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Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
(Diskussion bei PhilTalk)
(Auswahl)
(Thema begonnen von: Eberhard am 26. Dez. 2005, 21:34 Uhr)
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Titel: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von
Eberhard am 26.
Dez. 2005, 21:34 Uhr
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Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Dies ist eine umstrittene Frage.
Die Anhänger der verschiedenen Religionen, Konfessionen und Sekten, die
auch im PhilTalk für ihre Glaubensinhalte werben, haben die Antwort meist parat:
Das menschliche Dasein auf der Erde ist Bestandteil eines umfassenden göttlichen
Plans. In diesem göttlichen Plan werden dem einzelnen Menschen seine Aufgaben
zugewiesen (moralisch handeln, unbeirrt glauben …) und seine weiteren
Perspektiven (Gericht und Leben nach dem Tod …) aufgezeigt.
Mit der
Entwicklung und Verbreitung der Wissenschaften wurden diese religiösen
Phantasien mehr und mehr unglaubwürdig, sie hielten einer kritischen Überprüfung
nicht stand, blieben Vorstellungen ohne erfahrbare, wahrnehmbare Wirklichkeit.
Auch, wenn sich viele das nicht eingestehen wollen: Unsere Situation
heute wird durch die Worte von John Lennon gekennzeichnet: "Imagine there is no
heaven, above us only sky". Über uns ist nur das Blau des Himmels, aber kein
Himmelreich.
Diese Weltsicht ohne religiöse Überhöhung, Deutung und
Verklärung ist vielen unerträglich, die Welt erscheint ihnen kalt und fremd, das
Leben ohne Sinn und Ziel. Das Ganze muss doch irgendeinen tieferen (oder besser:
höheren) Sinn haben! Um zu handeln, um zu leben, muss es dafür doch auch einen
Sinn geben!?
Ich möchte in dieser Runde diskutieren, welche Möglichkeiten
der Sinngebung es jenseits der religiösen Phantasien gibt.
Dabei soll
zugleich geklärt werden, welche Art von Fragen solche Fragen nach dem Sinn
eigentlich sind.
Aber vielleicht ist die Frage nach dem Sinn des
menschlichen Lebens selber sinnlos und überflüssig?
Mal sehen, wie weit
wir kommen …
Es grüßt alle Nachdenklichen Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Hanspeter am
26. Dez. 2005, 23:56 Uhr
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Hallo Eberhard,
natürlich ist die Sinnfrage eine der zentralen Fragen
der Menschheit. Weil Mensch sich nicht vorstellen kann, genauso wichtig wie ein
Hund, ein Spatz, eine Ameise oder ein Regenwurm zu sein. Deshalb hat er einen
Gott als sein Ebenbild und den Kosmos als für ihn geschaffen erfunden und
beansprucht für sich ein Ewiges Leben.
Das Desillusionierendste, was der
Mensch in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, ist die Wissenschaft und sie
kann leider einen Sinn a priori, also von Natur aus gegeben, nicht erkennen. Vor
allem deshalb, weil ein evolutionärer Quantensprung zwischen Mensch und Tier
nicht zu finden ist.
Was bleibt, ist die individuelle Definition der
Sinnfrage:
"Der Sinn m e i n e s Lebens ist....." Und da sind derzeit
sämtlichte Varianten zwischen Altruismus und Hedonismus 'en vogue'. Wobei erstere
bundesverdienstkreuz- gar friedensnobelpreisheischend, letztere ehrlich sind.
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von delfi am 27.
Dez. 2005, 01:46 Uhr
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on 12/26/05 um 23:56:39, Hanspeter wrote: natürlich ist die Sinnfrage eine
der zentralen Fragen der Menschheit. Weil Mensch sich nicht vorstellen kann,
genauso wichtig wie ein Hund, ein Spatz, eine Ameise oder ein Regenwurm zu sein.
Deshalb hat er einen Gott als sein Ebenbild und den Kosmos als für ihn
geschaffen erfunden und beansprucht für sich ein Ewiges Leben.
Das kannst du nun wirklich nicht als die (heute) vorherrschende Denkweise von
Menschen hinstellen!
Quote:
Das Desillusionierendste, was der Mensch
in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, ist die Wissenschaft und sie kann
leider einen Sinn a priori, also von Natur aus gegeben, nicht erkennen. Vor
allem deshalb, weil ein evolutionärer Quantensprung zwischen Mensch und Tier
nicht zu finden ist.
desillusionierend heisst nicht mehr und nicht
weniger, als dass sich Realität nicht nach deinen Vorstellungen (Illusionen)
richtet, wobei diese Realität, je nach persönlichem Geschmack, durchaus viel
reizvoller, ja faszinierender sein kann, als deine Illusionen.
Den
Quantensprung sehe ich in der nur vom Menschen geschaffenen "horizontalen"
unpersönlichen Informationsüberstragung (Sprache, Buchdruck, EDV) und
Informationsspeicherung.
Quote:
"Der Sinn m e i n e s Lebens ist....."
Und da sind derzeit sämlichte Varianten zwischen Altruismus und Hedonismus en
vogue. Wobei erstere bundesverdienstkreuz- gar friedensnobelpreisheischend,
letztere ehrlich sind.
Gruß HP
Du vergisst, lieber HP, dass der
Mensch von seinem (biologischen) Wesen kein Einzelgänger ist und tugendhafter
Lebenswandel im Sinne des alten Aristoteles seinem menschlichen Wesen durchaus
entspricht. Es ist nun mehr Geschmackssache, ob man diese Art von Glückseligkeit
durch tugendhaften Lebenswandel als 'Hedonismus' bezeichnet.
Überhaupt kann
man nicht jede Form menschlicher Lebens-Sinngebung in das Korsett ethischer
Kategorien zwängen.
Wenn man den Mensch als Wesen mit besonderer Befähigung
zu (kreativen) Problemlösungen betrachtet, ist Lebenssinn nicht definierbar als
ein Einzelziel ("der Weg ist das Ziel") sondern als eine Kette zeitlich
hintereinander gesetzter Einzelziele. Er kann sich sebst Ziele setzen.
Hat
eine Mutter beispielsweise ein Kind bis zur Selbständigkeit großgezogen, eines
der elementarsten Lebensziele, braucht sie ein neues Lebensziel.
Ethik ist
Handlung und schon die alten Griechen sahen (wie Kant) in verantwortlicher
Bewältigung des banalen Alltags die Handlungsethik.
Salve
[skater]
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Hanspeter am
27. Dez. 2005, 15:12 Uhr
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Hallo,
@delfi
1. Zitat: "Das kannst du nun wirklich nicht als die
(heute) vorherrschende Denkweise von Menschen hinstellen!"
Das kann schon
sein. Die meisten Menschen halten sich wohl für die Krönung der Schöpfung und
das Ebenbild der Gottheit. Das heißt aber noch lange nicht, dass dem so ist.
2. Ich habe nicht gesagt, dass die Wissenschaft für mich desillusionierend
ist. Wohl aber ist sie es für die Mehrheit der Menschen. Da brauchst du nur den
Beitrag von Wolfgang K. anschauen. Er bestätigt übrigens die Tatsache, dass die
Mehrheit auch der Deutschen z. B. nicht an die Evolution "glaubt" und logisches
Denken beim Umgang mit Religion und Metaphysik meidet.
3. Zitat: ..."und
tugendhafter Lebenswandel im Sinne des alten Aristoteles seinem menschlichen
Wesen durchaus entspricht."
Jaja, der tugendhafte Aristoteles. Hielt
Sklavenhaltung für ausgesprochen tugendhaft!
Sinnhaftigkeit des Lebens
hat immer mit Moral zu tun. Moral ist die Bewertung menschlichen Handelns und
wenn ich meinem Leben einen bestimmten Sinn gebe, wird sich das in meinem
Handeln äußern. Wie denn sonst?
@ Philoschall
Die Naturwissenschaft
hat genauso das Recht, sich über den Sinn der Welt Gedanken zu machen wie das
die Religion oder die Philosophie auch tun. Schließlich ist ja das menschliche
Gehirn, in dem diese Vorgänge ablaufen, ein Objekt der naturwissenschaftlichen
Forschung.
An einer Aussage ist nur interessant, ob sie wahr oder falsch
ist, ob sie plausibel oder nicht plausibel ist und welche Argument für und
welche gegen sie sprechen. Nebensächlich ist, von welcher Fakultät sie stammt.
Ansonsten, wie wäre es mit einer konkreten Anwort auf die Frage?
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Siena am 27.
Dez. 2005, 15:21 Uhr
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Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Das ist die Ausgangsfrage. Früher
wurde dem Menschen, wie du sagst, von Gott (Gott als Name für alle sinngebenden
Orientierungsrahmen) der Sinn zugewiesen. Heute gilt das für den Glaubenden auch
noch. Vielfach aber ist Gott "tot" (Nietzsche).
Das Bedürfnis nach Sinn (in
diesem Sinne) bleibt!? Wenn du in dieser Weise die Sinnfrage stellst, was willst
du dann damit erreichen?
Angenommen, es gäbe einen sogenannten Sinn jenseits
von Gott - einen anthropologischen, ethischen - gesellschaftsmoralischen usw.
Es gäbe eine Antwort auf deine Frage - was hast du damit gewonnen? Eine
Absolution für dein Menschsein - für dein Handeln? Stellen wir als "schwache"
Menschen diese Sinnfrage, weil wir nicht imstande sind, zu leben und "nichts"
als zu leben - sondern immer wieder die Segnung von "Oben" -von "Außerhalb"
benötigen?
Meine Frage an dich: Warum stellst du die Sinnfrage? Und: Was
steht dahinter, damit du sie so fragst, wie du sie fragst?
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Hanspeter am
27. Dez. 2005, 15:37 Uhr
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Auch wenn ich nicht persönlich angesprochen bin:
Die Sinnfrage ist
deshalb wichtig, weil sie die Basis jeder Moral ist. Die zahlreichen Moralen -
christliche, jüdische, islamische Moral, Staatsmoral, die Moral der
Menschenrechte usw. - unterscheiden sich nämlich in ihrer Sinn- bzw. Zielgebung.
Als Christ oder Jude ist die Sache klar: Da hat der Sinn deines Lebens
die Befolgung der Befehle Gottes zu sein, so wie sie in der Bibel bzw. im Talmud
aufgezeichnet sind.
Als Gutmensch hat man die Menschenrechte zum Sieg zu
führen und sich sozial zu engagieren usw.
Und wenn man die von den
jeweiligen Moralen vorgeschriebene Sinngebung nicht akzeptiert, gehört man eben
nicht dieser Religion an.
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 27.
Dez. 2005, 17:51 Uhr
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Allein, wenn ich nach dem Sinn des Lebens frage, stehe ich vermutlich außerhalb
der von dir (HansPeter) so bezeichneten "Moralen". "Vermutlich" - ich bin mir da
nicht sicher.
Wie lebt es ich so "nackt" und un-moralisch in der Welt? Als
Glaubender sind diese Fragen Hokuspokus und so kann man denn den Rat erteilen:
Spring doch in den Glauben - wenn du aufrichtig glauben kannst, dann hat dein
Leben einen Sinn - einen unverrückbaren Sinn.
Doch, wir stehen außerhalb des
Glaubens und suchen mit der Sinnfrage ein Leitsystem, das uns durch das "nackte"
Leben schleust. Warum springen wir nicht in den Glauben über? Warum quälen wir
uns mit Sinnfragen außerhalb des Glaubens?
Oder sind diese Fragen an sich
belanglos? Ist nicht auch die Sinnfrage belanglos? Der Philosoph (falls es
solchen je gibt) denkt doch nicht über den Sinn des Lebens nach - er beschäftigt
sich mit Ontologie, Logik, Geschichtsphilosophie, Ethik, Wissenschaftslehre usw.
Die Welt ist ohne Gott, der schwache Mensch verlangt nach moralischen
Steintafeln - der freie Mensch steht allein und genügt sich selbst!?
"Und
genügt sich selbst"? - übernimmt die Verantwortung für all sein Handeln und Tun
- trifft selbst-ständig Entscheidungen und hat nur sich selbst gegenüber
Rechenschaft zu geben - er übernimmt sich selbst und: letztlich und vermutlich
"übernimmt" er sich dabei!
Warum suchen wir nach wie vor nach den
Steintafeln? Warum können wir den Tod Gottes nicht hinnehmen und selbst Ur-grund
sein? Warum immer wieder diese Frage nach dem Sinn des Lebens?
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von
Eberhard am 27.
Dez. 2005, 20:00 Uhr
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Hallo allerseits,
Ich hatte in der Eröffnung dieser Runde geschrieben:
"Ich möchte diskutieren, welche Möglichkeiten der Sinngebung es jenseits der
religiösen Phantasien gibt."
Wie komme ich zu dieser Frage?
Ich
halte es für richtig, Fragen nach der Beschaffenheit der Welt nach
wissenschaftlichen Methoden zu beantworten. Eine Antwort ist dann nach
wissenschaftlichen Methoden gewonnen worden, wenn sie den Anspruch auf
allgemeine Geltung nicht nur erhebt, sondern diesen Anspruch auch durch
allgemein nachvollziehbare Argumente einlöst.
Das Weltbild, das sich nach
dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaften ergibt, enthält keinen Himmel und
keine Hölle, keinen Gott und keinen Teufel.
Nach dem heutigen Stand
wissenschaftlicher Erkenntnis sind wir Menschen hervorgegangen aus dem seit ca.
3 Milliarden Jahren laufenden Prozess der Entwicklung organischen Lebens auf der
Erde. Wir sind also nicht die Geschöpfe einer überlegenen Gottheit, die uns
einen Platz und eine Aufgabe in ihrer Schöpfung zuweist.
Der Verlust (!)
der religiösen Glaubensinhalte erzeugt erstmal eine Sinnleere (der Pastorensohn
Nietzsche sah die Gefahr des Nihilismus).
Diejenigen, die sich von den
tröstlichen religiösen Phantasien gelöst haben, stehen vor der Aufgabe, ohne
Verzicht auf kritisches Denken ein neues gemeinsames Selbstverständnis als
Menschen im Kosmos und in der Natur zu gewinnen, ein Selbstverständnis als
Menschen, die sich in der ungewohnten, un-heim-lichen und scheinbar
sinnentleerten Welt der modernen Wissenschaft "zu Hause" fühlen, in dieser Welt
"beheimatet" sind.
Also: Welche Möglichkeiten der Sinngebung ihres
Daseins gibt es für Menschen, die mutig und redlich die Konsequenzen aus den
modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen gezogen haben und auf eine religiöse
Sinnstiftung verzichten?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Siena am 27.
Dez. 2005, 20:31 Uhr
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"Sinn" wird zumeist in der Weise gesucht: als Frage nach einem beharrenden,
unveränderlichen, beständigen - immerseienden Sinn.
Gott verbürgt diesen
Sinn.
Welche Möglichkeiten der Sinngebung jenseits des oben Genannten
gibt es?
Ich vermute, dass, wenn deine Frage formal in der oben genannten
Weise gefragt wird, die Frage nach Gott ohne Gott, dass es hier kein echtes
"zur-Ruhe-kommen" geben kann.
Sinn finden wir heute, die Gottlosen, in
vielerlei Dingen - Sinn wurde auch immer wieder gefunden: im Sozialismus, im
Kapitalismus, in sinnstiftenden Programmen - usw. Zum Sinn des Lebens kann alles
erhoben werden. Die Möglichkeiten der Sinngebung sind unbeschränkt. Zu fragen
bleibt: Sind diese Sinngebungen zureichend? Oder beruhigen wir uns für eine
kurze Zeit mit unseren selbstgemachten Sinngebungsversuchen - derart - dass
wiederum die Sinnfrage erneut aufbricht?
Lässt es sich letztlich ohne
Gott nicht sinn-voll leben? Sinn, so Heidegger, erschließt sich für uns nur
darin, dass ein Ermöglichungsgrund freigelegt wird. Für das Dasein ist dieser
Ermöglichungsgrund nach Heidegger die ursprüngliche Zeitlichkeit. Sinn ist
Zeitlichkeit. Ein Ab-grund. Ende.
Der Gläubige im Gegensatz sieht Gott als
Ermöglichungsgrund und kann sich in einer sinnleergefegten wissenschaftlichen
Welt "heimisch" fühlen.
Ist man als Gläubiger naiv, nicht aufgeklärt
genug, un-wissenschaftlich, ein Hinterweltler, ein Zurückgebliebener, ein
Belächelter?
Absoluten Sinn als Ermöglichung der eigenen Existenz gibt es
vermutlich nur in Gott. Jenseits dieser ermöglichenden Transzendenz wird
jedweder Sinngebungsversuch in der eigenen Endlichkeit möglicherweise
zerbrechen. "Vermutlich" und "möglicherweise" drücken hier eine große
Unsicherheit aus.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von
Eberhard am 27.
Dez. 2005, 22:01 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Siena,
Ich stimme Dir darin zu, dass wir nach
einem dauerhaften Sinn unseres Daseins fragen.
Gerade deshalb ist die
religiöse Sinnstiftung aber nicht mehr haltbar für diejenigen, die die
religiösen Vorstellungen als kollektive Phantasien (und bei manchen fanatischen
Religionsgemeinschaften als kollektive Wahnvorstellungen) ansehen.
Die
religiösen Sinnstiftungen sind große Trostspender, aber sie sterben letztlich an
mangelnder Glaubwürdigkeit.
Ich will mal ein Beispiel für ein Denken und
Leben geben, in dem die religiöse Sinnstiftung noch unbeschädigt ist. (Fast)
jeder kennt das Lied:
"Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den schickt
er in die weite Welt,
dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Tal und
Strom und Feld.
Die Bächlein von den Bergen springen,
die Lerchen
jubeln hoch vor Lust,
wie sollt ich nicht mit ihnen singen
aus voller Kehl
und frischer Brust?
Den lieben Gott lass ich nur walten,
der Bächlein,
Lerchen, Wald und Feld
und Erd und Himmel will erhalten,
hat auch mein
Sach aufs best bestellt."
Eichendorff drückt hier sein Erlebnis von
Schönheit der Natur aus. Er vermittelt das glückliche Erlebnis seiner Harmonie
mit der Landschaft und dem vielfältigen Leben darin. Er besingt das Vertrauen in
diese seine Welt.
Ich kenne diese Erlebnisse und Gefühle, singe
vielleicht auch dies Lied, aber ich kann mein Erleben nicht mehr in Bezug zum
"lieben Gott" setzen, ich muss es deshalb eigentlich anders ausdrücken. Aber
wie?
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von philoschall am
27. Dez. 2005, 22:49 Uhr
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"Ich möchte diskutieren, welche Möglichkeiten der Sinngebung es jenseits der
religiösen Phantasien gibt." Eberhard
Ich schlage vor, folgendes zu
berücksichtigen: Orientierung des einzelnen in der modernen
Industriegesellschaft, welche Orientierung, auch bei fortgeschrittener
Wissenschaftlichkeit, an tradionelle Moral gebundene sich vollzieht.
Moderne Technik, technische Automation üben jene Fazination auf den Menschen
aus, mit der seine Identifikation sich vollzieht, welche erlaubt, Geschichte,
Tradition, als Last abzuwerfen. Technischer Zukunftsglauben wird favorisiert,
"wissenschaftliche Zivilisation" entfaltet sich in der Abwesenheit von abrupten
Veränderungen, etwa politischen Revolutionen. Hier kann angenommen werden, dass
die Sinnfrage gelöst ist: Der einzelne in seiner Lebenspraxis scheint durch
"Sachgesetzlichkeit" des wissenschaftlich-technischen Fortschritts so bestimmt,
dass genau die Motivationen und Tugenden zur Entfaltung gekommen, mit denen
rationale Weiterentwicklung sich vollzieht. Der technische Fortschritt, dass
seine Ressourcen unerschöpflich sind, dass die wertorientierten Einstellungen
und Motivationen ihren apolitischen Charakter behalten werden, ist Grundlage
dieser heilsgewissen Zukunftshoffnung.
Dieses optimistische Modell der
Erledigung der Sinnfrage kommt jedoch in die Krise, wenn deren Grundlage als
relative sich erweisst.
Fortsetzung folgt
Gruß
philoschall
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Hanspeter am
28. Dez. 2005, 00:53 Uhr
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Hallo an Alle,
@ Wolfgang:
Deine Argumente entsprechen dem Jargon der
Kreationisten - sie werden nicht dadurch besser, dass sie möglichst aggressiv
vorgetragen werden.
@ siena: Wenn du dich im christlichen Glauben
wohlfühlst, dann freue dich. Es gibt aber Menschen, die zwischen den Aussagen
der Bibel und der Realität unlösbare Widersprüche finden. Daher, mein gut
gemeinter Rat: Glaube, frage aber nicht!
@ Eberhard:
Du frägst: "
Welche Möglichkeiten der Sinngebung ihres Daseins gibt es für Menschen, die
mutig und redlich die Konsequenzen aus den modernen wissenschaftlichen
Erkenntnissen gezogen haben und auf eine religiöse Sinnstiftung verzichten?"
Eine Möglichkeit der Sinngebung ist ein Blick auf die übrigen Lebewesen. Ihr
Lebensinhalt beruht im Wesentlichen in der Erhaltung der eigenen Art bzw. der
Gene. Eine genaue Unterscheidung ist in diesem Zusammenhang nicht wichtig.
Dies ist allerdings kein "Sinn des Lebens a priori", denn Lebewesen starben und
sterben aus. Aber immerhin ist es eine Sinngebung die Tausende, wenn nicht
Millionen Jahre Bestand haben kann. Zumindest ist es eine "Nachhaltigkeit", die
unseren normalen Horizont weit übersteigt.
Somit ist folgende Sinngebung,
wenn auch nicht streng beweisbar, so doch plausibel: Für den Erhalt der Spezies
Mensch einzutreten.
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Siena am 28.
Dez. 2005, 06:15 Uhr
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Guten Morgen!
"Mein Erleben nicht mehr in Bezug zu Gott setzen" - "es
anders ausdrücken, aber wie?" (Eberhard)
Du sagst, die religiöse
Sinnstiftung hat ihre Glaubwürdigkeit verloren - kollektive Phantasien. Bei
Eichendorff sei diese noch "unbeschädigt"!
Du kennst die beschriebenen
Gefühle - du singst "auch" dieses Lied - (vielleicht) sagst du - und du "musst"
es anders ausdrücken. Gott ist, für dich tot (wenn ich dich richtig verstanden
habe)?
Habe ich dich richtig verstanden?
Das alles ist mir sehr
rätselhaft. Vor allem dieses, dass du hier etwas "anders ausdrücken musst"!
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von louisquinze am
28. Dez. 2005, 10:00 Uhr
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L.S.
Den Sinn des menschlichen Daseins darin zu erblicken, dazu
beizutragen, die menschliche Spezies zu erhalten, kann kaum ein Sinnkriterium des
menschlichen Daseins abgeben. Warum? Dann müßte ja das menschliche Dasein als
solches einen Sinn haben! Welcher ist dieser? Die menschliche Spezies zu
erhalten! Warum? Weil das der Sinn des menschlichen Daseins ist! Soweit
Hanspeter.
Wenn es sinnvoll sein soll die menschliche Spezies zu erhalten
muß es Werte geben, die sie erhaltenswert machen! Solche Überlegungen können die
Sinnfrage auch immanent beantworten helfen! (nur ein Vorschlag)
Immanenz
und Transzendenz bei der Beantwortung der Sinnfrage sind denke ich
auseinanderzuhalten. Beide Sichtweisen ermöglichen Antworten.
Den
Zusammenbruch des transzendenten Aspekts würde ich aber nicht so sehr auf die
Entwicklung der Naturwissenschaften und Nietzsche zurückführen als auf die
Wohlstandsgesellschaft. Gewiß spielt immer der Aspekt einer vermeintlichen oder
tatsächlichen Unbedürftigkeit des Einzelnen eine Rolle. Grob gesagt: Geht's den
Leuten schlecht, sind die Kirchen voll!
Das ist nun ein alter Hut:
Evolution und Schöpfungsglaube sind schlicht und ergreifend kompatibel!
Die
Frage: "Woher die Evolution?" ist sinnvoll! Evolution erklärt allenfalls die Art
und Weise einer Schöpfung (oder Hervorbringung) nicht diese selbst.
mfg
Lq
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Eberhard am 28.
Dez. 2005, 10:02 Uhr
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Hallo allerseits,
um meine Position zu verdeutlichen, stelle ich einen
früheren Beitrag von mir hier noch einmal ein:
"Gibt es Gott?
"Auch auf die Gefahr hin "platt" zu wirken und gegenüber dem vielschichtigen
Phänomen "Religion" verständnislos zu erscheinen, versuche ich, die Frage zu
beantworten: "Gibt es Gott?'"
Um diese Frage mit allgemeiner Gültigkeit
beantworten zu können, muss der Sinn dieser Frage für alle einheitlich und klar
sein. Das setzt voraus, dass über die Bedeutung der benutzten Wörter Einigkeit
besteht.
Beginnen wir mit der Bedeutung des Ausdrucks "es gibt".
Mit Sätzen von der allgemeinen Form "Gibt es x?" wird nach der tatsächlichen
gegenwärtigen Existenz von x gefragt (der "Wirklichkeit" von x).
Wenn
jemand die Frage "Gibt es x?" bejaht und somit die Antwort "Es gibt x" für
richtig und allgemein gültig erklärt, so muss er - sofern er wissenschaftlich
verfahren will - diese Behauptung für andere nachvollziehbar und nachprüfbar
begründen. Andernfalls verlangt er nur Glauben
für ein Dogma.
Das, was
ich wahrnehme, ist wirklich und existent. Die Wirklichkeit erschließt sich mir
über meine Wahrnehmung.
Wenn man also zu allgemein gültigen Aussagen
über die Existenz von x gelangen will, muss es irgendeine zwischen den Subjekten
übereinstimmende unmittelbare (oder theoretisch vermittelte indirekte)
Wahrnehmung von x geben. Etwas, was wirklich existiert, aber nicht wahrnehmbar
ist, wäre nicht zu unterscheiden von dem, was nicht existiert.
Wenn z.B.
gefragt wird: "Gibt es 1-Dollar-Banknoten?" und jemand behauptet: "Ja, es gibt
1-Dollar-Banknoten", so kann er dafür einen Beweis erbringen, indem er einen
solchen Schein aus der Tasche zieht und ihn vorzeigt, so dass ihn jeder sehen
kann. Damit entspricht der Satz "Es gibt 1-Dollar-Banknoten" der allgemein
übereinstimmenden Wahrnehmung.
Somit hat er seine Behauptung, dass es
1-Dollar-Banknoten gibt, für andere nachvollziehbar und nachprüfbar begründet.
Wenn z. B. gefragt wird: "Gibt es radioaktive Strahlung?", so kann man diese
zwar nicht unmittelbar wahrnehmen, so wie z.B. Wärmestrahlung, aber das Knacken
eines Geigerzählers zeigt gemäß unseren theoretischen physikalischen Annahmen
das Vorhandensein von Radioaktivität an. Radioaktivität ist von Menschen also
nicht direkt aber zumindest indirekt - als Knacken im Geigerzähler -
wahrnehmbar.
Etwas komplizierter ist es bei der Frage: "Gibt es
Schlümpfe?" Wenn jemand die Frage bejaht, und behauptet: "Ja es gibt Schlümpfe"
und eine kleine blaue Figur aus der Tasche zieht, so wird der andere sagen: "So
war meine Frage doch nicht gemeint. Ich wollte wissen, ob diese kleinen blauen
Kerle wirklich irgendwo leben, nicht dass sich jemand solche Figuren ausgedacht
hat und jemand diese Figuren nachgemacht hat."
Die Frage "Gibt es Gott?"
ist ebenfalls so gemeint, dass jemand, der diese Frage verneint, nicht verneint,
dass es bildliche Darstellungen Gottes und weit verbreitete Gottesvorstellungen
gibt.
Die andere Frage ist, was mit dem Wort "Gott" gemeint ist.
Hier könnte jemand protestieren und sagen: "Gott lässt sich nicht
definieren!"
In diesem Fall kann man nur feststellen, dass der
Betreffende offensichtlich das Wort "Gott" in der Diskussion verwenden will,
ohne mit diesem Wort einen intersubjektiv bestimmten Sinn zu verbinden. Dann
kann es jedoch sein, dass Sätze, in denen das undefinierte Wort "Gott" vorkommt,
für die verschiedenen Diskussionsteilnehmer verschiedene Bedeutungen haben.
Damit wird aber der Streit, ob die Antwort "Es gibt Gott" richtig ist, sinnlos.
Denn wenn das Wort "Gott" mehrdeutig ist, dann kann sowohl die Bejahung wie die
Verneinung der Existenz Gottes richtig sein, je nachdem, was man unter "Gott"
versteht.
Man kommt in einer erkenntnisorientierten Diskussion also
nicht umhin zu bestimmen, was mit dem Wort "Gott" gemeint ist.
Hier
öffnet sich für ein Publikum, das der kirchlichen Lehre entfremdet ist, ein
weites Feld. Ich will mich hier jedoch nicht auf die modernen Dehnungen des
Gottesbegriffs ("kosmisches Prinzip" etc.) einlassen, sondern mich an den
offiziellen Bekenntnissen der monotheistischen Religionsgemeinschaften
orientieren und folgende Definition verwenden: "Gott" ist ein personales Wesen,
das ewig, allwissend und allmächtig ist, das die Welt erschaffen hat und die
menschlichen Geschicke lenkt. Damit gilt alles Folgende erstmal nur für
Vertreter eines derartigen Gottesbegriffs.
Wenn jemand nun sagt: "Es gibt
Gott" und somit die Existenz eines derartigen allmächtigen Wesens behauptet,
dann zeichnet er die Antwort "Es gibt Gott" als die "richtige" aus und fordert
damit unausgesprochen andere auf, diese Antwort ebenfalls ihrem Denken und
Handeln zugrunde zu legen.
Wenn dies nun mehr sein soll als eine
dogmatische Aufforderung, das Behauptete zu glauben, so muss der Behauptende für
diese gegenüber jedermann aufgestellte Behauptung auch Gründe nennen, die
jedermann nachvollziehen kann. Bei Aussagen über wirklich Existierendes
erfordert dies, dass er auf geeignete intersubjektiv übereinstimmende
Wahrnehmungen verweisen muss.
Es ist wohl unstrittig, dass die sinnliche
Wahrnehmung und speziell die Beobachtung der Wirklichkeit, die in den
Erfahrungswissenschaften konsensstiftend wirkt, in Bezug auf die Existenz Gottes
keine übereinstimmenden Ergebnisse liefert. In den modernen
Erfahrungswissenschaften kommt Gott deshalb auch weder als eine zu beschreibende
Wirklichkeit noch als eine erklärende Ursache vor.
Nun könnte sich jemand
auf seine "religiöse Erfahrung" berufen und sagen: "Ich habe Gott erfahren und
ich erfahre ihn täglich in meinem Leben. Wer Gott wirklich sucht, dem wird er
sich nicht verweigern."
Dabei handelt es sich offensichtlich um eine
subjektive innere Erfahrung des Gläubigen, ein Erleben, das viele andere
Individuen nicht in gleicher Weise haben. Es handelt sich dabei folglich nicht
um einen intersubjektiv nachvollziehbaren Weg, der für jedes Individuum zu einer
Erfahrung Gottes führt.
Ergebnis der bisherigen Überlegungen ist, dass
für die Antwort "Es gibt Gott" keine "Richtigkeit" beansprucht werden kann, d.h.
es kann kein begründeter Anspruch auf allgemeine Geltung für diese Antwort
erhoben werden.
Nun könnte jemand entgegnen: "Nun gut, das mag vielleicht
sein, dass sich die Existenz Gottes nicht durch übereinstimmende Wahrnehmung
beweisen lässt, aber umgekehrt lässt sich auch nicht beweisen, dass es Gott
nicht gibt."
Das mag zwar sein, aber daraus folgt keineswegs, dass man
mit der gleichen Berechtigung behaupten kann, dass es Gott gibt oder dass es ihn
nicht gibt. Es heißt nicht zu Unrecht: "Ein Narr kann mehr behaupten, als
hundert Weise widerlegen können."
Die Beweislage ist bei
Existenzbehauptungen nicht symmetrisch, denn zu ihrer Bestätigung genügt eine
einzige Wahrnehmung, zu ihrer Widerlegung reichen noch so viele
Beobachtungsergebnisse nicht aus. Deshalb liegt z. B. auch die Beweislast
sinnvoller Weise bei dem, der behauptet, es gebe Schneemenschen, und nicht bei
dem, der die Existenz von Schneemenschen bestreitet.
Die Behauptung "Es
gibt Gott" kann nach diesen Überlegungen mit vernünftiger Begründung nicht
aufrechterhalten werden.
Dass die Existenz eines allmächtigen Wesens,
das die Geschicke der Menschen lenkt, unglaubwürdig geworden ist und mit der
Ausbreitung rationalen, wissenschaftlichen Denkens für immer weitere Kreise
unglaubwürdig werden wird, ist gegenüber dogmatischen religiösen Ansprüchen eine
Hoffnung. Gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, dass das entstandene geistige
Vakuum von anderen irrationalen Weltdeutungen besetzt wird, wie die monströsen
Verbrechen des 20. Jahrhunderts gezeigt haben."
Es grüßt Euch Eberhard.
p.s.:
Zum Verfahren:
Diese Diskussionsrunde hat ein bestimmtes
Erkenntnisziel. Wir versuchen, eine bestimmte Frage richtig zu beantworten.
Ob eine gegebene Antwort auf diese Frage richtig ist, muss sich anhand der
Argumente zeigen, mit denen diese Antwort begründet wird. Diese Argumente sind
somit in Bezug auf ihre allgemeine Nachvollziehbarkeit zu prüfen.
Folglich ist die Entscheidung über die Richtigkeit einer Antwort oder eines
Argumentes unabhängig von der Person, die diese Antwort oder dieses Argument
eingebracht hat.
Folglich sind alle Angriffe gegen Personen in einer
erkenntnisorientierten Diskussion fehl am Platz.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Hanspeter am
28. Dez. 2005, 15:17 Uhr
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Louisquinze schreibt:
"Den Sinn des menschlichen Daseins darin zu
erblicken, dazu beizutragen die menschliche Spezies zu erhalten kann kaum ein
Sinnkriterium des menschlichen Daseins abgeben. Warum? Dann müßte ja das
menschliche Dasein als solches einen Sinn haben! Welcher ist dieser? Die
menschliche Spezies zu erhalten! Warum? Weil das der Sinn des menschlichen
Daseins ist!"
Vielleicht hätten Sie meine Ausführungen vollständig lesen
sollen. Ich sagte bereits, es gibt keinen Sinn a priori, für alle Menschen
gleich, sondern (fast) jeder Mensch definiert seinen individuellen Sinn selbst.
Und ich empfahl diese Sichtweise als Analogie zur Natur. "Jede Handlungsweise,
die sich gegen die Natur wendet, wird langfristig scheitern." (Ch. Darwin)
Wie ich aber bereits formulierte, ist diese Sinngebung lediglich ein
plausibler Vorschlag. Letzten Endes hat das Leben allgemein keinen Sinn, denn
wenn in x-Milliarden Jahren die Erde durch die Nova Sonne atomisiert wird, ist
jegliches irdische Leben verschwunden und die Atome werden neu gemischt. Doch
scheint es mir wenig sinnvoll, die persönliche Sinnfrage von Ereignissen in
dieser zeitlichen Entfernung abhängig zu machen.
Falls Sie es für
unsinnig finden, die menschliche Spezies zu erhalten, werden sich Diskussionen
dieser Art schnell erübrigen. "Après nous le deluge" sagte doch einer von Ihrer
Sippschaft.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von doc_rudi am 28.
Dez. 2005, 16:02 Uhr
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Hi,
Lebewesen existieren nur zeitlich befristet. Die in Ihnen genetisch
gespeicherten Daten überleben allerdings die Lebensdauer der Individuen, die
Individuen sind nur vorübergehende Datenträger.
Der Sinn des menschlichen
Lebens besteht darin, diese Daten, die sozusagen ein Negativ der Nichtlebenden
Natur sind, von dieser materiellen Datenspeicherung ins Geistige zu übersetzen
und sie damit in anderer Form zu speichern, nämlich wiederum materiell in Form
der menschlichen Datenspeicherung in Büchern, auf Festplatten und in den
Produkten der menschlichen Tätigkeit: das, was die Menschen bauen, ihre Werke,
ihre Autos, ihre Fabriken usw. enthält Daten, die ich als Ergebnis einer durch
den Menschen bewirkten Datentransformation ansehe.
(Die Datentransformation.
Berlin 2001. ISBN 3-8311-1902-3)
Sinn des individuellen menschlichen Lebens
ist übrigens die Optimierung seiner Genussmöglichkeiten.
(siehe Das System
Mensch. Berlin 2003. ISBN 3-00-012784-4)
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Siena am 28.
Dez. 2005, 17:45 Uhr
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Lieber Eberhard!
3x3=9 - die Donau entspringt im Schwarzwald und mündet
in das Schwarze Meer - ich heiße Thomas - Gott existiert - meine Mutter lebt ...
Nehmen wir für einen Moment an, die Existenz Gottes ließe sich, wie obige
Aussagen, jederzeit und überall nachvollziehen. Sie wäre eine Tatsachenwahrheit.
Schon in den ersten Schulklassen und davor würden wir damit bekannt werden -
eine pure Selbstverständlichkeit.
Danach auch nur zu fragen, würde
schallendes Gelächter hervorrufen. Gehen wir von dieser Tatsache aus - sie ist
uns ebenso evident wie 3x3 eben 9 ist.
Was würde diese Evidenz in deinem
jetzigen Leben verändern - was würde dieses evidente Wissen um die Existenz
Gottes bei dir auslösen?
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von delfi am 28.
Dez. 2005, 18:49 Uhr
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on 12/28/05 um 17:45:06, Siena wrote:......Nehmen wir für einen Moment an,
die Existenz Gottes ließe sich, wie obige Aussagen, jederzeit und überall
nachvollziehen. Sie wäre eine Tatsachenwahrheit. Schon in den ersten
Schulklassen und davor würden wir damit bekannt werden - eine pure
Selbstverständlichkeit......
entschuldige wenn ich hier einsetze,
das können wir in unserer realen Welt leider nicht annehmen, dann müsste
schlicht das Denken abgeschaltet werden.
Aufklärung ist nach Kant sinngemäß
"der Mut zum Benutzen des selbstständigen Denkens"
Salve
[skater]
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Siena am 28.
Dez. 2005, 19:04 Uhr
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In unserer realen Welt können wir vieles annehmen, ohne sogleich den Verstand zu
"verlieren". Auch religiöse Denker nach Kant (z.B Kierkegaard) haben die
Existenz Gottes durchaus als real angenommen.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von
Eberhard am 28.
Dez. 2005, 20:38 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Siena,
Du fragst: Was würde dieses evidente
Wissen um die Existenz Gottes bei dir auslösen?
Das ist einfach zu
beantworten, weil ich selber einmal ein christliches Weltbild hatte. Wenn ich
von der Wirklichkeit Gottes überzeugt wäre, würde ich die Bibel lesen, würde ich
mein Verhalten an den Worten Christi auszurichten versuchen, würde ich zu Gott
beten und vieles andere mehr.
Dieses statische religiöse Weltbild habe
ich – nicht zuletzt wegen der christlichen Sexualmoral - aufgegeben. Auf meine
Fragen hinsichtlich der Beschaffenheit der Welt habe ich nach Antworten gesucht,
die durch intersubjektiv nachvollziehbare Argumente begründet werden können.
Damit war der religiös gestiftete Sinn des eigenen Daseins verloren und es
stellte sich die Frage: Welchen Sinn kann das menschliche Dasein für einen
wissenschaftlich denkenden Menschen haben?
An dieser Stelle unseres
Gedankenaustauschs (von einer Diskussion der gestellten Frage kann man wohl noch
nicht sprechen) erscheint es mir notwendig, das vieldeutigen Wort "Sinn" zu
analysieren und in seiner Bedeutung zu präzisieren.
1. Das Wort "Sinn"
kann zum einen soviel bedeuten wie "Sinnesorgan", etwa wenn man sagt: "Hast Du
denn noch alle fünf Sinne beisammen?"
2. Das Wort "Sinn" kann soviel
bedeuten wie "Verständnis, Aufnahmefähigkeit", etwa wenn man sagt: "Er hat
keinen Sinn für Humor."
3. Das Wort "Sinn" kann soviel wie "Bedeutung"
heißen, etwa wenn man sagt: "Der Sinn dieser codierten Botschaft konnte bisher
nicht entschlüsselt werden."
4. Das Wort "Sinn" kann soviel bedeuten wie
"anerkannter Zweck, bejahtes Ziel, vernünftige Absicht", etwa wenn man sagt:
"Welchen Sinn soll es denn noch haben weiterzukämpfen? Der Krieg ist doch
verloren."
Hierher gehören auch die Wörter "sinnvoll" und "sinnlos".
"Sinnvoll" bedeutet soviel wie "zweckdienlich", etwa wenn man sagt: "Es
erscheint mir sinnvoll, die Suche nach dem Kind fortzusetzen".
"Sinnlos"
bedeutet soviel wie "zwecklos, vergeblich", etwa wenn man sagt:
"Ergebt Euch!
Jeder Widerstand ist sinnlos."
Wenn man nach dem Sinn des
menschlichen Daseins fragt, so kommt vor allem die letzte Bedeutungsvariante
in Betracht.
Was kann "Zweck, Ziel oder Absicht" des menschlichen Daseins
sein? Diese Begriffe setzen offensichtlich ein Subjekt voraus, das mit dem
menschlichen Dasein Zwecke, Ziele oder Absichten verbindet.
Für einen
Menschen, der für alles nach einem Zweck sucht, der immer fragt: "Und wozu ist
das gut?", dem muss die Welt, wie sie sich aus wissenschaftlicher Sicht
darbietet, als "sinnlos" und alles Streben und Bemühen als etwas Vergebliches
erscheinen.
Die Welt ist "zu nichts gut", sie kann es auch nicht sein,
denn es gibt nichts außerhalb dieser Welt.
Auf das Individuum bezogen
erscheint alles Streben vergeblich, denn am Ende ist jeder tot und hört auf zu
existieren.
Und wie Hanspeter feststellt, kann auch die gesamte
Menschheit, ja sogar das gesamte Leben auf der Erde durch Katastrophen von
kosmischen Ausmaßen ausgelöscht werden.
Warum versinken wir trotzdem
nicht in Gefühlen der Sinnlosigkeit und der Vergeblichkeit?
fragt
Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von louisquinze am
28. Dez. 2005, 22:19 Uhr
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Ca y est!
Er war einst ein Christ! Hat es aber aufgegeben nicht zuletzt
wegen der Sexualmoral!
Gerade umgekehrt wie Wir!
Wir haben auf dem
Sterbebett bereut ( und Wir hatten, bei Gott, gar manches zu bereuen!) und die
Dubarry verstoßen! So geht das! Nach Empfang der Sterbesakramente und der hl.
Kommunion konnten Wir also unmittelbar in den Himmel eingehen!
Was sagen Sie
dazu Hanspeter?
Übrigens wieder einmal typisch für Ihre Antworten nur auf
Akzidentelles einzugehen! (Kennen Sie den Unterschied zwischen Wesen und
Akzidens überhaupt? - Nur so ein Gedanke).
Ihr Argument, so wiesen Wir nach,
war formallogisch falsch. Es ist ungültig und bleibt so in Ewigkeit
(gewissermaßen), weil zirkulär. Was unlogisch ist, kann wohl schwerlich
plausibel sein, wie Sie meinen. Mit apriori und Darwin hat das nichts zu tun,
fürchten Wir.
Salutations de l'au delà
LouisXV
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Eberhard am 28.
Dez. 2005, 23:10 Uhr
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Lieber Diskussionsteilnehmer,
Ihre geistreiche Maskerade in allen Ehren,
aber ich finde die Witzchen in dieser Runde als etwas störend. Vielleicht
könnten Sie sich auf die inhaltlichen Argumente zur Sache beschränken.
In
der Hoffnung auf Ihr Verständnis grüßt Sie Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Hanspeter am
29. Dez. 2005, 00:18 Uhr
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Hallo Eberhard,
Nicht so ernst! Ein Späßchen in Ehren sollte niemand
verwehren!
Und im Gegensatz zu manchen anderen Beiträgen kann man Majestät
weder Esprit noch Sachbezogenheit absprechen.
Zum Thema:
Dass du
das Christentum wegen seiner Sexualmoral verlassen hast, ist logisch nicht
leicht nachvollziehbar. Wenn du keine gravierenderen Argumente dagegen hast,
solltest du eine Rückkehr in seinen Schoß ernstlich in Erwägung ziehen. Kommt ja
vielleicht noch mit zunehmendem Alter. [cheesy]
Löblich ist es, den
Sinnbegriff zu klären. Ich habe, ohne dies explizit zu formulieren, Sinn mit
Zweck oder Ziel gleichgesetzt.
Nun deine wohl entscheidende Frage: "Warum
versinken wir trotzdem nicht in Gefühlen der Sinnlosigkeit und der
Vergeblichkeit?"
Ich denke, die Antwort darauf geben weder Philosophie noch
Religion, sondern vorzugsweise die Psychologie. Wir stellen uns diese Frage,
wenn wir in eine "Sinnkrise" geraten, also unsere bisherigen neuronalen
Programme nicht den geplanten Erfolg gebracht haben. Dann versuchen wir, in
unser Handeln eine gewisse Ordnung zu bringen, indem wir nach einem logischen
Konzept suchen. Das kann hilfreich sein, wenn wir unseren persönlichen Sinn des
Lebens klarer als bisher definieren und unsere Anstrengungen für dieses Ziel
verstärken. Gelingt das nicht, wird es schwierig.
Zum Trost: Die
Sinnfrage stellt sich besonders häufig in Zeiten mit einem eklatanten Mangel an
Sonnenlicht. Die noch nördlicher lebenden Menschen greifen dann nicht selten zur
Flasche! Doch uns als denkende Menschen tröstet das Wissen: Die Sonne ist
bereits auf dem Weg in den Norden!! Notfalls hilft vielleicht auch eine
Sonnenbank gegen diese Depressionen. [balloon]
Gruß HP.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Jochen43 am 29.
Dez. 2005, 02:46 Uhr
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Einige Gedanken zum Satz "Sinnvoll" bedeutet soviel wie "zweckdienlich".
Diese Definition kann man gut annehmen. Ok, 'zweckdienlich' ist etwas mehr auf
ein Ziel gerichtet als 'sinnvoll'. Der Sinn schwebt sozusagen eher über dem
Ganzen, ist mehr inhärent.
Nun ist wohl unter Wissenschaftlern gemeinsame
Ansicht, daß die Evolution zweckfrei ist. Ok, Lebewesen (Tiere, Pflanzen u.a.)
verhalten sich so als ob sie einen Zweck verfolgten, z.B. wenn sie Nahrung
aufnehmen, sich fortpflanzen, sich bewegen, Lust suchen usw. Aber die
Ausbreitung des Lebens selbst ist zweckfrei. Wenn man nicht als höchsten Zweck
ansieht, daß es versucht, jede brauchbare Nische zu besetzen.
Für den
Menschen ist das nicht leicht einsehbar, weil dies für ihn eine furchtbare
Wahrheit ist, mit der er nicht fertig wird. Das Dilemma ist ja eben, daß trotz
dieser unbestreitbaren Wahrheit, daß das Leben zwecklos ist, der Mensch
versucht, einen Sinn zu sehen. Das kommt mir aber manchmal so vor, wie das
Erkennen von Strukturen im Strukturlosen, z.B. beim Erkennen von Sternbildern am
Nachthimmel, bei denen wir wissen, daß sie es tatsächlich nicht gibt.
MfG
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Allan_Wegan am
29. Dez. 2005, 03:51 Uhr
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Irgendwo hier wurde mal nach dem Sinn des Lebens gefragt - und ich als wahrer
Egoist glaube ihn zu kennen:
Erstmal die Götterfrage: wozu brauchen
Götter denn Menschen? Höchstens zur Belustigung, denn gerade das soll ja einen
Gott ausmachen, dass er die Macht hat, zu schaffen, was er will. Einstein
behauptete "Gott würfelt nicht" - aber sieht er auch keine Reality-Soaps.
Dann die Arterhaltung: Aber allein wes Grundes? Wozu die Art erhalten, wenn doch
niemand Menschen brauchen kann. Obwohl so als planetarer
Selbstzerstörungsmechanismus könnte sich der Mensch bewären - nur gibt's dafür
auch genug Himmelskörper, die diese Aufgabe noch besser ausführen könnten.
Aber vieleicht gibt es gar keinen Sinn - wie dem auch sei: ich behaupte, es
gibt keinen übergeordneten Sinn und wer einen will, muß sich einen erschaffen.
So sei mein einziger Lebenssinn die Freude. Die Erfüllung des eigenen
Geschmacks. Ein gutes Spiel. eine nette Diskussion. Und weil ich Egoist bin, bin
ich auch an jenen interessiert, die am Gleichen Freude haben, wie ich - denn
jenen soll es auch gut gehen, damit ich mich gern mit ihnen umgebe. Alle anderen
sind mir jedoch egal. Und wenn es mir doch mal Freude macht, jemandem mit
abweichenden Interessen zu helfen, so tu ich auch dies - allein der Freude
wegen.
Aber Religionen haben ihren guten Zweck: sie geben denen Halt, die
sich zu gering vorkommen ohne einen höheren Zweck oder auch denen, die zumindest
die Illusion eines Schutzes wollen.
Ich nutze ja selbst eine große, extrem
alte Religion, um mir selbst Halt zu geben in einer Welt, in der ich jeden Tag
erkenne, was für Ziele andere zu haben scheinen - denn die Folgen stören schon
jetzt massiv. Doch ob man dafür das große Spaghettimonster, die Erdmutter oder
den heiligen Geist nutzt, ist doch eigendlich nur eine Frage des persönlichen
Geschmacks - ja man kann ja selbst die Wissenschaft zur Religion erheben und
sich an jene klammern (und wenn man sich dabei gut fühlt, ist auch dies
legitim).
Ich bin neu hier, aber habe bereits genug gelesen, um noch eine
Bitte zu äußern: Wolfgang_K. antworte mir bitte nicht, denn ich habe zwar schon
viele seiner Beiträge gelesen, aber keinen verstanden. Also entweder ist mir
das, was er schreibt einfach zu hoch oder es ist schlicht kein Inhalt da zum
verstehen. In beiden Fällen kann ich mit seinen Beiträgen schlicht nichts
anfangen.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Siena am 29.
Dez. 2005, 05:38 Uhr
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Guten Morgen Eberhard!
Das statisch religiöse Weltbild hast du aufgegeben
- nicht zuletzt wegen der, so nehme ich an, katholischen Sexualmoral. Und jetzt,
ich genehmige mir zu phantasieren, stellt sich immer wieder die Sinnfrage. Nicht nur
so nebenbei, sondern mit Wucht und Kraft und existentieller Schwere.
Warum immer wieder diese Sinn-frage nach (4. Zweck - Ziel - Absicht)?
Es
scheint so, als könnte es der Mensch mit seinen selbstgeschöpften Zielen und
Absichten nur schwer aushalten.
Ich phantasiere wieder: Der Sinn meines
Lebens ist: Gutes zu tun. (Ich möchte hier in der gebotenen Kürze nicht den
Begriff "Gutes" auseinanderlegen im Gegenhalt etwa zum Bösen - das alles ist
sehr ungeklärt).
Gott ist für mich tot- das wissenschaftliche Weltbild
triumphiert - der Tod ist mir gewiss - die steinernen Tafeln zerbrochen und da
ergibt es sich eines Tages, dass ich für mich entdecke: Wenn ich mein Leben lang
versuche, Gutes zu tun, allen Dingen und Lebewesen mit Achtung, Würde und Liebe
begegne, und zwar in allernächster, mich betreffender Nähe, dann ist das der
gesuchte "Zweck" und Sinn meines Lebens. Es lohnt sich, so zu leben, auch wenn
mein Leben eines Tages in der dunklen Grube jäh endet. Es lohnt sich, weil ich
mithelfen kann, in unsere unvollkommene Welt ein wenig Freude und Glück zu
bringen - strahlende Kinderaugen, ein Lächeln der bedrängten Kreatur - zu Zeiten
einfach ein gutes Gefühl - sinnvolles Leben.
Allein, wenn da nicht gerade
wieder dieses verdammte religiöse Weltbild bei der soeben zugeschlagenen
Gottestür hereinkäme. Denn die christliche Botschaft - ist im Grunde Liebe (ich
entschuldige mich gleich im Vorhinein: Alle hier gebrauchten Begrifflichkeiten
sind längst nicht hinreichend auseinandergelegt).
Ich muss mich doch als
Aufklärungsmensch abgrenzen können gegen diese christliche Moral. Liebe hier und
Liebe dort. Denn, wenn ich für mich die Liebe entdeckt hätte, dann könnte es
doch sein, dass ich mit einem Bein, ohne dass ich mir das eingestehen mag, schon
wieder im Paradiese befinde und das ist doch seit dem Begräbnis Gottes
un-möglich.
Nun, wir halten den Abstand zur Mumie Gott und leben
"liebend", bis dass der Tod uns beendet.
(Dieses Verhalten gibt mir auch
noch die Sicherheit, beim "Jüngsten Gericht" anzugeben: Lieber Gott, ich habe
zwar zeitlebens an dir gezweifelt, aber du siehst wohl , dass ich "liebend"
gelebt habe - so, wie dein Sohn es einst verkündet hat - also berücksichtige das
in deinem Urteil)
Lieber Eberhard, warum können wir dieses liebende
Ideal, das dem christlichen "unendlich nahe" ist, nicht als unbezeifelbaren Sinn
und Zweck des Lebens leben? Oder können wir das? Warum fragen wir weiter, obwohl
wir alle längst wissen, in einem eigentümlichen Wissen, dass dies der gesuchte
Sinn ohne Zweifel sein kann? Warum dann immer wieder der "Zweifel"?
Hat
es damit zu tun, dass die christliche Botschaft, das Gute zu tun, ohne
Transzendenz letztlich schal und leer wird?
Transzendieren ohne Transzendenz
- ein sich im Kreise drehen?
Du hast das christliche Weltbild aufgegeben?
Auch das Dasein Gottes?
Hast du das römisch/katholische Weltbild aufgegeben?
Und heißt das zugleich: Gott begraben müssen? Ist der verkündete Gott der Gott
des Nazaräners?
Was heißt "Gewissheit"? Gott nach wissenschaftlichen
Methoden beweisen wollen - nicht möglich. Gott gewiss zu sein, in einem
eigentümlichen Gewiss sein - letztlich vielleicht un-umgänglich - letztlich
vielleicht(ich bin sehr unsicher) - nach langen Jahren des Zweifels, des
Suchens, des Auskunft holens bei den Denkern - ein Gefühl mehr eigentümlicher
Art, das du kennst, mit dem du bekannt bist (Bruder Eichendorff)?
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von Einwurf am 29.
Dez. 2005, 20:14 Uhr
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Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Einen?
5 hat es: Riechen
Schmecken Tasten Sehen Hoeren
Und diese 5 sind es alleine, auf deren
Grundlage wir Menschen den Sinn des Seins ermitteln und ableiten
wollen,muessen, koennen.
Nicht mehr und nicht weniger!
Und alles
was wir nicht erfahren koennen, das koennen wir auch nicht denken.
Tja - wir
sind eben mit beschraenktem Horizont versehen :-)
P.S.
Prometheus
brachte das Feuer auf die erde, indem er es vorher den Göttern (Zeus) entriss.
Er befreite den Menschen vom Mythos, er ist der Anfang der Philosophie. Und
Philosophie heisst: Angst (hier vor dem Feuer) [bookworm] ueberwinden.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von
Eberhard am 29.
Dez. 2005, 21:12 Uhr
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Hallo allerseits,
vorweg möchte ich Euch für Eure Beiträge bedanken, die
mir viel gebracht haben.
Warum versinken wir nicht in einem Gefühl der
Sinnlosigkeit?
Als Sigmund Freud seine religionskritische Arbeit: "Von
der Zukunft einer Illusion" veröffentlichte, fragte Romain Rolland, mit dem
Freud im Briefwechsel stand, (sinngemäß) zurück: "Aber was ist mit dem
ozeanischen Gefühl?"
Die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins
kann man auf verschiedenen Ebenen stellen: Einmal auf der individuellen Ebene
(seinem Leben einen Sinn geben). Dies will ich hier nicht weiter vertiefen. Auf
dieser Ebene liegt wohl auch der psychotherapeutische Bezug zum Gefühl der
Sinnleere als Depression.
Es gibt daneben aber auch eine umfassende
Ebene, bei der man die Welt und sich selbst gewissermaßen unter dem Blickwinkel
der Ewigkeit (sub specie aeternitatis) sieht. Etwa wenn man in einer sternklaren
Nacht die aus unendlicher Ferne und Vergangenheit zu uns leuchtenden
Himmelskörpern erblickt. Die Sorgen und Wünsche des Alltags verlieren in dieser
Perspektive an Wichtigkeit und man wird einbezogen in diese Unendlichkeit.
Ähnlich, wenn man sich selber aus dieser umfassenden Perspektive sieht, als
jüngstes Glied in einer schier unendlichen Kette von Fortpflanzungen, die seit
Milliarden von Jahren billionenfach in dieser Welt geglückt sind, wenn man sich
als Mitwirkender dieses Prozesses sieht, der eine aufregende Vergangenheit
hinter sich und eine noch ungeahnte Zukunft vor sich hat.
Derartige
bejahende Einstellungen zu einem sinnerfüllten Dasein kann ein Mensch sich
bewusst machen und erleben, ohne dass er zuvor seinen rationalen Intellekt und
sein wissenschaftliches Denken zum Opfer gebracht haben muss.
Diese noch
bruchstückhaften Gedanken sollen andeuten, in welcher Richtung ich eine
Sinnerfülltheit des menschlichen Daseins sehe.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? I
Beitrag von louisquinze am
29. Dez. 2005, 23:27 Uhr
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L.S.
Sehr zu Recht hat einmal Mme du Barry, - oder war es Eberhard? die
Präsentation Unserer Gedanken als eine geistreiche Maskerade bezeichnet.
Vor allem das "geistreich" trifft ja wohl den Sachverhalt.
Bei den
Beiträgen dieses, - nein, - nun sind Wir Uns ganz sicher, er hieß Eberhard, ist
gerade das genaue Gegenteil der Fall. Es sind: Demaskierungen der
Geistlosigkeit, und, was noch schwerer wiegt der Gottlosigkeit.
Wir
hatten ja bereits auf das Zirkuläre der Argumentation vom Sinn der Fortpflanzung
hingewiesen. Das tun ja die Schweine auch! Wenn also das Resultat in sich nicht
sinnvoll ist,
- bleiben wir durchaus beim Menschen - , kann auch das wie
immer zu verstehende Ganze nicht sinnvoll sein. Fehlen die Sinngestalten im
Einzelnen, so fehlen sie auch dem All des Seins.
Wirklich und wahrhaftig,
der Intellekt wird hier einer vermeintlichen Wissenschaft, einem
Wissenschaftsaberglauben geopfert.
Dieser sinnentleerte Kosmos soll zu einer
positiven, lebensbejahenden Einstellung führen.
Nun, Wir wünschen Ihnen
dazu fortune
Lq
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von
Eberhard am 30.
Dez. 2005, 11:44 Uhr
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Hallo allerseits,
auch wenn hier mit Schimpfworten um sich geworfen wird
wie "Geistlosigkeit", "Demaskierung der Gottlosigkeit" und
"Wissenschaftsaberglauben" will ich inhaltlich weitermachen. Diese
Geistreicheleien werden uns wohl noch eine zeitlang begleiten. Ich kenne dies
bereits aus einer anderen Diskussion. Dahinter steht möglicherweise der Neid auf
diejenigen, die eigene Gedanken entwickeln und nicht nur schulmeisterlich mit
ihrer Belesenheit posieren. Doch zurück zum Thema.
Hat das menschliche
Dasein einen Sinn?
Mir scheint es notwendig, diese Frage noch einmal
methodisch zu reflektieren und allgemein die Möglichkeiten zur Beantwortung von
Sinnfragen zu klären.
Sinnfragen von der allgemeinen Form "Welchen Sinn
hat y?" verlangen nach einer Antwort von der Form "y hat den Sinn x".
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Alltag. Welchen Sinn hat es, dass am Lenkrad
eine Stelle ist, bei der ein lauter Hupton ertönt, wenn man darauf drückt?
Nehmen wir an, das sprichwörtliche Wesen vom andern Stern, genannt E.T., fragt
nach dem Sinn dieser Vorrichtung.
Durch eine noch so gründliche
Untersuchung der Vorrichtung lässt sich deren Sinn nicht bestimmen. E.T. fragt
nun den Konstrukteur des Autos und der antwortet: "Diese Vorrichtung, man nennt
sie Hupe, hat den Sinn, bei Gefahr andere Verkehrsteilnehmer zu warnen." Zur
Bestimmung des Sinns von etwas scheint also immer der Bezug zu einem Subjekt
erforderlich.
Als E.T. den Straßenverkehr beobachtet, wundert es sich,
denn da wird offenbar gehupt, auch wenn keine Gefahr zu bemerken ist. Manche
Autofahrer drücken mit der Hupe offenbar ihren Unwillen über das Verhalten
anderer Verkehrsteilnehmer aus. Für sie hat die Hupe also noch einen anderen
Sinn.
Eine Ausnahme scheinen selbsterhaltende Systeme zu bilden, bei
denen sich scheinbar ein "objektiver" Sinn der einzelnen Organe bestimmen lässt.
So kann man durch eine Beobachtung der Nieren eines Kaninchens und der Vorgänge
darin zu dem Schluss kommen: "Der Sinn der Nieren ist es, schädliche und nicht
verwertbare Stoffe aus dem Körper auszuscheiden."
Allerdings setzt dies
voraus, dass man als Bezugspunkt eine bestimmte Systemebene und dessen Erhaltung
auswählt. Nimmt man als Bezugspunkt z.B. das umfassendere ökologische System,
dann ist das Kaninchen samt Nieren Nahrung der Wölfe.
Auch hier steht
also im Hintergrund der Bezug zu einem Subjekt. Die Frage ist, ob es deshalb
keine allgemeingültigen Antworten auf Sinnfragen geben kann, sondern immer nur
Aussagen über den Sinn für bestimmte Subjekte.
Dann müsste man unser
Thema umformulieren in die Frage: "Welchen Sinn kann man dem menschlichen Dasein
geben?"
Die weiterführende Frage ist dann, was denn Kriterium für die
richtige Beantwortung einer Sinnfrage ist, wenn es nicht wie bei faktischen
Fragen die Wahrnehmung ist.
Mit diesen offenen Frage grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
30. Dez. 2005, 14:56 Uhr
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Hallo Eberhard,
deine Überlegungen zum Sinnproblem leuchten mir ein,
ebenso die Reduzierung auf die Frage: "Welchen Sinn kann man dem menschlichen
Dasein geben?"
Man könnte die Frage ganz einfach statistisch lösen,
indem man x Menschen befragt, welchen Sinn sie ihrem Leben zuerkennen. Dabei
besteht sicher die Neigung, altruistischen Sinngebungen den egoistischen verbal
den Vorzug zu geben.
Wobei fast alle altruistischen Sinngebungen in
Wirklichkeit eine egoistische Basis haben (Erfüllung göttlicher Forderungen zur
Erlangung des Ewigen Lebens, Steigerung des Ansehens in der Öffentlichkeit,
Selbstverwirklichung usw.).
Daraus folgt aber bereits der Verdacht, der
Sinn des Lebens besteht darin, die neuronalen Programme abzuarbeiten, die man
aufgrund seines Genoms und seiner Erziehung bekommen hat. Und schon sind wir
beim Erhalt der Menschheit oder, nach R. Dawkins, beim Erhalt der Gene. Und bei
der Frage, ob wir überhaupt eine Freien Willen haben, unserem Leben einen Sinn
zu geben.
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 30.
Dez. 2005, 16:31 Uhr
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Guten Tag Eberhard und alle Teilnehmenden!
Ich möchte mit einer
Einschränkung beginnen. Ich möchte den christlichen Gott und alle Religionen als
Sinnstiftung (einklammern).
Ich beschränke mich auf deine Eingangsfrage: Hat
das menschliche Dasein einen Sinn?
Diese Frage ist seltsam.
1. Die
Frage kann so verstanden werden, dass das Dasein des Menschen in sich - als
solches - einen Sinn "hat" ( ich möchte hier betont sagen: "sinn-voll" ist). Es
braucht also nicht außerhalb des Daseins nach einem objektiven Sinn gesucht
werden, sondern das Dasein ist als solches "Sinn". "Ist" Dasein - ist zugleich
"Sinn". Dasein ist Sinn. Dasein "hat" einen Sinn, weil es Sinn "ist".
Zwischenstand: Hat das Dasein einen Sinn, oder muss es ihn erst suchen - suchen
als ihm nicht Zugehöriges? Dieses Suchen ist, so glaube ich, zumeist die
Intention für diese Frage. Das leitet über zu:
2. Die Frage kann aber
auch so genommen werden, wie sie üblicherweise genommen wird: als Frage nach
einem "Etwas" - das ein Suchen voraussetzt. Dieses Suchen findet dann zu Zeiten
ein Objekt - genannt Sinn. Dieses Objekt Sinn gilt schon in der Frage als
Gesuchtes, das wie alles Gefundene in der Welt der Dinge verwaltet werden kann.
Die Frage (verkürzt) Was ist Sinn? sucht eine Antwort in der formalen
Fassung: Sinn ist x!
Das Ergebnis, die Antwort, wie immer sie auch ausfallen
mag, wird derart sein, dass sie "als" ein vorhandenes Objekt genommen - gelagert
und weitergereicht wird. So wird Sinn etwas Objektives, außerhalb des Daseins
gesucht und in diesem Verfahren entweltlicht. (Aber ich greife viel zu weit vor)
3. Ist man erst einmal auf der Suche nach objektivem Sinn, dann könnte es
sein, dass man schon verlassen hat, was in sich je Sinn hat.
4. Die Suche
nach Sinn kann dann nur so viel (für mich) bedeuten, dass ich nie außerhalb
meiner selbst nach Sinn suche. Sinn finde ich nur, wenn Dasein ist - wenn ich
"eine Verwandlung meiner selbst in das Da-sein vollziehe"! Ich kann suchen, was
ich will, wenn nicht zuvor diese Verwandlung in ein Dasein geschieht, werde ich
niemals Sinn verstehen und somit in einer eigentümlichen Weise gefunden haben.
Gefunden habe ich aber nur, was (wiederum vermutlich) schon im Dasein als
solchem da "ist".
5. Die These: Sinn ist - wenn Dasein existiert, ist
eine reine Erfindung - und auch im Grunde nichts wert.
Die Frage: Hat das
menschliche Dasein einen Sinn? wird von mir so beantwortet: Ja, das menschliche
Dasein "hat" einen Sinn, weil es dieser Sinn selbst ist.
6. Sinn hat
daher nur in Bezug (wie Eberhard gemeint hat) auf ein Subjekt - ich möchte
lieber sagen Dasein) eine Berechtigung. Existiert Dasein nicht, ist auch kein
Sinn.
7. Die obigen Sätze haben mich nicht überzeugt.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von
Eberhard am 30.
Dez. 2005, 18:27 Uhr
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Hallo allerseits,
Welchen Sinn hat das menschliche Dasein, das Leben, die
Welt als Ganzes?
Hierzu thesenartig ein paar Gedanken.
Die Welt
als Weltall hat keinen Sinn, braucht keinen Sinn, kann keinen Sinn haben. Das
All kann nicht Zweck für etwas anderes sein, denn es gibt neben dem All nichts
anderes.
Welchen Sinn hat das organische Leben auf der Erde? Ist der
Sinn des Lebens die ständige Entwicklung zum Höheren bis zur Vollkommenheit?
Es gibt niemanden, der dem Leben diesen Zweck gegeben hätte. Das organische
Leben ist allerdings so beschaffen, dass tatsächlich immer komplexeres Erbgut
entsteht, weil die DNS-Moleküle immer mehr Nukleinsäuren an sich binden können
und länger und länger werden.
Ist der Sinn des organischen Lebens
die Erhaltung des Lebens?
Es gibt niemand, der dem organischen Leben
diesen Zweck gegeben hätte. Das Besondere am Leben, das was Lebewesen von der
leblosen Materie unterscheidet, ist die Fähigkeit, sich selbst zu
vervielfältigen. Und in den Milliarden Jahren, seit Leben auf der Erde
existiert, haben sich diejenigen Varianten erhalten, die dabei erfolgreich
waren.
Sofern es sich um Organismen mit einem Willen handelt, ist der
Wille zur Fortpflanzung und Selbsterhaltung sicherlich eine Bedingung dafür,
dass diese Art sich fortpflanzt. Eine Spezies, die keinen Willen zur Erhaltung
und Fortpflanzung hat, die also Todesgefahren liebt und Kinder hasst, wird bald
von der Bildfläche verschwunden sein.
Was kann dem Leben eines
Menschen einen Sinn geben? Was gibt einem Menschen Befriedigung und ein
Selbstwertgefühl? Was füllt ihn aus, was bereichert ihn?
Ein Leben kann
Sinn bekommen dadurch, dass man spürt, dass man gebraucht wird, dass man nicht
überflüssig ist, dass man anderen etwas bedeutet, dass man ihnen helfen kann,
dass sie einem dankbar sind.
Jeder Mensch braucht eine Aufgabe, ein
Projekt, eine Hoffnung, ein Ziel, etwas um das er sich kümmert und sorgt.
Der Mensch als von Natur aus auf Geselligkeit und Kooperation angelegtes
Säugetier braucht das Du, nicht nur als sexuelles Wesen, sondern auch als
familiär lebendes Wesen. Ein Mensch will sich mitteilen, will verstanden werden,
ein Mensch braucht die Anerkennung und die Achtung der ihn umgebenden Menschen.
Seine Projekte werden nicht sinnlos, weil er weiß, dass er sterben wird. Er
weiß ja zugleich, dass das Leben weitergeht. Jedes Kind das geboren wird, ist
dafür eine Versicherung. Sein Leben – auch wenn es begrenzt ist – trägt auf
seine Weise zur Zukunft der Menschheit bei.
Wer ein erfülltes Leben
hatte, kann getrost sterben. Er weiß, dass zum Leben der Tod gehört. Ohne neue
Generationen mit neuen Ideen und neuen Orientierungen würde das Leben erstarren
und - unfähig zur Anpassung an sich verändernde Lebensbedingungen - zugrunde
gehen.
Es grüßt alle Nachdenklichen und Mitdenkenden Eberhard.
p.s.: Den Beitrag von Siena sehe ich erst jetzt.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von louisquinze am
30. Dez. 2005, 22:30 Uhr
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@eberhard
Ihre Darlegungen sind nichts als seichter Positivismus. Daß
dies alles abgeschrieben ist, ist deutlich. Von orginärem Denken kann hier ja
wohl keine Rede sein. Gut, ich will Ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie
schreiben alles recht nett hin.
Zu behaupten, Wir wollten mit Unseren
Beiträgen bloß angeben, Sie dagegen wollten edle Belehrung der Masse, oder
denken Sie an eine Elite?, ist ja wohl fadenscheinig.
Sie bereiten Ihre
Beiträge von vornherein vor und senden dann nach und nach Ihre Post ab, ohne
überhaupt irgendetwas zu beachten, was an Antworten und Repliken ankommt. Sie
sind wie jemand, der zuvor etwas in einem Konversationslexikon gründlich
studiert und später darüber eine Diskussion anfängt. Wer ist hier jetzt der
große Angeber?
Überdies Ihre Thesen sind nichts weiter als reine
Glaubensartikel und Dogmatismus.
Und dann, was gebrauchen Sie denn für
lustige Schimpfwörter bei sich zuhause: Zu Ihrer Gemahlin (Gespielin?) :"du
Wissenschaftsabergläubige!" Ihre Kinder antworten Ihnen, wenn Sie besonders
frech sein wollen wahrscheinlich: "Papa, du gottlose Demaskierung" [cheesy]
mfg
Lq
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
30. Dez. 2005, 23:34 Uhr
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Danke, Eberhard, für diesen "seichten Positivismus"! [applause] [applause]
[applause]
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 31.
Dez. 2005, 08:56 Uhr
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Hallo allerseits,
Ich muss wohl erklären, warum ich auf die Beiträge von
Wolfgang K. nicht eingehe. Ich habe das einmal versucht, jedoch ohne irgendein
brauchbares Ergebnis. Das ist auch nicht überraschend, denn wer glaubt, die
Regeln der Logik abtun zu können, der hat von vornherein die Grundlage jeder
Erkenntnis zerstört, denn widersprüchliche Antworten sind gar keine Antworten.
Ich schrieb in einer früheren Diskussion an Wolfgang K.:
"Du
rätst mir, jenseits des unterscheidenden Denkens zwischen 'richtig' und 'falsch'
zu sein und mich von der begrenzten Logik zu befreien.
Und Du fährst
fort: "Die EINE WAHRHEIT wird nicht mit Denken erkannt oder gefunden, sondern
jenseits des unterscheidenden Denkens und ist daher auch nicht in WORTEN
formulierbar."
Damit habe ich jedoch meine Probleme. So möchte ich die
Unterscheidung zwischen 'richtig' und 'falsch' nicht gerne aufgeben, denn das
könnte lebensgefährlich werden. Denk nur mal an den Fall, dass ich einen
defekten Lichtschalter auswechsele in der Annahme, die Drähte stünden nicht mehr
unter Strom – und diese Annahme sei nicht richtig sondern falsch.
Du
sprichst dann von der EINEN WAHRHEIT, die nicht in Worten formulierbar ist und
jenseits des unterscheidenden Denkens zu finden ist.
Hier verwendest Du
das Wort 'Wahrheit' offenbar nicht im üblichen Sinn, etwa wenn man eine
strittige Behauptung als 'wahr' bezeichnet. Denn Behauptungen sind in Worte
formulierte Sätze.
Deine Verwendung des Wortes 'Wahrheit' zur
Bezeichnung von etwas, das jenseits der gedanklichen Unterscheidung von richtig
und falsch gefunden wird, geht am üblichen Verständnis von Wahrheit schließlich
völlig vorbei.
Man verwendet das Wort 'Wahrheit' doch gerade zur
Auszeichnung dessen, was sich für alle und dauerhaft bewährt hat, im Unterschied
zu Irrtum und Lüge. (Wahrheit ist eben deshalb einer der zentralen Werte –
insbesondere für Philosophen.)
Warum verwendest Du trotzdem das Wort
'Wahrheit' bei der Bezeichnung Deiner Weltsicht?"
Zum Abschluss
noch eine kleine Kostprobe aus meiner Diskussion mit Wolfgang K.:
"Hallo
Wolfgang, Du hattest geschrieben: "Ich ist die einzige unzerstörbare Realität."
Daraufhin hatte ich gefragt, ob das heißen soll, dass ich nicht durch
starkes Rauchen an Krebs sterben könne.
Darauf hast Du mit der
Gegenfrage geantwortet: "ICH kann doch nicht rauchen, oder?"
Meine
Antwort auf Deine Frage: Ich rauche. Und damit kann ich auch rauchen.
Dem hältst Du die Frage entgegen: "Wer raucht denn? DU (also ICH) oder Dein von
Dir (ICH) wahrgenommener Körper?"
Meine Antwort auf Deine Frage: Ich
rauche. Es wäre nicht richtig zu sagen: Mein Körper hat gestern 33 Zigaretten
geraucht.
KLARHEIT & WAHRHEIT "
Wolfgang K. antwortete nicht
mehr.
Alles klar? fragt Eberhard.
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Titel: Re: Kann es einen objektiven Sinn geben?
Beitrag von doc_rudi am 31.
Dez. 2005, 09:57 Uhr
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Hallo,
über subjektive Sinngebung durch das Individuum kann man schlecht
streiten. Jeder mag da seine Antwort haben, wie auch immer er sich nennt.
Mein Versuch, objektive Antworten zu finden (#21), wird vermutlich von Euch und
von Eberhard auch als subjektive Meinung angesehen. Eberhard braucht eigentlich
weder zu erklären, warum er Herrn X, noch warum er mir nicht antwortet.
Er
könnte jedoch seine Ansicht dem entgegensetzen,
oder die Frage beantworten,
ob es eine objektive Antwort geben kann oder nicht.
Und wenn nicht, warum
nicht.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 01.
Jan. 2006, 07:34 Uhr
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Die Eingangsfrage: "Hat das menschliche Dasein einen Sinn?"
Die Frage ist
nicht nur eine Ziel-frage, sondern auch eine des Ur-sprungs und das in
mehrfacher Hinsicht.
Eine Hinsicht leitet zu der Frage:
Wie kommt es,
dass wir Menschen diese Frage überhaupt fragen?
Fragen wir: *als nur
so hinfragendes Fragen (freischwebend)
*weil der Bezug zum Alltäglichen
(tätigkeitsbezogene Welt) unterbrochen ist
*als Folge einer
psychischen Erkrankung
(Neurose,...)
*weil uns wesentlich das
Transzendieren eignet
(als metaphysische Wesen)
*weil wir unser Sein
als sinn-los erleben - als
sinn-entleert
Viktor E. Frankl (*Begründer
der Logotherapie - der sinn-zentrierten Therapie) war zeitlebens dem Sinn
verpflichtet. Ich möchte versuchen, seine Lehre vom Sinn hier verkürzt und daher
in aller Lückenhaftigkeit einzubringen.
SINN bei Viktor E. Frankl:
Im Kapitel 12 (aus: "Der unbewusste Gott", S. 83, dtv - 1992) "Der Mensch
auf der Suche nach einem letzten Sinn" - kommt Frankl auf das Wesen des Menschen
zu sprechen.
"Im Rahmen eines solchen Bildes vom Menschen (Autor: gemeint
ist die Theorie der Freudschen Psychoanalyse) fehlt jedoch nicht mehr und nicht
weniger als jenes fundamentalontologische Charakteristikum menschlichen Daseins,
das ich als die Selbst-Transzendenz der Existenz bezeichnen möchte" (eda, S.
83).
Fundamentalontologisches Charakteristikum = Selbst-
Transzendenz
des Daseins
In Heideggers Sprache handelt es sich hier um ein
Existenzial. Was heißt Selbst-Transzendenz des Daseins bei Frankl?
Transzendenz = über sich selbst hinaus sein
= auf etwas verweisen, das man
nicht selbst ist
(auf etwas hin -
auf jemanden hin) (vgl. S.83)
Folgen:
je schon - auf Welt hin orientiert sein
- auf die Welt da "draußen"
-
innerhalb dieser Welt: Suche nach SINN
und dessen Erfüllung (in einer Sache
-
in einer Person)
[Ich möchte hier nicht den Weltbegriff von Frankl
kritisch betrachten - mir geht es hier nur um eine Darlegung]
Frankl
spricht hier auch von einem "präreflexiven ontologischen Selbstverständnis"
(vgl. S.83).
Sofern der Mensch existiert, ist er sogleich durch ein
Sinnbedürfnis ausgezeichnet. Frankl spricht vom "Willen zum Sinn" (vgl. S.84).
[Dieser Wille zum Sinn wurde von der Freudschen Theorie, wie auch von der
Individualpsychologie A. Adlers ignoriert]
Für mich ist hier nur das eine
wichtig: Das Wesen des Menschen ist durch einen "Willen zum Sinn" ausgezeichnet
- ein präreflexives Seinsverständnis - a priori Sinnbedürfnis.
Dieser
Wille kann "frustriert" werden (vgl. S.84.
Folgen: *Langeweile
*Gleichgültigkeit
*existentielles Vakuum
Diese Formen der
Sinn-losigkeit können einheitlich als "soziogene Neurose" (vgl. S. 85)
bezeichnet werden.
Ursachen für diese Neurose:
*moderne
Industriegesellschaft
*Konsumgesellschaft
*möglichste
Bedürfnisbefriedigung
*Urbanisierung, Entwurzelung
*Entfremdung usw. (vgl.
S. 85)
Das Sinnbedürfnis geht "leer" aus.
Was bedeutet SINN bei
Frankl?
SINN = konkreter Sinn
konkreter Sinn einer Situation, mit der
eine konkrete Person konfrontiert wird (vgl. S. 85)
[Sinn bedeutet
bei Frankl nie "abstrakter" Sinn - das ist sehr wesentlich, da SINN sich hier
nur konkret "erfüllen" kann - anders gewendet: Spekulationen über Sinn sind hier
in sich "sinn-los"]
Wie ist dieser SINN wahrnehmbar?
SINN-wahrnehmung: 1. Gestaltwahrnehmung (auf dem Hintergrund der Wirklichkeit
leuchtet eine Möglichkeit auf , die gegebene Situation so oder so zu "gestalten"
(vgl. S. 86)
2. Gleichursprünglich ist dieser Wahrnehmung ein sogenanntes
"Aha-Erlebnis"
Welche Wege gibt es nach Frankl, SINN zu erfüllen?
3 Wege zum SINN: 1. Tat (Werkwelt)
2. Erlebnis (z.B. Liebe)
3.
Einstellungsänderung (z.B. bei unheilbarer Krebserkrankung seine
Einstellung zu sich und zur Welt ändern)
Diese Wege kann man wiederum als
"konkreten SINN" bezeichnen.
Zu diesem "konkreten SINN", sozusagen als
menschliche Möglichkeit, tritt ein "universaler SINN".
Der "universale
SINN" betrifft die Fragen nach Gott, End-SINN, umfassenden SINN - SINN des
Lebens als eines Ganzen (vgl. S. 88).
Der "universale SINN" ist nach
Frankl:
1. un-wissbar (kein wissenschaftliches Verfahren kann hier
positives Wissen vermitteln)
2. nicht un-glaublich
"Der Glaube
ist nicht ein Denken, vermindert um die Realität des Gedachten, sondern ein
Denken, vermehrt um die Existentialität des Denkenden" (eda., S. 92).
Was
ist hier gemeint?
Ich frage hier unsere Eingangsfrage: "Hat das
menschliche Dasein einen Sinn?"
Im Angesicht dieser Frage versagt sich
jeder wissenschaftliche - intellektuelle Zugriff.
Trotzdem ist dieser
Frage gegenüber eine "existentielle Entscheidung" möglich (vgl. S.91). Wir
können "...noch immer das Gewicht unseres eigenen Seins in die Waagschale pro
werfen, und daß heißt eben sich für die eine der zwei Denkmöglichkeiten
entscheiden" (eda., S. 91).
Das Dasein hat einen SINN (pro)
Das
Dasein hat keinen SINN (contra)
Intellektuell ist hier nichts zu
beweisen.
Der sinn-gläubige Mensch entscheidet sich für die Zustimmung -
so zu handeln, als hätte das Leben einen unendlichen, getragenen, über unser
Fassungsvermögen hinausliegenden SINN (vgl. S. 92).
Der
nicht-sinn-gläubige Mensch entscheidet sich für? - das bleibt hier die große
Frage. Diese Frage bleibt offen.
Frankl geht aber, und das sei hier nur
ein Hinweis auf eine mögliche Antwort, davon aus, dass der Mensch "...im Grunde,
in der Tiefe des Unbewußten, eigentlich jeder von uns zumindest im weitesten
Sinne des Wortes gläubig ist, mag dieser sein Glaube auch noch so sehr verdrängt
und verschüttet worden sein" (eda., S. 97).
Die SINN-Frage ist hier nach
Frankl in nächster Nähe zum Glauben motiviert. Atheisten sind für Frankl im
Grunde verkappte Gläubige, die mit derselben Intensität nach einem SINN des
Daseins suchen können, wie deklarierte Gläubige.
Frankl definiert
Religion als "...Erfüllung eines Willens zum letzten SINN" (eda. 98).
Frankl spricht hier überall, und das möchte ich betonen, nur von einer
"Erfüllung" des letzten SINNES. Über die Existenz eines Gottes an sich ist hier
überhaupt nichts ausgesagt.
Und so überlässt hier Frankl das Schlusswort
in jeder Hinicht dem Theologen, oder, wie ich hier sagen möchte, jedem
Einzelnen, der "pro" SINN in den Glauben springen kann.
Das Schlusswort
soll Viktor Frankl haben - er beendet das Kapitel mit den Worten: "...Und sollte
es Gott geben, so bin ich sowieso überzeugt, daß er es nicht weiter übelnimmt,
wenn ihn jemand mit einem Selbst verwechselt" (eda., S. 100).
[Ich
möchte mich in weiteren Gedankengängen mit dem beschäftigen, was Frankl die
"Selbst-Transzendenz der Existenz" bezeichnet. Dieses Existenzial ist für ihn
Ur-sprung und Ausgangspunkt für seine Überlegungen.]
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 01.
Jan. 2006, 13:52 Uhr
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Hallo allerseits,
allen ein gutes Jahr 2006! Auch in 2006 soll das Ziel
Wahrheit und Klarheit sein!
In diesem Sinne zu der Theorie ICH = DU etc.
"Ich" ist in unserer Sprache das Personalpronomen der 1. Person singular.
"Ich" kann anstelle des Namens des jeweiligen Sprechers eingesetzt werden.
"Ich" ist also eine Variable, die je nach dem Kontext verschiedene
Bedeutungen annehmen kann. Wenn Eberhard sagt: " Ich nehme manche Beiträge in
Philtalk als das weiße Rauschen des Internet", dann bedeutet "ich" "Eberhard".
Wenn Karl-Otto sagt: "Ich finde manche Beiträge im Philtalk ätzend", dann
bedeutet "ich" "Karl-Otto".
Aus der Tatsache, dass "ich" je nach Kontext
einmal bedeutungsgleich mit "Eberhard" ist und das andere Mal bedeutungsgleich
mit "Karl-Otto", folgt aber keineswegs, dass Eberhard zugleich Karl-Otto ist und
dass Eberhard deshalb zu Karl-Otto sagen könnte: "Ich bin Du."
Neben der
Bedeutung als Personalpronomen ist mir "Ich" als Substantiv nur noch aus der
Theorie der Persönlichkeit von Sigmund Freud bekannt. Freud sah die
Persönlichkeit als unterteilt in die drei Instanzen Ich, Es und Über-Ich an,
wobei das Ich das Realitätsprinzip verkörperte, also das bewusste Erkennen und
Wollen. Dass die Theorie "ICH=DU etc." sich auf Freud bezieht, ist aber wohl
auszuschließen.
Die Theorie "ICH" = "DU" etc. beruht also auf einer
Verletzung der geltenden Regeln unserer Sprache, da diese Begriffe in ihrer
Bedeutung auch nicht definiert wurden, um neue Regeln ihres Gebrauchs
einzuführen.
Mit dieser kleinen Übung in analytischem philosophischem
Denken grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von
Eberhard am 02.
Jan. 2006, 09:57 Uhr
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Hallo allerseits,
entschuldigt bitte die Abschweifung vom Thema, aber
angesichts wiederholter umfangreicher Darlegungen einer ICH=DU–Philosophie in
dieser Diskussionsrunde schien mir eine Klärung notwendig.
Auf meine
Kritik der ICH=DU-Philosophie gibt es – wie jeder oben sehen kann - als
Erwiderung kein einziges Argument und noch nicht einmal den Versuch einer
Widerlegung. Stattdessen kam nur ein Schimpfwort ("Kindergarten-Logik) verbunden
mit zig Zeilen von der zur Genüge bekannten Art, bestehend aus "non-verbalen"
Antworten, Sätzen ohne Sinn, Zitaten aus einem Thomas-Evangelium und
irgendwelchen aus dem Zusammenhang gerissenen Äußerungen von Nobelpreisträgern.
Demgegenüber möchte ich noch einmal deutlich machen, um was es bei einer am
Ziel der Erkenntnis orientierten Diskussion geht.
Wir haben Fragen und
wir suchen nach Antworten auf diese Fragen. Dabei suchen wir nicht irgendwelche
Antworten, sondern die richtigen. "Richtig" heißt dabei immer "allgemein
richtig".
[Es sei denn, es handelt sich um Fragen, auf die es keine
allgemein richtigen Antworten geben kann wie z.B. Geschmacksfragen ("Schmecken
Weinbergschnecken gut?") oder sinnlose Fragen ("Was ist die non-verbale Antwort
auf die Frage: Wer bin ich?") Ob es sich auch bei Fragen nach dem Sinn von etwas
um Fragen handelt, auf die es allgemein richtige Antworten gibt, ist noch
offen.]
Wenn eine Antwort als die allgemein richtige behauptet wird, also
auch richtig für mich sein soll, dann muss es Argumente geben, die diese
Behauptung mir gegenüber begründen und die auch ich akzeptieren kann. Gibt es
diese nachvollziehbaren, nachprüfbaren Argumente nicht, dann ist der
Geltungsanspruch für die aufgestellte Behauptung ein bloßer Glaubensanspruch für
mich.
Damit ein Argument für mich nachvollziehbar und akzeptabel sein
kann, muss ich es zu allererst verstehen können.
Ich kann dies jedoch
nicht, wenn die Wörter, mit denen dieses Argument formuliert wird, nicht mit der
üblichen Bedeutung gebraucht werden und wenn sie in ihrer abweichenden Bedeutung
auch nicht definiert werden.
Wer die Forderung nach einer verständlichen
Sprache, die sich aus dem Ziel allgemein gültiger Erkenntnis ableitet, nicht
akzeptiert, der beweist damit, dass es ihm nicht um begründete Erkenntnis geht.
Eine erkenntnisorientierte Diskussion mit ihm ist deshalb sinnlos. (Was nicht
ausschließt, dass ich mit ihm rhetorische Schaukämpfe veranstalte oder
philosophischen small-talk betreibe, wenn es mir nur um den Unterhaltungswert
geht.)
Mit dieser Klarstellung will ich diesen Schlenker in unserer
Diskussion abschließen und hoffe, zum eigentlichen Thema zurückkehren zu können.
Es grüßt alle, denen an Klarheit und Wahrheit gelegen ist, Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von aldebaran am
02. Jan. 2006, 11:18 Uhr
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@Eberhard
Deine Frage ist aktueller denn je. Ich will sie so beantworten:
Ein Leben um des nackten Daseins willen ist animalisch und leer; erst eine
Sinnsetzung gibt ihm Inhalt und Ziel!
Grüße von
aldebaran
[smiley=sun.gif]
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 02.
Jan. 2006, 17:06 Uhr
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warum werden hier Beiträge geschrieben, ohne Bezug auf Eberhards Frage zu
nehmen?
Antwort: weil jeder, auch Eberhard, nicht an einer Antwort
interessiert ist, die über seine eigene hinausgeht.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 03.
Jan. 2006, 18:47 Uhr
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Lieber Siena,
ich danke Dir für die Kurzfassung der Position Frankls. Ich
kenne seine Arbeiten nicht, finde Deine Hinweise jedoch interessant. Im Rahmen
einer solchen Diskussionsrunde kann natürlich kein Frankl-Seminar abgehalten
werden mit der entsprechenden Pflichtlektüre für jeden Teilnehmer, sondern wenn
jemand die Gedanken eines Autors für relevant hält, muss er dessen Argumente
selber vortragen und den andern vermitteln.
Ich will aus Deiner
Darstellung jetzt nur einen Punkt herausgreifen: die These, dass der Mensch
einen Willen zum Sinn besitzt.
Dies kann einmal bedeuten, dass Menschen
das Bedürfnis haben, dass das, was sie tun, sinnvoll ist, und dass ihr eigenes
Leben, so wie sie es führen, einen Sinn hat. Dieser Sinn weist meist über die
eigene Individualität hinaus, speist sich aus der Sorge um die Kinder, aus der
beruflichen oder öffentlichen Tätigkeit, aus einem weltanschaulichen,
religiösen, politischen oder künstlerischen Engagement.
Daneben gibt es
meiner Ansicht jedoch auch ein eher problematisches Bedürfnis nach Sinn, das
hinter allem einen "tieferen Sinn" sieht. Ein Beispiel hierfür ist die
Astrologie, die den Planeten und ihren "Konstellationen" bestimmte prophetische
Inhalte beilegt.
Verbreitet ist auch die Suche nach dem "Sinn"
individueller Unglücksfälle oder großer Naturkatastrophen ("Warum muss gerade
mich diese unheilbare Krankheit treffen?" "Die Tsunami war die Strafe Gottes für
das sündige Strandleben.")
Ich erinnere mich noch an einen Lehrer, der
die Ansicht vertrat, es habe sicher etwas zu bedeuten, dass jeder Mensch einen
einmaligen Fingerabdruck besitzt.
Ich bin allerdings der Ansicht, dass
dieses allgegenwärtige Sinnbedürfnis schwindet, je mehr man über die
Verursachung eines Phänomens weiß. Wenn also die Verursachung der Tsunamis durch
Seebeben bekannt und erforscht ist, wird das Bedürfnis nach einer Sinndeutung
als "Sintflut" wahrscheinlich schwinden.
Es grüßt Dich (aber auch alle
Meckerer und Sticheler) Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 03.
Jan. 2006, 20:23 Uhr
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Ich möchte das (für mich) Denkwürdige an Frankl herausstellen:
1. Wir
fragen die Sinnfrage, weil wir als "Wille zum Sinn" sind (ich möchte das hier so
formulieren).
2. Dieser Wille "erfüllt" sich konkret - in der Welt - im
Zu-tun-haben mit der Welt (konkreter Sinn).
3. Ich kann nach Frankl selbst in
aussichtslosen, deprimierenden Situationen (Krebserkrankung, KZ - Frankl war
selbst KZ-Häftling) Sinn finden - indem ich meine Einstellung zu mir und der
Welt ändern kann.
4. Dieser Wille zum Sinn und dessen Erfüllung kann
frustriert werden (Krebs, Ausbleiben der Sinnerfüllung).
Und hier, das
vermute ich, ist die Einsatzstelle zum sogenannten "universalen" Sinn - zum
End-sinn. Diese Sinnfrage bricht zumeist auf, wenn der konkrete Sinn leer
bleibt.
Frankls Position ist aber hier derart, dass er dieses unbedingte
Sinnbedürfnis (Endsinn) im Menschen selbst angelegt sieht - jeder Mensch sei im
Innersten ein Glaubender - die innerste Zwiesprache mit sich selbst sei Rede zu
Gott.
Lieber Eberhard!
Du sprichst in deinem Text: Vom Bedürfnis
nach einem "tieferen" Sinn.
Dieses Bedürfnis deckt sich meiner Meinung
nach mit der Bezeichnung Frankls im Sinne von: universaler Sinn.
Tieferer
Sinn
Universaler Sinn - deckungsgleich
Bei Frankl, und nicht nur bei
ihm, findet dieses Sinnbedürfnis letztlich in Gott seine Befriedigung. Dieser
ist un-wissbar aber nicht un-glaublich.
Es ist für mich sehr fraglich -
be-denklich - frag-würdig, ob sich mit einer rational-wissenschaftlichen
Aufklärung der Phänomene, wie du sagst, das universale Sinnbedürfnis erübrigt.
Es wäre für mich zumindest denkbar, dass gerade dieses Weltbild
(wissenschaftliches Weltbild) das universale Sinnbedürfnis nährt.
Wenn
der universale Sinn auch zum Willen zum Sinn gehört, dann kann auch dieser
frustriert werden. Frustriert alleine schon durch den Siegeszug der
Wissenschaften - alleine dadurch, dass die universale Sinnfrage seitens der
Wissenschaften kein Thema ist - in das subjektive Empfinden abgeschoben wird.
[Diese Ausführungen möcht ich generell als Fragen anbieten. Es liegt mir
fern, persönliche Standpunkte, Meinungen und Überzeugungen einzubringen - oder
Antworten anzubieten. Alle Formulierungen, die ich hier anbiete, sind immer mit
einem Fragezeichen zu versehen - sind für mich immer fraglich - sehr fraglich.]
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
03. Jan. 2006, 23:54 Uhr
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Warum soll es für einen Positivisten so etwas wie Sinn nicht geben können? Der
Sinn eines Autos ist es, Menschen von A nach B zu transportieren.
Positivisten sind zwar nach Meinung vieler Philosophen dämlich, aber doch nicht
ganz so.
Die Frage nach dem Sinn des Todes eines Menschen wird auch der S.P.
(Seichte Positivist, [cheesy]) nicht primär dem Arzt stellen. Sondern er wird
sich fragen: Sinn für wen? Den Toten, den Verwandten, einen x-beliebigen
Betrachter? Er wird die Frage übrigens auch dem Philosophen stellen, doch nach
meiner Erfahrung erhält er darauf keine auch halbwegs befriedigende Antwort.
Oder weiß ein hier anwesender Philosoph eine?
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 03.
Jan. 2006, 23:57 Uhr
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sehr richtig Lq,
Naturwissenschaft findet keinen Sinn, sondern Regeln,
Naturgesetze.
Der Sinn ist kein Osterei, das jemand versteckt hat und das ich
finde.
Der Sinn ist eine Er-find-ung. Ich gebe den Sinn.
Ich ordne dem
menschlichen Dasein einen Sinn zu.
Ich schaffe Ordnung.
Die Freiheit nehme
ich mir.
Man könnte auch sagen: der Sinn ist eine Schöpfung. Eine Schöpfung
des Menschen.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 04.
Jan. 2006, 07:17 Uhr
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Guten Morgen Hanspeter!
(...darauf keine auch halbwegs befriedigende
Antwort. Oder weiß ein hier anwesender Philosoph eine?) - schriebst du gestern.
Ich möchte fragen: Was verstehst du unter einer "halbwegs befriedigenden
Antwort"?
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 04.
Jan. 2006, 08:46 Uhr
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Hallo Hanspeter,
der Sinn des Todes lebender Systeme vom Typ Individuum (also
auch des Menschen) ist die Evolution. Ohne die Zeitbefristung des Lebens könnten
sich die genetisch gespeicherten Daten nicht weiterentwickeln.
Was ist an der
Antwort unbefriedigend?
Das Auto hat an sich keinen Sinn, zumal ohne Straßen.
Auch dem Auto wird der Sinn vom Menschen gegeben.
Guten Morgen
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von louisquinze am
04. Jan. 2006, 08:57 Uhr
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Messieurs, messieurs!
Hier wird seit einigen Beiträgen ständig "Sinn" mit
"Zweck" verwechselt!
Natürlich kann ich von Zwecken in der Naturwissenschaft
sprechen:
So ist der Zweck der Ernährung der Fortbestand des Individuums.
Sinn, und Lebenssinn zumal ist etwas Übergeordnetes.
mfg
Lq
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 04.
Jan. 2006, 09:14 Uhr
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Hi Lq,
würdest Du denn meinen, es sei der Zweck des Todes, dass sich die
genetisch gespeicherten Daten weiterentwickeln? Für mich ist es der Sinn des
Todes.
Übergeordnet? Der Sinn des individuellen Daseins wäre dann das
Funktionieren des Staats? Das Wählen der Abgeordneten? Die Anbetung des Fürsten?
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 04.
Jan. 2006, 12:19 Uhr
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Hallo allerseits,
es ist wohl sinnvoll, einmal eine kurze Zwischenbilanz
zu ziehen.
Die Frage dieser Runde lautete: Hat das menschliche Dasein
einen Sinn?
Ergänzend hierzu hatte ich geschrieben:
"Ich möchte
in dieser Runde diskutieren, welche Möglichkeiten der Sinngebung es jenseits der
religiösen Phantasien gibt. Dabei soll zugleich geklärt werden, welche Art von
Fragen solche Fragen nach dem Sinn eigentlich sind."
Eine Position zur
Sinnfrage (am entschiedensten wohl von Hanspeter vertreten) lautet:
Die
Vorgänge in der Natur einschließlich der Entwicklung zum homo sapiens haben
keinen Sinn. Das würde voraussetzen, dass es einen Schöpfer dieser Natur gibt,
der mit seinen Geschöpfen bestimmte Absichten verbindet und ihnen bestimmte
Aufgaben zuteilt. Einen solchen göttlich gesetzten Sinn gibt es jedoch nicht,
weil es keinen Schöpfergott gibt.
Der einzelne Mensch kann jedoch mit
seinem eigenen Leben einen bestimmten Sinn verbinden, seinem Leben einen Sinn
geben. Diese Sinngebung ist jedoch rein subjektiv. Man kann seinem Leben keinen
"falschen" Sinn geben. Sinn des eigenen Lebens ist das, was das betreffende
Individuum als Sinn akzeptiert. Darüber kann man nicht rational streiten.
Eine andere Position wurde – wenn auch nicht vertreten, so doch in die
Diskussion eingebracht - von Siena. Danach hat jeder Mensch ein Bedürfnis nach
einem "universalen Sinn", der auch für sein eigenes Dasein sinnstiftend ist.
Dieser universale Sinn ist zwar nicht wissbar aber glaubbar im Sinne einer
"existentiellen Entscheidung" des Einzelnen. Wird das Sinnbedürfnis eines
Menschen nicht erfüllt, so entsteht ein Gefühl der Leere bis hin zur psychischen
Erkrankung.
Als mögliche dritte Position kann man die Thesen von doc_rudi
ansehen, der Sinn des menschlichen Lebens sei, die genetisch gespeicherten Daten
in geistige Informationen zu übersetzen wie sie z.B. in Büchern zu finden sind.
Sinn des individuellen Lebens sei die Optimierung der eigenen
Genussmöglichkeiten.
Mit der Bitte um Stellungnahme und Ergänzungen grüßt
Euch Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 04.
Jan. 2006, 13:11 Uhr
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Hallo allerseits,
ich meine, Eberhards Frage ist eine zweistufige.
Als
erstes sollte diskutiert werden, ob menschliches Dasein einen Sinn hat oder
nicht. Denn wenn die Position (Hauptvertreter angeblich Hanspeter) Konsens ist,
dass Naturvorgänge wie die Evolution keinen Sinn kaben können, dann wäre die
Frage nach dem "ob" bereits negativ beantwortet: menschliches Dasein hätte dann
keinen Sinn. (allerdings leuchtet mir die Begründung nicht ein: wieso soll das
einen sinngebenden Schöpfer voraussetzen? Die sichtbare Entwicklung muss ja
nicht geschaffen worden sein, sondern könnte ewig vorhanden sein. Dass wir sie
als geschaffen vermuten, liegt an unserem Denken, das sich nicht vom Zeitbegriff
lösen kann).
Erst wenn Einigkeit darüber erzielt ist, dass menschliches
Dasein überhaupt einen Sinn hat oder haben könnte - oder nur die Befriedigung
eines Bedürfnisses nach Sinngebung wäre -, wäre eine Diskussion darüber
sinnvoll, welcher Sinn dies dann wäre, der über die individuelle Sinngebung
hinausgeht.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
04. Jan. 2006, 14:57 Uhr
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Hallo
@Rudi: Deiner Annahme, der Sinn des Todes sei die Evolution, kann
ich nicht beipflichten. Mag sein, dass der Tod ein, vielleicht sogar notwendiges
Mittel der Evolution ist. Aber nicht dessen Sinn. Das Leben auf diesem Planeten
wird irgendwann einmal ausgelöscht. Folglich hat weder das Leben, noch die
Evolution einen Sinn.
@Eberhard: Danke für deine Zusammenfassung.
Ich
versuche meinerseits einen Vergleich der 3 Positionen.
Ich denke, meine
Position unterscheidet sich nicht wesentlich von der Sienas. Ich halte es auch
für psychologisch sehr vernünftig, seinem Leben einen individuellen Sinn zu
geben und sich nicht darin von Entwicklungen, die sich über Milliarden Jahre
erstrecken, stören zu lassen. Und wenn es dem Seelenleben gut tut, dann ist
gegen den Glauben, die eigene Position sei die "alleinseligmachende" nichts zu
sagen.
Der Position Rudis kann ich keinen Geschmack abgewinnen. Die
Daten, die ich in meinem Gehirn speichere, sind nach meinem Tod ohnehin futsch
und die, die ich hier im Philtalk speichere, halte ich dann doch nicht für so
bedeutend. Außerdem kann ich nicht erkennen, wieso sie den Lebensgenuss
künftiger Generationen steigern.
Die Position Rudis ist also bestimmt nicht
allgemein gültig, sie ist eben Rudis individuelle Sinngebung.
Gibt es
eigentlich noch Vorschläge für eine universell gültige Sinngebung?
Gruß
HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von philoschall am
04. Jan. 2006, 15:21 Uhr
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"Ich möchte diskutieren, welche Möglichkeiten der Sinngebung es jenseits der
religiösen Phantasien gibt. ... Mit der Bitte um Stellungnahme und Ergänzungen
grüßt Euch Eberhard."
Die von Eberhard aufgezeigte Position HP könnte als
nihilistische bezeichnet werden. Eberhard meint -so weit ich sehe-, da diese
Position keine Objektivität hergebe, dass Wissen im Subjektiven verbleibe somit
objektiver Wahrheit entgegenstehende Meinungen produziert werden. Die zweite
eingebrachte Position, von Siena angedeutet, verlagert die Frage nach den Sinn
in den Glauben psychologisierender Ausrichtung. Die dritte Möglichkeit, von
doc_rudi vorgetragen, setzt auf (vulgär)materialistisches Wissen, dass
ausserhalb des Glaubens sowie der philosophischen Problematik von Objektivität
und Subjektivität angesiedelt ist, dass mit gespeicherten Daten gegeben ist.
Ich schlage vor, ausser diesen Positionen eine vierte zu
berücksichtigen, welche gesellschaftlichtliche Strukturen herausstellt, mit
deren Wandel auch die Frage nach Sinn verständlicher werden kann. These:
Orientierung des einzelnen in der modernen Industriegesellschaft, welche
Orientierung, auch bei fortgeschrittener Wissenschaftlichkeit, an tradionelle
Moral gebundene sich vollzieht.
Moderne Technik, technische Automation
übt die Fazination auf Menschen aus, mit der jene Identifikation sich vollzieht,
welche erlaubt, Geschichte, Tradition, als Last abzuwerfen. Technischer
Zukunftsglauben wird favorisiert, "wissenschaftliche Zivilisation" entfaltet
sich in der Abwesenheit von abrupten Veränderungen, etwa politischen
Revolutionen. Hier kann angenommen werden, dass die Sinnfrage gelöst ist: Der
einzelne in seiner Lebenspraxis scheint durch "Sachgesetzlichkeit" des
wissenschaftlich-technischen Fortschritts so bedingt, dass genau die
Motivationen und Tugenden zur Entfaltung gekommen, mit denen rationale
Weiterentwicklung sich vollzieht. Der technische Fortschritt, dass seine
Ressourcen unerschöpflich sind, dass die Sachwertorientierten Einstellungen und
Motivationen ihren apolitischen Charakter behalten werden, ist Grundlage dieser
heilsgewissen Zukunftshoffnung.
Dieses optimistische Modell der
rationalen Erledigung der Sinnfrage ist in die Krise gekommen, wenn deren
Grundlage als relative somit als verabsolutierte sich erweisst. 1973, mit der
Ölkrise, zeigte sich, dass menschliche Sinngebung nicht notwendigerweise mit der
"Sachgesetzlichkeit" einhergeht, die von "wissenschaftlicher Zivilisation"
produziert wird. Mit den "Grenzen des Wachstums", aufgezeigt in der berühmten
Studie des "Club of Rome", mit der im öffentlichen Bewusstsein gleichzeitig
aufgetretenen Ökologieproblematik, zeigt sich schonungslos, dass die
Wissenschaft selber ausserstande ist, auf die Probleme, die die katastrophalen
Nebenfolgen der technologischen Entwicklung aufwarfen, eindeutige Antworten zu
geben.
Gegen "Sachgesetzlichkeiten" versuchten nicht nur
Bürgerinitiativen zu mobilisieren. Auch der Rückgriff auf Traditionen wurde
favorisiert, die ausserhalb "wissenschaftlicher Zivilisation" angesiedelt sind.
Ein grundlegender Wandel der Sinngebung vollzieht sich, seitdem der
technologische Fortschrittsglauben von der Relativität seiner Grundlage
konfrontiert sich findet. Dass Herrschafts- und Produktionswissen verbürgt nicht
mehr die (verabsolutierte) Stellung: Ratio, die zum optimistischen Modell der
Sinngebung führte, verliert ihren Absolutheitsanspruch, mit dem Objektivität
favorisiert wurde; Im Vermögen der Sinngebung liegt nun -da den Impuls nicht
mehr im Rahmen des (naiv)optimistischen Vernunft-Technik-Modell bekommend-, dass
Herrschafts- und Produktionswissen, dass "Sachgesetzlichkeiten" kritisch, u.a.
als Strukturen der Relativität, reflektiert werden.
Gruß
philoschall
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 04.
Jan. 2006, 15:51 Uhr
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Hallo,
nur ne kurze Erwiderung auf Hanspeter, der meint: "Das Leben auf
diesem Planeten wird irgendwann einmal ausgelöscht. Folglich hat weder das
Leben, noch die Evolution einen Sinn."
Diese Folgerung halte ich nicht für
zwingend. Bis das Leben auf der Erde ausgelöscht wird, hat es die Möglichkeit,
sich auf anderen Sonnensystemen anzusiedeln. Das Leben als solches könnte im
übrigen in anderen Sonnensystemen bereits weiter entwickelt sein.
Außerdem
sagte ich, dass es der Sinn des Todes sei, die Evolution zu ermöglichen. Ob die
Evolution einen Sinn hat, wäre die nächste Frage. Hanspeter hatte behauptet,
dass die Frage nach dem Sinn des Todes nicht halbwegs plausibel zu beantworten
sei. Dem wollte ich widersprechen - weiter nichts.
Meine Beantwortung der
Sinnfrage für individuelles Leben (Genussoptimierung) ergibt sich zwar aus
meiner Philosophie, sie beansprucht dennoch Allgemeingültigkeit.
Da möchte
ich nebenbei noch bemerken, dass die Sinnfrage von religiösen Leuten ebenfalls
ganz unterschiedlich beantwortet wird. Es gibt aus meiner Sicht keine
allgemeingültige religiöse Beantwortung dieser Frage. Gott wird alles mögliche
untergeschoben.
Philoschalls Gedanken, die gesellschaftlichen
Verhältnisse und die technische Entwicklung einzubeziehen, würde ich gern
unterstützen, sehe jedoch nicht, wie er das eigentlich meint. Er sollte das doch
mal positiv formulieren und nicht einen Schritt vor und zwei zurück gehen.
Gruß
rudi
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Titel: warum nicht religiös?
Beitrag von erfinder3000 am 04. Jan. 2006, 16:13
Uhr
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Hallo Eberhard (und andere),
Du fragst: "Hat das menschliche Dasein einen
Sinn?"
Und fährst fort: "Die Anhänger der verschiedenen Religionen,
Konfessionen und Sekten, die auch im PhilTalk für ihre Glaubensinhalte werben,
haben die Antwort meist parat: Das menschliche Dasein auf der Erde ist
Bestandteil eines umfassenden göttlichen Plans. In diesem göttlichen Plan werden
dem einzelnen Menschen seine Aufgaben zugewiesen (moralisch handeln, unbeirrt
glauben …) und seine weiteren Perspektiven (Gericht und Leben nach dem Tod …)
aufgezeigt. Mit der Entwicklung und Verbreitung der Wissenschaften wurden diese
religiösen Phantasien mehr und mehr unglaubwürdig, sie hielten einer kritischen
Überprüfung nicht stand, blieben Vorstellungen ohne erfahrbare, wahrnehmbare
Wirklichkeit."
Ich möchte dennoch mit Dir über eine dieser religiösen
Vorstellungen diskutieren. Gemäß dieser Vorstellung ist das folgende richtig:
Raum, Energie und Zeit gab es schon immer. Das Universum ist zyklisch. Es
gibt einen Wechsel zwischen einem riesigen Schwarzen Loch ohne Zeit und einer
Expansionsphase mit Zeit (wegen der Raumkrümmung bedarf es keiner
Kontraktionsphase). Auf dieses Faktum bezieht sich die Aussage der Bibel "von
Ewigkeit zu Ewigkeit". Was es auch schon immer gab war ein Geist in diesem
Universum. Dieses Geistwesen nennen wir Gott. Gott ist nicht allmächtig, aber es
kann eine Menge beeinflussen. Gott ist zu 75% gut und 25% böse. In jeder Phase
des Zyklus will Gott, dass es ihm gut geht. Es fühlt sich oft einsam und ihm ist
langweilig. Zur Zeit hat es das Universum so organisiert, dass sich ein
möglichst komplexes Leben entwickeln konnte. Dazu musste es ca. 20-30
Naturkonstanten möglichst genau einstellen, damit Systeme entstehen konnten, die
in einem Energiegradienten dem Energiefluss Energie entziehen und diese
speichern, um von sich selbst Kopien anfertigen zu können und Informationen
ihrer Umgebung sinnvoll verarbeiten können. Und all dies musste noch in einer
harmonischen Beziehung zur Planckschen Elementarzeit (dieses Universums) und der
mittleren Lebenszeit eines Lebewesens stehen; wahrlich keine leichte Aufgabe.
In die höchst entwickelten Systeme, hier auf der Erde die Menschen, hat
Gott einen Teil seines selbst hineingelegt. Es gibt in anderen Teilen des
Universums höher entwickelte Lebewesen, in die Gott mehr von sich selbst
hineinlegen konnte. Alle Lebewesen sind zu ca. 75% gut und 25% böse, große
Abweichungen sind nicht lebensfähig. In manche Menschen konnte Gott viel von
sich hineinlegen, dann sprechen wir von einem Mahatma (großer Geist), in andere
weniger. Gott hat auch in Tiere einen Teil seines selbst gelegt. Es tut dies, um
der Einsamkeit und Langeweile zu entgehen, vergleichbar uns, wenn wir uns in
Mußestunden einer Phantasie hingeben.
Gott hat unmittelbar Anteil an
unserer Lust, unserer Freude und unserem Leid. Es will zwar, dass es uns gut
geht, weil wir ja ein Teil von ihm sind, aber dies ist auch für Gott nicht
leicht zu bewerkstelligen. Gott hat in dieser Phase des Zyklus nur zwei
Möglichkeiten einzugreifen: 1. Es kann in unseren Geist eingreifen und unsere
Entscheidungen beeinflussen (die Bibel sagt, Gott kann Menschenherzen wie
Wasserbäche leiten). Das tut Gott aber nicht gerne, da es sich ja von dem
Schauspiel die Langeweile vertreiben lassen will. Dies geht besser als passiver
Beobachter als als Aktivist. 2. Es kann die QM beeinflussen. Z.B. der Zeitpunkt
warum ein bestimmter Atomkern gerade jetzt und nicht erst später zerfällt, oder
schon früher zerfallen ist, ist nur für uns Menschen rein zufällig. Gott kann
dies beeinflussen, und dies ist zur Zeit sein Werkzeug, um die Welt ein bisschen
in diese oder jene Richtung zu lenken.
Alle Menschen, die ein
Nahtoderlebnis hatten, berichten dass es im Leben vier Aufgaben gibt: 1. Die
erste Aufgabe ist selber möglichst glücklich zu werden. Diese Aufgabe hat Gott
uns, bzw. sich selbst gestellt, weil es dadurch unmittelbar selber glücklich
wird. Unser Orgasmus ist auch Gottes Orgasmus! 2. Die zweite Aufgabe ist andere
Menschen möglichst glücklich zu machen und Leid zu verhindern. Wichtigstes
Werkzeug ist hierzu die Liebe, aber auch Freundlichkeit, Verständnis und
finanzielle bzw. materielle Unterstützung. Auch diese Aufgabe hat Gott uns, bzw.
sich selbst gestellt, weil es dadurch unmittelbar selber glücklich wird. 3. Die
dritte Aufgabe ist Erkenntnis zu suchen und neue Erkenntnisse in neuen Ideen zu
nutzen. Diese Aufgabe hat Gott uns, bzw. sich selbst gestellt, weil es dadurch
künftig selber glücklich wird. 4. Die vierte Aufgabe ist, unsere eigene Art und
unsere Biosphäre zu erhalten. Diese Aufgabe hat Gott uns, bzw. sich selbst
gestellt, weil es nur so für Gott möglich ist und bleibt, künftig einen großen
Anteil seines selbst zu inkarnieren. Unser Lebenssinn und unsere Lebensaufgabe
ist es zwischen den vier Einzelaufgaben ein möglichst harmonisches Spannungsfeld
aufzubauen, wobei die Aufgabe 2 bis 4 natürlich Aufgabe 1 unterstützen. Wenn wir
erkennen, dass dies in unserer derzeitigen Inkarnation nicht möglich ist, dürfen
und sollten wir unserem Leben selbst ein Ende setzen, allerdings nur unter
Berücksichtigung aller Aufgaben. Wer weiß, dass er mit seinem Freitod manche
Menschen sehr unglücklich machen würde, oder dass er noch einige wichtige
Aufgaben bzgl. 3 und 4 erfüllen könnte, der darf sich nicht selbst töten.
Nach unserem Tod kommen wir zu Gott, eigentlich uns selbst, zurück. Wir
können selbst entscheiden, ob wir im großen Selbst unsere Identität verlieren
wollen, um aus unserem Bewusstsein sozusagen die Karten für eine neue geistige
Inkarnation neu zu mischen, oder ob wir uns später erneut in einem Körper
inkarnieren. Wenn letzteres der Fall ist, dann heilt und unterrichtet Gott, das
große Selbst, uns eine Zeitlang, nämlich so lange wie wir wollen. Manche
empfinden diese Zeit wie in einer Mischung aus Sanatorium und
Selbstfindungsurlaub, manche wie die Hölle, manche wie das Paradies. Gottes Plan
ist, dass es ihm/uns als Inkarnation im Materiellen immer besser geht, bis wir
alle in einem (beinahe) Paradies leben. Es gibt keinen Teufel als Geistwesen.
Der Teufel ist nichts weiter als Gottes Unfälle. Wenn in der Bibel steht, dass
der Teufel gebunden werden wird, so heißt dies nur, dass Gottes Macht Gutes zu
tun, durch den Fortschritt der Technik und der menschlichen Moral, immer größer
wird und es immer weniger Unfälle geben wird.
mfg
erfinder3000
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 04.
Jan. 2006, 18:52 Uhr
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Guten Abend!
Die Eingangsfrage: "Hat das meschliche Dasien einen Sinn?"
Ich bin der Auffassung, dass das Thema "Sinn" im Grunde abgehandelt ist -
nach allen möglichen Richtungen.
Und dennoch: Im Grunde meldet sich bei
mir weiterhin ein Zweifel - ein Weiterfragen meldet sich an und deutet an, dass
hier eine Frage von (für mich) ungeheurer Dimension und womöglich existentiellem
Ernst und Einsatz aufgeworfen ist.
Allein, die empirischen Wissenschaften
erklären uns immer genauer und eindringlicher die Naturvorgänge. Prognosen
werden genauer, treffender - Ungereimtheiten lösen sich auf - Krankheiten werden
geheilt und nicht mehr als Strafe Gottes gesehen.
Der Mensch mag das
Geschehen der Welt und der Vorgänge in ihr noch so genau, präzise analysieren -
planen - umgestalten. Er wird, bei allen Erfolgen und Erklärungen, dem Eindruck
nicht standhalten können, dass sein eigenes Dasein radikal zufällig,
unentrinnbar endlich, entsetzlich widersprüchlich im Angesicht mit dem Ideal der
Vernunft und letzlich zeitlich (Langeweile) - existiert.
Zufälligkeit
Endlichkeit
Widersprüchlichkeit
Zeitlichkeit
Aus dieser Lage heraus
mag immer wieder die Sinnfrage auferstehen (sie mag daraus erstehen - aber
möglich, dass dieses Fragen an sich sinnlos - unsinnig ist (siehe Wittgenstein)
- die Sinnfrage, die sich auch letztlich für den Gläubigen stellen muss im
Angesicht der Schöpfung und ihrer immensen Widersprüchlichkeit zu einem
"liebenden Gott" des Nazaräners und eines Gottes, von dem es heißt - "Gott sah
alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut" (Gen., 1,31).
Ich möchte
dir, Eberhard, völlig zustimmen, dass mit dem Siegeszug der Wissenschaften die
religiösen Phantasien jedwede Kreditfähigkeit eingebüßt haben. Aber ich möchte
hier gleich anmerken: Von welchen religiösen Phantasien wird hier gesprochen?
Ich vermute, dass es das jüdisch-christliche Weltbild ist - das uns,
zumindest mir als formalen Katholiken - traditionell vermittelt wurde.
Der
Gott des Jesus von Nazareth - ist der liebende Gott. (Ich möchte hier nicht
Theologie betreiben - das kann ich gar nicht -aber ich glaube, dass wir
übereinstimmen können, dass im Grunde Gott als reine Liebe, was immer das sein
soll, verstanden wird).
Der gütige - liebende - verzeihende Gott - der hinweg
nimmt die Sünden der Welt. Der uns alle so liebt, dass er seinen Sohn in die
Welt entsandt hat, sie zu erlösen.
Dieser liebende Gott ist aber zugleich
der Schöpfergott - der die Welt geschaffen hat. Diese unendlich grausame
Zumutung in all ihren Formen und Fratzen - diese Ausgeburt der Hässlichkeit -
und tiefsten Abgründigkeit.
Gott: Schöpfer der Welt
Schöpfer der
Sittlichkeit (Dekalog)
Liebender Gott
Diese enormen
Widersprüchlichkeiten sind nicht neu - das Theodizeeproblem handelt davon.
Liebe Mitwirkende!
Für mich ist die Suche nach Sinn motiviert als die
Suche nach einem Übersinn - ein Suchen in einem Schweigen. Gott wäre sicherlich
so ein Übersinn. Er "wäre" es. Und so ist es für mich durchaus denkbar, dass das
mir vermittelte jüdisch-christliche Gottesbild wiederum für mich nur zu Aporien
führen kann.
Kann es sein und ist es nicht schon Jahrhunderte so, dass
hier ein Gott "vorgestellt" wird - mit den Verstandeskategorien eines Menschen -
mit Begrifflichkeiten einer endlichen Kreatur - mit Dogmen einer längst
blutleeren römischen Hierarchie?
Ich frage deshalb an, ob nicht dieses
Gottesbild (zurecht eine religiöse Phantasie genannt) dem Druck der
Naturwissenschaften nicht standhalten konnte - und "sterben" musste - ob nicht
dieser Gott "tot" ist und schon immer "tot" war?
"Der Sinn der Welt muß
außerhalb ihrer liegen. In der Welt ist alles, wie es ist, und geschieht alles,
wie es geschieht; es gibt in ihr keinen Wert - und wenn es ihn gäbe, so hätte er
keinen Wert. Wenn es einen Wert gibt, der Wert hat, so muß er außerhalb alles
Geschehens und So-Seins liegen. Denn alles Geschehen und So-Sein ist zufällig.
Was es nichtzufällig macht, kann nicht in der Welt liegen, denn sonst wäre dies
wieder zufällig" schreibt Ludwig Wittgenstein im Tractat (6.41, S. 82 -
suhrkamp).
Und weiter "6.432 - Wie die Welt ist, ist für das Höhere
vollkommen gleichgültig. Gott offenbart sich nicht in der Welt." - "6.44 - Nicht
wie die Welt ist, ist das Mystische, sondern daß sie ist" (eda., S. 84).
Ich möchte mich hier auf Wittgenstein besinnen. Ich glaube für mich, dass man
über Gott oder Übersinn oder Endsinn nicht sprechen kann - dass man hier nicht
antworten kann und deshalb schon die Frage sinnlos ist.
Gott und
Übersinn müssen für Wittgenstein jenseits dieser Welt und des Menschen liegen.
Hier auch nur fragen zu wollen wäre sinnlos. Hier kann nichts "gesagt" werden.
Ich komme zum Ausgangspunkt zurück und möchte mit Wittgenstein enden:
"6.52 - Wir fühlen, daß, selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen
Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme gar nicht berührt sind. Freilich
bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort" (eda, S. 85).
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 04.
Jan. 2006, 19:12 Uhr
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Hallo erfinder3000,
ich habe Deine Darstellung des Verhältnisses zwischen
Gott, Kosmos und Menschen mit Interesse gelesen. Du bist auch auf diesem Gebiet
ein Erfinder. Auch wenn Du wissenschaftliche Ergebnisse der modernen Physik und
Astronomie einbeziehst, sehe ich in Deinen Ausführungen ein exemplarisches
Beispiel für religiöse Fantasien.
Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 04.
Jan. 2006, 19:44 Uhr
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Hallo allerseits,
eine kleine Anmerkung zum Wittgenstein Zitat aus dem
Tractatus 6.52. Ich gebe Wittgenstein recht - allerdings nur, wenn man sein
damaliges Verständnis von Wissenschaftlichkeit zugrunde legt.
Für die
Wiener Positivisten, zu denen auch Wittgenstein damals gehörte, waren alle
Fragen unwissenschaftlich, die nicht durch die Wahrnehmung der gegebenen
Wirklichkeit beantwortet werden konnten.
Nur wer diese Auffassung teilt,
sollte sich deshalb auf dies Zitat berufen,
meint Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 04.
Jan. 2006, 19:47 Uhr
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eben,
siena fantasiert hier einen sogenannten liebenden Schöpfergott. Wenn
man voraussetzt, dass die Welt geschaffen wurde, dann hat dieser Schöpfergott
mit seiner Schöpfung der Vermehrung lebender Systeme (geht hin und mehret euch)
auch die Kriege und Katastrophen geschaffen.
Und da stellte sich dann auch
die Sinnfrage.
Ich würde vorschlagen, über den Sinn Gottes Schöpfung unter
Religionsphilosophie zu diskutieren und nicht noch hier.
Aber mögen unsere
Schiedsrichter Eberhard und Berny entscheiden.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von erfinder3000 am
04. Jan. 2006, 20:28 Uhr
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Hi,
ich stimme Eberhard zu, dass es sich bei meinem letzten Beitrag um
eine religiöse Fantasie handelt. Teilweise beruht sie auf meinen Ideen,
teilweise auf den Ideen anderer Teilnehmer unserer Diskussion, teilweise auf den
Ideen uralter Religionen. Ich erhebe weder Anspruch auf Originalität, noch
Priorität, noch Unverbesserlichkeit. Aber ich will die Idee hier gegen Kritik
verteidigen.
doc_rudi schrieb: "siena fantasiert hier einen sogenannten
liebenden Schöpfergott."
Ich hingegen fantasiere ein egoistisches
"Teilhabergott" (ein "Schöpfergott" ist ein logisches Unding, wie schon Mohammed
erkannte: "Allah zeugt nicht, noch wurde er gezeugt")
"Wenn man
voraussetzt, dass die Welt geschaffen wurde,"
sie wurde geformt
"dann
hat dieser Schöpfergott mit seiner Schöpfung der Vermehrung lebender Systeme
(geht hin und mehret euch) auch die Kriege und Katastrophen geschaffen."
Es
will möglichst viele geistig hochentwickelte Lebewesen an möglichst vielen Orten
des Universums haben, um sich möglichst viel inkarnieren zu können. Die Menschen
sollen von ihrer Position aus das Weltall besiedeln. Kriege um Ressourcen
stellen Unfälle dar, ebenso wie soziale Ungerechtigkeit, Umweltverschmutzung,
Krankheiten, Erdbeben, Vulkanausbrüche u.s.w. Das Gott ist eben nicht
allmächtig, noch nicht einmal vollständig gut, aber es gibt sich um seines
selbst Willen redlich Mühe. Durch die Jahrtausende wirds doch immer besser.
Prozentual gesehen sterben immer weniger Menschen an Hunger, müssen immer
weniger Angst vor wilden Tieren haben, müssen immer weniger frieren, müssen
immer weniger immer weniger arbeiten oder sich anstrengen. Leute, seid dankbar
für die Errungenschaften der Technik! Denkt z.B. nur mal an euer warmes Bett!
"Und da stellte sich dann auch die Sinnfrage."
Gemäß meiner religiösen
Fantasie ist sie doch wohl (zur Zeit) widerspruchsfrei beantwortet. Falls nicht,
bitte ich um Kritikpunkte.
mfg
erfinder3000
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von louisquinze am
04. Jan. 2006, 20:38 Uhr
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Sie haben, Eberhard, in Ihrer Zusammenfassung der Positionen noch jenen
altehrwürdigen Standpunkt vergessen, welchen Wir den Unseren nennen.
Nämlich, daß ein aus dem Absoluten hervortretendes Sein, welches, in ständigem
Rückbezug zu demselben bestehend und an dasselbe gebunden sich fortwährend
entwickelt und in letzter Vollendung zu seinem Ursprunge zurückkehrt. Dies kann
man sich etwa so denken, daß das Absolute, oder, nennen wir es Gott, eine
Schöpfungsordnung hervorbringt, daß sich das Absolute Sein gewissermaßen
entäußert, zur Natur wird, und, durch diese hindurch Leben und Geist entläßt.
Ziel dieser Entwicklung wäre der Mensch als geistiges Wesen der zur Anschauung
der höheren Wesenheiten gelangt und schließlich, nachdem die Weltgeschichte ihre
Vollendung erreicht hat am ewigen Dasein der Gottheit teilzunehmen gewürdigt
wird.
Eine, wie wir finden königliche Bestimmung der Menschheit!
mfg
Lq
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
05. Jan. 2006, 01:00 Uhr
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Da die Beiträge immer länger werden, versuche ich mich auch in einer
Zusammenfassung.
Ich sehe im Prinzip 2 Positionen:
1. Das
menschliche Dasein hat keinen Sinn (meine Position)
2. Der Sinn des
menschlichen Daseins ergibt sich aus den Intentionen eines Schöpfergottes (LQ,
teilweise Siena)
Die dritte Position (teilweise Siena, teilweise meine),
aus praktischen Erwägungen einen individuell definierten Sinn einzuführen,
tangiert letztlich die Grundfrage nicht, die ja nach einer absolut gültigen
Erkenntnis fragt.
Die historische Position von Philoschall entfernt sich
meines Erachtens zu weit von der ursprünglichen Frage.
Noch eine
nachträgliche Anmerkung zu einem früher gemachten Einwand.
Ich denke, es
führt zu nichts, zwischen "Sinn" und "Zweck" zu unterscheiden. Im normalen
Sprachgebrauch wird das nicht vollzogen und da die Philosophie aus
grundsätzlichen Erwägungen nicht bereit ist, Begriffe verbindlich zu definieren,
sehe ich dazu auch keine Möglichkeit. Es sei denn, jemand ist in der Lage, eine
von allen Diskussionsteilnehmern akzeptierte Unterscheidung vorzubringen.
Gruß HP
P.S. @doc rudi: Die Chancen, Leben auf andere Sonnensysteme
zu übertragen, sind außerordentlich gering. Und für die Annahme, dass das
irdische Leben von menschenähnlichen Lebewesen anderer Sonnensysteme importiert
wurde, gibt es keinen Hinweis.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 05.
Jan. 2006, 11:45 Uhr
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Hallo allerseits, lieber Siena,
die Frage nach dem Sinn des menschlichen
Daseins und die damit verbundene Frage nach der Überlebensfähigkeit der
religiösen Sinnstiftungen ist auch für mich keine Frage unter anderen, sondern
eine Frage von kaum zu unterschätzender Tragweite.
Um es in einem Bild
zu sagen: Mit dem Schwinden der religiösen Gewissheiten stehen die Menschen
gewissermaßen "verwaist" da: sie müssen aus eigener Kraft und Vernunft den
richtigen Weg finden und die zerstörerischen Kräfte im Zaum halten, sie müssen
unter sich ihr Verhältnis zueinander bestimmen und die Plätze im Raumschiff Erde
verteilen, sie müssen in einer Welt, die nicht frei ist von natürlichen
Katastrophen, schreienden Ungerechtigkeiten und monströsen Verbrechen, ein Haus
für alle bauen, in dem ein erfülltes Leben möglich ist -und in dem auch das
Sterben seinen Sinn hat, weil man genug gelebt hat.
Die schlimmen
Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, als in das entstandene Sinnvakuum
pseudowissenschaftliche Dogmen gestoßen sind, und als darauf aufbauende
Diktaturen sinnlos und verbrecherisch Millionen in die Vernichtung trieben,
stecken uns (hoffentlich) noch in den Knochen. Wir sind deshalb (hoffentlich)
hellhörig geworden, wenn das Recht auf unabhängiges Denken und Schreiben
angetastet wird.
Du bist eher skeptisch, ob die Menschen die Probleme
ohne höheren Beistand bewältigen können.
In einer früheren Diskussion
schrieb Dschaina an mich:
"Denkst du, dass das die Wirklichkeit sein
soll, was du wahr nimmst? ... das gesamte Dasein besteht dann aus arbeiten, ein
wenig Spaß haben, schlafen und essen? Fragst du dich denn nie: Kann es das sein?
Sei doch ehrlich: Du weißt doch, dass es das nicht sein kann."
Ich
antwortete ihm damals:
"Ehrlich gesagt: Diese Welt ist nicht so schal
und fad, dass ich nach jenseitigen Welten Ausschau halten muss.
Es gibt in
dieser Welt vieles, für das ich mich begeistern kann: z.B. der in leuchtendes
Rot getauchte Abendhimmel, der heisere Schrei des Fuchses in den nächtlichen
Wiesen, der glänzende Skarabäus aus dem Grab des Tutenchamun, die überraschende
Harmonik in den Preludes von Debussy, Picassos Bild "Der Traum", die Plastik
"L'Air" von Maillol, die Entdeckungen der Viren- und Genforschung, das
Gruppenerlebnis beim Volleyball, das Bewusstsein, Teil der Natur zu sein,
hervorgegangen aus der millionenfach erfolgreichen Fortpflanzung des Lebens auf
unserem Raumschiff Erde und nicht zuletzt Reiz und Anziehung des anderen
Geschlechts – all das gehört auch zum Leben und kann es so erfüllen, dass am
Ende der Tod keine Tragödie ist. Muss ich noch nach dem Sinn des Lebens fragen?"
Grüße an alle schreibend oder lesend Teilnehmenden von Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 05.
Jan. 2006, 17:30 Uhr
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Hallo,
nachdem wir nun viel Allgemeines zum Begriff des Sinns gehört haben,
fange ich mal an, einen speziellen konkreten Vorschlag zum Sinn des menschlichen
Daseins zu machen, andere können ihre Vorschläge offerieren. Mit Komkretem
kommen wir eventuell besser voran.
Meine Position verzichtet auf Hypothesen,
die "Gott" oder "das Absolute" oder "Seele" genannt werden, und basiert auf der
Interpretation wahrnehmbaren Verhaltens. Allerdings komme ich ohne das Geistige
im Gegensatz zum Materiellen auch nicht aus.
Die schlagwortartige Kurzversion
lautete:
Der Sinn des individuellen menschlichen Daseins ist die
Genussoptimierung.
Wenn ich das menschliche Individuum wie ein Objekt
betrachte, ist das Verhalten des Menschen genauso gesteuert wie das Verhalten
aller Tiere, nämlich durch Regelkreise, deren Sollwerte offenbar genetisch
gespeichert sind.
Bei Abweichung des Istwertes vom Sollwert treten Gefühle
auf. Die kann jeder Mensch an sich selbst wahrnehmen, wenn er Hunger, Durst hat,
Lust empfindet oder sich freut.
Regelkreise mit negativer Rückkopplung
regulieren die Selbsterhaltung (Aufrechterhaltung der Sauerstoff- oder
Glucosekonzentration u.a.), Regelkreise mit positiver Rückkopplung regeln die
Selbstentfaltung.
Positive Rückkopplung heißt, dass das erwünschte Verhalten
– hier die Vergrößerung, die Ausbreitung, das Wachstum - belohnt wird mit
Glücksgefühlen verschiedener Art.
Da wäre ich beim Begriff "Genuss".
Nicht nur die Ausbreitung unserer Gene wird mit Lustgefühlen belohnt (Orgasmus)
sondern auch erfolgreiche Überlegungen, die Realisierung von Ideen oder das
Wachstum des zählbaren Geldeigentums. Und: auch der Konsum menschgeschaffener
Verfeinerungen der schnöden Nährstoffaufnahme kann Genuss bereiten.
Mit
anderen Worten: die Natur steuert das Verhalten des Individuums, indem sie
bestimmte Verhaltensweisen mit positiven Gefühlen belohnt.
Das einzige, was
unserem "Ich" zur Verfügung steht, ist eine Bremse, das "Nein"-sagen zu den
verschiedenen Genüssen, aus welchen Überlegungen auch immer (zum Beispiel aus
gesundheitlichen Gründen).
Diese Genussoptimierung, der das Individuum
nachjagt (aber sich als Mensch auch dagegen entscheiden kann), ist nun an sich
nur ein Mittel der Natur, mit dessen Hilfe sie bewirkt, dass die Individuen sich
im Sinne ihrer Selbsterhaltung (Stoffwechsel) und ihrer Selbstentfaltung
(Wachstum) verhalten. Dies ist eine zielorientierte Steuerung im Gegensatz zu
einer Vorgabe bestimmter automatischer Verhaltensweisen, die vorzugsweise bei
Tieren zu finden ist. Im Lauf der Evolution sind konkrete Handlungsabläufe
sozusagen zugunsten einer Zielprogrammierung wegselektiert worden. Die Selektion
bevorzugt offenes Wachstumsverhalten.
Das Ziel "Wachstum" lässt offen, in
welche konkrete Richtung das Wachstum erfolgt, dies eröffnet uns Freiheit. Der
"Trick" der Natur besteht eben gerade darin, die Wachstumsrichtung nicht
örtlich-räumlich vorzugeben, sondern nur Genussempfindungen als Belohnung
einzusetzen, wenn das Individuum "erfolgreich" eine Vergrößerungsbewegung in
irgendeine Richtung durchführt. Sie belohnt den Erfolg. Dieser kann
materiell-räumlich sein, eine Besitzvergrößerung durch Geldansammlung oder aber
auch eine Vergrößerungsbewegung im "geistigen Raum" (der keine räumliche
Ausdehnung hat, deshalb die Anführungsstrichelchen).
Wir als Individuen
brauchen also nur auf die Optimierung unserer Genüsse zu achten und diese zu
verfolgen, wenn wir im Einklang mit der Natur leben wollen. Dabei haben wir die
Wahl zwischen sehr vielen Genussmöglichkeiten und insofern nenne ich dies - die
Genussoptimierung - den Sinn unseres Daseins.
Nicht, weil ich dies erfunden
hätte, sondern weil ich meine, dass dieser "Sinn" für uns von der Natur
vorgegeben ist. Diese so verstandene Genussoptimierung umfasst also nicht nur
die Belohnung des Atmens, Essens, Trinkens und des Sex, sondern auch die
Belohnung geistiger Genüsse des Forschers bzw. Wissenschaftlers und
narzisstische Befriedigungen.
Ich meine also, in der Genussoptimierung das
Steuerungsmittel der Natur für lebende Systeme gefunden zu haben.
Wie Newton
die Gravitation als Kraft postulierte, die zusammen mit der Fliehkraft die
Bewegung von leblosen Objekten erklärt, ist meine Hypothese, dass diese Kräfte
der Selbsterhaltung und Selbstentfaltung, die aus der Herstellung von Sollwerten
resultieren, die Bewegung (das Verhalten) lebender Systeme erklären, und sehe
darin letztlich eine Kraft, die in Richtung Datenausbreitung wirkt (Materie
zieht sich aufgrund der Gravitation an, Daten breiten sich aufgrund dieser
Datenausbreitungskraft aus).
Letztlich werden nämlich ursprünglich (mit
Beginn des Lebens) genetisch gespeicherte Daten ausgebreitet und
weiterentwickelt, nunmehr mit dem Menschen "geistige" Daten, deren Ausbreitungs-
und Entwicklungsgeschwindigkeit höher ist. Weshalb ich meine, dass der Sinn der
Menschheit darin liegt, diese Datentransformation und Beschleunigung der
Datenentwicklung und Datenausbreitung vorzunehmen.
Für mich ist das
Naturphilosophie. Ein Gläubiger könnte natürlich daherkommen und sagen: na
siehst Du, da hast Du Gottes Plan nur etwas genauer beschrieben. Der hat nämlich
die Sollwerte eingestellt.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 05.
Jan. 2006, 18:54 Uhr
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Guten Abend doc rudi und alle Teilnehmenden!
Genussoptimierung - der Sinn
unseres Daseins!
Dieser Ansatz klingt sehr überzeugend. Tatsächlich wird
sich das menschliche Leben in der beschriebenen Weise vollziehen. Natur, so
sagst du, steuert das Verhalten des Menschen. So wird es wohl sein.
Erfolgreiches Verhalten (Vergrößerungsbewegung) - Belohnung "Genussempfinden"
Dieser Sinn ist von Natur aus angelegt.
Genussoptimierung =
Steuerungsmittel der Natur
Ich hoffe, ich habe dich hier, deiner
Intention gemäß, richtig verstanden.
So wird es sich wohl verhalten und
man kann auch demgemäß sagen: Diesen Natursinn brauchen wir nicht erst zu
suchen, sondern er erfüllt sich mehr oder weniger (das "Nein" als Freiheit
bleibt möglich) - geschieht, wenn Dasein ist. Manche sind bevorzugt, andere
haben einen schlechteren Start, wiederum andere stellen ein bewusstes "Nein"
entgegen.
Und wer wollte nicht an diesem Argument teilhaben? Ich
erstrebe doch Genüsse in meinem Leben - in jeder Hinsicht will ich Genüsse
erfüllt sehen - will sie optimieren: das Leben genießen - wirtschaftlich
erfolgreich sein, Fehlerhaftes ausgleichen, sozial angesehen sein - will mein
Dasein nach allen mir möglichen Richtungen (die geistige Welt eingeschlossen)
expandiert sehen - um leztlich im Sinne der Natur "erfolgreich" zu sein. Sind
mir in meinem Fortkommen möglichst zahlreiche, optimierte Genussempfindungen
sicher, so hat sich der von Natur aus angelegte Sinn erfüllt und erfüllt sich
weiterhin, so ich bin.
Und tatsächlich: Ich sehe diesen Sinn, so scheint
es mir, bestens bewährt. Der Mensch, von einem Fortschritt zum andern
fortschreitend - ständig auf der Suche nach Optimierung - nach einer besseren
Lösung - suchend und findend nach immer mehr Glücksempfindungen- Genüssen aller
Art - wo ich auch hinsehe, dieses "Artverhalten". Und so scheint mir, dass die
Menschenart ständig ihren angelegten Sinn erfüllt - und ich will mich da
überhaupt nicht ausnehmen. Dieses Verhalten und So-sein ist mir durch mich
selbst bestens bekannt.
Es fehlte nur noch eins zum meinem Glücke: Die
Lotto -Million. Denn oftmals ertappe ich mich am hellichten Tage - beim Gang
durch die Fußgängerzone - träumend von Reichtum und überreichen Genüssen.
Und so sitze ich dann bei einer Melange und träume weiter. Und jäh bemerke
ich, dass mein Blick unbeweglich in die Leere gefallen ist. Da ist er nicht erst
jetzt, da ich es bemerke, hineingefallen, sondern da war er schon jäh drinnen.
Diese verdammte Leere, die mich in Beschlag nimmt, die mir vertraut ist - seit
ich als Kleinkind liegend an die Decke starre und weiß, in einem eigentümlichen
Wissen, "dass" ich an die Decke starre.
Und, ach - wo sind die
Millionen, die Genüsse, die Optimierungen - wo das Fortkommen - wo der Erfolg?
Gerade noch da - soeben wie weggeblasen. Dann sag ich mir: "Reiß dich am Riemen,
Alter - "Zahlen bitte!"
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 05.
Jan. 2006, 19:22 Uhr
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Guten Abend Siena,
ich denke, Du hast die Idee richtig verstanden.
Nun ist
es mit derartigen Regelkreisen mit positiver Rückkopplung natürlich so, dass sie
sozusagen zum Explodieren neigen. Ein System, dass sich ständig vergrößert,
verbraucht ständig mehr Energie und produziert ständig mehr Abfall. Und das ist
das Grundproblem der Menschheit. Andere Arten im Tierreich vergrößern sich nicht
ständig, weil sie durch das Wachstum konkurrierender Arten oder ihrer
Fressfeinde auf einem konstanten Level gehalten werden.
Die Menschheit hat
die Aufgabe, ihr Wachstum ohne äußere Fressfeinde zu bremsen.
Ihr Wachstum
wird einerseits durch die Begrenztheit der vorhandenen Resourcen begrenzt,
andererseits wird das Wachtum der Indiviuen durch eine "Erfindung" des Menschen
eingeschränkt, die absolut genial ist, obwohl sie sich ergeben hat und nicht aus
diesem Grund erfunden wurde.
Ich spreche vom Geld.
Geld und Zeit sind die
beiden Faktoren, die das Individuum zwingen, Entscheidungen zu treffen, die es
davon abhalten, ungezügelt genießen zu können.
Die Begrenztheit der Menge des
Geldes und der Zeit verhindern, dass das Indiviuum ungezügelt genießen kann, so
dass die Gefahr gebannt ist, das wir Individuen uns übermäßig, ohne Rücksicht
auf andere, dem Genuss hingeben. Wir müssen uns selbst beschränken, unser
Wachstum begrenzen, selbst steuern. Und dabei hilft uns das Geld, das uns nur
begrenzt zur Verfügung steht.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 05.
Jan. 2006, 21:45 Uhr
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Hallo doc_rudi,
inzwischen hast Du Begründungen für Deine Position
geliefert, so dass eine Diskussion möglich ist.
Vorweg: Ich sehe mich
hier nicht in der Rolle eines Schiedsrichters, wie Du offenbar meinst. Ich habe
keine Trillerpfeife und kann niemanden des Feldes verweisen – selbst wenn er
wiederholt Fouls begeht. Ich habe genau dasselbe Mittel zur Verfügung, um meine
Ansichten zu vertreten, wie jeder andere auch, das sind schriftliche Beiträge.
Der einzige Unterschied ist der, dass ich als Initiator dieser Runde das Thema
bestimmt habe. Aber dies Recht hat jeder andere ja auch.
Zu Deiner
Theorie.
Du willst einen konkreten Beitrag zum Sinn des menschlichen
Daseins machen. Deine Position basiert nicht auf der Annahme der Existenz eines
Gottes sondern basiert auf der Interpretation wahrnehmbaren Verhaltens.
Soweit Dein Selbstverständnis.
Dazu meine Fragen,
Zuerst zur
Bedeutung des Wortes "Sinn".
Ergeben sich aus der Feststellung eines
bestimmten Sinns des menschlichen Daseins, wie z.B. "Genussoptimierung",
bestimmte Konsequenzen für unser Handeln etwa derart, dass jeder Mensch auch im
Sinne einer Genussoptimierung handeln sollte?
Bei Dir taucht mehrfach ein
Wesen auf, das handelnd die Wirklichkeit gestattet, das sich bestimmter Tricks
bedient, das Mittel zu einem bestimmten Zweck verwendet, das den Menschen einen
Sinn vorgibt etc. Wie verträgt sich das mit dem Verzicht auf die Annahme eines
Gottes oder ähnlichem?
Zur Begründung Deiner Position durch die
Interpretation des wahrnehmbaren Verhaltens der Menschen.
Warum
interpretierst Du das Verhalten der Menschen gerade unter dem Gesichtspunkt der
verbesserten Ausbreitung von Daten?
Warum interpretierst Du das
Verhalten der Menschen z.B. nicht als eine ständige Verbesserung der
Waffentechnik und ihrer Vernichtungskräfte (was sich empirisch nachweisen lässt)
mit dem Sinn der Selbstvernichtung der Menschheit?,
fragt Dich Eberhard
(als Spieler und nicht als Schiedsrichter).
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 05.
Jan. 2006, 23:48 Uhr
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Hallo Eberhard
Ich möchte bei der Beantwortung Deiner Fragen hinten anfangen.
"Warum interpretierst Du das Verhalten der Menschen z.B. nicht als eine ständige
Verbesserung der Waffentechnik und ihrer Vernichtungskräfte (was sich empirisch
nachweisen lässt) mit dem Sinn der Selbstvernichtung der Menschheit?"
Die
Verbesserung der Waffentechnik ist ein Mittel zum Zweck. Bereits im Tierreich
kannst Du die ständige Verbesserung der Angriffswaffen (z.B. Hörner), der
Verteidigungswaffen (z.B. Panzer) und der anderen Überlebenstechniken (Tarnung,
Täuschung usw.) beobachten. Dies setzt sich bei der Waffentechnik der Menschen
fort. Die konventionellen Kriege führen zu Selektion, sind also ein Mittel der
Evolution. Sie führen jedoch nicht zum Untergang der Menschheit, sondern es
überlebt ja immer einer der kriegführenden Parteien (und auch die weibliche
Bevölkerung der unterlegenen Partei), aber: das entscheidende ist, dass es nach
dem Krieg durch die Besetzung eines fremden Landes zu einer Genausbreitung kommt
und durch die Befruchtungen, die stattfinden, zu einer Genvermischung. Der
konventionelle Krieg und die Verbesserung der Waffentechnik dienen also der
Evolution, sind nur Mittel zum Zweck. Dies zwar auf Kosten von Individuen. Aber
diese haben nun mal die Funktion eines vorübergehenden Datenträgers und sind der
Natur an sich nichts wert. Dennoch sind die Gene auf das Weiterleben ihrer
Datenträger angewiesen. Obwohl inzwischen durch die Nuklearwaffen die
Möglichkeit bestände, alle Menschen auf der Erde auszurotten, ist dies nicht
geschehen. Meines Erachtens nicht deshalb, weil die freie Vernunft des Menschen
gesiegt hat, sondern weil das vernünftige Denken der Menschen genetisch so
programmiert ist, das Aussterben der Menschen zu verhindern. Die Verbesserung
der Waffentechnik hat die Verbreitung und Verbesserung der genetisch
gespeicherten Daten zur Folge.
"Bei Dir taucht mehrfach ein Wesen auf,
das handelnd die Wirklichkeit gestattet, das sich bestimmter Tricks bedient, das
Mittel zu einem bestimmten Zweck verwendet, das den Menschen einen Sinn vorgibt
etc. Wie verträgt sich das mit dem Verzicht auf die Annahme eines Gottes oder
ähnlichem?"
Richtig. Dieses "Wesen" sind die Gene. Sie bestimmen nicht nur
das Erscheinungsbild der Individuen, ihrer Datenträger, sondern auch deren
Verhalten. Die wichtigste dieser Verhaltensweise ist das Anlegen von Kopien
ihrer genetisch gespeicherten Daten, soweit es sich um ungeschlechtliche
Vermehrung der Einzeller handelt. Die zweigeschlechtliche Vermehrung führt
jedoch zu einer enormen Beschleunigung der Optimierung dieser genetischen Daten.
Der sexuelle Orgasmus ist die Belohnung der Gene für das Verhalten, das ihnen
nützt.
An die Stelle eines mysteriösen übernatürlichen Wesens setze ich also
die Gene, etwas Sichtbares und Erforschbares.
"Ergeben sich aus der
Feststellung eines bestimmten Sinns des menschlichen Daseins, wie z.B.
"Genussoptimierung", bestimmte Konsequenzen für unser Handeln etwa derart, dass
jeder Mensch auch im Sinne einer Genussoptimierung handeln sollte?"
Wie schon
gesagt, erkenne ich in der Evolution eine Tendenz weg von vorgegeben
Verhaltensstereotypien hin zu einem wegoffenem Verhalten. Der Mensch muss
wachsen, er hat jedoch die Möglichkeit, die Wachstumsrichtung den Umständen
entsprechend zu bestimmen. Bei weiterem Wachstum der Menschenzahl auf der Erde,
ihres Energieverbrauchs und ihrer materiellen Abfälle ist allerdings der
Untergang der Menschheit vorprogrammiert. Deshalb muss sich die Menschheit, wenn
sie überleben will, zur Begrenzung der Menschenzahl, zur Begrenzung des
Energieverbrauchs und zur Begrenzung der Abfallproduktion entscheiden.
Da
das Individuum andererseits aufgrund seiner genetischen Programmierung stets
wachsen muss, muss sich das Individuum entschließen, nicht mehr materiell zu
wachsen, also auf Vermehrung materiellen Eigentums verzichten, sondern es muss
sich zu geistigem Wachstum entschließen. Während der materielle Raum begrenzt
ist, ist im Reich des Geistes unendlich viel Platz, weil Ideen keinen Raum
einnehmen.
Wir können unsere Selbstentfaltung in die Richtung steuern, die
wir bevorzugen und müssen sie in Richtung der geistigen Selbstentfaltung
steuern.
Und dabei hilft uns die Begrenztheit der Geldmenge. Wir benötigen
auch kein wirtschaftliches Wachstum und auch keine Schwemme von Rentenzahlern,
sondern wir benötigen geistiges Wachstum, geistigen Reichtum.
Wir sollten das
tun, was uns geistigen Genuss verschafft.
Das ist die Verhaltensfolgerung für
das Individuum, die sich gesetzmäßig ergibt und – wenn Du so willst – der Sinn
meiner Philosophie.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
06. Jan. 2006, 00:32 Uhr
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Anmerkungen zum Sinnkonzept Rudis.
Die Genussoptimierung kann man in der Tat als "individuellen Lebenssinn"
betrachten. Betonung auf individuell.
Nun führt aber gerade dieser
Hedonismus im Falle des Menschen zur vorhersehbaren Katasprophe. Dadurch, dass
der Mensch selbst seine neuronalen Programme stark verändern kann, indem er zB
nicht verstandene Regelmechanismen wie etwa Geburtenregelung ausschaltet, wird
er dafür sorgen, dass er selbst vom Aussterben bedroht ist. Zumindestens in der
Spielart des Zivilisationsmenschen.
Damit aber ist der Hedonismus nur
als eine Sinnvorgabe für eine vergleichsweise kurze Zeit zu begreifen.
Andererseits kann man argumentieren, jede Spezies stirbt irgendwann einmal aus,
also wollen wir unseren Untergang so vergnüglich wie möglich arrangieren.
[cheesy]
Eine überzeugende absolute Sinngebung ist dies meines Erachtens
nicht.
Gruß HP.
P.S. So wir die Evolution nicht leugnen wollen,
müssen wir uns darüber im Klaren sein: Wenn das menschliche Dasein einen Sinn
haben soll, dann muss dies gleichermaßen auch für die Tiere gelten. Wenn nicht,
müssen wir begründen, wann und wie in der Evolution der "Sinn des Daseins"
eingeführt wurde.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 06.
Jan. 2006, 10:42 Uhr
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Hallo doc_rudi,
Deine Ausführungen beantworten meine Fragen leider nicht.
Ich will meine Kritik deshalb noch einmal direkter formulieren.
Wenn ich
Deine Überlegungen richtig verstehe, dann betrachtest Du alles unter dem
Gesichtspunkt der Evolution.
Dabei weist Du den Genen – Du sprichst
meist von der Natur - die Rolle eines zielgerichtet handelnden Subjektes zu.
("Die Natur steuert das Verhalten des Individuums, indem sie bestimmte
Verhaltensweisen mit positiven Gefühlen belohnt.")
Diese Ausdrucksweise
legt die Vermutung nahe, als gäbe es eine Art höheres Wesen (seien es nun die
Gene oder die Natur), das mit Intelligenz bestimmte Ziele verfolgt.
Diese Ziele kann man aus der bisherigen Entwicklung ablesen ("Die Selektion
bevorzugt offenes Wachstumsverhalten.")
Die Menschen sollten sich diesen
Zielen unterordnen ("Da das Individuum andererseits aufgrund seiner genetischen
Programmierung stets wachsen muss, muss sich das Individuum entschließen, nicht
mehr materiell zu wachsen, also auf Vermehrung materiellen Eigentums verzichten,
sondern es muss sich zu geistigem Wachstum entschließen.")
Diese Sicht
der Evolution ist zwar beruhigend, aber sie lässt sich nicht aus den Fakten
ableiten.
Das organische Leben ist kein zielgerichteter Prozess. Er ist
in Gang gekommen durch die Eigenschaft eines Moleküls, sich unter bestimmten
Umweltbedingungen zu verdoppeln. Diese Eigenschaft – verbunden mit gelegentlich
vorkommenden geringfügigen Unterschieden zwischen Original und Kopie (Mutation)
– erklärt den seit Milliarden von Jahren andauernden Prozess der Entwicklung
organischen Lebens.
Dieser Prozess verfügt über keine Intelligenz
bezüglich der Zukunft. Im genetischen Code ist nur gespeichert, was in der
Vergangenheit für die Erhaltung und Fortpflanzung förderlich war.
Deshalb
ist der bisherigen Entwicklung nicht unbedingt das zu entnehmen, was für die
Bewältigung völlig neuartiger Bedingungen und Risiken die geeignete Strategie
ist.
Deshalb kann man der Evolution keinen Sinn für unser Dasein
entnehmen.
Es grüßt Dich und alle Interessierten Eberhard.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 06.
Jan. 2006, 11:42 Uhr
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Sinn des Lebens als Genußmaximierung ist eine so flache Behauptung und so an der
Lebenswirklichkeit vorbei, daß ich mir einen kritischen Kommentar ersparen darf.
(schrieb jonny w)
Ich denke mir tatsächlich, nein, es ist doch so:
doc rudi's Bilanz geht gerade "nicht" an der Lebensirklichkeit vorbei. Ich möchte
diese Möglichkeit durchaus als Realität - wie es sich so verhält - anerkennen.
Überall und jederzeit verhält es sich so.
Die Frage aber, die sich hier
stellt: Ist das ein Sinn - wie ich ihn suche? Kann man hier von 'Sinn' sprechen?
Ist diese sich-selbst-erfüllende-Regelung das, was ich als Sinn des Daseins
anerkennen will.
Als Wirklichkeit des Geschehens mag es sich so verhalten
- als Sinnstiftung bietet mir dieser Prozess lediglich und allererst eine Basis
des Fragens nach einem Sinn. Denn, dass mir z.B. die Zeit ein Problem werden
kann, beim Kaffe mit dem Blick in die Leere, reißt die Abgründigkeit des Daseins
für mich auf - jenseits des Ablaufens "natürlicher Prozesse" - und lässt mich
erst still fragen nach dem Sinn des Daseins.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
06. Jan. 2006, 14:55 Uhr
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Hallo,
@Eberhard:
du liegst nur teilweise richtig, wenn du über die
Evolution schreibst:
"Dieser Prozess verfügt über keine Intelligenz
bezüglich der Zukunft. Im genetischen Code ist nur gespeichert, was in der
Vergangenheit für die Erhaltung und Fortpflanzung förderlich war."
Addieren
wir zum genetischen Code auch Informationen, die von den Eltern an die Kinder
weitergegeben werden, so wird die Aussage treffender. Die Aussage "keine
Intelligenz bezüglich der Zukunft" ist unpräzise. Man kann ohne Widerspruch mit
den Fakten behaupten, dass es das Ziel (=Sinn) des Lebens ist, sich zu erhalten.
Diese Vorgabe funktioniert jedenfalls seit ca. 2 Milliarden Jahren. Natürlich
darf man sich das nicht als die Handlungsweise eines "Naturgottes" vorstellen,
sondern als eine mögliche Interpretation der gegebenen Fakten: Die Lebewesen tun
alles, um ihre Art (Gene) zu erhalten.
Da wir aber aus astronomischen
Daten den Schluss ziehen müssen, dass das Leben in x Milliarden Jahren endet,
kann man sagen, dass dieses Ziel des Erhalts von Leben l ä n g s t f r i s t i g
nicht erreicht wird. Ein über diesen Zeitraum hinausreichendes Ziel ist nicht zu
erkennen.
@Siena:
Bemerkenswert ist dein Satz über den Hedonismus.
"Ist das ein Sinn - wie ich ihn suche"
Was willst du? Einen Sinn des
Lebens, der dir gefällt? Dann suche was dir gefällt oder schaffe ihn dir selbst.
Oder du suchst einen allgemein gültigen Sinn? Dann ist die Frage, ob er dir
gefällt, sekundär.
@jonny:
Auch an dich: Es geht nicht darum, ob
eine Tatsache gefällt, sondern ob sie wahr ist.
Und wenn du die Evolution
als korrekte Beschreibung der Entwicklung des Lebens leugnest, dann ist dir
nicht zu helfen. Du vertrittst dann zwar eine Mehrheitsmeinung, aber
wissenschaftlich haltbar ist sie nicht. Definitiv. "Nicht alles, was G.W. Bush
sagt, ist wahr" [grin] (Alteuropäische Weisheit )
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von ludovico am 06.
Jan. 2006, 15:04 Uhr
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"Es geht nicht darum, ob eine Tatsache gefällt, sondern ob sie wahr ist. "
Was für ein Imperativ!
Und ich dachte immer, dass Tatsachen geschaffen
werden, was ja die Frage, ob sie wahr sind oder nicht, mit der Existenz eben jener
genannten Tatsachen obsolet macht. Man lernt nie aus. Sinnvollerweise?
ludovico
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 06.
Jan. 2006, 15:53 Uhr
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@Siena:
Bemerkenswert ist dein Satz über den Hedonismus. "Ist das ein Sinn -
wie ich ihn suche"
Was willst du? Einen Sinn des Lebens, der dir
gefällt? Dann suche was dir gefällt oder schaffe ihn dir selbst. Oder du suchst
einen allgemein gültigen Sinn? Dann ist die Frage, ob er dir gefällt, sekundär.
Das Wort: ..."wie ich ihn suche" - sagt nichts über ein Gefallen aus.
Hier ist ein Suchen gemeint, das sich mit dem von dir so bezeichneten Hedonismus
"nicht" als Finden eines Sinnes beruhigen kann.
Ich bezweifle auch, dass ein
von mir selbst gesetzter Sinn (als objektiv gültiger Sinn) nicht das ist, was
ich suche.
So "gilt" die Suche weiterhin - wohin? Das ist hier, zumindest
bei mir, die Frage. Objektiv gültiger Sinn? Wenn dieser, dann ist es vollkommen
nebensächlich, wie du meinst, ob er mir gefällt, oder nicht. Objektiv gültig
nur, als in einer Endlichkeit "für" eine Endlichkeit objektiv gültig. Suchen und
Finden als Endlichkeit - aber so, dass dieses Finden das Allerobjektivste ist -
"für" eine Endlichkeit.
Ich möchte hier für mich festhalten, dass eine
Sinngebung eines endlichen Daseins mit Anspruch auf objektive Gültigkeit (Sinn
für alle und jeden) - so vielfältig die Ideen hier sein mögen, vermutlich nicht
das ist, was ich suche.
Was ich suche, habe ich noch nicht gefunden. Es
steht möglicherweise so, dass das Suchen lange Zeit noch ein Suchen bleiben
wird. Zunächst und lange Zeit ist für mich persönlich dieses Suchen selbst
richtungslos. Vermutlich aber nicht vollständig richtungslos. Die Richtung des
Suchens ist mir aber bis heute noch vollständig dunkel.
Ich glaube auch
nicht an einen objektiv-gültigen, vermittelbaren Sinn.
Die Richtung
könnte derart sein, dass Sinn immer bedeutet: endlicher Sinn (vor allem in der
Sinnfindung) und doch in dieser Endlichkeit gehalten sein in einer
Un-endlichkeit.
Es sucht in mir, ohne klar angeben zu können, in welcher
Richtung das Suchen sucht. Die angeführten Sinngebungsvorschläge, das ergibt
sich mir, sind das nicht, was ich suche.
Eine gewisse Neigung zeigt sich
mir im Suchen nach einem End-Sinn oder Über-Sinn - jenseits einer Endlichkeit
aber als solcher in die Endlichkeit hereinstehend.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 06.
Jan. 2006, 19:26 Uhr
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Hallo,
ich fang mal mit Eberhard an:
"Das organische Leben ist kein
zielgerichteter Prozess. Er ist in Gang gekommen durch die Eigenschaft eines
Moleküls, sich unter bestimmten Umweltbedingungen zu verdoppeln. Im genetischen
Code ist nur gespeichert, was in der Vergangenheit für die Erhaltung und
Fortpflanzung förderlich war."
Das stimmt erst mal – mit einer kleinen
Einschränkung. Natürlich haben wir hier zunächst nur die Eigenschaft eines
Moleküls, sich zu verdoppeln. Hinzu kommt die Eigenschaft, Aminosäuren zu
Eiweißen zu strukturieren. Aus dieser Eigenschaft resultiert eine räumliche
Ausbreitung. Gene breiten sich durch die ständige Vermehrung in dem Medium, in
dem sie diese Eigenschaft haben, immer weiter aus. Sie haben nicht nur die
Eigenschaft, so zu bleiben, wie sie sind (eine Eigenschaft jeglicher Materie.
Sie bleibt so lange so wie sie ist, bis sie durch Kräfte, die von außen
einwirken, verändert wird), sondern zusätzlich die Eigenschaft, sich durch
Vermehrung auszubreiten. Dieser Ausbreitung, die ich Datenausbreitungskraft
nenne, weil diese Gene Daten speichern, wirkt eine Kraft entgegen, nämlich die
sogenannte Umwelt. Die kann ihre Eigenschaften ändern, wärmer werden usw..
Das führt zu Selektion. Würden diese Gene nur das speichern, was in der
Vergangenheit für die Erhaltung und Fortpflanzung nützlich war, wären sie also
z.B. an eine Temperatur von 35,13 Grad Celsius angepasst, würden bereits alle
diese Gene bei einer Temperaturerhöhung um 0,01 Grad sterben, das Leben wäre
weg. Also: sie sind nicht punktgenau an die Vergangenheit angepasst,
sondern: die Fähigkeit zu überleben steigt mit der Ungenauigkeit der Anpassung.
Je ungenauer die Anpassung ist, desto größer ist die
Überlebenswahrscheinlichkeit. Deshalb machen auch Fehler beim Verdoppeln, die
sogenannten Mutationen, einen Sinn. Die Mutanten haben bei Änderung der
Umweltverhältnisse möglicherweise eine höhere Überlebenschance und breiten sich
dann aus. Wenn man also von Zielgerichtetheit spricht, könnte man auch
behaupten: die materielle Umwelt sei das "Wesen", das die Richtung der
Weiterentwicklung von genetisch gespeicherten Daten vorgibt.
Ich sage:
die Datenausbreitungskraft und die ihr entgegenwirkenden Kräfte der Umwelt
bilden gemeinsam eine Resultante, und diese Resultante nehmen wir als
"Evolution" wahr.
Da ist kein Platz für ein höheres Wesen oder eine
Ersatzreligion. Ich weise den Genen also kein zielgerichtetes Handeln zu und
auch nicht der Umwelt der Gene.
Ich lese aus der bisherigen Entwicklung
auch nicht in erster Linie Ziele ab, sondern ich lese Methoden ab, nämlich
Methoden, die das Verhalten lebende Systeme steuern. Darauf kommt es mir an. Die
Methoden denkt sich die Natur nicht aus, sondern sie haben sich aus dieser
Evolution entwickelt. Z.B. ist die Zweigeschlechtlichkeit mit der ständigen
Neukombinationen von Genen der beiden Eltern bei jeder Paarung einer sehr gute
Methode, die Variationsbreite der Kindergeneration zu erhöhen und damit wieder
die Überlebenswahrscheinlichkeit der Gene im Falle von Umweltänderungen zu
verbessern. Es geht bei dem Ganzen auch nicht um das Überleben der Individuen,
sondern um das Überleben der genetisch gespeicherten Daten. Die Individuen sind
von vornherein zum Tode verurteilt und nur so lange nützlich, bis sie Kinder
bekommen und diese großgezogen haben.
Das Kinder kriegen und Kinder groß
ziehen ist nun ein sehr mühsames Geschäft, das wohl niemand freiwillig auf sich
nehmen würde, wenn die Natur nicht das Kinderzeugen mit besonderen Lustgefühlen,
einem Orgasmus, belohnen würde.
Die Selektion hat also dazu geführt,
Verhaltensweisen, die der Gen-ausbreitung nützen, mit besonderen Glücksgefühlen
zu belohnen. Die selektierende Umwelt ist nun nicht nur die nichtlebende Umwelt,
sondern bei Tieren auch die Fressfeinde und die Beutetiere, beim Menschen die
anderen Stämme oder Völker. Eine Methode, die Evolution voranzutreiben, ist also
beim Menschen der Krieg. Die ständige Verbesserung der Waffenproduktion, die wir
beobachten können, ist also im Sinne der Weiterentwicklung genetisch
gespeicherter Daten.
Auch alles, was wir so im Frieden mit Mühe machen,
morgens aufstehen, arbeiten, Geld verdienen, belohnt die Natur dadurch, dass wir
dadurch Futter für uns und unsere Kinder bekommen und damit unseren
Glucosespiegel aufrecht erhalten. Abweichungen führen zu Hunger und Durst, der
Konsum befriedigt uns. Was wir tun, tun wir zur Unlustvermeidung oder zur
Steigerung unseres Genusses. Diese körperlich vermittelten Gefühle steuern uns.
@ Jonny
"die Gene bestimmen nicht nur das Erscheinungsbild der Individuen,
ihrer Datenträger, sondern auch deren Verhalten. Das ist eine kesse durch nichts
bewiesene und auch durch nichts zu beweisende Behauptung. Dogma einer
Ersatzreligion."
Du wirst wahrscheinlich zustimmen, dass die Gene den
körperlichen Aufbau, das Aussehen, der Individuen bestimmen. Aber Du meinst, das
hat nichts mit dem Verhalten zu tun. Dann haben Deine Beine wohl nichts damit zu
tun, dass Du laufen kannst und Dein Gehirn nichts damit, dass Du denken kannst.
Jedes Organ eines Lebewesens befähigt dieses doch zu bestimmten Aktionen und
Verhaltensweisen: die Flossen des Fisches befähigen ihn zur schnellen
Fortbewegung im Wasser, Flügel hätten beim Fisch keinen Sinn usw.. Ich meine, es
ist einleuchtend, dass jedes Organ die Fähigkeiten des Individuums bestimmt und
auch die Grenzen dieser Fähigkeiten festlegt. Wir können nur so vorstellen und
denken, wie es unser Gehirn zulässt. Was ist daran uneinsichtig und
Ersatzreligion?
@ Hanspeter
Das gilt gleichermaßen für Tiere.
Nun setzt
sich jedoch die Evolution beim Mensch anders fort, weil der Mensch ein Organ
(das Gehirn hat), das ebenfalls Daten speichern kann. Diese werden mit dem Tod
des Individuums gelöscht, wie beim Tier. Im Unterschied zum Tier kann der Mensch
diese Daten aber auch hirnextern speichern.
Damit überdauern diese Daten
ebenso wie die genetisch gespeicherten Daten die Lebensdauer des Individuums.
Diese Ideen des Menschen werden daher, wie die Gene, in die Zukunft
transportiert. Heute leben nicht nur die Gene früherer Generationen, sondern
auch die Ideen früherer Generationen.
Folgerung: die Methoden der Evolution,
wie Übervermehrung der Individuen und Selektion durch Krieg, sind überflüssig
geworden. Wir benötigen in Zukunft kein Bevölkerungswachstum der Menschheit,
keine Staaten, keine Waffen und keinen Krieg, weil wir unsere Ideen durch
wissenschaftliche Betätigung weiterentwickeln können und durch die hirnexterne
Datenspeicherung in die Zukunft transportieren können.
Der Drang nach
Genussoptimierung und die Vermeidung von Unlust ist zwar das Mittel der Natur,
um unser Verhalten zu steuern, also der uns von der Natur zugewiesene Sinn
unseres Daseins. Das ist vielleicht platt, aber es die Methode der Natur, eben
nicht genau die Vergangenheit in die Zukunft zu transportieren, sondern uns die
Wahl über die Richtung unsere Selbstentfaltung zu überlassen, uns also Freiheit
zu geben (allerdings zum Nutzen des Überlebens der Gene).
Wenn ich sage, der
Mensch muss seine Selbstentfaltung im geistigem Reich fortsetzen, ist das ein
persönlicher Vorschlag von mir, aber keine übergeordnete Sinngebung.
Man
könnte es jedoch auch als sinnstiftenden Vorschlag, den Siena vermisst,
auffassen.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 06.
Jan. 2006, 21:59 Uhr
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Hallo jonny,
Du schreibst:
"Naturwissenschaften und Philosophie
sollten nix mit Wahrheit am Hut haben."
Ich wüsste nicht, wonach eine
Wissenschaft sonst streben sollte, als nach wahren Antworten auf die Fragen, für
die sie zuständig ist. Für mich ist ein Satz wahr, wenn es so ist, wie der Satz
besagt.
Ich möchte mich jedenfalls möglichst nicht irren und möchte in
meinen Erwartungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Welt möglichst nicht
enttäuscht werden,
meint Eberhard.
p.s.: Im übrigen sind
Motivunterstellungen ("weil Du es glauben willst") sehr missliche Argumente,
weil sie gegen die Person gehen und nicht gegen die Position, die diese Person
vertritt. Außerdem sind gerade Motivunterstellungen eine Art von Behauptungen,
die sich der Verifikation und der Falsifikation praktisch völlig entziehen.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
07. Jan. 2006, 00:30 Uhr
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Hallo jonny,
ich wollte dich nicht beleidigen, aber jemand, der die
Evolutionstheorie für nicht mehr gültig betrachtet, den rechne ich nun einmal zu
den unverbesserlichen Kreationisten.
Ansonsten, ich habe mich erst mit
der Evolutionstheorie beschäftigt, dann mit philosophischen und religiösen Fragen
- nicht umgekehrt. Und du kannst mir glauben, als Naturwissenschaftler habe ich
durchaus eine Ahnung, wovon ich spreche!
Hallo doc rudi,
deinem
Beitrag würde ich weitgehend zustimmen. Nicht aber deiner Meinung zu
Mensch-Tier.
Hirnexterne Datenspeicherung gibt es auch bei Tieren -
Weitergabe von Traditionen von Eltern an die Kinder. Die Datenspeicherung in
Form von Büchern oder Festplatten würde ich nicht als so etwas fundamental Neues
sehen. Auch lege ich Wert darauf, Menschen ohne diese Art der Datenspeicherung
weiterhin als Mensch zu sehen!!
Doch zurück zum Sinn des Daseins. Es
bleibt nach wie vor: Einen Absoluten Daseinssinn kann auch die Evolution nicht
vermitteln. Auch ich halte den Erhalt der menschlichen Art als den plausibelsten
Sinn des menschlichen Daseins, kann aber keinen mathematisch-logischen Nachweis
dafür bringen, dass es keinen Schöpfergott gibt, vor allem dann nicht, wenn
diejenigen, die an einen sinnstiftenden Schöpfergott glauben, ihn so definieren,
dass seine Existenz nicht beweisbar ist.
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 07.
Jan. 2006, 01:59 Uhr
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Hallo Wolfgang K,
Du fragst: "Und was genau ist bitte die theoretisch
postulierte "Datenausbreitungskraft"? Von wem oder was geht diese Kraft aus? Was
definiert ihre Richtung? Was ist ihr Antrieb? Woraus begründet sich diese Kraft
selbst?"
Diese Kraft begründet sich aus der Eigenschaft der Gene, Kopien von
sich anzulegen, sich zu verdoppeln. Die Verdoppelung führt in der zweiten
Generation zu 2, in der 3. Generation zu 4, in der 4. zu 8, in der 5. zu 16 usw.
Tochterindividuen (ein Mathematiker kann das besser berechnen). Eine Explosion,
die im Nu den gesamten ihm zur Verfügung stehenden Raum ausfüllen würde. Diese
Vermehrung übt einen Druck oder eine Kraft in alle Richtungen aus. Aber: die
Umwelt setzt dieser Ausbreitung einen unterschiedlich großen Widerstand
entgegen, einen Gegendruck. Also: sagen wir, Leben hat im Wasser begonnen. Dort,
wo das Wasser seine Zusammensetzung ändert, seine Temperatur ändert oder
überhaupt endet und sich Erde oder Luft an das Wasser anschließt, in diese
Richtungen kann dieses Gen (und sein Träger) nicht so einfach hineinausbreiten
(wachsen). Dieses geht nur durch Veränderung (z.B. Mutation). Diese Veränderung
ist jedoch keine gezielte, sondern sie ist ungezielt und das Medium (die Umwelt)
selektiert. Auch diese Selektion ist nicht gezielt, sonst könnte man meinen,
dieses Medium wäre so etwa die Hand Gottes, die dem, was da ungerichtet wächst,
eine Form gibt.
Beiden Seiten darf man keine gezielte Aktivität unterstellen.
Das Resultat jedoch ist, dass das Chromosom (die Genmenge) sich verändert. Und
diese beobachtbare Veränderung nennen die Biologen "Evolution".
Diese
Vorstellung von Evolution erklärt das Phänomen, dass Leben sich ausbreitet und
immer mehr in verschiedene Nieschen eindringt, sich auch in neue Umwelten hinein
ausbreitet und sich dabei verändert.
Diese Veränderung, die Entstehung neuer
Arten, ist eine Kompromissbildung. Entweder sterben vorhandene Arten aus, oder
sie überleben durch ihren Wandel. An diesem Wandel hat jedoch das selektierende
Medium den gleichen Anteil wie das sich ausbreitende Leben.
Die
entgegenwirkenden Kräfte der Umwelt stellen sozusagen eine Bremse dar, die in
unterschiedlichen Richtungen unterschiedlich stark ist, so ähnlich wie der
Reibungswiderstand die Fortsetzung der gleichförmigen Bewegung eines materiellen
Objektes im Raum abbremst.
Evolution ist also das Resultat von Kraft
(Ausbreitungskraft) und Gegenkraft (Widerstand).
Beantwortet ist mit diesem
Postulat die Frage, warum Evolution zu einer Weiterentwicklung der genetisch
gespeicherten Daten (und der Bildung komplizierterer Individuen/Arten) führt.
@Hanspeter:
richtig, Weitergabe von Traditionen von der Elterngeneration auf
die Tochtergeneration gibt es auch schon bei Tieren, Bei Menschen ist das
extremer, so dass ich hier sage: erlerntes Verhalten wird nicht genetisch
vererbt, sondern durch Lehren und Lernen vererbt. Hirnexterne Datenspeicherung
in der menschlichen Art und Weise beinhaltet jedoch die Umwandlung von akustisch
vermittelten Daten (Sprache, die es in Ansätzen auch beim Tier gibt) in optisch
vermittelte Daten. Diese Umwandlung in optische vermittelte Daten durch Zeichen
(Schrift), die auf dauerhaften Datenträgern (z.B. Stein) gespeichert ist, und
dadurch diese Daten in die Zukunft transportiert, gibt es meines Wissens im
Tierreich noch nicht.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 07.
Jan. 2006, 07:11 Uhr
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Guten Morgen die Teilnehmenden, guten Morgen Wolfgang K!
Allgemein: Das
Thema "Sinn des Daseins" liegt weit. Die Analysen zur Evolution können einen
absoluten Daseinssinn (HansPeter) nicht vermitteln.
Ich meine, sie können
nicht nur einen "absoluten Sinn" nicht vermitteln, sondern auch nicht einen
beschränkt gültigen, auf die Evolution eingeschränkten Sinn, geben.
"Man
kann ohne Widerspruch mit den Fakten behaupten, dass es das Ziel (=Sinn) des
Lebens ist, sich zu erhalten", schrieb HansPeter.
Ziel des Lebens
(Evolution) = Sinn = Selbsterhaltung. Man mag das so bezeichnen und noch mehr
und zahlreichere Analysen dazu beibringen - die sich, wie Wolfgang K formuliert,
sich nur selbst bestätigen.
Paradox formuliert: Die Evolution ist der
Sinn des Lebens, aber sie gibt keinen Sinn "für" ein Dasein.
Der Blick,
so scheint mir, zum "sinnsuchenden" Menschen - dem Individuum - der sein Leben
"leben" muss und in beschränkter Freiheit Entscheidungen treffen muss - ist
dabei längst verlassen. Der Mensch kommt dann "auch" vor unter anderen Lebewesen
und Dingen - ein Objekt unter Objekten, ein allgemeiner "Fall" für Theorien und
Anwendungen (die alle ihre Gültigkeit haben möchten).
Die Ausgangsfrage:
"Hat das menschliche Dasein einen Sinn" zielt meines Erachtens nicht auf
Objektivierung - sie gilt dem Menschen als "Existenz".
Wolfgang
K: "Ich frage nach HIER&JETZT sofort nachprüfbaren FAKTEN und nicht nach
Theorien."
Warum soll das "HIER&JETZT" sofort nachprüfbar sein? Von wem
nachprüfbar und für wen?
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 07.
Jan. 2006, 12:04 Uhr
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Hallo,
zunächst zu Hanspeter: "Einen Absoluten Daseinssinn kann auch die
Evolution nicht vermitteln."
Das ist richtig, wenn Du die Betonung ab
"absolut" legst. Nun vermeide ich rationale Beschäftigung mit dem, was man nicht
wissen kann: das "Absolute", "Gott", was war am Anfang? usw.
Meines Erachtens
gibt es Fragen oder Themen, die von vornherein eine rational beweisbare
Behauptung nicht zulassen. Eine so verstandenen Philosophie, die sich im Reich
der Fantasie bewegt, ist nicht die meine.
Aber ich möchte mal sagen: relative
Wahrheit oder einen relativen Sinn, also bessere Antworten als bisher, lassen
sich schon finden.
Es lassen sich auch Antworten zum Sinn finden, die sich
aus der Evolution ableiten lassen. Wenn Du Dich mit Evolution befasst hast,
bevor Du Philosoph wurdest, weißt Du, dass meine Sichtweise der Evolution auch
etwas von der Lehrmeinung abweicht.
Für den Menschen hat übrigens Popper auch
einen Vorschlag gemacht, der mich seinerzeit beeindruckt hat, nämlich: Alles
Leben ist Problemlösen. (so der Titel des Buches) Auch diese Sinngebung gründet
sich auf der Evolution.
@Siena. Auch für Dich hätte ich einen Vorschlag zum
Lebenssinn, der sich aus der Evolution ableiten lässt, nämlich:
Sinn des
menschlichen Lebens ist die Suche.
Dieser Sinn ließe sich sehr schön aus dem
Übergang von pflanzlichen zu tierischen lebenden Systemen ableiten (wir gehören
ja zu den Tieren). Pflanzen können sich über große Entfernung sehr gut unter
Ausnutzung des Windes ausbreiten. Tiere haben jedoch Fortbewegungsorgane (Beine,
Flügel, Flossen), mit deren Hilfe sie den spontanen Wetteränderungen der
nichtlebenden Natur nicht hilflos ausgesetzt sind. Sie nutzen diese
Fortbewegungsorgane zum ständigen Suchen. Suche nach Beute, Suche nach Schutz,
Suche nach Erkenntnis (beim Menschen).
Du scheinst mir der Prototyp des
Suchers zu sein, und gerade dieses Suchen ist aus meiner Sicht eine sehr schöne
Sinngebung.
@Wolfgang W. Du hast bereits gefunden. In Deinem letzen Beitrag
zur Logik hast Du Dich auf das Sehen konzentriert und argumentierst: was wir
nicht mit unseren Augen sehen, die Chromosomen, die Gene, ist nicht wirklich. Da
kann ich nur sagen: von dem Baum, den Du mit Deinen Augen zu sehen meinst,
fallen lediglich elektromagnetische Wellen in Dein Auge, die Du in elektrische
Nervenimpulse umwandelst, die auf chemischem Wege auf andere Nerven übertragen
werden und Dein Hirn wandelt diese elektrischen Impulse am Ende in eine optische
Wahrnehmung um, die in einem geistigen Reich existiert. Was Du da wahrnimmst,
ist also nicht der "Baum an sich", wie Kant schon festgestellt hat. Dein
Sehorgan Auge kannst Du jedoch als Mensch um körperexterne Sehorgane erweitern
(Mikroskop, chemische Sehorgane, elektrische Sehorgane usw.), mit deren Hilfe Du
mehr sehen kannst als mit Deinem Auge. Da kannst Du nicht nur Chromosome sehen,
sondern sogar Atome, Elektronen usw.. Und Du kannst mit Hilfe von köperexternen
Effektoren, also Instrumenten usw., sogar Versuche mit diesen Objekten
anstellen, die Dir Deine Hypothesen beweisen oder widerlegen. Für mich sind die
so bewiesenen Fakten dann Wirklichkeit.
Du hast aber mit Deiner Kritik am
Wissenschaftsbetrieb Recht. Ich habe dies in meinem letzten Buch "die Klonung
des Denkens" genannt, der wir mit Eintritt in die Schule ausgesetzt sind.
V.
Bertalanffy oder v. Foerster würden Dir wahrscheinlich viel bringen, wenn Du den
allgemeinen Zirkelschluss des Wissenschaftsbetriebes kritisierst, der darin
besteht, dass der Wissenschaftler sich selbst von seinem Experiment distanziert
und es als Beobachter betrachtet, obwohl er selbst das Experiment gestaltet hat
und mithin Teil seiner Versuchsanordnung ist, also die Verifizierung seiner
Hypothese durch das Experiment lediglich Beweis für die Richtigkeit seiner
Phantasie ist und nicht für die Wahrheit der von ihm untersuchten Wirklichkeit.
(klingt jetzt etwas verquer, aber ich glaube, dass Deine Kritik in diese
Richtung geht.)
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
07. Jan. 2006, 14:42 Uhr
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Hallo Sinnsucher,
ich denke, wir kommen nicht weiter, wenn wir uns in
erkenntnistheoretische Scheinkämpfe begeben. Wenn jemand glaubt, die Evolution
sei keine Wahrheit, sondern entweder vom Teufel geschaffen oder eben eine
Unwahrheit oder eine unverbindliche Idee, dann mag er es glauben oder dazu einen
entsprechenden Thread bei Erkenntnistheorie erstellen.
Für den bietet sie
eben keine Grundlage für eine Sinngebung des Lebens. Ist ja akzeptiert.
Doch dann bitte ich die entsprechenden Herrschaften, einen konstruktiven Beitrag
zu leisten und ihre Vorstellungen für eine andere Sinngebung darzulegen. Denn
außer
1. Es gibt keinen Sinn und
2. Erhaltung der Art
hat es noch
keine klare Alternative gegeben. Bestenfalls die diffuse, wonach irgend ein
Schöpfergott einen irgendwie geartenen Sinn geben könnte.
Also, Jonny,
Wolfgang K, Siena: Formuliert bitteschön eure Vorstellungen vom Sinn des Lebens.
Klar verständlich und in wenigen Sätzen. Philosophie sollte nämlich nicht die
Kunst sein, aus einem Löffel Teig einen Laib Brot zu backen. [cheesy]
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 07.
Jan. 2006, 18:15 Uhr
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Lieber Einwurf!
Die römisch/katholische Kirchenlehre enthält dogmatisch:
Gott ist reine Liebe (Geber der Moral/Dekalog) - Gott ist zugleich Schöpfer der
Welt und des Universums.
(Ich glaube, man kann so den Inhalt dieser Lehre auf
das Nötigste beschränken]
Die Aporie, von der ich sprach, ergiebt
sich schon alleine daraus, dass ein Schöpfer diese "grausame" Zumutung Welt (ich
verkürze wieder) gewollt hat - er also alle ihre Folgen gewollt hat -
uneingeschränkt.
Wie aber kann so ein Gott (Despot) ein Gott der Liebe
sein? Denn ebenfalls ist für das Dogma der Schöpfergott zugleich der Gott des
Nazaräners - der reine Liebe ist.
Diese Widersprüchlichkeit ist bis
heute "die" Grundlage des jüdisch-christlichen Gottesbildes - das mir vermittelt
wurde. Und so meinte ich, dass dieses traditionelle Gottesbild je schon blutleer
sein muss - schon immer tot war und sterben musste und es nur folgerichtig zum
Theodizee-Problem kam.
Auf dieser Ebene wird einer Vermittlung kaum
nachvollziehbar, unmöglich sein.
Ich aber lebte mit den
dogmatisch-gelernten Begriffen und Dogmen und Vorstellungen dieser blutleeren
Kirche. Gott wurde mir so vermittelt. An diesen Gott aber kann ich nicht glauben
und so steht die Frage für mich jenseits der römisch/katholischen Tradition im
Raum:
Was heißt es eigentlich, an Gott zu glauben?
Das aber ist eine
Frage des Glaubens (auch nicht der Religionsphilosophie) - die hier nicht
abgehandelt werden kann - die, das möchte ich sagen, letztlich "nie"
ab-gehandelt werden kann - wie man eben Fakten abhandelt.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
08. Jan. 2006, 00:26 Uhr
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Hallo jonny,
das hört sich ja gar nicht schlecht an: "Sein ist Sinn!"
Dann ist es ja auch sinnvoll, ein Sein zu schaffen und zu gewährleisten. Und
schon sind wir dabei, es als sinnvoll zu betrachten, das (menschliche) Leben zu
erhalten. Also, du sagst dasselbe wie ich - nur mit etwas anderen Worten!
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von louisquinze am
08. Jan. 2006, 08:37 Uhr
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M. Hanspeter,
Sie nähern sich da der klassischen Transzendentalienlehre
nach welcher gilt: ens et unum, verum, bonum convertuntur, zu deutsch: das Sein
und das Eine, Wahre, Gute ist identisch. In letzter Instanz gilt dies natürlich
nur vom absoluten Sein (d.i.Gott). Es zeigt aber, daß alles an diesen
übersteigenden Eigenschaften des Seins teilhat, insofern es am Sein teilhat!
(you see! :-))
Dies ist ein nein, nicht aristotelischer, sondern platonischer
Grundgedanke...philosophia perennis...
mfg ;-)
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von louisquinze am
09. Jan. 2006, 11:51 Uhr
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Nein M. Hanspeter ich meinte meinen Beitrag #102. Eine hegelsche Reminiszenz.
Was Sie zitieren ist ein scholastisches Lehrstück die sog.
Transzendentalienlehre, welche versucht das Sein aus sich selbst gewissermaßen
zu interpretieren. Was man in der modernen analytischen Philosophie eine reiche
Ontologie nennen könnte.
Ich wollte damit auf einen IMHO interessanten
Umstand hinweisen:
Man sieht etwa z.B. bei Eberhard, der eine recht schlanke
Ontologie vertritt, daß spätere Sinndeutungen des so verstandenen Ganzen nicht
mehr sehr ergiebig sind, während dies bei reichhaltigen Ontologien wohl der Fall
ist, wie in #102.
Trotz zahlloser Angriffe von positivistischer Seite auf
solche großangelegte Metaphysiken ist nicht recht einzusehen wie man sie
negieren könnte, außer man legt sich willkürlich auf irgendwelche
wissenschaftstheoretischen Maximen fest. Das ist dann aber ebensowohl
Dogmatismus.
Was also der Sinn des menschlichen Daseins, der Welt, der
Wissenschaft der Philosophie und des Ganzen ist, bleibt somit doch sehr gebunden
an persönliche Vorlieben, Ein- und Ansichten und Weltanschauungen. :-)
mfg
Lq
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von doc_rudi am 09.
Jan. 2006, 12:28 Uhr
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Hallo Sinnsucher,
nachdem meine Definition des Sinns individuellen
menschlichen Lebens verständlicherweise auf wenig Unterstützung getroffen ist,
möchte an meine Definition des Sinns des Menschen als "Gattungswesen" (Marx) in
Beitrag #21 erinnern.
"Der Sinn des menschlichen Lebens besteht darin, diese
Daten, die sozusagen ein Negativ der Nichtlebenden Natur sind, von dieser
materiellen Datenspeicherung ins Geistige zu übersetzen und sie damit in anderer
Form zu speichern, nämlich wiederum materiell in Form der menschlichen
Datenspeicherung in Büchern, auf Festplatten und in den Produkten der
menschlichen Tätigkeit: das, was die Menschen bauen, ihre Werke, ihre Autos,
ihre Fabriken usw. enthält Daten, die ich als Ergebnis einer durch den Menschen
bewirkten Datentransformation ansehe."
Was bedeutet dies?
Dies bedeutet,
dass ich im Gegensatz zu Marx, der die "Entfremdung des Menschen von dem
Menschen" (Fischer 6060, 1966- Ökonomisch-philosophische Manuskripte S. 82,
ursprünglich 1844) bedauert (der Arbeiter sei zur Maschine herabgesunken, S.41.
Er erscheine als unorganischer Leib seines Herrn, S.71), diese Entwicklung nicht
als Entfremdung, sondern als eigentliche Bestimmung des Menschen ansehe. Die
Maschinen und technischen Produkte sind aus meiner Sicht Re-Materialisierungen
geistiger Inhalte. Die genetische Datenspeicherung ist bereits die erste
Materialisierung geistiger Inhalte (nämlich von Bauplänen und Verhaltensplänen)
und die hirnexterne Datenspeicherung des Menschen stellen eine weitere
Materialisierung geistiger Inhalten (Ideen) dar. Die Ideen (=geistige Gene) sind
nicht nur in Büchern usw. gespeichert, sondern auch in er Technik. Die
Wissenschaften stellen die Fortsetzung der Evolution im Reich des Geistes dar,
die technische Entwicklung ijre Materialisierung, die die Evolution genetisch
gespeicherter Daten überflüssig macht. Überbevölkerung der Erde mit Menschen,
Staaten, Waffenproduktion und Kriege sind mit diesem Übergang zur Evolution des
Geistes überflüssig geworden.
Der Sinn der menschlichen Lebens (als
Gattungswesen i.S.v. Marx) ist also die Intensivierung wissenschaftlicher
Forschung. ("Sinn" hier als Aufgabe oder Ziel verstanden)
Dies wäre
vielleicht eine Konkretisierung des allgemeinen Blabla "unseres altehrwürdigen
Standpunkts" (Lq in #102) .
Sicher entäußert sich hier Geist. Dies jedoch
nicht als der absolute Einheitsgeist i.S. Hegels, sondern als die 1000 Ideen der
Maos ("Lasst 100 Blumen blühen". Rotes Buch, Mao). Oder sind das die 1000
Monaden des altehrwürdigen Leibniz?
Wir entwickeln uns weg von der
"Weltformel", vom Absoluten usw. und nicht zu ihr hin.
Gruß
rudi
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Hanspeter am
09. Jan. 2006, 15:02 Uhr
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@LQ schreibt:
"Was also der Sinn des menschlichen Daseins, der Welt, der
Wissenschaft der Philosophie und des Ganzen ist, bleibt somit doch sehr gebunden
an persönliche Vorlieben, Ein- und Ansichten und Weltanschauungen."
Ich
bin doch sehr gerührt, dass Sie meiner Position zustimmen können!
Und da
ich nicht zu dumm sterben möchte: Was sind bitte eine "schlanke und eine
reichhaltige Ontologie"?
Gruß HP
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von louisquinze am
09. Jan. 2006, 16:23 Uhr
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@hanspeter
Leider haben Sie die Begründung meiner Stellungnahme überhaupt
nicht verstanden. Und so besteht zwischen unseren Meinungen doch ein erheblicher
Unterschied.
Zur Sachfrage:
Rungaldier/Kanzian, Grundprobleme der
analytischen Ontologie UTB
mfg
Lq
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 11.
Jan. 2006, 04:46 Uhr
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Guten Morgen louisquinze!
"Hat das menschliche Dasein einen Sinn?" - das
ist die Eingangsfrage. Wir haben, so scheint mir, alle Positionen gehoben
(vielleicht aber auch nicht).
Sie bezeichnen sich als "Metaphysiker" - das
habe ich, so scheint mir, irgendwo gelesen - aber ich kann mich auch täuschen.
Sehen Sie, es ist doch nicht meine übliche Art und gar frivol, wenn ich Sie
so direkt nach dem Sinn des Daseins befrage.
"Könnte jetzt bitte mal
jemand die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins beantworten?" - sind
ihre Worte.
Fassen Sie diese Worte als meine Frage an Sie auf.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Siena am 11.
Jan. 2006, 04:54 Uhr
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Wenn es Ihnen möglich ist, und daran zweifle ich keineswegs, dann erlaube ich
mir eine weitere Frage an Sie zu richten:
Was ist Metaphysik?
Diese Frage mag vorerst nicht zu der Eingangsfrage beitragen - aber vielleicht
nur auf den ersten Blick. Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Bemühungen.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am 11.
Jan. 2006, 17:02 Uhr
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Hallo allerseits,
Der vieldeutig schillernde Begriff "Sinn" (Zweck, Ziel,
Absicht, Bedeutung, Aufgabe, Funktion, Wert, Geist etc.) schafft offensichtlich
Probleme. Ohne eine genauere Bestimmung dessen, was mit dem Wort "Sinn" jeweils
gemeint ist, redet man aneinander vorbei.
Ich will das an einem Beispiel
deutlich machen:
Nehmen wir die Ausgangsfrage: Hat das menschliche Dasein
einen Sinn?
Wenn man "Sinn" hier als "Zweck" interpretiert, dann ergebt
sich für jemanden, der nicht an überirdische Wesen glaubt, dass das menschliche
Dasein, also die Existenz der Gattung homo sapiens, keinem bestimmten Zweck
dient oder zu dienen hat. Es gibt niemanden, der die Menschheit zu einem
bestimmten Zweck erschaffen hat und der den Menschen die Erfüllung dieses
Zweckes zur Aufgabe gemacht hat.
Das wird von anderen dann kritisiert mit
Sätzen wie: "Für Dich ist also das menschliche Dasein sinnlos (der Kosmos
sinnentleert). Eine trostlose Perspektive!"
Meist ohne dass es gesagt
oder bewusst bemerkt wird, hat das Wort "Sinn" dabei einen Bedeutungswandel
durchgemacht, denn "sinnlos" hat gewöhnlich den negativen Beiklang von
"bedeutungslos" oder "wertlos", denn der Ausdruck "dient keinem weitergehenden
Zweck" nicht besitzt.
Wertlosigkeit ist aber nicht gemeint, wenn man
sagt:
"Die Existenz der Menschengattung dient keinem übergeordneten
Zweck. Hier von Zwecken zu reden ist ohne Sinn, weil ein Zweck ein Subjekt
voraussetzt, das diesen Zweck verfolgt. Ein solches Subjekt ist jedoch nicht
vorhanden. Die Welt, das organische Leben, die Menschheit: das sind
Gegebenheiten, die einfach da sind, gewissermaßen als "Zweck in sich selbst".
Die allzumenschliche Frage: "Wozu sind sie denn da?" geht daran vorbei.
Es grüßt Euch Eberhard.
p.s. Wegen Überlänge muss ich wohl den Thread
Teil II eröffnen.
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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?
Beitrag von Eberhard am
Gestern, 18:36 Uhr
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Hallo jonny,
"Wessen Herz voll ist, dessen Mund quillt über", lautet ein
Sprichwort. Nur ist das nicht die beste Weise, um auf gestellte Fragen die
richtigen Antworten zu bekommen, also Antworten, die allgemein nachvollziehbar
begründet sind.
Wenn die zu beantwortende Frage lautet "Hat das
menschliche Dasein einen Sinn?", dann muss allen klar sein, was mit der Frage
gemeint ist. In unserem Fall ist zu fragen: Meinen alle mit "Sinn" dasselbe?
Diese Frage ist berechtigt, weil im Deutschen "Sinn" nicht gleich "Sinn"
ist, sondern mehrere unterschiedliche Bedeutungen haben kann.
In dem
Satz "Sinn und Zweck dieser Übung ist es, die Atmung zu verbessern" bedeutet
"Sinn" etwas anderes als in dem Satz "Der Sinn dieses Gedichtes ist der Ausdruck
von Freude an der Vielfalt der Natur".
Wenn "Sinn" soviel wie
"Zweckhaftigkeit" bedeutet, dann hat das menschliche Dasein keinen Sinn, denn
die Existenz der Menschengattung dient keinem Zweck.
Wenn "Sinn" wie
"gemeinte Bedeutung" gebraucht wird, dann hat das menschliche Dasein ebenfalls
keinen Sinn, denn "Bedeutung" in diesem Sinne kann nur etwas haben, was Zeichen
für etwas anderes ist, so wie die weiße Fahne im Krieg Zeichen für "sich
ergeben" ist.
Das Dasein der Menschheit ist jedoch ein Produkt der
Entwicklung des organischen Lebens, das niemand als Zeichen für etwas anderes
benutzt.
Dein Beitrag enthält weiterhin eine Fülle von Aussagen, die Du
nicht näher begründest:
"Die Welt ist eine Mitteilung."
"Es ist
unmöglich, die Welt mit dem Intellekt zu verstehen."
"Wahrnehmen ist Sinn
schaffen."
"Nur wer liebt, erkennt."
Ich halte jede dieser Aussagen
für reizvoll aber falsch.
Eine Auseinandersetzung darüber erscheint mir
nur dann sinnvoll (im Sinne von "lohnend"), wenn Du Dich auf eine der Aussagen
beschränkst, wenn Du außerdem erläuterst, wie Du die Aussage verstehst, und wenn
Du schließlich die Aussage mit Argumenten zu begründen versuchst.
Es
grüßt Dich Eberhard.
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