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Hat das Leben einen Sinn?
Inhalt:
Was ist mit dem Wort "Sinn" gemeint?
Der Sinn des menschlichen Lebens im göttlichen
Schöpfungsplan
Das gefährliche Vakuum nach dem Schwinden der religiösen Sinnstiftung
Der Welt als dem Ganzen kann kein Sinn fehlen
Wir passen in diese Welt, in der wir entstanden
sind
Textanfang:
Was ist mit dem Wort "Sinn" gemeint?
Fragen nach dem Sinn des Daseins oder des Lebens kranken oft daran, dass die Frage unklar bleibt, weil der Begriff
"Sinn" selber keine klare Bedeutung hat, wie schon die
unterschiedlichen Adjektive "sinnvoll", "sinnlich", "sinnig", "sinngemäß" oder "besonnen" zeigen.
Was ist mit dem "Sinn" des Lebens gemeint?
1. Das Wort "Sinn" kann zum einen soviel bedeuten wie
"Sinnesorgan", etwa wenn man vom "Geruchssinn" spricht. Dies ist offenbar nicht gemeint.
2. Das Wort "Sinn" kann soviel bedeuten wie "Verständnis, Aufnahmefähigkeit", etwa wenn man sagt:
"Er hat keinen Sinn für Humor." Auch diese Bedeutung kommt nicht in
Frage.
3. Das Wort "Sinn" kann soviel wie
"Bedeutung" heißen, etwa wenn man sagt: "Der Sinn dieser codierten Botschaft
konnte bisher nicht entschlüsselt werden." Oder wenn man sagt: "Der Sinn
des Opfers ist es, die Götter gnädig zu stimmen." Auch diese Variante kommt wohl
nicht in Frage, obwohl der Übergang zu den folgenden Bedeutungen fließend ist.
4. Das Wort "Sinn" kann soviel bedeuten wie "Funktion (Aufgabe) als Teil eines
Ganzen ", etwa wenn man sagt: "Der Sinn des Auspuffs beim Auto ist die
Schalldämpfung."
5. Das Wort "Sinn" kann soviel bedeuten wie
"anerkannter Zweck, bejahtes Ziel, vernünftige Absicht", etwa wenn man sagt:
"Welchen Sinn soll es denn noch haben weiterzukämpfen? Der Krieg ist doch
verloren."
Wenn man nach dem Sinn des menschlichen Daseins
bzw. nach dem Sinn des Lebens fragt, so kommen vor allem die beiden letzten
Varianten in Betracht, also "Sinn" in der Bedeutung von "Aufgabe" und
"anerkannter Zweck". Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist demnach zu
verstehen als die Frage, ob das menschliche Leben einem bestimmten Zweck dient
oder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat.
Der Sinn des menschlichen Lebens im göttlichen
Schöpfungsplan
In der religiösen Weltsicht gibt es einen von Gott bestimmten Plan für die
Schöpfung als Ganze, worin auch den Menschen ihre Rolle zugewiesen
wird. So hat nach traditioneller christlicher Lehre das Leben auf
der Erde den Sinn einer Prüfung für den Menschen, bevor er
vor seinen Richter tritt und entweder das ewige Leben oder die ewige Verdammnis
zugeteilt bekommt.
Alles, was geschieht, wird im Sinne der göttlichen Weltordnung gedeutet. Ob dem
Menschen Gutes oder Schlechtes zustößt, alles dient einem göttlichen Plan und
erhält so seinen Sinn. Das menschliche Schicksal ist das von Gott Geschickte. Auch das schlimmste Unglück wird erträglich, weil es dem
unerforschlichen Willen eines gütigen Wesens entspringt. Mit den Worten
eines Gläubigen: "Herr schicke was Du willst, ein Liebes oder Leides. Ich bin so
froh, dass beides aus Deinen Händen quillt."
Das gefährliche Vakuum nach dem Schwinden der religiösen Sinnstiftung
Mit der Entwicklung und Verbreitung der Wissenschaften werden die religiösen
Weltbilder jedoch zunehmend unglaubwürdiger. Sie halten einer kritischen Überprüfung
nicht stand. Sie erweisen sich schließlich als bloße Vorstellungen und Fantasien ohne eine
entsprechende wahrnehmbare Wirklichkeit.
Wenn es aber keine höheren Wesen gibt, dann können sie dem menschlichen Leben auch
keinen Zweck zuweisen. Es gibt niemanden, der die Menschheit zu einem bestimmten Zweck erschaffen hat und der den Menschen die Erfüllung
eines bestimmten Zweckes zur Aufgabe gemacht hat.
Eine Welt ohne religiöse Deutung, das Fehlen einer übernatürlichen Bestimmung
des Menschen ist für viele eine schwer zu ertragende Vorstellung. Ohne einen persönlichen Gott
können sie keinen Sinn in ihrem Leben sehen.
Um es in einem Bild zu sagen: Mit dem Schwinden der religiösen Gewissheiten stehen die Menschen gewissermaßen
"verwaist" und ohne himmlischen Vater da: Sie müssen nun aus eigener Kraft und Vernunft den richtigen Weg finden und die zerstörerischen Kräfte im Zaum halten.
Sie müssen ihr Verhältnis zueinander selbst bestimmen und die Plätze im Raumschiff Erde verteilen.
Sie müssen in einer Welt, in der es Naturkatastrophen, schreiende Ungerechtigkeiten und monströse Verbrechen
gibt, eine Ordnung errichten, in dem ein erfülltes Leben möglich ist - und in dem auch das Sterben seinen Sinn hat.
Dies ist keine leichte Aufgabe und manch einer bezweifelt, dass die Menschen dies aus
eigener Kraft und ohne "höheren Beistand" schaffen können. Die
Katastrophen des 20. Jahrhunderts sind noch nicht vergessen, als in das von der Religion hinterlassene
weltanschauliche Vakuum
pseudowissenschaftliche dogmatische Ideologien einströmten, die letztlich mit
monströsen Verbrechen und Völkermord endeten.
Der Abschied von den übernatürlichen Deutungen der Wirklichkeit ist schwer und
es braucht seine Zeit, um ein neues Verhältnis zu den Dingen zu gewinnen, eine
neue Sicht auf die Welt und das menschliche Leben.
Erschwerend kommt hinzu, dass eine religiöse Überzeugung nicht einfach rational
diskutiert werden kann. Sie ist selten frei von Drohungen, denn die Abwendung
von der Religion, Unglaube oder die Gottlosigkeit ist selber ein Vergehen nach
den Regeln der Religion, das bestraft wird. Fehlender Glaube und "Ketzerei" sind
meist sogar schwere Sünden.
Der große Vorzug der neuen Weltsicht gegenüber
den dogmatischen Weltbildern der Religionen ist, dass diese neue
Weltsicht nicht mit der Beschränkung des rationalen Denkens erkauft wird und
dass alle Menschen unabhängig von ihrer konfessionellen Herkunft einen Zugang zu
dieser Sicht der Dinge haben.
Der Welt als dem Ganzen kann kein Sinn fehlen
Wenn man das Ganze der Wirklichkeit denkt, so kann das Ganze keinen Sinn
oder Zweck besitzen, denn es gibt nichts außerhalb des Ganzen, für das es einen
Sinn oder Zweck haben könnte. Das Weltall als Inbegriff alles Wirklichen benötigt
keinen Sinn. Ihm fehlt auch kein Sinn, es ist jenseits von Kennzeichnungen wie
"sinnvoll" oder "sinnlos".
Wenn man dies begriffen hat, kann aus der Verstörung über die Sinnlosigkeit
allen Geschehens das
befreiende Bewusstsein der Zweckfreiheit des Ganzen werden. Alles Glück und
alles Leid in dieser Welt ist beschlossen in diesem Ganzen der Welt. Die Welt
als das Ganze ist weder gut noch schlecht. Es gibt keinen Maßstab, den man an
das Ganze anlegen könnte.
Wenn man die Welt als die Gesamtheit alles Wirklichen in
ihrer zeitlichen und räumlichen Unendlichkeit denkt, so sieht man alles -
auch sich selbst als Teil dieser Welt - gewissermaßen aus dem Blickwinkel der
Ewigkeit.
Wenn man in einer sternklaren Nacht die aus unvorstellbarer Ferne und
Vergangenheit zu uns leuchtenden Himmelskörper sieht und in die Weite des Alls
schaut, dann verlieren die Kämpfe des Alltags an Wichtigkeit und man ist einbezogen in diese zweckfreie
Unendlichkeit, von der wir ein Teil sind.
Wir passen in diese Welt, in der wir
entstanden sind
Wir sehen uns Menschen in einem unvorstellbar weiten und
dauernden Weltall als Ergebnisse eines seit Millionen von Jahren und über Billionen von Generationen
geglückten Prozesses der Weitergabe und der Entwicklung des Lebens auf der Erde.
Unser Leben als Einzelne zählt nach Jahrzehnten, aber jeder von uns ist Glied in einer Kette des Lebens, die nach Jahrtausenden und Jahrmillionen zählt.
Die Erde, unser gemeinsames Raumschiff im All, ist in ihrer Eignung dafür
unübertroffen:
Die Meere schützen uns vor extremer Kälte und Hitze.
Die Atmosphäre schützt uns vor schädlichen Strahlungen aus dem Weltall.
Die Wolken spenden uns Schatten und bringen zugleich den lebensnotwendigen Regen.
Die tägliche Drehung verteilt die Wärme und Kraft des Sonnenlichts und bewirkt den
Wechsel von Tag und Nacht.
Wir werden schwach und hilfebedürftig
in diese Welt geboren, aber wir leben und wachsen, weil es Menschen gibt, die uns
lieben, schützen und ernähren.
Wir Menschen sind Teil dieser Welt. So wie wir sind, sind wir geworden durch diese Welt. Wir passen in diese unsere Welt.
In ihr findet sich neben allem Schrecklichen Schönheit, Freude und Glück.
***
Siehe auch
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
Fragen zur Religion * (44 K)
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Letzte Bearbeitung 13.06.2008 / Eberhard Wesche
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