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Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II

(Diskussion bei PhilTalk)

(Auswahl)


PhilTalk Philosophieforen  Praktische Philosophie >> Ethik >> Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
(Thema begonnen von: Eberhard am 13. Jan. 2006, 18:40 Uhr)

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Titel: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 13. Jan. 2006, 18:40 Uhr
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Hallo Sinnsucher,

dies ist die Fortsetzung des zu lang gewordenen Threads gleichen Namens.

Hier noch einmal mein Beitrag:

Hallo jonny,

"Wessen Herz voll ist, dessen Mund quillt über", lautet ein Sprichwort. Nur ist das nicht die beste Weise, um auf gestellte Fragen die richtigen Antworten zu bekommen, also Antworten, die allgemein nachvollziehbar begründet sind.

Wenn die zu beantwortende Frage lautet "Hat das menschliche Dasein einen Sinn?", dann muss allen klar sein, was mit der Frage gemeint ist. In unserem Fall ist zu fragen: Meinen alle mit "Sinn" dasselbe?

Diese Frage ist berechtigt, weil im Deutschen "Sinn" nicht gleich "Sinn" ist, sondern mehrere unterschiedliche Bedeutungen haben kann.

In dem Satz "Sinn und Zweck dieser Übung ist es, die Atmung zu verbessern" bedeutet "Sinn" etwas anderes als in dem Satz "Der Sinn dieses Gedichtes ist der Ausdruck von Freude an der Vielfalt der Natur".

Wenn "Sinn" soviel wie "Zweckhaftigkeit" bedeutet, dann hat das menschliche Dasein keinen Sinn, denn die Existenz der Menschengattung dient keinem Zweck.

Wenn "Sinn" wie "gemeinte Bedeutung" gebraucht wird, dann hat das menschliche Dasein ebenfalls keinen Sinn, denn "Bedeutung" in diesem Sinne kann nur etwas haben, was Zeichen für etwas anderes ist, so wie die weiße Fahne im Krieg Zeichen für "Sich ergeben" ist.

Das Dasein der Menschheit ist jedoch ein Produkt der Entwicklung des organischen Lebens, das niemand als Zeichen für etwas anderes benutzt.

Dein Beitrag enthält weiterhin eine Fülle von Aussagen, die Du nicht näher begründest:

"Die Welt ist eine Mitteilung."
"Es ist unmöglich, die Welt mit dem Intellekt zu verstehen."
"Wahrnehmen ist Sinn schaffen."
"Nur wer liebt, erkennt."

Ich halte jede dieser Aussagen für reizvoll aber falsch.

Eine Auseinandersetzung darüber erscheint mir nur dann sinnvoll (im Sinne von "lohnend"), wenn Du Dich auf eine der Aussagen beschränkt, wenn Du außerdem erläuterst, wie Du die Aussage verstehst, und wenn Du schließlich die Aussage mit Argumenten zu begründen versuchst.

Es grüßt Dich und alle Interessierten Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Hanspeter am 14. Jan. 2006, 00:24 Uhr
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Hallo Eberhard,

ich denke auch, dass es zweckmäßig ist, den Begriff "Sinn" genau zu definieren.

Zu deinem Beispiel: (Zitat)
"In dem Satz "Sinn und Zweck dieser Übung ist es, die Atmung zu verbessern" bedeutet "Sinn" etwas anderes als in dem Satz "Der Sinn dieses Gedichtes ist der Ausdruck von Freude an der Vielfalt der Natur".

Das kann nicht nicht ohne weiteres nachvollziehen. Würde der Satz heißen: " Der Zweck dieses Gedichtes.." wäre dann die enthaltene Information wirklich anders?

Sinn im Sinne von Bedeutung ist klar - aber dass das für deine eigentliche Frage nichts bringt, hast du ja schon gesagt.

Also, das Leben hat weder einen allgemein gültigen Zweck noch eine allgemeingültige Bedeutung. Beunruhigt dich das?

Gruß HP



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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 14. Jan. 2006, 07:14 Uhr
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Hallo Eberhard,
Du behauptest:
"die Existenz der Menschengattung dient keinem Zweck."
Seltsam, dass Du zunächst nach dem Sinn fragst und dann ausschließt, dass die Tierart Mensch einen Zweck hat.
Da hättest Du Dir die Frage ja sparen können.
Und was meinst Du denn nun mit "Sinn"?
Eine Bedeutung ja auch nicht.
Ersetze doch in Deiner Frage einfach den Begriff "Sinn" durch den Begriff, den Du meinst.
Eine Antwort kannst Du nur bekommen, wenn die Frage klar ist.
Mir scheint, Du hast gar nicht die Absicht (das Ziel), eine Antwort zu bekommen.
Gruß
rudi


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von louisquinze am 14. Jan. 2006, 09:12 Uhr
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L.S.

Da ja nun die Forderung einer Unterscheidung nach "Sinn" und "Zweck" von mir stammte hier ein Hinweis:

"Sinn und Zweck der Übung..." Also Zweck könnte sein die Atmung gleichmäßiger zu machen. Sinn wäre vielleicht auf längere Sicht das Wohlbefinden der Person zu verbessern.
Zwecke sind eher sachlich und kurzfristig, ein Sinn eher geistiger und übergeordneter Natur.

Zweck des Vortrages des Gedichtes ist die Schulklasse zu unterhalten, sein Sinn ist die Komik einer verwickelten Situation im menschlichen Leben zu zeigen.
Daß der allgemeine Sprachgebrauch nicht immer genau unterscheidet ist auch klar.

Jedenfalls kann es Sinn nur für das mit "Geist" ausgestattete Individuum, d.i. die Person geben. Z.B. der Affe, der mit einem Stock eine Banane angelt verfolgt einen Zweck. Sinn kann dem Ganzen nur menschliche Betrachtung geben. So etwa: Im Tierreich gibt es diese und jene Verhaltensweisen etc.

mfg
Lq

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von jonny_W. am 14. Jan. 2006, 11:17 Uhr
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"ich denke auch, dass es zweckmäßig ist, den Begriff "Sinn" genau zu definieren."

Zweckmäßig vielleicht - sinnvoll nicht.
IMHO kann man Sinn nur negativ definieren: Was alles nicht Sinn ist. z.B. Zweck, Bedeutung....

Sinn ist Sinn.
Wer ihn sucht wird ihn nicht finden.

Lq: " Sinn kann dem Ganzen nur menschliche Betrachtung geben."
Hm, Sie verunsichern mich.

jonny

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Edelmetal am 14. Jan. 2006, 13:10 Uhr
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ich bin jetzt sehr neugierig geworden:
versteh ich das falsch oder hat Sinn doch nur eine bedeutung, denn z.b.: nach louisquinze ist Sinn eine längerfristige Erkenntnis bei beiden seiner Beispiele. Sinn ist damit doch dem Ziel gleichgesetzt. Wenn man sagt: Es hat einen Sinn die Atmung zu verbessern, oder Es hat einen Sinn das Verständnis der Schüler zu fördern... Sind das nicht Ziele der Handlung? Oder hab ich jetzt ganz in die leere gegriffen? bitte um sinnvolle erklärung!

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 14. Jan. 2006, 16:07 Uhr
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Hallo allerseits, hallo jonny,

Du hast (noch in Teil I) auf meine Kritik hin geschrieben

(Diszipliniertes Denken) "ist fast immer hilfreich und gut. Wenn es aber darum geht Sinn zu verstehen ist dieser Charakter eher hinderlich. Sinn lässt sich nicht definieren.

Insofern stößt Philosophie hier an eine Grenze, der Mensch aber nicht.
Wer weitergehen will, muss die Philosophie zurücklassen.

Daran (an Antworten, die allgemein nachvollziehbar begründet sind,) lag mir in dem Falle nichts."


Ich halte es für legitim, zu sprechen, ohne dabei Behauptungen aufzustellen, also ohne einen Anspruch auf allgemeine Geltung für das Gesagte. Sprache dient nicht nur der Formulierung und der Beantwortung von Fragen. Zum Beispiel gibt es die Sprache der lyrischen Dichtung, wo es nicht auf die intersubjektiv kontrollierbare Bedeutung der Wörter ankommt, sondern z.B. auf deren Fähigkeit zum Erfassen und Festhalten einer Stimmung, eines Erlebens.

Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, welche Art von Kommunikation man gerade praktiziert, und man sollte nicht wortgewaltige Poesie und das Bemühen um richtige Antworten miteinander vermischen oder gegeneinander ausspielen. Beides hat seine Berechtigung.

Es gibt eine Wortbesoffenheit und eine Wortmagie, die mit den Erfordernissen nüchterner Erkenntnis der Realität nicht vereinbar ist.

Das Wort "Sinn" ist ein vieldeutig schillernder Begriff, besonders in Wortverbindungen wie "Sinn des Lebens" oder "Sinn des menschlichen Daseins".

Man könnte angesichts der Unbestimmtheit dieser Ausdrücke zu dem Schluss kommen, diese Ausdrücke ganz zu eliminieren und als "sinnlos" ad acta zu legen.

Andererseits lässt die Hartnäckigkeit, mit der sich die Frage nach dem "Sinn" des Lebens bzw. des menschlichen Daseins hält, darauf schließen, dass damit – wie verquer auch immer – doch etwas Wichtiges gemeint ist, das allerdings noch genauer zu bestimmen wäre.

Ich vermute, dass es hier um so etwas wie das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen der Welt geht, um die Bestimmung des "Platzes", den ich als Teil der Menschheit in dieser Welt habe, und von dem aus ich das Leben und die Welt und mich selbst bejahen kann.

Die Frage nach dem "Sinn des menschlichen Lebens" wäre dann also nicht direkt zu beantworten, sondern erst noch genauer herauszuarbeiten.

Das ist auch meine Antwort auf Hanspeters Frage.

Es grüßt Euch ein grübelnder Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 14. Jan. 2006, 16:21 Uhr
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worüber grübelst Du?
Darüber, wie Du eine Festlegung vermeiden kannst?


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 14. Jan. 2006, 19:38 Uhr
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Hallo allerseits, hallo rudi,

Du hast geschrieben: "Ersetze doch in Deiner Frage einfach den Begriff 'Sinn' durch den Begriff, den Du meinst. Eine Antwort kannst Du nur bekommen, wenn die Frage klar ist."

Dieser methodische Ratschlag ist in my humble opinion, also meiner ganz unmaßgeblichen Meinung nach in unserem Fall nicht anwendbar.

Wir haben eine unklare, vieldeutige Frage ("Hat das menschliche Dasein einen Sinn?"), aber meiner Meinung nach verbirgt sich hinter dem Ausdruck "Sinn des menschlichen Daseins" etwas bestimmtes, das sprachlich allerdings erst zu erfassen ist.

Es gibt m. E. hier ein Problem, das sich jedoch noch nicht in eine klar definierte Fragestellung umsetzen lässt. Wir sind in der Situation, wo wir uns mit vorläufigen Begriffen erst an das richtige Verständnis des Problems herantasten. In dieser Situation kann auf zugegebenermaßen vage Begriffe nicht verzichtet werden.

Neue Erkenntnisse und neue Begriffe fallen ja nicht fertig wie reife Äpfel vom Apfelbaum. Es gibt vorläufige Arbeitshypothesen und entsprechend vorläufige Begriffe.

Allerdings muss man sich über diese außergewöhnliche Situation im Klaren sein, auch darüber, dass eine solche Situation nur eine Übergangsphase im Erkenntnisprozess sein darf.

Wieso Du meinst, ich wollte absichtlich eine Festlegung vermeiden, ist mir schleierhaft. Das Gegenteil ist der Fall.

Was ich jedoch nicht möchte, ist die Verschiebung der Fragestellung und ihrer Intention auf leichter zu beantwortende Fragen wie z.B. "Welche Funktion haben Lust- und Schmerzempfindungen bei Lebewesen für die Selbsterhaltung und die Fortpflanzung?"

Es grüßt Euch Eberhard.

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von aldebaran am 14. Jan. 2006, 19:42 Uhr
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Hallo miteinander,

Warum so 'hochgelahrte' Gespräche, warum ein so großes Wortemachen über den Sinn des menschlichen Daseins?

Die Lösung ist doch recht einfach: Wir stehen auf einer Treppe, die eine niedere Daseinsform mit einer höheren verbindet. Wer ins obere Stockwerk gelangen will, der muss sich den dazu notwendigen Sinn setzen. Wer ihn nicht hat, der braucht zum Zurückfallen ins Parterre keine Energie aufwenden: die Schwerkraft zieht ihn nach unten.


@Eberhard
Übrigens, der von Dir zitierte Text "Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über." ist kein Sprichwort, sondern stammt aus einer Rede Christi. Ist bei Mt.12/34 nachzulesen!


Grüße von

aldebaran [smiley=sun.gif]


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 14. Jan. 2006, 21:49 Uhr
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Hi Eberhard,
von 'absichtlich' hatte ich nicht gesprochen.
Die Vermeidung von etwas wird meist vom Unbewussten gesteuert, besonders bei angestrengtem Denken denkt man leicht daneben.
Der Sinn (=Zweck) des Denkens liegt ja nicht darin, etwas zu finden, sondern etwas Gefundenes zu begründen.
Versuchs doch mal mit 'Sehen'. Denn Sinn sieht man.
Gruß
rudi

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Hanspeter am 15. Jan. 2006, 00:22 Uhr
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Hallo an alle,

die Überlegungen hierzu beweisen halt wieder, wie wichtig es auch in der Philosophie wäre, Begriffe klar zu definieren.
Dazu ein Vergleich: Wenn zwei Esoteriker sich über die Begriffe 'Kraft' und 'Energie' unterhalten, wird nichts Vernünftiges dabei herauskommen. Der eine tankt oder fühlt in sich Energie, der andere nennt dasselbe Kraft. Würde etwa die Physik auch darauf verzichten, diese Begriffe zu definieren, hätte sie es bisher auch noch zu nichts gebracht.

Daher folgender Versuch: Definieren wir Sinn = Zweck. Indirekt auch Bedeutung = Zweck (zB die Bedeutung der Weißen Fahne = Zweck der Weißen Fahne: Ende des Kampfs). Letztlich Zweck als Überbegriff.

Wenn nun jemand dem Begriff Sinn eine andere Bedeutung zumessen will, dann soll er sie definieren. Dann gibt es eben in der Diskussion den "Sinn nach Eberhard", "nach Rudi" usw.

Nur so hat in meinen Augen eine weitere Diskussion einen Sinn = Zweck.

Gruß HP

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 15. Jan. 2006, 08:11 Uhr
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Jenseits der religiösen Phantasien

Wir sehen uns als Menschen in einem unvorstellbar weiten und ewigen Weltall als Ergebnisse eines seit Millionen von Jahren und über Billionen von Generationen andauernden Prozesses der Entwicklung organischen Lebens.

Unser Raumschiff Erde ist in seiner Beschaffenheit einmalig in dieser Welt. Ihre Meere schützen uns vor Kälte und Hitze. Ihrer Atmosphäre schützt uns vor schädlichen Strahlungen aus dem Weltall. Ihre tägliche Drehung verteilt die Energie des Sonnenlichts und gibt uns den Rhythmus von Tag und Nacht, Wachsein und Schlaf. Sie gibt uns die schattenspendenden Wolken, die uns zugleich den lebensnotwendigen Regen bringen.

Wir sind Teil dieser Welt. So wie wir sind, sind wir geworden durch diese Welt. Wir passen in diese unserer Welt, sie bietet uns das Erlebnis der Schönheit, der Freude und des Glücks.

Als Einzelne kommen wir klein und hilflos zur Welt, aber wir leben, weil es andere Menschen gibt, die uns schützen und ernähren.

Unser Leben zählt nach Jahrzehnten, aber jeder von uns ist notwendiges Glied in einer Kette des Lebens, die nach Jahrtausenden und Jahrmillionen zählt.

Wir Menschen sind nach allem, was wir wissen, die einzigen Wesen in dieser Welt, die diese Welt erkennen und erforschen können, die die Folgen ihres Tuns bedenken können und die ihr Handeln einsichtig steuern können.

Wir sind dabei, das Geheimnis des organischen Lebens zu entschlüsseln und können damit in den Entwicklungsprozess eingreifen und selbst bestimmen, wie dieser Prozess zukünftig verlaufen soll.

Wir haben in uns den Willen zum Leben und zur Weitergabe des menschlichen Lebens an künftige Generationen.

Lasst uns behutsam und rücksichtsvoll mit unserer Erde, mit den andern Arten des Lebens und miteinander umgehen, damit wir nicht das zerstören, was diese Welt für uns lebenswert und unser Leben erst möglich macht.

Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von louisquinze am 15. Jan. 2006, 08:41 Uhr
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@eberhard

Jetzt wäre es doch einmal schön wenn Eberhard auch seine Gedanken bis ganz zu Ende denken würde.

Fehlanzeige!

mfg
Lq

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 15. Jan. 2006, 09:26 Uhr
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Hallo Eberhard,
Du siehst es offensichtlich so wie ich auch und hast das, was Du siehst, sehr schön ausgedrückt.
Wir sehen dasselbe.
Während Du jedoch zur Beschreibung eine religiöse Ausdrucksweise wählst, bei der lediglich das "Amen" fehlt, offeriere ich eine wissenschaftlich überprüfbare Erklärung des Sinns des menschlichen Daseins.
Da menschliches Dasein nach wissenschaftlich begründeter Einschätzung eine vorübergehende Erscheinung sein wird, ist ihr Sinn in dem zu suchen, was bei dem Wechsel von unterschiedlichen Tierarten auf der Erde seit Beginn des Lebens konstant vorhanden ist:
dies sind die Gene, also jene Teile der lebenden Systeme, die den Tod der Individuen und Arten überleben und sich dabei weiterentwickeln. Wir sind nur die sterblichen (vorübergehenden) Phänotypen einer sich fortsetzenden Ausbreitung und Entwicklung von genetisch gespeicherten Daten.
Das Wesen des Lebens ist die Evolution, die als Datenausbreitung in genetischer "Sprache" begonnen hat und sich durch den Menschen in das geistige Reich hinein fortsetzt.
Gruß
rudi

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von delfi am 15. Jan. 2006, 12:32 Uhr
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hallo DocRudi,
deine Interpretation der genetischen Konstanz bzw. Weiterentwicklung ist logisch völlig korrekt, vernachlässigt aber das Individuum zu sehr.
Vielleicht ist es doch angemessener, die Suche nach einem Sinn zu verlassen und dafür etwas Pluralität (und Individualität) zuzulassen, sonst müsstest du konsequent den kinderlosen Individuen Sinnlosigkeit ihres Lebens vorwerfen.
Da deine erkennbare Diskussionsrichtung im biologisch-naturwissenschaftlichen zu liegen scheint, will ich dir den med. Fakt entgegenhalten, dass man die Fortpflanzungsfunktion auch als entbehrliche Luxusfunktion deuten kann. Du weisst sicher, dass Frauen im Leistungssport nicht selten die Regelblutung "einstellen", ebenso die Mangelernährten (Anorhexie), ja selbst starke psychische Belastungen allein führten beispielsweise bei männlichen Todeskandidaten (in USA) zu einer vollständigen Hodeninvolution bis zurück in den unreifen kindlichen Status.
Gene sind Information, da bin ich völlig deiner Meinung. Information ist wiederum (bei den Genen) nur potentielles Leben, nicht das Leben selbst; potentielles Lebens, welches sich immer nur konkret im Individuum und in der Auseinandersetzung mit der konkreten Umwelt realisieren kann.
Der Mensch reduziert zum Informationsträger ist mir schlicht zu wenig, das Individuum hat vielleicht doch andere Priorotäten, oder sagen wir sogar: eine gewisse Wahlfreiheit zur Sinnfrage, sowohl biologisch als auch philosophisch, was ja kein Gegensatz sein muss, je nach Standpunkt.
Salve

[skater]

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Hanspeter am 15. Jan. 2006, 14:54 Uhr
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Wir wiederholen uns.
Der Sinnbegriff ist nicht nach wie vor nicht geklärt und Rudi will uns zum x-ten Mal seine Vorstellung vom Sinn des Lebens als Datenvermittlung schmackhaft machen.

Eine "wissenschaftlich überprüfbare Erklärung des Sinns des menschlichen Daseins" gibt es nicht. Rudis Erklärung mag bestenfalls individuell plausibel erscheinen. Das Leben auf dieser Welt endet nach einer gewissen Zeit und die Vermutung, es wäre möglich, das Leben wie die Samen einer Pusteblume durchs Weltall zu schicken, entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Und selbst wenn das ginge, beweist das noch lange nicht, dass die Weitergabe von Daten Sinn des menschlichen Daseins ist.
Man sollte die Kriterien für Wissenschaftlichkeit nicht senken, wenn es um die eignen Theorien geht! [smash]

Gruß HP


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 15. Jan. 2006, 16:48 Uhr
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Hallo Sinnsucher,
zunächst möchte ich Hanspeter zustimmen, dass man die Kriterien für Wissenschaftlichkeit nicht senken sollte, wenn es um die eigenen Theorien geht. Selbstverständlich steht ein wissenschaftlicher Beweis hinsichtlich der von mir postulierten Datenausbreitung noch aus. Aber: Philosophie muss der Wissenschaft vorauseilen und der Wissenschaft den Weg weisen. Das ist ihre Aufgabe. Weder hat die Wissenschaft bisher eine Einheit für die Erfassung meines Datenbegriffs definiert, die die Menge genetisch gespeicherter Daten oder geistiger Daten messbar und vergleichbar macht, noch steht eine Maßeinheit zur Messung der Ausbreitungsgeschwindigkeit zur Verfügung. Ein Problem dabei ist, dass sich Daten nicht in eine Richtung ausbreiten, sondern grundsätzlich in alle Richtungen, wobei Richtung und Ausbreitungsgeschwindigkeit von der Umwelt der lebenden Systeme abhängt. Das zweite Problem ist, dass sich ausbreitende Daten verändern. Sie bleiben nicht, was sie sind, sondern ihre Ausbreitung ist untrennbar mit ihrer Veränderung verbunden.
Ich behaupte übrigens nicht, dass meine Theorie bereits bewiesen ist, sondern dass sie grundsätzlich beweisbar, also falsifizierbar, ist.

Philosophie kann nur diese Grundsätze entwickeln. Den Rest muss die Wissenschaft erledigen. Sie hat meine Theorie noch nicht falsifiziert, obwohl das grundsätzlich möglich wäre.

Nun zu delfi:
Im Gegensatz zu Hanspeter, für den das verständlicherweise "olle Kamellen" sind, kennst Du offensichtlich noch nicht die Fortsetzung meiner

 

Datenausbreitungshypothese. Der Mensch ist ein Datentransformator, er speichert zunächst geistige Daten im Hirn (wie alle Hirntiere). Die menschlichen Ideen sind sozusagen die geistigen Kinder der Individuen, seine geistigen Gene, die er nicht nur an seine leiblichen Kinder weitergibt (wie die Gene), sondern an alle Menschen, die jetzt und in Zukunft leben. Die genetisch gesteuerte Fortpflanzungsfunktion des Sexualtriebs wird also beim Menschen abgelöst durch die wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeit, so dass Kinderlosigkeit nicht gleich Sinnlosigkeit ist.

Auch dies wird durch die Praxis belegt:
Akademiker bekommen nicht deshalb weniger Kinder, weil sie weniger Zeit zur Kinderzeugung hätten, sondern weil sie auf andere Weise der Ausbreitung von Daten Rechnung tragen.
Und schlecht ausgebildete Menschen, die arm sind, bekommen nicht deshalb mehr Kinder, weil sie sich dies etwa finanziell leisten könnten (das Gegenteil ist der Fall, die Reichen könnten sich viel mehr Kinder leisten), sondern weil die Weitergabe ihrer Gene die einzige Möglichkeit ist, Daten weiterzugeben.
Keine andere Theorie klärt den Widerspruch auf einfachere Art auf, der darin besteht, dass Leute mit Geld weniger Kinder kriegen als Arme.
Letztlich geht es nämlich um die Datenausbreitung, egal ob genetisch gespeicherte oder hirnextern speicherbare Daten ausgebreitet werden. Meine Hypothese erklärt also auf einfache Weise ein bisher für unerklärbar gehaltenes Phänomen. Immerhin ein Plausibilitätsnachweis.

Noch ein Wort zum Sinn.
In diesem thread kristallisiert sich doch heraus, dass entweder meine Sinngebung die naheliegendste und vernünftigste ist, oder aber das menschliche Dasein als sinnlos erscheint (wenn auf religiöse Sinngebung verzichtet wird).

Und noch an HP:
Du weißt so gut wie ich, dass die Menschen bereits dabei sind, Daten in den Weltraum hinauszuschicken. Ob Du willst oder nicht: auch das ist ein Indiz (natürlich kein Beweis) für die Richtigkeit meiner Hypothese.

Gruß
rudi


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von delfi am 15. Jan. 2006, 20:50 Uhr
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on 01/15/06 um 16:48:29, doc_rudi wrote:Ich behaupte übrigens nicht, dass meine Theorie bereits bewiesen ist, sondern dass sie grundsätzlich beweisbar, also falsifizierbar, ist.
Sinngebungsfragen entziehen sich der wissenschaftlichen Beweisbarkeit, ich sehe hier auch keinerlei Bedarf, ich bezweifle ja nicht, dass Gene Informationen enthalten und dass das Gehirn selbst Informationen verarbeitet, möglicherweise auch neue "erfindet", den meisten "neuen" Informationen würde ich aber keine evolutionäre Bedeutung zumessen,
eher seiner Arbeit und seinem Bewußtsein, mit dem er Gesellschaft lenkt und beeinflusst.

Quote:In diesem thread kristallisiert sich doch heraus, dass entweder meine Sinngebung die naheliegendste und vernünftigste ist, oder aber das menschliche Dasein als sinnlos erscheint (wenn auf religiöse Sinngebung verzichtet wird).
rudi


wieso denn dieses, lieber Rudi??? Knüpfst du etwa Sinnhaftigkeit an Unsterblichkeit? Du begibst dich in gefährliche Nähe religiöser - also gänzlich unwissenschaftlicher - Denkschemen, sowie altbekannter Strickmuster wie Unsterblichkeitsphantasmen und Selbstvergöttlichungsprogramme. Dann kennst du ja wohl auch den Biologen R. Dawkins aus Oxfort, der mit seinem 'selfish gene' und seiner Memetik dem gleichen Fehler verfällt.
nun, bedauerlicherweise bist du auf meine Argumente nicht eingegangen.
Information, die du ja selbst nicht genau definieren kannst, ist für mich nicht mehr als eine Hülle ohne Kenntnis des Inhalts. Und ebenso, wie ich die Memetik von Dawkins ablehne, ist mir deine Informationsübertragungsfunktion als Lebenssinn eines Menschen einfach zu inhaltsleer, zu wenig. Mit natürlichen Nachkommen kann man sich durchaus als Sinngebung anfreunden und wirtschaftlich wohlhabende nutzen diese Möglichkeit durchaus, wenn nicht gerade eine emanzipierte Frau dabei ist ;-), also auch hier hast du Unrecht.
Ich will zumindest noch einmal darauf hinweisen, dass dein Anspruch auf einen universellen Totalmonismus menschlicher Sinngebung wie bei Dawkins rein philosophischer Natur ist und nichts mehr mit Naturwissenschaft zu tun hat. Geist, Bewusstsein, Arbeit und Wille zur Beeinflussung sozioökonomischer Bedingungen sind einfach ausgeblendet.
Ich kann mich dem also nicht anschliessen, ebenso wie ich die Verabsolutierung von anderen Ideologien ablehne, seien sie politischer Natur (Kommunismus etc.) oder allgemeiner aus der Anthropologie wie etwa die Psychoanalyse.
Freundliche Grüsse
delfi

[skater]

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 15. Jan. 2006, 21:32 Uhr
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Hi delfi,
einerseits schließt Du Dich der Position Eberhards an, der als Initiator des threads bereits einen Rückzieher auf die Verneinung des Sinns überhaupt gemacht hat, und behauptest:"Sinngebungsfragen entziehen sich der wissenschaftlichen Beweisbarkeit", bist also offensichtlich der Meinung, dass sich jenseits religiöser Sinnstiftungen kein Sinn des Daseins finden lässt (die Position kann man ja vertreten), andererseits unterstellst Du mir dann, ich würde Sinnhaftigkeit an Unsterblichkeit knüpfen. Ich selbst habe gar nicht von Unsterblichkeit geredet, sondern lediglich von der Sterblichkeit der Individuen und den Daten, die ihre Lebensdauer überdauern. Ich habe auch nie von Informationen gesprochen, sondern von Daten (ein Begriff, den ich gar nicht definiert habe – hier geht es ja um eine ganz andere Frage).
Hinsichtlich der Geburtenrate möchte ich Dich bitten, Dir mal einige Statistiken anzusehen, bevor Du behauptest, ich hätte Unrecht und arme Menschen würden im Gegensatz zu meiner Kenntnis im Schnitt weniger Kinder bekommen. Hier geht es um Statistik. Mir scheint es fast so zu sein, dass, wenn man die genetische Datenausbreitung (Kinderzahl) mit der Ausbreitung von Ideen addiert, eine Konstante herauskommen könnte.
Du sagst mir: "Ich will zumindest noch einmal darauf hinweisen, dass dein Anspruch ... rein philosophischer Natur ist."
Genau darauf habe ich doch selbst hingewiesen. (#17)
Dann behauptest Du: "Geist, Bewusstsein, Arbeit und Wille zur Beeinflussung sozioökonomischer Bedingungen sind einfach ausgeblendet."
Das stimmt gar nicht. Der Mensch setzt nämlich die Evolution (Entwicklung genetisch gespeicherter Daten) als Evolution des Geistes fort, was die Evolutionsmethoden der Staatenbildung, Waffenproduktion und Kriegsführung in Zukunft überflüssig macht. (Den Begriff der 'Meme' von Dawkins und Blackmore verwende ich nicht, sondern spreche von 'Ideen'.)
Darüber hinaus scheint Dir meine kybernetische Theorie zur Beschreibung menschlicher Beziehungen und sozialer/ökonomischer Verhältnisse völlig unbekannt zu sein, wonach das Individuum Effektor und Dominator ist und mit seinen Kaufentscheidungen die Wirtschaft steuert, sowie meine Technik-Theorie, nach der die technischen Produkte geistige Daten speichern und körperextern Teile (Rezeptoren, Effektoren usw.) des Menschen sind. Die Datenausbreitung erfolgt ja nicht nur verbal und optisch (als Schrift), sondern auch in Form von Industrieprodukten und Kunstprodukten.
Hier diskutieren wir nun nicht darüber, sondern über den Sinn menschlichen Seins. Wenn Du meinst, diese Sinnfrage wäre philosophisch ohne Rückgriff auf religiöse Erklärungen nicht klärbar, ist das in Ordnung.
Wenn Du anderer Meinung sein solltest, offeriere doch einmal Deine Antwort auf diese Sinnfrage oder eine andere literaturbekannte Antwort, der Du Dich angeschlossen hast.

Gruß
rudi


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von delfi am 15. Jan. 2006, 22:57 Uhr
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hallo docRudi,
ich habe keineswegs für Sinnlosigkeit plädiert, lediglich für nicht-monistische sondern pluralistische Möglichkeiten. Das heißt, es sollte deine "Datenideologie", in der zweifellos viel Potential steckt, insbesondere der kleine und reizvolle Schuß Unendlichkeit, nicht die einzige Sinngebung bleiben. Das zeitgebundene Individuum kommt zu kurz.
Mit der konkreten Benennung individueller Lebenssinngebung habe ich mich bewusst zurückgehalt, weil sie ja aus meiner Sicht auch nur individuell sein kann und ich hier niemand dominieren möchte. Aber ich will mich nicht drücken, muss dich aber warnen, es kann dann nur meine persönliche Sicht sein, die dir oder manchem anderen vielleicht gar nicht behagt.
Vorweg sei gesagt, dass ich niemand angreifen werde, der seinen Lebenssinn in religiösen Dogmen sieht, er/sie sollte allerdings trotzdem Toleranz gegenüber Andersdenkenden üben, was wohl ein prinzipielles Problem jeder Religion ist. Für mich gilt diese Sinngebung ausdrücklich nicht, ich meide respektvoll theologische Diskussionen in diesem Philosophieforum, wie du vielleicht gemerkt hast.
Die Philosophie bietet doch genügend Alternativen ohne Religion, angefangen von dem Dreigestirn, insbesondere dem größten, Aristoteles.
Worin sehe ich persönlich einen Lebenssinn?
Menschliches Leben ist voller phantastischer Möglichkeiten, nicht (mehr) vorherbestimmt und vorherbestimmbar und wie auch bei den Genen, nicht alle Möglichkeiten sind realisierbar, es sind zu viele, die Lebenszeit ist nicht kurz, aber begrenzt.

1) Deshalb sollte die Zeit (und das Leben) nicht vergeudet werden.

Der 2. Punkt resultiert ebenso aus der Zeitabhängigkeit: Um in die Lage versetzt zu werden, die Möglichkeiten "auszuschöpfen", muss sich der Mensch entwickeln, nicht nur durch Außeneinfluss, sondern als eigene erste selbstgesetzte Zielsetzung. Der Lebenssinn ist also nicht sofort erkennbar, oder anders formuliert, er ist ebenfalls zeitabhängig, abhängig vom individuellen Entwicklungsstand. Und das einmalige des Menschen (siehe Genmanipulationsdiskussion von mir) ist die sehr lange Entwicklungszeit, der Mensch kommt als hoffnungslos unselbständige Frühgeburt auf die Welt, er ist auch mit 16 Jahren zerebral nicht biologisch fertig entwickelt (Kernspinnuntersuchungen), so dass der Lebenssinn in dieser Zeit nur lauten kann, Bitte entwickeln und dich selbst kennen lernen, das ist durchaus eine erste grosse Hürde. Also für mich nicht der Weg des geringsten Widerstandes, nicht der ständig gepredigte Hedonismus!
Sind wir soweit verstanden?
Salve
[skater]

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Hanspeter am 16. Jan. 2006, 00:22 Uhr
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Hallo Rudi,

ich finde es wirklich gut, wenn Menschen neue Ideen entwickeln und sie zur Diskussion stellen. Und es sei auch unbestritten, dass man das eine oder andere mit dem Bedürfnis der Datenausbreitung erklären kann - missionarische Bestrebungen sind wohl so alt wie die Menschheit.

Aber man sollte es nicht übertreiben. Du schreibst über die Vermehrung: "Keine andere Theorie klärt den Widerspruch auf einfachere Art auf, der darin besteht, dass Leute mit Geld weniger Kinder kriegen als Arme."

Das ist, mit Verlaub gesagt, Unsinn. Die reichen Araber zB produzieren Kinder en masse, ebenso wie die armen Bewohner Nigers. Und du glaubst ja nicht im Ernst, dass es viele Männer gibt, die zu ihrer Frau sagen: "Zieh dich aus, wir müssen Daten weitergeben."
Die Vermehrungsrate ist abhängig von der kulturellen Tradition, der Verfügbarkeit und Akzeptanz von Verhütungsmitteln und vom Stand der Medizin.

Und noch eine Bemerkung zu deiner kosmischen Datenausbreitung: Klar, man hat einige Sonden abgeschickt, welche das Sonnensystem verlassen können. Die Chance, dass sie auf einem anderen Planeten landen ist aber wesentlich geringer als die, in einer Sonne zu verbraten. Umgekehrt, wieviele seriöse Hinweise auf Außerirdische haben wir denn? Oder bist du der Meinung, die Erde sei die einzige Stelle im Weltall mit Leben und sie müsse dieses Leben wie eine Stafette weitergeben?

Ein Letztes: Mir ist noch immer nicht klar, ob es deiner Ansicht nach einen wissenschaftlich und damit allgemein gültigen Sinn des Lebens gibt, wie du früher schriebst, oder ob der Sinn des Lebens durch eine "selbstgesetzte Zielsetzung", die wie du richtig bemerkst auch zeitabhängig ist, bestimmt wird.

Gruß HP

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 16. Jan. 2006, 14:14 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Rudi,

Du schreibst, dass der Sinn des menschlichen Daseins in den Genen zu suchen ist. Wir Menschen sind nur die sterblichen Phänotypen einer sich fortsetzenden Ausbreitung und Entwicklung genetisch gespeicherter Daten.
Und weiter:
Das Wesen des Lebens ist die Evolution, die als Datenausbreitung in genetischer "Sprache" begonnen hat und sich durch den Menschen in das geistige Reich hinein fortsetzt.

Hanspeter und Delfi haben bereits begründete Kritik an diesen Ansichten formuliert. Ich will mich da anschließen.

Grundsätzlich ist gegen die vorgetragene Theorie einzuwenden, dass mit den Mitteln der Erfahrungswissenschaft weder Sinnbestimmungen noch Wesensbestimmungen möglich sind.

Fragen wie "Was ist das Wesen von x?" sind allein durch Bezug auf Wahrnehmbares nicht zu beantworten. Statt zu sagen: "Das Wesen des Lebens ist die Evolution" könnte man auch sagen: "Das Wesen des Lebens ist die Reproduktion" und auf Lebewesen verweisen, die seit Jahrmillionen sich reproduzieren.

In den Erfahrungswissenschaften gibt es definierende Eigenschaften. So steht in meinem Biologiebuch: "Lebewesen sind diejenigen Naturkörper, die Nucleinsäuren und Proteine besitzen und imstande sind, solche Moleküle selbst zu synthetisieren."

Derartige Definitionen ermöglichen eine intersubjektive Verständigung über den Gegenstand der Erkenntnis. Wenn man eine solche Definition hat, weiß man, worüber der andere redet, wenn er über Lebewesen spricht.

Definitionen können nicht falsch sein, da es sich dabei um sprachliche Konventionen handelt. Definitionen können jedoch mehr oder weniger brauchbar für die Forschung und die Entwicklung von Theorien sein.

Wenn jemand von der obigen Definition eines Lebewesens ausgeht, so ergibt sich z.B., dass danach die Viren keine Lebewesen sind.

Die so definierten Lebewesen kann man dann auf weitere chemische Bestandteile, Eigenschaften, Fähigkeiten, Verhaltensweisen etc. untersuchen.

Über das "Wesen" des Lebens wird darüber hinaus nichts ausgesagt.

Auch über den "Sinn" von etwas kann die Erfahrungswissenschaft keine Aussage machen. Versteht man – dem Vorschlag Hanspeters folgend – unter dem "Sinn" von etwas soviel wie "den Zweck, zu dem etwas dienlich ist", so wird deutlich, dass eine Aussage darüber immer nur bezogen auf ein bestimmtes Subjekt gemacht werden kann, für dessen Zwecke etwas dienlich ist.

Ohne ein Subjekt, das einen bestimmten Zweck verfolgt, gibt es keinen Zweck.

Bei Dir werden nun die Gene bzw. die im Genom gespeicherten "Daten" zum zwecksetzenden Subjekt. Sie verfolgen das Ziel, sich auszubreiten und zu entwickeln. Die Individuen dienen ihnen dazu, die jeweils gespeicherten Daten zu erhalten und zu vermehren. Dabei ist die Existenz der Menschen insofern etwas Besonderes ist, als sie auch zu einer nicht-biologischen Speicherung überlebenswichtiger Daten befähigt sind.

Letzteres erklärst Du zum "Sinn (Zweck) des menschlichen Daseins".
Genauso gut und vielleicht sogar plausibler könnte man umgekehrt sagen: "Die gespeicherten überlebenswichtigen Daten dienen den Menschen, um ihr Leben erfolgreich und nach ihren Wünschen zu gestalten."

Welche Perspektive die richtige ist, lässt sich erfahrungswissenschaftlich nicht entscheiden.

Damit hängen Deine Wesens- und Sinnbestimmungen völlig in der Luft,

meint Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 16. Jan. 2006, 21:01 Uhr
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Hallo Sinnsucher,
ich denke, das Problem ist, dass ihr eine andere Sprache sprecht als ich. Meine Aussagen beziehen sich in Sinn II nicht auf das Individuum, sondern auf den Menschen allgemein, so dass Eure individuellen Beispiele (z.B. ein arabischer Pascha) nicht treffen. Es ging mir hier um die Datenausbreitung, ob nun genetische oder geistige Daten. Da es zum letzteren natürlich keine Statistik gibt, hab ich mal angenommen, dass mit der Höhe der Ausbildung und der Produktion geistiger Daten auch das Einkommen steigt, was im Einzelfall unzutreffend sein kann.
Das Grundproblem der Verständigungsschwierigkeit scheint mir jedoch Eure Annahme zu sein, es gäbe ein "Subjekt". Dies ist eine Konstruktion bisheriger Philosophie, die ich nicht benutze, weil ich keinen grundsätzlichen Unterschied mache zwischen der physikalischen Natur und der biologischen Natur, also zwischen toter und lebender Materie und deren Kräften.
In dem Moment, wo ich begrifflich auf Euch zugehe, habe ich dann das Problem, dass Ihr natürlich die Begriffe in Eurem traditionellen Sinn versteht.
Eberhard sagt in seinem (eurem) Denken konsequent: "Ohne ein Subjekt, das einen bestimmten Zweck verfolgt, gibt es keinen Zweck."
Da ich kein "Subjekt" kenne, dürfte ich dann auch den Begriff "Zweck" nicht verwenden, oder er wird missverstanden usw.
Ich reduziere meine Beobachtung auf das Registrieren von Veränderung (Bewegung) und mache dabei nicht die Voraussetzung, dass Bewegung einen Verursacher haben muss.
Die Gottsuche kommt aus meiner Sicht auch aus diesem Begriff des Subjekts, das nicht nur einen Zweck setzt, sondern auch als Verursacher gebraucht wird. Zur Erklärung der Welt wird dann auch ein Subjekt hypostasiert, das Gott genannt wird.
Eberhard wollte auf Religiöses verzichten, deshalb fühlte ich mich angesprochen.
Wenn also das Große (Gestirne usw.) und das Kleine (Atome usw.) sich nach Regeln bewegen, die naturwissenschaftlich ermittelbar sind, ist irgendwann aus diesen Bewegungsabläufen und Kräfteverhältnissen konsequent etwas entstanden, das 'Leben' genannt wird und das ebenfalls Bewegungen vollzieht. Zur Erklärung dieser Bewegungen muss ich jedoch nicht zwingend ein Subjekt postulieren, das diese Bewegungen nach einem Plan oder Zweck ausführt. Bewegungen laufen naturgesetzlich ab, Euer Subjekt wäre dann das Gesetz, das die Wissenschaft findet. Für mich ist das ein Naturgesetz.
Wenn ich sage, die Bewegungen dieser lebenden Systeme werden von dem Materieanteil gesteuert, der Gene genannt wird und in Chromosomen organisiert ist, beruht das auf der Beobachtung, dass die Teilungsbewegung der Einzeller mit der Teilung der diploiden Nucleinsäureketten beginnt, sich in der Teilung des Einzellers fortsetzt und mit 2 identischen Einzellern endet.
Eberhard hat völlig Recht, wenn er meint, ich hätte besser die Reproduktion als das "Wesen" der Evolution bezeichnet, denn wie ich bereits sagte, ist die Evolution das Resultat von Vermehrung (Reproduktion) und den Gegenkräften der Umwelt.
Genauso wenig, wie ich für diesen Geschehensablauf ein Subjekt benötige, das einen Zweck setzt, sondern dies als die besondere Bewegungsart einer Materiekonstellation betrachte, die gesetzmäßig abläuft, genau so wenig benötige ich bei höher organisierten Tieren mit Gehirn ein Subjekt.
Das, was wir Menschen tun, tun wir, weil die Materie und die Kräfte, aus denen wir bestehen, sich nach Naturgesetzen verhält.
Im Lauf der Entwicklung von toten Systeme zu lebenden und schließlich zu menschlichen Systemen hat Materie einer bestimmten Komplexität auch die Fähigkeit bekommen, seine eigene Materie sowie die Umwelt wahrzunehmen und diese Wahrnehmung im Hirn zu speichern.
Damit ist nun aber kein Subjekt entstanden, das selbst Zwecke und Handlungsziele setzt. Es handelt sich um Naturvorgänge.
Die Handlungsziele sind nach wie vor naturgesetzlich vorgegeben. Der Mensch hat zwar Geist und kann darüber entscheiden, wie er die naturgesetzlich vorgegebenen Handlungsziele effektiver erreicht – dafür hat er ja das Gehirn mit seinen Fähigkeiten - er kann jedoch die Naturgesetze nicht ändern. Diesen ist er genau wie alles andere, was existiert, unterworfen. Er kann sie nur erkennen, wobei das Erkennen der Regeln, denen er selbst unterworfen ist. schwierig ist. Er ist selbst Objekt in dem Sinn, in dem die Erde ein Objekt ist, das sich entsprechend naturgesetzlichen Regeln verhält.
Es gibt zwar Objekte, aber kein Subjekt.
Mit der Einführung des Subjekts entfernt sich die Philosophie vom naturwissenschaftlich Überprüfbaren und begibt sich in die Sackgasse von Fragen ohne Antwort.
Man könnte jedoch auch sagen, das Sein des Menschen sei genauso sinnlos wie das Sein der Erde. Der Unterschied ist lediglich, dass diese (zu unserem Glück) ihre Geschwindigkeit nicht verändern kann, wenn nicht neue äußere Kräfte auf sie einwirken.
Aus der nicht exakt vorhersehbaren Änderung von Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit lebender Systeme jedoch auf ein Subjekt zu schließen, das diese Bewegungen steuert, entbehrt aus meine Sicht der logischen Notwendigkeit.
Es ist lediglich ein anderer Ausdruck für das Gefühl von Freiheit.
Das "Subjekt" ist eine Hypothese, die nur Probleme schafft aber keine Probleme löst. Deshalb verzichte ich auf das Subjekt. Und wenn Ihr meint, eine derartige Hypothese, die eine Trennung zwischen nichtlebenden und lebenden Systemen schafft, zu benötigen, kommen wir wohl nicht zueinander.
Das wäre meine Analyse unserer eigentlichen Differenz.
Gruß
rudi

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doho am 16. Jan. 2006, 21:19 Uhr
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Hallo, Ihr Sinnsucher!

Es scheint es mir eine Anmaßung zu sein, allgemeinverbindlich festlegen zu wollen, worin der Sinn des Lebens besteht. Wir können bestenfalls sagen, worin der Sinn unseres eigenen Lebens liegt. Und hier meine ich: Weder vor noch nach meinem Leben kann es einen Sinn geben. Der Sinn des Lebens kann also nur im Leben selber liegen. Logisch (sofern man nicht durch religiöse Dogmen an dieser Einsicht gehindert wird).

Wenn nun jemand fragt, worin der Sinn meines eigenen Lebens liegt, vielleicht in der Hoffnung, mich in Verlegenheit zu bringen, so antworte ich ebenso unverkrampft wie logisch: es hat den Sinn, den ich selber ihm gebe. Dieser Sinn ist kein punktuelles Ziel, wie das Zentrum einer Schießscheibe, sondern eine Fülle von Aufgaben, verwoben wie ein Teppich, der aus vielen Fäden besteht. Unabhängig davon, wieviel Zeit uns vergönnt ist, daran zu weben, wir werden dabei Freude und Erfüllung finden und zwangsläufig auch einen Sinn darin sehen.

Seminare und hervorragende Bücher über den Sinn des Lebens (z. B. bei dtv) können uns vielseitige Anregungen geben. Die individuelle Antwort darauf muß jedoch jeder selber für sich finden.

Es grüßt vielmals
doho

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Hanspeter am 17. Jan. 2006, 00:22 Uhr
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Hallo Rudi,

es hat wenig Sinn, dass Problem dadurch zu lösen, dass man den Begriff "Sinn" durch den Begriff "Wesen" ersetzt.
Die Evolution entwickelt immer komplexere Organismen - das ist unbestritten. Wie lange sie das noch tut, wissen wir nicht. Aber ist das ihr Zweck?

Auch deine Reflexionen zum Begriff "Subjekt" ist nicht hilfreich.
Es ist wenig überzeugend, wenn du der Menschheit einen Sinn zuerkennst, der aber für den einzelnen Menschen nicht zutrifft.

Ich denke, wir müssen uns damit abfinden, zu erkennen, dass wir ein Spielball der Materie sind - ohne weitergehenden Sinn und Zweck. Und falls wir einen hätten, so können wir ihn nicht erkennen.

Gruß HP

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von delfi am 17. Jan. 2006, 02:10 Uhr
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Hallo docRudi und alle ihr Sinn-Suchenden,

ich habe dich sehr gut verstanden, Rudi,
du führst Leben, ja sogar menschliches Leben, letztlich zurück auf eine rein materielle - noch konkreter: physikalische - Ebene.

Nun, dann kann es natürlich nur eine Antwort auf die Sinnfrage geben.
Die Welt folgt schlicht ihren strengen und weitgehend bekannten physikalische Gesetzen, wie langweilig, ich würde eher sagen, dass ist gänzlich ohne Sinn.
Was sind das für Gesetze?
Die Physiker mögen im folgenden Nachsicht üben mit der laienhaften Formulierung.
Da haben wir
1) seit Einstein die genaue Äquivalenzformel von Energie und Marterie, deren Summe konstant bleibt; es geht also "nichts verloren".
2) den 2. Satz der Thermodynamik, auch Entropie genannt,
nach dem die Welt langfristig auf den Wärmetod zustrebt.
Energiegefälle gleichen sich aus, zurück bleibt ein chaotischer Einheitsbrei ohne Struktur.
Das kann es ja wohl nicht sein und in der Tat ist da auch kein Platz für ein Subjekt.

Stutzig werden müsstest du eigentlich schon bei der von dir so geliebten "Information"
Was ist das wohl, etwas materialistisches, physikalisches?
hm, wenn ich das Wort 'Freiheit' spreche, dann gibt das eine akustische Welle, ok, die kann ich messen, das ist was physikalisches, allerdings, wenn ich das laut sage, mess ich was anderes, als wenn ich das leise sage....obwohl, es ist immer noch das gleiche Wort Freiheit;
ich kann es auch mit Filzstift auf ein Stück Papier schreiben oder mit einem Meißel in Fels schlagen, also mit EDV will ich gar nicht erst anfangen, da gibt es den langweiligen binärcode, du kannst es auch hexadecimal ausdrücken, das wird kürzer, weniger Speicherplatz.
Ja, wie will ich das jetzt physikalisch messen???? wiegen?
Und es ist immer noch das gleiche Wort 'Freiheit'.
Sieht so aus, als ob wir da mit den Gesetzen der Materie, der Physik irgendwie an eine Grenze stossen, Freiheit ist physikalisch nicht definierbar.

Und mit dem Leben und der Physik, da gibts auch wieder so Schwierigkeiten, irgendwie scheinen da die physikalischen Gesetze auf dem Kopf zu stehen.

Nehmen wir die Entropie.
Leben saugt Negentropie an!!!!!
Nichts mit Wärmetod, Leben erzeugt Unterschiede, schafft Potentiale, errichtet Ordnungsstrukturen aus dem Chaos.
Und warum auch immer, es geht ganz eindeutig "aufwärts", nicht abwärts wie in der Physik, die Strukturen werden immer "ordentlicher", umfangreicher, komplexer, vom Einzeller bis zum Mensch. Beim Mensch arbeiten mal eben einige 100 Miliarden Einzelzellen friedlich miteinander, obwohl jede einzelne (cum grano salis) einen Zellkern besitzt, bei dem die Information für das ganze Programm der Milliarden Zellen gespeichert ist, wie machen die das mit der Information, dass jetzt jede Zelle genau das richtige macht an ihrem Ort, einige Zellen brav und ohne Gegenwehr ganz programmgemäss sterben, weil sie grad in dem Moment entbehrlich sind, ihr Eiweiss aber wo anders dringender gebraucht wird, der Blödmann hat seit 12 Stunden nichts mehr gegessen!
Es funktioniert. Und mit der Lebenszeit dieses faszinierenden Individuums, sagen wir großzügig 90 Jahre, die wird vom Mammutbaum locker übertroffen, so 3000 bis 4000 Jahre, die ältesten haben also den Pyramidenbau noch miterlebt!

Also Leben:
Schaffung negativer Entropie,
Ordnung aus dem Chaos schaffen,
Ordnung mit immer höheren Systemfunktionen

da hätten wir doch schon so etwas wie einen Sinn.

Allerdings hat Leben Subjekte, jeder Wurm, Leben ist geradezu definiert als einmalige zeitgebundene Individualität, kein Baum gleicht dem anderen.

Es geht weiter aufwärts zum Menschen.
Dieses komplexe System aus vielen Milliarden Zellen, auch nicht ewig, aber lang genug lebend um sich vollständig zu entfalten, ein Selbstbewustsein, einen eigenen Lebensplan, eigene Ziele entwickeln zu können. Er macht Musik, manipuliert seine Umwelt, baut Flugzeuge.
Ja er fliegt sogar auf den Mond, nicht alle, es soll dort sehr kalt sein.

Ist irgendwie mit Physik und Mathematik nicht mehr in den Griff zu bekommen. Materie hat hier nur die Funktion des Trägers, ist lange nicht mehr das dominierende Prinzip, analog der Trägerfunktion für das Wort 'Freiheit'. Nun für dessen Lebenssinn, den Lebenssinn des weitgehend selbstgesteuerten Systems 'Mensch' braucht es noch einen längeren Beitrag als diesen; ich hoffe, er hat euch gefallen.
Salve
[skater]



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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 17. Jan. 2006, 17:39 Uhr
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Hallo allerseits,

ich ziehe für mich mal eine kleine Zwischenbilanz.

Die Ausgangsfrage war: Hat das menschliche Dasein einen Sinn?

Es hat sich herausgestellt, dass die Frage in verschiedener Hinsicht mehrdeutig ist.

So ist der Ausdruck "menschliches Dasein" mehrdeutig.

Zum einen kann man die Frage auf die Menschheit als Gattung beziehen: Hat das Dasein der Gattung Mensch einen Sinn?

Zum andern kann man die Frage auf den einzelnen Menschen beziehen und fragen: Hat mein Dasein einen Sinn?

Eine weitere Mehrdeutigkeit liegt in dem Wörtchen "hat".

Man kann die Frage einmal so verstehen, dass es einen vorgegebenen Sinn des menschlichen Daseins gibt, den es zu entdecken gilt.

Man kann die Frage aber auch so verstehen, dass gefragt wird, ob die Menschen in der Lage sind, ihrem Dasein einen Sinn zu geben.

Schließlich ist auch der zentrale Begriff "Sinn" mehrdeutig.

Man kann die Frage nach dem Sinn folgendermaßen verstehen:

"Dient das menschliche Dasein einem bestimmten Zweck?"

"Haben die Menschen in ihrem Dasein eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen?"

"Ist das menschliche Dasein 'sinnvoll' in dem Sinne, dass es entweder selbst ein zu bejahenden Wert ist oder dass es zur Schaffung eines zu bejahenden Wertes beiträgt?"

Dass die Menschheit einen Part in einem Drama genannt "Weltgeschichte" zu spielen hat, wozu ein höheres Wesen das Drehbuch geschrieben hat, ist für mich unglaubwürdig.

Trotzdem ist die Frage nach dem "Sinn" (des Lebens) nicht sinnlos, wenn auch mehrdeutig und sehr unklar formuliert.

Ich selber neige dazu, die Ausgangsfrage nach dem "Sinn" des menschlichen Daseins zu interpretieren im Sinne der Frage:

"Können wir unser menschliches Leben, so wie es sich in der Erkenntnis der modernen Wissenschaft darstellt, lebenswert finden?"

Vielleicht bringen diese Unterscheidungen etwas mehr Klarheit,

hofft Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von delfi am 17. Jan. 2006, 18:30 Uhr
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on 01/17/06 um 17:39:49, Eberhard wrote:Ich selber neige dazu, die Ausgangsfrage nach dem "Sinn" des menschlichen Daseins zu interpretieren im Sinne der Frage:

"Können wir unser menschliches Leben, so wie es sich in der Erkenntnis der modernen Wissenschaft darstellt, lebenswert finden?"

Vielleicht bringen diese Unterscheidungen etwas mehr Klarheit,

hofft Eberhard.



danke für deine Zwischenbilanz.
ich habe mich bisher lediglich bemüht die kategoriellen Unterschiede von Materie (Physik), Leben und menschlichem Leben aufzuzeigen.
Wichtig war es mir, an den Allgemeinplatz zu erinnern, dass Leben obligatorisch gleichzeitig individuell und zeitlich, also nicht zeitlos konstituiert ist.
Dies dürfte doch Grund genug sein, auch die Sinngebung individuell zu beantworten, auch wenn wir uns immer nach der absoluten Antwort sehnen.
Mein Hinweis auf die vielen 1000 Milliarden Zellen der "perfekt" harmonierenden Systemeinheit Mensch, auch wenn jede einzelne Zelle mit ihrer Erbinformation potentiell unabhängig ist, sollte das erkennbare Evolutionsziehl von Leben aus Einzelindividuen zu größeren Einheiten beleuchten.

Ich habe weiter darauf hingewiesen, dass diese Systemeinheit Mensch eine Frühgeburt darstellt und eine ganz ungewöhnlich lange Entwicklungszeit benötigt, ihre "angelegten" potentiellen Möglichkeiten voll zu entfalten.

Daraus habe ich gefolgert, dass ein zeitlich begrenztes erstes Lebensziel diese individuelle Entwicklung, das Erwachsen werden sein muss.
Das heisst ganz banal:
Menschliche Betreuung (passive), Erziehung, selbstmotiviertes Lernen, Selbsterkenntnis.

Der eigentliche Lebenssinn kann ja erst danach einsetzen.

Und hier will ich nochmal an die Neigung der lebenden Natur erinnern, analog den Körperzellen aus Individuen (wenn sie sich denn ausgebildet und selbst erkannt haben) größere, höhere Einheiten zu formen, die zu mehr im Stande sind, als der Einzelne alleine (Einigkeit macht stark).
Die Wölfe haben das unter den höheren Tieren am besten organisiert.
Sie sind auch Individuen, aber als Rudel mit perfekter Komunikation können sie größere Beute bewältigen als jeder einzelne.
Und die kleinste natürliche Einheit beim Menschen ist die Familie.
So sehe ich persönlich beim Menschen einen Lebenssinn nur in einem zusätzlichen Schritt des Individuums in eine größere höhere Einheit von Lebewesen, die eine Wertigkeit für sich selbst darstellt.
Und hierbei ist für mich der Ratgeber nicht die Wissenschaft und nicht die Logik, sondern die Ethik der Philosophie und das größte Geschenk der Natur,
die Liebe

Salve

[skater]


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Hanspeter am 18. Jan. 2006, 00:14 Uhr
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Hallo Eberhard,

zu deiner Frage: "Können wir unser menschliches Leben, so wie es sich in der Erkenntnis der modernen Wissenschaft darstellt, lebenswert finden?"

Die ist schwierig zu beantworten, weil hier zwei Ebenen - und du hast es ja letztlich in deiner Zusammenfassung bereits angedeutet - vermischt werden, die sich nur schwer vermischen lassen.

Das menschliche Leben, so wie es die moderne Wissenschaft sieht, hat jedenfalls direkt nichts zu tun mit der psychologischen Problematik dieser Frage.

Leben entsteht und vergeht unabhängig davon, ob sich die Lebewesen lebenswert finden. Andererseits stellen sich Menschen - vielleicht auch Tiere - gelegentlich die Frage, ob ihr Leben lebenswert sei.

Diese Frage stellt man sich aber nur dann, wenn man Depressionen hat. Wenn das innere Auge an den negativen Seiten des Lebens ungleich länger verweilt als an den positiven Seiten. Also Eberhard, vielleicht solltest du deinen Koffer packen und ein oder zwei Wochen Urlaub in der Karibik oder in einem ordentlichen Wellnesshotel machen und dich von liebenswerten Händen verwöhnen lassen! [cheesy]

Gruß HP



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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 18. Jan. 2006, 13:11 Uhr
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Hallo Eberhard,
Ob Deine neue Fragestellung das gleiche Thema nur aus anderer Sicht ist, scheint mir zweifelhaft. Aber zunächst einmal hätte ich die Frage:
welche moderne Wissenschaft beschäftigt sich denn Deiner Meinung nach mit dem Menschen und beschreibt oder analysiert das aktuelle menschlichen Leben?
Meinst Du bestimmte Soziologen? Oder Psychologen? Oder Psychoanalytiker? Oder Biologen? Evolutionsbiologen? Verhaltensforscher? Genetiker?
Die Vertreter der jeweiligen Fachgebiete halten ihr Fachgebiet jedenfalls für eine Wissenschaft.
Oder beschränkst Du Dich auf Naturwissenschaftler im engeren Sinn (wobei sich Quantenphysiker gelegentlich selbst als Philosophen eingeordnet haben).
Ich bezweifle jedenfalls, dass es eine einheitliche oder verbindliche Darstellung des menschlichen Lebens aus wissenschaftlicher Sicht gibt, geschweige denn, dass jeder von uns dabei das gleiche vor Augen hat.
Gruß
rudi

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 19. Jan. 2006, 06:52 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Hanspeter,

ich habe vermutet, dass sich hinter der Frage nach dem "Sinn" des menschlichen Daseins die Frage verbirgt, ob die Welt, so wie sie ist, für uns lebenswert oder zumindest erträglich ist, oder ob wir die Wirklichkeit nicht aushalten können und nach den tröstlichen Fantasien der Religionen greifen müssen.

Dies ist meines Erachtens nicht nur ein psychotherapeutisches Problem individueller Art, sondern ein Problem, das sich jedem stellt, der etwas über die Geschäftigkeiten des Alltags hinausblickt und nachdenkt.

Konkret gefragt:

Können wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass wir sterblich sind, dass wir – wenn es hoch kommt – 80 bis 90 Jahre alt werden?

Können wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass wir die einzigen Wesen in diesem Universum sind, die bewusst Denken und Erkennen können und die so etwas wie "Sinn" geben und verstehen können?

Können wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es keine höheren Wesen gibt, die uns gegen die Naturgewalten und Naturkatastrophen, gegen Krankheit und Unglück helfen können und an die wir uns in höchster Not bittend wenden können?

Können wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es in der Natur und auch in der Geschichte der Menschheit nicht moralisch und nicht gerecht zugeht? Dass das Leben hoffnungsvoller und liebenswerter Menschen manchmal jäh zu Ende ist? Dass die verbrecherischen Täter leben und die unschuldige Opfer tot sind? Dass oft das Schlechte siegt und das Leben kein Film mit happy-end ist?

Ich denke, dass wir die in vielem harte Wirklichkeit ertragen können, die nicht nur Liebe ist, und dass wir eine realistische und bejahende Einstellung zu dieser Welt gewinnen können, die mehr ist als ein zynisches "That’s life!"

Es grüßt Euch ein keineswegs in Depressionen versackter Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 19. Jan. 2006, 07:51 Uhr
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Hallo Eberhard,
Du beschreibst das Leben auf der Erde ja so wie es ist. Sehr realistisch.
Und dann endlich kommst Du mit dem heraus, was Du hier eigentlich suchst:
nämlich Trost!
Du suchst seltsamer Weise keinen nichtreligiös begründeten Sinn des Lebens, der ebenso realistisch wie Deine Beschreibung die Sinnfrage beantwortet, sondern Du suchst eine Antwort, die Trost spendet.
Leider kann ich Dir nur wahre Antworten geben, und die sind selbstverständlich unabhängig von Deinen - oder meinen - Wünschen.
Ich bastele mir ja keine Philosophie zurecht, die meinen Wünschen entspricht.
Meine Philosophie bildet die Realität nur besser ab als die bisherigen Philosophien.
Gruß
rudi

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von jonny_W. am 19. Jan. 2006, 09:56 Uhr
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doc rudi: "Leider kann ich Dir nur wahre Antworten geben, und die sind selbstverständlich unabhängig von Deinen - oder meinen - Wünschen. .....
Meine Philosophie bildet die Realität nur besser ab als die bisherigen Philosophien. "

dem, find ich ist nix hinzuzufügen... [applause]

jonny


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Siena am 19. Jan. 2006, 10:23 Uhr
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Du beschreibst das Leben auf der Erde ja so wie es ist. Sehr realistisch.
Und dann endlich kommst Du mit dem heraus, was Du hier eigentlich suchst:
nämlich Trost!
(...) sondern Du suchst eine Antwort, die Trost spendet.
Leider kann ich Dir nur wahre Antworten geben, und die sind selbstverständlich unabhängig von Deinen - oder meinen - Wünschen.
Ich bastele mir ja keine Philosophie zurecht, die meinen Wünschen entspricht.
Meine Philosophie bildet die Realität nur besser ab als die bisherigen Philosophien.
Gruß
rudi[/quote]

Guten Tag doc rudi, Eberhard und alle anderen!

Ich befrage dich doc rudi: Ist es so verkehrt Trost zu suchen im Existieren oder sind wir schon so weit, dass alles, was nicht mit Logik, vermeintlicher Wirklichkeit und hochgehaltener Wissenschaftlichkeit zu tun hat - stilles Gelächter hervorruft?
Ist es so weit gekommen, dass man "Sinnsuche" (Trost) dem schwachen Menschen zuordnet, weil man selbst doch zu den Starken gehört, die, unverstellt der nackten Realität auszuliefern, sich selbst verordnet haben? Die Heroen und Über-menschen, die Begründer einer eigentlichen Eigentlichkeit - die Götter einer trost-losen Welt - ständig im selbst-ständigen Willen beheimatet - zuhause im Un-zuhause.

Was auch sollen diese "Verwegenen" übrig haben für Sinnsucher, Trostsucher, Gottsucher, Liebesbekenner als Verachtung, Hohn und Spott - ein Grundgefühl der Abschätzigkeit aus einem vermeintlichen Gefühl der Überlegenheit gegenüber der bedrängten Kreatur.

Denn, diese Furcht-losen basteln sich ja keine Philosophie zurecht, die etwa ihren Wünschen gemäß wäre - wo käme man da hin. "Man stelle sich unerschrocken in die Wirklichkeit und ertrage die Realität" - ist der Kampfruf der Verwegenen.

Philosophie soll einzig die "Realität" abbilden - zumal natürlich "besser" ab-bilden als "alle bisherigen Philosophien".

Wer sich so überlegen weiß, hat vermutlich nur eine Gefahr zu befürchten: dass er irgendwann einmal zu Ende kommt - mit sich - mit dem Leben mitten im Leben - mit dem überlegenen Abbilden der Realität, das ihm eine "ungeheure Sicherheit" bietet - von der Wiege bis ins Grab.

Denn vermutlich ist es gerade umgekehrt: Der Furchtlose klammert sich an sein Abbilden der Realität - an seine angelesenen Formeln und Ansichten, die er zeitlebens "anwenden" kann. Vermutlich steht es sogar so, dass das Angelesene als das Selbstgedachte ausgegeben wird. Dieses Anwenden gibt ihm eine Sicherheit im Kontingenten - es geht nicht um den Inhalt, sondern dem Heroen geht es um das "Anwenden" des "Anwendens-Willen".

Und so bildet man zeitlebens die Realität ab - besser, gründlicher, genauer und unerschrockener. Was man freilich niemals eingesetzt hat, war das eigene Existieren zumal auch das eigene Denken. Diese Selbstsicherheit im Abbilden ist das Ungefährdetste überhaupt, weil man sich in Vor-stellungen und Aus-legungen und Über-legungen ergehen kann ohne jemals im "Sturm des Existierens" gestanden zu haben.

Man sieht leicht, dass sich gerade der Heroe nicht der Realität stellt, obwohl er ständig die vermeintliche Wirklichkeit als Banner vor sich herträgt.

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 19. Jan. 2006, 11:26 Uhr
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Hi siena,
Du hast mit Deinen Ausführungen abstrakt völlig Recht und ich kann Dir an allem zustimmen. In absehbarer Zeit ist das Leben für uns alle zu Ende. Dann werden wir erfahren, ob und gegebenenfalls was danach kommt.
Nur: Trost zu spenden ist Aufgabe von Pfarrern, Psychotherapeuten und - im Idealfall - von Freunden.
Als solcher kann ich auch Trost spenden,
als Philosoph habe ich jedoch eine andere Aufgabe.
Gruß
rudi


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Hanspeter am 19. Jan. 2006, 15:18 Uhr
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Hallo Eberhard,

auch wenn du es nicht wahrhaben willst: Du bist derzeit in einer depressiven Phase und du suchst Trost.

Denn dein letzter Beitrag beschreibt ausschließlich die Schattenseiten des Lebens: Tod, Angst, Ungerechtigkeit.

Ich gebe zu, dass religiöse Menschen leichter Trost spenden können. Weder die Philosophie noch die Wissenschaften sind dazu besonders geeinget, wie ja auch Rudi schon richtig bemerkte.

In Sachen Tod kann ich dir eigentlich nur die buddhistische Sicht der Dinge empfehlen: Den Tod als eine Erlösung von den Leiden der Welt zu begreifen.

Glücklich ist, wer gerne stirbt.

Gruß HP

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 19. Jan. 2006, 17:59 Uhr
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Hallo doc_rudi,

wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann bist Du der Ansicht, dass ich nach Antworten suche, die Trost spenden, während Du nach wahren Antworten suchst: "Ich bastele mir ja keine Philosophie zurecht, die meinen Wünschen entspricht."

Du stellst damit eine Alternative auf, die es gar nicht gibt: entweder ist eine Theorie tröstlich oder sie ist wahr. Es gibt aber auch tröstliche Wahrheiten.

Hinter die Aussage: "Meine Philosophie bildet die Wirklichkeit besser ab als die bisherigen Philosophien" muss ich ein großes Fragezeichen setzen.

Einerseits nimmst Du für Dich in Anspruch, eine radikal empirisch fundierte Theorie zu entwickeln. Typisch hierfür sind Sätze wie: "Ich reduziere meine Beobachtung auf das Registrieren von Veränderung (Bewegung)"

Mit diesem Ansatz kannst Du vielleicht Fragen nach dem, was ist, was war, was sein wird und warum es so ist, war und sein wird beantworten.

Du bist jedoch immer in der Versuchung, auch Fragen ganz anderer Art mit Deiner Theorie zu beantworten, wie z.B. "Was ist moralisch richtiges Handeln?", "Was ist der Sinn des Lebens?" "Was ist das Kriterium für die Wahrheit eines Satzes?"

Hier kann Dir aber die Beobachtung von Veränderung, also eine empiristische wenn nicht sogar behavioristische Methodik, schon aus rein logischen Gründen keine Antworten liefern, was Du Dir jedoch offenbar nicht klar machst

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von doc_rudi am 19. Jan. 2006, 18:26 Uhr
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Hallo Eberhard,
"Einerseits nimmst Du für Dich in Anspruch, eine radikal empirisch fundierte Theorie zu entwickeln."
Richtig, so ist es.
Mir geht es in erster Linie um die Frage, nach welchen Regeln sich lebende Systeme bewegen, also um die Naturgesetze, die im Bereich lebender Systeme wirken.

"Du bist jedoch immer in der Versuchung, auch Fragen ganz anderer Art mit Deiner Theorie zu beantworten"
Auch das ist richtig. Ich versuche, meine Forschungsergebnisse auch anderweitig anzuwenden.
Geht es um Moral, Religion, Sinngebung usw., kann ich nur sagen, welche Funktion die Moral usw. hat, welche Rolle diese meiner Meinung nach spielen bei der Steuerung von Verhalten.

Ob sich aus wertfreier Beobachtung des Verhaltens eine Sinnfindung oder eine allgemeine Moral ableiten lässt, kann man selbstverständlich grundsätzlich bezweifeln.
Du hast wahrscheinlich recht mit Deinem impliziten Hinweis, dass ich meine Zeit nicht damit verplempern sollte.
Gruß
rudi

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am 19. Jan. 2006, 20:23 Uhr
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Hallo allerseits, hallo jonny.

Du schreibst: Religion als tröstliche Fantasie zu sehen zeugt von einem primitiven Religionsverständnis.

Dem muss ich widersprechen.

Religionen sind vielschichtige Phänomene, aber ich habe gute Gründe für meine Überzeugung genannt, dass es sich bei den religiösen Vorstellungen von Himmel und Hölle, von Engeln und Teufeln nicht um die Beschreibung von etwas Realem handelt.

Ich spreche deshalb von kollektiven Fantasien. (Manchmal sind es allerdings auch kollektive Wahnvorstellungen.)

Religionen erfüllen verschiedene Bedürfnisse, aber ich liege wohl nicht ganz falsch, wenn ich davon ausgehe, dass das Bedürfnis nach Trost und Halt einen sehr wichtigen Platz einnimmt.

Wenn der kleine Sohn von Eric Clapton tödlich verunglückt und aus dem Fenster fällt, dann ist die religiös gespeiste Hoffnung "see you in heaven" ein Trost für einen sonst vielleicht Untröstlichen.

Und nicht umsonst heißt es im Neuen Testament sinngemäß: "Kommt her, die ihr mühselig und beladen seid!"

Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich mich um ein differenziertes Verständnis der Religionen bemühe.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Eberhard am Vorgestern, 14:10 Uhr
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Hallo allerseits,

ich will mal ein persönliches Fazit aus unserer Diskussion über den Sinn des menschlichen Daseins ziehen.

Das wichtigste Ergebnis scheint mir zu sein, dass alle Fragen nach dem Sinn des Daseins oder des Lebens daran kranken, dass die Frage unklar bleibt, weil der Begriff "Sinn" selber keine klare Bedeutung hat, wie die Adjektive sinnvoll, sinnlich, sinnig, sinngemäß oder besonnen mit ihren unterschiedlichen Bedeutungen zeigen.

Es sollte deshalb immer geklärt werden, was man mit "Sinn" meint, wenn man ein brauchbares Ergebnis erzielen will.

Wenn man mit "Sinn" meint: "zu erfüllender Zweck" ("Funktion", "Rolle", "Aufgabe", "Ziel"), dann hat die Existenz der Menschheit keinen Sinn außer demjenigen Sinn, den sie sich selber gibt.

Hinter der Frage nach dem "Sinn" des Lebens steckt – wenn auch unartikuliert - das Bedürfnis, sich in der Beziehung zum Ganzen einzuordnen, seinen "Platz" zu finden in der Welt und in der Gesellschaft, eine Aufgabe, die bisher die Religionen übernommen hatten. Deshalb sollte man die Sinnfragen auch nicht einfach abwehren, sondern sollte sich um ein glaubwürdiges Welt- und Menschenbild bemühen, das diese Orientierung geben kann.

Ich denke, wir kommen ganz gut auch ohne die tröstlichen Fantasien vom Leben nach dem Tode und ohne die Drohung mit einem letzten Gericht zurecht. Wir haben vom Baum der Erkenntnis in Form des modernen wissenschaftlichen Denkens und Forschens gegessen und sind dabei erwachsen geworden. Wir wissen, dass uns nur unsere eigene Vernünftigkeit dabei helfen kann, unser Leben und das unserer Nachkommen erträglich und glücklich zu gestalten.

Es grüßt alle Teilnehmer und Leser dieser Diskussion Eberhard.

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Titel: Re: Hat das menschliche Dasein einen Sinn? II
Beitrag von Urs_meinte_Euch am Heute, 12:16 Uhr
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Hallo miteinander!

Ich bin nicht aus dem Winterschlaf erwacht, sondern habe nun meinen Umzug hinter mir. Uff! Zwischen den Kisten, sozusagen im Niemandsland, können einem durchaus Zweifel am Sinn des ganzen Lebens kommen. Aber irgendwie ist auch alles zu etwas gut... So durfte ich etwa feststellen, dass ich doch fitter bin als befürchtet. Ich gehe also nicht gebrochen, sondern gestählt aus diesem Kampf hervor...

Zieht Euch warm an!
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Als später Hinzugekommener knüpfe ich einfach an einzelne Eurer Thesen aus dem Diskussionsverlauf an.

Zunächst einmal finde ich es einsichtig, das vieldeutige Wort "Sinn" auf die Bedeutung "Zweck", "Absicht", "Ziel" zu beschränken.

Aber dann stellt sich sofort die Frage, ob es Zwecke oder Ziele "objektiv" in der Natur gibt oder ob es nicht immer wir menschlichen Subjekte sind, die teils sich selbst Ziele setzen, teils Zweckmäßigkeiten in natürliche Zusammenhänge hineininterpretieren.

Eberhard schrieb hierzu:

Quote:Eine Ausnahme scheinen selbsterhaltende Systeme zu bilden, bei denen sich scheinbar ein "objektiver" Sinn der einzelnen Organe bestimmen lässt. So kann man durch eine Beobachtung der Nieren eines Kaninchens und der Vorgänge darin zu dem Schluss kommen: "Der Sinn der Nieren ist es, schädliche und nicht verwertbare Stoffe aus dem Körper auszuscheiden."

Allerdings setzt dies voraus, dass man als Bezugspunkt eine bestimmte Systemebene und dessen Erhaltung auswählt. Nimmt man als Bezugspunkt z.B. das umfassendere ökologische System, dann ist das Kaninchen samt Nieren Nahrung der Wölfe.

Auch hier steht also im Hintergrund der Bezug zu einem Subjekt.

Diese Ansicht teile ich. Wenn man von funktionalen Zusammenhängen in der Natur spricht bzw. bestimmte natürlich "gegebene" Zusammenhange als funktionale anschaut, so lässt es gar nicht vermeiden, ihnen auch einen Zweck zu unterstellen. Kein Organismus, kein dynamisches System, keine funktionalen Operationen ohne ein "Umzu" oder "Umwillen". Der Zweckbegriff ist analytisch mit dem Modell des funktionalen Systems verbunden.

Bedeutet das nun aber, dass der Bezug auf das interpretierende menschliche Subjekt Naturzwecke weniger "objektiv" macht als etwa Gesetzesaussagen in der Physik? Ist das Gravitationsgesetz "realer" als das Selbsterhaltungsstreben von Lebewesen? - Solange in den erkenntnistheoretischen Debatten die klassische Physik die Leitwissenschaft war, konnte der Eindruck entstehen, dass funktionale Systeme irgendwie weniger "real" seien als die "hard facts" der Mechanik. Aber ich denke, heute ist es weitgehend Konsens, dass auch z.B. die klassische Physik nur ein interpretatorisches Modell ist, freilich eines, aus dem seine Begründer den Zweckbegriff absichtsvoll (also zu bestimmten menschlichen Zwecken!) eliminiert hatten.

Bei Kant, der die interpretatorische Alternative zwischen Natur als Mechanismus und Natur als Organismus (System) klar gesehen und breit diskutiert hat, kehrt beim Zweckbegriff monoton die Formel wieder, er werde in die Natur hineingesehen "zum Behufe unserer Urteilskraft" bzw. "zum Behufe unserer Erkenntnis." Den "Mechanism der Natur" dagegen hielt Kant für "objektiv" in dem Sinne, dass er irgendwie "einfach da" sei.

Was nun das Denken in "sinn"-haltigen und damit auch in zweckmäßigen, zielorientierten Zusammenhängen angeht, so glaube ich, haben wir Menschen keine Alternative. "Sinn" ist sozusagen das Medium, das "Element", in dem wir uns bewegen wie Fische im Wasser. Zwar können wir die Natur in bestimmten Ausschnitten als "zwecklos" oder "sinnlos" ansehen und objektivieren, aber wenn wir das tun, dann weil wir damit wiederum bestimmte Zwecke verfolgen.

Darum stellt sich das Problem der Sinnleere m.E. gar nicht so virulent wie etwa Jochen es sieht. Er schrieb:
Quote:Für den Menschen ist das nicht leicht einsehbar, weil dies für ihn eine furchtbare Wahrheit ist, mit der er nicht fertig wird. Das Dilemma ist ja eben, daß trotz dieser unbestreitbaren Wahrheit, daß das Leben zwecklos ist, der Mensch versucht, einen Sinn zu sehen. Das kommt mir aber manchmal so vor, wie das Erkennen von Strukturen im Strukturlosen, z.B. beim Erkennen von Sternbildern am Nachthimmel, bei denen wir wissen, daß sie es tatsächlich nicht gibt.

Der Mensch "versucht" m.E. nicht nur, einen Sinn im Leben zu sehen, er sieht ihn sowieso. Er kann gar nicht anders. Dass er vor dem "sinnentleerten" Naturbild seiner eigenen Wissenschaften zurückschreckt, halte ich für eine selbstverursachte Ver- oder Entfremdung. Die Sinnleere "da draußen im All" ist in meinen Augen ein genauso selbstgemachter Buhmann wie der liebe oder zürnende Schöpfergott.


Ein wichtiger Punkt zum Schluss.

Zwecke können "immanent" oder "transzendent" sein. Immanent ist etwa der Zweck der "Selbsterhaltung". "Transzendent" ist dagegen der Zweck eines Staubsaugers, denn er existiert nur, weil Menschen damit ihre Wohnungen reinigen wollen.

Meist wird bei der Frage nach dem "Sinn des Lebens" in der "transzendenten" Richtung gesucht und gefunden (oder auch nicht). Das christliche Weltbild mit seinem "extramundanen", "überweltlichen" Schöpfer und Sinnstifter ist noch derart eingefleischt, dass immanente Zwecke irgendwie nicht zur Sinnstiftung genügen. Und Ziele, die Menschen sich aus Freiheit selbst setzen und mit ihrem Können auch verwirklichen, erscheinen irgendwie als nicht "tragfähig". Irgendwie scheint da noch ein "Außenhalt" gebraucht zu werden...

So weit erstmal.

Es grüßt Euch
Urs


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