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Rhetorische Tipps und Tricks für Internet-Diskussionen
"Recht behalten
ohne Recht zu haben"
Achtung: Satire!!!
1. Halte Dir immer die Möglichkeit offen, dem Andern fehlendes oder falsches Verständnis Deiner Position vorzuwerfen. Neben einer undefinierten Begrifflichkeit eignet sich hierfür auch sehr schön das Denken auf zwei Ebenen, zwischen denen man dann bei Bedarf wechselt. Große Möglichkeiten bietet das Hinundherspringen zwischen der Ebene des "normalen Denkens" und "höheren" Bewusstseinsebenen.
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2. Biete selber so wenig Angriffsfläche wie möglich. Lass Dich nicht auf einzelne Behauptungen festlegen und auch nicht auf bestimmte Definitionen. Behalte Dir immer eine andere Interpretation Deiner Begriffe vor. Dann kann Dir auch so leicht kein logischer Widerspruch nachgewiesen werden.
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3. Lass es nie so weit kommen, dass eine Frage wirklich auf den Punkt gebracht wird. Schneide rechtzeitig eine Vielzahl anderer Fragen an, sodass eine gründliche Diskussion der einzelnen Punkte schon von daher unmöglich wird.
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4. Benutze komplizierte Begriffe wie selbstverständlich mit unüblichen Bedeutungen. Blocke Nachfragen ab, indem Du diese als Zeichen mangelnder Intelligenz oder Kenntnisse wertest.
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5. Lass Dich nicht auf die Terminologie des Andern ein sondern verwende nur Deine eigenen, möglichst ungeklärten Begriffe. Damit bist Du immer Herr des Geschehens.
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6. Scheue keine Wiederholungen. Je öfter etwas wiederholt wird, desto vertrauter und glaubwürdiger klingt es für den durchschnittlich intelligenten Leser.
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7. Lass Dich nicht auf die Beantwortung konkreter Fragen ein. Störe die Argumentationsstrategie des Andern durch Gegenfragen oder weitschweifige Ausführungen, bei denen der Leser die eigentliche Ausgangsfrage schließlich vergisst.
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8. Reagiere an Stelle von inhaltlicher Kritik mit:
-
Erstaunen ("Das kann nicht Dein Ernst sein!"),
-
Langeweile ("Das ist ja nun wirklich nichts Neues, was Du da anbringst!"),
-
Spott ("Das ist ja
Kindergarten-Niveau!") oder
-
Hohn ("Das ist also die hoch
gelobte Theorie!").
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9. Sollte der Andere wirklich treffende Argumente vorbringen, denen Du nichts entgegensetzen kannst, so ignoriere den Beitrag einfach. Oft geht er im allgemeinen Diskussionsgetümmel unter und erledigt sich so von selber. Notfalls erzeuge selber ein solches Getümmel, eröffne einen Nebenkriegsschauplatz und nebele Dich ein.
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10. Sorge dafür, dass Andere unauffällig bereit stehen und Dir bestimmte Dinge abnehmen, z. B. indem sie an Deiner Stelle auf Fragen an Dich antworten oder Dir unterstützend beipflichten.
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11. Nimm Einfluss auf die Meinungsbildung allein schon durch die überwältigende Menge und Länge Deiner Beiträge. Texte den Andern notfalls zu.
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12. Bleibe nicht auf der Ebene des Austauschs von Argumenten sondern beziehe die Personen mit ein. Unterstelle dem Andern mangelnde intellektuelle Fähigkeiten und moralisch bedenkliche Motive.
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13. Gehe auf die Argumente des Andern nicht inhaltlich sein,
sondern attackiere ihn aus übergeordneter Sicht. Geeignet
hierfür sind Szenarien wie:
- Der begriffsstutzige Schüler ("Nun sieh mal. Das kann ja nicht so schwer zu
begreifen sein!")
- Der dogmatisch Befangene ("Ich verstehe, warum es Dir schwer fällt, diese
Wahrheit zu akzeptieren") oder
- Der in Gewohnheiten Befangene ("Du bewegst Dich völlig in den eingefahrene
Gleisen des üblichen Denkens.")
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14. Gehe auf den Andern nicht direkt ein, sondern bewerte ihn pauschal, am wirkungsvollsten dadurch, dass Du ihn mit einem Diskussionsteilnehmer vergleichst und Du ihn dabei schwach aussehen lässt ("Der einzige, der hier relevante Beiträge geliefert hat, ist X").
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15. Gehe nicht auf die konkreten Fragen des Anderen ein,
sondern lass dessen Fragen in einem bestimmten Licht erscheinen. Eine
Möglichkeit hierfür ist die Nutzung von Typologien und deren gedankliche und
emotionale Verknüpfung mit bestimmten Vorurteilen. Geeignete Typen sind:
- Der Intellektuelle, der nicht mehr fühlen und erleben kann,
- Der eingebildete Akademiker, der sich als etwas
Besseres vorkommt und das
Wissen der einfachen Leute ignoriert,
- Der Wissenschaftler, der vollgestopft ist mit Bücherwissen, aber das
Leben nicht kennt und die Jahrtausende alten Wahrheiten wegen seiner
professionellen Scheuklappen nicht aufnehmen kann.
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16. Nutze die vorhandenen Vorurteile und Ressentiments gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen, indem Du an sie anschließt.
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17. Zeige niemals, wie stark Dich ein kritisches Argument getroffen hat. Verbreite gerade dann gute Laune.
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18. Zermürbe den Andern, indem Du ihn an empfindlicher Stelle triffst. Wenn z. B. ein Teilnehmer bekanntermaßen großen Wert auf Klarheit der Sprache legt, so schreibe: "Deine Formulierungen sind mir zu schwammig und zu unpräzis." Das muss dann nicht durch Beispiele belegt werden.
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19. Dränge den Andern durch die bloße Menge und Länge Deiner Beiträge an den Rand. Nutze die Chance, dass jeder Deine Beiträge lesen muss, wenn er informiert mitdiskutieren will. Gerade wenn die Diskussion an einem bestimmten Punkt für Dich kritisch wird.
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20. Entwaffne den Andern, indem Du dessen Argumente en bloc als irrelevant abtust. Eine Möglichkeit ist die pauschale Ablehnung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse. Damit ist der durchschnittliche Diskussionsteilnehmer bereits zu 90% seiner Argumente beraubt. Eine andere Möglichkeit ist die Einführung neuartiger Kriterien. Als Kriterium geeignet ist z. B. das direkte Erleben, das allein Gewissheit besitzt. Damit können dann alle Theorien oder Hypothesen als sekundäre Vermutungen zurückgewiesen werden und der andere ist auf einen Schlag 99% seiner Argumente los.
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21. Nutze die allgegenwärtigen Ungenauigkeiten und Verkürzungen der Sprache, um den Andern gezielt miss zu verstehen. Dann zerpflücke genüsslich das Geschöpf, das Du ihm untergeschoben hast.
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(Ich hoffe, jeder hat gemerkt, wie diese "Tipps" gemeint sind. Sie entstammen eigener leidvoller Erfahrung.)
Arthur Schopenhauer (deutscher Philosoph, 1788-1860) hat 38 Kunstgriffe des Rechtbehaltens in Streitgesprächen zusammengestellt - hat diese allerdings nie veröffentlicht. Man findet sie in Wikipedia, Artikel "Kunstgriffe (Schopenhauer)"
Siehe auch
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
Diskussionsregeln
Rhetorik oder
Argumentation?
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Letzte Bearbeitung 30.04.2008 / Eberhard Wesche
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