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Wege zu einem gerechten Frieden
Der Wille zur vernünftigen, auf Argumenten beruhenden Übereinstimmung
Ein Konflikt entsteht,
wenn von Einzelnen oder sozialen Gruppierungen (Staaten, Völkern,
Organisationen) Ziele verfolgen, die nicht miteinander
vereinbar sind, also nicht gleichzeitig verwirklicht werden können.
Der Konflikt
äußert sich in widersprüchlichen Ansichten und Behauptungen der Konfliktparteien darüber, wie
die Beteiligten handeln sollen.
Ungelöste Konflikte führen zu Streit, Kampf und in letzter Konsequenz zum Krieg.
In diesem Fall wird der Konflikt nach dem Willen des Stärkeren, Mächtigeren
gelöst.
Für alle Parteien - auch für die letztlich siegende Partei - ist der
Schaden, der ihnen durch einen bewaffneten Kampf entstehen kann, meist nicht mit
Sicherheit vorhersehbar.
Angesichts
eines Konflikts besteht der erste Schritt zu Gerechtigkeit und Frieden darin, dass
die Konfliktparteien ihren festen Willen erklären, unter Verzicht auf Gewaltanwendung
oder deren Androhung, allein durch den Austausch von intersubjektiv
nachvollziehbaren Argumenten eine dauerhafte
Übereinstimmung darüber zu erzielen, wie der Konflikt geregelt werden soll.
Die Haltung gegenüber demjenigen, der
keine gewaltfreie Einigung sucht
Wer sich nicht auf auf das Ziel einer auf
allgemein einsichtigen Argumenten beruhenden
Übereinstimmung, auf das Ziel eines vernünftigen Konsenses
festlegen will, hat sich damit selber die Möglichkeit genommen, in diesem
Konflikt
zu argumentieren. Denn Argumentieren besteht im Vorbringen von allgemein
nachvollziehbaren, einsichtigen Gründen, die am Ziel einer gemeinsamen Wahrheit
und Gerechtigkeit orientiert sind.
Gerechtigkeit ohne allgemein einsichtige Argumente lässt sich von Ungerechtigkeit
nicht unterscheiden. Die Behauptung, es herrsche Gerechtigkeit, ohne dies zu begründen, bleibt hohl.
Gegen jemanden, der sich nicht auf das Ziel einer in diesem Sinne vernünftigen,
allgemein akzeptablen
Konfliktlösung festlegen will sondern sich die Möglichkeit der Gewaltanwendung
offenhält, darf man sich mit angemessenen Mitteln schützen.
Falls er seine Einstellung ändert
und das Ziel einer vernünftigen Einigung bejaht,
bleibt die Tür für ihn offen.
Die Bestimmung der Wege zum Konsens (Methodologie)
Der nächste Schritt besteht darin,
aus dem gemeinsamen Ziel des Konsens abzuleiten, welche Argumente geeignet sind, eine
zwangfreie und dauerhafte Übereinstimmung der Konfliktparteien herbeizuführen und
welche dazu nicht geeignet sind.
Je mehr theoretische Klarheit und Übereinstimmung über die geeigneten
Methoden und Argumentationsweisen besteht, desto geringer ist das Risiko,
dass jemandem zu Unrecht unterstellt wird, den Frieden nicht zu wollen.
Wege zum Konsens darüber, wie gehandelt werden soll
Allgemeine Regeln
Wer den Konsens will, muss sich um das Gespräch mit den anderen Konfliktparteien
bemühen.
Wer den Konsens will, der muss sich um eine allgemein verständliche Sprache
bemühen.
Wer den Konsens will, der darf nicht mit Prämissen
argumentieren, die er nicht in Frage stellen lässt oder die von anderen nicht
überprüft werden können.
Wer den Konsens will, der muss prinzipiell bereit sein,
Argumente gelten zu lassen, gegen die er keine Einwände vorbringen kann. Und er
muss bereit sein, aus diesen Argumenten auch die logischen Konsequenzen zu
ziehen.
Regeln für den Konsens in Bezug auf Normen
Wer den normativen Konsens will, der muss zuerst den Konsens in
Bezug auf den zugrundeliegenden Sachverhalt herstellen.
Wer den Konsens in Bezug auf die Beschaffenheit der Wirklichkeit will, der muss seine
faktischen Behauptungen
nachvollziehbar begründen.
Wer den normativen Konsens will, der muss ohne Ansehen der Person argumentieren.
Wenn Unterschiede in den Rechten und Pflichten
gemacht werden, dann müssen diese auf sachlichen Unterschieden beruhen und nicht
allein darauf, dass es sich um verschiedene Personen handelt.
Wer den Konsens will, der darf keine irrelevanten Unterschiede (wie z.B. die
Haarfarbe) heranziehen, um unterschiedliche
Rechte und Pflichten der Individuen zu begründen.
Wer den normativen Konsens will, der muss empirisch Gleiches auch gleich
bewerten.
Wer den normativen Konsens will, der darf nicht "parteiisch" oder "egoistisch" argumentieren.
Wer den normativen Konsens will, der muss bereit sein,
Abstriche an der Durchsetzung seiner Interessen zu akzeptieren.
Wer den normativen Konsens will, der muss die Interessen aller
Beteiligten so berücksichtigen, als seien es zugleich seine eigenen.
Wer den normativen Konsens will, der muss bereit sein, diejenigen
Rechte, die er für sich selber beansprucht, auch allen andern in vergleichbarer
Lage zuzugestehen.
Wer den normativen Konsens will, der darf die vorgeschlagenen Normen
nicht nur von seiner eigenen Interessenlage her beurteilen, sondern er muss sich in
die Lage der anderen hineinversetzen und fragen, ob er diese Normen auch aus deren
Interessenlage akzeptieren kann.
Wer den normativen Konsens will, der muss eine Norm unabhängig davon akzeptieren oder
ablehnen, ob er selber eine vergleichsweise gute oder schlechte Position dabei einnimmt.
Wer den normativen Konsens will, der darf anderen nicht größere Opfer
zumuten als er selber zu tragen bereit ist.
... ... ...
Entscheidungsverfahren sind unverzichtbar
Die Befolgung dieser
Argumentationsregeln, die noch korrekturbedürftig und
ergänzungsbedürftig sind, garantieren jedoch noch keinen Konsens als Resultat.
Ein Grund hierfür besteht u. a. darin, dass es empirische Fragen gibt,
die von unserem gegenwärtigen Erkenntnisstand aus nicht mit Sicherheit beantwortet
werden können, so dass verschiedene Meinungen zu diesen Fragen rational "vertretbar"
bleiben. In einem solchen Fall kann die Entscheidung nicht
allein durch inhaltliche
Argumentation getroffen werden, sondern muss durch ein unparteiisches
Entscheidungsverfahren getroffen werden.
Außerdem müssen viele Konflikte kurzfristig entschieden
werden. Häufig kann man nicht warten, bis der "Streit der Gelehrten" zu einem
Ergebnis geführt hat. Das "Zeitfenster" zum Handeln steht nicht unbegrenzt
offen.
Die rein theoretische
Diskussion ist handlungsentlastet und kennt keine zeitliche Begrenzung. Sie fragt sogar noch im
Nachhinein, ob eine bestimmte Entscheidung inhaltlich richtig war oder ob eine
andere Entscheidung besser gewesen wäre.
Die Argumentation führt also nicht notwendiger Weise zu einem faktischen
Konsens.
Dies ist der (seinerseits konsensfähige) Grund dafür, dass es nötig ist, Entscheidungen zu treffen, Normen zu setzen
und Kompromisse zu machen.
Die vorliegenden Überlegungen müssen deshalb durch analoge Überlegungen zu den
geeigneten Entscheidungsverfahren ergänzt werden.
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Letzte Bearbeitung 07.11.2008 / Eberhard Wesche
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