alle Arten von Entscheidungen, und wenn das Argument nur in einem einzigen Fall falsch ist, dann fällt aus logischen Gründen die Theorie als ganze in sich zusammen.

Wenn ich also am Beispiel des Kopfdrehens nachweise, dass der Determinist mit mehreren Handlungsmöglichkeiten meinerseits rechnen muss, dann habe ich zugleich nachgewiesen, dass er auch in allen anderen Fällen Handlungsalternativen berücksichtigen muss.

Denn die Naturgesetze gelten immer und überall. Es spielt keine Rolle, ob es sich um die belanglose Entscheidung darüber handelt, den Kopf in die eine oder die andere Richtung zu drehen, oder ob es sich um die lebenswichtige Entscheidung handelt, einen Menschen zu erschießen oder ihn am Leben zu lassen.

Dass mir das Kopfdrehen leicht fällt und dass ich mich zur Erschießung eines Unschuldigen gar nicht überwinden kann, ist in diesem Zusammenhang völlig belanglos.

Du schreibst spaßig, forderst mich zum Banküberfall auf - aber leider handelt es sich um Spaß an der falschen Stelle, wenn die Argumente nicht stimmen,

meint Eberhard.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Lotusblüte am 2006-11-29, 10:10 Uhr
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on 11/28/06 um 18:24:43, Eberhard wrote:Nehmen wir jemanden, der zwei Geldboten erschießt, um sich viel Geld zu beschaffen.
Nehmen wir an, er sagt:
"Ich kann nichts dafür, dass ich so bin, wie ich bin. Ich bin das Produkt meiner genetischen Anlagen und der sozialen Verhältnisse, unter denen ich aufgewachsen bin. Ich bin nicht schuld für das, was ich tue. Also darf man mich auch nicht dafür bestrafen."




Wenn sich der Täter dessen bewusst wäre, dass er so ist, wie er ist, sprich, dass durch ihn gehandelt wird, dann würde er so etwas sagen können.

Allerdings würde er genauso sehen, dass das Bestrafungssystem genauso ist wie es ist und würde es auch genau so akzeptieren.


Quote:Die Reaktion der andern wäre wohl klar:
"Wer andere erschießt, ohne dafür die Verantwortung zu übernehmen, ist gemeingefährlich und gehört sicher verwahrt."



Klar, das würden sie sagen, aber auch nur daher, weil sie auch nicht anders handeln können, wie sie handeln. Weil sie genauso gelebt werden, wie der Täter auch.



Quote:Sie würden weiter sagen:

"Der Täter wollte sich das fremde Geld aneignen und hat als Mittel dazu auch die Tötung der Geldboten bejaht. Um einen derart gefährlichen Willen zu beeinflussen, ist die Androhung einer schweren Strafe für den Täter angebracht. Dies schreckt ihn und andere mögliche Täter von der Tat ab – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine große Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Bestrafung eines Täters besteht."



Auch dies geschieht aus sich selbst heraus, ohne Willen egal ob frei oder unfrei.

Mal eine andere Frage: Kannst du Hier und Jetzt einen Willen - ganz gleich ob frei oder nicht frei - wahrnehmen? Und wenn ja, wo machst du ihn aus? Kannst du ihn mir zeigen? [grin]

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am 2006-11-29, 12:44 Uhr
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Hallo Eberhard,

[/i]
"Aber macht die Frage: "Kann der Mensch wollen, was er will?" überhaupt einen Sinn?

Durch eine derartige Stufentheorie des Wollens mit einem Willen erster Ordnung (auf das Handeln bezogen) und einem übergeordneten Willen zweiter Ordnung (auf das Wollen bezogen) wird jedoch die Frage nach der Freiheit des Willens nicht gelöst sondern nur endlos verschoben. Denn nun stellt sich das Problem der Freiheit des Willens für das Wollen zweiter Ordnung und so weiter und so fort. Das heißt, dass sich ein unendlicher Regress ergibt, wenn man die Selbstanwendung des Willens auf sich selbst zulässt.

Sofern man also "frei wollen" im Sinne von "wollen können, was man will" versteht, ist die Frage, ob der Mensch einen "freien Willen" hat, nicht zu beantworten."
[i]

Die Frage ist nicht nur nicht zu beantworten, sie ist schlichtweg sinnlos, weil sie sich selbst ad absurdum führt. Derselbe Effekt ist bei der Frage nach dem Ende des Raumes, dem Anfang der Zeit oder der allerersten ursachelosen Ursache zu finden.

Eine derartige Freiheit also kann es nicht geben. Aus den gleichen Gründen gibt es auch keinen solchen Determinismus.

Damit bist du übrigens meiner Auffassung bereits sehr nahe.

[/i]
Ich ziehe deshalb vor, unter einem "freien" Wollen ein selbstbestimmtes Wollen zu verstehen, wobei natürlich zu präzisieren wäre, was ein selbstbestimmtes Wollen von einem fremdbestimmten Wollen unterscheidet.

Selbstbestimmung des Menschen ist ohne weiteres damit vereinbar, dass der Mensch im Wirkungszusammenhang der Welt eingebunden ist.
[i]

Richtig, aber dann kann diese Selbstbestimmung immer nur relativ sein, da auch sie im Wirkungszusammenhang eingebunden ist.
Damit sagst du nichts anderes, als was ich seit Monaten hier sage. Freiheit ist wie Determiniertheit ein relatives Konzept und nur hier macht es Sinn. Relativ gesehen kann ich ja auch über Anfang und Ende einer bestimmten Zeitspanne oder einer räumlichen Ausdehnung sprechen. Aber ich finde keinen Anfang oder Ende von Raum und Zeit als solchen.

[/i]
Insofern muss ich WuWei widersprechen, wenn er schreibt:
"Wenn du akzeptierst, dass dein Denken im 'allgemeinen Naturzusammenhang' steht, dann weiß ich nicht, wie darin noch sowas wie ein freier Wille Platz haben sollte. Denn dieser müsste ja außerhalb der Kausalitätskette stehen, um in sie eingreifen zu können."
[i]

Nein, ich meinte damit, dass darin kein "absoluter Wille" Platz hat, keiner im Sinne von Schopenhauer. Ein relativer - also auf etwas bestimmtes bezogen - schon.

[/i]
Nehmen wir jemanden, der zwei Geldboten erschießt, um sich viel Geld zu beschaffen.
Nehmen wir an, er sagt:
"Ich kann nichts dafür, dass ich so bin, wie ich bin. Ich bin das Produkt meiner genetischen Anlagen und der sozialen Verhältnisse, unter denen ich aufgewachsen bin. Ich bin nicht schuld für das, was ich tue. Also darf man mich auch nicht dafür bestrafen."
[i]

Tatsächlich könnte er das so sagen, aber es würde ihm nichts nützen. Weil die Richter auch nicht anders wollen könnten, als ihn zu bestrafen. Eine soziale Notwendigkeit, die sich entwickelt hat.

[/i]
Die Reaktion der andern wäre wohl klar:
"Wer andere erschießt, ohne dafür die Verantwortung zu übernehmen, ist gemeingefährlich und gehört sicher verwahrt."
Das hat noch nichts mit "Strafe" zu tun.
[i]

Richtig.

[/i]
Sie würden weiter sagen:
"Der Täter wollte sich das fremde Geld aneignen und hat als Mittel dazu auch die Tötung der Geldboten bejaht. Um einen derart gefährlichen Willen zu beeinflussen, ist die Androhung einer schweren Strafe für den Täter angebracht. Dies schreckt ihn und andere mögliche Täter von der Tat ab – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine große Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Bestrafung eines Täters besteht."

Man würde einen Unterschied machen zwischen jemandem, der das erste Mal straffällig geworden ist, und jemandem, der praktisch "Berufsverbrecher" ist. Man würde den einsichtigen Täter, der seine Tat bereut und der zukünftig nie wieder so etwas tun will, anders behandeln als den abgebrühten Verbrecher, der für eine derartige moralische Einsicht in die Schlechtigkeit der eigenen Tat nur ein müdes Lächeln übrig hat.
[i]

Ja, auch das. Aber man würde wahrscheinlich jemanden immer nur bestrafen als Mittel zum Zweck, nicht als Selbstzweck. Man würde nüchtern, ohne archaische Schuldkonzepte, überprüfen, ob z.B. das Mittel der Abschreckung funktioniert oder nicht.

Man kann das in seinem eigenen sozialen Umfeld überprüfen. Es macht einen großen Unterschied, ob man Menschen, die anders sind als man selbst, die man nicht mag, verurteilt und ihnen eine moralische Schuld für ihr Verhalten gibt, oder ob man versucht, sie so zu nehmen wie sie sind. Was nicht heißt, dass man sie gleich lieben muss, oder dass man sich nicht gegen sie wehrt.

Grüße,
WuWei

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-11-29, 19:22 Uhr
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Hallo WuWei,

ich habe mich über Deinen letzten Beitrag sehr gefreut.

Nicht nur, weil wir in vielem ähnlicher Ansicht sind, sondern vor allem, weil Dein Beitrag ein vom Gruppendruck (Dualisten contra Nicht-Dualisten) freies Denken demonstriert.

Nichts ist für die Wahrheitsfindung so schädlich wie der soziale Druck auf denjenigen, der seiner eigenen Einsicht folgt und von der vorherrschenden Gruppenmeinung abweicht.

Insofern gehört zur Erkenntnis oft auch Mut.

Diesen Mut wünsche ich allen, die mit ihren Ansichten allein stehen und die sich von überkommenen Denkmustern frei machen wollen.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-12-01, 08:40 Uhr
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Hallo allerseits,

hallo Xenon,

gegen meine Kritik an Formulierungen wie: "Der Mensch kann nicht wollen, was er will", bei denen das Wollen auf das Wollen selber bezogen ist, hast Du darauf hingewiesen, dass man trotzdem verschiedene Arten von Wollen unterscheiden könne.

Mir erscheint es jedoch nicht sinnvoll, die Willensterminologie weiter zu differenzieren, weil dies sprachlich schwierig ist. Es gibt ja bereits hoch differenzierte Terminologien, die Willensverhältnisse ausdrücken.

Statt zu sagen, "A will x" kann man auch sagen "A strebt das Ziel x an". In der Ziel-Terminologie kann man sehr gut differenzieren zwischen langfristigen und kurzfristigen Zielen, zwischen wichtigen und unwichtigen Zielen, zwischen primären und abgeleiteten Zielen, zwischen miteinander zu vereinbarenden (kompatiblen) Zielen und nicht miteinander zu vereinbarenden (inkompatiblen) Zielen etc.

Ähnliches gilt für die Wert- bzw. Nutzenterminologie, die in der Entscheidungstheorie verwendet wird, mit deren Hilfe sehr differenzierte Willensinhalte formuliert werden können, wie z. B. Nutzenfunktionen.

Der Begriff "Wille" ist als Oberbegriff allerdings weiterhin sinnvoll, etwa wenn man sagt: "Der Mensch hat nicht nur ein betrachtendes, konstatierendes Verhältnis zur Welt, sondern er hat auch ein wollendes, voluntatives Verhältnis zur Welt".

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am 2006-12-02, 11:34 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Eberhard,
hallo WuWei,


wie man sprachlich Willensverhältnisse ausdrückt, halte ich für sekundär, Ob man beispielsweise von einem "strategischen Willen" oder von "langfristigen Zielen" spricht, scheint mir nicht wesentlich.

Beachtenswert finde ich aber, dass jenes kognitive System, aus dem menschliche Antriebe und Motive erwachsen, eben auch vielstufig ist, allerdings eher in Art einer "verwickelten Hierarchie". Selbstbezogenheit könnte hier ein entscheidendes Stichwort sein.

"Ich kann nicht wollen, was ich will" - diese Wendung scheint daher doch in bestimmten Zusammenhängen durchaus passend, da sie die Selbstbezüglichkeit ausdrückt, wenn sie etwa in dieser Weise verstanden wird:

"Ich will aufhören zu rauchen, aber ich kann einfach nicht aufhören, rauchen zu wollen".

Damit ist gemeint: Derjenige will "eigentlich" nicht mehr rauchen. Das ist sein Ziel. Das ist seine Entscheidung. Aber der niederstufige spontane Wille, welcher dem aufkommenden Wunsch widerspricht, erweist sich als stärker, verhindert die Umsetzung der Entscheidung. Man könnte auch, soweit von einer krankhaften Sucht gesprochen werden kann, von einem "inneren Zwang" sprechen. Der Übergang zur Willensschwäche ist freilich fließend.

Das Konzept, verschiedene Stufen des Willens zu unterscheiden, ist vielleicht doch nichts anderes als der Versuch, die Grenze zwischen "Selbstbestimmung" und "Fremdbestimmung" zu operationalisieren. Der höherstufige Wille wird als das angesehen, was die Person "ausmacht".

Obwohl der Zwang in gewisser Weise von "innen" kommt, was ja eher eine körperliche Betrachtung ist, stellt er doch eine Fremdbestimmung dar, insofern er die Entfaltung des Kern-Selbst einschränkt.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am 2006-12-02, 20:57 Uhr
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Hallo Joy,

Du gibst dem Wort "wirklich" eine sehr eigenwillige Bedeutung, wenn Du schreibst:

"Was Du hier jetzt aber real wahrnimmst, wenn Du in diesem Augenblick diesen Text hier liest, sind zweifelsfrei nur schwarze Buchstaben "vor" einem beigefarbenen Hintergrund auf einem Monitor. In Deinem Geist wird diese geistige Wahrnehmung objektiviert und so zu fixen Vorstellungen. Wirklich ist in diesem Fall jetzt aber nur die geistige Wahrnehmung der Buchstaben, nicht aber die raumzeitlich-logisch strukturierte mentale Vorstellung, welche sie erzeugen."

Dem üblichen Sprachgebrauch nach gehört vor allem der Monitor, mitsamt seinem aus Buchstaben gebildeten Text zur Wirklichkeit.

Du pochst doch sonst immer auf die Etymologie der Wörter. Hier wäre es mal angebracht. "Wirklich" kommt von "wirken". Wirklich ist, was wirkt.

Und das aus dem Lateinischen stammende Wort "real" bedeutet ursprünglich soviel wie "dinglich" (von lateinisch "res" gleich "Ding", "Sache").

Wrkendes Ding ist in Deinem Beispiel der Monitor mit seiner leuchtenden Mattscheibe und dem abgebildeten Text.

Wer vom üblichen Wortgebrauch abweicht, sollte dies dem andern deutlich machen – es sei denn, er will, dass der andere sich im Dickicht veränderter Wortbedeutungen verirrt,

meint Eberhard.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am Vorgestern, 09:40 Uhr
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Hallo allerseits,
Hallo Eberhard,

vielleicht sollten wir zum eigentlichen Thema Determinismus zurückkommen, wobei der Thread mangels Dissens möglicherweise schon in den letzten Zügen liegt.

Ich will noch kurz Stellung nehmen zu Deinem Beitrag vom 27.11.06


on 11/27/06 um 18:10:13, Eberhard wrote:Xenon versteht unter "Determinismus" eine Position, die die Einbindung z.B. auch menschlicher Denkprozesse in den allgemeinen Naturzusammenhang, d.h. die Ursache-Wirkungs-Kausalität beinhaltet.

In diesem Sinne bin ebenfalls ein "Determinist".

Andererseits halte ich jedoch die Schlussfolgerungen, die viele Deterministen daraus gezogen haben, für falsch:

"Es ist alles vorherbestimmt",



Hmmm... wenn "alles" aus dem Blickwinkel der Naturgesetzlichkeit gesehen wird, könnte diese Schlußfolgerung doch auch richtig sein, oder?

Hierzu wieder folgende Überlegung: Ein Geschehen wird exakt zurückgesetzt, d.h. der "Film des Lebens" zurückgespult in die exakte Ausgangssituation.

Würde dann beim zweiten Mal alles anders verlaufen, wenn der Zeitpfeil von vorne losginge?

Zur Klarstellung: Es gäbe niemals einen Beobachter, der aus einer Innenperspektive neu "reseten" und dann gleichzeitig sein eigenes Verhalten voraussagen könnte. Weil dieser Beobachter ja, wie von Dir zutreffend ausgeführt, durch die Erinnerung an das bereits Geschehene nicht mehr derselbe wäre. Und im Falle eines Löschens seiner Erinnerung, würde ihm ja der "Probelauf" nichts mehr nützen.

Mit anderen Worten: Es gibt keinen Standpunkt, von dem aus ein Mensch die "Vorbestimmung", wenn man diesen Begriff denn so wie von mir ausgeführt versteht, sich zunutze machen kann.

Mit anderen Worten: Die Welt mag "vorbestimmt" sein - aber "Vorbestimmung" wäre dann nur ein anderes Wort für "determiniert" und dieses Wort umschriebe wiederum nur das Eingebundensein von allem in das Naturgeschehen.

Diese Lesart von "vorbestimmt" hat aber ausdrücklich wenig bis nichts zu tun mit "vorhersehbar". Und damit ergibt sich keine praktische Konsequenz aus der "Vorbestimmung" für die Lebensführung.

Insofern bestünde hier alleinfalls ein sprachlicher Dissens zwischen uns, was den Inhalt eines bestimmten, konkreten Wortes (nämlich des Wortes "Vorbestimmung") angeht, aber kein Dissens, was die Weltsicht angeht.



on 11/27/06 um 18:10:13, Eberhard wrote:"Du handelst so, weil Du so handeln musst",



Interessanterweise gibt es eine Lesart dieser Aussage, welche keineswegs der Freiheit des Willens widerspricht. Dabei denke ich an den berühmten, Luther zugeschriebenen Ausspruch:

"Hier stehe ich und kann nicht anders!"

Nach der von mir gemeinten Lesart resultiert das Nicht-Anders-Handeln-Können hier daraus, dass eine (freie!) Entscheidung aus tiefer Überzeugung getroffen und damit das Handeln an einen bestimmten Willen gebunden wurde.

Würde nun die Handlung nicht dem Willen entsprechen, wäre dies eher ein Ausdruck von Unfreiheit. Der Wille könnte nicht "gelebt" werden. Das "müssen" drückt hier nur die Bindung des Handelns an den Willen aus.

Eine ganz anderen Lesart von

"Du handelst so, weil Du so handeln musst"

wäre gegeben, wenn der Anwalt eines Triebtäters diesen Satz bei seiner Verteidigungsrede beispielsweise in der modifizierten konkreten Form bringen würde:

"Der Angeklagte mußte aufgrund seines Triebes die Vergewaltung durchführen, er konnte nicht anders handeln".

Hintergrund dieser Argumentation wäre die Überlegung, dass der biologische Determinismus sozusagen völlig die Oberhand gewinnen kann, so dass der Täter gar nicht mehr in der Lage ist "anders" zu handeln, d.h. die inkriminierte Handlung nicht zu begehen (man spricht in diesen Fällen wohl auch von "Verlust der Steuerungsfähigkeit").

Wenn nun der Täter tatsächlich als schuldunfähig und krank eingestuft würde (und damit gar kein "Täter" im eigentlichen Sinne mehr wäre), könnte man dann wohl gar nicht mehr von "Handeln" sprechen, sondern von "Nur-Verhalten"?

Die Grenzen scheinen mir aber fließend. Entlastet es den Täter nicht wenigstens zum Teil, wenn er in zerrütteten Verhältnissen aufgewachsen ist und moralisches Handeln nie "erlernt" hat? Hier erinnere ich insbesondere an die Ausführungen von Hajo, der ja aufgrund seiner praktischen Erfahrungen hier einiges einbringen konnte.

So gesehen bleibt nach meiner Überzeugung stets das Spannungsverhältnis erhalten zwischen unserem "biologischen Unterbau" (deterministische Komponente), der uns zu bestimmten Verhaltensweisen mehr oder weniger nötigt, und dem Gegenpol, dem reflektierenden Verstand.

Eines aber muß klar gesagt werden: Wer als Person wahrgenommen und respektiert werden will, darf sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, nur ein Spielball niederstufiger biologischer und sonstwie deterministisch wirkender Mechanismen zu sein.


on 11/27/06 um 18:10:13, Eberhard wrote:"Es gibt keine freie Entscheidung zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten"



Meine erste Überlegung: Spontane Zustimmung. Der Begriff "Handlungsmöglichkeiten" beinhaltet bereits, dass auch ein Anders-Handeln-Können möglich sein muß. Und "Anders-Handeln-Können" heißt eben aus freier Entscheidung "anders" zu handeln.

Aber nun komme ich ins Grübeln.

Sind nicht zumindest Situation denkbar, in denen zwar verschiedene Handlungsmöglichkeiten bestehen, aber trotzdem keine freie Entscheidung möglich ist?

Ich denke gerade an die Situation des Bankangestellten, dem eine Pistole vor diese Nase gehalten wird. Sein Nachgeben erfolgt ja in einer äußeren Situation der Unfreiheit. Es geschieht unter Zwang. Trotzdem bliebe das Nachgeben eine Handlung, denn sie wäre ja dem Bankangestellten nicht einfach nur "zugestoßen". Theoretisch immerhin könnte er Widerstand leisten. Trotz der Pistole im Nacken steuert er seine Schritte zum Tresorraum selbst. Im Tresorraum wird er vom Täter niedergestoßen. Er sackt zu Boden. Das ist keine Handlung mehr.


on 11/27/06 um 18:10:13, Eberhard wrote:"Wer nicht frei ist, kann auch nicht schuldig werden, und wer nicht schuldig werden kann, darf auch nicht bestraft werden"


Der Satz bleibt in jedem Fall richtig, Eberhard :-)

Gemeint von Dir ist natürlich, dass der Satz von einem Deterministen ausgesprochen wird, der die Menschen generell für unfrei hält und damit auch ein Bestrafen ablehnt.

Interessanterweise - und da wirst Du mir wohl zustimmen - enthält dieser Satz ja eben selbst eine Wertung: "Es darf niemand bestraft werden". Und damit stellt sich die Frage, von welchem Standpunkt diese Aussage vorgetragen wird.

Muß nicht der Aussagende selbst sich auch für unfrei halten, wenn er alle Menschen für unfrei hält?

Aber wie läßt es sich dann mit seinem Standpunkt vereinbaren, dass er selbst Wertungen der Art "Es ist ungerecht, XY zu bestrafen, da er nicht anders handeln konnte" vornimmt?


on 11/27/06 um 18:10:13, Eberhard wrote:"Ich brauche mich nicht mehr anzustrengen, um bestimmte Ziele zu erreichen, denn alles kommt so. wie es kommen muss".


Uneingeschränkte Zustimmung. Das, was mit mir geschieht, hängt von meiner Grundeinstellung ab. Ich kann nicht einfach nur im Bett liegen und abwarten, was passiert, ohne dass die Entscheidung, im Bett liegen zu bleiben, eine Konsequenz hätte für meinen weiteren Werdegang.

Eine Variante des Satzes wäre, folgende Aussage:

"Ich bin weiss, dass ich zu träge bin, das Ziel xy zu erreichen. Könnte ich mich regelmäßig aufraffen, fleißig zu sein, wäre ich dazu von meinen sonstigen Fähigkeiten (Intelligenz etc.) imstande "

Hier ist das heikle Phänomen der Willensschwäche angesprochen.

"Ich bin ein fauler Mensch" - ist das stets nur eine Ausflucht, eine Entlastung von persönlicher Verantwortung, oder kann das gewissermaßen ein erkannter "biologischer Determinsmus" sein, der sich unwiderstehlich auf der Metastufe des Denkens und Handelns "breitmacht" ?



on 11/27/06 um 18:10:13, Eberhard wrote:Was meiner Ansicht nach als Problem noch übrig bleibt, ist die Diskrepanz zwischen der Sprache des Handelns und Entscheidens und der Sprache der ursächlichen Verknüpfung, wenn man beide Sichtweisen auf den Menschen bezieht. Wie verhalten sich Beweggründe (Motive) zu Vernunftgründen (Argumenten)?



Ich krieg das nicht jetzt auseinanderdividiert. Kann nicht "Handeln aus Vernunftgründen" nicht auch ein Motiv sein? Der Begriff "Vernunft" überfordert mich bis dato sowieso.

Liebe Grüße
Xenon

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Philosoph am Vorgestern, 12:17 Uhr
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Guten Tag.

Determiniert sein, also 'bestimmt sein durch' beruht auf der Idee der Kausalität.Die Naturwissenschaft erhebt die Kausalität zu einem notwendig gültigen Gesetz. Der Determinist akzeptiert dieses Gesetz. Ein, wie man sehr einfach zeigen kann äußerst problematisches und fragwürdiges Gesetz.

Seine Gültigkeit setzt eine in sich geschlossene physikalische Welt voraus. Das bedeutet, dass wir jeden Vorgang auf einen anderen zurückführen können. Der Determinist muss der Aussage, dass sich die Die Welt demnach vollständig physikalisch nach Grund und Folge ordnen lässt, zustimmen.

Wie aber erklärt er die phänomenalen und intentionalen Zustände des Bewusstseins? Diese Zuände sind nicht auf physikalische Ursache-Wirkungsketten zurückzuführen, denn Sie sind von verschiedner logischer Art.

Argument gegen den Determinismus

1. Das Kausalgesetz ist notwendig gültig
2. Wenn, das Kausalgesetz notwendig gültig ist, dann lassen sich
alle Zuände auf physikalische Ursache-Wirkungsketten
zurückzuführen
3. Phänomenale Zustände lassens sich nicht auf physikalische
Ursache-Wirkungsketten zurückzuführen
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Daher: Das Kausalgesetz ist nicht notwendig gültig

Wenn das Kausalgesetz nicht notwendig gültig ist, dann gibt es mindestens ein Ding x für das gilt: x hat keine Ursache y. Dies impliziert: x wird nicht durch y bestimmt.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am Vorgestern, 15:40 Uhr
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on 12/03/06 um 12:17:24, Philosoph wrote:Guten Tag.

Daher: Das Kausalgesetz ist nicht notwendig gültig

Wenn das Kausalgesetz nicht notwendig gültig ist, dann gibt es mindestens ein Ding x für das gilt: x hat keine Ursache y. Dies impliziert: x wird nicht durch y bestimmt.




Hallo Philosoph,

erstmal willkommen im Forum.

Gleich mein Einwand. Was wäre für die Idee der Intentionalität und Freiheit gewonnen, wenn es ein Ding x gäbe, das aus dem Kausalgesetz herausgenommen, d.h. das ursachelos wäre?

Ich möchte noch einmal auf mein praktisches Beispiel in Beitrag # 63 (das erweiterte Eberhardsche Kopfdrehexperiment) zu sprechen kommen.

Ich spinne die Geschichte einfach mal fort:

********************

P. führt seine These aus, dass der im Nebenraum befindliche Rechner E.`s Kopfdrehtrichtung nicht vorherzusehen vermag, denn seine - E.`s - Entscheidung beruhe wenigstens zum Teil auf "echten Zufällen", d.h. ursachelosen Geschehnissen (x hat keine Ursache y, wobei y für irgendeine Ursache im Rahmen des Kausalgesetzes steht).

Daraufhin der X.: Wir könnten dies ja einmal praktisch erproben. Glücklicherweise läßt sich in unsere computergestützte Emulation des E.`schen Verhaltens ein Zufallsfaktor einbauen. Um die Wirkung zu verdeutlichen, läßt sich die Zufallskomponente sogar deutlich steigern, um ein Vielfaches des sog. quantenmechanischen Zufalls.

Schau Dir, lieber P., das Geschehen doch einfach an, Du kannst die Ereignisse in der Simulation über die Protokollierung, welche der Rechner zeitnah ausgibt, genauso verfolgen wie die reale Situation im Nebenzimmer, in dem sich der E. und ich befinden werden.

Daraufhin geht der X. ins Nebenzimmer und schaltet den Scan und damit die Simulation ein.

Der P. verfolgt das Geschehen und stellt fest, dass die Simulation im Rechner und das reale Geschehen alsbald deutlich abweichen.

In der Simulation ergibt sich folgender Dialog:

X: In drei Minuten ist es soweit und Du, lieber E., musst Dich wieder für eine Kopfdrehrichtung entscheiden.

E.: Da mache ich mir noch keine Gedanken drüber, ich kann ja auch kurz vorher spontan entscheiden.

X: Das denke ich auch.

E: Hmmm.... irgendwas stimmt nicht, ich habe Schwierigkeiten mich zu konzentrieren. Mein Kopf fängt an zu brummen.

X.: Hmmm... oh Schreck! Ich habe eine fürchterliche Ahnung! Wirkt hier etwa der Zufallsfaktor, den ich ja auf "hoch" eingestellt hatte. Aber das würde ja bedeuten, dass ich Teil der Simulation geworden bin. Oh Schreck, oh Schreck! Was geschieht nur mit uns, wenn die Simulation gleich abgestellt wird? (gerät in Panik!)

Wenn dies zutrifft und wenn wir beide nur simuliert sind, dann tanzen Deine Neuronen (okay, SIMULIERTEN Neuronen, aber das scheint irgendwie egal zu sein) gerade nicht mehr in geordneten Bahnen, es geht chaotisch zu. Der Prozeß wird sich noch verstärken, weil alles mehr und mehr aus dem Ruder gerät!

E.: Ich bekomme Sehstörungen, es wird immer schlimmer! Du hast mich in eine unmögliche Situation gebracht!

X: Ja und dadurch, dass nun im realen Nebenzimmer das Geschehen anders abläuft, fühlst Du Dich nun kein bißchen freier? Äh... ich bin total verwirrt. Man müßte die Frage drüben stellen, denn wir sind ja die Simulation.

E (mit zunehmend lallender Stimme): Was redest Du fürn Quatsch! Dies ist keine Simulation. Geist, Bewusstsein ist immer real, aus unserer Sicht ist eher das sog. reale Geschehen NICHT real !

X: P. muß von außen unbedingt den Zufallsmodus runterfahren! Aber bitte nicht die Simulation abstellen! Das wäre unser Tod. Oder wie oder was?

****************
Ich breche die Story mal ab, bei der es ja mittlerweile nicht mehr nur um Determinismus, sondern ebenso um Fragen wie Bewusstsein (ist simuliertes Bewusstsein echtes Bewusstsein?), Tod usw. geht.

Ich glaube, Dein Mißverständnis beruht zum Teil in der Unschärfe der Wendung "auf physikalische Zustände zurückführen"

Du scheinst diese Wendung hier mit dem Begriff des Reduktionismus oder gar Szientizismus gleichzusetzen.

Das "Zurückführen" setzt jemanden voraus - ein Subjekt, einen Wissenschaftler , der diese Arbeit übernimmt.

"Zurückführen" meint hier m.E. im Grunde so etwas wie "Erklären" durch ein handelndes Subjekt. Und "Erklären" vollzieht sich wohl stets auf einer Metastufe, setzt nicht nur ein Handlungssubjekt voraus, sondern z.B. bestimmte Bedingungen, nach denen etwa Messungen und Experminente ablaufen und Kriterien, auf deren Grundlage Aussagen ein Wahrheitswert zugewiesen wird.

Die Gültigkeit des Kausalgesetzes steht m.E. für etwas anderes. Das Kausalgesetz gilt unabhängig davon, ob jemand die wirkende Kausalität tatsächlich durchschaut und sie als Erklärungsmuster auf der Metastufe des Denkens und Handelns zu verwenden vermag.

Eines sollte jedoch klargestellt sein: Wenn das Kausalgesetz nicht mehr gilt - durch das Wirken eines echten Zufalls - funktioniert unsere biologische Grundlage nicht mehr. Dieses Nicht-Funkionieren erhöht jedoch nicht Intentionalität und Freiheit. Das Kausalgesetz ist in diesem Sinne Voraussetzung unserer - wohlverstandenen - Freiheit und schränkt diese nicht ein.

Liebe Grüße
Xenon



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Philosoph am Vorgestern, 17:00 Uhr
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Hallo Xenon,

Es gibt drei wesentliche Probleme die sich in ihren Ausführungen finden:

1. Problem) Zitat: "Das Kausalgesetz gilt unabhängig davon, ob
jemand die wirkende Kausalität tatsächlich
durchschaut" und sie als Erklärungsmuster auf der
Metastufe des Denkens und Handelns zu verwenden
vermag."

Ein Gesetz, muss notwendig etwas abstarktes sein. Denn der Satz 'Das Kausalitätsgesetz gilt...' ist in der Natur wohl nicht zu finden. (Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen kausalität und einem Gesetz der Kausalität) Damit sie ihn formuliern können benötigen sie bestimmte Prinzipien des Denkens. Wie möchten Sie ihre Annahme ohne die Voraussetzung des Denkens rechtfertigen?

2. Problem) Zitat:"Ich glaube, Dein Mißverständnis beruht zum Teil in der Unschärfe der Wendung "auf physikalische Zustände zurückführen"

Das Kauslgesetz lässt sich nirgendwo anders anwenden als ausschließlich in einer physikalisch Welt. Wenn das Kausalgesetz gültig ist, dann muss ich die Welt vollkommen aus ihm heraus beschreiben können. Nun gibt es aber eben Zustände (wie das erwähnte phänomenale Bewusstsein) die sich dadurch nicht beschreiben lassen.

Das von mir verwendete Prädikat 'zurückführen' ist nicht unscharf. Es ist für die Begründung ihres Gesetzes geradezu notwendig.

3. Problem) Zitat:"Wenn das Kausalgesetz nicht mehr gilt - durch das Wirken eines echten Zufalls - funktioniert unsere biologische Grundlage nicht mehr."

Wenn es das Kausalgesetz nicht mehr gibt, und ich vermute sie meinen damit wenn wir Kausalität (Unterschied Kausalität und Gesetz der Kausalität) als Prinzip ablehnen, dann Herr Xenon
gibt es auch kein Wirken eines echten Zufalss.


Wie begründen Sie ihr Kausalitätsgesetz?
Was ist eine Metastufe des Handelns?

Nachsatz: Der Reduktionismus beschränkt Leben auf eine mechanistisch quantitaive Entität. Das hat nichts mit der Kausalitätsdiskussion zu tun.

Woher können wir wissen, das Zufall zwangsläufig etwas nicht-geordnetes ist?

Herr xenon, Vielen Dank für ihre Kritik.


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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Wolfgang_Horn am Vorgestern, 18:03 Uhr
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Hi, Philosoph,

Du: Das Kauslgesetz lässt sich nirgendwo anders anwenden als ausschließlich in einer physikalisch Welt. Wenn das Kausalgesetz gültig ist, dann muss ich die Welt vollkommen aus ihm heraus beschreiben können. Nun gibt es aber eben Zustände (wie das erwähnte phänomenale Bewusstsein) die sich dadurch nicht beschreiben lassen.

Was bestärkt denn die Annahme, das, was die Bezeichnung "Bewußtsein" bezeichne, sei überhaupt existent und erfülle damit eine unverzichtbare Voraussetzung für eine Beschreibung?


Ich will nicht jedem Neuling hier erneut erklären - aber was soll ich anders tun, als selbst zum mentalen Hütchenspiel zu greifen:
"die Bezeichnung 'Bewußt-sein' bezeichnet eine Tätigkeit des Gehirns, und zwar, es nimmt nicht nur Sinnessingnale wahr, sondern auch seine eigenen Gedanken."

Eine bessere Eklärung (besser nach v. Ockhams Regel) ist willkommen.

Ciao
Wolfgang Horn

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Philosoph am Vorgestern, 22:13 Uhr
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Lieber Wolfgang,

ihr Einwand, was den ein hinreichender Grund sei um anzunehmen es gäbe ein Bewusstsein ist gut.

In Bezug auf ihre Mitteilung "Ich will nicht jedem Neuling hier erneut erklären - aber was soll ich anders tun, als selbst zum mentalen Hütchenspiel zu greifen:" fände ich es sehr löblich als Philosoph einen angemessenen Umgang mit Kollegen zu pflegen.

In ihrer Erklärung was den Bewusstsein sei, verwechseln sie wieder physisches mit nicht physischem. Das Bewusstsein ist in keinem Fall eine Tätigkeit des Gehirns. Bewusstsein lässt sich weder messen noch im Gehirn lokalisieren. Die Tätigkeit des Gehirns besteht im Erzeugen von neuronalen Mustern und Schaltkreisen basierend auf komplexen biochemischen Prozessen. (Diese Tätigkeit lässt sich dann auch messen. Aufgrund dieser Messungen lassen sich Gehirnareale zuordnen) Wie das Gehirn daraus den mentalen Zustand 'Bewusstsein' genreiert ist bei weitem nicht restlos geklärt.

Auch kann Bewusstsein nichts wahrnehmen so wie sie es schreiben. Die Aufgabe der Wahrnehmung kann ausschließlich von den Sinnesorganen übernommen werden. Das Bewusstsein kann sich auf die gewonnen Daten beziehen. Ihre Aussage das Bewusstsein nehme seine eigenen Gedanken wahr, impliziert das es denkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies haltbar ist.

Abschließend noch folgendes:
Ihr Einwand, es gäbe keinen ausreichenden Grund wodurch man Bewusstsein als existent annehmen müsse wird durch ihre einfache Annhame Bewusstsein sei eine Tätigkeit des Gehirns widerlegt.

Es würde mich freuen wenn sie meine Fragen aus dem letzten Beitrag noch beantworten könnten.

Vielen Dank

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am Gestern, 10:12 Uhr
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Hallo allerseits,

offenbar besteht bei Xenon und bei Philosoph doch noch akuter Diskussionsbedarf zum Thema Determinismus.

Mein Eindruck ist, dass wir nur dann weiterkommen, wenn wir sehr konzentriert versuchen, die verschiedenen Positionen und Behauptungen in ihren Inhalten zu klären. Wir müssen herausarbeiten, was diese Positionen voraussetzen und welche logischen Schlussfolgerungen aus ihnen gezogen werden können. Andernfalls bleibt es bei dem vagen und unbefriedigendem Eindruck, dass an jeder Position "etwas Richtiges dran" ist.

Determinismus drückt sich in dem Satz aus: "Alles, was geschieht, ist determiniert." Ich interpretiere diesen Satz dahingehend, dass er bedeutet:
"Aus dem Zustand der Welt zu einem beliebigen Zeitpunkt t folgt eindeutig der Zustand der Welt zum Zeitpunkt t + x."

Das bedeutet, dass der frühere Zustand der Welt den späteren eindeutig bestimmt.

(Genau genommen, muss auch geklärt werden, was unter "Welt" verstanden wird. Ist damit nur die empirisch wahrnehmbare Wirklichkeit gemeint, oder wird die Welt als Schöpfung außerweltlicher Mächte aufgefasst, die auf das Geschehen ebenfalls Einfluss ausüben? Ich schließe für die weiteren Erörterungen derartige übernatürliche Einflüsse einmal aus.)

Wenn man einmal nicht - wie vom Thema vorgegeben - nach den Gegenargumenten zum Determinismus fragt, sondern nach dessen Begründung, so könnte der Nachweis für die deterministische These streng genommen nur dadurch erbracht werden, dass man mehrfach den Zustand der Welt bei t herstellt und dann untersucht, ob die Zustände zum Zeitpunkt t + x immer die gleichen sind.

Eine solche empirische Überprüfung ist natürlich nicht möglich, weil wir die erforderliche experimentelle Anordnung nicht herstellen können. Wir können den Lauf der Welt nicht zurückstellen wie eine Uhr.

Folglich kann eine Begründung des Determinismus nur indirekt erfolgen, z. B. durch den Hinweis, dass in der Natur empirische Regelmäßigkeiten beobachtet werden können.

Allerdings sind unsere Kenntnisse dieser Regelmäßigkeiten auf Teilgebiete der Wirklichkeit beschränkt. In vielen Bereichen kann man keine eindeutigen Beziehungen zwischen den als "Ursachen" verstandenen Phänomenen und den als "Folgen" verstandenen Phänomenen feststellen. Stattdessen ergeben sich nur statistisch erfassbare Korrelationen zwischen den Phänomenen. Manche Phänomene sind für uns gegenwärtig völlig unerklärlich.

Diesen Einwänden kann der Determinist nur dadurch begegnen, dass er auf die Unvollkommenheit des menschlichen Wissens verweist und versichert, dass auch ein Geschehen, in dem wir gegenwärtig keine eindeutigen Gesetzmäßigkeiten erkennen können, dennoch "gesetzmäßig" ablaufe. Für alles, was geschieht, gebe es eine Ursache und von nichts komme nichts.

Damit gibt es jedoch keine Möglichkeit mehr, den Determinismus durch Fakten zu widerlegen. Er ist mit jedem Verlauf der Dinge vereinbar. Damit ist er gegen eine empirische Falsifikation immun.

Man sollte diese Schwäche in der Begründung des Determinismus im Hinterkopf behalten, wenn man mit den Schwierigkeiten einer Widerlegung kämpft.

Unsere erste Frage sollte meiner Ansicht nach sein, welche logischen Voraussetzungen der Determinismus machen muss.

Was setzt die These: "Der Zustand der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt t bestimmt eindeutig den Zustand der Welt zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt t + x " an notwendigen Annahmen voraus?

Die obige These setzt offenbar unveränderliche, vollkommen präzise und eindeutige Wirkungsbeziehungen der Merkmale des Zustands der Welt bei t auf die Merkmale des späteren Zustands bei t + x voraus.

Und da die Variable für den Zeitabstand x beliebige Werte annehmen kann, müssen derart unveränderliche und vollkommen präzise eindeutige Wirkungsbeziehungen zwischen den Merkmalen des Zustandes bei t und allen späteren Zuständen bestehen.

Wenn ich das richtig sehe, so folgt daraus, dass man bei vollständiger Kenntnis aller Merkmale des Zustandes der Welt zum Zeitpunkt t und bei zusätzlicher lückenloser Kenntnis aller Wirkungsbeziehungen zwischen den Merkmalen bei t und denen bei t +x die Merkmale des Zustandes der Welt zum Zeitpunkt t + x schon zum Zeitpunkt t vorhersagen kann.

(Frage: Gilt entsprechendes auch nach rückwärts in die Vergangenheit? Kann man vom Zustand bei t + x auf den früheren Zustand bei t zurückschließen? Oder ist da ein Unterschied, weil zwar gelten muss "Gleiche ursächliche Bedingungen – gleiche Wirkung aber nicht immer gelten: Gleiches Phänomen – gleiche ursächliche Bedingungen?)

Die Frage, die man angesichts dieser notwendigen Prämissen stellen muss, ist die, ob sich diese Annahmen widerspruchsfrei denken lassen. Ich habe da meine Zweifel, aber ich will hier erstmal Schluss machen. Ich hoffe, dass sich die Einwände von Xenon und von Philosoph vor dem Hintergrund dieser Überlegungen besser diskutieren lassen.

So viel erstmal von Eberhard.



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von WuWei am Gestern, 13:00 Uhr
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Hallo Xenon,

erstmal will ich noch auf diese Aussagen von dir eingehen.

[/i]
Das Konzept, verschiedene Stufen des Willens zu unterscheiden, ist vielleicht doch nichts anderes als der Versuch, die Grenze zwischen "Selbstbestimmung" und "Fremdbestimmung" zu operationalisieren. Der höherstufige Wille wird als das angesehen, was die Person "ausmacht".
[i]

in der Tat kannst du verschiedene Ausprägungen des Willens feststellen. Du könntest auch von unterschiedlichen Antrieben oder Motivationen sprechen. Wenn du aber versuchst, da eine Hierarchie hineinzudeuten, wirst du Schwierigkeiten bekommen, denn warum sollte der eine Antrieb "höherstufig" sein? Zumal sich ja - wie in deinem Raucherbeispiel - einmal dieser und einmal jener Antrieb durchsetzen kann. Was ist, wenn sich auf einmal immer häufiger der Antrieb durchsetzt, den du anfangs als "niederstufig" erachtet hast? Dann wäre der doch inzwischen der
"höherstufige" und würde deine Person "ausmachen".

Das was die Person ausmacht, ist die Gesamtheit aller Antriebe, auch der noch so schwach ausgeprägten. Vom psychologischen Standpunkt her wäre es sogar verheerend, die Antriebe in einem, die einem vielleicht nicht so gefallen, unter den Teppich kehren zu wollen.

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Obwohl der Zwang in gewisser Weise von "innen" kommt, was ja eher eine körperliche Betrachtung ist, stellt er doch eine Fremdbestimmung dar, insofern er die Entfaltung des Kern-Selbst einschränkt.
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Wie gesagt, ein solches Kern-Selbst gibt es nicht, das wäre rein willkürlich gewählt. Bei solch unterschiedlichen, gegenläufigen Antrieben spricht man manchmal auch von "Motivation über Kreuz". Und natürlich stellen sie eine enorme Behinderung dar, was sämtliche Lebensfunktionen angeht, egal ob Sexualität, zwischenmenschliche Beziehungen, Ernährung, Berufsleben usw.

Je weniger die Antriebe in mir gegenläufig sind, desto freier bin ich in meinem Denken und Handeln. So kann man es durchaus nennen, aber es handelt sich hier wieder um eine relative Freiheit (frei von sich behindernden Antrieben), so wie bei den freien Wahlen, aber nicht um eine Freiheit an sich.

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Es kann nicht darum gehen, die Herkunft und die Substanz des Kern-Selbst in einem absoluten Sinne zu erklären und zu verstehen. Von daher wundert mich immer stets die Äußerung von WuWei, alles sei "nur" relativ. So als gäbe es den reinen, von aller raumzeitlichen Verwobenheit abgehobenen Geist, als hätten wir Zugang zu ihm....
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Ich weiß nicht, ob ich geschrieben habe: "nur" relativ. Wenn ich das Wort "nur" in diesem Zusammenhang gebraucht haben sollte, dann um auf eine Ausschließlichkeit hinzuweisen, nicht auf eine Wertigkeit.

Es ist immer wieder das gleiche Problem. Wenn du dein Kern-Selbst beschreiben und erklären könntest, wäre es nicht das Kern-Selbst. Das Kern-Selbst ist immer das, was beschreibt, nicht, was beschrieben wird.

Der "reine, raumzeitlose Geist" beinhaltet all jene relativen Kategorien, und ich selbst bin dies. Habe ich dazu Zugang? Ja und nein. Habe ich Zugang zu einem Zimmer, in dem ich mich bereits befinde? Die Frage ist bereits paradox. Du hast dazu keinen Zugang, denn du bist bereits drin. Du brauchst aber auch keinen Zugang, denn du bist bereits drin.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am Gestern, 21:01 Uhr
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Hallo allerseits,

Ich hatte geschrieben, dass der Determinismus voraussetzen muss, dass unveränderliche und vollkommen präzise, eindeutige Wirkungsbeziehungen zwischen sämtlichen Merkmalen des Zustandes bei t und allen späteren Zuständen bestehen.

Meines Erachtens ergeben sich dabei – zumindest für das menschliche Erkenntnisvermögen – verschiedene Probleme.

1. Kann es überhaupt eine vollständige Beschreibung des Zustandes der Welt zum Zeitpunkt t geben?

Meiner Ansicht nach ist es bereits unmöglich, einen einfachen empirischen Sachverhalt, wie z.B. einen Tisch, vollständig zu beschreiben.

Schon die Frage der Messgenauigkeit der Aussagen wirft Probleme auf. Ist der Tisch 1,75 m lang oder 1,752875348901 m? Selbst wenn ich alle Atome bestimmt habe und ihren Ort angegeben habe: Im subatomaren Bereich gibt es weitere Differenzierungen. Wo ist das Ende? Gibt es überhaupt ein Ende in Form "letzter Bausteine", die in sich nicht mehr unterteilt sind?

2. Kann es für das menschliche Erkenntnisvermögen überhaupt unveränderlich gültige empirische Regelmäßigkeiten geben?

Wir können nur Vergangenheit und Gegenwart wahrnehmen und erinnern. Die ausnahmslosen Regelmäßigkeiten, die wir hier entdecken, schreiben wir dann hypothetisch in die Zukunft fort, wobei wir durch neue Forschungsergebnisse immer wieder zu Umformulierungen, zu Erweiterungen und Einschränkungen unserer bisherigen Annahmen gezwungen sind. Dadurch kennen wir keine ewigen Naturgesetze sondern nur empirische Regelmäßigkeiten, die wir – bis zu ihrer Widerlegung - als wahr ansehen dürfen.

Es ist m. E. falsch anzunehmen, dass die wirkliche Welt etwas wäre, das man in seinem Sein und Werden mit Begriffen, Sätzen und Formeln vollkommen darstellen könnte. Die Wirklichkeit lässt sich für aktuelle menschliche Zwecke ausreichend erkennen und beschreiben, sie geht darin jedoch nicht auf. Insofern war am Anfang nicht das Wort.

Der Determinist, der dies akzeptiert, könnte der Kritik ausweichen und sagen: Es wäre allerdings ein allwissendes Wesen denkbar, für dessen Intelligenz und Wissen die Welt genauso durchschaubar ist, wie für uns eine Reihe von Dominosteinen.

Ob damit aber viel gewonnen ist, das bezweifelt
Eberhard..

p,s,:
Ich hoffe, ihr findet die themenbezogenen Beiträge unter den sonstigen Beiträgen heraus.

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von hel am Gestern, 21:56 Uhr
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Hallo Eberhard,

on 12/04/06 um 21:01:40, Eberhard wrote:..........
Der Determinist, ....könnte der Kritik ausweichen und sagen: Es wäre allerdings ein allwissendes Wesen denkbar, für dessen Intelligenz und Wissen die Welt genauso durchschaubar ist, wie für uns eine Reihe von Dominosteinen.


Dieser Determinist hat es angesichts der Quantenphysik mittlerweile auch schon mit dieser Aussage sehr schwer. In der Quantenphysik haben Teilchen sog. komplementäre Parameter: wie z.B. Impuls und Ort, die sich nicht beide zugleich genau beschreiben lassen. Ist der Impuls vollständig bekannt, ist der Ort vollständig ungewiss. Der Witz ist jetzt folgender, es gibt Experimente, in denen die Annahme, die Teilchen hätten solche Parameter, auch wenn man sie nicht misst, sie wären halt nur unbekannt, widerlegt werden kann.
(googlen unter embacher ghz-experiment quantenspiel)
Wenn aber ein Parameter - eine Eigenschaft - vor der Messung gar nicht existiert, kann sie nicht einmal von einem göttlichen Dämon gewusst werden.

Grüsse,
hel



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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Xenon am Gestern, 23:28 Uhr
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Hallo allerseits,

zu dem zwischenzeitlich Gesagten wäre viel anzumerken. Allein mir fehlt die Zeit. So muss ich mich auf einen kurzen Einwurf beschränken.

Kurz zu Wolfgang.
Nicht nur dass Du ein oller Klotzmaterialist bist („Bewusstsein existiert nicht“), Du benimmst Dich auch wie ein ungehobelter Klotz. Neuankömmlinge muss man nicht gleich mit einem so deftigen Tonfall erschrecken *mit Rohrstock rumfingere* [smiley=nee.gif] [smiley=nee.gif]

Kurz zu WuWei,
vielen Dank für Deine Antwort. Ich schaffe es wohl nicht vorm nächsten WE zu antworten, so bleibt auch mehr Zeit über das Gesagte nachzudenken. Im übrigen werde ich nicht in diesem Thread antworten, denn Eberhard hat völlig recht, dass wir hier im Thread erhebliche Themenabweichungen haben, wobei ich mir da auch an die eigene Nase fassen muss.

Nun zum eigentlichen Thema. Ich möchte eigentlich auf Philosoph antworten, weil er ja auch „an der Reihe ist“, aber vielleicht bekomme ich auch den Schlenker zu Eberhards letzten beiden – wie immer anregenden – ausführlichen Beiträgen.

Zum „Kausalgesetz“. Vielleicht ist der Begriff „Gesetz“ tatsächlich mißverständlich. Nun handelt es sich nicht um ein Gesetz im Sinne eines normativen Gesetzes, um überhaupt kein konkretes Gesetz, sondern um ein festgestelltes Ordnungsprinzip, das auch ohne seine Beobachtung / Feststellung vermöge der in der Natur wirkende Kräfte auftritt und sich auf den Nenner bringen läßt: „Alles was geschieht, hat Ursachen“. Oder – wie Abrazo sagen würde - : „von nix kütt nix“ :-). Um dieses Prinzip geht es und nicht darum, ob irgendein Mensch jemals praktisch imstande ist, die jeweiligen Ursachen „zu verstehen“.

Aus meiner Sicht haben wir allen Grund zu der Annahme, dass auch das Phänomen des Bewussteins in diesen umfassenden Naturzusammenhang eingebunden ist. Einem Atom sieht man nicht an, ob es sich in einem unbelebten Stein oder in einer Gehirnzelle „befindet“. Biochemische Stoffe können mit den Mitteln der modernen Chemie synthetisiert werden. Die Einnahme bestimmter Drogen – wie Alkohol – beeinflusst den Gehirnzustand in nachvollziehbarer Weise und wird zugleich sofort in einem veränderten Bewusstseinszustand spürbar (man könnte nun allerdings annehmen, dass auch die Einnahme der Drogen und auch der Eindruck eines tatsächlich existierenden Gehirns nur Einbildung ist; jedoch wurde diese Position von Dir nicht vertreten, weswegen ich nicht näher darauf eingehen möchte).

Die Evolution hat nun in Jahrmilliarden komplexe Strukturen höherer Ordnung hervorgebracht, welche sich zweckgerichtet verhalten. Dieses finale Verhalten höherstufiger Entitäten (Gesamtsysteme) fußt nun aber weiterhin auf dem reibungslosen Funktionieren der physiko-biologischen Basis. Deren Ursache-Wirkungs-Kausalität ist nicht aufgehoben, sondern die Metastufe (gemeint hier: die Ebene des menschlichen Denkens und Handelns) macht sich diese Kausalität zunutze.

Im dem Moment - das versuchte ich mit meinem etwas abstrus anmutenden Beispiel in Beitrag # 126 zu demonstrieren - , in dem die biologische Basis nicht mehr in den geordneten Bahnen verläuft, bricht auch auf der höheren Beschreibungsebene (Metastufe) das Chaos aus.

Das höhere Systemebene erlangt ihre - wohlverstandene - Autonomie also gerade nicht durch die Unabhängigkeit von ihrer physiko-biologischen Basis, sondern DURCH die strenge Abhängigkeit (=Determiniertheit) von ihr. Gäbe es einen „echten Zufall“, trüge er in keinster Weise zu unserem Freiheitsempfinden bei.

Das Denken und das Bewusstsein „funktionieren“, WEIL die neuronale, physiko-biologische Basis nach ihren – ganz eigenen und u.U. völlig simplen (dominosteinmäßigen) Gesetzmäßigkeiten „funktioniert“. DAS ist die grundlegende Aussage des Kompatibilismus, der den Freiheitsgedanken mit dem Determinismus für vereinbar hält.

Es kommt also nicht darauf an, sozusagen auf die atomare oder subatomare Ebene hinabzugehen und auch noch den letzten Zusammenhang verstanden zu haben.

Es mag sein, dass der quantenmechanische Zufall sich auch in der makroskopischen Welt auswirkt.

Es mag dann sein, dass die Welt deshalb nicht in einem ganz strengen Sinne deterministisch ist. Wir können es, wie Eberhard wohl zuletzt überzeugend ausgeführt hat, wohl nicht nachweisen - insofern rudere ich hier gerne zurück.

Der Einfluß eines „echten Zufalls“ würde mir dann aber eher als ein Störfaktor und ein „Schönheitsfehler“ erscheinen.


Philosoph schrieb:

„Wenn das Kausalgesetz gültig ist, dann muss ich die Welt vollkommen aus ihm heraus beschreiben können.“

Dem widerspreche ich. Denn es wurde ja – u.a. durch Beiträge in diesem Thread - nachgewiesen, dass ich noch nicht einmal aufgrund zwingender logischer Hürden mein eigenes Verhalten vorhersagen kann (Stichworte: „Eberhards Kopfdrehexperiment, Gödelscher Unvollständigkeitssatz).

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Berenike am Heute, 17:11 Uhr
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mathematisch formulierte (Stichwort Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren) und experimentell gemessene Energiefluktuationen und Entstehung und Verschwinden von Teilchen im leeren Raum sind in der Quantenmechanik und Quantenelektrodynamik spätestens seit Dirac bekannt.

LG Berenike

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Titel: Re: Argumente gegen Determinismus
Beitrag von Eberhard am Heute, 18:20 Uhr
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Hallo an alle, die das Thema "Determinismus" interessiert!

Da dieser Thread zu lang wird, habe ich eine Nachfolge-Runde unter dem Titel: "Argumente gegen den Determinismus II" eingerichtet. Dort geht es hoffentlich kontrovers, gut begründet und auf das Thema bezogen weiter

hofft Eberhard.


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