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Nietzsche und die Ewige Wiederkehr des Gleichen

 


Vorbemerkung

Dieser Text unterscheidet sich von anderen Seiten der Ethik-Werkstatt dadurch, dass im Vordergrund nicht die Auseinandersetzung mit der inhaltlichen Position des Autors steht, sondern deren biographische Einordnung. Eine inhaltliche Kritik an der Vorstellung der ewigen Wiederkehr des Gleichen hätte m. E. daran anzusetzen, dass selbst wenn es diese Wiederkehr gäbe, sie von niemandem bemerkt werden könnte. Eine Erinnerung an den vorangegangenen Zyklus kann es nicht geben, denn das hieße, dass der gegenärtige Zyklus und der vorangegangene Zyklus nicht völlig gleich sind. Bei dem späteren Zyklus käme immer noch die Erinnerung an den früheren Zyklus hinzu.


Wie kam Friedrich Nietzsche zu der Ansicht, dass alles, was ist oder sein wird, schon einmal war? Wenn ich ihn recht verstehe, kommt  seine Vorstellung von der "Ewigen Wiederkehr des Gleichen" aus folgender Überlegung:

Danach besteht die Welt aus einer bestimmten Menge von Atomen als den kleinsten Elementen, die in einer bestimmten Weise angeordnet sind. Diese Anordnung ändert sich nun ständig gemäß den Naturgesetzen. Da der Prozess der Veränderung zeitlich unbegrenzt immer weiter geht, sind irgendwann einmal alle kombinatorisch möglichen Anordnungen dieser Atome durchgespielt und es muss zu einer Anordnung kommen, die schon einmal da war.

Von hier ab beginnt die Wiederkehr des Gleichen, da dieselbe Ausgangssituation besteht und dieselben Naturgesetze wirken. Und dieser Kreislauf wiederholt sich ewig, ähnlich wie sich bei einer mathematischen Division im Normalfall irgendwann die Stellen hinter dem Komma periodisch wiederholen. (Dieses atomistische und deterministische Weltbild mit unveränderlichen Naturgesetzen wollte Nietzsche noch vertiefen. Er soll mit dem Gedanken gespielt haben, deswegen noch einmal Chemie zu studieren. Wenn ich mich nicht irre, hat er diese Gedanken jedoch selber nicht veröffentlicht sondern nur für sich selber notiert.)

Der Gedanke der 'Ewigen Wiederkehr des Gleichen' hat Nietzsche fasziniert und er hielt ihn für eine große Leistung. Seiner Meinung nach hatte er damit die beiden großen philosophischen Konzeptionen - des Seins (Kant) und des Werdens (Hegel) - zusammengefügt. 

Die Vorstellung einer sich unendlich im Kreis drehenden Wirklichkeit, die keinen historischen Fortschritt zu einem großen Ziel kannte, war für Nietzsche als einem Kind des fortschrittgläubigen 19. Jahrhunderts schwer auszuhalten, aber gerade indem er sich zwang, diesen Gedanken einer sich ausweglos und ewig wiederholenden Welt zu ertragen, meinte er, die tiefste und umfassendste Bejahung des Lebens zu vollziehen: Alles, was ist, kehrt ewig wieder, es gibt nichts Niederes, Schlechtes, dessen Existenz negiert wird und das verschwindet.

Damit wollte Nietzsche den schärfsten Gegensatz zum Christentum formulieren, das – so wie er es verstand - die Erde als ein Jammertal und bloße Durchgangsstation zum Himmelreich ansah, das die Menschheit als ein mit Erbsünde belastetes Geschlecht in Erwartung des Letzten Gerichts betrachtete und das mit seiner Parteinahme für die Armen, Schwachen und Benachteiligten den Herdentrieb förderte und die Starken und Erfolgreichen lähmte.

Gegen die Losung "Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!", stellte der Pastorensohn Nietzsche das "Vivere pericoloso!" (("Gefährlich leben!" ) des Renaissance-Menschen.

Die Vorstellung der Ewigen Wiederkehr des Gleichen war für Nietzsche persönlich sicherlich schwer auszuhalten, denn er hatte sich eine fortschreitende Geisteskrankheit zugezogen. Er hätte allen Grund gehabt, mit seinem Schicksal zu hadern und an ein besseres Jenseits zu glauben. Wenn Jesus sagte: "In der Welt habt Ihr Angst, doch seid getrost, ich habe die Welt überwunden", dann wollte der "Anti-Christ" Nietzsche dagegen die Bejahung des Lebens mit allen seinen – auch schrecklichen – Möglichkeiten setzen. Er sagte von sich "Je suis un décadent - aber gleichwohl bin ich auch dessen Gegenteil."  

Mit dem Fortschritt seiner Krankheit klang seine Bejahung des Lebens, des Starken, der "Fernstenliebe" (statt der Nächstenliebe), des "Übermenschen" (statt des "Herdenmenschen" ) immer schriller und sein  endgültiger geistiger Zusammenbruch erfolgte angesichts eines  Kutschers, der mit seiner Peitsche erbarmungslos auf seine zu schwachen Pferde einschlug, denen Nietzsche weinend um den Hals fiel.

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Letzte Bearbeitung 03.11.2005 / Eberhard Wesche

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