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Aus meinen Notizb�chern: Heft XVIII
Heft XVIII
04.01.1983
Vorbemerkung:
Den folgenden Text aus meinen Notizb�chern habe ich eigentlich nicht für die Veröffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine
eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorläufigen
Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T.
grundlegender überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als
andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die
für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und
für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht
bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt und
begr�ndet.
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*XVIII-1*
Man braucht an eine
Schar von Kinder nur rote und blaue Trikots zu verteilen, und
man hat zwei konkurrierende oder sich bek�mpfenden Gruppen (ist das nur in
westlichen Gesellschaften so?)
*XVIII-2*
Lassen sich alle durch �u�ere Variable definierten Ziele auf subjektive, innere
Ziele zur�ckf�hren? Etwa:
ich will eine gr��ere Wohnung, weil ich mehr Platz
haben will für meine Sachen;
ich will mehr Platz haben für meine Sachen, weil
ich dann zus�tzliche B�cher unmittelbar benutzbar habe;
ich will zus�tzliche
B�cher unmittelbar benutzbar haben, um mich h�ufiger an ihnen erfreuen zu
können;
ich will mich an Schönen Dingen erfreuen ... . u.s.w.
*XVIII-3*
Die Menschheit ist strukturiert in Form sich-zusammengeh�rig-f�hlender Gruppen,
Familien, lokalen Gruppen, organisierten Kollektiven, ethnischen bzw.
sprachlichen Gruppen, Nationen, Religionsgemeinschaften, Kultur- und
Traditionsgemeinschaften, rassisch bzw. vom Erscheinungsbild ähnliche Gruppen
etc.
All das sind Barrieren einer allgemeinen universalen Solidarit�t in der Entscheidung über
Normen.
*XVIII-4*
Adam Smith hat in der Konstruktion des "unparteiischen Beobachters"
ein sehr wirkungsvolles Instrument normativer Beurteilung geschaffen, das den Anspruch auf
allgemeine Zustimmung erheben kann. Es wäre interessant, diese Konstruktion
methodologisch noch einmal genauer zu analysieren. Es ist ja kein empirisches
Faktum dergestalt, dass unbeteiligte (und wohlwollende) Personen tats�chlich so
urteilen, sondern dahinter verbirgt sich eine normative Konstruktion. Allerdings
soll diese Konstruktion unsere tats�chlichen moralischen Urteile bzw.
Empfindungen, die Smith wohl für in Ordnung h�lt, erklären.
*XVIII-5*
Kann man durch Beobachtung herausbekommen, welche Normen für ein bestimmtes
Verhalten bestimmter Individuen gelten? Vossenkuhl meint: "Wenn mir zum
Beispiel die Regeln des Fu�ballspiels nicht bekannt sind, kann ich durch blo�es
Zuschauen nicht entscheiden, was eine Regel ist." (In Zeitschrift für
philosophische Forschung 36. (1982) S. 513)
Nein, ich
kann Regeln entdecken dadurch, dass gegen sie versto�en wird und dann ein
Korrekturmechanismus einsetzt (Sanktion, Missbilligung, Belehrung et cetera.)
Der Schiedsrichter pfeift.
Wenn der Schiedsrichter jedoch ungenau oder unaufmerksam in der Reaktion auf
Regelverst��e ist, so kann ich h�chstens statistisch für das Bestehen einer
bestimmten Regel argumentieren. Schwieriger wird es auch bei Regelm��igkeiten,
die nicht auf der Befolgung einer Regel beruhen. So gibt es keine Regel, dass
man gewinnen soll beim Fu�ballspiel und dass man folglich mehr Tore als der
Gegner schie�en soll.
(Einschub HOPPE S.16-20)
*XVIII-6*
Kann es für den aufgekl�rten
Willen einen empirischen Indikator geben, der Messungen seiner "Gewichtigkeit"
erlaubt? Gemeint ist ja nicht die "St�rke" des Willens im Sinne eines
"willensstarken" Charakters sondern Dringlichkeit des Bed�rfnisses. Die alten
Utilitaristen meinten, im 'Leiden' oder im 'Gl�ck' - also in der Gef�hls- oder
Empfindungsdimension - einen Indikator bzw. eine me�bare Gr��e für den normativ
relevanten 'Nutzen' gefunden zu haben.
*XVIII-7*
"Wille"
(Bed�rfnis,Interesse etc.) im normativen Sinne ist der Antrieb, dem man -
ceteris paribus - folgen soll.
Wille ist das vorgestellte Ziel, das man
ceteris paribus verwirklichen soll.
*XVIII-8*
Die Operation des
solidarischen Nutzenvergleiches des 'Sich-hineinversetzens in die Lage des
anderen' muss in Analogie entwickelt werden zur Nutzensch�tzung des Individuums
in Bezug auf sein Eigeninteresse. Auch dort ist das Individuum gezwungen, sich
vorstellungsm��ig in bestimmte Situationen zu versetzen und diese vergleichend
zu bewerten.
*XVIII-9*
Es gibt im Prinzip zwei verschiedene
M�glichkeiten der Bestimmung des Gesamtnutzens:
Die eine M�glichkeit besteht
darin, dass man den Individuen selber die Formulierung ihrer Interessen
überlässt. Anschlie�end werden die individuellen Bewertungen der Alternativen
vergleichbar gemacht durch 'Normalisierung', etwa durch Zuteilung von
gleichen Punktmengen für die Bewertung.
Das Problem ist hier vor allem die
erforderliche Wahrhaftigkeit der Individuen, denn die eigeninteressierten
Individuen können die Ber�cksichtigung ihrer Eigeninteressen dadurch verst�rken,
dass sie diese in ihrer Dringlichkeit übertreiben. Im allt�glichen Leben aber
auch im politischen Interessenstreit ist diese übertreibung eine bekannte
Angelegenheit. Um unangenehme Dinge loszuwerden, übertreibt man eben gerne die
Belastung, die sie für einen selbst und für Andere bedeuten. Aber es gibt auch Verfahren zur
Kontrolle und Einschr�nkung des Problems.
*XVIII-10*
Eine andere
M�glichkeit zur Bestimmung des Gesamtnutzens ist die Bestimmung der
individuellen Interessen "von au�en" durch "objektive Beobachter" "Im Prinzip
muss dies jeder sein können - das
macht eben die 0bjektivit�t der Beobachtung aus. ("Beobachter" ist hier
vielleicht ein irref�hrendes Wort. Aber was kann man stattdessen nehmen?
Betrachter? Einsch�tzer ? Bewerter? ) Die objektiven Beobachter m�ssen im
Prinzip zu denselben Resultaten kommen. Die Frage ist, welche methodischen
Anweisungen für die Bewertung n�tig sind, um die erforderliche "Objektivit�t"
und damit die übereinstimmung der Resultate zu gew�hrleisten.
*XVIII-11*
Nachgewiesen werden muss bei der Diskussion über
den interpersonalen Nutzenvergleich nicht die Durchf�hrbarkeit der Messung im
einzelnen Fall, sondern der prinzipielle Sinn derartiger interpersonaler
Vergleiche. Bei gesellschaftlichen Normfragen spielen die individuellen
Besonderheiten des Eigeninteresses sowieso eine geringe Rolle, da es um
Kollektive mit zahlreichen Mitgliedern geht, h�ufig sogar um die Interessen
zuk�nftiger Generationen, die sich nur sehr grob aufgrund unserer Kenntnisse
über menschliche Interessen und Bed�rfnisse absch�tzen lassen.
*XVIII-12*
Was kann man alles heranziehen, um die Interessen von Menschen zu bestimmen und
interpersonal zu gewichten? Ihre verbalen �u�erungen über das, was sie wollen,
w�nschen, ablehnen et cetera und mit welcher Intensit�t (hier tritt das Problem
der Selbstt�uschung über die eigenen W�nsche auf und das Problem der
Wahrhaftigkeit der �u�erungen), das Verhalten in extremen Entscheidungssituationen, ...
*XVIII-13*
für den Utilitaristen ist es nicht notwendig, die Konsequenzen von
Handlungen bis in die fernste Zukunft zu ber�cksichtigen. Es kommt nur darauf
an, die Konsequenzen der Handlungsalternativen soweit zu verfolgen, wie sie
einen Unterschied im Verlauf der Wirklichkeit ausmachen w�rden, und zwar nur
einen solchen Unterschied, der wertm��ig relevant und erheblich ist.
*XVIII-14*
In
Donald H. REGAN: 'Utilitarianism and Corporation' findet sich eine gute Methode,
um moralische Fragen in ihrer allgemeinen Struktur zu klären. Es werden die
Individuen mit deren jeweilige Handlungsalternativen und wertm��igen Resultaten
im Sinne des Gesamtnutzens tabellarisch dargestellt. (Vierfeldertafel,
pay-off-matrix). Daran kann man dann recht gut die Probleme verschiedener
normativer Prinzipien aufzeigen, insbesondere angesichts spezieller
Gesamtnutzenfunktionen (Schwellenwerte et cetera).
*XVIII-15*
Wer einen
interpersonalen Wertvergleich (Interessenabw�gung) ablehnt, der muss auch
verneinen, dass zwischenmenschliches Verständnis und Mitgef�hl m�glich ist.
Diese Argumentationslinie einer reductio ad absurdum genauer ausarbeiten. Welche
Arten von Urteilen muss derjenige für unm�glich halten, der einen
interpersonalen Nutzenvergleich für unm�glich h�lt? Dabei genau spezifizieren,
was für unm�glich gehalten wird: die Vergleichbarkeit als solche, die
M�glichkeit kardinaler Messung oder anderes.
*XVIII-16*
Welche Pr�missen
liegen der solidarischen Interessenabw�gung zu Grunde? "Die Interessen des
anderen so gewichten, als seien es zugleich die eigenen": d.h. auch, dass man
die Interessen nicht mit zweierlei Ma� gewichtet. Die St�rke von Interessen
erschlie�t sich nur der inneren Wahrnehmung direkt (allerdings gibt es
verschiedene Verhaltensindikatoren indirekter Art). "Mit gleichem Ma� messen"
hei�t unter anderem, dass die Interessen von zwei Individuen, deren Situation
objektiv und subjektiv gleich ist, auch in ihren Interessen gleich zu gewichten
sind.
*XVIII-17*
So lange in der utilitaristische Diskussion angenommen wird, dass
die Gesamtnutzenwerte gegeben sind, taucht das Problem spezieller
Normsetzungsverfahren nicht auf, die gerade der Unsicherheit bzw. Uneinigkeit
über die Alternative mit dem h�chsten Gesamtnutzen ein Ende setzen sollen - im
Interesse einer wirksamen sozialen Koordination.
*XVIII-18*
Soziale
Entscheidungsverfahren dienen auch der Mobilisierung von Motivation für sozial
erw�nschte Handlungen. Insbesondere wird das Eigeninteresse mobilisiert. (Gibt
es Beispiele für andere Motive? Vielleicht Pflegefamilien, die famili�re
Sympathien ausnutzen, bzw. uniformierte Gruppen, die Stammesidentifikationen
ausnutzen). Einmal deutlich machen, wie dies in verschiedenen Institutionen
erreicht wird.
*XVIII-19*
Das Problem aller an den Konsequenzen des Handelns
orientierten normativen Theorien (bei denen Entscheidungen gem�� dem Wert der
Konsequenzen getroffen werden sollen) besteht darin, dass Konsequenzen nicht nur
naturgesetzm��ig eintreten, sondern h�ufig durch die Handlungen bzw.
Entscheidungen anderer Individuen bedingt sind. In der Spieltheorie ist diese
strategische Ungewissheit der Resultate analysiert worden, um die unter dem Gesichtspunkt des Eigeninteresses beste Strategie
für die Einzelen zu bestimmen.
*XVIII-20*
In
der �konomie geht es vor allem um die Ermittlung von Gleichgewichtspunkten für
die Strategie eigeninteressierter Akteure. Normativ gesehen ist dabei
interessant, dass Machtfaktoren ins Spiel kommen, wenn mit gezielten
Reaktionen von Akteuren der Wert der Handlungsalternativen für andere Akteure
bestimmt werden kann. (Genau genommen wird der M�glichkeitsbereich durch diese
Akteure gezielt eingeschr�nkt.) Auch für ethische Theorien ist das Problem
wichtig.
Denn um zu wissen, welche Konsequenzen die eigenen
Entscheidungen haben werden, muss man die Entscheidungen der anderen kennen �
und denen geht es ebenso. Man muss deshalb simultan die beste
Handlungskombination bestimmen. Die Situation kompliziert sich dadurch, dass bei
unerwartetem Verhalten eines Teilnehmers auch die �brigen Jndividuen im Sinne einer zweitbesten L�sung
sich umstellen m�ssen. Lassen sich für diese Situation allgemeine normative
Prinzipien formulieren etwa im Sinne von REGANS kooperativem Utilitarismus?
*XVIII-21*
Ganz deutlich kann man hier machen, dass die beiden Fragen:
(1) "Welche Normen
sollen sozial gelten?" und
(2) "Nach welcher Norm soll Individuum A handeln?"
nicht
identisch sind.
Frage (1) erfordert die Antwort: "Diejenigen Normen
sollen sozial gelten, die den gr��eren Gesamtnutzen realisieren". Hier taucht
dann das Problem der Nichtbefolgung auf, das Problem der Durchsetzbarkeit. Frage
(2) dagegen muss das Problem einbeziehen, dass andere diese
soziale Norm nicht befolgen und dass zweitbeste L�sungen gefunden werden m�ssen.
Au�erdem kann an diesem Schema deutlich gemacht werden, dass bestimmte
Normen nur zusammengenommen zu erw�nschten Resultaten f�hren; d.h.
Interdependenzprobleme lassen sich hier gut analysieren.
*XVIII-22*
Kooperationsgef�ge mit entsprechenden Rollenstrukturen und den
rollenspezifischen Normen sind Beispiele für normativ relevante
Interaktionsbeziehungen.
*XVIII-23*
Die Auszahlungstabelle (Pay-off Matrix) der
Spieltheorie lässt sich auch für die Analyse normativer Fragen gut verwenden.
Der "Gesamtwert" (oder "Gesamtnutzen") ergibt sich als Funktion der Handlungen
verschiedener Individuen, d.h. als Resultat von Handlungskombinationen. Einmal die
typischen Muster von Auszahlungstabellen bei moralischen Problemen
zusammenstellen. Eine andere aus der �konomie bekannte Darstellungsform ist die
Nutzenfunktion.
Sicherlich lassen sich weitere Darstellungsformen denken, zum
Beispiel das Problem des Betretens von Rasen, das so strukturiert ist, dass der
Rasen
kaum beeintr�chtigt
wird, wenn einige wenige ihn betreten, dass sich irgendwann die Situation
jedoch als rapide verschlechtert zeigt, wenn der Rasen immer h�ufiger betreten
wird. (Es ergibt sich wohl eine S-fürmige Nutzenfunktion. Zeichnung!!)
Davon abzuziehen wären unter Umst�nden noch Nutzen, die durch Zeitersparnisse
eintreten. Dies w�rde allerdings nicht für Herrn X gelten,
der bewusst für Mussestunden eingerichtet sind, also für Leute, die es nicht
eilig haben. Hier w�rde die (gesch�tzte) Nutzenfunktion die Form einer
ansteigenden Geraden haben. (Eventuell fehlt auch das Vergn�gen, auf weichem
Rasen statt auf Wegen zu gehen. Zeichnung!!)
Nimmt man beide Kurven
zusammen, so k�nnte das Maximum dort sein, wo einige Leute den Rasen
betreten. Das Problem besteht nun darin, diese Privilegierten zu
bestimmen. Und wenn sich die
Kontrolle der Einhaltung der Norm als zu aufw�ndig erweist, mag es am besten sein,
generell das Betreten des Rasens zu verbieten.
Man k�nnte sich
Verfahren der Ermittlung der privilegierten Gruppe denken, etwa die Ausgabe von
Berechtigungsscheinen in der entsprechenden Anzahl.
*XVIII-24*
Wenn wir nicht in der
Lage wären, Art und Dringlichkeit der Bed�rfnisse anderer Personen
einzusch�tzen, so wären wir als Menschheit wohl schon lange ausgestorben. Wie
k�nnte man dann zum Beispiel Kinder aufziehen?
*XVIII-25*
An der Begeisterung, mit
der Kinder � auch �ltere � Wasserpistolen verwenden, lässt sich über das
Aggressionspotenzial der Menschen einiges ablesen.
*XVIII-26*
Um zu m�glichst
allgemeinen Normen zu kommen, m�ssen geeignete Handlungskategorien gebildet
werden, die m�glichst solche Handlungen zusammenfassen, die durchg�ngig zu stark
negativen bzw. stark positiven Resultaten f�hren.
*XVIII-27*
Man muss unterscheiden
zwischen solche Normen, die unmittelbar wertrelevantes Handeln normieren, und
solchen Normen, die ein Entscheidungsverfahren, also ein Normsetzungsverfahren konstituieren (Versprechen,
Vertr�ge schlie�en, abstimmen, heiraten, adoptieren, beurkunden � .)
*XVIII-28*
"�mter" mit bestimmten Rechten und Pflichten sind (partielle)
Entscheidungsverfahren. (Gewähnlich sind es Gef�ge einander zugeordneter "�mter"
Heirat oder Eheschlie�ung ist ein Verfahren des Erwerbs bzw. der Besetzung von
�mtern, der Konstituierung eines Entscheidungsverfahrens. Aber natürlich ist die
Familie oder Ehe nicht nur Entscheidungsverfahren bzw. Normsetzungsverfahren,
sondern kann unter
vielen Aspekten betrachtet werden.
*XVIII-29*
Die empirische Wahrheit über "das
was ist"
bildet sich scheinbar aus gleichgerichteten individuellen Wahrnehmungen,
w�hrend sich die normative Wahrheit "das was sein soll" offenbar aus widerstreitenden
Willensinhalten und deren Abw�gung ergibt.
Aber genauer betrachtet setzt sich unsere
überzeugung von der Beschaffenheit der Welt aus vielen verschiedenen
Wahrnehmungen zusammen, die konsistent zusammengef�gt werden m�ssen. Und die
individuellen Interessen sind genau genommen nicht widersprüchlich sondern nur
relativ zum jeweiligen Standort des urteilenden Individuums. Eben deshalb kann man ja auch von den eigenen
Interessen abweichende Interessen aus der Lage des anderen heraus verstehen und
als richtig anerkennen oder nicht.
Der Wahrheit der Seinsurteile liegt die
Richtigkeit von Wahrnehmungen zu Grunde, der Wahrheit der Sollensurteile liegt
die Richtigkeit von Eigeninteressen zu Grunde.
*XVIII-30*
Den Vorgang des Wertens in
den Zusammenhang der anderen T�tigkeiten einordnen: zum Beispiel: f�hlen,mitdenken,
entscheiden, handeln. Von dorther auch erklären,
was "richtiges Bewerten" hei�t.
*XVIII-31*
Erst aus einer Vielzahl unterschiedlicher
Wahrnehmungen ergibt sich unser Bild von der Welt, denn wir sehen zum
Beispiel nicht direkt r�umlich: jeder K�rper hat eine Vielzahl m�glicher Ansichten
und wir haben eine Mehrzahl von Sinnesorganen, deren Wahrnehmungen erst kombiniert
werden m�ssen, intrasubjektiv und intersubjektiv.
In ähnlicher Weise sind
die individuellen Interessen zwar verschieden aber nicht widersprüchlich.
widersprüchlich sind h�chstens normative Urteile.
Anhand einzelner
Wahrnehmungen werden nur Aspekte der Welt korrigierbar, ebenso werden
anhand individueller Interessen nur Aspekte von Nutzenvorstellungen
korrigierbar.
*XVIII-32*
Gibt es einen methodischen, kontrollierbaren übergang vom
"Empfinden" et cetera zum
"Bewerten"?
*XVIII-33*
Wenn die Mittel ihren Wert nur aus den erreichten Zwecken
ableiten, so kommt es vor allem auf die Bewertung dieser Selbstzwecke an.
*XVIII-34*
Bewertet man nur das tats�chlich erreichte Ziel positiv oder auch schon das
Wissen, dass das Ziel erreicht werden wird?
*XVIII-35*
Kann man mit einem
uneingeschr�nkten Utilitaristen argumentieren? Man muss ja davon ausgehen,
dass er seine Argumente nicht unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitssuche
w�hlt, sondern unter den Gesichtspunkt der besten Folgen. Wenn er etwa meint,
die Erkenntnis einer bestimmten Wahrheit durch mich h�tte nicht die
besten Folgen, so wird er vielleicht bewusst falsche und irref�hrende Argumente
vorbringen. In diesem Fall wäre eine wirkliche Argumentation im Sinne eines
Diskurses nicht m�glich. Dies wird manchmal als generelles Problem der
Glaubw�rdigkeit eines Utilitarist behandelt.
*XVIII-36*
Ein �ffentlicher Birnbaum,
von dem sich jeder pfl�cken darf, wird wahrscheinlich vor der vollen Reife abgeerntet, weil jeder befürchten muss, dass wenn er die fast reife Birnen nicht
jetzt pfl�ckt, morgen ein anderer sie pfl�cken wird.
*XVIII-37*
klären, wie sich
Intersubjektivit�tsgebot und Solidarit�tsgebot zueinander verhalten. können sie
sich widersprechen? Wenn 'ja', welche Vorrangregeln haben zu gelten?
Bzw. wie lassen sich die Anwendungsbereiche abgrenzen?
*XVIII-38*
Einmal
systematisch aufz�hlen, was die Bewertung relevanter Aspekte einer Entscheidungssituation sind und was bei der Beschreibung fortgelassen werden kann.
*XVIII-39*
GINTERS fasst die verschiedenen Universalisierungsregeln unter dem Oberbegriff desP
Prinzips der Unparteilichkeit (Goldene Regel, Kants Kategorischer Imperativ,
Gebot der N�chstenliebe, et cetera) Hierhin w�rde natürlich auch mein
Solidarit�tsgebot geh�ren
*XVIII-40*
Zuerst m�sste die Frage gestellt werden:
"Wie sollen wir handeln?" Von einer utilitaristische Position aus wäre die Antwort: "Wir sollen so handeln, dass die besten Konsequenzen entstehen." Die Frage ist
jedoch, auf welchen Bereich des Handelns sich die Frage erstreckt - oder anders
ausgedr�ckt: Welche Handlungen werden zur Entscheidung gestellt und welche
Handlungen als gegeben angenommen. Je nachdem, welche Handlungen als
gegeben angenommen werden, ergeben die zur Entscheidung anstehenden Handlungen
unterschiedliche Konsequenzen mit unterschiedlichen Bewertungen, das hei�t, dass
je nachdem andere Handlungen als die besten gelten m�ssen.
*XVIII-41*
Ist es zur
Vermeidung dieser Schwierigkeiten m�glich, gar keine Handlungen als gegeben anzunehmen und alle Handlungen zur Disposition zu stellen? Aber lässt sich dann
überhaupt noch die Situation bestimmen? Man m�sste das einmal an konkreten
Beispielen durchspielen. Zumindest k�nnte man versuchen, zu einem gegebenen
Zeitpunkt nur die vergangenen Handlungen als gegeben anzunehmen und die
zuk�nftigen Handlungen aller Individuen zur normativen Entscheidung zu stellen �
dies ist allerdings eine überdimensionale Aufgabe.
H�ufig wird die Frage
viel abstrakter gestellt. Ess wird nicht von einer zeit-r�umlich bestimmten
Entscheidungssituation ausgegangen, sondern von einer fiktiven, nur partiell
beschriebenen Situation, so zum Beispiel in der ethischen Kasuistik. Dabei wird
gewähnlich davon ausgegangen, dass Handlungen ungenannter Personen keinen
Einfluss auf den weiteren Verlauf haben.
*XVIII-42*
Die Frage "Wie soll ich mich
verhalten?" bezieht sich auf zeit-r�umlich bestimmte
Entscheidungssituationen. Dies ist die urspr�ngliche Problemstellung. Zur
L�sung soll die normative Theorien beitragen. Die Antwort wäre dann: "In dieser
bestimmten Situation sollst Du so-und-so handeln." Die Antwort kann nur gegeben
werden, wenn die Situation, die m�glichen Handlungsalternativen mit den
Konsequenzen beschrieben werden.
Dies geschieht in "Begriffen". Begriffe,
die nicht nur Namen (individuelle Bezeichnungen) sind, sondern allgemeine
Begriffe, die ganze Klassen von Gegenst�nden bezeichnen: "Reichtum", "Kind", "T�tung",
"Krankheit" oder ähnliches. Es entsteht dadurch eine Beschreibung des
individuellen Falles, die auch noch auf andere F�lle zutreffen w�rde. Die F�lle
gleichen sich also in Bezug auf die beschriebenen Merkmale. Falls in der
Beschreibung alle bewertungsrelevanten Merkmale enthalten sind, m�ssen
sich auch die normativen Antworten gleichen, da sich diese logisch daraus ergeben.
*XVIII-43*
für
die Vereinfachung des normativen Erkenntnisprozess ist es wichtig,
die Entscheidungssituationen in ihren bewertungsrelevanten Aspekten zu erfassen,
die h�ufiger wiederkehren.
Dabei kommt es darauf an, m�glichst einfache
Situationen herauszudestillieren, die von allen überfl�ssigen, nicht
bewertungsrelevanten Aspekten befreit sind. Wahrscheinlich muss man auch
diejenigen Aspekte vernachl�ssigen, die weniger bewertungsrelevant sind, um
überschaubare Entscheidungssituationen zu erhalten. Die geltenden Gesetze und
Moralnormen sind insofern hochgradige Vereinfachungen und eigentlich wei� man: Jeder Fall liegt anders, trotz aller Versuche zur Verallgemeinerung.
Es ist schwierig, solche einfachen und h�ufigen Situationen
herauszudestillieren, die bewertungsm��ig weitgehend gleich sind und die
gleiche normative Antwort verlangen. Stattdessen ist es sinnvoll, keine verhaltensbezogenen Normen zu entwickeln,
sondern Normsetzungsverfahren zu installieren,
die auf eine Situation angepasster reagieren können. Damit ist das Problem
beseitigt, für jede Situation im voraus Normen zu entwickeln, die hinreichend
spezifisch auf jedwede Lage reagieren.
*XVIII-44*
Normsetzungsverfahren bestehen nicht
unmittelbar aus Verhaltensnormen (wenn man vom Verhalten der Normsetzung selber
einmal absieht). Normsetzungsverfahren erm�chtigen bestimmte Individuen bzw.
Positionsinhaber, Verhaltensnormen für bestimmte Individuen zu setzen. Sie
schreiben also bestimmten Individuen bzw. Positionsinhabern bestimmte
(subjektive) Rechte zu. Die Positionen werden bezeichnet als "Eigent�mer", "W�hler",
"Eltern", "Bundespr�sident", "Richter", "Vorgesetzter", "Lehrer" usw.
Diesen Rechten
entsprechen bestimmte Pflichten bei anderen Positionsinhabern, diese Rechte zu
respektieren. (Beim Vertrag sind normsetzende und normgebenden Personen
identisch) Zur Konstituierung eines Normsetzungsverfahrens sind Normen
erforderlich, die jedoch von den prim�ren Verhaltensnormen zu unterscheiden
sind. H�ufig handelt es sich nur um Formvorschriften, zum Beispiel werden
Bedingungen formuliert,
wie ein g�ltiges Testament aussehen muss.
*XVIII-45*
REGAN fordert von
einer moralischen Theorie "adaptability", d.h. Anpassungsf�higkeit der moralischen
Entscheidungen der Einzelnen an die jeweiligen Entscheidungen aller anderen. Bei
der sozialen Normgebung taucht dies Problem erstmal nicht auf. Eine Abstimmung
der Verhaltensweisen erfordert allerdings unter Umst�nden eine Ber�cksichtigung
nicht optimaler Verhaltensweisen von Beteiligten. Damit kommt es auch vom
Standpunkt sozialer Normsetzung zu zweitbesten L�sungen.
Bei einer
Gesamtwert-Matrix (Tabelle fehlt) erf�llen nach REGAN sowohl A als auch B die
handlungsutilitaristische Theorie, wenn sie beide Handlungsweise "2" w�hlen, so dass
nur ein Wert von "6" realisiert wird (statt der m�glichen "10", wenn beide ?
w�hlen),
denn jeder für sich genommen h�tte durch �nderung seines eigenen Verhaltens
allein keine Verbesserung des Gesamtwertes erzielen können.
Aber wie w�rde man
im Alltag mit ihnen argumentieren? Auf den Vorwurf von A, er habe nicht das
Optimum realisiert, k�nnte dieser entgegnen, er sei davon ausgegangen, dass
B die Handlungsweise "2" w�hlt, so dass ihm zur Erreichung eines m�glichst
hohen Gesamtwertes nichts anderes �brig geblieben wäre.
*XVIII-46*
Verhaltensvorschriften wie: "F�ge niemandem unn�tig Schmerzen zu!" Oder "Helfe anderen in Not, wenn es
Dich nicht viel kostet!" sind eigentlich
keine Verhaltensnormen, denn sie beinhalten eine Interessenabw�gung.
*XVIII-47*
Suboptimale Handlungskombinationen, die auch bei Verhaltens�nderungen von ein
oder mehr Akteuren nicht zu einer Verbesserung f�hren, werfen die von REGAN
formulierten Probleme auf. Es nutzt da nichts, dass ein Akteur (oder mehrere)
sich entsprechend einer besseren Handlungskombination verhalten. Man kann
ihnen individuell (oder als Teilkollektiv) auch keinen Vorwurf machen, sofern
sie sich bereit zeigen, auch eine bessere Handlungskombination zu realisieren.
*XVIII-48*
Lassen sich aus dem Umstand des Wahr-seins einer Norm normative Folgerungen
ableiten? Zum Beispiel, dass wir sie für wahr halten sollen? Das Feststellen der Wahrheit
einer Behauptung ist keine Tatsachenfeststellung. Der Satz:"Die Behauptung
'b ist
wahr' " ist kein empirischer Satz. Ein empirischer Satz ist h�chstens b,
jedoch nicht der
Satz über b. Wahr-sein ist keine Tatsache, keine Aussage über die Welt. auch nicht
über das empirische Faktum "dieser Satz".
*XVIII-49*
Wenn man sagt: "Diese Behauptung ist
wahr", dann sagt man vielleicht: "Jeder (der ehrlich ist) sollte dieser Behauptung
zustimmen" oder besser: "Jeder kann dieser Behauptung zustimmen".
*XVIII-50*
Impliziert "Wahrheit"
Begr�ndbarkeit im Sinne intersubjektiver Nachvollziehbarkeit?
Wenn ich der einzige
Augenzeuge bin, so fehlt die intersubjektive überpr�fbarkeit - zumindest die
direkte.
*XVIII-51*
Worin besteht die Gemeinsamkeit von empirischer und
logischer Wahrheit?
*XVIII-52*
Dass wir
überhaupt eine gemeinsame Sprache sprechen, setzt voraus, dass die Dinge dieser
schwach lebende als gleich wahrnimmt, auch von den schwach L ernenden als gleich
wahrgenommen werden. Um etwa den Begriff "Auto" zu lehren, muss der Lehrende
Regeln des Gebrauchs haben, also Ph�nomene, die einander in bestimmter Hinsicht
erinnern, mit demselben Wort zu bezeichnen, und der Lernende muss in Bezug auf
dieselben Dinge ebenfalls Wahrnehmungen haben, die einander �hneln, um dasselbe
Wort darauf anzuwenden.
Es ist also nicht notwendig, dass beide hinsichtlich
eines Autos dasselbe wahrnehmen - oder? Nur intrapersonale
ähnlichkeiten, nicht interpersonale ähnlichkeiten der Wahrnehmung werden
vorausgesetzt. Allerdings eine interpersonale Parallelit�t: Lehrende und
Lernende sollen das Wort "Auto" auf den gleichen Sachverhalt anwenden. Sie nehmen
beide ein Auto wahr, aber ob sich die Wahrnehmungen ansonsten gleichen, ist
offen.
Aber wie will man Unterschiede erkennen, die sich nicht benennen
lassen?
*XVIII-53*
Es gibt logische Wahrheiten auch bei Normen - wenn man zum Beispiel
definiert. Es ist m��ig, darum zu streiten, ob
Wahrheit nur intersubjektiv oder auch rein subjektiv zu bestimmen ist. Auch für
einen Einzelnen allein auf einer Insel haben die Begriffe "wahr" und "falsch" ihre
Bedeutung.
*XVIII-54*
Es wäre wohl wenig sinnvoll zu sagen: "Dieser Satz ist
zwar für mich wahr, aber nicht für dich". Es erscheint sinnvoller, die Beziehungen
zwischen subjektiven und intersubjektiven Aspekten zu klären.
Wahr sind
diejenigen Behauptungen, die man zu recht glaubt bzw. von dem man zu recht
überzeugt ist. Ob man etwas zu recht glaubt, h�ngt davon ab, welche Gr�nde dafür
oder dagegen sprechen (aber man muss nicht alle existierenden Gr�nde
kennen).
*XVIII-55*
Die individuellen Optima sind verschieden. Wie kann es
trotzdem zur übereinstimmung kommen? Es gibt keinen Grund, warum jemand einem
fremden Optimum zustimmen sollte unter Aufgabe des eigenen Optimum. Dazu bed�rfte
es eines zus�tzlichen Grundes - einer zus�tzlichen Begr�ndung, sofern es überhaupt
eine solche gibt. Was für die Individuen gilt, gilt entsprechend auch für Teilkollektive. Deren Optima sind verschieden. Damit blockieren sich die beiden
interessierten Subjekte in ihren unvereinbaren Forderungen.
*XVIII-56*
M�glichst
verst�ndliche überblicksartikel zum Forschungsstand bei folgenden
Themenbereichen suchen:
rationale Koalitionsbildung im Mehrheitssystem
Modelltheorie in empirischen und normativen Fragestellungen
Psychologie und
Soziologie: Forschungen zu Vorurteilen
Introspektion als Erkenntnismethode
Andere Menschen verstehen können
Kann man sich in einen anderen Menschen
hineinversetzen?
Unparteilichkeit und Gleichberechtigung
(Allgemeing�ltigkeit)
Wie kann man erreichen, dass die Schere zwischen Arm
und Reich sich nicht weiter �ffnet, ohne die Kreativit�t zu hemmen?
Grenzen
der Verrechtlichung
Die Entstehung des Lebens aus Materie
Evidenz in den
positiven Wissenschaften
Pr�ferenzen, Pr�ferenzintensit�ten und
interpersonaler Vergleich
*XVIII-57*
Je ungleicher das Niveau des Wohlergehens in einer
Gesellschaft ist, desto schwerer kann man diese Gesellschaftsordnung
rechtfertigen.
*XVIII-58*
Es gibt keine Pflicht zur Hilfeleistung gegenüber
jedermann, sondern nur gegenüber einem Mitb�rger.(???)
(??)
*XVIII-59*
Wenn es auf die individuellen Werte ankommt,so können die normativen Resultate
nicht sicherer und pr�ziser sein als unsere psychologischen Kenntnisse von den
(aufgekl�rten) Wertungen der Individuen.
*XVIII-60*
Bei der Wahl von
Normsetzungsverfahren spielen individuelle Besonderheiten der Wertung keine
Rolle, denn solche Verfahren sind ja gerade für l�ngere Zeit und für eine
Vielzahl von Entscheidungen gedacht, deren spezifischen Details überhaupt nicht
genau vorhersehbar sind. Erforderlich ist deshalb die Anwendung statistischer,
typisierender, modellhafter, sch�tzender Argumente.
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Ethik-Werkstatt: Ende der Seite "Aus meinen Notizb�chern Heft XVIII" / Letzte Bearbeitung
01/2015 / Eberhard Wesche
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