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Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?

(Diskussion bei PhilTalk)


PhilTalk Philosophieforen  Theoretische Philosophie >> Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie >> Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
(Thema begonnen von: Eberhard am 17. Mai 2005, 06:38 Uhr)



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Titel: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 17. Mai 2005, 06:38 Uhr
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Hallo allerseits,

Die Diskussion in dem Thread mit dem schönen Titel "Unwahrheit I" ging z.T. um diese Frage, die es mir wert erscheint, gesondert diskutiert zu werden.

Unbestritten ist wohl, dass es sich bei "1 + 1 = 2" nicht um eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit handelt.

Der Satz: "Dieser See ist 2" sagt nichts über diesen See aus. Ist er 2 km lang, 2 km breit, 2 m tief oder 2 Grad Celsius kalt? Das bleibt offen.

Offenbar beziehen sich die Zahlen auf etwas nicht Genanntes.

Informiert uns dann vielleicht "1 Dops + 1 Dops = 2 Dopse" über die Wirklichkeit?

Wohl auch nicht, denn in der Wirklichkeit gibt es keine Dopse, die habe ich nur eben mal erfunden.

Aber wenn man etwas nimmt, was es wirklich gibt, dann erhalten wir hoffentlich eine Aussage über die Wirklichkeit.

Nehmen wir Seifenblasen. Die gibt es wirklich. Wie ist mit der Aussage: "1 Seifenblase + 1 Seifenblase = 2 Seifenblasen". Leider stimmt das nicht immer mit der Erfahrung überein, denn oft ist die erste Seifenblase bereits geplatzt, bevor noch die zweite fertig ist. Ich habe dann 1 Seifenblase gemacht und noch 1 Seifenblase gemacht, habe aber nicht 2 Seifenblasen.

Fazit: "1 + 1 = 2" ist keine wahre Aussage über die Beschaffenheit der Wirklichkeit.

Dann kann es immerhin noch eine mathematische Wahrheit sein. Aber was ist eine "mathematische Wahrheit"?

fragt Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Cowboy am 17. Mai 2005, 14:47 Uhr
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on 05/17/05 um 06:38:52, Eberhard wrote:Dann kann es immerhin noch eine mathematische Wahrheit sein. Aber was ist eine "mathematische Wahrheit"?

fragt Eberhard.



Hallo Eberhard,

ich musste bei der Frage etwas schmunzeln, weil Du zuvor die Vermutung geäußert hast, dass es eine mathematische Wahrheit sein "kann", aber dann doch nicht genau wusstest was das sein soll. So auf die Art:

"es kann auch ein Bazong sein, aber was ist ein Bazong ?"

Aber zur Frage:

ich würde sagen, wenn man mathematisch 1+1=2 betrachtet, ist es gleichwertig mit X*X~Y

Also wird irgendein Element genommen, mit sich selber verküpft, und in Relation zu einem anderen Element gesetzt. Ob diese Relation nun wahr ist oder nicht, ist Definitionssache.

Setzt man voraus, dass die Natürlichen Zahlen mit 1 und 2 gemeint sind, und setzt man voraus, dass "+" die bekannte addition von natürlichen Zahlen darstellen soll, und setzt man voraus, dass "=" das Symbol für die identische Abbildung darstellt, dann ist die Relation wahr.

Ich denke, das bezeichnet man als "mathematische Wahrheit", man stützt sich bei den Aussagen auf Axiome und Definitionen die irgendwann mal festgelegt wurden.

aber ich bin nun auch kein Mathematiker [nixweiss]

Cowboy

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 17. Mai 2005, 17:59 Uhr
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Daß es verschiedene Arten von Wahrheit gibt, ist hinlänglich bekannt. Geht es um mathematische Wahrheiten, gibt es ebenfalls verschiedene Interpretationen. Im Sinne des Formalismus ist etwas wahr, wenn es aus den Axiomen abgeleitet werden kann. Im Sinne des Intuitionismus ist etwas wahr, wenn es nach den erlaubten Regeln konstruiert werden kann. Im Sinne des Platonismus ist etwas wahr, wenn es die idealen Dinge abbbildet. In diesen Bereich gehört auch
der Satz 1+1=2. Er ist wahr innerhalb seines mathematischen Systems. Eine Anmerkung dazu: Übrigens stimmt das selbstverständlich nicht ganz. 1+1=2 stimmt ja auch irgendwie in der nicht-mathematischen Wirklichkeit, wenn es z.B. um 2 Äpfel geht, die man sich teilen soll. Und wenn es bei der Teilung Ärger gibt, dann kann man am eigenen Leib erfahren, daß die Mathematik nicht nur eine Wissenschaft ist, die im luftleeren Raum über uns schwebt!

Mit der Auffassung des Formalismus verwandt ist die formale oder auch mathematische Logik. Hier gibt es ebenfalls Axiome, aus denen dann weitere Sätze gebildet werden. Alle diese Sätze, wenn sie korrekt gebildet worden sind, sind Tautologien. D.h. sie sind unter allen Bedingungen wahr. Das hört sich gut an, bedeutet aber, was viele nicht beachten, daß sie nichts über die Wirklichkeit aussagen. Ein Satz wie 'Alle Schwäne sind entweder weiß oder nicht weiß.' ist wahr, sagt aber tatsächlich über die Farbe der Schwäne nichts aus.

Daneben gibt es Wahrheiten in den Naturwissenschaften, der Physik, der Chemie, der Geologie usw. Diese Wahrheiten haben eine andere Qualität als die Wahrheiten der Logik oder der Mathematik. Sie sind immer nur mehr oder weniger relativ. Daß darf man jedoch nicht so verstehen, daß alles relativ oder unsicher ist. Sondern so, daß die 'Wahrheiten' der Naturwissenschaften immer weiter verbessert werden können, vielleicht sogar im Sinne von Aristoteles als adaequatio ad rem, d.h. der Übereinstimmung von Vorstellung und Wirklichkeit. Also im günstigsten Fall ein asymptotischer Vorgang.

Die Nicht-Naturwissenschaften sehen da schon viel schlechter aus. Bei ihnen gibt weniger 'harte Daten'! Ihre Überprüfbarkeit - auch im Sinne von Popper - ist deutlich eingeschränkter. deshalb sind Wissenschaften wie Geschichte, Soziologie, Pädagokik, Psychologie usw. erheblich mehr abhängig von der Zeit und den Umständen, in denen sie gültig sind.

Unterscheiden von all diesen 'Wahrheiten' sollte man Wahrheiten in Begriffen wie 'die wahre Liebe', 'die wahre Poesie', 'das wahre Leben' usw. Diese sind vorwissenschaftlich und naiv und haben jeweils nur eine ganz individuelle Bedeutung, sodaß man darüber schweigen sollte.

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Berny am 17. Mai 2005, 19:28 Uhr
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Hallo an alle,

in Ergänzung zu den Feststellungen von Eberhard, Cowboy und Jochen43 resümiere ich wie folgt:

1+1=2 ist ein Sonderfall der Wahrheit!

Nehmen wir das von Eberhard vorgestellte Seifenblasenmodell, das mir schon deshalb so gut gefällt, weil daran die Randbedingungen sehr gut illustriert werden können, die auch für den Symbolismus eines (ganzheitlichen) Quants (als informationsenergetische Zustandsmenge) gelten, dann kann man sagen, dass die Wahrheit der Aussage (bei der Seifenblase) überhaupt und nur dann erfüllt ist, wenn Beständigkeit mit Oberflächenwahrheit zusammentreffen.
Denn ob eine Seifenblase wahr ist oder nicht, dies hängt im Falle ihrer zweifelsfreien Konsistenz des weiteren an ihrer Oberflächenbeschaffenheit, die ein berührungsfähiges und sanftes Zusammenklatschen durch Adhäsion mit einer gleichartigen Seifenblase ermöglichen muss, damit ein Zusammenhang in zulässiger Weise überhaupt Additiv angenommen werden darf.

Was ich damit aussagen will ist, dass, gleiche Grundmengen (=Seifenblasen) vorausgesetzt, mit Hilfe zweier zusätzlicher Kriterien (Konsistenz und Oberflächenbeschaffenheit) diese die zulässige Zusammenführung in der Wirklichkeit erlauben und somit als wahr annehmbar sind.

Mein Fazit: 1+1=2 KANN (im Sonderfall) eine wahre Aussage über die Beschaffenheit der Wirklichkeit sein, MUSS aber nicht!

Zur Erfüllung einer mathematischen Wahrheit (hier für 1+1=2) muss die Gültigkeit des Kommunikativgesetzes gewährleistet sein, also die zusätzliche Bedingung einer Austauschbarkeit (=Beliebigkeit) der (definierten) Grundmenge erfüllen.

Diese Austauschbarkeit ist gewährleistet, wenn die Reversibilität der Rechnung auf demselben Wege zurückgerechnet jederzeit kontrolliert werden kann, dass also auch die Richtungsunabhängigkeit der Rechnung gewährleistet ist, was aber bei einer Annahme von 1=Eins als Vektorbetrag nicht immer selbstverständlich ist. Denn wir müssen jederzeit eine Zahl auch als "gerichtete Kraft’ interpretieren können, wenn wir mit ihr zuverlässig rechnen wollen, sodass die Kräfteaddition hier unabhängig davon sein muss, welche Seifenblase ich zuerst ausgewählt habe, um sie in eine einfache Rechnung wahrhaft Additiv einbeziehen zu dürfen.

Der mathematische Kreisschluss ist sozusagen Bedingung für die mathematische Wahrheit, die zum Beispiel inmitten der 1=EINS als Absolutwert sich ebenso wie die Zahl 0=Null als Absolutwert jeder Anwendung der mathematischen Gesetze und der "normalen’ Logik entzieht, es sei denn, wir sind in der Lage die grenzlogische Betrachtung einer Grenznutzenwahrheit anzustellen.

Dies ist ein sehr interessantes, aber anderes Thema.

Eine Wirklichkeit ist also immer dann als verlässlich zu sehen, wenn die Operationswahrheit der Interpretationswahrheit gleichermaßen so entspricht, dass die Definitionswahrheit dabei nicht verletzt ist.

Also auch hier sollte eine Dreieinigkeit dieser Einzelwahrheiten zu einer allgemein gültigen Gewisssheit beitragen.

Mit freundlichen Grüßen
Berny (BernhardLayer)


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 17. Mai 2005, 22:15 Uhr
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Hallo Berny!

Eine Frage nur: Wie soll eine Seifenblase wahr sein? Das klingt in meinen Ohren stark nach Mystik. Quid est veritas? Est vir qui adest!

Hallo Eberhard!

Dein Beispiel mit der Seifenblasenrechnung bringt eine neue Dimension in die Mathematik, nämlich die Zeit. Damit aber verlassen wir das Gebiet der Mathematik, weil die nach ihrem Selbstverständnis zeitlos ist.
Und natürlich muß vorher geklärt werden, was man mit der Zahl 1 meint. Oder ist es überhaupt eine Zahl? So gilt auch nicht 1 Tasse Tee + 1 Tasse Zucker = 2 Tassen Zuckertee, wie man sich schnell selbst überzeugen kann, wenn man will.

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Cowboy am 18. Mai 2005, 15:12 Uhr
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Quote:Denn wir müssen jederzeit eine Zahl auch als "gerichtete Kraft’ interpretieren können, wenn wir mit ihr zuverlässig rechnen wollen, sodass die Kräfteaddition hier unabhängig davon sein muss, welche Seifenblase ich zuerst ausgewählt habe, um sie in eine einfache Rechnung wahrhaft Additiv einbeziehen zu dürfen.



Müssen wir diese Interpretation wirklich in Betracht ziehen ? Die Notation einer Zahl impliziert doch ein skalares richtungsloses Verhalten.



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Berny am 18. Mai 2005, 22:17 Uhr
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Quote:*Cowboy*: Müssen wir diese Interpretation wirklich in Betracht ziehen?

Die Notation einer Zahl impliziert doch ein skalares richtungsloses Verhalten.


Gerade doch wegen dieser die Wahrheit einschränkenden Implikation ergibt die Addition mehrerer richtungsloser Zahlen in Wirklichkeit dann ein Unfug, wenn das Ende der einen Zahl (auf einem Zahlenstrahl) eben gerade nicht bedingungslos an den Anfang einer nächsten Zahl gesetzt werden kann, dort, wo die gleiche Zahlen(aus-)Richtung dabei nicht - unter Berücksichtigung des Kommunikativgesetzes - garantiert werden kann.

Wenn wir wirklich wahre Ergebnisse anstreben wollen oder gar müssen, (zum Beispiel bei Weltraumexpeditionen von erheblicher Dauer) sollten wir auf die Abschätzung einer Interpretationswahrheit nicht verzichten und zusätzlich eine Bezugssystemanalyse anstreben.


Quote:*Jochen43*: Eine Frage nur: Wie soll eine Seifenblase wahr sein? Das klingt in meinen Ohren stark nach Mystik.


Eine kurze Antwort nur: Eine Seifenblase ist in dem Augenblick wahr, wo sie existiert. Auch ein Menschenleben dauert nicht viel länger als die Existenz einer Seifenblase, bezogen auf die Unendlichkeit der Zeit, die mit der Zeitlosigkeit zusammentrifft. Das hat etwas mit Naturwissenschaft und mit der noch weitgehend unbekannten und scheinbar unberechenbaren Mathematik der Quanten zu tun. Tröste dich damit, dass die wenigsten Mathematikprofessoren von Wahrscheinlichkeitsfeldern eine Ahnung haben. Doch diejenigen, die eine Ahnung davon haben, sehen dann die Mystik mit ganz anderen Augen als die meisten Scharlatane.

Mit freundlichen Grüßen
Berny (BernhardLayer)


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 19. Mai 2005, 09:38 Uhr
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Hallo Cowboy, hallo Jochen,

danke für Eure sachkundigen Stellungnahmen.

Inwiefern ist in der mathematische Ausdruck "1 + 1 = 2" wahr?

Setzen wir voraus, dass es sich um das übliche dezimale Zahlensystem handelt.

In dem Beispiel wird gerechnet: es werden Zahlen addiert und diese Addition wird mit einer anderen Zahl gleichgesetzt, es wird also eine Summe gebildet.

Die Gleichsetzung sagt: Es ist erlaubt, die linke Seite der Gleichung immer durch die rechte Seite zu ersetzen und umgekehrt. Durch eine Ersetzung wird die zahlenmäßige Größe nicht verändert.

Interessant ist, wie diese Gleichsetzung bewiesen werden kann, aber darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen.

Jochen schreibt: "1+1=2 stimmt ja auch irgendwie in der nicht-mathematischen Wirklichkeit, wenn es z.B. um 2 Äpfel geht, die man sich teilen soll. Und wenn es bei der Teilung Ärger gibt, dann kann man am eigenen Leib erfahren, daß die Mathematik nicht nur eine Wissenschaft ist, die im luftleeren Raum über uns schwebt!"

Dies "irgendwie" ist für mich der andere interessante Aspekt. Offenbar sagt uns die Mathematik, wie viele Äpfel in einem Korb sind, wenn ich erst einen Apfel und dann noch einen Apfel hineintue, oder - um ein weniger elementares Beispiel zu nehmen - wie viele Äpfel in einem Sack sind, wenn ich zuerst einen Korb mit 87 Äpfel und dann noch einmal einen Korb mit 13 Äpfel hineinschütte. Ich muss die Äpfel nicht noch einmal zählen, weil ich rechnen kann: 87 + 13 = 100.

Sagt uns die Mathematik also doch etwas über die reale Welt?

Die mathematische Gleichung sagt erst dann etwas über die reale Welt, wenn man sie empirisch interpretiert, wozu man bestimmte faktische Annahmen machen muss (und die können allerdings falsch sein).

Zum einen müssen die Zahlen auf die Häufigkeiten zählbarer Phänomene bezogen sein. Um zählbar zu sein, muss es sich um identifizierbare Einheiten handeln, die zu dem genannten Bereich gehören.

Das ist wohl bei Äpfeln im Sack bzw. in Körben der Fall. Aber bei der Frage des Volksliedes: "Weißt du wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?" wäre es mit der Zählbarkeit und dem Bereich schwierig.

Zum andern muss es sich um gleichartige Phänomene, also um Exemplare der gleichen Gattung handeln. Wie es so schön heißt, kann man nicht Äpfel mit Birnen addieren.

Hier können Probleme auftauchen, etwa wenn man Äpfel einer bestimmten Sorte addieren will und sich ein Exemplar einer anderen, ähnlich aussehenden Apfelsorte darunter gemischt hat. Ob es sich bei einem Phänomen um ein Exemplar der betreffenden Gattung handelt, ist eine empirische Frage.

Soweit die Probleme und Fehlerquellen, die mit der empirischen Interpretation von Zahlen eines mathematischen Ausdrucks verbunden sind.

Aber auch die empirische Umsetzung der Zeichen für die Rechenoperationen, wie z. B. hier das Plus-Zeichen, wirft Probleme auf.

Kann man das Zusammenschütten von Äpfeln als Addition interpretieren? Bei Äpfeln scheint dies möglich.

Vorraussetzung für eine solche Interpretation ist z. B. dass sich durch das Zusammenschütten die Häufigkeit nicht verändert. Dies ist nicht immer der Fall, wenn man zu einer Menge eine andere hinzufügt, weil in größeren Mengen andere Faktoren wirksam sein können als in kleineren Mengen.

Aus Zeitgründen muss sich hier erstmal Schluss machen.

es grüßt euch Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 19. Mai 2005, 18:27 Uhr
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Hallo Eberhard!

Du hast selbstverständlich recht, wenn Du sagst, es hängt von der Interpretation der Zahlen ab, wenn wir sie in der Wirklichkeit um uns herum wiederfinden wollen. Allerdings ist Dein Satz "Zum andern muss es sich um gleichartige Phänomene, also um Exemplare der gleichen Gattung handeln. Wie es so schön heißt, kann man nicht Äpfel mit Birnen addieren." zu eng gefaßt. Die Gleichartigkeit der Phänomen hängt doch stark von der Höhe unserer Abstraktion ab. Also davon, wie sehr wir von der äußeren Erscheinung der Dinge absehen. So können wir doch bei der Addition von Mengen, also bei der Bildung von Vereinigungsmengen, beliebige Individuen zusammenfügen, wenn sie nur als Individuen erkennbar sind, d.h. unterscheidbar sind. Also z.B. Äpfel + Buchtitel + Familienangehörige + die Ideen, die mir gestern abend durch den Kopf gingen!

Deshalb hängt die Wahrheit eines Satzes wie 1+1=2 von mehreren Dingen ab. Z.B.:
1. Was wollen wir unter Addition verstehen?
Dazu gehören entscheidend auch die Regeln, die wir bei
der so definierten Addition beachten müssen. Oder
genauer noch: Diese Regeln definieren erst unsere Addition!
(Dies wäre also die Definition des Operators "+" und die
Bedeutung des "=". Soll es eine Identität ausdrücken oder
eine Handlungsanweisung?)
2. Auf welche Mengen bezieht sich unsere Addition?
Ist es z.B. die Menge der natürlichen Zahlen, oder die
Menge der reellen Zahlen, oder sind es etwa die
transfiniten Zahlen, oder etwas ganz anderes?
(Wir müssen also unbedingt wissen, was mit 1 oder 2
gemeint ist!)
3. Ist der zu prüfende Satz entsprechend dieser Regeln
syntaktisch korrekt gebildet?
Nun tun wir dies alles in der Regel automatisch, ohne uns darüber Rechenschaft abzugeben. Aber das ist eben nicht genau! Wenn jemand nach der Wahrheit von 1+1=2 fragt, dann sind wir gezwungen, uns jeden einzelnen Schritt genau zu überlegen und zu begründen. Das ist jedoch keine großartige neue Erkenntnis, sondern das haben die großen Mathematiker des 19.Jh. bereits für uns getan, als sie die Grundlagen der Mathematik schufen.

Mit freundlichem Gruß


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Curlse am 19. Mai 2005, 19:22 Uhr
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Hallo,
fangen wir doch ersteinmal ganz vorne an:
Was sind überhaupt Zahlen?
Das abstrakte an 1+1=2 ist doch, dass es keine Begriffe sind, die wir mit einem Gegenstand assoziieren können.
Was ist 1? Warum sieht 1 nicht so aus: ~
oder so: 2
Warum bezeichnet das Symbol: 1 einen einzigen Gegenstand und nicht 25?

Es ist eine Begrifflichkeit wie Stift oder Buch auch. Warum heißt das Buch Buch und nicht Stift?
Folglich stehen wir vor einer nicht endenden Straße oder gar einer Sackgasse.

Das faszinierende an Zahlen ist doch, dass man sie mit beliebig vielen Zeichen kombinieren kann und schon steh hinter dem Gleichheitszeichen etwas völlig anderes.

Als Schlussfolgerund ist doch einfach nur festzuhalten, dass 1+1 lediglich Begrifflichkeiten sind,die beim auseinandernehmen mit gegenständen assoziierbar sind.
1 Apfelkuchen und noch 1 Apfelkuchen gibt das doppelt.
Wobei "Doppelt" auch nur ein erfundener Begriff ist.

Zahlen verlieren an Abstraktivität sobald man sie -wie gewohnt- mit Gegenständen verbindet und zu etwas bereits bekanntem wird.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier ;-)
Curlse

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 19. Mai 2005, 21:12 Uhr
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Hallo Curlse!

Wenn Du sagst 'fangen wir doch ersteinmal ganz vorne an', dann hört sich das zunächst ganz vernünftig an. Aber dann kommt schnell die Frage: Wo ist denn ganz vorne?

Das nimmt ein Paradoxon des Zeno wieder auf, mit dem ich mich gerade beschäftigt habe. Es ist das Dichotomie-Paradoxon: Wenn ein Läufer eine bestimmte Strecke laufen will, dann muß er zunächst die erste Hälfte dieser Strecke laufen. Aber er kann diese Hälfte nicht laufen, weil er vorher davon die Hälfte laufen muß, also zunächst die ersten 1/4 der Strecke. Diese kann er aber auch nicht laufen, weil er zunächst deren Hälfte laufen muß, also zunächst die ersten 1/8 der Gesamtstrecke. Usw.usw. Mit anderen Worten, er kann überhaupt nicht anfangen zu laufen.

Genau vor diesem Problem stehen wir, wenn wir beschließen, ganz vorne anzufangen. Aber das hast Du bereits auch erkannt. So interpretiere ich jedenfalls das Beispiel mit der Straße. Wenn wir also eine Diskussion beginnen, können wir nicht alles in Frage stellen und bei Null anfangen. Sonst kommen wir wie Wittgenstein zu soetwas wie dem 'Tractatus'. Wir müssen uns also mit den unscharfen Begriffen der täglichen Sprache zufriedengeben und nur von Fall zu Fall genauere Definitionen vornehmen, wenn die Abweichungen in den Auffassungen der Diskussionsteilnehmer zu weit auseinandergehen. Man kann dann nur hoffen, daß das auch bemerkt wird!

Hat sich jetzt etwas von 1+1=2 entfernt!

Mit freundlichen Grüßen

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 20. Mai 2005, 06:50 Uhr
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Hallo Jochen,

die Ausgangsfrage dieser Runde war: Inwiefern ist 1 + 1 = 2 wahr?

Die erste Antwort war: Es handelt sich um eine mathematische Wahrheit.

Man kann nun zwei verschiedenen Fragen daran anschließen.

Die eine Frage ist: Was unterscheidet eine mathematische Wahrheit von einer empirischen Wahrheit?

Die andere Frage lautet: Ist 1 + 1 = 2 überhaupt mathematisch wahr?

Dies ist wohl die Frage, der du nachgehst.

Um diese Frage zu beantworten, muss man wissen, was der Ausdruck bedeutet. Das setzt wiederum voraus, dass man weiß, was die verschiedenen Zeichen, aus denen der Ausdruck besteht, bedeuten.

Die Zeichen " 1" und " 2" sind Zahlensymbole. Sie werden mit arabischen Ziffern gebildet. Sie stehen für die Zahlen eins und zwei des dezimalen Zahlensystems, wobei ich vorschlage, dass wir uns der Einfachheit halber auf reelle Zahlen beschränken.

Was bedeuten nun die reellen Zahlen 1 und 2?

Du schreibst, dass die Mathematiker des 19. Jahrhunderts diese Frage bereits beantwortet haben. Ich fände es gut, wenn du ihre Aussagen hier einbringen könntest.

Meine Antwort ist: Zahlen sind Bezeichnungen von Häufigkeiten. Sie geben Antwort auf die Frage, wie viele Einheiten einer bestimmten Art in einem bestimmten Bereich enthalten sind. Sie drücken die Häufigkeit von Elementen in einer Menge aus.

Wie man die einzelnen Zahlen definiert und jeweils bestimmten Häufigkeiten zuordnet, will ich hier nicht weiter verfolgen. Ebenso die Bedeutung des Zeichens +, das die mathematische Operationen der Addition bzw. Summenbildung bezeichnet.

Interessant finde ich, dass das Zeichen = insofern doppeldeutig ist, als es sowohl eine vorhandene Identität zweier Ausdrücke bedeuten kann als auch Zeichen für eine Gleichsetzung sein kann, etwa in dem Sinne, dass die Zahl 2 durch den Ausdruck 1 + 1 definiert wird.

Es grüßt dich Eberhard.

p.s.: Ich habe demnächst wieder mehr Zeit.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Curlse am 21. Mai 2005, 12:18 Uhr
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Hallo Jochen,
ich muss dir rein praktisch (oder rein theoretisch? [spin] ) Recht geben.
Der Läufer beginnt wohl nie, wenn wir ihn mathematische auseinander nehmen.
Physikalisch beginnt er jedoch mit der Bewegung des Fußes.
Also beginnt er ja doch.
Alleine durch die Tatsache der Kausalität, nämlich dass er irgendwann angekommen ist,heißt es, er hat angefangen.
Wo und wann können wir wissen, vielleicht auch nicht..

Du hast eine sehr interessante Diskussion angefochten, obwohl ich damit lediglich ausdrücken wollte, dass man sich die Einzelteile eines Problems zuerst ersichtlich machen sollte, bevor man über die ganze Problematik urteilt.
Jedoch ein sehr interessantes Thema, das eine eigenen Diskussion würdig wäre.. ;-)

Curlse

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 21. Mai 2005, 20:25 Uhr
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Hallo Curlse,

Du stellte verschiedenen Fragen. Ich gehe sie mal der Reihe nach durch.

Was ist eine Zahl?

Ich schlage vor, dass wir uns auf die natürlichen Zahlen, also die ganzen positiven Zahlen beschränken, da es uns nicht auf die mathematischen Ergebnisse als solche ankommt, sondern um deren Sinn. Deshalb habe ich auch das Beispiel 1 + 1 = 2 gewählt.

Meine Antwort lautet (etwas unprofesssionell):
Eine Zahl ist eine Bezeichnung für die Größe einer Menge. Eine Menge ist die Zusammenfassung von Objekten, die in irgendeiner Hinsicht gleich sind, bezogen auf einen bestimmten Bereich. Eine Menge ist umso größer, je mehr derartige Objekte (Elemente) sie enthält. Zahlen geben Antwort auf die Frage "Wie viele?"

Der Satz: "In dem Korb sind 4 Äpfel" sagt also etwas über die Größe der Menge aus, die aus der Zusammenfassung aller Äpfel (die Objekte, die in irgendeiner Hinsicht gleich sind) in dem Korb (der Bereich, auf den Bezug genommen wird) besteht.

Ob sich in dem Korb noch andere Objekte, z. B. Birnen befinden, ist dabei gleichgültig Ob sich außerhalb des Korbes noch Äpfel befinden, ist ebenfalls gleichgültig. In welcher Hinsicht die Objekte gleich sind, ist schließlich auch gleichgültig.

Halten wir fest: Um die Objekte zählen zu können, müssen diese (als Einheiten) unterscheidbar und (als Äpfel) identifizierbar sein.

Soweit meine Erläuterung der Bedeutung von Zahlen.

Du fragst weiter: "Was ist 1?"

Wenn man vom dezimalen Zahlensystem ausgeht - mit der üblichen Schreibweise und arabischen Ziffern – so bedeutet die "1" in dem Satz: "Ich habe 1 Kopf aber 2 Arme", dass die Menge der Köpfe gleich der Einheit (Kopf) ist, in der gezählt wird.

Deine weiteren Fragen sind weniger knifflig. Hier handelt es sich um sprachliche Konventionen in Bezug auf Bedeutungen, Schreibweise und Konstruktionsregeln.

Deren Entstehung lässt sich praktisch und historisch erklären und wirft keine Probleme auf, solange die verschiedenen Zahlensysteme ineinander übersetzbar sind.

Übrigens ist das Zählen von Elementen einer Menge und die Verwendung von Zahlwörtern noch keine Mathematik, sondern Erfassung und Beschreibung der Wirklichkeit.

Interessant wird es bei den Berechnungen, den mathematischen Operationen, die mit den Zahlen vorgenommen werden, und den Regeln hierfür.

In der (reinen) Mathematik kommen keine Äpfel vor. Höchstens in den "eingekleideten Aufgaben", die von manchen Schülern gefürchtet werden.

Allerdings setzt auch die Mathematik Einheiten voraus, die bestimmten Anforderungen genügen müssen.

Meiner Ansicht nach müsste es vollständig heißen:
"1 Element + 1 Element = 2 Elemente".

Der Bezug der Zahlen zu den (abstrakten) Elementen wird nur im der Kürze willen weggelassen.

Dadurch bekommen die Zahlen jedoch etwas Mysteriöses und das Verständnis der Mathematik wird dem Anfänger erschwert,

meint Eberhard (Nicht-Mathematiker).


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 22. Mai 2005, 23:19 Uhr
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Hallo Eberhard!

Ich finde es gut, daß Du Dich beim Problem der Wahrheit zunächst auf die mathematische Wahrheit beschränkst, und dabei auch noch auf die natürlichen Zahlen. Das macht die Diskussion einfacher, weil es die Unmenge von verschiedene und widersprüchlichen Wahrheitsdefinitionen erst einmal aus der Diskussion heraushält. Das macht Deinen letzten Beitrag auch sehr übersichtlich und überzeugend. (Den Fehler mit den reellen Zahlen in Deinem vorletzten Beitrag hast Du glücklicherweise berichtigt, da Du jetzt nur noch von natürlichen Zahlen sprichst.) Bei den Grundlagen der Mathematik hatte ich an Peano gedacht, der als erster das System der natürlichen Zahlen auf eine axiomatische Grundlage gestellt hat:

P1: 1 ist eine natürliche Zahl.
P2: Zu jeder Zahl n gibt es eine Zahl n', die ebenfalls eine
natürliche Zahl ist.
P3: Wenn n'=m', dann ist n=m
P4: Wenn es eine Menge M natürlicher Zahlen gibt mit
folgenden Eigenschaften:
S1: 1 ist ein Element von M
S2: Wenn n ein Element von M ist, dann ist auch n' ein
Element von M
dann ist M=N

Diese Axiome sind bis auf P4 sehr einfach. P4 ist der Satz von der vollständigen Induktion; er ist zunächst etwas kmplizierter. Zudem muß man anmerken, daß er von den Intuitionisten (oder Konstruktivisten) abgelehnt wird, weil er auf dem Satz vom Ausgeschlossenen Dritten beruht.
Ich habe dies hier aufgeschrieben, weil Du mich dazu aufgefordert hast. Ich bin froh, daß es sich nicht um die reellen Zahlenn handelt, weil dann z.B. eine Beschreibung der Dedekindschen Schnitte notwendig gewesen wäre.

Ich würde jetzt den Begriff der mathematischen Wahrheit in Bezug auf '1+1=2' so zusammenfassen: Überall, wo man den Term '1+1' sieht, kann man ihn ohne weiteres durch '2' ersetzen. Dies ist, wie man sieht, sehr eng gefaßt, hat aber den Vorteil, daß man damit erst einmal einen festen Grund unter den Füßen hat, von dem aus man dann weitergehen kann.
(Ich bin übrigens auch kein Mathematiker, eher ein Dilettant im ursprünglichen Sinn.)

@Cursle:

Bei unserem Thema über die Wahrheit von 1+1=2 ist dies eher eine Abweichung: Aber Zeno meinte wohl, daß der Läufer - logisch gesehen - nicht loslaufen konnte. Natürlich konnte er sehen, daß der Läufer tatsächlich jedoch loslief. Nun gibt es 2 Möglichkeiten:
1. Zeno hat zeigen wollen, daß es durch die Annahme eines Kontinuums (ewige Teilbarkeit) zu einem Widerspruch kommt, daß Kontinuum also unmöglich ist, oder
2. er hat zeigen wollen, daß Bewegung tatsächlich unmöglich ist. Im Widerspruch zwischen Logik und sinnlicher Erscheinung hat er sich für die Logik entschieden, da die Sinne sich bekanntlich täuschen lassen.

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 23. Mai 2005, 22:26 Uhr
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Hallo Jochen,

vorweg: an meiner schwankenden Begrifflichkeit bezüglich dessen, was eine Zahl ausdrückt (eine Häufigkeit, die Größe einer Menge, die Anzahl der Elemente einer Menge?) zeigt sich, dass hier noch Klärungsbedarf besteht. Ich hoffe, dass ich durch die Diskussion vorankomme.

Ich muss gestehen, dass die Peanoschen Axiome mir ohne Erläuterung nicht viel weiterhelfen. Was leisten diese Axiome? Definieren sie die Menge aller natürlichen Zahlen?

Der Ausdruck "1 + 1 = 2", den wir exemplarisch analysieren, besteht aus den natürlichen Zahlen "1" und "2", dem Zeichen für die Addition "+" und dem Zeichen für Gleichheit "=".
Er wird gesprochen als "Eins und Eins macht Zwei" oder "Eins plus Eins gleich Zwei".

Diese Gleichung ist Deiner Ansicht nach insofern mathematisch wahr, als man bei allen Rechnungen den Ausdruck "1 + 1" durch die Zahl "2" ersetzen darf. Es handelt sich dann um eine gültige Rechenregel, die eine kürzere Schreibweise ermöglicht.

In der Anwendung auf reale Einheiten leistet eine derartige Gleichung jedoch mehr. Nehmen wir die Gleichung "57 + 43 = 100" und die Frage ob ein Gefäß C, das ein Volumen von 100 Litern hat, ausreicht, um die 57 Liter Wein des Gefäßes A und die 43 Liter Wein des Gefäßes B restlos aufzunehmen. Nach Adam Riese muss man die Frage bejahen.

Dank der Rechenkunst muss man den Wein aus A und den Wein aus B nicht erst zusammengießen und die Menge messen, sondern man kann aus den bekannten Teilmengen berechnen, wie groß die Gesamtmenge sein wird.

Dies ist offenbar die Leistung der Mathematik: Sie stellt (z.B. mit den Additionsverfahren) in Bezug auf eine (nicht genannte) Einheit (ich nenne sie mal E), Methoden für die Berechnung des Ergebnisses bereit, wenn man irgendwelche Mengen von E zusammenzählen will (wobei allerdings stillschweigend bestimmte Voraussetzungen in Bezug auf E und in Bezug auf die Operation des Addierens gemacht werden).

Wenn ich nun irgendwelche Mengen bestimmter Art habe (z.B. 57 Liter Wein und 43 Liter Wein), die ich zusammengieße, so kann ich die Methoden und Resultate der Mathematik (57 + 43 = 100) auf meinen Fall übertragen, vorausgesetzt allerdings, dass die Einheit "Liter Wein" und die Operation "Zusammengießen" diejenigen Voraussetzungen erfüllen, die für E und für das Addieren (stillschweigend) gelten.

Zu diesen Voraussetzungen gehört z.B., dass das Hinzufügen der einen Menge zur andern keinen Einfluss auf die Größen hat. Wenn z.B. Flüssigkeiten zusammengegossen werden, die extrem schnell verdunsten, so kann beim Zusammengießen u.U. 1 Liter verloren gehen. Das mathematische Modell "Zusammenzählen von Mengen der Einheit E" entspricht insofern nicht dem Zusammengießen extrem flüchtiger Flüssigkeiten.

Das Hinzufügen von 5 Volumeneinheiten Kochsalz zu 100 Volumeneinheiten Wasser ergibt auch nicht 105 Volumeneinheiten Salz/Wasser-Mischung.

Wenn Frau M bereit ist, für einen gebrauchten VW-Polo 5.000 ? zu zahlen oder für einen gebrauchten Opel Corsa 4.000 ?, so muss sie nicht bereit sein, für beide zusammen 9.000 ? zu zahlen.

Dies ist jedoch kein Fehler der mathematischen Additionsregeln, denn die Transformationsregeln beziehen sich nur auf die unsichtbare Einheit E. Ob sich irgendwelche anderen Einheiten bei einer Zusammenfassung additiv verhalten, ist jedoch nicht Gegenstand der Wissenschaft vom Rechnen mit natürlichen Zahlen, sondern ist Gegenstand der empirischen Wissenschaften des jeweiligen Bereichs der Wirklichkeit.

Es grüßt Dich und alle, denen es um Klärung des Denkens geht, Eberhard.
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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 26. Mai 2005, 21:04 Uhr
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Hallo allerseits,

noch mal zu der These, dass "1 + 1 = 2" eigentlich heißen müsste: "1 E + 1 E = 2 E" und dass man hier genau genommen nicht zwei Zahlen addiert sondern zwei Einheiten.

Eine Konsequenz daraus wäre, dass man das Rechnen nicht anhand der Zahlen erlernen sollte, sondern anhand der mit den Zahlen bezeichneten Mengen von Elementen.
Also nicht "1 + 1 = 2" sondern " / + / = //".

Zählen ist ein Verfahren zur Bestimmung der Anzahl von Elementen in einer bestimmten Menge. Wenn ein Kind sagt: "Ich kann bis 100 zählen", dann meint es gewöhnlich, dass es die (natürlichen) Zahlen bis 100 kennt und sie vollständig und in der richtigen Reihenfolge aufsagen kann. Dies kann man ohne irgendwelche zu zählende Elemente. Zählen tut man jedoch immer irgendetwas.

Wenn gezählt wird, gibt es immer irgendwelche symbolischen Elemente, die gezählt werden. Auch alle "Rechenmaschinen" oder Rechenhilfen arbeiten meines Wissens mit Elementen, die gezählt werden, seien es Perlen auf Stangen oder Ereignisse in Form der Betätigung elektrischer Schalter.

Addiert bzw. zusammengezählt werden genau genommen nicht Zahlen sondern die Elemente zweier Mengen. Man kann auch die Schritte zur jeweils nachfolgenden Zahl als zu zählende Elemente nehmen. Dann wird die Zahl der Schritte immer durch die zuletzt aufgerufene Zahl angegeben.

Das Verfahren der Addition kann man dann folgendermaßen beschreiben:

Gehe anschließend an die Zahl, die die Anzahl der Elemente der einen M so oft einen Schritt weiter zur jeweils folgenden natürlichen Zahl, wie die Zahl der Elemente der zweiten Menge angibt.

Dann erhältst Du dieselbe Zahl, als wenn Du die beiden Mengen zusammen getan hättest und die Elemente der so entstandenen Menge beginnend mit 1 gezählt hättest.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 27. Mai 2005, 02:44 Uhr
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Hallo!

Eine interessante Diskussion. Aber sehe ich hier einen Definitionszirkel?

Eberhard schrieb:


Quote:Zählen ist ein Verfahren zur Bestimmung der Anzahl von Elementen in einer bestimmten Menge.



Zunächst einmal sollte man "Menge" durch "Klasse" ersetzen, weil "Menge" auch die Bedeutung von "Anzahl" haben kann. ("Hier steht eine große Menge Bücher bzw. eine große Anzahl von Büchern.")

Den Zirkel sehe ich in der Aussage: "Zählen" bestimmt die "Anzahl". Ist im Begriff der Anzahl nicht das Zählen schon vorausgesetzt?

Oder anders gefragt: Haben die Trauben, die in einer Obstschale liegen, per se schon eine - sozusagen natürliche - Anzahl, die jetzt nur noch durch "Nachzählen" festgestellt werden muss? Oder b e k o m m e n sie erst dadurch eine Anzahl, dass man an ihnen eine immer gleiche Zählhandlung durchführt, und zwar so lange, bis jede einzelne Traube "erfasst" ist?
Ja, mir scheint, dass es die (gleichbleibende) Handlung des Zählens ist, durch die "Anzahlen" gewonnen werden. Aber dann kann man "Zählen" nicht mithilfe des Begriffs der Anzahl definieren.

Außerdem frage ich mich, ob Dinge nicht überhaupt erst dadurch zu "Elementen" einer Menge/Klasse werden, dass man sie der Operation des Zählens unterzieht, d.h. sie dadurch "gleich macht", dass man an ihnen eine gleichbleibende Handlung durchführt. Bei den Trauben ist das nicht so offensichtlich. Aber wenn ich etwa an die Menge "die Dinge in diesem Zimmer" denke, die doch miteinander wenig zu tun haben und auch untereinander denkbar verschieden sind...? Werden die nicht erst durch Zählen zu einer Menge oder Klasse?

Urs

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 27. Mai 2005, 03:19 Uhr
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Hallo Urs!

Interessante Gedanken! Muß ich mir erst noch überlegen. Nur dem letzten, daß eine Menge erst durch Zählen dazu wird, kann ich nicht zustimmen!

Eine Menge kann natürlich durch Zählen zu einer Menge werden. Das ist ist die eine Möglichkeit. Eine andere (oder die andere? Gibt es noch mehr Möglichkeiten?) ist doch, daß wir eine Menge durch eine Definition beschreiben. Z.B. wenn unsere Menge die Menge aller Sandkörner am Strand von Sylt ist, dann ist diese Menge klar definiert, kann aber praktisch nicht gezählt werden werden, obwohl dies sogar eine endliche Menge ist. Schwierig wird es auch bei der Menge der natürlichen Zahlen, weil wir da beim Zählen an kein Ende kommen. Und ganz und gar unmöglich wird es dann bei der Menge der reellen Zahlen, also der Menge der rationalen und irrationalen einschließlich der transzendenten Zahlen; denn diese Menge kann nicht gezählt werden, da sie überabzählbar ist.
Schluß: Mengen können a) durch Aufzählen ihrer Elemente und b) durch eine gemeinsame Eigenschaft definiert werden.

MfG

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 27. Mai 2005, 03:30 Uhr
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Und noch etwas: Zahlen sind nicht allein eine Erfindung des Menschen! Auch Tiere haben ein Zahlenverständnis. Je nach Höhe dieses Verständnisses geht es von 5 - 12. Das heißt, Tiere können eine bestimmte Menge von Dingen erfassen, ohne sie zu zählen. Sie können in diesem Rahmen verschieden große Mengen unterscheiden, oder merken, wenn Elemente dieser Mengen fehlen. Das kann die 'Anzahl' der Jungen bei Säugetieren sein oder etwas anderes.
Man darf bei Überlegungen, wie wir sie hier anstellen, nicht vergessen, daß Eigenschaften wie das Zahlenverständnis nicht einfach vom Himmel gefallen sind, sondern sich entwickelt haben. Von dem großen Mathematiker Kronecker, einem Gegner von Cantor (Begründer der Mengenlehre), gibt es das Zitat: Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.

MfG

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 27. Mai 2005, 20:39 Uhr
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Hallo Urs, hallo Jochen,

an meiner instabilen Begrifflichkeit zeigt sich, dass ich noch nicht genügend Klarheit über die Bedeutung von Zahlen gewonnen habe.

Also noch einmal ganz von vorn.

Wir nehmen Gebilde wahr wie z.B. das, was zwischen den folgenden Klammern steht: (v r § v § § v r).

Zur Unterscheidung von anderen Gebilden nenne ich dies Gebilde "AS".

AS besteht aus unterscheidbaren Teilen.

Man kann diese Teile nun nach bestimmten Gesichtspunkten sortieren.

z.B. alle Teile zusammenfassen, die ….

… wie v aussehen:……………………….. (v v v)

… wie § aussehen:....................... (§ § §)

… wie r aussehen: ……………………….. (r r)

… Buchstaben sind: ……………………… (v r v v r).

Ich nenne diese neuen Gebilde AS-v, AS-§, AS-r und AS-Bst.

Frage: Was haben nun AS-v und AS-§ gemeinsam und was unterscheidet beide gleichzeitig von AS-r?

Offensichtlich die ANZAHL der Teile, aus denen die Gebilde bestehen.

AS-v und AS-§ bestehen aus gleichviel Teilen.

AS-v besteht aus mehr Teilen als AS-r. Ebenso AS-§.

Anstatt von "Gebilden" und "Teilen" zu sprechen, kann ich auch die Begriffe der üblichen Mengenlehre verwenden. AS-v ist dann die Menge derjenigen Elemente as-v, für die gilt: as-v ist ein Teil des Gebildes AS und sieht aus wie: "v".

und AS-§ ist dann die Menge derjenigen Elemente as-§, für die gilt: as-§ ist Teil des Gebildes AS und sieht aus wie: "§".

AS-Bst schließlich ist die Menge derjenige Elemente as-bst, für die gilt: as-bst ist Teil des Gebildes AS und ist ein Buchstabe

Wenn man von der Beschaffenheit der Elemente der Mengen AS-v und AS-r einmal völlig absieht, dann unterscheiden sich (vvv) und (rr) weiterhin.

Umgangssprachlich kann man dies auf sehr verschiedene Weise ausdrücken. Man kann z.B. sagen:

"Es gibt in AS-v mehr Elemente als in AS-r."

"Es kommen in AS-v mehr Elemente vor als in AS-r."

"In AS-v kommt häufiger Elemente vor, die so aussehen wie "v’, als in AS-r Elemente vorkommen, die so aussehen wie "r’."

"Die Anzahl der Elemente, die so aussehen wie "v’ ist in AS-v größer als die Anzahl der Elemente in AS-r, die so aussehen wie "r’."

"AS-v hat mehr Elemente als AS-r."

"Die Menge AS-v ist größer als die Menge AS-r."

In Begriffen der Mengenlehre spricht man davon, dass sich AS-v von AS-r hinsichtlich der ANZAHL der Elemente unterscheidet, die Anzahl ist größer.

Die jeweils unterschiedliche Anzahl der Elemente kann man nun sprachlich festhalten, indem man jede mögliche Anzahl mit einem speziellen Namen benennt.

Z.B. könnte man die Anzahl der Elemente in AS-v mit "kusch" bezeichnen und die Anzahl der Elemente in AS-r mit "kasch".

Ist die Bezeichnung einer bestimmten Anzahl wie z.B. "kusch" bereits eine "ZAHL"? Soll man hier schon von "Zahlen" sprechen?

Eine derartige völlig unsystematische Namensgebung für die jeweilige Anzahl der Elemente hat auf jeden Fall große Nachteile, wenn die Anzahl immer mehr Elemente beinhaltet.

So stellt sich z.B. die Frage, wie man feststellen will, ob die Anzahl der Elemente ( /////////////////) und die Anzahl der Elemente (///////////////////) in beiden Fällen "krosch" ist?

Auf etwas unwirtliches philosophisches Gelände hat sich begeben

Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von wosi am 28. Mai 2005, 10:54 Uhr
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Hallo !

Zu Jochen 43 (Antw.19) :

P1: 1 ist eine natürliche Zahl.
P2: Zu jeder Zahl n gibt es eine Zahl n', die ebenfalls eine natürliche Zahl ist.
P3: Wenn n'=m', dann ist n=m
P4: Wenn es eine Menge M natürlicher Zahlen gibt mit folgenden Eigenschaften:
S1: 1 ist ein Element von M
S2: Wenn n ein Element von M ist, dann ist auch n' ein Element von M dann ist M=N

Das funktioniert mit P1-P4 leider nicht,denn es muß sichergestellt sein,daß 1 nicht Nachfolger sein kann,denn sonst wäre P3 verletzt (Setze nŽ=1).

Zur Klärung (Vereinfachung und Entwirrung) des Denkens :

Es gibt mindestens einen Gegenstand menschlicher Wahrnehmung,an den das freie Ende eines Fadens geheftet werden kann (Bsp.:Im Wald stehend wende man sich einem Baume zu.Offensichtlich gibt es im Wald nicht nur einen Baum.Der Baum sei ein Gegenstand menschlicher Wahrnehmung,ebenso die Bäume und der Wald).

Man verbinde einen Gegenstand menschlicher Wahrnehmung mit einen Faden,hefte das freie Ende des Fadens auf ein Blatt Papier und versehe die Heftstelle mit einen senkrechten Strich .
Man verbinde einen weiteren Gegenstand menschlicher Wahrnehmung mit einen Faden,hefte das freie Ende des Fadens auf ein Blatt Papier und versehe die Heftstelle,die nicht mit der vorigen Heftstelle zusammenfallen darf, mit den Strichen der vorherigen Heftstelle und füge einen weiteren senkrechten Strich hinzu.

Das läßt sich beliebig fortführen,solange auf dem Papier noch Platz zur Markierung vorhanden ist.

Offensichtlich ist die Heftstelle,die mit einen und nur einen senkrechten Strich versehen ist,nach der bisherigen Vorgehensweise zu Beginn des Vorgehens angefertigt.Diese Heftstelle ist also dadurch ausgezeichnet,daß ihr kein Vorgänger zukommt.Ebenso offensichtlich sind die Strichbilder der Heftstellen durchaus verschieden.

Die vorhandenen Fäden lassen ersehen,daß es eine Verbindung zu den Gegenständen menschlicher Wahrnehmung gibt.Entläßt man den Gegenstand menschlicher Wahrnehmung nunmehr in die Gefilde irgendeines Wahrheitsjägers oder sonstwohin,entfernt den Faden und schreibt neben der entsprechenden Heftstelle auf dem Papier schlicht und den Schreibstift ergreifend :"Es existiert genau ein Ding mit der Eigenschaft (ist mit dem einen Ende eines Fadens verbunden und das nachstehende Zeichen symbolisiert die Heftstelle des anderen Ende des Fadens,wobei vorausgesetzt sei,es gebe einen Faden mit genau zwei Enden) : "linksseitig des Strichbildes,dann erhält man zusammen mit dem Strichbild eine umkehrbar eindeutige Zuordnung.
Die Ordnung besteht gerade darin,was im Strichbild einen Strich mehr enthält,ist nachfolgende Heftstelle,kurz Nachfolger genannt,was einen Strich weniger enthält,ist entsprechend kurz Vorgänger zu nennen.
Nicht der entlassene Gegenstand selbst besitzt diese Eigenschaft,sondern dessen Verwendung während der Zuordnung.

Diese Vorgehensweise läßt sich auch ein wenig anders gestalten,indem man jede Heftstelle mit lediglich einen Strich versieht,den man dann,um Verwechslung auszuschließen,ein wenig andes gestaltet,z.Bsp.in schräger Darstellung.

Offensichtlich gibt es mindestens zwei Möglichkeiten,die Gegenstände menschlicher Wahrnehmung zu Papier zu bringen,wobei sich die Darstellungen deutlich unterscheiden.Wegen der Vorgehensweise gelangt man recht zwanglos zu einer Vorstellung von Ordnung,ohne den Vorgang des Zählens oder den Begriff der Zahl überhaupt zu erwähnen,nur von mehr oder weniger ist (ohne Klärung,was das ist)die Rede,ebenso keine Rede von Elementen,Mengen,Abbildungen (wegen der Fäden hier also eine bijektive Abb.),Kardinalzahlen,Ordinalzahlen usw.!!!
Abstrahiert man von den Fäden und deren Anhaftpunkte,spricht nur von Linie und Punkt,gelangt man ebenso zwanglos zu dem,was man grundlegend in der Geometrie erlernt und da wird es erst so richtig interessant,wenn man ein Ende des Fadens
befestigt und das freie Ende so um den Befesigungspunkt bewegt,daß der Faden stets gleichmäßig straff gespannt bleibt.
Darin besteht nun eine wesentliche Leistung der Mathematik,eine solche,eben beschriebene,Vorgehensweise klar,deutlich und widerspruchsfrei mit einer logischen Struktur zu versehen,oder eben solche Strukturen aufzudecken.

Es kann also nicht mit Anspruch auf allgem.Gültigkeit
[Eberhard (Themeneröffnung)] behauptet werden :

"Unbestritten ist wohl, dass es sich bei "1 + 1 = 2" nicht um eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit handelt."

Offensichtlich ist ein nicht unbeträchtlicher Teil der wahrnehmbaren Wirklichkeit gerade so beschaffen,daß darüber Aussagen der Art "1 + 1 = 2" gemacht werden können.Mathematik ist kein Glasperlenspiel sondern neben der Entwicklung von Sprache und Sozialverhalten die bedeutendste Kulturleistung des Menschen.Sie ist stets anwendbar,auch wenn es oft recht lange dauert,bis ein Anwendungsfall eintritt,wobei nicht auszuschließen ist,daß sich manche Anwendung wegen der Beschränktheit menschlicher Wahrnehmung gar nicht finden läßt.Dann aber verweist die Mathematik zumindest auf eine mögliche Grenze menschlichen Strebens.

Wie aber läßt sich derjenige Anteil der wahrnehmbaren Wirklichkeit charakterisieren,damit Eberhards Aussage ohne Bedenken gilt ?Das wäre zu klären.Wieder einmal geht es um die Begriffe.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 28. Mai 2005, 23:19 Uhr
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Hallo Wosi,

Ich hatte geschrieben: "Unbestritten ist wohl, dass es sich bei "1 + 1 = 2’ nicht um eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit handelt."

Du hältst dem entgegen: "Offensichtlich ist ein nicht unbeträchtlicher Teil der wahrnehmbaren Wirklichkeit gerade so beschaffen, daß darüber Aussagen der Art "1 + 1 = 2" gemacht werden können."

Beide Positionen widersprechen sich jedoch nicht. Natürlich gibt es Bereiche der Wirklichkeit, die sich durch das mathematische Modell der Addition interpretieren lassen. Wenn ich einen Apfel in einen leeren Korb tue und Freddy tut auch einen Apfel hinein, dann sind in dem Korb sicherlich zwei Äpfel.

Wenn ich jedoch eine Seifenblase in den Korb fliegen lasse und Freddy lässt auch eine Seifenblase in den Korb fliegen, dann müssen nicht unbedingt zwei Seifenblasen in dem Korb sein.

Um etwas über die Wirklichkeit aussagen zu können, muss die "1’ als "1 Apfel’ interpretiert werden und das Zeichen "+’ als "hinzutun". Ob diese Interpretation jedoch zulässig ist,, ist eine Frage, die nicht von der Mathematik beantwortet werden kann sondern nur von der empirischen Wissenschaft des Gegenstandsbereichs, z.B. der Botanik.

Das tut der Leistung der Mathematiker keinen Abbruch. Das Großartige an der Mathematik ist ja, dass sie anhand abstrakter Einheiten Modelle entwickelt und deren Umformungen "durchrechnet". Wenn ein Bereich der Wirklichkeit im Sinne eines mathematischen Modells interpretiert werden kann, dann können diese Ergebnisse fertig von der betreffenden empirischen Wissenschaft übernommen werden.

Eine geniale Erfindung meint Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 29. Mai 2005, 01:27 Uhr
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Hallo Eberhard!

Das große Geheimnis ist doch die Tatsache, daß die Mathematik so wunderbar zur Beschreibung der Wirklichkeit zu gebrauchen ist. Das wird durch unsere hier gebrauchte Gleichung '1+1=2' nicht in der ganzen Tiefe der Bedeutung klar. Wenn aber der Fall eines Apfels oder der Wurf eines Steines durch Differentialgleichungen darstellbar ist, und wenn ein Raumschiff, daß nach diesen mathematischen Gesetzen geflogen wird, genau an der berechneten Stelle auf dem Mond landet, dann erkennt man, daß diese Gleichungen sehr wohl Aussagen über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit machen. Daß diese Gleichungen von Physikern benutzt werden, tut dieser Tatsache keinen Abbruch.

Allerdings gibt es auch mathematische Gebilde, die in der Natur nicht vorkommen. So wird zum Beispiel die Existenz eines Kontinuums in der uns umgebenden Wirklichkeit eher bezweifelt. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Unendlichkeit. Die Aufgabe der Mathematik ist ja auch nicht die Beschreibung der Wirklichkeit. Sie entwickelt sich doch vielmehr nach ihren eigenen Regeln. Umso größer ist ja gerade diese merkwürdige Übereinstimmung zwischen der Mathematik und den Gesetzen, die in der uns umgebenden Wirklichkeit gelten.

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 29. Mai 2005, 13:59 Uhr
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Hallo!

Ich denke immer noch darüber nach, was wir eigentlich tun, wenn wir zählen. Hier einige vorläufige Bemerkungen:

Es wurde zumindest andeutungsweise schon gesagt, dass das bloße Aufsagen der Zahlwörter in der richtigen Reihenfolge noch kein Zählen ist. Diese Zahlwörter müssen etwas anderem zugeordnet werden, das da gezählt wird. Nach Eberhard sind dies die Elemente von Mengen.

Man muss beim Zählen keine Zahlwörter verwenden, man kann sich auch anderer Zeichen bedienen, z.B. Reihen von Strichen oder Keilen oder der arabischen oder indischen oder chinesischen Ziffern. Man kann aber auch einfach die Finger dazu nehmen. Aber ohne irgendeinen Zeichengebrauch, das sagte Eberhard auch schon, kann man nicht zählen. Von "zählen" kann wohl nur die Rede sein, wenn man Dingen oder Ereignissen bestimmte Zeichen zuordnet.

Aber was heißt "zuordnen"?


Das altgermanische Wort "zala", aus dem das Wort "Zahl" geworden ist, bedeutete soviel wie Merkzeichen, Kerbe. Das verweist auf die primitive Technik des Zählens, bei der man Reihen von Strichen Reihen von Dingen/Ereignissen zuordnet. Auch wir zählen heute noch gelegentlich mithilfe von Strichlisten (z.B. bei Verkehrszählungen; siehe auch den Bierdeckel). Die ersten Zahlensysteme waren dementsprechend additiv – so auch noch das römische: l, ll, lll, ... Dass die Fünf und die Zehn durch abweichende Zeichen (V, X, ) hervorgehoben wurden, hatte gewiss mit der Anzahl unserer Finger und Hände zu tun.

Der Ausdruck "die Anzahl unserer Finger" zeigt an, dass man das Zählverfahren auch auf die Zeichen anwenden kann, mithilfe derer man anderes zählt. Und genau das tun wir ja auch, wenn wir z.B. Strichlisten mit Fünferpaketen "auswerten": Wir zählen die Fünferpakete und schreiben dafür eine Zahl in arabischen Ziffern. Ist das bloß eine "Übersetzung" aus einem Symbolsystem in ein anderes?

Ich denke, dass mit der Reflexivität des Zählens von Zählzeichen überhaupt erst das Rechnen beginnt. Auch verfügt man erst über einen BEGRIFF einer Zahl, wenn dieser Begriff sich in verschiedenen Symbolismen "darstellen" lässt. Also z.B. wenn man definieren kann: ""V’ ist verwendungsgleich mit "lllll’ "fünf’ oder den Fingern an einer Hand."

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Ich stelle mir die Einführung des indischen/arabischen Zahlensystems vor, das insofern eine "höhere" Stufe darstellte, als es die additive Reihung mit einem System der Stellenwerte überformte. Bei dieser Einführung wird man Listen von Definitionen gebraucht haben, die etwa aussahen wie diese:

1 = /
2 = //
3 = ///
4 = ////
5 = /////
...
10 = ///// /////
11 = ///// ///// /


Interessant ist dabei, dass man den Strich / als Zeichen für die Zahl Eins übernommen hat. Warum hat man sich nicht ein anderes Zeichen ausgedacht (z.B. ^)? Schließlich kann es so leichter zur Verwechslung von 11 mit // kommen.

Ich vermute, dass man damit das Moment der additiven Reihung, das grundlegend für die Erzeugung aller Zahlen ist, würdigen wollte. Bei der Gruppierung von Strichen wird ja unmittelbar anschaulich, dass die jeweils nächste Zahl durch Hinzufügung eines weiteren Strichs "erzeugt" wird. Im Stellenwertsystem mit zehn verschiedenen Ziffern (0 – 9) lässt sich diese Erzeugung der Zahlen aus der Addition von 1 auch noch ausdrücken, allerdings benötigt man dazu das Additionszeichen:

2 = 1 + 1
3 = 1 + 1 + 1
4 = 1 +1 +1 +1
...

Wenn wir beim Hersagen der Zahlwörter "eins, zwei, drei, vier, fünf..." die Finger gebrauchen, veranschaulichen wir uns diesen elementaren Sachverhalt der additiven Erzeugung ebenfalls.

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Wegen Hitze und Hirnermüdung muss ich es im Moment dabei belassen.

Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 29. Mai 2005, 19:51 Uhr
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Hallo!

Im additiven System, das auf der Aneinanderreihung immer desselben Zeichens beruht (l, ll, lll, ...), entstehen verschiedene Zahlen nur, wenn man jeweils verschiedene Mengen von Strichen zusammenfasst (addiert).
Oder umgekehrt: Verschiedene Zahlen erhält man nur, wenn man die prinzipiell unendliche Reihe von Strichen (llllllllllllllll...), die beim primitiven Zählen entsteht, unterteilt.
Aber es ist ersichtlich, dass man mit einer solchen Unterteilung von Zählzeichen (mit denen man vorher vielleicht vorbeifliegende Vögel gezählt hat) die Ebene wechselt.

Naheliegend war offenbar die Teilung nach Fünferpaketen. Denn lllll sind "genauso viele" Striche wie Finger an einer Hand. Um diese Gleichheit festzustellen, braucht man einen "Standpunkt", der sowohl die Finger an der Hand wie die Striche im Sand (oder auf dem Papier) überblickt. D.h. man benötigt ein anderes Zeichen, mit dessen Hilfe man das "genauso viele" ausdrücken kann – nehmen wir z.B. das Wort "fünf". So lässt sich sagen: "Da sind fünf Striche im Sand und fünf Finger an einer Hand". Und so kann man nun auch sagen: "Es sind fünf Vögel vorbeigeflogen."

"Fünf" ist – relativ zu den Strichen und den Fingern an der Hand – ein "abstrakter" Begriff. Erst hier betritt man den "ideellen Raum" der Mathematik.

Das Zählen – also die Herstellung einer Reihe von Zählzeichen, die einer Reihe von Dingen oder Ereignissen entspricht – ist noch ein raumzeitlicher Vorgang. Aber die Rechnung: 1 + 1 + 1 + 1 + 1 = 5 bezieht sich auf keinerlei raumzeitliche Entitäten mehr. Die "Menge" namens 5, die aus den "Elementen" 1, 1, 1, 1, 1 besteht, ist keine Entität. Wohl ist die symbolische Darstellung dieser Rechnung etwas Räumliches und der Vorgang der Rechnens etwas Zeitliches. Aber "Darstellungen" von Zahlen sind nicht die "Zahlen selbst" – was man jederzeit daran erkennt, dass sich ein Zahlbegriff auf vielfältige Weise "darstellen" lässt.

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Ich hoffe, ich kann nun mein Unbehagen an der Formulierung "Durch Zählen stellt man die Anzahl von Elementen einer Menge fest." besser artikulieren. Denn diese Formulierung weckt die Vorstellung, als "sei" eine Reihe von konkreten Dingen oder Ereignissen (also raumzeitlichen Entitäten) bereits eine Menge mit einer bestimmten Anzahl. Damit wird der "abstrakte", "ideelle" Begriff der Menge bzw. des Elements in raumzeitliche Entitäten verlegt.

Ich habe (hoffentlich) gezeigt, dass der Begriff der Zahl (und damit auch der der Anzahl) das Resultat eines Reflexions- oder Abstraktionsverfahrens ist. Der Begriff der Anzahl bezieht sich sowohl auf die gezählten Entitäten wie die Zählzeichen und drückt deren Äquivalenz aus. Aber ersichtlich kann man eine solche Äquivalenz nicht vorfinden, man muss sie herstellen. Und genau das leistet das Zähen, also die Zuordnung von Entitäten und Zählzeichen.

Man kann das auch so sagen: Anzahlen oder Mengen muss man konstruieren, sie sind nicht "empirisch gegeben".

Urs

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 30. Mai 2005, 14:06 Uhr
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Hallo!

Es wurden schon einige Voraussetzungen genannt, unter denen "1 + 1 = 2" wahr sein kann. Vielleicht sollten wir uns aber noch klarer machen, dass es nur dann sinnvoll ist, den Wahrheitsbegriff auf diesen Satz (denn um einen solchen handelt es sich ja) anzuwenden, wenn er nicht als eine Definition fungiert.

Es ist ja vorstellbar, dass dieser Satz als eine Definition auftaucht, z.B. in einem Zusammenhang, in dem die Erzeugung der Reihe der natürlichen Zahlen durch die Addition von 1 gelehrt wird:

1 = 1
2 = 1 + 1
3 = 1 + 1 + 1
4 = 1 + 1 + 1 + 1

In einem anderen Zusammenhang könnte der Satz aber auch eine Erkenntnis (ein Urteil) ausdrücken bzw. einen Sachverhalt darstellen. (Und allein dieser Art von ("assertorischen") Sätzen, die einen Sachverhalt behaupten, schreiben wir das wahr-oder-falsch-sein-Können sinnvoller Weise zu.)

Das könnte z.B. der Fall sein, wenn der Satz das Ergebnis eines Schlusses wäre. Ein solcher Schluss könnte etwa so aussehen:
Wenn "/ = 1" und "/ + / = 2", dann gilt auch "1 + 1 = 2".

Das ist zwar keine große Erleuchtung, aber doch immerhin die Konstatierung eines Sachverhalts, der den beiden Prämissen nur mittelbar anzusehen ist. Gleichwohl ist dieser Sachverhalt in ihnen notwendig angelegt, also "impliziert".

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Mathematische "Erkenntnisse" sind wohl immer von der Struktur der "Implikation". D.h. sie buchstabieren nur ("nur") etwas aus, das aus den grundlegenden Axiomen und Operationen zwingend folgt, ohne dass man es diesen Grundsätzen unmittelbar "ansehen" konnte.

Das wirft ein Licht auf den Begriff der "Erkenntnis" oder des "Urteils": Denn hier wird sichtbar, dass man den Begriff der "Erkenntnis" sinnvoller Weise nur endlichen Subjekten in Raum und Zeit zusprechen kann. Ein allwissender Dämon würde nämlich den Axiomen und Prämissen eines Systems alle darin liegenden Konsequenzen SOFORT, also "unmittelbar" ansehen. Er wäre nicht darauf angewiesen, die vielen weitverzweigten Folgerungen mühsam "auszubuchstabieren" und sie durch Rückführung auf die Grundsätze zu "beweisen". Er hätte aber auch niemals ein Aha!-Erlebnis, also eine Erkenntnis. Und er könnte sich bei seinem instantanen "Sehen" aller "Folgerungen" auch niemals irren, d.h. für ihn wäre der Begriff der Wahrheit sinnlos (denn nur wo eine Erkenntnis unwahr sein kann, kann sie auch wahr sein). Ja, für einen solchen Dämon gäbe es gar keine "Folgerungen" oder "Konsequenzen". Denn um zwingende Konsequenzen "auszubuchstabieren", braucht es, neben der Begrenztheit der Einsicht, auch Zeit. Ein axiomatisches System aber "ist" nicht in der Zeit; seine Implikationen sind alle unmittelbar "gegeben".

Allerdings sind die axiomatischen Systeme, die wir kennen, bisher alle noch menschlichen Ursprungs, d.h. endliche, raumzeitliche Wesen haben sie entworfen. Und für diese endlichen Wesen ist es konstitutiv, dass sie die Folgerungen ihrer Entwürfe niemals instantan überblicken. Sie brauchen Zeit und Mühe, die Implikationen herauszufinden, und weil sie sich dabei jederzeit irren können, bleiben sie auf Beweise angewiesen und machen sie sinnvoll Gebrauch vom Unterschied zwischen "wahr" und "unwahr".

Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 30. Mai 2005, 18:23 Uhr
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Hallo Jochen, Urs und Wosi,

Noch ein Klärungsversuch.
Es geht darum, was eine Zahl, z.B. die Zahl 2, bedeutet.

Dabei geht es mir nicht um die verschiedenen Ziffern- oder Zahlensysteme, mit denen sich diese Zahl symbolisieren lässt. Ob arabisch als "2" oder römisch als "II", ob deutsch als "zwei" oder englisch als "two" geschrieben, spielt hier keine Rolle, denn alle Ausdrücke bedeuten dieselbe Zahl.

Mengen als Zusammenfassungen von Elementen wie z.B. (R R) und (h R &) unterscheiden sich zum einen hinsichtlich der inhaltlichen Beschaffenheit ihrer Elemente. Hier sind es bei der einen Menge die R, bei der anderen sind es die Zeichen der Tastatur.

Zum andern unterscheiden sie sich hinsichtlich der Anzahl ihrer Elemente. (In traditioneller Terminologie würde man sagen: Mengen unterscheiden sich qualitativ und quantitativ. Für die Mathematik ist nur der quantitative Aspekt wichtig.)

Da es im Folgenden auf die inhaltliche Beschaffenheit der Elemente nicht ankommt sondern auf deren Anzahl, werde ich als Elemente einer Menge, auf die allerdings immer die gleiche Beschreibung zutreffen muss, nur noch den Buchstaben E verwenden.

Wenn man Mengen mit einer großen Anzahl von Elementen unterscheiden will (und nicht nur sagen will "einige, mehrere oder viele Elemente"), benötigt man für jede mögliche Anzahl eine eigene Bezeichnung.

Wie kann man jede mögliche Anzahl von Elementen eindeutig benennen?

Man könnte einfach Mengen mit unterschiedlich vielen Elementen bilden, zum Beispiel die Mengen (E E E) (E) (E E E E E) (E E E ) und ihnen jeweils Bezeichnungen geben.

Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass bestimmte Möglichkeiten (z.B. EE) ausgelassen werden (Unvollständigkeit) oder dass bestimmte Möglichkeiten (z.B. EEE) mehrfach benannt werden (überflüssige Synonymbildung).

Man kann dies vermeiden, indem man systematisch vorgeht und ausgehend von der Menge (E) alle übrigen Möglichkeiten schrittweise durch Hinzufügen von jeweils einem zusätzlichen Element E erzeugt. Dann hat man jede Möglichkeit erfasst, und dies nur einmal.

Auf diese Weise kann man Mengen mit beliebig vielen Elementen bilden.

Dadurch entsteht zugleich eine nach der Anzahl der Elemente geordnete Folge dieser Mengen:

(E) (EE) (EEE) (EEEE) (EEEEE)… usw. usf.

Wenn ich nun jeder dieser Mengen ein Wort zuordne, z.B.:

(E) --- "ein", (EE) --- "zwei", (EEE) --- "drei", (EEEE) --- "vier", (EEEEE) --- "fünf",

was habe ich damit gemacht? Was bedeutet hier "zwei"?

Bezeichnet "zwei" die Menge (EE)?
Wohl nicht, denn das Wort "zwei" bezieht sich ja auch auf die Menge (RR).

Ist das Wort "zwei" der Name für diese bestimmte Anzahl von E, die drei Zeilen vorher durch waagerechte Striche mit dem Wort "zwei" verbunden ist?
Nein: "zwei" ist kein Name einer bestimmten Menge, denn das Wort "zwei" wird ja auf alle Mengen mit dieser Anzahl von Elementen angewendet, wie z.B. diese Mengen: (RR), (EE) oder (n %).

Das Wort "zwei" bezieht sich stattdessen auf die Elemente und gibt deren Anzahl wieder, wobei es keine Rolle spielt, welcher Art diese Elemente sind.

Also: Zahlen benennen die Anzahl von Elementen, die durch eine auf alle Elemente zutreffende Beschreibung zu einer Menge zusammengefasst sind.

Zahlen sind insofern formal, als sie für beliebige Elemente gelten, ob es nun Knallerbsen oder Wasserstoffbomben sind, ob es nun wirkliche Wesen oder Fantasiegestalten sind.

Da die Inhalte gleichgültig sind und nur "Größen" interessieren, wird in der mathematischen Schreibweise meist auf jeden Bezug zu Elementen verzichtet, obwohl die Zahl 2 immer eine bestimmte Anzahl bedeutet und eine Anzahl sich immer auf irgendwelche Elemente bezieht.

Es grüßt Euch Eberhard.

p.s.: Urs, ich komme auf Deine interessanten Ausführungen noch gesondert zurück.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 30. Mai 2005, 21:03 Uhr
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hallo eberhart

ich finde das folgende passt hier perfekt:


on 08/04/04 um 20:20:39, ffloo wrote:was du hier missverstehst ist die idee der zahl. eine zahl ist kein gegenstand den wir einmal gefunden haben und der uns die idee der addition vermittelt hat, weil wir noch eine andere zahl gefunden haben oder so. die idee der zahl ist doch gerade die identität; also, dass man sich zumindest den umstand vorstellen kann, dass es etwas geben könnte, das vollkommen identisch ist. die mathematik ist dann die antwort auf die frage, was wäre wenn es vollkommen identische "dinge" gäbe. die zahl ist im grunde eine abstraktion des begriffes der ähnlichkeit: die menschliche intelligenz stellt fest, das dort ein apfel liegt, daneben liegt noch ein apfel (man darf nicht von vorn herein zwei äpfel sagen!). der mensch weiss, dass der eine und der andere apfel hinreichend viel gemeinsam haben, um sie zu einer menge zu zählen, nämlich die menge der äpfel. natürlich gleicht kein apfel dem anderen, aber das muster, das hinter dem zählen steckt, ist ein resultat einer abstraktion, also einer reduzierung auf das wesentliche und das wesentliche bei der aufgabe äpfel zu zählen ist die anzahl aller objekte der gruppe "äpfel" zu bestimmen. diese operation fordert, dass die tatsache, dass kein apfel dem anderen gleicht unwesentlich für die definition des begriffes äpfel, also dem plural, ist, was auch der fall ist. das heisst, man macht keinen fehler, wenn man für einen speziellen zweck, bei dem das keine konsequenzen hat, so tut, als wären alle äpfel identisch. die verallgemeinerung der zuordnung von dingen jedwedter art zu ihrer gruppe ist die idee der zahl. man kommt also auf die idee der zahl, wenn man zu einem speziellen zweck nicht nur bei äpfeln so tut, als wären alle äpfel identisch, sondern bei allen dingen, die vertreter eines musters sind. es geht also nur darum zu erkennen, was ein muster ist und dafür ist die physische unterscheidbarkeit irrelevant.

mfg flo

mathematik ist also keine abstraktion der wahrgenommenen wirklichkeit, sondern eine abstraktion der fähigkeit des menschen muster zu erkennen, also eine abstraktion des ähnlichkeitsbegriffes.

tschuldigung wenn das die momentane richtung der diskussion nicht exakt weiterbeschreitet, aber ich denke, dass es nicht hilfreich ist sich im erörtern von beispielen zu verlieren. man sollte immer bei der grundsubstanz bleiben.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von wosi am 30. Mai 2005, 22:00 Uhr
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Hallo !

KroneckerŽs Bemerkung,die natürlichen Zahlen habe der liebe Gott geschaffen,der Rest sei Menschenwerk,hilft vielleicht weiter.

Es gibt Gegenstände menschlicher Wahrnehmung,von denen sich das Merkmal der Einzelheit vom Rest der Wahrnehmung abtrennen läßt,oder auch der Vielheit,dann aber nicht beliebig viel,wie Jochen 43 in Antw.25 schon bemerkte,und dies ist nicht eine Erfindung des Menschen,sondern abhängig von vorgefundener Natur,sofern Menschen oder andere Lebewesen darüber Wahrnehmungen haben.

Jeder mag sich selbst überzeugen:

Man sieht an einem Apfelbaum eben einen Apfel,zwei Äpfel,drei Äpfel,...,ebenso alle Äpfel des betrachteten Baumes,die sich im Blickfeld befinden,verfügt dann aber nicht über eine geeignete Bezeichnung,wenn es sehr viele Äpfel sind,eben weil zumindestens wir Menschen bezüglich solcher Vielheit nicht augenblicklich zu unterscheiden vermögen.

Ebenso sieht man einen ersten Apfel,den man dann den ersten nennt,einen weiteren Apfel,den man dann den zweiten,noch einen weiteren Apfel,den man halt den dritten nennt,...., und so weiter fortfahrend verliert man rasch die Übersicht und auch das Gedächtnis würde über Gebühr strapaziert,wollte man sich für jede Stelligkeit einen anderslautigen Bezeichner merken.

Genau so läßt sich mit den Birnen des Birnbaumes,den Kirschen des Kirschbaumes,den Schiefertafeln des Steinbruchs,den Steinen auf der Baustelle,....,verfahren.Die Fülle gleichartiger Beispiele vertreibt rasch jeglichen Gedanken an einen erschöpfenden Bericht.

Deutschsprachige Kaufleute werden in der Regel nicht von Gegenständen menschlicher Wahrnehmung sprechen,sondern die zuvor genannten Dinge als Stückgut nehmen.Ein Gut,das sich mit den Händen fest greifen läßt,kann dann Stück für Stück entnommen werden,wie es auch umgekehrt Stück für Stück hinzugefügt werden kann.Es muß auf Kunden verteilt werden und gelegentlich wird das Vielfache der erhaltenen Lieferung benötigt.
Das sind grundlegende Handlungen,die getan werden müssen,damit überhaupt etwas geschieht,nämlich die Ware zum Kunden,oder die Lieferung in den Wareneingang bringen.Es ist die Tätigkeit,die etwas verändert und es bedarf einer Aufzeichnung des Geschehens,um festzuhalten,was geschieht,damit im Nachhinein klar ist,was geschah.
Die notwendigen Begriffe sind zunächst,wie sollte es anders sein,der Alltagssprache entnommen,bezeichnen also etwas,worüber schlichte Kenntnis vorhanden ist.Bezogen darauf,was sich verändert,kennen wir folgende Begriffe aus der Alltagswelt :

Dem zu Veränderndem wird etwas hinzugefügt,heißt vermehren (um).
Dem zu Veränderndem wird etwas abgezogen,heißt vermindern (um).

Das zu Verändernde wird vervielfacht,heißt das Vielfache(von).
Das zu Verändernde wird aufgeteilt in Portionen,heißt Teil (von).

Wie man das in anderen Sprachen bezeichnet,ist ohne Belang,wenn nur die Handlung treffend zum Ausdruck gebracht wird.

Soll das zu Verändernde um etwas vermehrt werden,dann muß ich es dem zu Veränderndem hinzufügen.Ist das getan,liegt ein Ergebnis der Tätigkeit vor.Solange diese Tätigkeiten nur wenige Stücke betreffen,ist augenscheinlich klar,wie das Ergebnis aussehen soll.Doch schon wenige zu vervielfachende Stücke liefern recht unanschauliche Ergebnisse und es geht nicht mehr ohne geeignete Hilfsmittel.
Zweckmäßig sind dann Strichlisten.Wer nicht über Papier und Schreibzeug verfügt,behilft sich mit einem Schneidwerkzeug (scharfkantiger Stein,Messer) und einen geeigneten Träger (Rundholz,Schiefertafel).Was zu verändern ist,wird Stück für Stück durch genau einen Strich auf den Träger erfaßt,d.h.,zu jedem Stück gibt es genau einen Strich,nicht mehr und nicht weniger.Mit dem,was hinzukommt,wird genau so verfahren.Die Strichliste enthält nunmehr den aktualisierten Bestand.
Existiert die Strichliste einer anderen Lieferung gleichartigen Stückguts,dann lassen sich die Strichlisten vergleichen.
Streicht man einen Strich der einen Liste durch,dann auch einen der anderen Liste.Das wiederholt man,bis auf einer Liste alle Striche durchstrichen sind.Sind dann auch alle Striche der anderen Liste durchstrichen,sind die Strichlisten im Ergebnis offensichtlich nicht verschieden,sondern stimmen überein.Die Stückgutlieferungen sind also gleich zu nennen.

Darin besteht die Wahrheit jeder Gleichung,daß die Ergebnisse beider Seiten übereinstimmen.Irgendeine Vereinbarung über die Darstellung einer Gleichung darf daran nichts ändern.

Ist nun "1" := Ein Stück, "+" := Vermehre um,
"2" := Ein Stück + Ein Stück, "=" gleich und werde "1" die Eins und "2" die Zwei genannt,

dann ist 1+1=2 wohl so zu lesen:

Eins plus Eins gleich Zwei,wobei der Sachverhalt:

Man vermehre Ein Stück um Ein Stück und das ist gleich Ein Stück +Ein Stück,was der Wahrheit entspricht,denn es ist

linke Seite:

Ein Stück vermehrt um Ein Stück ist gerade Ein Stück + Ein Stück

rechte Seite:

Die Zwei bezeichnet gerade Ein Stück + Ein Stück

Die Identität der Ergebnisausdrücke ist offensichtlich.


Keine Rede vom Zählen,keine Rede von Zahlen,dafür eine recht umständliche Rede darüber,warum denn " 1+ 1 = 2 " durchaus etwas über die Wirklichkeit aussagt.

Ausgehend von tatsächlich vorliegenden Gegenständen ist nur deren Eigenart,Stück zu sein,von Bedeutung.Die stückbezogenen Handlungen sind durch Begriffe charakterisiert und vereinbarte Zeichen symbolisiert.Das reicht aber für praktische Belange nicht aus,wenn von Interesse ist,ob ausreichend Stücke einer Lieferung vorhanden,falls nachgefragte Stücke daraus zu entnehmen sind.
Das Erstellen einer Strichliste nach vorhandenen Stücken nennen wir heute einen Zählvorgang.Jeder Strich steht für ein vorhandenes Stück und jede Zusammenfassung von Strichen erhält einen Namen derart,daß es keine übereinstimmenden Listen mit verschiedenen Namen,wie auch keine verschiedenen Listen mit übereinstimmenden Namen gibt.Das wären dann die Zahlwörter.
Wie man aber via Fäden ganz natürlich zu den Zahlen gelangt,wobei man dann,wie zuvor angedeutet,zwischen Stellenzahl und Stückzahl unterscheiden muß,habe ich in der vorigen Zuschrift angedeutet.Die Fäden verbinden dann das Abzubildende mit dem Abbild.Man darf den Faden nicht einfach vergessen und sich danach einbilden,das Hantieren mit Abbildern sei nunmehr dem Reich der Ideen zuzuordnen,denn dafür gibt es keine Begründung.
Die Stücke gehören aber zur Schöpfung und die hat wirklich der liebe Gott gemacht.Die Mathematik ist Menschenwerk.
Die Physik natürlich auch und weil man da physikalische Größen zur Beschreibung benötigt,aber auch Maße,weil man ja mit meßbaren Größen hantieren muß,liegt es recht nahe,sich ungeniert der Mathematik zu bedienen,verschafft sich eine möglichst grundlegende physikalische Einheit und legt los.
Verstanden ist damit nicht,warum Menschen das können,denn wie die Idee entsteht,etwas zuzuordnen,etwas abzubilden usw.,ist wohl gar nicht so selbstverständlich,wie es vielleicht den Anschein haben mag,denn oftmals können Menschen etwas und wissen nicht warum.

Eberhard (Antw.31) :"Wenn ich jedoch eine Seifenblase in den Korb fliegen lasse und Freddy lässt auch eine Seifenblase in den Korb fliegen, dann müssen nicht unbedingt zwei Seifenblasen in dem Korb sein."

Sehr wohl kann aber die Rede davon sein,es sei zunächst eine erste Seifenblase in den Korb geflogen,dann eine zweite,usw.,frage also schlicht nach der Anzahl der Ereignisse "Es fliegt genau eine Seifenblase in den Korb".In diesem Falle wäre "1+1=2" die Summe der Ereignisse,was natürlich umständlich ist,denn in solchen Fällen genügt die Kenntnis des dem letzten Ereignis zugehörigen Zahlwortes.Mit der Bedingung:Es fliegt eine Seifenblase in den Korb,gibtŽs dann naturgemäß gelegentlich Probleme.

Eberhard (Antw.31) :

Beide Positionen widersprechen sich jedoch nicht. Natürlich gibt es Bereiche der Wirklichkeit, die sich durch das mathematische Modell der Addition interpretieren lassen."

Vielleicht unterscheiden sich hier unsere Auffassungen,denn ich glaube nicht an die Modellierbarkeit der Wirklichkeit durch mathematische Modelle,sondern vertrete die Ansicht,Gegenstandsbereiche menschlicher Wahrnehmung lassen durch Abstraktion und Vereinfachung eine Struktur erkennen,auf die mathematische Theorien anwendbar sind,eben weil mathematische Theorien darin zumindest ihren Ursprung haben und auch darauf abzielen,nämlich das Wesentliche herauszustellen und Strukturen aufzuzeigen,denn ganz ohne Anschauung gäbe es keine Mathematik und Abstraktion setzt immer etwas voraus,von dem abstrahiert wird.Eben darum ist sie anwendbar.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 30. Mai 2005, 23:35 Uhr
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hallo wosi

ich bin etwas irritiert. du gibst zu einem großteil in deiner antwort das von mir oben zitierte in umständlicher und etwas irritierender, teilweise jedoch durchaus bereicherender form in eigenen worten wieder, um damit wem zu antworten? der allgemeinheit oder mir?

wie dem auch sei, das kronecker zitat trifft es ganz gut. insbesondere bin ich um die ergänzung deines biologistischen hinweises erfreut (wahrnehmung), der deinem beitrag nicht nur die gewünschte eigenständigkeit verleiht ;) sondern insbesondere die bedeutung der natürlichen ursprünge des zahlenbegriffes herausstellt. ich will in der tat bekräftigen, dass über die wahrnehmung erfolgende identifikationen von mustern, dem steckenpferd der menschlichen intelligenz, eindeutig der begriff der zahl herzuleiten ist. ich will dies jedoch von dem allgemein als 'intuitionismus' vertretenen paradigma einiger mathematiker trennen. es kann aus genannten gründen m. e. in bezug auf den 'quell' der mathematik, also des zahlenbegriffes, nur um die abstraktion des ähnlichkeitsbegriffes gehen. die erörterung von beispielen, die sich bereits in fortschrittlichen formen der mengentheorie finden (die hier eher dielettantisch vorgetragen werden), sind reichlich unnütz, da sie in der hierarchie des formalismus viel zu weit oben stehen als dass sie für ein grundlegendes verständnis des zahlenbegriffes noch geeignet wären.

mfg flo

p.s.

ich habe zeitweilig das pseudonym 'FloranGeyer' benutzt. was mir nunmehr nicht mehr möglich ist, da ich mich aus irgendwelchen gründen unter diesem pseudonym nicht mehr einloggen kann. sei's drum. davor verwendete ich das pseudonym 'ffloo'. dies nur um irritationen zu vorzubeugen.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 31. Mai 2005, 00:46 Uhr
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ich möchte das ganze nocheinmal wiederholen und auf eberharts beispiel mit den seifenblasen eingehen.

der einzige grund zu unterstellen es befänden sich nicht notwendigerweise zwei seifenblasen in dem korbe, wäre doch der, dass sich diese seifenblasen in irgend einer weise, wenn auch noch so minimal, unterscheiden liessen. dies wird sicherlich der wahrheit entsprechen zumal man es ja als unbekannt voraussetzen kann, aus welchen substanzen beide seifenblasen bestehen oder ob sie die selbe ausdehnung haben, etc. man kann trivialer wiese eben nicht in jedem fall sagen, dass es sich um zwei identische dinge handelt, also ohne beschränkung der allgemeinheit um zwei vertreter der selben gattung. aber man kann sagen, dass man wahrnimmt, dass diese beiden dinge sich augenscheinlich hinsichtlich einiger charakteristika so stark ähneln, dass sich der aufwand einer unterscheidung kaum lohnt. das ist jedoch nicht das eigentliche kriterium, welches die anwendung der addtion rechtfertig.
tatsächlich ist es viel simpler: der mensch selbst legt bevor die operation der addition ausgeführt wird, fest, dass es sich um eine anzahl von dingen handelt, die er eben in dieser speziellen situation als zur gleichen gruppe zugehörig erachtet. ob dies nun tatsächlich der wahrheit entspricht oder nicht, spielt für das prinzip der addition, welches dem zahlenbegriff zugrunde leigt, überhaupt keine rolle!
sobald der zahlenbegriff zur anwendung kommt wird a priori gefordert, dass alle verwendeten elemente zur selben gruppe gehören. die frage lautet also nicht 'sind das wirklich zwei (identische) seifenblasen?', sondern sie muss lauten 'gesetzt den fall es handelt sich bei diesen dingen um die selben (identische) dinge, wieviele (von dieser sorte) sind es dann? - es sind zwei!'.
sobald das wort 'zwei' - genauer: die addition - angewandt wird, spielt die potentielle unterscheidbarkeit in diesem ast des gesamten analytischen komplexes, der das ding 'seifenblase' umfasst, bereits keine rolle mehr.

sprachliche verränkungen und inflationäre beispielerörteungen sind zu diesem verständnis weder notwendig noch hilfreich.

mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 31. Mai 2005, 02:03 Uhr
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Hallo kataphrakt!

Wie immer, mischen sich auch bei Dir wahre mit falschen Gedanken!

Natürlich müssen die Dinge, die ich addieren will, unterscheidbar sein. Und wenn es nur der Ort im Raum ist, den sie besetzen (wie bei den Seifenblasen z.B.). Das hatte schon Cantor betont, wenn er von den Elementen seiner Mengen verlangte, daß sie wohl zu unterscheiden sein müßten. Identische Dinge kann ich nicht addieren. Ich kann mich nicht mit mir selbst addieren!

Andererseits müssen sie auch eine Art von Ähnlichkeit haben, damit ich sie überhaupt addieren kann. Diese Ähnlichkeit - mir fällt im Augenblick kein anderes Wort dafür ein - kann sowohl äußerlich sein, als auch abstrakt. Wenn diese Ähnlichkeit nicht vorhanden ist, dann käme ich ja garnicht auf die Idee, diese Dinge zu addieren!

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 31. Mai 2005, 11:10 Uhr
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Hallo flo,

die Möglichkeit, irgendwelche Phänomene zu zählen, setzt keineswegs irgendeine wahrnehmbare Ähnlichkeit oder annähernde Gleichheit dieser Phänomene voraus.

Vorausgesetzt wird nur die Identizierung jedes Phänomens als dieses bestimmte, von anderen unterscheidbare Phänomen (siehe Jochens Antwort) und die Möglichkeit zu entscheiden, ob auf ein Phänomen eine bestimmte Beschreibung zutrifft oder nicht.

Wenn ich die Menge aller Wörter bilde, deren deutsche Bezeichnung mit dem Buchstaben "h" endet, so muss zwischen den dazugehörigen Elementen "Reh", "Loch" und "Krach" wenig Ähnlichkeit existieren. Trotzdem kann ich sie zählen. Und trotz Ähnlichkeit gehört das Wort "Rehe" nicht dazu.


Hallo an alle,

Kernfrage bleibt das Verhältnis mathematischer Ausdrücke zur erfahrbaren Welt. Einverstanden? Hier müssen wir die unterschiedlichen Positionen noch deutlich herausarbeiten.

Im Übrigen bitte ich darum, weiterhin nur Positionen und nicht Personen zu kritisieren.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 31. Mai 2005, 18:26 Uhr
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Hallo Urs,

ich stimme Dir darin zu, dass Mengen nichts empirisch fertig Gegebenes sind. Mengen werden durch die jeweilige Beschreibung "konstruiert". Dies zeigt sich z.B. daran, dass zwei verschiedene Mengen aus denselben identischen Elementen bestehen können.

Wenn eine Frau und ein Mann keine Kinder mit Dritten haben, dann besteht die Menge derjenigen Individuen, die Kinder des Mannes sind, aus denselben Elementen wie die Menge derjenigen Individuen, die Kinder der Frau sind.

(Hier ist zugleich interessant, dass 2 Kinder und 2 Kinder wegen unerlaubter Doppelzählung zusammen keine 4 Kinder ergeben.)

Die genaue Anzahl der Elemente einer Menge A kann man durch Zählen ermitteln und durch eine Zahl benennen, z.B.: Diese Menge besteht aus 5 (gleichartigen) Elementen.

Wenn man nun eine Menge B hat, auf deren Elemente dieselbe Beschreibung zutrifft wie auf die Elemente der Menge A, so habe ich zwei Mengen mit einheitlichen Elementen. Ich kann diese Elemente dann auch als "Einheiten" bezeichnen.

Die Addition befasst sich nun mit der Frage, welche Anzahl von Einheiten sich ergibt, wenn eine Menge B, bestehend aus beliebig vielen Einheiten, zu einer Menge A, ebenfalls bestehend aus beliebig vielen Einheiten, hinzugefügt wird. Sie abstrahiert von dem Inhalt der Beschreibung, die auf die Einheiten zutreffen muss.

Aber trotzdem bleibt jede Zahl immer auf irgendwelche Einheiten bezogen, auch wenn dies in der numerischen Stenographie der Mathematik (1 + 1 = 2) nicht wiedergegeben wird.

Eine Zahl ist insofern kein dimensionsloses Abstraktum von mysteriöser Form der Existenz.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 01. Juni 2005, 01:44 Uhr
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Hallo Eberhard, hallo @!

Deine Ausführungen zur Bedeutung/Funktion der Zahlen finde ich durchaus einsichtig. Aber sie setzen dort ein, wo bereits "Elemente" in gewissen Häufigkeiten gegeben sind. Du schreibst:


Quote:Die Möglichkeit, irgendwelche Phänomene zu zählen, setzt keineswegs irgendeine wahrnehmbare Ähnlichkeit oder annähernde Gleichheit dieser Phänomene voraus. Vorausgesetzt wird nur die Identifizierung jedes Phänomens als dieses bestimmte, von anderen unterscheidbare Phänomen (...)



und


Quote:Die genaue Anzahl der Elemente einer Menge A kann man durch Zählen ermitteln und durch eine Zahl benennen (...)



Wenn man bereits wohlunterschiedene Elemente auf der einen Seite und wohlunterschiedene Zahlbegriffe auf der anderen Seite hat, ist Deine Charakterisierung durchaus zutreffend. Dann kann man in der Tat die Anzahl der Elemente mit einer Zahl "benennen".

In meinen (etwas ungeordneten) Überlegungen zum Zählen ging es mir aber darum zu zeigen, über welche methodischen Schritte man überhaupt zu wohlunterschiedenen Zahlbegriffen kommt. Es ging mir sozusagen um die Frage: Ab wann ist eine Zahl "mit sich identisch"? (Dabei habe ich die Identität der gezählten Elemente zunächst ganz außer Acht gelassen.)

Mir scheint nämlich, dass Identität keine simple Gegebenheit ist, sondern angemessen nur durch eine mehrstellige Relation ausgedrückt werden kann. Darum denke ich, dass man erst dann über einen Zahlbegriff verfügt, wenn man auch über mehr als eine Bezeichnung dafür verfügt. Erst wenn man z.B. sagen kann: "’lll’ ist d a s s e l b e w i e "drei’ oder "3’..." kommt ein Begriff mit invarianter Bedeutung zur Abhebung. Identität oder Gleichheit bedeutet also soviel wie Invarianz, und zwar, wie der Begriff der Invarianz schon voraussetzt, in wechselnden Kontexten.

Das ist nichts anderes als eine Anwendung der Semantik auf den mathematischen Zeichengebrauch. Wenn wir nämlich ein neues Wort lernen, wird uns seine Bedeutung auch nicht aus der einmaligen Verwendung in einem einzigen Kontext klar. Und schon gar nicht aus der Wiederholung: a = a. "Ein Archeopteryx ist genau dasselbe wie ein Archeopteryx." Oder: "Das Wort "Archeopteryx’ wird zutreffend gebraucht, wenn es einen Archeopteryx bezeichnet und nichts anderes." Oder: "Eine Menge hat genau dann 5 Elemente, wenn ich beim Zählen – beginnend bei 1 – bis zur Zahl 5 komme."

Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von wosi am 01. Juni 2005, 07:24 Uhr
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Hallo !

Wenn gefragt wird,inwiefern "1+1=2"wahr ist,zugleich aber behauptet wird,es sei wohl unbestritten,mit "1+1=2" sei keinerlei Aussage über die Beschaffenheit der Wirklichkeit gemeint,dann muß ich widersprechen,denn

mit dem üblichen Verständnis ist "1+1=2" als eine Gleichung zu lesen.Es wird damit behauptet,das Ergebnis einer Operation sei gleich einer Zahl.Hier steht auf der rechten Seite lediglich eine Zahl.Genau so gut könnte diese Zahl durch eine Operation ersetzt sein,als deren einzig mögliches Ergebnis sie dann steht.Gleichgesetzt werden kann nur,was gleiche Ergebnisse liefert,also im Ergebnis gleich ist.Wie man aber Unwirkliches gleichsetzen kann,ist mir nicht klar.Wie man Dinge der Wirklichkeit gleichsetzen kann,ist mir klar.

Sodann kann gefragt werden,ob denn eine Gleichung etwas über die Beschaffenheit der Wirklichkeit aussagt,was aber stets der Fall ist: -Ist eine Gleichung lösbar,dann gibt es wirklich (mindestens) eine Lösung.
-Ist eine Gleichung nicht lösbar,dann gibt es wirklich keine Lösung.

Weiterhin kann gefragt werden,ob denn die verwendeten Zahlen etwas über die Wirklichkeit aussagen,was ebenfalls bejaht werden kann,denn nimmt man 1 und 2 als natürliche Zahlen,dann sind gerade die natürlichen Zahlen das Ergebnis einer Entwicklung des Zählens,dessen Praxisbezug wohl nicht geleugnet werden kann und darum stets auf eine,wie auch immer verstandene "Beschaffenheit der Wirklichkeit" bezogen ist,also auch etwas darüber aussagt.Aus diesem Grunde,um das deutlich auszudrücken,habe ich das Beispiel des Kaufmanns genannt,der vom Stückgut spricht,um den Zahlbegriff zu vermeiden.

Ebenso habe ich zuvor die Verwendung einer Strichliste beschrieben,wo es darum ging,Stücke und Zeichen mit Fäden zu verbinden,um deutlich zu machen,daß eben auch der in der Theorie so wichtige Abbildungsbegriff hinsichtlich der Entwicklung des Zählens gerade eine Handlung beschreibt.

Ob und wie aber mit allen Zahlen eine Aussage über die Wirklichkeit gemacht werden kann,läßt sich nicht abschließend beantworten,denn es gibt kein Wissen darüber,wie mit Hilfe zukünftiger Theorie eben anderweitig konstruierte Zahlen aussehen könnten.Sehr lehrreich sind doch die anfänglichen Irritationen über die Existenz und den Gebrauch der komplexen Zahlen,wie auch den damit möglichen Abbildungen.

Spiel und Schnitt sind der Lebenspraxis entnommen.Auch damit lassen sich Zahlen begründen.

Zahlen beziehen sich auf etwas Genanntes,bei den natürlichen Zahlen sind es das Stück oder die Stücke.Allgemein besteht der Bezug im Maß.

Keine physikalische Größe ohne Maßzahl.Die Einheit folgt aus der Meßvorschrift.

Eberhard (Themeneröffnung) :

"Informiert uns dann vielleicht "1 Dops + 1 Dops = 2 Dopse" über die Wirklichkeit?

Wohl auch nicht, denn in der Wirklichkeit gibt es keine Dopse, die habe ich nur eben mal erfunden."

Das macht nichts,denn den Stückcharakter haben Sie nicht erfunden,sondern Ihren Dopsen einfach untergeschoben und lese das dann so:

Was auch immer ein Dops sein mag,ein Dops ist ein Stück.

Füge ich noch einen Dops hinzu,dann erhalte ich zwei Dopse.Wenn es also Dopse gibt,dann sind sie zählbar.
Gibt es keine Dopse,dann werden eingebildete Ggenstände gezählt,die ich aber durch reale Stücke ersetzen kann,genau so,wie ich die Enten auf der Wiese direkt durchzählen kann,oder mich meiner Erinnerung bediene und mir vorstelle,in welcher Anordnung ich sie zuletzt sah.So gelange ich zu der Einsicht,es sei eigentlich gleichgültig,ob ich nun mit realen Gegenständen hantiere oder mit eingebildeten,
solange ich die Zahlwörter und deren diskretes Fortschreiten in rechter Weise gebrauche.Die lästige Bezeichnung Stück lasse ich einfach weg und verwende zukünftig nur noch die Zahlwörter.Nicht mehr den Dingen selbst gilt mein Interesse,sondern der Zähl.-u.Rechenkunst.So ist das in Wirklichkeit.




Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gab es in Polynesien Völker,die lediglich zwei Zahlwörter in Gebrauch hatten,nämlich "urapun" (die Eins) und "okosa" (die Zwei).

Es ist dann:

3 =: okosa-urapun
4 =: okosa-okosa
5 =: okosa-okosa-urapun
6 =: okosa-okosa-okosa

Was darüber hinausgeht,wurde mit viel-viel,eine Menge oder auch unabzählbar bezeichnet.Zur Beschreibung größerer Mengen ist dann die Hinzunahme der Beschaffenheit der betrachteten Dinge erforderlich.Da kann dann auch Mustererkennung nützlich sein.
Die Abiponer,die nur drei Zahlwörter kannten,hatten stets eine vollständige Kenntnis über die Menge ihrer Hunde,weil sie diese in Gruppen mit übereinstimmenden Merkmal zusammenfassten.
Für deren Lebensalltag reichte diese Variante des Zählens.
Erst die Zählkunst,dann die Mathematik,so läßt sich das historisch mit den gegebenen Quellen nachvollziehen.Sollte ich mich im Irrtum befinden ?

Zu Kataphrakt :

Für mich ist das durchaus eine interessante Frage,ob denn die Mustererkennung und die daraus entstandene Begrifflichkeit dem Zahlwort vorausging.Leider habe ich darüber keinerlei Wissen.
Falls Sie,Kataphrakt,dazu nützliche Hinweise geben können,wäre das sehr erfreulich.



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 01. Juni 2005, 10:28 Uhr
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Hallo allerseits,

die Leistung der Mathematik besteht darin, dass sie die Resultate verschiedener Operationen (Hinzufügen, Abziehen, Teilen, Malnehmen) mit beliebig großen Mengen und mit Einheiten beliebiger Art bereit stellt. Mit verschiedenen Mengen können nur dann diese Operationen durchgeführt werden, wenn deren Elemente irgendeine Gemeinsamkeit haben, so dass sie in dieser Hinsicht einheitlich sind. Erst dann werden aus den Elementen "Einheiten", mit denen gerechnet werden kann,

Dabei sind der Größe nach geordnete, vollständige Zahlensysteme so gut wie unentbehrlich.

Dies wird deutlich, wenn man sich einmal vorstellt, man hätte kein derartiges Zahlensystem, sondern nur viele unsystematische Bezeichnungen für die mögliche Anzahl von Elementen wie z.B.: ||| heißt "B", ||||| heißt "E", || heißt "A", | heißt "X", |||| heißt Z, ….,

B, E, A oder X sind die Bezeichnungen für eine bestimmte Anzahl von Elementen einer Menge. Man kann sie als "Zahlwörter" bezeichnen, insofern als sie jeweils eine bestimmte Anzahl an Elementen bezeichnen. "Zahlen" kann man sie aber wohl nicht nennen, denn weder wurden sie durch Zählen gewonnen noch kann man mit ihnen zählen.

Mit diesen Zahlwörtern kann ich nun die Größe jeder möglichen Menge benennen. Man kann damit auch mathematische Operationen und deren Ergebnisse beschreiben, z.B. A + X = B

Allerdings setzt die Verwendung dieser Zahlwörter mit wachsender Größe der Mengen eine extrem differenzierende Wahrnehmung und ein extrem leistungsfähiges Gedächtnis voraus.

Schon die Unterscheidung der Anzahl |||||| von der Anzahl ||||||| durch Hinsehen ist schwierig und fehlerbehaftet. Und wenn man sich z.B. merken soll, dass |||||||||||||||||||| "P" heißt, wären wohl die allermeisten Individuen überfordert.

Zahlensysteme erzeugen die Zahlwörter zur Bezeichnung der möglichen Anzahl von Elementen in einer Menge nach einem bestimmten System, das man sich relativ leicht merken kann. Sie ergeben eine vollständige, der Größe nach geordnete Folge von Zahlwörtern, denen jeweils eine mögliche Anzahl von Elementen entspricht.

Dadurch kann man die Anzahl der Elemente von Mengen durch Zählen bestimmen. Dazu ordnet man für jedes Element entsprechend der festgelegten Folge ein Zahlwort zu. Wenn man kein Element ausgelassen hat und wenn man jedem Element nur ein Zahlwort zugeordnet hat, dann gibt das Zahlwort, das dem letzten Element zugeordnet wird, die Zahl der Elemente an – vorausgesetzt, man hat beim Zählen kein Zahlwort ausgelassen und man hat jedes Zahlwort nur einmal verwendet.

Während es kaum zu leisten ist, sich zu merken, wie viel P Äpfel sind, ist es für jemanden, der das dezimale Zahlensystem verstanden hat ein Leichtes, jemandem 20 Äpfel zu geben (obwohl die Anzahl die gleiche ist wie P).

Es grüßt Euch und besonders alle, denen die Mathematik ein Buch mit sieben Siegeln ist, Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 02. Juni 2005, 04:16 Uhr
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Hallo!


Wosi schrieb:


Quote:Erst die Zählkunst, dann die Mathematik, so läßt sich das historisch mit den gegebenen Quellen nachvollziehen. Sollte ich mich im Irrtum befinden?



Obwohl ich weder Mathematiker noch Mathematik-Historiker bin, stimme ich Dir mal ganz unmaßgeblich zu. - Philosophisch interessant ist aber die Frage, ob der Reihenfolge der historischen Entstehung auch ein methodisches Bedingungsverhältnis entspricht. Es könnte ja sein, dass die Technik des Zählens nur aus äußerlichen Zufällen zuerst kam. Darum fragt sich, ob die Zählkunst auch aus methodischen Gründen vorangehen musste, weil man auf keine andere Weise zu "abstrakten" Zahlbegriffen gekommen wäre.
Ich neige – wieder ganz unmaßgeblich – zu dieser Auffassung. Aber z.B. in Flo’ s Theorie über die Entstehung der Idee der Zahl spielt das Zählen keine Rolle. Er leitet die Abstraktion, die auch er als eine Voraussetzung für die Gewinnung von Zahlen hält, von Wahrnehmungsmustern (also Ähnlichkeiten) her.

Dagegen vermute ich, dass der Abstraktionsweg über die "Reflexion" – also die "Zurückbiegung" – des Zählverfahrens geführt hat (und führen musste), die in der Anwendung des Zählens auf Zählzeichen zu beobachten ist. Das lässt sich mit der reflexiven Sprache vergleichen, also dem Sprechen über Sprachliches ("Metasprache").

Eberhard schrieb:


Quote:Dadurch kann man die Anzahl der Elemente von Mengen durch Zählen bestimmen. Dazu ordnet man für jedes Element entsprechend der festgelegten Folge ein Zahlwort zu.



M.E. ist Eberhard immer noch nicht aus dem Definitionszirkel von Zählen/Anzahl/Menge herausgekommen. Aber im Moment interessiert mich mehr die Frage nach der Bedeutung des Wortes "zuordnen". In dieser Runde ist ja schon öfter gesagt worden, Zahlen/Zählzeichen würden Dingen/Elementen "zugeordnet". Wie hat man sich das vorzustellen?

"Zuordnen" ist nach meinen Begriffen die Herstellung einer Äquivalenz. Äquivalenz ist eine symmetrische Relation zwischen "Werten" aus verschiedenen Bezugssystemen und unterscheidet sich daher grundlegend von der landläufigen Vorstellung von der Bezeichnung bzw. Benennung.

Diese landläufige – nominalistische/empiristische – Vorstellung betrachtet das Bezeichnen nach dem Muster der Etikettierung: Da ist ein gegebenes Ding, eine Wahrnehmung oder Sinnesdatum, dem ein Name "verliehen", sozusagen "aufgeklebt" wird. Und ebendiese 1:1-Beziehung zwischen Ding und Namen wird als die Grundlage jedes Zeichengebrauchs und jeder Bedeutung betrachtet. Bedeutung ist demnach so etwas wie der Klebstoff, der das Etikett an Omis Einweckglas festhält.

Entwickeltere Zeichen- und Bedeutungstheorien würdigen den systematischen Zusammenhang der Zeichen untereinander als eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass ein einzelnes Zeichen – etwa ein Name – überhaupt "für" einen Gegenstand "stehen" kann. In der neueren Semantik ist z. B. ausgemacht, dass ein Name nur im Zusammenhang eins Satzes – also eines komplexen syntaktischen Gefüges – auf etwas Nicht-Sprachliches "referieren" kann. Aus diesem Grund ist die Beziehung zwischen Gegenstand und Name das Sekundäre, Bewirkte; sie lässt sich daher auch nicht nach dem Muster der "ursprünglichen Etikettierung" rekonstruieren.

Von "Zuordnung" kann man im Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem nur deshalb sprechen, weil das Zeichen innerhalb eines Systems fungiert, das seine Verwendung regelt. Diese Verwendungsregeln liegen der Beziehung zum Bezeichneten – also der "Referenz" – methodisch voraus.

Angewandt auf das System der sog. "natürlichen" Zahlen: Die Beziehungen unter den Zahlen sind das Primäre. Sie bleiben bei jeder Art ihrer Verwendung bestehen, gleichgültig, ob man mit ihnen "rein mathematisch" rechnet oder etwas Konkretes, Empirisches be-rechnet. Folglich ist die Zuordnung zu irgendwelchen "Elementen" – seien diese abstrakt oder konkret – immer das Sekundäre. Unabhängig von jedem Kontext gilt, dass 1 + 1 = 2, dass 2 + 1 = 3, dass 3 + 1 = 4 = 2 + 2 = 6 – 2 = 11 – 7 usw. ist.

Wenn man von der "Bedeutung" einer einzelnen Zahl sprechen will, ist daher zuerst ihr Stellenwert im Gefüge des Zahlensystems zu berücksichtigen. Und dieser Stellenwert ermittelt sich aus den systemimmanenten Regeln, denen die fragliche Zahl unterliegt. Erst dann kommt in Betracht, worauf eine Zahl angewendet werden kann (sagen wir: auf Elemente). Und es ist auch klar, dass die Anwendung von den systemimmanenten Regeln restringiert wird. Denn man ändert keinesfalls die mathematischen Regeln, um etwa Zahlen für eine bestimmte Anwendung "passend" zu machen. Die Anwendung der Zahlen auf Empirisches erfordert zusätzliche, "externe" Regeln.

Daher halte ich die Auffassung, die hier z.B. von wosi vertreten wird, für verfehlt:


Quote:Zahlen beziehen sich auf etwas Genanntes, bei den natürlichen Zahlen sind es das Stück oder die Stücke.



Natürlich können Zahlen auf "Stücke" bezogen werden, aber wie die Mathematik auf Schritt und Tritt beweist, funktionieren sie auch völlig ohne jede Beziehung auf Konkretes. Es bedarf eines zusätzlichen Verfahrens – einer eigens geregelten "Zuordnung" eben -, um eine solche Beziehung herzustellen. (So wie es umgekehrt eines Abstraktionsverfahrens bedurfte, um Zahlbegriffe überhaupt erst zu gewinnen.)

Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 02. Juni 2005, 09:41 Uhr
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Hallo wosi,

Ich habe zur Eröffnung dieser Runde geschrieben:

"Unbestritten ist wohl, dass es sich bei "1 + 1 = 2" nicht um eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit handelt."

Dem widersprechen Sie.

Vielleicht beruht dieser Dissens darauf, dass wir beide mit dem Wort "Wirklichkeit" etwas Verschiedenes meinen.

Um zu erläutern, was ich als eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit verstehe, gebe ich dafür ein Beispiel:

"Im 20. Jahrhundert hat es zwei Weltkriege gegeben, in denen Deutschland jeweils Großbritannien, Frankreich, Russland und die USA zum Gegner hatte, zum einen den Krieg von 1914 bis 1918 und zum andern den Krieg von 1939 bis 1945."

Dies ist eine Aussage über reale Vorgänge, die Gegenstand empirischer Forschung sein können. Die Aussage bedient sich der Gleichung 1 + 1 = 2. Die Gleichung als solche informiert jedoch nicht über die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Um es anders auszudrücken: 1 + 1 = 2 gilt nicht nur in der wirklichen Welt sondern gilt in allen – auch nur erdachten – möglichen Welten.

Wenn wir uns einig sind, dass es in der Wirklichkeit keine Einhörner gibt, dann kann auch die Gleichung "1 Einhorn + 1 Einhorn = 2 Einhörner" nichts über die Wirklichkeit aussagen – obwohl sie wahr ist.

mit freundlichen Grüßen Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 02. Juni 2005, 16:33 Uhr
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Hallo Urs,

zuerst zu der Frage, ob ich die Begriffe "Menge", "Anzahl" und "Zahl" unzulässiger Weise zirkulär definiere. Ich kann keinen Zirkel entdecken, aber vielleicht kannst Du das näher ausführen.

Ich würde den Zusammenhang dieser Begriffe folgendermaßen demonstrieren:

Angenommen, ich habe irgendwelche identifizierbare Phänomene mit irgendwelchen Eigenschaften vor Augen:

I o ___ O X Ö / = 0 ö

Ich kann nun bestimmte Phänomene, z.B. die von runder Form, zusammenfassen:

(o O Ö 0 ö)

Eine solche Zusammenfassung von Phänomenen, die irgendetwas gemeinsam haben, nenne ich "Menge", die dazugehörigen Phänomene "Elemente". (Es ist ein Ganzes mit den dazugehörigen Teilen, die sich physisch nicht ähneln müssen, etwa wenn ein Teller "entzwei" bricht.)

Angenommen ich habe folgende Mengen, deren Elemente sich in jeder Hinsicht gleichen:

(O O) und (O O O).

Das worin sich diese Mengen dennoch unterscheiden, nenne ich "Anzahl" einer Menge. (Ich hätte dies auch "Größe" einer Menge nennen können.)

Die unterschiedliche Anzahl verschiedener Mengen kann ich unmittelbar wahrnehmen und beschreiben ohne Zahlen zu benutzen. Ich kann z.B. die linke Menge im Unterschied zur rechten Menge als "Paar" bezeichnen.

Um alle möglichen Unterschiede von Mengen hinsichtlich ihrer Anzahl (oder Größe) begrifflich unterscheidbar zu machen, benötige ich jedoch Zahlwörter, wobei keine Synonyme, Mehrdeutigkeiten oder Lücken in der Benennung auftreten sollten.

Semantisch betrachtet ist das dezimale Zahlensystem und die dazugehörige numerische Notierungsweise mittels Ziffern eine künstliche Sprache, weshalb die nominale Definition (Ein Element und noch ein Element nennt man "zwei" Elemente) ohne weiteres möglich ist,
meint Eberhard.




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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 02. Juni 2005, 22:51 Uhr
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hallo

eberharts aktuelle darstellung ist meines erachtens didaktisch gelungen und überdies treffend. es gibt keinerlei grund zu der behauptung, er habe die begriffe 'anzahl' oder 'zahl' zyklisch definiert. ersetzt man das wort 'anzahl' in eberharts ausführungen in etwa durch 'vielheit', so wird klar, dass eventuelle irritationen, die irrtümlich eine zyklische definition vorgaukeln, auf den schieren klang des wortes 'anzahl' zurückzuführen sind, in dem das wort 'zahl' eben wieder auftaucht.

der begriff 'vielheit' (ich würde mit 'grösse' vorsicht sein) ist in diesem fall synonym für das ergebnis einer relationsuntersuchung, die nur aussagekräftig in bezug auf unterscheidbarkeit oder ununterscheidbarkeit ist.

wenn man nicht voraussetzen kann, dass man grundsätzliche strukturelle unterschiede als gegeben erachten kann, dann kommt man zu gar nichts.
es genügt doch bereits festzustellen, dass etwas eine struktur hat. sobald man etwas unterscheiden kann, muss irgendwo eine 'vielheit' vorhanden sein, weil eben einfach nicht alles das selbe ist und man feststellt, dass sich ein unterscheidbarer komplex in bezug auf mindestens eine eigenschaft von einem anderen unterscheidbaren komplex unterscheidet (binsenweisheit, aber offenbar notwendig zu erwähnen).
in dem man also strukturen identifiziert (unterscheide), akzeptiert man bereits die tatsache, dass diese strukturen zum einen unterscheidbare eigenschaften haben, denn sonst wären sie eben nicht unterscheidbar, und dass eben genau diese eigenschaften wiederrum zu gruppen (mengen) zusammengefasst werden können (müssen).

an dieser überlegung kann man sehr schön nachvollziehen, was passiert wenn man die wahrnehumng ausklammert. sobald man nämlich behauptet, dass der zahlenbegriff wahrnehumungsunabhängig entstehen kann, setzt man voraus, dass es keine identifizierbaren strukturen gibt (was so ziemlich die fälscheste behauptung aller zeiten ist, da jedes einzelne wort in einem satz bereits eine ist und diese behauptung in einem satz formuliert wurde), womit die behauptung 'der zahlenbegriff entsteht wahrnehmungsunabhängig' auf eine absurdität zurückgeführt ist, was gemeinhin als beweis des gegenteils akzeptiert wird.




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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von wosi am 04. Juni 2005, 07:50 Uhr
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Hallo !

Eberhard :"Allerdings setzt die Verwendung dieser Zahlwörter mit wachsender Größe der Mengen eine extrem differenzierende Wahrnehmung und ein extrem leistungsfähiges Gedächtnis voraus."

Man muß sich also etwas einfallen lassen und die Beschreibungsmöglichkeiten des Zählens rationalisieren,was mit der Einführung eines Stellensystems beginnt.Damit bekommt man auch die Inflation der Zahlwörter im Griff und kann mit wenigen Worten recht große Zahlen aussprechen.Bevor man jedoch von abstrakten Zahlen spricht,wäre noch zu beachten:

Mit der vollständigen Analyse aller in Uruk gefundenen archaischen Texten konnten der Mathematiker Peter Damerow (MPI f.Bildungsforschung Berlin) und der Sumerologe Robert Englund (FU Berlin) 1985 die vorherigen Forschungsergebnisse des Mathematikers Jöran Friberg (Göteborg) überprüfen und statistisch streng absichern.

Hervorzuheben sind :

Gegenstandsklassen oder Güter wurden in unterschiedlichen Wertesymbolsystemen aufgezeichnet.So wurden z.Bsp. Sechs Sklaven,sechs Getreiderationen oder sechs Flächeneinheiten mit je verschiedenen Symbolen geschrieben.Es waren fünf grundlegende Maßsysteme im Gebrauch sowie einige daraus abgeleitete Untersysteme.
Nur eines dieser Systeme weist eine Gliederung auf,die dem 60iger System der späteren Keilschriftzahlen entspricht.Viele Wertsymbole treten an verschiedenen Positionen in verschiedenen Systemreihen auf,d.h.,einem Symbol kommt nur innerhalb eines Sinnumfeldes ein bestimmter Wert zu,ist also kontextabhängig und kann dann nicht als abstrakte Zahl aufgefasst werden.Das heißt aber,im 4.Jahrtausend v.Chr. konnte man zwar zählen und sogar in äußerst geschickter Weise Wirtschaftsvorgänge buchhalterisch und statistisch erfassen,verfügte jedoch nicht über einen abstrakten Zahlbegriff.

Die Kunst des Zählens ist sehr wirklichkeitsbezogen und hat sich aus den Erfordernissen archaischer Verwaltungspraxis zu größter Perfektion entwickelt.Der Begriff der abstrakten Zahl ist dafür nicht erforderlich.Es sind eben gesellschaftliche Entwicklungen,welche die Entwicklung der Zählkunst voranbrachten.

Einige Indianerstämme Kanadas verwenden folgende Worte:

tcha - drei Dinge

tchane - drei Personen

tchat - dreimal

tchatoen - an drei Stellen

kennen aber kein Wort für die abstrakte Zahl 3,obwohl doch stets ein gleichlautendes Partikel zur Anwendung kommt.
Der erweiterten Gebrauch solcher Zahlwörter gleichlautender Partikel könnte,so will ich,ohne dies belegen zu können,vermuten,zu der Einsicht geführt haben,den gegenständlichen Verweis aufzugeben.Offensichtlich war das noch zu Diophants Zeiten ein Problem,denn dieser fügte hinter jede geschriebene Ziffer ein M und selbst Aristoteles sinnierte noch,ob die Einheiten (Stück-Anzahlen der Einheit) in einer Zahl denn alle untereinander gleich und ob diese in verschiedenen Zahlen gleich oder verschieden seien.

Wenigstens bis Diophant ist der direkte Wirklichkeitsbezug des Zahlbegriffs deutlich gemacht und dessen Zahlbegriff darf nicht mit den gegenwärtig üblichen abstrakten Zahlbegriff verwechselt werden.
[Die Diophantische Gleichung ist in mathematischer Terminologie ein Polynom in mehreren Variablen mit ganzzahligen Koeffizienten und deren Lösbarkeit in ganzen Zahlen grundlegendes Problem]

Urs meinte Euch :"Philosophisch interessant ist aber die Frage, ob der Reihenfolge der historischen Entstehung auch ein methodisches Bedingungsverhältnis entspricht. Es könnte ja sein, dass die Technik des Zählens nur aus äußerlichen Zufällen zuerst kam. Darum fragt sich, ob die Zählkunst auch aus methodischen Gründen vorangehen musste, weil man auf keine andere Weise zu "abstrakten" Zahlbegriffen gekommen wäre."

Die Zählkunst hat sich unabhängig und vor jeder Mathematik entwickelt,gemäß den praktischen Bedürfnissen der Menschen,so auch die Kunst der Geometer.Eine notwendige Entwicklung hin zu abstrakten Zahlen war nicht abzusehen.Ein theoretisches Verständnis der Zahlen zeichnet sich doch erst zu Beginn der Neuzeit ab.M.Stifel suchte seine Zeitgenossen mit der 1544 in Nürnberg erschienenen Arithmetica integra von der Nützlichkeit negativer Zahlen zu überzeugen,es sei eben kein leeres Geschwätz,wenn Zahlen unter Null,das heißt unter dem Nichts,fingiert werden,Auch da kommt der Wirklichkeitsbezug wieder zum Ausdruck;was unter Null sein soll kann nicht der Wirklichkeit zugedacht werden,denn es ist Nichts.


Urs meinte Euch :"Natürlich können Zahlen auf "Stücke" bezogen werden, aber wie die Mathematik auf Schritt und Tritt beweist, funktionieren sie auch völlig ohne jede Beziehung auf Konkretes. Es bedarf eines zusätzlichen Verfahrens – einer eigens geregelten "Zuordnung" eben -, um eine solche Beziehung herzustellen.(So wie es umgekehrt eines Abstraktionsverfahrens bedurfte, um Zahlbegriffe überhaupt erst zu gewinnen.)"

Die Mathematik kümmert sich nicht um den Wirklichkeitsbezug der zugrundeliegenden Gegenstände.Die Mathematik beweist auf Schritt und Tritt die Gültigkeit ihrer Sätze und liefert manchmal mehr,als in problemorientierter Anwendung benötigt wird.In der Anwendung ist dann der Wirklichkeitsbezug zu prüfen.
Sofern es aber um ganze Zahlen,natürliche Zahlen,Ordnungszahlen oder Bruchzahlen geht,den grundlegenden Operationen damit,wie auch den grundlegenden Begriffen und Anwendungen,die es schon vor der Geometrie des Euklid gab,muß betont werden,daß mit den genannten Begriffen ein gewichtiger Anteil alltäglichen Problemlösens gemeint ist,der unabhängig von Mathematik als Wissenschaft,schon Jahrtausende zum Bestand menschlichen Erfahrungswissens zählt und sich natürlich auf Wirklichkeit bezieht,also all dem,was wirklich ist.



Zu Eberhard :

Wenn "1 + 1 = 2" nicht nur in der wirklichen Welt gilt,wie Sie in Antwort 57 nunmehr zu wissen glauben,ist fraglich,wie denn Ihre Erstaussage

"Unbestritten ist wohl, dass es sich bei "1 + 1 = 2" nicht um eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit handelt."

zu verstehen ist.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 04. Juni 2005, 08:38 Uhr
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Hallo wosi,

Deine mathematikhistorischen Informationen sind sehr aufschlussreich! Erstaunlich, wie lang der Weg zu dem abstrakten Zahlensystem war, mit dem wir heute wie selbstverständlich umgehen, und wie schwierig offenbar die einzelnen dazu erforderlichen Abstraktionschritte zu vollziehen waren.

Leider kann ich im Moment nicht mehr dazu (und zur Zirkelfrage Element/Anzahl/Menge) sagen. Erst Ende nächster Woche wieder.

Bis dahin!

Urs

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 04. Juni 2005, 18:39 Uhr
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Hallo wosi,

Sie schreiben bezogen auf mich:

"Wenn "1 + 1 = 2" nicht nur in der wirklichen Welt gilt, wie Sie in Antwort 57 nunmehr zu wissen glauben, ist fraglich, wie denn Ihre Erstaussage

"Unbestritten ist wohl, dass es sich bei "1 + 1 = 2" nicht um eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit handelt."

zu verstehen ist."

Ich vermute, dass Sie diese Frage stellen, weil sie die beiden (Ist dies eine Zahl?) Äußerungen für logisch widersprüchlich halten. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Wenn ich sage: 1 + 1 = 2 gilt, dann bedeutet das soviel wie: 1 + 1 = 2 stimmt bzw. ist richtig.

Dass 1 + 1 = 2 in diesem Sinne "wahr" ist, ist für mich völlig unstrittig.

Deshalb muss 1 + 1 = 2 jedoch nicht notwendig eine Aussage über die Beschaffenheit unserer Welt sein.

Die Zahl, die als "eins", "1", "uno" oder "I" bezeichnet wird, ist kein empirisch vorfindbarer Gegenstand. Das zeigen ja gerade die Beispiele historischer Zahlensysteme. So beginnt die alt-sumerische Zahlenfolge mit den Namen "Mann" – "Frau" – "viele", für eins – zwei – drei. Der einzelne Mann wurde als ein Beispiel für "eins" genommen; wenn er verheiratet war, symbolisierten er und seine Frau "zwei"; jede größere Zahl war noch "viele". (Dies Beispiel stammt aus: Scriba: The Concept of Number.)

Ganz deutlich wird das, wenn man den Bereich der natürlichen Zahlen überschreitet. Wenn man auf den Bereich der natürlichen (also der ganzen positiven) Zahlen beschränkt ist, darf man nur eine kleinere Zahl von einer größeren abziehen aber nicht umgekehrt.

Die Subtraktion 5 – 3 z.B. ist dann zulässig, nicht jedoch 5 – 7. Man kann von 5 Äpfeln zwar 3 Äpfel wegnehmen aber eben nicht 7.

Erst nach der Erweiterung des Zahlenbereichs um die negativen Zahlen konnte man rechnen: 5 – 7 = - 2.

Es drängt sich die Frage auf: Kann man die Mathematik so erfolgreich auf wirkliche Vorgänge anwenden, weil die Wirklichkeit mathematische Strukturen aufweist oder weil die Mathematiker so erfindungsreich bei ihren aus Zahlen errichteten Konstruktionen sind?

Ähnliches gilt für die Geometrie. Steckt der rechte Winkel bereits im Lot, das der Maurer benutzt, oder ist er ein Konzept unseres Denkens?

Vielleicht trifft beides zu.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 04. Juni 2005, 19:33 Uhr
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hi

ich halte es für fraglich, dass ein signifikanter unterschied zwischen der symbolisch gebundenen abstraktion der ähnlichkeit dreier in einer gruppe zusammengfasster dinge und dem konkreten zahlenbegriff 'drei' besteht. lasst mich erklären was ich damit meine:

in wosis sehr interessanter darstellung ist von kanadischen indianern die rede, die in vielerlei hinsicht quasi kurz davor sind den schritt zum abstrakten zahlenbegriff zu begehen.

ich glaube in der tat, dass das in diesem fall bereits geschehen ist:

"tcha - drei Dinge

tchane - drei Personen

tchat - dreimal

tchatoen - an drei Stellen"

wie man eigentlich sofort sehen kann unterscheidet sich jedes der wörter in seiner struktur und seiner anwendbarkeit. alle enthalten jedoch einen - und das ist das entscheidende -eindeutigen bezug zur zahl '3'!

es handelt sich eigentlich um einen rein sprachlichen entwicklungsschritt, die möglichkeit 'drei' als präfix einer vielzahl von worten vorn an zu stellen und aus der erkenntnis um diese möglichkeit heraus, den begriff 'drei' aus diesem zusammenhang als einen eigenständigen begriff zu extrahieren.

tatsache ist doch, dass man quasi ohne einschränkung mathematik, einschliesslich höherer mathematik, betreiben kann, wenn man anstatt des reinen zahlwortes einen symbolischen bezug unmittelbar folgen lässt. konkret hiesse das, dass es dem verfahren im wesentlichen nicht abträglich wäre, wenn man anstelle von 'drei' oder irgend einer zahl 'x' eben immer 'drei dinge' oder 'x dinge' sagen würde.
die technische- intellektuelle fertigkeit, die hinter dem rechnen steckt, wurde doch offensichtlich schon allein dadurch erworben, dass in den oben genannten begriffen, die neben dem reinen zahlwort eine symbolische zuordnung tragen, alle samt ähnlich ausgesprochen werden:

tcha

tcha-ne

tcha-t

tcha-toen

extraktion: tcha

die ähnlichkeit ist nicht nur semantisch, sondern auch begrifflich vorhanden. man kann doch anstelle von 'drei personen' oder an statt 'an drei stellen' nach europäischem denken auch stehts 'drei dinge' sagen, da es im kulturellen sprachraum europas mitunter intuitiv üblich ist den begriff 'ding' als obergruppe für nahzu alles andere zu betrachten.

ich sehe dies im gegensatz zu der möglichkeit dass die bezeichnungen auch völlig ohne gemeinsamkeiten in aussprache (und schriftlicher übersetzung) ausfallen könnten. sodass etwa 'drei dinge' quak und 'an drei stellen' muh heissen könnten. aber so ist es eben nicht!

vermutlich hat es sich in der sprache dieses indianerstammes einfach anderes verhalten, sodass die hürde dieser abstraktion auf eine schwierigkeit der anwendbarkeit der sprache auf einen begriffskomplex zurückzuführen ist, der eben zufälliger weise im europäisch-kulturellen sprachraum einfach nicht besteht!

ich halte es in jedem fall für ziemlich voreilig zu behaupten, dass das noch kein vollständiger zahlenbegriff ist, wenn kein sinnvoller vergleich der anwandbarkeit mitgegeben wird.

ebenso halte ich es für vorschnell zu sagen, dass der begriff der negativen zahl erst vorhanden war, als es sich als usus durchsetzte diese negativität auch symbolisch festzuhalten, wie das heute über das minuszeichen erfolgt. der begriff der negativität war doch bereits im begriff des 'bedarfs' vorhanden. wenn ein fürst wusste, dass er 30000 sack weizen pro monat benötigt um X>0 steuereinnahmen zu machen und er aber diesen monat auf nur 5000 sack weizen kommt, dann weiss er doch, dass ihm eine genau definierbare menge fehlt, also dass weniger vorhanden ist um die ausgaben für diesen monat zu kompensieren! - weniger als nichts!
ob man nun dem ganzen einen strich voran setzt oder nicht, ändert herzlich wenig an der mathematischen verwendbarkeit des begriffes der 'negativität', auch wenn es diesen als eigenständige sprachliche extraktion damals noch nicht gab.

was damals geschehen ist, war einfach folgendes:

"nebenrechnung: alle folgenden zahlen drücken den betrag aus, der noch fehlt um auf einen ausgleich von einkommen und ausgaben zu kommen"

heute wird das elegant mit einem "-" zeichen erledigt. das heisst aber nicht, dass es nicht schon in der frühesten antike praktiziert wurde!

letztendlich denke ich, dass es sich bei den von wosi dankenswerter weise erwähnten entwicklungen in der renaissance in bezug auf eine erstentdeckung des negativitätsbegriffes um einen eurozentrismus handelt und tatsächlich einfach unbemerkt (?) mal wieder das rad neu erfunden wurde, nur mit einer systematischen verbesserung der anwendbarkeit.

in beiden fällen würde ich daher den zahlenbegriff als bereits gegeben ansehen und lediglich die verwendete symbolik als unterschiedlich weit fortgeschritten betrachten.

mfg flo

edit: nebenbei bemerkt finde ich diese diskussion sehr gelungen und beispielhaft. ich bin sehr positiv überascht von dieser entwicklung, zu der wirklich jede einzelleistung hier beigetragen hat. so muss das sein :-)

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von wosi am 07. Juni 2005, 06:36 Uhr
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Hallo !

Zu Eberhard :

Zu den Merkwürdigkeiten wahrnehmbarer Wirklichkeit gehört gerade das Phänomen der Zählbarkeit.Das ist wirklich ein Phänomen und uns so selbstverständlich,daß wir in große Schwierigkeiten geraten,wollten wir dies zirkelfrei zur Sprache bringen.Mir gelingt das nicht und greife darum zum Notbehelf des Stücks als Anleihe aus dem Kaufmännischen.Was auch immer ein Stück ist,stofflich oder nichtstofflich,es ist eine verständliche Abgrenzung zu den anderen Eigenschaften der uns wahrnehmbaren Dinge oder Gegenstände der Wirklichkeit.
Will man Dinge aufzählen,die merkwürdig oder gar seltsam scheinen und mit den Stückbegriff nicht einfach zu fassen sind,leistet "singulär" gleiches.
Es gibt meines Wissens nach keinen passenden Begriff,der bezeichnet,was wahrnehmbaren Dingen der Wirklichkeit zukommt,damit wir sie zählen können,sondern ohne Umschweife ist sofort die Rede von der Zählbarkeit oder einfach von Zahlen und deren Behandlung.In der Themeneröffnung schreiben Sie:

"Offenbar beziehen sich die Zahlen auf etwas nicht Genanntes."

Wird das Ungenannte aus irgendwelchen Gründen nicht genannt,also verschwiegen,obwohl es wahrnehmend zu unterscheiden,oder von der eigentlichen Sache abgesondert ist,nennt man solch ein Tun schlicht diskret.
Ein solchermaßen diskretisierter Gegenstand menschlicher Wahrnehmung,
kann,muß aber nicht etwas über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit aussagen.Eine Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit wäre dann deren Diskretisierung,was der Begriff Stück auch suggeriert.

In diesem Sinne bestreite ich dann die These:

"Unbestritten ist wohl, dass es sich bei "1 + 1 = 2" nicht um eine Aussage über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit handelt."

Nimmt man die Zahlen als Maß zusammen mit einer Einheit,die sich
aus einer Meßvorschrift ergeben,verwendet sie also in einer Weise,wie in Naturwissenschaft und Technik üblich,dann wird man "1 + 1 = 2" zunächst einmal mathematisch interpretieren und ansonsten nur in Verbindung mit den Einheiten anderweitig gebrauchen.

Ein geeignetes Axiomensystem zur Begründung einer mathematischen Theorie muß nach D.Hilbert drei Kriterien erfüllen:

Widerspruchsfreiheit,Vollständigkeit und Unabhängigkeit.

Will man nun die Zahlen durch ein mengentheoretisches Axiomensystem begründen,muß zur Kenntnis genommen werden :

1938 zeigte K.Gödel,daß die Kontinuumshypothese auf der Basis eines solchen Systems unwiderlegbar,ein Beweis der Widerspruchsfreiheit darin nicht möglich ist.

1963 zeigte Cohen,daß die Kontinuumshypothese mit solchen Axiomen nicht beweisbar ist,d.h.,die Vollständigkeit des mengentheoretischen Axiomensystems kann nicht bewiesen werden.

[Kontinuumshypothese:"Jede überabzählbare Menge reeller Zahlen ist gleichmächtig mit der Menge aller reellen Zahlen."]

Die in der modernen Mathematik übliche Begründung der Zahlen über ein mengentheoretisches Axiomensystem ist also zunächst einmal mit Unsicherheiten behaftet,deren sukzessive Behebung Zusammenhänge mit wahrnehmbarer Wirklichkeit abwegig erscheinen läßt.Der anschauliche und praktische Gebrauch bleibt davon unberührt.

Aber kann sich der die Gegenstände zählende und darüber sinnierende Mensch damit zufrieden geben.Muß er nicht fragen,und er fragt dann ja nicht als Mathematiker oder Physiker,was es denn sein könnte,daß diese,die doch immer in irgend einen Zusammenhang stehen und ohne diesen gar kein Dasein besäßen,als Einzelheiten gefasst werden können und warum wir das können?


Eberhard : "Steckt der rechte Winkel bereits im Lot, das der Maurer benutzt, oder ist er ein Konzept unseres Denkens?"

Der rechte Winkel kann im Lot stehen,muß es aber nicht.Auf abschüssigem Gelände ist der Winkel stets aus dem Lot.Was aber mit der Schlauchwaage als Meterriß angetragen wurde,sollte,wenn alles mit rechten Dingen zuging,stets senkrecht zum Lot sein.Der Fall liegt zunächst ähnlich wie bei den Zahlen,doch mit Euklid entwickelte sich die Begrifflichkeit ganz anders.
Zuvor jedoch,etwa 2000 v.Chr.,kannten die Chinesen den Gebrauch von Zirkel und Lineal und indische Tempelbauer fassten ihre geometrischen Kenntnisse in der "Sulvasutra",das sind die Regeln des Seils,zusammen.
Der aus der Flachsfaser (linum) gesponnene,straff gespannte Faden,der die Linie (linea) vorgibt,läßt schon von der Wortähnlichkeit her an Abstraktion von Faden zur Linie denken.Nimmt man einen zugespitzten Stab (kentron),den griechische Hirten zum Ochsentreiben verwendeten,steckt diesen in flach ausgeharkten Sand,bindet das Ende eines zugfesten Fadens darum,an das andere Ende ebenfalls einen Stab,den man dann soweit vom Zentrum fortbewegt,bis der Faden gespannt ist,dann läßt sich bei Einhaltung dieser Spannung mit festem Abstand eine Bewegungsfigur um das Zentrum im Sande aufzeichnen,den Kreis,wobei der mit den Stäben versehene Faden ein schlichtes Instrument der Konstruktion ist und Zirkel genannt wird.
Viele geometrische Termini sind der griechischen Sprache entnommen und bezeichnen Dinge der Alltagswelt.
Die Möglichkeit eines Beweises über geometrische Behauptungen,nämlich über Kongruenz Flächengleichheit zu beweisen,geht wohl auf Thales zurück.Die Qualität der Beweise lieferte Erfolge,die mit herkömmlichen Erfahrungswissen nicht zu erzielen waren.
Die prägende Ausgestaltung des deduktiven Aufbaus einer Wissenschaft durch die Arbeiten Platons und des Aristoteles machte die Geometrie zu einer sicheren Wissenschaft und die 13 Bücher ,die "Elemente" des Euklid wurden dadurch fast zwei Jahrtausende zum Wegweiser.Die Axiome der euklidischen Geometrie sind unabhängig,widerspruchsfrei und vollständig.
Die dazu erforderlichen Beweise öffneten den Blick auf völlig neue Geometrien.Betrachtet man Transformationsgruppen,dann lassen sich gerade soviele "Geometrien" konstruieren,wie es Transformationsgruppen gibt,deren Bezug zur Wirklichkeit,weil zunächst ohne Anwendung,fraglich sein muß.

Den gespannten Faden zwischen den Befestigungspunkten nennen wir eine Strecke,die Befestigungspunkte einfach nur Punkte,die gemeinsame Stelle zweier gespannter Fäden,die dann als beliebig verlängert gedacht und Gerade genannt wird,den Schnittpunkt,um den dann mit oben beschriebenen Zirkel mit festem Radius ein Kreisbogen geschlagen wird,dessen Bogenlänge gerade das Maß für den Winkel ist,wenn stets ein Radius gleicher Länge verwandt wird,denn ansonsten fehlt die Vergleichbarkeit.
Der Winkel ist also nicht von Gott gegeben sondern Menschenwerk.Er steckt nicht im Lot,es ist derjenige Teil eines Kreisbogens,der die Lotgerade und die jeweils zu betrachtende Gerade,die das Zentrum (Mittelpunkt) als Punkt enthalten muß, schneidet.Die Vergleichbarkeit folgt durch Bezug auf den Einheitskreis,den Kreis mit einen Radius der Länge Eins.



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 09. Juni 2005, 03:16 Uhr
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Hallo!

Wosis Ansatz, der die Entstehung "abstrakter" arithmetischer und geometrischer Begriffe/Sachverhalte aus der praktischen (= technischen) Problemlösung versteht, erscheint mir als sehr plausibel. Ich würde noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass der "Wirklichkeitsbezug" mathematischer Abstracta primär in den zweckorientierten menschlichen Handlungen/Techniken zu suchen ist, durch die diese Abstracta einerseits "erzeugt" (konstruiert) und andererseits angewendet werden.

In dieser Diskussion wurde dagegen nach dem Wirklichkeitsbezug der Zahlbegriffe zunächst mehr unter dem Paradigma der "Bezeichnung" gesucht, also der (theoretischen) Entsprechung zwischen symbolischen Einheiten (hier: Zählzeichen) und "wirklichen Dingen". Dieser Bezeichnungsbezug steht ja offenkundig im Vordergrund, wenn gesagt wird, eine Zahl "bedeute" oder "benenne" jeweils eine Anzahl von Elementen. Typischerweise rückte dabei der "Wirklichkeitsbezug" der Zahlen dergestalt in den Blick, dass nach jenen Strukturen wirklicher Dinge gefragt wurde, die eine Anwendung von Zahlen auf sie ermöglichen. Und so tauchte dann als die "Eigenschaft" der wirklichen Dinge, die sie sozusagen von Natur aus mathematisierbar macht, ihre "Zählbarkeit" auf.

Das erscheint mir aber im Kreis herum gedacht. Dabei legt man "Eigenschaften" von Zahlen in die Natur der Dinge hinein, um sie dann dort staunend wiederzuentdecken – freilich erst, nachdem man den "konstruktiven" Akt des Hineinlegens diskret unter den Tisch hat fallen lassen. Und das Staunen über das "natürliche" Passen der Mathematik auf die Struktur der Wirklichkeit ist so groß, dass man geneigt ist, hier den lieben Gott zu bemühen, der so gnädig für diese wunderbare Übereinstimmung gesorgt hat. Das "Buch der Natur", so sagte (glaube ich) Galilei, sei in der Sprache der Mathematik geschrieben...

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Mir scheint, man begibt sich auf einen Holzweg, wenn man die Bedeutung der Zahlen primär darin sieht, dass sie "für etwas stehen" – nämlich für eine Anzahl von Elementen, Einheiten, Teilen. Die Begriffe von Element und Menge sind nicht weniger abstrakt als Zahlbegriffe, ja sie sind sogar noch abstrakter, weil alles und jedes ein "Element" einer "Menge" sein kann, u.a. AUCH Zahlen. Und es fragt sich, ob die Begriffe von Element und Menge überhaupt zu bilden gewesen wären, wenn man vorher nicht schon über abstrakte Zahlbegriffe verfügt hätte.

Wie dem auch sei: Elemente scheinen mir auf keine Weise etwas in der Natur Gegebenes zu sein. Zwar lassen sich Gegenstände, die man zu bestimmten Zwecken zusammenfassen oder untersuchen will, ALS die Elemente einer Menge ansehen, d.h. man kann ihnen den Prädikator "Element der Menge x" unter bestimmten Umständen ZUSCHREIBEN. Aber mir scheint, als setzte eine solche Zuschreibung eine operative Schärfe (und einen Abstraktionsgrad) voraus, die wir erst durch die Verfügung über Zahlbegriffe gewinnen.

Dabei denke ich vor allem an die "Trennschärfe" der Zahlbegriffe, also ihre "Diskretheit", auf die Wosi in seinem letzten Beitrag hingewiesen hat:


Quote:Wird das Ungenannte aus irgendwelchen Gründen nicht genannt, also verschwiegen, obwohl es wahrnehmend zu unterscheiden, oder von der eigentlichen Sache abgesondert ist, nennt man solch ein Tun schlicht diskret.
Ein solchermaßen diskretisierter Gegenstand menschlicher Wahrnehmung,
kann, muß aber nicht etwas über die Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit aussagen. Eine Beschaffenheit der wahrnehmbaren Wirklichkeit wäre dann deren Diskretisierung, was der Begriff Stück auch suggeriert.



Es gibt sicherlich sehr viele natürliche Gegenstände, die uns in einem solchen Grad der "Diskretion" begegnen, dass wir jedem einzelnen von ihnen einen Zahlbegriff zuordnen können. Aber hängt das nicht in sehr hohem Maß von der Beschaffenheit unserer Wahrnehmung ab und hat es insofern mit der "wirklichen Struktur" der Dinge nur zufällig zu tun? So lange es sich um Obststücke in einem Korb, in der Nähe vorbeifliegende Vögel oder Insekten handelt, haben wir mit der Trennschärfe keinerlei Probleme. Bei Vogelschwärmen, bei Filmbildern, bei "Pixeln", Zellen, Molekülen usw. stößt die "Auflösung" unserer Wahrnehmung sehr schnell an Grenzen. Wir haben also wenig Grund, zwischen "Dingen der menschlichen Wahrnehmung" und unseren Zahlbegriffen eine "reale" Strukturähnlichkeit vorliegen zu sehen.

Mir scheint überdies auf der Hand zu liegen, dass konkrete Dinge niemals die räumliche und zeitliche Trennschärfe (Diskretheit) erreichen, die abstrakte Begriffe, besonders Zahlen, auszeichnet. Sie müssen von uns erst so trennscharf "gemacht" werden - sei es durch sprachliche Selektionen, sei es durch technische Präparierungen -, dass wir IN DER FOLGE eine (annähernde) "Entsprechung" zwischen ihnen und unseren Zeichen vorliegen haben. Bei den Dingen, mit denen wir alltäglich umgehen, ist uns das vielleicht nicht so offensichtlich. Aber sobald wir uns wissenschaftlichen Gegenstandsbereichen zuwenden, tritt das hohe Maß an "Konstruktivität" doch rasch zutage, das der Zuordnung von Gegenständen und Zeichen zugrunde liegt.

. . .

Mittendrin abbrechend:

Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 09. Juni 2005, 16:39 Uhr
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Hallo allerseits,

Urs schrieb: "Elemente scheinen mir auf keine Weise etwas in der Natur Gegebenes zu sein."

Demgegenüber gibt es jedoch zahlreiche Bereiche der Wirklichkeit, in denen es so etwas wie eine natürliche Zusammenfassung von Dingen gibt, die zu den Fragen nach der Quantität führen: "Wie viele …?" oder "Wie oft …?" .

Ich denke z.B. an die Mehrlingsgeburten von Katzen oder Hunden, die Zwillinge, Drillinge, Vierlinge, Fünflinge usw. zur Welt bringen und wo sich die Frage stellt: "Wie viele Junge hat die Katzenmutter zur Welt gebracht?".

Ebenso sind Sonnenaufgänge bzw. Tage sich wiederholende Ereignisse, die z.B. die Frage nahe legen: "Wie oft ist die Sonne aufgegangen, seit er so krank ist?"

Auch Tauschverhältnisse legen quantitative Fragen nahe wie z.B. "Wie viele Schafe ist ein Kuh wert?"

Es ist wohl kein Zufall, dass das Wort "wert" sowohl in dem Wort "Tauschwert" wie in dem Wort "Zahlenwert" enthalten ist.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 09. Juni 2005, 17:16 Uhr
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Hallo Flo!

Deine Überlegungen im letzten Beitrag finde ich sehr klar und überzeugend – bis auf die Stellen, wo Du den Begriff der Ähnlichkeit ins Spiel bringst.

Du scheinst "Ähnlichkeit" als die reale, positive, "gegebene" Übereinstimmung zwischen verschiedenen Elementen, Dingen, Wörtern, Lauten... zu betrachten, die beim Abstrahieren isoliert und herausgehoben wird. Die Ähnlichkeit ist also gewissermaßen das reale Fundament, das den Akt der Abstraktion begründet, auf dem er aufruht

In Zusammenhängen, in denen es einen etablierten Zeichen- oder Sprachgebrauch gibt, kann man m.E. so denken, ohne dabei zu falschen Ergebnissen zu kommen. D.h. man kann kategorisch urteilen "Dieses x ist jenem y (objektiv) ähnlich, und zwar in der und der Hinsicht." (x sei ein Porträt und y der Porträtierte oder x sei der Buchstabe "t’ in meiner Handschrift und y der Buchstabe "t’ in der "Verdana"-Type ausgedruckt.)

Wenn man aber über die Grundlagen solcher Ähnlichkeits-Zuschreibungen überhaupt nachdenkt, stößt man irgendwann auf das Problem, wie die Identität (die "Selbigkeit") einer bedeutungstragenden Einheit (z.B. eines Wortes, einer Vorsilbe, eines Lauts...) durch seine unzähligen Exemplifikationen hindurch abgrenzbar ist. Diese Frage diskutiert z.B. Ferdinand de Saussure in seinen epochemachenden Linguistik-Vorlesungen. Und dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die Identität einer solchen Einheit niemals nur in den positiven Gegebenheiten der Laute oder Schriftzeichen (ihren wahrnehmbaren, "materiellen" Eigenschaften) besteht, sondern sich aus den impliziten systematischen Beziehungen des einzelnen Zeichens zu den anderen Zeichen zusammensetzt. Und diese Beziehungen sind Bündel von Negationen. So ist der Buchstabe "t’ deshalb "mit sich selbst identisch", weil er sich zunächst einmal von allen anderen verwendeten Elementen des Notationssystems unterscheidet. "t’ ist also "distinkt", weil es – a, - b, - c, usw. ist. Saussure sagt:


Quote:Der Wert der Buchstaben ist lediglich negativ und differentiell; so kann ein und derselbe Mensch das t mit Abweichungen schreiben, wie den folgenden: (Es folgen handschriftliche Beispiele.) Das einzig Wesentliche ist, dass dieses Zeichen in seiner Handschrift nicht mit denjenigen von l, d usw. zusammenfließt."
Saussure, Grundlagen der allgemeinen Sprachwissenschaft, S.143



Man kann also durchaus von einer Ähnlichkeit zwischen den verschiedenen Schreibweisen "desselben" Buchstabens sprechen. Diese bewegt sich in einem gewissen Toleranzrahmen für Unähnlichkeiten, also Abweichungen. Aber das Entscheidende ist hier: Dieser Toleranzrahmen lässt sich nicht aus den materiellen Eigenschaften der verschiedenen Exemplare dieses Buchstabens begründen, sondern er wird durch ein ganzes System von Unterscheidungen definiert. Man könnte auch bildlich sagen: Ab welcher Grenze ein hingekritzeltes t aufhört, dem Buchstaben t zu ähneln, darüber bestimmt nicht das t, sondern die anderen Buchstaben, mit denen es zusammenzufließen droht.

. . .

Von hier aus mache ich einen Sprung und behaupte über Ähnlichkeit im allgemeinen: Wenn wir zwei oder mehreren Dingen den (mindestens zweistelligen) Prädikator "Ähnlichkeit" zuschreiben, so liegt dem stets ein Vergleichen und Unterscheiden zugrunde. Wir schreiben Dingen Ähnlichkeit zu auf der "Grundlage" von Unterscheidungen. Jede irgendwo festgestellte Ähnlichkeit wäre demnach keine nackte empirische Gegebenheit, keine reale "Positivität", sondern eine Zuschreibung, die aus einem komplexeren Verfahren resultiert.


Mal wieder abbrechend:
Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 10. Juni 2005, 09:43 Uhr
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Hallo!

Nachtrag zu Identität und Ähnlichkeit als Äquivalenzrelationen:

Dass "Ähnlichkeit" eine Relation ist, die artikulierbare Unterschiede voraussetzt, scheint auch für unsere "unmittelbare", sinnliche Wahrnehmung zu gelten. Z.B. sind unsere Augen immerzu in Bewegung, und man hat experimentell festgestellt, dass ein völlig fixierter Blick so gut wie blind wäre. Daraus lässt sich folgern, dass das, was unsere Augen "aufnehmen", und "verarbeiten", Massen von Unterschieden sind. Identitäten werden von unseren Sinnen gewissermaßen aus Unterschieden zusammengesetzt. Identität ist also nicht nur logisch betrachtet eine mehrstellige Relation zwischen Verschiedenem (nämlich eine Äquivalenz: "x ist dasselbe wie y, z, ..."). Es scheint, dass auch unsere Sinne mit bloßen Gegebenheiten nichts anzufangen wissen, sondern ihre "Informationen" aus Relationen zwischen Gegebenheiten gewinnen.

Wenn man von den "Dingen unserer Wahrnehmung" spricht und sie sich als fertige, mit sich identische "Stücke" denkt, übersieht man die vielstellige Relationalität, die ihrer "Identität mit sich selbst" zugrunde liegt.

Nun sind wir (als Erwachsene) niemals völlig neuen Anblicken ausgesetzt, die wir von 0 aus aus vielen Relationen erst zusammenfriemeln müssten. Wir haben also immer schon erlernte Muster parat, kraft derer wir Einzeldinge als Exemplare, als "Fälle von..." wiedererkennen. Und selbst wenn wir in manchen Regionen eines bereits "durchmusterten" Anblicks auf Neues stoßen, sind wir in der Lage, es in irgend eine Beziehung zum Vertrauten zu setzen: "Das ist doch so etwas ähnliches wie..."; "Das könnte ein Fall von.... sein." Usw. – Aber auch hier bewährt sich die Einsicht, dass Identität etwas Relationales ist und keine simple "Gegebenheit". Die identischen "Dinge", mit denen wir so selbstverständlich umgehen, haben ihre fraglose Identität und Positivität erst nach und nach erhalten, nämlich durch unseren Umgang mit ihnen.

Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 10. Juni 2005, 09:57 Uhr
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Hallo allerseits,

die Mathematik z. B. in Form der Gleichung 37 +5 = 42 setzt das Zählen bereits voraus. Die Probleme beim Zählen interessieren die Mathematiker nicht.

Wenn die Frage lautet: "Wie viele Äpfel sind in diesem Korb?" und ich habe das Problem zu entscheiden, ob es sich bei der einen Frucht um einen Apfel oder um eine Quitte handelt, so hilft mir die Mathematik dabei überhaupt nicht.

Ebenso wenig hilft mir die Mathematik beim Erkennen der Ziffern. Ob es sich bei dem Zeichen "O" um eine Null oder um den Anfangsbuchstaben des Namens Olga handelt, sagt mir die Mathematik ebenfalls nicht. Mit den Problemen der Empirie, der Wahrnehmung, des Messens, der eindeutigen Begriffsbestimmungen etc. hat die Mathematik also nichts zu tun.

Insofern scheinen mir die Fragen, die Urs stellt, Fragen nach den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Mathematik zu sein.

Der Mathematiker beschäftigt sich nur mit der Definition der Zahlwörter. Dabei kommt es darauf an, dass jedem Zahlwort nur eine bestimmte Anzahl (Vielheit) zugeordnet wird.

Die besondere Leistungsfähigkeit der Mathematik beruht jedoch auf einer anderen Eigenschaft der Zahlensysteme: der nach der Größe geordneten Reihenfolge der Zahlen.

Wenn ich weiß, wie im dezimalen Zahlensystem jeweils die nächst größere Zahl erzeugt wird, so kann ich zum Beispiel die Frage beantworten: "Wieviel ist 5.678.984 + 1?", obwohl ich mir diese Frage noch nie vorher gestellt habe. Ich muss dazu nur Wissen, dass nach der 4 die 5 kommt.

Diese Eigenschaft der Zahlensysteme, dass sie eine vollständige Ordnung nach der Größe darstellen, macht es möglich, diese Ordnung überall dort zu benutzen, wo es um die Ablage und das Wiederfinden von Dingen oder Informationen geht.

Grüße an alle, die solche Überlegungen für relevant halten von Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 11. Juni 2005, 04:43 Uhr
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hallo urs

zitat:

"Wenn wir zwei oder mehreren Dingen den (mindestens zweistelligen) Prädikator "Ähnlichkeit" zuschreiben, so liegt dem stets ein Vergleichen und Unterscheiden zugrunde. Wir schreiben Dingen Ähnlichkeit zu auf der "Grundlage" von Unterscheidungen. Jede irgendwo festgestellte Ähnlichkeit wäre demnach keine nackte empirische Gegebenheit, keine reale "Positivität", sondern eine Zuschreibung, die aus einem komplexeren Verfahren resultiert."

ich bin irritiert, dass du glaubst, ich würde anders denken

eigentlich sage ich dieses...

"Du scheinst "Ähnlichkeit" als die reale, positive, "gegebene" Übereinstimmung zwischen verschiedenen Elementen, Dingen, Wörtern, Lauten... zu betrachten, die beim Abstrahieren isoliert und herausgehoben wird. Die Ähnlichkeit ist also gewissermaßen das reale Fundament, das den Akt der Abstraktion begründet, auf dem er aufruht"


... explizit nicht!

ich habe eigentlich von anfang an darauf hingewiesen, dass die bloße naive kathegorisierung über die wahrnehmung nur für die prozdeur der urteilsfindung eine rolle spielt. die abstraktion des ähnlichkeitsBEGRIFFES, die ich versuche als konstante in diesem kontext festzuhalten, basiert selbstverständlich auf dem ausgang eines analytischen prozesses. die ähnlichkeit der dinge selbst ist weder argument, noch voraussetzung für die rechtfertigbarkeit des rechnens. allein die tatsache, dass eine möglichkeit der unterscheidung von strukturen gegeben ist rechtfertigt die kathegorisierungen, bzw. zuordnungen identifizierbarer elemente zu gruppen (mengen) und damit die anwendung eines zahlensystems.

die wahrnehmung selbst ist gleichsam irrelevant wie fundamental: strukturerkennung, d.h. die feststellung, dass etwas prinzipiell unterschieden werden kann, setzt wahrnehmung voraus, sodass der zahlenbegriff nicht wahrnehumungsunabhängig entstehen kann, sobald jedoch die erkenntnis einsetzt, dass man dinge unterscheiden kann - was sofort und unmittelbar geschieht und daher erkenntnistheoretisch unscheinbar ist - ist ein fundament geschaffen von dem aus die folgende begriffsbildung vollkommen unabhängig von irgendwelchen aspekten der wahrnehmung erfolgt.

mit meinem letzten beitrag, den ich persönlich zwar inhaltlich interessant, in bezug auf meine vorangehende argumentation jedoch für irrelevant halte, habe ich nur versucht herauszustellen, was wesentlich ist und was nicht. dabei habe ich auf die verwechslungsgefahr von begriffsbildung und symbolik verwiesen.


fazit: der zahlenbegriff hängt zwar von der erkenntnis um die unterscheidbarkeit ab, also vom ähnlichkeits, bzw. identitätsbegriff, letzterer spielt aber für die begriffsbildung der zahl keine rolle; diese erfolgt einzig und allein aufgrund der abstraktion des ähnlichkeitsbegriffes, also einzig und allein basierend auf der tatsache, dass man im weitest denkbaren sinne sagen kann, dass sich die dinge in irgend einer beliebigen hinsicht ähneln und daher in irgend einer weise zu gruppen zusammengefasst werden können. ob und wie das nun im einzelnen der fall ist oder ob das gar in bezug auf einen speziellen sachverhalt gerechtfertigt ist, spielt für den zahlenbegriff keine rolle.

man muss sich das folgendermaßen vor augen führen:

was bedeutet denn eine abstraktion des ähnlichkeitsbegriffes ?

eine abstraktion ist eine reduktion auf das wesentliche, die notwendig ist, um mit dem identifizierten geistigen gegenstand 'ähnlichkeit' weiterarbeiten zu können. es geht also nicht um die anwendung des ähnlichkeitsbegriffes, sondern allein um die tatsache, dass es offenbar gerechtfertigt ist zu behaupten, dass sich die dinge zu gruppen zusammen fassen lassen, also in irgend einem sinne ähnlich sein können.
der zahlenbegriff gibt dann die antwort auf die an sich hypothetische frage, was passiert, wenn sich gewisse dinge tatsächlich zu einer gruppe zusammen fassen lassen, ob das nun in realiter im konkreten fall operativ richtig durchgeführt wird oder nicht ist gleich.

die mathematik ist sozusagen ein raum der absoluten erkenntnisfähigkeit in einer idealisierten welt, in der sich die dinge, die von interesse sind tatsächlich und eindeutig als ähnlich, d.h. in bezug auf mindestens eine eigenschaft identisch, 'identifizieren' lassen, wobei ich 'identifizieren' in anführungszeichen setze, weil der sonst wahrnehmungsabhängige vorgang der urteilsfindung, bzw. der identifikation von ähnlichkeit oder identität (die im übrigen physikalisch nicht existiert), durch definitionen ersetzt wird.

es geht also im grunde um hypothetische szenarien, in denen tatsächlich, je nach zweckorientierung, alle äpfel in jeder relevanten hinsicht (identisch) gleich sind.
'relevant' ist im letzten satz ein sehr wichtiges wort, weil sich an dieser stelle der rhetorische kreis wieder schliest: 'relevant' bedeutet in diesem fall, dass es um ausgesuchte charakteristika geht, die für die vorzunehmende abstraktion als wichtig festgelegt werden. diese festlegung impliziert natürlich das gründe vorgegeben werden, nach denen ein paar aspekte als relevant von einigen anderen, irelevanten abgetrennt werden und genau an dieser stelle ist die 'essenz' der mathematik zu finden: diese abtrennung ist selbst nicht bestandteil der mathematik, also nicht bestandteil dieser idealisierten, quantifizierbaren welt. sie setzt einen analytischen prozess voraus, der wiederum einen beobachtungsvorgang in der realen welt voraussetzt. die dann gewonnenen erkenntnisse werden in einem idealisierten geistigen gebiet der absoluten erkenntnisfähigkeit abstrakt betrachtet. sobald ein erkenntnisprozess über dieses geistige gebiet verfolgt wird, wird bereits vorausgesetzt, dass sich gewisse dinge augrund der wahrnehmung tatsächlich eindeutig benennen lassen. daher ist die mathematik auch niemals instrumen des absoluten urteils über wahr oder falsch wirklicher begebenheiten.

fazit des fazits:
es ist also nicht die identifikation von ähnlichkeit selbst, die für den zahlenbegriff operativen charakter hat, sondern die abstraktion des geistigen gegenstandes 'ähnlichkeit', der in einer quantifizierbaren, also idealisierten welt repräsentiert wird und zwar nicht in irgend einem konkreten fall, sondern universal.
daher auch meine wortwahl: abstraktion des ähnlichkeitsbegriffes (nicht der ähnlichkeit von dingen an sich und insbesondere nicht im konkreten fall).

mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 12. Juni 2005, 03:04 Uhr
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Hallo Eberhard, hallo Flo!


Quote:Urs schrieb: "Elemente scheinen mir auf keine Weise etwas in der Natur Gegebenes zu sein."

Demgegenüber gibt es jedoch zahlreiche Bereiche der Wirklichkeit, in denen es so etwas wie eine natürliche Zusammenfassung von Dingen gibt, die zu den Fragen nach der Quantität führen: "Wie viele …?" oder "Wie oft …?"



Dass es so etwas wie natürliche Zusammenfassungen von Dingen/Lebewesen gibt, wird durch meinen von Dir zitierten Satz überhaupt nicht tangiert. Es ging mir damit (und mit dem ganzen Beitrag, aus dem er stammt) vielmehr um den hochabstrakten BEGRIFF des "Elements", und von diesem behaupte ich, dass ihm nichts natürlich Gegebenes entspricht. Wohl lassen sich alle möglichen natürlichen oder künstlichen Gegenstände (Dinge, Lebewesen, Moleküle, Elementarteilchen, Ereignisse, Wörter, Zahlen, ...) als Elemente irgendwelcher Mengen interpretieren – mehr oder weniger sinnvoll, je nachdem. Aber die Abstraktheit des Begriffspaars Element/Menge und seine beliebige Definier- und Verwendbarkeit sind für mich eindeutige Indikatoren dafür, dass wir es dabei mit Produkten der menschlichen Reflexion, Abstraktion und Konstruktion zu tun haben.

Der Begriff des Elements bezieht sich zwar auf Besonderheiten ("Individuen"), sieht aber gerade vom Besonderen dieser Besonderheiten völlig ab. Elemente sind nichts anderes als Exemplifikationen eines generellen Terminus (eines Klassenbegriffs). Sicher: Hat man eine Menge M mit den Elementen e’, e’’, e’’’, ..., so fungieren "e’", "e’’" usw. als Eigennamen für Individuen, die sich untereinander in mindestens einer Hinsicht unterschieden müssen. Aber der Sinn des Elementbegriffs liegt gerade darin, von der Individualität der Individuen zu abstrahieren, um diese als möglichst reine Repräsentanten ihrer Klasse zu erfassen.

Daher erklärt es in meinen Augen nichts über den Wirklichkeitsbezug von Zahlen, wenn man sagt, dass sie Häufigkeiten von Elementen bestimmen.

Für mich besteht die "konkrete Wirklichkeit" der Zahlen (wie der sonstigen menschlichen Begriffe) zunächst einmal darin, was Menschen – ihre Erfinder – mit ihnen tun, und zwar (mehr oder weniger) sinnvoll und erfolgreich tun. Dass Menschen viel Erfolg mit ihrer Anwendung von Zahlen auf die Wirklichkeit haben, ist unbestritten, liegt aber m.E. in der menschlichen Fähigkeit begründet, unter sich ständig wandelnden Bedingungen immer wieder gleiche Operationen durch- bzw. gleiche Effekte technisch herbeizuführen. Das primitive Zählen bietet dafür schon ein simples, aber lehrreiches Beispiel: Es wird dabei jedem zu zählenden Vorkommnis immer dieselbe Handlung – ein Handlungsschema – zugeordnet: man macht einen Strich. Durch diese Technik werden die erfassten Vorkommnisse in eine anschauliche Reihe von Gleichen verwandelt, sie werden "gleich gemacht" und so auf handgreifliche Weise als Art oder Klasse konstituiert. Es wird Einheit in der Vielheit hergestellt; der sich immerzu wandelnden Umwelt wird Identität – in einer nur kleinen, aber für uns Menschen relevanten Hinsicht - buchstäblich "einbeschrieben".

- - - - - - - -

Mir liegt nun einmal daran, diesen unmittelbar technisch-praktischen Aspekt des Wirklichkeitsbezugs von Zahlen hervorzuheben. Dabei will ich den "theoretischen" Bezug, den Zahlen zu Dingen haben, gar nicht bestreiten. Mit dem "theoretischen" Bezug meine ich den Aspekt der "Bezeichnung", das "Stehen-für...". Eher "theoretisch" finde ich auch Flo’s Erklärung der Zahl aus der Abstraktion des Ähnlichkeitsbegriffs. (Danke übrigens für Deine Klarstellungen dazu, Flo; verstehe jetzt wirklich besser, wie’s gemeint war. Ich werde noch gesondert darauf eingehen)

Es grüßt (und meint) Euch
Urs

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 12. Juni 2005, 17:48 Uhr
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Hallo Flo!

Deinen Erläuterungen zum Zusammenhang von Zahl und Abstraktion kann ich weitgehend zustimmen. D.h. ich sehe diesen Zusammenhang ähnlich. Aber ich versuche ihn mir verständlich zu machen, ohne dabei auf einen gewissen traditionellen erkenntnistheoretischen Dualismus zurückzugreifen, der wie eine Selbstverständlichkeit gebraucht wird, aber im Zweifellsfall schwer zu explizieren ist. Das ist der Dualismus von "realer Welt" und "idealer Welt", der sich in Begriffspaaren wie "Wahrnehmung" / "Denken", "Gegenstand der Wahrnehmung" / "geistiger Gegenstand", "Objekt" / "Subjekt" usw. fortsetzt.

Die philosophischen Ansätze, die diesen Dualismus zu unterlaufen suchen, sind alles andere als neu und originell. Aber wie man beim Durchstreifen dieses Forums sieht, sind sie noch lange nicht zum philosophischen Allgemeingut geworden. Immer wieder wird über die "reale Welt" in einer Weise gesprochen, dass "Geistiges" darin nicht vorkommen kann. Oder es werden "reale" Sachverhalte und "geistige" Sachverhalte wie Bestandteile zweier klar von einander geschiedenen Reihen gesehen, die man einander 1:1 zuordnet: Dinge – Namen, Gegenstände – Begriffe usw. Das hat dann fast zwangsläufig zur Folge, dass z.B. Begriffe oder "intentionale Zustände" wie eine andere Art von Gegenständen (Dingen) angesehen und behandelt werden. Aber was ist ein "geistiger Gegenstand"? Existiert er unabhängig von konkreten Handlungen wie z.B. dem Sprechen oder dem Zeichengebrauch? Und wenn er gar nicht "existiert", was ist damit dann gemeint? Kann es Zahlbegriffe geben – einfach so, als geistige Sachverhalte, OHNE dass man etwas mit ihnen tut? Konnten sie überhaupt entstehen ohne eine Handlung in der "realen Welt" wie das Zählen?

Meine Sicht auf das Paradigma der "Bezeichnung" – also die 1:1-Zuordnung von Gegenständen und Namen/Begriffen – resultiert aus solchen kritischen Fragen. Und meine Vorbehalte gegen Dein Konzept von Abstraktion kommen auch daher. Denn dieses Konzept behandelt Abstraktion als einen gewissermaßen "geistigen", "theoretischen" Akt, so dass dann auch die "Welt der Mathematik" zu einer "idealisierten", "geistigen" wird.

Das klingt jetzt vielleicht wie ein korinthenkackerisches Bekritteln von Kleinigkeiten oder ein Streit um Worte. Aber ich denke, hier geht es nicht nur um verschiedene Redeweisen, die sich bedarfsweise ineinander übersetzen lassen. Es handelt um einen Unterschied im Ansatz, der sich vielleicht auf anderen Gebieten als folgenreich entpuppen kann (nicht muss).

Es grüßt Dich
Urs

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 13. Juni 2005, 19:40 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Urs,

Du betonst, dass dem Begriff des "Elements" nichts natürlich Gegebenes entspricht. Gilt das nicht streng genommen für alle Begriffe? Mit welchem Begriffsraster wir unsere Wahrnehmungen beschreiben und erklären ist durch das Wahrgenommene nicht völlig festgelegt. Dies zeigt sich bereits an dem Wandel der Begriffe im Laufe der Zeit.

Als Begriff der Mengenlehre, die ja keine Erfahrungswissenschaft ist, sondern eine aus Definitionen und Axiomen konstruierte Theorie, ist der Begriff des "Elements" sicherlich hochabstrakt.

Diese Abstraktheit macht aber gerade die Leistungsfähigkeit der Mathematik aus: Ihre Ergebnisse gewinnt sie an abstrakten bzw. idealisierten Elementen oder Einheiten. Und diese Ergebnisse lassen sich – mit den bereits diskutierten Einschränkungen – auf beliebige konkrete Bereiche übertragen, seien es Euro, Weinflaschen, Neutronen oder elektrische Impulse.

Damit irgendetwas zum Element einer Menge werden kann, muss nur entscheidbar sein, ob die Beschreibung, die die Menge definiert, auf dieses Etwas zutrifft. Außerdem muss dieses Etwas eine Identität besitzen. Ohne diese Identität kann man nicht entscheiden, ob man dieses Etwas bereits gezählt hat. Dies macht zum Beispiel die Schwierigkeit aus, die in einem Käfig umherflatternden Spatzen zu zählen.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 14. Juni 2005, 01:26 Uhr
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Hallo Eberhard!

Dein Beispiel mit den im Käfig umherflatternden Spatzen ist interessant. Will man sie zählen, muss man das Problem der Doppel- und Mehrfachzählung, d.h. das Problem der Identifikation, in den Griff bekommen. Das fällt schwer, wenn man es mit dem bloßen Auge versucht. Fängt man die Vögel aber der Reihe nach ein (und beringt sie womöglich noch auf Ornithologenart), hat man dieses Problem gelöst.

Ich sehe in diesem Beispiel eine Bestätigung meiner Auffassung, dass Zahlen (u.a.) ein technisches Mittel sind, Identität zu stiften und dadurch Dinge kontrollierbar zu machen. Natürlich hat jeder Spatz in dem Käfig "seine eigene", "natürliche" Identität. Aber wir können mit ihr nichts anfangen. Wir müssen erst eine herstellen, mit der wir etwas anfangen können. Und diese Identität unterscheidet sich dann von der "natürlichen" Identität, die der Vogel "von sich aus besitzt".

Interessant ist dieses Beispiel auch, weil sich daran zeigt, dass sich hier nicht Zahlen nach der "Wirklichkeit" richten, sondern dass die "Wirklichkeit" erst passend gemacht werden muss, damit die Technik des Zählens bei ihr zum Zuge kommen kann. Bei vielen Dingen sind dazu keine Manipulationen nötig. Liegen etwa ein paar Äpfel auf dem Tisch, sehe ich "unmittelbar", dass es 3 oder 5 sind. Aber dieses "unmittelbare Sehen" der "gegebenen Anzahl" dieser Äpfel ist nichtsdestoweniger das Ergebnis eines Lernprozesses – eines sehr frühen, elementaren Lernprozesses, denn an solchen Beispielen haben wir alle den Umgang mit Zahlen gelernt.

Wenn wir so geübt sind, dass wir die Zähloperation nicht mehr explizit durchführen müssen, um sagen zu können: "Es sind drei." – dann kann es uns so erscheinen, als sei das "Drei-Sein" eine Eigenschaft dieser Gruppe von Äpfeln, also eine "natürliche Gegebenheit", die wir in unserer Wahrnehmung einfach "abbilden" und dann in einem weiteren Schritt durch das Zahlwort "drei" "beschreiben".

Jemand, der sehr fit im großen Einmaleins ist, kann auch "unmittelbar sehen", dass 13 x 17 gleich 221 ist, so wie ein Kleinkind nach kurzer Zeit "unmittelbar sieht", dass 1 + 1 gleich 2 ist. Jemand wie ich muss 13 x 17 z.B. in 10 x 17 + 3 x 17 *)"zerlegen", also "rechnen". Und daran merke ich, dass Zahlen und ihre Beziehungen untereinander etwas "Künstliches" sind. Beim Blick auf die drei Äpfel vor mir bin ich dagegen geneigt, die Anzahl 3 für etwas zu halten, was mit den Äpfeln selbst "gegeben" ist.

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Ich gebe Dir Recht: Was ich zum Begriff des Elements gesagt habe, gilt eigentlich für jeden Begriff (jeden generellen Terminus), den wir gebrauchen. Aber dadurch, dass wir unsere Orientierung in der Welt zusammen mit dem Sprechen erlernen, erscheinen uns manche Begriffe als "konkreter" als andere. Der Begriff des Baums ist konkret (und nahezu "natürlich"), der Begriff "Molekül" ist abstrakt (oder "künstlich"). Für einen Chemiker oder Physiker dagegen, der in seiner täglichen Arbeit mit Molekülen zu tun hat, ist der Begriff "Molekül" ausgesprochen "konkret".

An dieser Überlegung zeigt sich mir aber wieder, dass der "Wirklichkeitsbezug" von Begriffen nicht einfach in einer Zuordnung zu Dingen (und schon gar nicht in deren gedanklicher Abbildung...) besteht. Vielmehr besteht er in der Art und Weise, auf die unser Sprechen mit unserer Praxis, unserem Umgang mit den Dingen verwoben ist.

Begriffe, die wir selten gebrauchen, die wir womöglich im Lexikon nachschlagen mussten, erscheinen uns als "Kunstwörter". Und da wir sie nur in wenigen Zusammenhängen aktiv gebrauchen, bleibt ihre Bedeutung für uns eine auswendig gelernte Definition: "Ein Engländer ist ein verstellbarer Schraubschlüssel mit breiten, abgestumpften Backen."
Jemand, der in seinem Leben häufig einen "Engländer" zur Hand nimmt und auch immer wieder Gelegenheit hat, Sätze zu äußern wie: "Gib mir mal den Engländer!" oder "Nee, nich’ den Franzosen! Den Engländer!!" wird nie eine Definition gelesen und doch eine erheblich "konkretere" Vorstellung von diesem Werkzeug haben.

Ähnliches gilt natürlich auch für Zahlbegriffe und das, was wir mit ihrer Hilfe tun. Dazu ein andermal mehr.

Es grüßt Dich
Urs


*) Ups, da hatte ich aber einen tollen Bock geschossen... schäm

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 14. Juni 2005, 09:42 Uhr
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Hallo Eberhard, hallo miteinander!

Ein Kopfnüsschen am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen...


Wir haben unsere Diskussion bisher auf die sog. "natürlichen" Zahlen begrenzt. Warum? Weil sie uns "konkreter" erscheinen als etwa die irrationalen Zahlen. Konkreter, das hieße meinem vorigen Beitrag zufolge, dass wir mit ihnen einen intimeren und alltäglichen Umgang pflegen. Sie haben noch einen scheinbar unmittelbaren "Bezug" zur "Wirklichkeit": Mit ihnen können wir Häufigkeiten von Dingen "bezeichnen". Sie sind genauso "mit sich selbst identisch" wie die "natürlichen Dinge".

Aber ist eine irrationale (d.h. "unvernünftige") Zahl wirklich "abstrakter" als eine "natürliche" Zahl (die "der liebe Gott gemacht" hat)? Ist die Zahl Pi weniger "mit sich identisch" als die Zahl 3? Ist die Wurzel aus 4 "identischer" als die Wurzel aus 3? Schwerlich.

Die Zahl Pi ist völlig distinkt von einer "ähnlichen" Zahl, bei der nur in der dreimilliardsten Stelle hinterm Komma eine 2 statt einer 3 steht. Wir können diesen Unterschied nicht "unmittelbar sehen" – so wie wir glauben, den Unterschied zwischen 2 und 3 "unmittelbar zu sehen". Aber die Zahl Pi ist ganz genau definiert durch die - jederzeit reproduzierbare - Operation, also den "Rechenweg", an dessen Ende wir sie finden.

Es grüßt (und meint) Euch
Urs



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 15. Juni 2005, 10:13 Uhr
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Hallo allerseits,

hier noch ein paar Überlegungen zum Realitätsbezug der Mathematik bzw. zum Verhältnis von reiner Mathematik zu angewandter Mathematik.

Bei der Anwendung der Addition muss wohl vorausgesetzt werden, dass die Beschreibung, die die jeweiligen Elemente definiert, unverändert auf diese Elemente zutrifft. Es muss also z.B. gelten:1 Apfel bleibt 1 Apfel oder in der reinen Mathematik 1 = 1. Die Zahl 1 ist nur mit sich selber gleich, also mit jeder anderen Zahl ungleich

Ein Beispiel:
Es werden Raupen, Puppen und Schmetterlinge gezählt.
Angenommen ich habe in einem Käfig 2 Raupen, 2 Puppen und 2 Schmetterlinge.
Dann tue ich noch 2 Raupen hinzu.
Ich erwarte, dass ich damit 4 Raupen, 2 Puppen und 2 Schmetterlinge habe.
Nach einigen Tagen sehe ich nach und habe 3 Raupen, 2 Puppen und 3 Schmetterlinge.
(1 Raupe hat sich in der Zwischenzeit verpuppt und aus 1 Puppe ist inzwischen ein Schmetterling geschlüpft.)

Ein anderes Beispiel:
Am Jahresbeginn leben in einer Wohngemeinschaft die 3 Studeten A, B und C.
Im Mai zieht A aus und D zieht ein.
Ab Juni leben in der Wohngemeinschaft also B, C und D.
Im Oktober heiratet B und heißt jetzt E.
Ab November leben in der Wohngemeinschaft also C, D und E.

Frage: Wie viele Personen lebten in dem betreffenden Jahr in dieser Wohngemeinschaft? Wenn die Personen A, B, C, D und E dort wohnten, dann kommt man auf 1 + 1 + 1 +1 + 1 = 5, wenn man nicht berücksichtigt, dass es sich bei B und E um dieselbe Person handelt, die nicht doppelt gezählt werden darf.

Weiterhin muss für die Anwendbarkeit der Addition auf reale Sachverhalte vorausgesetzt werden, dass der Vorgang der Zusammenfassung der Mengen nichts an dem Zutreffen der Beschreibung auf die jeweiligen Elemente ändert.

Ein Beispiel: die ABC-Partei hat 100.000 Anhänger. Die DEF-Partei hat 200.000 Anhänger. Wenn beide Parteien nun ein Wahlbündnis eingehen, so muss das ABCDEF-Bündnis nicht 300.000 Anhänger haben, denn es kann Anhänger der ABC-Patei geben, die die DEF-Partei zutiefst ablehnen und deshalb keine Anhänger des Bündnisses von ABC-Partei und DEF-Partei sind.

Eine andere Frage zum Realitätsbezug der Mathematik.

Es ist in der Arithmetik nicht erlaubt, durch 0 zu teilen. Warum nicht?

Weil man in der Wirklichkeit auch nicht 6 Äpfel gleichmäßig auf "Niemanden" aufteilen kann? Oder weil die Division die Umkehrung der Multiplikation ist und weil die Umkehrung der Division durch 0 die Multiplikation mit einer nicht bestimmbaren, "unendlich" großen (bzw. kleinen) ganzen Zahl bedeuten würde?
Oder weil es zu dem Bruch 0/4 nicht den Kehrwert 4/0 gibt?

fragt Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von hel am 16. Juni 2005, 11:19 Uhr
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Hallo Eberhard

Du schreibst:

Quote:Es ist in der Arithmetik nicht erlaubt, durch 0 zu teilen. Warum nicht?


Weil es zu Widersprüchen führt:

Aus der Gleichung A x n = B x n folgt A = B x (n/n) folgt weiter A = B x 1 und damit A = B.
Jetzt setze ich A=5, B=6 und n=0.
5x0 = 6x0 ist korrekt, denn 0=0, daraus folgt aber bei Anwendung obiger Gleichung 5=6, was weniger überzeugt.
Also führt die Division durch 0 zu Unsinn und sollte tunlichst vermieden werden.

Grüße,
hel



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 16. Juni 2005, 13:39 Uhr
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Hallo Urs (Antwort #81)!


Daß die irrationalen Zahlen irrational heißen, hat ihnen in einer Zeit, da kaum noch jemand Lateinisch kann, insbesondere kaum ein Mathematiker, sehr geschadet. Natürlich heißt 'irrational' nicht 'unvernünftig' oder etwa 'gegen den Verstand'! Das lateinische Wort 'ratio' heißt hier 'Verhältnis' und gemeint ist damit ein mathematischer Bruch (Quotient). Eine rationale Zahl läßt sich als endlicher Bruch darstellen, d.h. wenn man die größere Zahl als Strecke (oder ein Vielfaches dieser Strecke) darstellt, läßt sie sich durch ein Vielfaches der kleineren Strecke ausdrücken. Vielfach verwendet in Beweisen von Euklid. Dies ist bei Zahlen wie Wurzel aus 2 oder ähnlichen nicht möglich. Hier gibt es keine zwei Zahlen, die in einem bestimmten Verhältnis (ratio) zueinander stehen, sie sind ir-rational!

Nch schlimmer steht es um die transzendenten Zahlen, PI oder e. Während die irrationalen Zahlen sich immerhin noch als Lösungen algebraischer Gleichungen darstellen lassen, ist dies bei den transzendenten Zahlen nicht möglich. Auch dies hat jedoch mit der Transzendenz im philosphischen oder religiösen Sinn nichts zu tun!

Man muß also beachten, daß Wissenschaften oft Wörter aus der Alltagssprache entlehnen, ihnen dann aber einen eigenen Sinn geben, der mit ihrer Alltagsbedeutung nichts zu tun hat.

Darin liegt eine große Gefahr! Z.B. haben die sog. postmodernen Philosophen oft Begriffe aus der Physik entnommen und ohne Kenntnis der eigentlichen Bedeutung daraus Gedankengebäude zusammengefaselt. Sei es die Heisenbergsche Unschärferelation, Begriffe aus Einsteins Relativitätstheorien usw.usw. Alles mußte herhalten, um ihre Ideen zu stützen.

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 16. Juni 2005, 20:21 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Hel,

Danke für die Begründung, warum die Division durch 0 verboten ist: sie führt zu Widersprüchen. Um es noch einmal für Nichtmathematiker zu demonstrieren.

Es gilt die Gleichung:5 x 0 = 6 x 0

Wenn man nun beide Seiten der Gleichung gleich behandelt indem man sie durch 0 teilt, wird aus der Gleichung unzulässiger Weise eine Ungleichung:

..…   ………………: 5 x 0/0 = 6 x 0/0
……………………….: 5 x 1 = 6 x 1
……… ………………: 5 = 6

Demnach besteht der Grund für eine derartige mathematische Regel (Keine Division durch 0!) in dem Erfordernis innerer Widerspruchsfreiheit.

Die Frage, die sich bruchlos anschließt lautet: Warum muss die Mathematik (und jede andere Theorie) widerspruchsfrei sein?

Mit dieser Frage sagt tschüs Eberhard.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von hel am 17. Juni 2005, 11:17 Uhr
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Hallo Eberhard


Quote:Die Frage, die sich bruchlos anschließt lautet: Warum muss die Mathematik (und jede andere Theorie) widerspruchsfrei sein?


Das ergibt sich aus dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten.
Es kann danach nur einer von den beiden Sätzen:

a) 5 ist nicht gleich 6
b) 5 ist gleich 6
gelten.

entweder a oder b ist falsch. Wenn ich in meinem System beide Sätze "beweisen" kann, die sich widersprechen, weiß ich, daß zumindest ein Satz meiner Theorie falsch ist. Ziel jeder Theorie ist es aber, aus wahren Prämissen mit Sicherheit wahre Folgerungen zu ziehen.
Bleiben wir bei unserem einfachen Beispiel:
Wenn ich weiß, daß Axn=Bxn gilt und ich die Division durch 0 verbiete, dann kann ich mich darauf verlassen, daß bei
j e d e m beliebigen Wert von A,B,n (außer n=0) das Ergebnis A=B als "richtiges" Ergebnis herauskommt. Also zumindest eines, das anderen Sätzen meiner Theorie nicht widerspricht.
Natürlich garantiert die Widerspruchsfreiheit innerhalb einer Theorie nicht derenWahrheit. Aber der Widerspruch garantiert, daß sie (zumindest partiell) falsch ist.

Und da wir alle nach Wahrheit streben.....

Grüße,
hel



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 17. Juni 2005, 15:16 Uhr
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hallo urs,

zitat:
"Die Zahl Pi ist völlig distinkt von einer "ähnlichen" Zahl, bei der nur in der dreimilliardsten Stelle hinterm Komma eine 2 statt einer 3 steht. Wir können diesen Unterschied nicht "unmittelbar sehen" – so wie wir glauben, den Unterschied zwischen 2 und 3 "unmittelbar zu sehen". Aber die Zahl Pi ist ganz genau definiert durch die - jederzeit reproduzierbare - Operation, also den "Rechenweg", an dessen Ende wir sie finden."

ich denke, dass das definitiv so ist, auch wenn es sich offenbar der anschauung bisweilen zu entziehen scheint, was mir nicht ganz verständlich ist.

irrationale zahlen, sowie transzendente zahlen ergeben sich doch aus geometrischen zusammenhängen. ein geometrischer zusammenhang erfordert aber das einführen einer metrik und insbesondere einer einheit. sobald aber eine einheit und eine metrik vorhanden ist, was man aufgrund der konstruierbarkeit geometrischer zusammenhänge fordern kann (pythagoras, etc), dann ist auch unter anderem eine unterteilung von strecken möglich, die nicht zwangsläufig aufgrund eines verhältbnisses, also eines bruches, definiert ist und daher in jedem beliebig kleinen intervall rationaler zahlen liegen kann.
die technische motivation die menge der rationalen zahlen einzuführen ist offensichtlich auf einen bedarf der formalisierung von operationen auf solchen mengen zurückzuführen, bei dem sich alles über multiplikation, division, addition und subtraktion erledigen lässt. dabei kann es sich nur um die lösung von verteilungsproblmen (wirtschaft) handeln und eben explizit um nicht-geometrische probleme.
mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 18. Juni 2005, 11:45 Uhr
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Hallo hel,

wie Du schreibst, ergibt sich die Forderung nach der Vermeidung von Widersprüchen aus dem "Satz vom ausgeschlossenen Dritten", der besagt, dass eine Aussage entweder wahr oder falsch ist. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass aus wahren Voraussetzungen bei Anwendung gültiger Schlüsse immer wahre Schlussfolgerungen gezogen werden.

Logiker haben gezeigt, dass man jede beliebige Aussage in einer Theorie ableiten kann, wenn logische Widersprüche zugelassen werden.

Ein Widerspruch besteht immer dann, wenn dieselbe Aussage zugleich bejaht und verneint wird.


Dazu ein Alltagsbeispiel: Beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel fragt Rainer: "Ulli, war das eine 5 oder eine 6, die Du eben gewürfelt hast?" Wenn Ulli jetzt antwortet: "Das war eine 6 und das war keine 6" so wird Rainer sagen: "Das ist doch keine Antwort auf meine Frage!"

Dies demonstriert meines Erachtens den entscheidenden Grund für die methodische Forderung nach Widerspruchsfreiheit einer Theorie. Wenn es um Erkenntnis geht im Sinne der Beantwortung unserer offenen Fragen, so ist eine widersprüchliche Antwort wie die von Ulli gar keine Antwort.

Widersprüchliche Theorien können keine Fragen beantworten und keine Erkenntnis enthalten.

Der Satz vom Ausgeschlossenen Dritten gilt auf der Ebene der subjektunabhängig formulierten Aussagen. Auf dieser Ebene spielen die Sprecher der Aussagen keine Rolle.

Wenn man die Sprecher einbezieht, so stellt sich die Situation etwas anders dar. Wir haben die Individuen Rainer und Ulli. Ulli behauptet: "Ich habe eben eine 6 gewürfelt". Rainer ist sich nicht sicher, ob das stimmt, denn er hat es nicht deutlich gesehen und er weiß nicht, ob er Ulli vertrauen kann. Eine weitere Mitspielerin, Anna, sagt: "Ich glaube, das wahr keine 6 sondern eine 5, die Ulli gewürfelt hat".

Rainer kann keine definitive Entscheidung darüber treffen, ob der Satz: "Ulli hat eben eine 6 gewürfelt" wahr ist oder dessen Verneinung: "Ulli hat eben keine 6 gewürfelt". In dieser Situation kann sowohl der Satz "Ulli hat eine 6 gewürfelt" wie der Satz "Ulli hat keine 6 gewürfelt" rational vertretbar sein. Aber wahr können beide Sätze zugleich nicht sein.

Es grüßt Dich und alle Interessierten Eberhard.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von chripe am 27. Juni 2005, 23:18 Uhr
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Hallo an alle, es tut mir leid, dass ich erst jetzt auf dieses Forum gestoßen bin und somit auch erst heute Eure Diskussion verfolgen konnte.

Ich finde, ihr habt alle recht gute und wunderbare Beiträge gebracht. Doch der Kern ist bei einer solchen frage immer schwer zu treffen.

Ist 1+1=2 eine wahre Aussage?

Ja und nein!

Denn jenachdem in welchem System man selbst sitzt und diese Sache beobachtet, ist sie wahr bzw. falsch.

Beobachtet man von der heutigen Sicht der Mathematik, dann ist wohl schwer anzunehmen, dass es wahr ist. Aber...
warum ist diese denn dann wahr, wenn ich im mathematischen System sitze?
Die Mathematik ist aus der alltäglichen Sprache entstanden und beinhaltet eine Symbolik, die die alltägliche Sprache versucht abzukürzen. Dazu gehören nicht nur die Zahlen, sondern auch gewisse Verbinder, die vorgeben, wie einzelne Zahlen in welches Verhältnis gebracht werden sollen, wie z.B. 1+1=2.
Ganz zu Beginn eurer Diskussion wurde das schon erwähnt, dass diese kurze Formel auch auf verschiedenen Wegen ausgedrückt werden kann. => dennoch bleibt das Ergebnis gleich...

...aber warum ist das gleich?

Als diese Zeichen bzw. Symbole eigeführt worden sind, musste man sich sozusagen darauf einigen, dass die 2 nach der 1 folgt. Und wenn ich zweimal eine 1 habe, dann führt das zur 2.

Vorraussetzung ist hier auch widerrum, das diese 1 von einer Teilmenge ausgeht, die dieselbe Eigenschaft wie die Teilmenge der anderen 1 inne hat. Sie können von mir aus gern Grund auf verschieden sein, aber eine einzige Eigenschaft muss mindestens vorhanden sein, um sie in ein Verhältnis zu setzen.

Ergo: 1: alles ist nur eine Absprache, hätte man damals gesagt,
die 3 nach der 1 folgt, dann wäre die Aussage 1+1=2
nicht wahr

2: Wenn ich zwei Dinge in ein Verhältnis stellen will, dann
muss mindestens EINE gemeinsame Eigenschaft
vorhanden sein.


Tja, jetz hab ich das Gefühl, das ich irgendwie am Thema
vorbeigeschossen bin, denn wenn es darum ging, herauszufinden, in welchen Fällen diese Aussage falsch ist, dann fällt mir spontan ein, dass es immer dann der Fall ist, wenn die Aussage sich nicht auf das System bezieht, von dem man im Allgemeinen ausgeht (Mathe in der Grundschule und weiter). Schon ein Beispiel selbst aus der noch einfachen Mathematik ist anwendbar. Bei der Quersumme von 123 bekommen wir 6 heraus. Natürlich wurde wieder das schon alte Prinzip angewandt, nämlich 1+2+3=6

aber wenn ich jetzt schreibe 123=6 kann man da noch von einer Falschheit reden, wenn mir das Prinzip der Quersummenrechnung bekannt ist?

Eine Sache des Systems find ich.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 28. Juni 2005, 17:20 Uhr
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Hallo miteinander!

Ein paar Bemerkungen zum Verhältnis von "subjektiver Erkenntnis" und "objektiver Geltung":

Im Umgang mit arithmetischen Sätzen (wie "1 + 1 = 2" oder "37 x 75,4 = 2789,8") taucht die Frage nach dem Verhältnis unserer ("subjektiven") Erkenntnis und dem ("objektiven") Gehalt dieser Sätze auf. Bei einfachen, überschaubaren Sätzen gibt es hier keine erfahrbare Diskrepanz. Dass "1 + 1 = 2" wahr ist, erkennen wir unmittelbar. Bei meinem zweiten Beispielsatz müssen wir "nachrechnen", um ihn zu "prüfen" oder nachzuvollziehen. Und dieses Nachvollziehen besteht darin, dass wir die Rechnung in einzelne, für sich genommen überschaubare Sätze zerlegen und ihre Resultate dann nach bestimmten Regeln zusammenfassen.

Ein einmaliges Nachrechnen mag nicht genügen, um etwaige Irrtümer auszuschließen. Erst wenn unsere wiederholte Operation mehrmals dasselbe Ergebnis erbringt, können wir die Geltung des Satzes bestätigen: er ist wahr. Natürlich können wir uns auch mehrmals auf dieselbe Weise irren. Aber das ist sehr unwahrscheinlich. Außerdem gibt es ja auch noch, was man in der Schule als die "Probe" kennen gelernt hat, oder möglicherweise andere Prüfverfahren und –mittel (z.B. Taschenrechner). Greifen wir auf einen Taschenrechner zurück, vertrauen wir dem Gerät blind. Denn er führt uns die Rechnung ja nicht überschaubar vor. Darum haben wir auch keinen "Erkenntnisgewinn", wenn wir ihn benutzen. Wir nehmen die ausgegebene Zahl einfach hin. Wir "vertrauen" dem Gerät blind (eigentlich: seinen Konstrukteuren).

Was hier beim Nachdenken zur Abhebung kommt, ist der Unterschied zwischen der "objektiven Geltung" eines arithmetischen Satzes und unserer "subjektiven Einsicht" in diese Geltung. Ob wir es einsehen oder nicht, ob wir es nachvollziehen können oder nicht: es gilt "27 x 75,4 = 2789,8". Bekommen wir beim Nachrechnen etwas anderes heraus, haben wir uns ("subjektiv") geirrt.

Mathematische Sätze sind in besonderer Weise geeignet, sich den Unterschied zwischen "objektiv" und "subjektiv" zu verdeutlichen. "Subjektiv" ist hier das, was richtig oder falsch sein kann – also unsere Erkenntnis, unser Rechnen, dasjenige, was wir tun, indem wir Rechnen. Subjektiv ist auch die "Erfahrung", dass 2789,8 "herauskommt", wenn man sich auf den umständlichen Weg macht, 75,4 mit 37 zu multiplizieren. Dieses "Herauskommen" ist etwas Neues, etwas nicht Vorausgesehenes, insofern eine "Erfahrung". Aber sie ist es "nur für mich", denn DASS (bei richtiger Rechnung) 2789,8 herauskommen MUSS, steht und stand fest unabhängig von meiner Einsicht und ihren Irrungen. Dieses "unabhängig von" ist das "Objektive".

Nun können die Gründe für mein Falschrechnen vielfältig sein. Sie brauchen nicht einmal mit meinen mathematischen Fähigkeiten zu tun zu haben (eine Ablenkung oder ein Glas Schnaps können genügen). Trotzdem lässt sich der "Raum" des Subjektiven nicht absolut vom "Raum" des Objektiven trennen. Denn auch die richtige Rechnung wird ja von mir selbst durchgeführt, auch die richtige Erkenntnis ist meine (individuelle) Erkenntnis. Darum kann man den Raum des Subjektiven nicht gleichsetzen mit dem Gegenstand der empirischen Psychologie. Denn "in meiner Psyche", die irgendwie einzigartig "empirisch gegeben" ist, befindet sich ja auch die richtige Erkenntnis, die von meiner Psyche und ihrer Beschaffenheit unabhängig gilt.

"Meine" Kompetenz, Rechenregeln in wechselnden Umständen immer wieder richtig anzuwenden, ist nichts einmalig Gegebenes, sondern wird von vielen anderen "geteilt", ja, ich habe sie überhaupt nur, weil andere sie mir beigebracht haben. Man könnte auch sagen: Das Subjektive – meine Erkenntnis, meine Erfahrung, mein "Geist", "Bewusstsein"... – ist in bestimmten, wichtigen Hinsichten immer auch "objektiv". Mehr noch: Nur WEIL dieses Subjektive Objektives (also von allen anderen Subjekten Geteiltes) "enthält", kann ich überhaupt im einzelnen unterscheiden, was "nur subjektiv" ist. Nur in Abhebung vom Gemeinsamen, das auch unabhängig von mir vorhanden ist oder gilt, wird bestimmbar, was allein mir zuzurechnen ist.

Umgekehrt können "objektiv" wahre Sätze auch nicht in der Weise als unabhängig oder "absolut" gültig verstanden werden, dass keine erkennenden Subjekte für ihre Geltung nötig wären. Wenn es niemanden gäbe, der die Geltung eines wahren Satzes nachvollziehen, d.h. sie in seiner subjektiven Erkenntnis einholen oder (nach)konstruieren könnte, wäre es auch mit dieser Geltung nichts.


Es grüßt Euch
Urs

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 29. Juni 2005, 13:41 Uhr
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Hallo chripe,

Du schreibst:
"Alles ist nur eine Absprache, hätte man damals gesagt, dass die 3 nach der 1 folgt, dann wäre die Aussage 1+1=2 nicht wahr."

Das stimmt zwar, aber hier bewegst Du dich ja nur auf der Ebene der sprachlichen Zeichen. Dass diese konventionell sind, ist wohl unstrittig.

Nehmen wir zur Veranschaulichung ein analoges Beispiel:

Ist der Satz: "Pferde sind Vierbeiner" wahr?

Das ist alles eine Frage der Konvention. Wenn das Wort "Pferd" gleichbedeutend wäre mit "3-rädriges Auto", wäre der Satz falsch.

Wir haben die Diskussion jedoch unter der Voraussetzung geführt, dass die üblichen Bezeichnungen des dezimalen Zahlensystems gelten, d.h. z.B., dass ? ? 2 ? sind und nicht 3.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 29. Juni 2005, 14:37 Uhr
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Hallo Urs,

deine Überlegungen zur subjektiven und objektiven Geltung mathematischer Sätze habe ich mit Interesse gelesen. Ich bin allerdings der Meinung, dass man größere Klarheit gewinnt, wenn man sich von dem Begriffspaar subjektiv – objektiv verabschiedet und stattdessen die Begriffe "intersubjektive Geltung" und "intertemporale Geltung" einführt.

Nehmen wir das Beispiel 12 x 11 = ?. Die Rechenvorschrift bringt folgende Lösung:


12 x 11
-------------
12
12
-------------
132
===


Der Satz 12 x 11 = 132 besitzt insofern eine intersubjektive Geltung, als jedes verständige Subjekt, das diese Rechenregel befolgt, zu demselben Resultat 132 kommt.

Der Satz hat außerdem eine intertemporale Geltung, als ich bei wiederholter Befolgung der Regel zu demselben Resultat 132 komme.

Die Rechenregel ist insofern "valide" oder gültig.

Die interne Gültigkeit der Rechenregel kann man durch geeignete Kontrollrechnungen demonstrieren (132 : 11 muss 12 ergeben / wenn ich 11 12-er Blöcke auszähle, muss sich 132 ergeben etc.)

Was darüber hinaus die "objektive Geltung" des mathematischen Satzes sein kann, sehe ich nicht.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 29. Juni 2005, 15:58 Uhr
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eberhard,

diese rechnung ist nur deshalb richtig, weil die definition der verwendete operatoren und symbole eindeutig ist und nichts anderes zulässt als 11*12=132. ich sehe keinen vernünftigen grund zu der annahme, dass diese rechenregel gülte, weil jedes 'verständige wesen' zu jedem zeitpunkt der selben ansicht sei [nixweiss]

die gültigkeit der rechenregel liegt doch den selben definitionen zu grunde, die man auch bei etwahigen kontrollrechnungen verwendet, wie soll man denn die gültigeit einer regel durch eine neuerliche anwendung dieser regel beweisen.

ich habe das gefühl dass der standart dieser diskussion völlig verloren ging, was sich bereits in urs letztem beitrag äussert. es gibt keine unterteilung zwischen subjektiver und objektiver gültigkeit des rechnens. die anwendbarkeit einer quantifizierung muss bereits vorher feststehen und sie ist auch nicht selbst bestandteil des rechnens sondern eines davon abgetrennten kathegorisierens der wahrnehmung, was urs, wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann ja auch so darstellt. aber das hatten wir doch schon alles

kannst du da mal stellung nehmen eberhard?!

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von chripe am 29. Juni 2005, 21:33 Uhr
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Hallo Eberhard:


on 06/29/05 um 14:37:55, Eberhard wrote:Hallo Urs,

deine Überlegungen zur subjektiven und objektiven Geltung mathematischer Sätze habe ich mit Interesse gelesen. Ich bin allerdings der Meinung, dass man größere Klarheit gewinnt, wenn man sich von dem Begriffspaar subjektiv – objektiv verabschiedet und stattdessen die Begriffe „intersubjektive Geltung“ und „intertemporale Geltung“ einführt.

Nehmen wir das Beispiel 12 x 11 = ?. Die Rechenvorschrift bringt folgende Lösung:


12 x 11
-------------
12
12
-------------
132
===


Der Satz 12 x 11 = 132 besitzt insofern eine intersubjektive Geltung, als jedes verständige Subjekt, das diese Rechenregel befolgt, zu demselben Resultat 132 kommt.

Der Satz hat außerdem eine intertemporale Geltung, als ich bei wiederholter Befolgung der Regel zu demselben Resultat 132 komme.



also, ich sehe, dass du meinen Gedankengang kritisiert hast, aber gleichzeitig mit dem obigen Zitat mir doch wieder zugesprochen hast. Also, was ist deine Kritik?

Ich habe nur gesagt, das die Rechenregeln, so wie wir sie kennen, nur deshalb richtig sind, weil wir ALLE ihnen folgen.
Ob es aber sich mit der Wirklichkeit auch so verhält, das können wir nicht sagen, denn es kommt immer wieder vor, das von uns gewonnene "Kenntnisse" schnell überholt sind.

es grüßt chripe

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 29. Juni 2005, 23:13 Uhr
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on 06/29/05 um 21:33:18, chripe wrote:Ich habe nur gesagt, das die Rechenregeln, so wie wir sie kennen, nur deshalb richtig sind, weil wir ALLE ihnen folgen.
Ob es aber sich mit der Wirklichkeit auch so verhält, das können wir nicht sagen, denn es kommt immer wieder vor, das von uns gewonnene "Kenntnisse" schnell überholt sind.



hallo chripe,

das ist aber falsch. die rechenregeln gelten nicht, weil alle denken, dass ie gelten würden, sondern sie gelten weil sie per definition gelten. bitte lies dir den ganzen thread durch, bevor du dich versucht fühlst anzunehmen, dass deine eher bescheiden ausfallende idee hier noch nicht in irgend einer form berücksichtigt und abgehakt wurde ;-)


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 29. Juni 2005, 23:31 Uhr
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Also ich muß mich hier Kataphrakt anschließen. Es ist zwar modern, oder richtiger postmodern, die Mathematik und die Naturwissenschaften als soziale Übereinkünfte zu erklären. Aber das ist vom Ansatz her totaler Quatsch, auch wenn bekannte Namen dahinter stehen!

Die Wahrheit von mathematischen Sätzen ist nicht abhängig von der Zustimmung aller, vieler, mehrerer oder einzelner! Man kann nicht demokratisch abstimmen lassen, ob 1+1=2 ist. Ebensowenig ob e hoch pi x i = -1 ist. Man kann nicht darüber abstimmen lassen, ob der Beweis von Andrew Wiles, daß der Große Fermat wirklich wahr ist, wahr oder falsch ist.

Deshalb ist auch der Satz, die Wahrheit liegt immer in der Mitte, falsch und auch gefährlich. Die Wahrheit liegt grundsätzlich nie in der Mitte!

In dieser Beziehung ist die Wahrheit (ok, was ist sie überhaupt und gibt es sie überhaupt) ein Diktator! Das ist vielen Politikern z.B. nicht verständlich. In der Politik müssen Kompromisse gemacht werden, um zu einem Interessenausgleich zu kommen. Das gilt aber nicht für Naturgesetze oder mathematische Wahrheiten (ok, gibt es die überhaupt). Naturgesetze können im Gegensatz zu menschlichen Gesetzen nicht gebrochen werden. Deshalb können sich Politiker, die sich um alles herummogeln, z.B. nicht um die Erderwärmung herummogeln. Sie wissen es aber bis jetzt immer noch nicht!

Deshalb ist es oft sehr schwierig, mit Politikern über naturwissenschaftliche Probleme zu diskutieren. Sie gehen von völlig anderen Vorraussetzungen aus. Das muß man bei Gesprächen mit ihnen wissen und berücksichtigen.

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von chripe am 30. Juni 2005, 16:39 Uhr
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Hallo kataphrakt, hallo Jochen43:

ich bin mir bewusst, dass meine darlegung schon einmal vorkam, aber es ist meine bisherige überzeugung dessen, dass es sich so verhält, wie ich äusserte.

Jochen43 meinte, dass die Wahrheit nie in der Mitte liegt, sondern eher ein Diktator ist.
Tja, da hat er ja irgenwie recht. Die Wahrheit existiert, denn sonst wäre es ja auch nicht wahr, das wir leben, das es Bäume gibt und Tiere. Das können wir so festhalten. Aber wenn es darum geht, diese Dinge zu beschreiben, dann können wir die Wahrheit nicht erkennen, weil wir sie nur versuchen können, sie zu beschreiben, und eben dieses machen wir - sei es in der Mathematik oder in den Naturwissenschaften oder sonst wo.
Wir bedürfen Hilfsmittel, die die Wahrheit wieder und wieder verzerren und so bekommen wir kein reelles Bild der Wahrheit - denn auch ein Bild ist nicht dasselbe - sondern eine Kopie und besitzt wiederrum ihre Eigenheiten.

Ein Diktator: hmmm, ja das ist sie wohl, doch genausogut kann sie ein Demokrat sein. Wir sehen diesen Politiker und auch seine Handlungsweisen, dennoch können wir uns nie ein komplettes "Bild" davon machen, was er in Wirklichkeit denkt.
Er ist für sich, in seinem System, so wie ich es auch bin, und mich nie einer besser kennen wird, als ich selbst.

freundliche Grüße vom chripe

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 30. Juni 2005, 17:14 Uhr
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Hallo allerseits, hallo kataphrakt,

ich schlage vor, dass wir den gereizten Ton beiseite lassen, Irrtümer sind keine Vergehen und Zensuren werden nicht verteilt. Gefordert ist nur, dass jeder sich darum bemüht, den andern zu verstehen und sich selber verständlich zu machen. Gefordert ist weiterhin, dass jeder bereit ist, nachvollziehbare Argumente des andern auch zu akzeptieren.

Ich hatte geschrieben:

"Der Satz 12 x 11 = 132 besitzt insofern eine intersubjektive Geltung, als jedes verständige Subjekt, das diese Rechenregel befolgt, zu demselben Resultat 132 kommt." (Die gemeinte Rechenregel war die schriftliche Multiplikation durch Zerlegung in mehrere Teilmultiplikationen.)

Du schreibst:

"diese rechnung ist nur deshalb richtig, weil die definition der verwendete operatoren und symbole eindeutig ist und nichts anderes zulässt als 11*12=132."

Die Frage ist, ob sich die beiden Aussagen widersprechen.

Ich hatte nicht behauptet, dass man die Richtigkeit der Gleichung 11 x 12 = 132 durch die Anwendung dieses bestimmten Rechenverfahrens beweisen kann. Ich bin natürlich auch nicht der Ansicht, dass man die Wahrheit von Sätzen durch Abstimmungen feststellen kann.

Bei meiner Antwort auf Urs ging es mir darum, den Begriff der "objektiven" Geltung zu problematisieren. Wenn jemand etwas als "richtig", "wahr", "objektiv gültig" etc. behauptet und damit auch von mir die Zustimmung zu dieser Behauptung verlangt, dann muss er mir (intersubjektiv) nachvollziehbare Argumente dafür geben.

Andernfalls handelt es sich um einen bloßen Appell, die Behauptung zu glauben und der Anspruch auf Wahrheit wird nicht eingelöst.

Wenn Du behauptest, die Gleichung 12 x 11 = 132 sei richtig – und das heißt immer: richtig auch für mich – so musst Du dies für mich (intersubjektiv) nachvollziehbar begründen können. Sonst ist der Anspruch auf Wahrheit nicht von der Verkündung eines Dogmas zu unterscheiden.

Eine intersubjektiv nachvollziehbare Begründung setzt zumindest voraus, dass alle verwendeten Zeichen in ihrer Bedeutung unmissverständlich geklärt sind und dass alle Schlussfolgerungen gültige Schlüsse darstellen.

Es grüßt Euch (ausgenommen den penetranten Vielschreiber) Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 01. Juli 2005, 14:42 Uhr
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hallo eberhart

"ich schlage vor, dass wir den gereizten Ton beiseite lassen"

ja natrürlich, sorry.

"Eine intersubjektiv nachvollziehbare Begründung setzt zumindest voraus, dass alle verwendeten Zeichen in ihrer Bedeutung unmissverständlich geklärt sind und dass alle Schlussfolgerungen gültige Schlüsse darstellen."

das ist schon richtig, aber die gültigkeit dieser rechenoperation ist durch die definition gewährleistet. die ist doch auch dann noch gültig, wen nur ein mensch sie versteht und der rest nicht. sobald die definition jedoch verstanden wurde, wird sie jeder akzeptieren. und zwar nicht akzeptieren müssen, sondern ganz einfach von selbst akzeptieren, in dem man sie begreift. in dem moment in dem eine festlegung zur kenntnis genommen wird, wird doch auch die unmittelbare konklusion zur kenntnis genommen. wie soll man sich dagegen wehren?

mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 01. Juli 2005, 17:10 Uhr
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Hallo flo,

du schreibst: die Gültigkeit dieser Rechenoperation ( 12 x 11 = 132) ist durch die Definition Gewähr leistet.

Bei der schriftlichen Multiplizieren mit mehrstelligen Dezimalzahlen wird die Multiplikation der beiden Faktoren in mehrere Multiplikationen zerlegt, deren Resultate anschließend addiert werden.

12 x 11 = 12 x 1 + 12 x 10 = 12 + 120 = 132

Offenbar werden dabei nicht nur Definitionen, sondern auch Rechengesetze angewandt.

Wie beweist der Mathematiker diese Gesetze?

fragt Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 02. Juli 2005, 15:47 Uhr
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hallo eberhard,

die 'gesetzmässigkeiten', denen rechenoperationen auf mengen zugrundeliegen, führen zu axiomatischen gebilden wie gruppen und körper

ich hab hier was drangehängt: http://www.num.uni-sb.de/junk/teaching/HMI1/material/analysis.pdf

unter A2.3 und A2.4 wird erklärt was eine gruppe und ein körper ist.

die rechenregeln an sich werden im rahmen der gruppentheorie behandelt http://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/article.php?sid=632&ref=http://www.google.com/search&sourceidX=navclient%26hlX=de%26ieX=UTF-8%26rlsX=DVXE,DVXE:2005-14,DVXE:de%26qX=beweise+gruppenaxiome&f=1&ff=y&rd3=1

das ist ein wichtiges (von mir jedoch wenig geliebtes) gebiet der mathematik, das sich ausschliesslich mit der gültigkeit von rechneregeln befasst und dabei die rechenregeln von den zugehörigen mengen getrennt betrachtet.

eine mathematische gruppe ist eine zusammenfassung von regeln, die gewissen axiomen genügen, die eigentlich unmittelbar einleuchten. die sich daraus ergebenden rechenregeln bilden elemente gewisser mengen immer wieder in den selben mengen ab. also alle rechnungen mit plus, minus, geteilt und mal auf der menge der rationalen zahlen liefert wieder rationale zahlen, usw. daher sind alle verknüpfungen von plus minus geteilt und mal auf der menge der rationalen zahlen eine 'gruppe'. diese axiome für sich genommen sind jedoch im sinne der ethymologie des verbs 'beweisen' so nicht beweisbar, aber es besteht auch kein bedarf dazu, weil sie offensichtlich sind. die wahrheit, die darin steckt liegt bereits in der definition, nach der es sich eben nur so und so verhalten kann und nicht anders. das führt wirklich natlos zu dem zurück, was wir hier diskutiert haben, respektive: abstraktion der wahrnehmung, zuordnung erkennbarer strukturen, denk an die bildchen die du gemalt hast.

gewisse axiome bauen aufeinander auf, wie etwa das distributivgesetz und das assoziativgesetz. die kann man natürlich beweisen. aber dass beispielsweise a - a = 0 ist ist nicht wirklich tiefsinnig hinterfragbar. eine grösse, die von sich selbst subtrahiert wird ergibt null. basta.

der reiz an der gruppentheorie ist, dass man von den im alltag bekannten rechenoperationen schnell wegkommt, um kompliziertere strukturen wie die rechenregeln von matrizen oder permutationsgruppen zu untersuchen. aber dieses ganze zeugs basiert letzten endes auf der gültigkeit von plus, minus, geteilt und mal.

ob man nun anstatt mit matritzen zu rechnen ein gleichungssystem umständlich ausschreibt und es einfach gleichung für gleichung löst, ist lediglich eine frage der gewünschten effizienz. daher ist die gruppentheorie eigentlich keine grundlage wie die infinitesemalrechnung. es ist ein theorie, die sich mit der systematischen erfassung mathematischer strukturen befasst. was natürlich von enormer wichtigkeit ist, insbesondere wenn es u8m die verarbeitung großer datenmengen geht.


ich bin nicht ganz zufrieden mit dieser antwort, aber vielleicht fällt uns ja noch was besseres ein, wenn du oder jemand anders einen entsprechenden impuls liefert.

bei dieser gelegenheit merke ich mal wieder, wie wichtig der geistige austausch ist. ohne diskussionen wie in diesm forum, gibt es überhaupt keine motivation gedanklich in gewisse gebiete vorzudringen und sich zu orientieren. ich denke, dass das maßlos unterschätzt wird.

mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 03. Juli 2005, 13:34 Uhr
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Hallo Eberhard,

beim Begriff der Geltung ist es vielleicht nicht nötig, einen Unterschied zwischen "objektiv" und "intersubjektiv" zu machen. Sätze können nur gelten für Subjekte, die diese Sätze einsehen oder - im Einzelfall - nicht einsehen. Das wurde in meinem letzten Beitrag nicht klar.

Allerdings denke ich, dass man auf den Gegensatz "subjektiv – objektiv" nicht völlig verzichten kann. Denn Sätze haben ja nicht nur eine Geltung für..., sondern auch einen sachlichen "Gehalt". Oder anders gesagt, sie stellen einen "Sachverhalt" dar, z.B. den Sachverhalt, dass 12 x 11 gleich 132 ist. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Eigenschaften des Zahlensystems (d.h. den Definitionen der Zahlbegriffe und den zulässigen Operationen). Er ist in den Eigenschaften des Systems "impliziert", und zwar unabhängig davon, ob es überhaupt Subjekte gibt, die von dieser Implikation wissen.

Der Satz des Pythagoras konnte nicht intersubjektiv gelten, bevor er formuliert wurde. Aber der Sachverhalt, den dieser Satz darstellt, kam nicht erst mit dessen Formulierung in die Welt. Dieser Sachverhalt (diese Implikation des geometrischen Systems) muss auch unabhängig von seiner Entdeckung und Formulierung bestanden haben. Und für ein solches Bestehen eines Sachverhaltes "unabhängig von..." scheint mir der Begriff "objektiv" passend zu sein.

Allgemeiner gesagt: Der Begriff der Geltung bezieht sich wohl auf die Handlung des Behauptens, die ein Subjekt mit der Formulierung eines assertorischen Satzes vollzieht. Der Begriff des "Objektiven" dagegen bezieht sich auf den Sachverhalt, der im behaupteten Satz dargestellt wird. Und es scheint mir auch in der Mathematik sinnvoll oder sogar notwendig, diese beiden Ebenen auseinander zu halten.

Zwar ist das Zahlensystem (oder die Geometrie) "nur" eine menschliche Erfindung. D.h. es ist eine Konstruktion von Subjekten für Subjekte. Aber als System, das einmal in der Welt – also "objektiv" vorhanden - ist, hat es Eigenschaften und Implikationen, die von seinen Erfindern unabhängig bestehen und vielleicht erst nach und nach herausgefunden und überblickt werden können. (So verhält es sich auch mit der Technik, deren "Segen" und "Fluch" gleichermaßen in ihrer "Verselbständigung" liegen.)



Zum Begriff "intertemporal":

Der Sachverhalt, dass 11 x 12 = 132 ist, scheint mir gar keine zeitliche Bedeutung zu haben. Es ist also kein "intertemporaler" Sachverhalt, weil ihm der Bezug auf Zeit völlig abgeht.
Wird dieser Sachverhalt allerdings in einem Satz behauptet, so mag diese Behauptung intertemporal gelten, denn das Behaupten ist, als Handlung eines (mindestens eines) Subjekts, etwas Zeitliches. Und das Gelten eines Satzes bezieht sich auf seine Anerkennung durch raumzeitliche Subjekte.

Schönen Gruß
von
Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 03. Juli 2005, 14:06 Uhr
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Hallo Urs!

Ich finde es gut, daß Du sagst, mathematische Sätze sind zeitunabhängig. Und wahre Sätze gelten eben auch zeitlich unbegrenzt. Ich würde noch hinzufügen, sie sind auch sozial unabhängig, sie gelten unabhängig von gesellschaftlichen Schichten (Was z.B. in Mathematikbüchern aus der Sowjetunion anders behauptet wurde!).

Und es ist wichtig zu sagen, daß die geometrischen oder mathematischen Sachverhalte auch schon bestanden, bevor sie von Menschen erkannt und formuliert wurden. Du weißt ja, daß es da auch andere Meinungen gibt.

Allerdings kann man Deine Aussage, die Zahlensysteme und die Geometrie seien rein menschliche Erfindungen nicht so einfach stehen lassen. Wenn es stimmt, daß die Sachverhalte selbst bereits vor der Formulierung durch Menschen bestehen, dann handelt es sich nicht um Erfindungen, sondern um Entdeckungen!

Mir ist klar, daß dieses Problem an die tiefsten Grundlagen der Mathematik rührt, an die Frage, ob es die Zahlen gibt, wie andere Dinge um uns herum auch, oder ob es nur Gedankenkonstrukte sind. Oder muß man da Unterschiede machen, wie sie z.B. Kronecker machte, als er sagte, die ganzen Zahlen habe der liebe Gott gemacht, alles andere sei Menschenwerk?

Für diese Auffassung könnten neueste Forschungsergebnisse sprechen, nach denen nicht die Menschen die Erfinder der Zahlen sind, sondern daß auch Tiere über ein Zahlenverständnis verfügen und bereits 'zählen' können. Dann wäre die Mathematik keine Ersterfindung des Menschen, sondern wäre bereits vorher angelegt, dann aber durch den Menschen in ungeheure Höhen weiterentwickelt worden.

Mit freundlichem Gruß

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 03. Juli 2005, 15:10 Uhr
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hallo

es ist eigentlich nicht so, das eberhard definitiv falsch liegt.

das kriterium, das er für die gültigkeit von rechenregeln aufstellt ist einfach kein notwendiges, sondern lediglich ein hinreichendes kriterium.
ein satz der per definition eindeutig ist und aufgrund der logik wahr ist, ist selbstverständlich intersubjektiv und intertemporal gültig, nur ist es nicht umgekehrt so, dass ein satz der intertemporal und intersubjektiv gültig ist auch zwangsläufig formal korrekt ist; bzw, lässt sich die richtigkeit oder inkorrektheit nicht zwingend über den abgleich mit eventuellen definitionen feststellen, weil ein intersubjektiv und intertemporal gültiges prinzip (ich sag mal prinzip, auch wenn das villeicht nicht ganz das richtige ist) nicht zwingend eindeutig formuliert ist. intersubjektivität und intertemporalität (hoffe die substantivierungen sind richtig) sind eher soetwas wie statistische ausnahmefälle als scharfe kriterien. das charakteristische der mathematik ist nämlich die eindeutigkeit mathematischer sätze. etwas, das wirklich eindeutig ist kann definitiv nicht von unterschiedlichen subjekten unterschiedlich verstanden werden, daher kann es auch keine varianz der beurteilung eines mathematischen satzes innerhalb einer gruppe mehrerer subjekte geben, also muss intersubjektive übereinkunft vorhanden sein.

EDIT: andererseits ist klar, dass eine aussage, die in irgendend einer weise den verdacht auf eine polysemie zulässt, nach einem hinreichend großen zeitraum keine intertemporale intersubjektivität mehr gewährleistet werden kann. in einer gewissen momentaufnahme können mehrere personen durchaus der gleichen (ev. falschen) ansicht sein, ohne dass dem irgendwer widerspruch entgegnen würde. es ist also intersubjektive gültigkeit ohne intertemporale gültigkeit möglich.


mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 03. Juli 2005, 17:35 Uhr
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Hallo Kataphrakt!

Du hast geschrieben:
in einer gewissen momentaufnahme können mehrere personen durchaus der gleichen (ev. falschen) ansicht sein, ohne dass dem irgendwer widerspruch entgegnen würde. es ist also intersubjektive gültigkeit ohne intertemporale gültigkeit möglich

Das aber gilt nicht für die Mathematik, über die wir hier ja sprechen! Da gibt es keine intersubjektive Gültigkeit, sondern nur die Frage, ob ein Satz wahr oder falsch ist. Und die Entscheidung darüber ist nicht abhängig von irgendwelchen Ansichten oder Ablehnungen. Und daher ist ein wahrer mathematischer Satz immer intertemporal gültig. Ich weiß nicht, woher diese Meinung stammt, daß die Mathematik ein sozialer Akt ist. Ich vermute, daß haben die Soziologen sich ausgedacht! Und daß die Mathematik ein intersubjektiver Vorgang stammt wohl von den Psychlogen. Aber diese beiden haben in der Mathematik nichts zu suchen!

Mit freundlichem Gruß



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 03. Juli 2005, 19:38 Uhr
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nochmal,

wenn eberhard sagt, dass mathematische sätze intersubjktiv und intertemporal gültig sind dann hat er damit recht, weil diese behauptung durch die forderung nach der eindeutigkeit mathematischer sätze a priori gesichert wird.

intersubjektivität und intertemporalität sind formal schwächere kriterien als vollständigkeit und eindeutigkeit (das ist keine gewollte gegenüberstellung) und sie hätten in der mathematik nichts zu suchen, wenn sie die alleinige basis des jeweiligen argumentators wären. im kollektiv von eberhards argumentation und meiner sind sie dies jedoch nicht, weshalb deine bemerkung im grunde überflüssig ist, wenn auch nicht falsch. ich glaube überdies nicht, dass das alles ist, was eberhard damit gemeint hat, aber er wird verständlicherweise keine große lust haben irgendwas zu ergänzen, wenn er vor lauter meinungsaustauscherei (ungleich argumentation) den überblick verliert und genervt ist.

mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 04. Juli 2005, 01:20 Uhr
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Hallo Jochen,

Du schreibst:


Quote:Wenn es stimmt, daß die Sachverhalte selbst bereits vor der Formulierung durch Menschen bestehen, dann handelt es sich nicht um Erfindungen, sondern um Entdeckungen!



Dazu möchte ich klarstellen: Mathematische Sachverhalte können schlecht schon bestanden haben, ehe es eine Mathematik gab. Wie soll man sich das vorstellen?

Und selbstverständlich sind Zahlensysteme menschliche Erfindungen. - Möglich, dass Tiere - ganz rudimentär - etwas mit Zahlen anfangen können, nämlich wenn sie ihnen von Menschen mühsam beigebracht werden. So gibt es auch einen Hund (Rico), der 200 Gegenstände anhand ihrer Eigennamen identifizieren und apportieren kann. Aber ob er das je gelernt hätte ohne sein Frauchen? Hier schon einen Beleg für die begrifflichen Fähigkeiten von Tieren zu sehen, scheint mir mächtig übereilt. (Aber der populärwissenschaftliche Diskurs, der bekanntlich von Sensationen lebt, wimmelt von solchen Übereilungen.)

Was ich also meinte und hiermit hoffentlich klarer formuliere:
Jene mathematischen Sachverhalte, die unabhängig von ihrer Entdeckung bestehen, sind lediglich (notwendige oder mögliche) IMPLIKATIONEN des Zahlenssystems, das als solches eine menschliche Erfindung ist.
Aber bekanntlich überblicken wir nicht so leicht immer alle Implikationen und Möglichkeiten unserer Erfindungen. Auch kann es sehr lange dauern, sich über die (logischen) Konsequenzen dessen klar zu werden, was man in einer bestimmten Situation behauptet hat.

Das scheint mir etwas spezifisch Menschliches zu sein: Wir haben die Fähigkeit, Regeln zu entwerfen und ihnen in immer neuen Kontexten zu folgen. Mithilfe solcher Regeln (oder Regelsysteme) erweitern wir unseren Horizont über die jeweilige Situation in Raum und Zeit hinaus. Jedenfalls potentiell. Denn aktuell bleibt die Fassungskraft unserer Wahrnehmung auf einzelne Raum-Zeit-Stellen begrenzt, und auch unser Bewusstsein kann nur ziemlich begrenzte Zusammenhänge im Nu erfassen. Aus diesem Grund müssen wir komplizierte Sachverhalte aufteilen in übersichtliche, nachvollziehbare Schritte. Nichts anderes tun wir ja, wenn wir mit großen Zahlen rechnen oder Sätze "beweisen"...

So sind also einerseits unsere Fähigkeit, Regeln wie Gleise in eine unabsehbare Zukunft zu verlegen, und andererseits die begrenzte Fassungskraft unseres Geistes dafür verantwortlich. dass wir häufig Sachverhalte in die Welt setzen, ohne schon ausdrücklich von ihnen zu wissen. Der Mensch ist ein Wesen, das von den Konsequenzen seines Handelns - angenehm oder unangenehm - überrascht werden kann. (Ödipus)

Schönen Gruß
Urs

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 04. Juli 2005, 13:49 Uhr
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Hallo allerseits,

ich habe weder den Überblick verloren noch bin ich genervt (höchstens von h.s.). Ich bin im Gegenteil sehr zufrieden mit der Diskussion, weil ich daraus etwas lernen kann.

Ich denke nach über Formulierungen wie:

Sätze stellen einen "Sachverhalt" dar, z.B. den Sachverhalt, dass 12 x 11 gleich 132 ist. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Eigenschaften des Zahlensystems (d.h. den Definitionen der Zahlbegriffe und den zulässigen Operationen). Er ist in den Eigenschaften des Systems "impliziert", und zwar unabhängig davon, ob es überhaupt Subjekte gibt, die von dieser Implikation wissen.

In der Mathematik gibt es keine intersubjektive Gültigkeit, sondern nur die Frage, ob ein Satz wahr oder falsch ist. Und die Entscheidung darüber ist nicht abhängig von irgendwelchen Ansichten oder Ablehnungen. Und daher ist ein wahrer mathematischer Satz immer intertemporal gültig.

Ein Satz der per definition eindeutig ist und aufgrund der Logik wahr ist, ist selbstverständlich intersubjektiv und intertemporal gültig, nur ist es nicht umgekehrt so, dass ein Satz der intertemporal und intersubjektiv gültig ist auch zwangsläufig formal korrekt ist.

Wir sind dicht beim Thema: Inwiefern sind mathematische Berechnungen "wahr" (objektiv bzw. allgemein bzw. intersubjektiv und intertemporal gültig)?

Vielleicht wird manches klarer, wenn wir uns mit den "zulässigen Rechenoperationen" und den Kriterien der Widerspruchsfreiheit, der Eindeutigkeit, der Vollständigkeit, der deduktiven Schlüssigkeit befassen.

Wir hatten bereits das Verbot der Division durch 0, weil sie zu Widersprüchen führt.

Wie ist das mit der Regel 3 – 3 = 0 oder allgemein formuliert a – a = 0?
Wie ist das mit der Regel 7 + 2 = 2 + 7 oder allgemein formuliert: (a + b = b + a)?
Wie ist das mit der Regel, dass die höheren Rechenarten zuerst ausgeführt werden müssen, also : 7 + 3 x 2 = 7 + 6 und nicht: 10 x 2 ?
Oder wie ist das gar mit der Regel 7 = 7 oder allgemein formuliert a = a?

Wie werden diese Regeln (intersubjektiv nachvollziehbar) begründet? Kann jemand den zugrunde liegenden Gedankengang in seinen einzelnen Schritten einmal ausformulieren?

fragt Eberhard.


p.s.: Meinen gegenwärtigen Erkenntnisstand in Bezug auf Zahlen und Zählen hänge ich für Interessierte noch einmal hier dran.

Das, worin sich die Gebilde in den folgenden Klammern unterscheiden: ( ||| ), ( |||| ), ( | ), ( ||||||| ) soll "Anzahl" heißen.

In diesem Fall ist es die jeweilige Anzahl an senkrechten Strichen. Man könnte statt der senkrechten Striche jedoch beliebige andere unterscheidbare Gebilde nehmen.

Die Phänomene, um deren Anzahl es geht, sollen als "Elemente" bezeichnet werden.

Die Anzahl bestimmter Elemente und ihre Veränderung ist für die Menschen oft von großer Bedeutung. Es macht einen lebenswichtigen Unterschied, ob ein Mensch pro Tag nur wenige oder viele Reiskörner zum Essen hat.

Man kann die Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der Elemente grob mit Worten beschreiben wie:
"wenige, "einige", "viele", "sehr viele", "etliche", "zahlreiche" Elemente.

Die Beschreibung einer Anzahl ist am genauesten, wenn man jeder möglichen Anzahl einen eigenen Namen gibt.

Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte dabei jeder Name nur einmal vergeben werden.

Der Einfachheit halber sollte jede Anzahl nur einen Namen erhalten.

Dazu erstellt man eine vollständige Aufstellung aller möglichen Anzahlen von Elementen, indem man - beginnend mit der leeren Klammer - nacheinander jeweils immer ein weiteres Element hinzufügt.

Es entsteht so eine nach der Größe geordnete vollständige Reihenfolge sämtlicher möglicher unterschiedlicher Anzahlen.

Es ist vorteilhaft, wenn die Namen ebenfalls eine vollständige und feste Reihenfolge ausgedrücken.

Dies kann man z.B. dadurch erreichen, dass man die Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 in der angegebenen Reihenfolge kombiniert:
00, 01, 02 …usw. bis … 97, 98, 99.

(Um die Darstellung möglichst überschaubar zu halten, wurden hier nur zweistellige Ziffernkombinationen verwendet. Wenn man mehr Namen benötigt, kann man Ziffernkombinationen mit beliebig vielen Stellen zulassen.)

Nun kann man den in aufsteigender Größe geordneten Anzahlen - beginnend mit "( )" - jeweils einen dieser Namen - beginnend mit "00" – zuordnen und erhält folgende Definitionen für die einzelnen Zahlen:

( ) ~ 00 , ( | ) ~ 01 , ( || ) ~ 02 , ( ||| ) ~ 03 , usw. bis ( ||||| … ) ~ 99.

Damit haben wir "Zahlen". Zahlen sind die Namen der verschiedenen Anzahlen von Elementen.

Wenn man eine beliebige Anzahl irgendwelcher Elemente hat – z.B. die Großbuchstaben in der folgenden Klammer: (4 i 8 k R 3 - ü t S) – und man will diese Anzahl genau benennen, dann muss man diese Elemente als solche identifizieren (R S) und zählen (2).

Das Zählen erfolgt analog zur Definition der Zahlen, d.h. ich nehme ein Element nach dem andern und mit jedem Element rücke ich - bei 0 beginnend - zur nächsten Zahl, bis kein Element mehr übrig ist.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 04. Juli 2005, 19:14 Uhr
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Hallo Eberhard, hallo allerseits!

Ein Einspruch gegen diese Formulierung:


Quote:In der Mathematik gibt es keine intersubjektive Gültigkeit, sondern nur die Frage, ob ein Satz wahr oder falsch ist.



(Ich übersehe gerade nicht, von wem sie ursprünglich stammt; sie könnte von Jochen sein.)

"Geltung" von Regeln oder Sätzen kann es nicht geben ohne Subjekte, für die sie verbindlich sind bzw. von denen sie anerkannt werden. Nun basieren Zahlensysteme bzw. Mathematik und Geometrie insgesamt auf Regeln, die von allen mit ihnen rechnenden Subjekten anerkannt werden. Diese von vielen geteilte Anerkennung, dieses Übereinkommen in einer Reihe von Regeln ist letztlich die Grundlage der Geltung.

[Dabei spielt es eine nachrangige Rolle, wie diese Übereinkunft zustande gekommen ist. Wir haben in der Schule einfach das Rechnen und zuvor schon die Regeln der deutschen Sprache gelernt, ohne dass uns jemand nach unserem Einverständnis gefragt hätte. Wir haben uns diesem pädagogischen Druck anbequemt, offenbar weil uns die Übernahme dieser Regelkompetenzen mancherlei Vorzüge gebracht hat. Als Erwachsene wissen wir, dass es Alternativen zu diesen uns früh eingebleuten Regeln gibt, und es steht uns sogar frei, diesen Regeln unsere Anerkennung zu entziehen (was allerdings seinen Preis hätte...).]

Die Gültigkeit einzelner Sätze, die innerhalb eines Regelsystems widerspruchsfrei möglich sind, sollte von allen, die dessen basale Regeln anerkennen, eingesehen werden. Tun sie es fallweise nicht, liegt der Fehler bei ihnen; sie verwickeln sich in einen Widerspruch zu ihren eigenen Annahmen oder Voraussetzungen. Auf der Ebene einzelner Sätze also ist eine ausdrückliche Anerkennung der Sprecher und Adressaten nicht nötig, um diesen Sätzen zur Geltung zu verhelfen. Hier folgt die Geltung (die Wahrheit) sozusagen "automatisch" aus der Anerkennung der basalen Regeln. (Dass es sich dabei um einen "Automatismus" handelt, ist u.a. eine Voraussetzung für die Konstruktion von Rechenmaschinen.)

Schönen Gruß
Urs



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 05. Juli 2005, 01:20 Uhr
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Hallo Urs!

Wenn man von intersubjektiver Gültigkeit spricht, dann setzt das doch immerhin voraus, daß es mindestens 2 Subjekte gibt, die sich über die Gültigkeit verständigen.

Damit wird die Gültigkeit, ich würde lieber von Wahrheit sprechen, aber davon abhängig, daß sich diese 2 Subjekte über die Gültigkeit verständigen.

Käme es zu keiner Einigung, dan gäbe es auch keine intersubjektive Gültigkeit.

Mathematische Sätze aber haben gerade die eigentümliche Eigenschaft, daß sie völlig unabhängig von solche Einigung von 2 Subjekten sind!

Und sie sind wahr vor 2000 Jahren, heute und in 2000 Jahren. Das meinte ich mit intertemporaler Gültigkeit.

Zusätzlich sind sie nicht nur hier auf der Erde gültig, sondern im gesamten bekannten Universum. Man muß sie also auch als interlokal gültig bezeichnnen.

Faßt man diese Eigenschaften zusammen, kann man einfach sagen, sie sind universell gültig!

MfG


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 05. Juli 2005, 01:58 Uhr
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Hallo Eberhard!

Du hast nach der Begründung folgender Sätze gefragt:
(1) a-a=0
(2) a+b=b+a
(3) Punktrechnung geht vor Strichrechnung
(4) a=a

Diese Sätze stammen alle aus völlig verschiedenen Ebenen. Ich beginne mal hinten:
(4) z.B. ist kein Satz der Mathematik, sondern ein logisches
Axiom, das Axiom der Identität. Es steht über der
Mathematik, gehört also zur Metamathematik, wenn man
so will.
(3) ist eine einfache Regel. Willkürlich, kann man sagen. Man
könnte sie auch umgekehrt formulieren. Sie sollte
möglichst praktisch sein. Eine Frage der Ökonomie, wenn
man so will.
(2) ist schon schwieriger zu beantworten. Die Gültigkeit von
(2) hängt davon ab, um welche Strukturen es sich
handelt. Handelt es sich bei a und b z.B. um die ganzen
Zahlen und bei + um die normale Addition, dann gilt (2).
Sind aber a und b Matrizen und bei + handelt es sich um
die Addition von Matrizen, dann gilt (2) nicht. Mit anderen
Worten a+b=b+a kann nicht willkürlich festgesetzt
werden wie (3), sondern die Gültigkeit muß innerhalb
eines Systems erst bewiesen werden.
(1) hängt von der Definition der Subtraktion ab. Nehmen wir
an, daß es sich bei a um eine natürliche Zahl handelt
(unser Thema heißt ja '1+1=2?'), dann gelten zunächst
einmal die Axiome von Peano, welche die natürlichen
Zahlen definieren. Die Definition der Subtraktion führt zum
Ergebnis, daß die Gleichung a-a nicht im Raum der
natürlichen Zahlen lösbar ist, da 0 keine natürliche Zahl
ist. Weil dies unbefriedigend ist, muß man den Raum der
natürlichen Zahlen erweitern. So kommt man zu den
ganzen Zahlen (das sind die natürlichen Zahlen, die Null
und die negativen ganzen Zahlen). Jetzt ist a-a lösbar,
nach den Rechenregeln der Subtraktion, die jetzt
unbeschränkt gelten, ist das Ergebnis 0.

Mit freundlichem Gruß




, und dann kommt es auf die Definition der
Subtraktion an.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 05. Juli 2005, 06:47 Uhr
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Hallo Jochen!

Du schreibst:


Quote:Käme es zu keiner Einigung, dan gäbe es auch keine intersubjektive Gültigkeit.

Mathematische Sätze aber haben gerade die eigentümliche Eigenschaft, daß sie völlig unabhängig von solche Einigung von 2 Subjekten sind!



Du übergehst hier den wichtigen Unterschied, der zu machen ist zwischen a) den grundlegenden Regeln eines Verständigungssystems und b) den einzelnen Sätzen, die im Rahmen dieses Systems gebildet werden können.

Damit sich mehrere Sprecher durch Sätze verständigen können, brauchen sie zunächst einen Fundus an gemeinsamen sprachlichen Regeln. D.h. sie müssen gewisse Regeln gemeinsam anerkennen und befolgen, damit überhaupt sinnvolle Sätze zwischen ihnen zustande kommen.

Das wurde in dieser Diskussion anhand unseres Beispielsatzes eigentlich auch schon hinreichend geklärt: Alle, die sich über die Wahrheit des Satzes "1 + 1 = 2" verständigen wollen, müssen diesen Satz zunächst auf dieselbe Weise verstehen, d.h. ihn als eine Äußerung auffassen, die gewissen allgemein bekannten und akzeptierten Regeln folgt.

Diese Basis aus allgemein akzeptierten Regeln ist aber eine notwendige (nicht hinreichende) Voraussetzung für die Gültigkeit einzelner, (im Sinne der allgemein geltenden Regeln) wohlgeformter Sätze. Denn nur aufgrund dieser geteilten Regeln lässt sich überhaupt die Geltung eines einzelnen Satzes behaupten, bestreiten, überprüfen oder begründen. (In diesem Sinne beantwortest Du im letzten Beitrag selbst Eberhards Fragen: Du zeigst, von welchen vorauszusetzenden / anzuerkennenden Regeln die Wahrheit der Beispielsätze abhängt.)

Insofern können auch mathematische Sätze nicht, wie Du oben behauptest, "völlig unabhängig" von der Einigung derjenigen Subjekte sein, die sie äußern und verstehen.


Du sagst weiter:

Quote:Und sie sind wahr vor 2000 Jahren, heute und in 2000 Jahren. Das meinte ich mit intertemporaler Gültigkeit.

Zusätzlich sind sie nicht nur hier auf der Erde gültig, sondern im gesamten bekannten Universum. Man muß sie also auch als interlokal gültig bezeichnnen.



Dagegen möchte ich noch einmal ganz klar machen: Wir sprechen hier immer von unserer menschlichen Mathematik. Eine andere kennen wir nicht. (Oder doch?) Dass sich deren grundlegende Regeln seit ihrer Erfindung nicht geändert haben, ist bestimmt kein reiner Zufall, macht aber aus der Mathematik noch lange keine natürliche Gegebenheit.

Zu sagen, dass mathematische Sätze nicht nur hier auf der Erde gültig seien, sondern im gesamten bekannten Universum, verwischt, dass es doch immer nur wir Menschen hier auf der Erde sind, die (unsere) Mathematik gebrauchen. Menschen haben die Mathematik zu ihren Zwecken erfunden und sorgen für die Geltung einzelner mathematischer Sätze. Das hindert freilich nicht, dass sie ihre mathematischen Künste auf alles anwenden, was ihnen vom Universum bekannt ist (und zwar mit Erfolg). Aber die Geltung solcher Anwendungen ist nur für uns Menschen relevant und findet darum ausschließlich hier bei uns statt.

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Erlaube mir noch diese allgemeine Anmerkung:

Du scheinst Dich von der Vorstellung leiten zu lassen, dass der Begriff der Wahrheit sich primär auf das Verhältnis zwischen Sätzen und wirklichen Dingen bezieht. Ein Satz ist wahr, weil er etwas wirklich Existierendes "wiedergibt". Sätze werden sozusagen "wahr gemacht" von den Dingen, die sie darstellen.
Angewandt auf unseren Beispielsatz hieße das etwa: "1 + 1 = 2" ist deshalb wahr, weil 1 plus
1 "wirklich" gleich 2 "ist", und zwar überall im Universum und zu jeder Zeit.

In meinen Augen wäre ein solches "Wirklich-sein" des Sachverhalts "1 + 1 = 2" eine nichtssagende Tautologie bzw. eine metaphysische Projektion.


Schönen Gruß
Urs
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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 05. Juli 2005, 14:09 Uhr
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hallo allerseits (ausgenommen h_s)

ich finde es irgendwie faszinierend, wie automatisch die diskussion in richtung der frage driftet, ob die mathematik unabhängig vom menschen existiert oder nicht. denn genau darum geht es doch:

wenn einerseits ein satz formal korrekt ist, also eindeutig und vollständig ist und von jeder person als definitorische absolute wahrheit akzeptiert werden muss, sofern der satz verstanden wird, es aber auf der anderen seite offen ist, ob der satz intersubjektiv, intertemporal und von mir aus auch interlokal (aber nicht universal; das ist eine etwas hastige verallgemeinerung finde ich) gültig ist, dann ist das doch analog zu der annahme, dass die mathematik als definitorische, absolute wahrheit da draussen irgendwo rumschwirrt und eben nicht von jedem sensorisch erfasst wird oder nicht?

mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 06. Juli 2005, 06:49 Uhr
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Hallo allerseits,

wenn jemand es genau wissen will, dann stört das manche, die sich mit dem funktionierenden Wissen zufrieden geben und alles übrige Hinterfragen für überflüssige Besserwisserei und tiefschürfende Wortklauberei halten. Aber der Philosoph will auch verstehen, WARUM es funktioniert, das ist sein Beruf.

Soviel zu einigen Zwischenrufen.

Die Bedeutung der Zahlen und des Zählens wurden in der bisherigen Diskussion meiner Meinung nach hinreichend geklärt.

Worum es jetzt geht ist nicht das Zählen, sondern das Rechnen. (Insofern gilt alles, was wir hier herausbekommen, erstmal nur für die Arithmetik und nicht für die gesamte Mathematik.)

Wir sollten uns dabei auf den Bereich der positiven ganzen Zahlen und die vier Grundrechenarten beschränken. Ob man unsere Ergebnisse auf den gesamten Bereich der Mathematik verallgemeinern kann, kann man anschließend diskutieren.

Nehmen wir ein möglichst einfaches Beispiel wie 3 + 2 = 5. Diese Addition ist richtig, der mathematische Satz ist wahr.

Wir können nun in zwei Richtungen weiterfragen:

Zum einen können wir fragen: Was meinen wir, wenn wir sagen: "3 + 2 = 5 ist wahr"?

Meine Antwort darauf ist, dass wir damit eine Behauptung aufstellen (einen assertorischen Satz formulieren). Wir fordern implizit jedes beliebige Subjekt auf, den Satz "3 + 2 = 5" zu bejahen (Anspruch auf intersubjektive Geltung) und wir fordern gleichzeitig dazu auf, diesen Satz nicht nur jetzt sondern auch zukünftig zu bejahen (Anspruch auf intertemporale Geltung).

Wenn der Satz "3 + 2 = 5" wahr ist, dann ist er nicht nur für mich wahr und nicht nur jetzt wahr, sondern dann ist er für jeden wahr und jederzeit wahr. Wenn man einen Satz als wahr behauptet, dann erhebt man für diesen Satz einen intersubjektiven und intertemporalen Anspruch auf Anerkennung, oder kurz gesprochen: einen allgemeinen Geltungsanspruch.

Damit sind Äußerungen wie: "3 + 2 = 5 mag für Dich wahr sein, aber nicht für mich" oder "3 + 2 = 5 mag heute wahr sein, aber es kann morgen schon falsch sein" in sich widersprüchlich und unvereinbar mit dem Sinn, den man damit verbindet, dass man einen Satz als "wahr’ behauptet.

Die Auszeichnung eines Satzes als "wahr’ enthält in der Wissenschaft neben dem Anspruch auf Anerkennung zugleich die Verpflichtung, diesen Anspruch intersubjektiv nachvollziehbar und akzeptabel zu begründen.

Dies unterscheidet einen rationalen wissenschaftlichen Anspruch auf Wahrheit von einem dogmatischen Anspruch auf Wahrheit.

Wissenschaftliche Resultate müssen im Prinzip von jedem Individuum, das die Argumente versteht, eingesehen werden können. Dogmatische Sätze wollen dagegen von allen geglaubt werden auch ohne intersubjektiv nachvollziehbare Begründung.

Insofern der Geltungsanspruch für eine Behauptung argumentativ eingelöst wurde, spreche ich von einer (allgemein)gültigen Behauptung. "Gültigkeit" wäre dann gleichbedeutend mit "berechtigter Geltung".

Damit sind wir bei der zweiten Fragerichtung: "Wie lässt sich die Wahrheit des Satzes 3 + 2 = 5 für jedermann nachvollziehbar und lückenlos begründen?"

Indem ich die Verpflichtung zur intersubjektiv nachvollziehbaren Begründung als Wissenschaftler anerkenne, mache ich nicht die Wahrheit arithmetischer Resultate von der faktischen Zustimmung eines Individuums abhängig, wie Jochen befürchtet.

Hier will ich erstmal Schluss machen, damit h.s. seine Satzfetzen dazu äußern kann.

Es grüßt Euch Eberhard.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von ludovico am 06. Juli 2005, 09:45 Uhr
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Guten Tag Eberhard,

zählen funktioniert als Abstraktion eines nebeneinander oder hintereinander, setzt ein räumliches Vorstellungsvermögen voraus. Das räumliche Vorstellungsvermögen ist zumindest dem menschlichen Verstand immanent. Das darf ich voraussetzen, denn er bewegt sich in einer solchen bzw. nimmt auf diese Weise wahr. (apriori) Die logischen Grundlagen bauen auf dieser systemimmanenten Eigenschaft auf. Dazu gesellt sich die Symbolsprache.

Inwiefern 1 + 1 = 2 wahr ist, hängt also davon ab, ob man zählt. Das ist zwar trivial aber wahr.

Sich der logisch wahren Aussage zu entziehen bedeutet also entweder, ich habe die symbolischen Form der Aussage nicht verstanden oder ich verweigere mich, aus welchem Grund auch immer, dem Gehalt der Aussage.

Wenn ich mit dem Verstand eine logische Aussage nachvollzogen habe, so weiss ich das Resultat. Wenn ich in der Folge das Resultat aus dem Gedächntnis abrufe, so willige ich damit ein, dieser Information zu glauben. Ich glaube zu wissen. Nicht aber, ich weiss zu glauben. Ein solcher Satz wäre für eher für eine dogmatische Aussage angebracht. "Ich weiss, dass ich glaube, dass die unbefleckte Empfängnis... usw.)

Eine "Intersubjektivität" brauche ich bei systemimmanenten Eigenschaften nicht vorauszusetzen, ich brauche aber mich zu vergewissern ob die Symbolsprache gültig und anwendbar ist. Ein Geltungsanspruch kann somit nur für die Symbolik bestehen.

Was der Beruf eines Philosophen sein soll, darüber möchte ich mich erstmal ausschweigen.


Gruss, ludovico

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 06. Juli 2005, 12:26 Uhr
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Hallo allerseits,

die offene Frage war:

Wie lässt sich die Wahrheit eines arithmetischen Satzes wie z.B. '3 + 2 = 5' für jedermann nachvollziehbar und lückenlos begründen? Welche Prämissen setzt dieser Satz implizit voraus, aus deren Anerkennung logisch die Anerkennung des Satzes folgt?

Voraussetzung dafür, dass ein Subjekt eine Behauptung anerkennen kann ist, dass es diese Behauptung und die dafür gegebenen Begründungen versteht, dass es also weiß, was mit dieser Behauptung gemeint ist. Um einen Satz verstehen zu können, muss man die einzelnen Zeichen verstehen, die in dem Satz vorkommen.

Man könnte die Bedeutung von '3 + 2 = 5' folgendermaßen erläutern:

'2', '3' und '5' sind natürliche Zahlen, wobei jede Zahl eine bestimmte Anzahl von Elementen bezeichnet. Wenn man als anschauliche Elemente senkrechte Striche nimmt, so bedeuten die Zahlen 2, 3 und 5 ||, ||| und |||||.

Das Zeichen '+' (Plus-Zeichen) bedeutet die Anweisung, die Zahlen vor und hinter dem Pluszeichen zusammenzuzählen (Addition).

Eine natürliche Zahl wird mit einer zweiten natürlichen Zahl zusammengezählt, indem man in der - nach der Größe geordneten - Reihenfolge der natürlichen Zahlen - ausgehend von gar keiner Zahl – so oft jeweils eine Zahl weiterrückt, wie die eine Zahl angibt und dass man anschließend von dieser Zahl ausgehend so oft jeweils eine Zahl weiterrückt, wie die zweite Zahl angibt. Die dann erreichte Zahl ist die 'Summe', wie man das Ergebnis einer Addition auch nennt.

In unserem Beispiel '3 + 2 = 5' sieht das dann so aus:

Zählen der ersten Zahl 3 (kann durch direktes Aufsuchen der Zahl ersetzt werden):

1. Schritt: [1] 2 3 4 5 6…
2. Schritt: 1 [2] 3 4 5 6 …
3. Schritt: 1 2 [3] 4 5 6 …

Hinzuzählen der zweiten Zahl 2:

4. Schritt: 1 2 3 [4] 5 6 …
5. Schritt: 1 2 3 4 [5] 6 …

Die Summe, die sich bei der Addition von 3 und 2 ergibt, ist somit 5.

Das Zeichen '=' bedeutet, dass sich aus der Ausführung der vor dem Zeichen stehenden Anweisungen die dahinter stehende Zahl ergibt.

Ist damit die Begründung der Behauptung intersubjektiv nachvollziehbar erbracht? Kann es dagegen begründete Einwände geben?

fragt Eberhard.

p.s.: Danke für die Begründung der 4 Rechenregeln, Jochen. Werden Deine Anforderungen erfüllt, ludovico?



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von ludovico am 06. Juli 2005, 18:56 Uhr
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Hallo Eberhard,

den logischen Gesetzen folgend, kann ich dir aus meiner subjektiven Sicht vorbehaltslos zustimmen.

Gleichzeitig möchte ich die Frage an dich wenden, ob nicht das binäre Zahlensystem bereits ausreicht um der Sache philosophisch hinreichend beigekommen zu sein.

Grüsse, ludovico


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 06. Juli 2005, 22:11 Uhr
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Hallo ludovico.
das binäre Zahlensystem ist ja nur eine andere mathematische Sprache und in die Sprache des dezimalen Zahlensystems übersetzbar. Die Frage nach der Begründung für die Geltung der Berechnungen stellt sich dort wie hier

meint Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von ludovico am 07. Juli 2005, 01:15 Uhr
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Hallo Eberhard,

das binäre Zahlensystem scheint mir zureichend Auskunft über die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen als deren Voraussetzung die Dualität gilt zu geben. Zur Veranschaulichung. (7bit, alphanumerisch)

00110010 00101011 00110011 00111101 00110101


Gruss, ludovico



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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 07. Juli 2005, 15:28 Uhr
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hallo

ich wollte nur darauf hinweisen, dass jochens erklärungen zu den '4 rechenregeln' keine begründungen sind. im übrigen finde ich es irritierend, dass meine sehr viel gehaltvolleren (aber zugegebener maßen etwas schlampig gestalteten) hinweise auf die gruppentheorie so sträflich übergangen wurden, aber bitte. desweiteren fällt mir auf, dass nun wieder angefangen wird banale zweizeiler zu posten. gut, ich habe damit angefangen, aber ich ersuche nun trotzdem die allgemeinheit darum dieser tendenz entgegen zu wirken.


beim lesen von eberhards zahlenspielchen ist mir etwas lustiges eingefallen:

ich habe vor kurzem in einem forum ein gespräch bemerkt, in dem jemand die feststellung äussert, dass anscheind "die summe dreier primzahlen, ausser der 'zwei', immer eine ungerade zahl grösser neun ergibt" (tatsächlich muss die zwei nicht zwingend ausgeschlossen werden, aber das ist vorerst mal egal). was auch zu stimmen scheint, wenn man sich nur ein paar beispiele ansieht: 3+3+3=9, 5+7+11=23, 23+29+31= 83, etc.

nun haben dort einige leute, von denen die meisten irgend einen mathematisch-technischen beruf haben (mindestens zwei haben einen bachhelor of science in mathematik oder informatik) und eigentlich nachweisslich recht clever sein sollten, angefangen haben, nachdem sie nach und nach kapiert haben um was es geht, sich fleißig in spekulationen und beispielen zu ereifern und dabei ihre wachsende verblüffung über das problem verlautbart. ich dagegen (wobei ich mich wirklich nicht für wesentlich schlauer halte als die) habe mir das problem ein par sekunden (vielleicht 3 bis 5) lang angesehen und herzhaft gelacht.

warum habe ich gelacht ? [grin]

mfg flo

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von kataphrakt am 07. Juli 2005, 18:56 Uhr
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eberhard, zahlenspielchen sind völlig in ordnung und ich finde deine didaktik übrigens hervorragend. nur weiter so. dann frage ich mich noch, ob ich was am auge habe, denn ich sehe nirgends, wo du mich mit sheelina in verbindung bringst...

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 08. Juli 2005, 07:21 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Lina,


Zum Thema der Runde habe ich noch ein Problem, das mit dem zusammenhängt, was gezählt wird, den Elementen irgendwelcher Mengen. Diese treten in der reinen Mathematik nicht auf. Aber mir scheint, als würden bestimmte Annahmen über diese Elemente implizit vorausgesetzt.

Wird mit dem Satz a = a z.B. vorausgesetzt, dass die so gezählten Elemente unveränderlich sind, also nicht vergehen oder neu entstehen können?

Kann man sagen: 10 Seifenblasen sind 1 Sekunde später schon nur 9 Seifenblasen, allso bleiben 10 Seifenblasen nicht 10 Seifenblasen?

Da der Akt des Hinzufügens Zeit beansprucht, Seifenblasen jedoch kurzlebig sind, ist zwar 3 + 2 = 5 , aber wenn ich 3 Seifenblasen habe und mache noch 2 dazu, dann habe ich nicht 5 Seifenblasen.

Es grüßt alle Interessierten Eberhard.
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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 08. Juli 2005, 15:17 Uhr
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Hallo homo sapiens,

Der Mathematiker muss keine "idealen" zeitbeständigen Elemente voraussetzen. Er kann auch bezogen auf kurzlebige oder sich spontan vermehrende Elemente bezogen zählen und rechnen. Zwar kann es dies nicht mit der einfachen Addition, aber z.B. mit einer Formel, die sowohl das durchschnittliche Lebensalter von Seifenblasen als auch die pro Zeiteinheit hinzukommenden Seifenblasen erfasst.

Wenn eine Formel jedoch einmal zu Grunde gelegt wurde, dann kann sie nur explizit verworfen oder erweitert werden, sie ist dann gewissermaßen "eingefroren" und jegliche Änderung kann nur durch explizite Änderung der Formel berücksichtigt werden.

Also: a = a, auch wenn die Raupe nicht Raupe bleibt sondern sich verpuppt und als Schmetterling entpuppt. Die Mathematik kann sowohl Raupen zählen als auch Pfauenaugen, die zwar eine Metamorphose durchmachen, aber dieselben Lebewesen bleiben. Es kommt eben nur auf die Beschreibung der Elemente an.

Es grüßt Euch Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 08. Juli 2005, 22:56 Uhr
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Hallo Eberhard!

Kann man es nicht auch kürzer begründen? In der Identität a=a kommt die Zeit t nicht vor, deshalb ist die Gleichung zeitunabhängig! Und auch die Variable heißt nicht a(t), sondern nur a!

MfG

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 09. Juli 2005, 07:43 Uhr
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Hallo Jochen,

ich gebe Dir recht. Aber bei mir im Hinterkopf stand die Frage, was eine Mathematik, die von Veränderungen in der Zeit abstrahiert, für eine Welt taugt, die sich wandelt.

Dies ist keine Frage der reinen Mathematik, sondern der Anwendung auf bestimmte Bereiche der Wirklichkeit.

Es müssen deshalb dynamische mathematische Modelle mit fortlaufender Aktualisierung der Daten entwickelt werden. Und wie man an den verbesserten Wettervorhersagen sieht, gelingt dies selbst bei derart launenhaften Phänomenen mit beachtlichem Erfolg.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Jochen43 am 09. Juli 2005, 13:53 Uhr
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Hallo Eberhard!

Ist es nicht beruhigend, daß es in einer Welt des Wandels und der Unsicherheit etwas wie die Mathematik gibt, die unberührt von den Zeitläuften gilt? Wenn man so will, etwas Absolutes, oder ein Abglanz des Göttlichen!

MfG

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 10. Juli 2005, 05:39 Uhr
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Hallo Jochen,

auch ich kann mich manchmal für die Eleganz und die Schlüssigkeit mathematischer Konstruktionen und Beweise begeistern.

Aber wenn die Mathematik auf Bereiche der Wirklichkeit angewandt werden soll, dann wird sie mit dem Irdischen infiziert, denn die Resultate der mathematischen Operationen sind nur dann brauchbar, wenn die Ausgangsgrößen richtig gezählt bzw. gemessen wurden. Und da das gezählt wird, was unter eine gemeinsame Beschreibung fällt (die Elemente), haben wir alle Probleme der Bedeutung von Worten und der Fehler in der Wahrnehmung mit an Bord: Wie ist die Beschreibung zu interpretieren und auf welche Phänomene trifft diese Beschreibung zu?

Wenn diese Ausgangsgrößen nicht stimmen, dann nützen auch fehlerlose Rechenoperationen nichts.

Und bei der Anwendung auf Bereiche der Wirklichkeit sind die Resultate der mathematischen Operationen weiterhin nur dann brauchbar, wenn das mathematische Modell alle Einflussfaktoren erfasst. Da dies eine Theorie des Bereichs voraussetzt, haben wir auch alle Probleme der Theoriebildung mit an Bord: Welche Faktoren beeinflussen das Geschehen in welcher Weise?

Wenn das mathematische Modell auf falschen oder unvollständigen Faktoren und Wirkungszusammenhängen aufbaut, dann nützen auch fehlerlose Rechenoperationen nichts.

So gibt es pseudowissenschaftliche Systeme, die mit einem komplizierten mathematischen Apparat beeindrucken, ohne jedoch irgendwelche brauchbaren Ergebnisse zu liefern. Ein Beispiel hierfür ist die Astrologie.

Es grüßt Dich und alle Vernünftigen Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Apostate_Shinobi am 10. Juli 2005, 11:55 Uhr
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Hallo,
ich sag gleich ma tschuldigung, weil ich die letzten Posts nicht mehr gelesen hab, dass is mir jetzt einfach zu viel (hab nur immer bruchstückhaft gelesen) aber..... ich würde sagen die mathematische Wahrheit 1 + 1 = 2 bzw. viele andere wie 77 + 9 = 86 usw. kann man auf die realität übertragen, aber auch nicht immer.... das liegt daran, auf was man das überträgt. Ist das, auf das ich die mathematik übertragen möchte eine additive Größe (Einheit?), ist es relativ unterschiedlich (damit meine ich z.b. einen Spiegel. Für ein Kind ist der Spiegel "eine" Platte, ein Akkordarbeiter in einer Spiegelfabrik [cheesy] - nix gegen diese menschen ^^ - weiß hingegen, dass er "drei oder gar vier lagig" ist ^^ also ist die anzahl seiner lagen relativ zum wissen des betrachters unterschiedlich ^^) ist es eine abstrakte Größe? (Addiere mal bitte die Liebe zu deiner Frau und die zu deinem Soh n...... -.-' ) So gesehen kommt es auf den Kontext an, ob eins plus eins zwei ergibt..... noch zwei abschließende beispiele ^^ machst du mit dem stift einen strich und noch einen strich, dessen anfang an der gleichen stelle ist, wie der schlußteil des letzten, hast du 2 striche gemacht, aber auf dem papier ist nur einer ^^ und bsp. 2: ich fülle meine badewanne mit wasser das 3° warm ist und schütte genausoviel 4° warmes wasser hinzu..... empirisch wissen wir aber, dass es nun NICHT 7° warm ist, sondern (von der raumtemperatur unbeeinflußt) 3,5° ;-) mfg,
A_S

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am 10. Juli 2005, 15:49 Uhr
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Hallo Apostate Shinobi,

dabke für die schönen Beispiele, bei denen das einfache Additionsmodell nicht anwendbar ist.

Gruß Eberhard.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Klingsor am Vorgestern, 17:26 Uhr
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Ihr habt doch längst alles gesagt, was zur Beantwortung der Frage nötig ist:
Was ist "2"? Es ist ein Symbol, eine verkürzte Schreibweise für "1 + 1". Eine andere Definition für "2" gibt es nicht. Ebenso ist "3" nichts anderes als "1 + 1 + 1" usw.

Was ist Wahrheit? Das ist in der Philosophie natürlich umstritten ... Nach Tarski ist eine Aussage wahr, wenn man die Anführungszeichen weglassen kann, also "es regnet" ist dann wahr, wenn es regnet. A ist dann wahr, wenn A.

Da wir "2" wie gesagt definieren können als "1 + 1", schreiben wir also statt 1 + 1 = 2 nun 1 + 1 = 1 + 1
Das ist wahr.

Das Beispiel mit den Seifenblasen funktioniert deshalb nicht, weil ihr die entsprechenden Substraktionen vergesst. Wenn eine Seifenblase platzt, muß man sie natürlich aus der Rechnung subtrahieren.

So einfach ist das ... ;-)

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am Gestern, 09:34 Uhr
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Hallo Klingsor,

Du schreibst:

"Was ist '2'?

Es ist ein Symbol, eine verkürzte Schreibweise für '1 + 1'.

Eine andere Definition für '2' gibt es nicht.

Ebenso ist '3' nichts anderes als '1 + 1 + 1' usw.

Da wir '2' wie gesagt definieren können als '1 + 1', schreiben wir also statt 1 + 1 = 2' nun 1 + 1 = 1 + 1.

Das ist wahr. ….

So einfach ist das ...


Meine Frage: Was hältst Du von Folgendem?

Was ist µ?

Es ist ein Symbol, eine verkürzte Schreibweise für 'ß # ß'.

Eine andere Definition für 'µ' gibt es nicht.

Ebenso ist '@' nicht anderes als 'ß # ß # ß' usw. (?)

Da wir 'µ' wie gesagt definieren können als 'ß # ß', schreiben wir also statt ß # ß = µ nun ß # ß = ß # ß

Das ist wahr.

So einfach ist das …


Meine Rückfrage:

Ist das so einfach?

Bedeutet '2' nichts anderes als '1 + 1' so wie 'µ' nichts anderes bedeutet als 'ß # ß'?

Wieso kann man mit 1 + 1 = 2 etwas anfangen und mit ß # ß = µ nichts?

Beide sind doch per Definition wahr?

fragt Eberhard.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Klingsor am Gestern, 10:18 Uhr
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Quote:Wieso kann man mit 1 + 1 = 2 etwas anfangen und mit ß # ß = µ nichts?

Beide sind doch per Definition wahr?



Stimmt. Aber die erste Definition ist gesellschaftlich anerkannt, während die zweite deine Erfindung ist, die nur du kennst. Das ist dieselbe Frage wie die nach der Bedeutung von Wörtern: Warum heißt Schnee "Schnee" und nicht "Hmmpfl"? Weil die deutsche Sprachgemeinschaft sich halt daran gewöhnt hat, das Zeug "Schnee" zu nennen ...

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Urs_meinte_Euch am Gestern, 12:10 Uhr
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Hallo Klingsor, hallo Eberhard!

Zum Gegenstand Eurer Kontroverse wurde hier tatsächlich schon einiges gesagt. An einen wichtigen Punkt möchte ich erinnern.


Quote:(Klingsor)Aber die erste Definition ist gesellschaftlich anerkannt, während die zweite deine Erfindung ist, die nur du kennst. Das ist dieselbe Frage wie die nach der Bedeutung von Wörtern: Warum heißt Schnee "Schnee" und nicht "Hmmpfl"? Weil die deutsche Sprachgemeinschaft sich halt daran gewöhnt hat, das Zeug "Schnee" zu nennen ...



Die Anerkennung durch ein Kollektiv von Sprechern ist zwar eine sehr wichtige Voraussetzung dafür, dass Zeichen Bedeutung haben. Aber sie allein genügt noch nicht.

Sicher: Das Verhältnis zwischen Zeichen und bezeichnetem Gegenstand ist willkürlich. Man könnte das Zeichen "Schnee" ebenso gut durch ein anderes ersetzen, ohne etwas an seiner Bedeutung zu verändern (z.B. "Hmmpfl"). Aber dies gilt nur, wenn "Hmmpfl" im SYSTEM der Zeichen denselben STELLENWERT hat wie "Schnee", d.h. wenn etwa die Unterschiede zwischen "Hmmpfl", "Hagel", "Regen", "Eis", ... denen zwischen "Schnee", "Hagel", "Regen", "Eis", ... äquivalent wären.

Eberhards willkürlich eingeführte Zeichen kranken vor allem daran, dass ihnen (einstweilen) ein ganzes System von Zeichen mit geregelten Beziehungen untereinander fehlt.

Was die Zahlzeichen angeht, so ist es sehr wichtig, dass "2" nicht nur durch "1 + 1" definiert, sondern auch einer unendlichen Menge von Ausdrücken (Termen) äquivalent ist: "3 - 1"; "1 x 2"; "4 : 2"; "2378 - 2376"; "Quadratwurzel aus 4"; ...

Außerdem ist "1 + 1" keine bloße Nominaldefinition, sondern drückt die Methode aus, wie 2 "erzeugt" werden kann, und zwar zusammen mit allen anderen natürlichen Zahlen, die auf dieselbe Weise (Addition von 1) gebildet werden.

Es grüßt Euch
Urs


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am Gestern, 15:32 Uhr
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Hallo allerseits, hallo Klingsor,

ich hatte gefragt:

"Wieso kann man mit '1 + 1 = 2' etwas anfangen und mit 'ß # ß = µ' nichts? Beide sind doch per Definition wahr?"

Ich wollte mit dieser Frage deutlich machen, dass Du die Zahlen, ihre geordnete Reihenfolge und ihre Bedeutung bereits voraussetzt. Es steht bereits fest, dass '1', '2', '3' die Bezeichnungen (Namen) für die jeweilige Anzahl der Elemente bestimmter Mengen sind.

Es geht dabei nicht um die sprachlichen und numerischen Konventionen, dass man nicht "zwei" sondern "zwo" sagt, oder ob man die Eins mit Häkchen (1) oder ohne Häkchen (|) schreibt.

Insofern ist '2' nicht nur eine verkürzte Schreibweise für '1 + 1' sondern bedeutet auch eine bestimmte Anzahl von Elementen bestimmter Mengen: z.B. (? ?) oder (ß ß) oder (? ?).

Es grüßt Dich und alle, die an begründeten Antworten auf triviale Fragen interessiert sind, Eberhard.


Hallo Lina,

Zu Deiner Frage: Ist 1 + 1 = 2 nur wahr insofern als es richtig ist?

Ich benutze in diesem Zusammenhang die Worte wahr und richtig praktisch gleichbedeutend im Sinne von "allgemein gültig".

Zu Deiner Frage: Warum schreibt man die Eins als '1' und nicht als ')' ?

Dazu müssten sich Sprachforscher äußern. Die gerade 1 ergibt sich aus der indischen Schreibweise, die über die Araber nach Europa gelangte.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Klingsor am Gestern, 15:50 Uhr
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Quote:Insofern ist '2' nicht nur eine verkürzte Schreibweise für '1 + 1' sondern bedeutet auch eine bestimmte Anzahl von Elementen bestimmter Mengen: z.B. (? ?) oder (ß ß) oder (? ?).



Ich verstehe nicht ganz, was du meinst. Für mich sind die Formulierungen "1 + 1" und "eine Menge, die zwei Elemente enthält", im Prinzip gleichbedeutend. Was ist das Problem?

Selbstverständlich setze ich die Zahlen voraus, wenn ich mich mit der Frage beschäftige, warum 1 + 1 = 2 wahr ist. Natürlich kann ich mich auch auf eine Meta-Ebene begeben und den Sinn der gesamten Mathematik anzweifeln, aber das war nicht das Thema.

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am Heute, 12:00 Uhr
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Hallo Klingsor,

es gibt wahrscheinlich gar kein " Problem". Wenn Du die Erläuterung des Themas in meinem Ausgangsbeitrag liest, wirst Du schnell merken, dass es mir nicht um die Frage geht, wie man 1 + 1 = 2 innermathematisch beweisen kann.

Deshalb lautet die Frage auch "Inwiefern ist 1 + 1 wahr?" und nicht "Warum ist 1 + 1 = 2 wahr?" Die erstere Frage musste sich vor allem mit dem ungewöhnlichen Bezug der reinen Mathematik zur Wirklichkeit befassen. Das haben manche beim Überfliegen der Beiträge nicht bemerkt und wunderten sich, wie viel Worte man um so eine läppische Sache machen kann.

Unter diesem Gesichtspunkt würde ich nach unserer Diskussion nicht wie Du formulieren, dass "die Formulierungen "1 + 1" und "eine Menge, die zwei Elemente enthält", im Prinzip gleichbedeutend" sind.

Ich würde stattdessen sagen: 1 + 1 ist die Anweisung, zu einer Menge der Anzahl 1 eine weitere Menge der Anzahl 1 hinzuzufügen.

Die Zahl "2" bezeichnet eine bestimmte Anzahl von Elementen, und zwar die nächst größere nach der Anzahl 1.

Es grüßt Dich Eberhard.


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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Klingsor am Heute, 13:31 Uhr
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Hallo Eberhard,
ich weiß nicht, ob diese Frage oben schon irgendwo angesprochen wurde, aber spätestens jetzt sollten wir mal klären, von welchem Wahrheitsbegriff wir überhaupt ausgehen.
Vom Korrespondenzbegriff? Wohl eher nicht, denn seit Kant wissen wir, daß wir keinen Zugang zum "Ding an sich" haben, mit dem eine Aussage "korrespondieren" könnte. Mit welchem realen Ding sollte auch etwas wie "2" korrespondieren?

Also ein Kohärenzbegriff der Wahrheit? Wir gehen aus von einer bestimmten Menge von Aussagen, und "wahr" ist eine Aussage dann, wenn sie widerspruchsfrei mit den anderen Aussagen dieser Menge vereinbar ist?
Nun willst du die Frage nicht innermathematisch verstanden wissen, was die Sache kompliziert macht, denn die eigentliche Menge, zu der die Aussage "1 + 1 = 2" gehört, ist nun mal die Mathematik. Nun kann man die mathematischen Aussagen duchaus als Teilmenge aller Aussagen in deutscher Sprache verstehen (sofern wir "eins" und "zwei" sagen, sonst natürlich in den entsprechenden anderen Sprachen). Aber auch dann kann ich die einzelne mathematische Aussage nicht aus ihrer Teilmenge herauslösen: Sie ergibt nur Sinn (und eben "Wahrheit") im Kontext ihrer mathematischen Teilmenge. Mit deiner Frage nach der außer-mathematischen Wahrheit dieser Aussage verläßt du dann den Boden der Kohärenztheorie. Es bleibt damit die Frage offen, welche Art von Wahrheitstheorie dieser außer-mathematischen Wahrheit zu Grunde liegen soll.

@Lina: Die Griechen verstanden Zahlen nicht als "Geheimcodes". Vielmehr spielen Zahlen (die Griechen verwendeten dafür noch die Buchstaben ihres Alphabets, kombiniert mit einem ') in der griechischen Mathematik nur eine Randrolle - die Griechen zogen es vor, mathematische Beweise rein geometrisch durchzuführen. (Man macht sich heute kaum noch eine Vorstellung davon, wie weit man in der Mathematik mit reiner Geometrie kommen kann!)

Viele Grüße,
Klingsor

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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Eberhard am Heute, 17:31 Uhr
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Hallo Klingsor,

wir sind nicht mit fertigen Wahrheitsbegriffen in die Diskussion gegangen, um zu fragen welcher davon auf den mathematischen Satz 1 + 1 = 2 passt.

Wir haben stattdessen gefragt, ob es sich dabei um eine Aussage über die erfahrbare Wirklichkeit handelt.

Wenn man dies verneint, dann stellt sich die Frage: Was zählen denn die Zahlen der reinen Mathematik?

Für mich hat sich aus unserer Diskussion eine befriedigende Antwort ergeben, und ich kann jetzt begrifflich sauberer zwischen "Zahl", "Ziffer" und "Anzahl" unterscheiden.

Es ging also z. B. um den unterschiedlichen Bezug zur Wirklichkeit zwischen folgenden zwei Aussagen:

"3 + 2 = 5"

und

"Auf diesem Parkplatz stehen gegenwärtig drei Autos. Nun kommen zwei weitere Autos und parken daneben. Jetzt parken dort fünf Autos."

Es grüßt Dich Eberhard.
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Titel: Re: Inwiefern ist "1 + 1 = 2" wahr?
Beitrag von Apostate_Shinobi am Heute, 22:24 Uhr
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Hi mal wieder,
also ich sag jetzt einfach, dass die Zahlen einfach ein Teil unsrer Kommunikation sind. Dass haben wir eingeführt. Mehr oder weniger kennt jeder die Bedeutung der Zahlen (egal ob empirisch oder nur theoretisch ; oder wer kennt schon irgendetwas in dieser Größenordnung: 1288574039 außer der Zahl selber ^^) und dadurch weiß jeder was gemeint ist, wenn ich fünf sage. Durch die Miteinbeziehung der Zahlen ins Kommunikationssystem haben wir uns nur Arbeit erspart und genauere Definitionen eingeführt. So können wir nicht nur sagen, es sind viele Käfer auf dem Baum, sondern können z.b. sagen, es sind 17 Käfer auf dem Baum. Ohne wirklich zu verstehen, bzw. ohne lange darüber nachdenken zu müssen, weiß jetzt jeder hier, dass ich von einem Baum rede, auf dem (relativ gesehen) viele Käfer sind. Warum viele? Weil er 5 cm hoch ist (jetzt habe ich die Zahl mit einem anderen Kürzel verbunden. Das ist wieder vergleichbar mit den Zahlen. Man führt Einheiten ein, für die Sachen, die zu kategorisieren wichtig oder ein häufiger Vorteil ist. Z.b. Meter, Kilogramm, .... aber bei Sachen, die wir nie unterscheiden müssen, oder die einfach unwichtig sind, lassen wir die Kürzel oder Eingeführten Einheiten einfach weg. Aber das ist nicht das Thema ;) ) Also deshalb meine ich, dass wir uns der Zahlen bedienen, damit wir uns gegenseitig besser verstehen können. Daher meine These: es gibt wirklich reale Dinge, die kann man mit "Begriffen" wie "Siebzehn" (bzw. "17") bezeichnen, aber andersrum geht das nicht. Ich kann nicht "Acht" sagen und deswegen existiert dann auch Acht. Das geht deshalb nicht, weil man die Zahlen eingeführt hat, um die Realität abzubilden. Ich male schließlich ein Bild von einem Gebirge, aber aus einem Bild vom Gebirge entsteht trotzdem kein echten Gebirge..... (ich kann nicht gut erklären, ich weiß ^^ vielleicht liegts aber auch daran, dass es falsch ist [cheesy] ) mfg,
A_S

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