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Suboptimalität kollektiver Entscheidungsregeln

Die Auswirkung einer Bündelung von Entscheidungen

 

Einleitung
Die Veto-Regel
Beurteilung der Veto-Regel
Die Mehrheitsregel
Die Minimax-Regel
#Nutzensummen-Regel_be

Die Nutzensummenregel

 


Einleitung

Im Folgenden sollen verschiedene Verfahren der kollektiven Entscheidung daraufhin untersucht werden, ob und wie sich durch eine Zusammenfassung der einzelnen Entscheidungen zu "Entscheidungsbündeln", über die im Ganzen entschieden wird, die Resultate des Entscheidungsprozesses verändern.

Dabei wird angenommen, dass sich die einzelnen Individuen (im Folgenden symbolisiert durch große Buchstaben A, B, C etc.) bei der Abstimmung "rational" verhalten. Das heißt, dass jedes Individuum so abstimmt, dass das - für ihn oder sie - bestmögliche Ergebnis herauskommt.

Die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten, die dem Kollektiv offenstehen und zwischen denen eine Entscheidung getroffen werden soll, werden als "Alternativen" bezeichnet (im Folgenden symbolisiert durch kleine Buchstaben u, v, w, etc.).

Die im Modell angenommenen Bewertungen der Alternativen durch die einzelnen Individuen sind in der Form von "Präferenzen" (von lateinisch "praeferre" = "vorziehen") gegeben. Ein Individuum A hat dann eine Präferenz für die Alternative x gegenüber der Alternative y, wenn A die Alternative x gegenüber der Alternative y vorzieht. Die daraus sich ergebende Präferenzordnung schreibt man "A: x > y".

Bei den folgenden Untersuchungen wird aus Gründen der Einfachheit eine Gleichwertigkeit von Alternativen (x = y) ausgeschlossen. Es werden also nur Fälle mit "starken" Präferenzordnungen untersucht.

Die Präferenzordnungen mehrerer Individuen kann man am besten in Tabellenform darstellen. Dabei erhält jedes Individuum eine Spalte, in der die Alternativen entsprechend ihrer Bewertung durch das entsprechende Individuum - beginnend mit der individuell besten Alternative - untereinander geschrieben werden:

Tabelle 1a

Präferenzordnungen der Individuen A,B und C
in Bezug auf die Alternativen x, y und z

 

A

B

C

1. Rang
(Spitzenalternative)

x

x

y

2. Rang
(zweitbeste A.)

y

z

z

3. Rang
(drittbeste A.)

z

y

x


Dabei wird angenommen, dass jedes Individuum die zur Entscheidung anstehenden Alternativen in eine eindeutige Rangfolge bringen kann. Dies wäre z. B. nicht der Fall, wenn gilt: A: x > y > z > x. Derartig zirkuläre individuelle Präferenzen sind also ausgeschlossen. Die Alternativen müssen von jedem Individuum "transitiv" geordnet werden. D. h. wenn gilt: x > y und y > z , dann muss auch gelten: x > z.

Die Ergebnisse von paarweisen Vergleichen zwischen mehreren Alternativen lassen sich durch "Wahlmatrizen" wiedergeben. In jede Zelle wird das Ergebnis eingetragen, Für die Tabelle 1 ergibt sich die folgende Wahlmatrix:

Wahlmatrix zur Tabelle 1

  x y z
x --- 2:1 2:1
y 1:2 --- 2:1
z 1:2 1:2 ---

Tabelle 1b

Das fettgedruckte Ergebnis "1:2" unten links in der Tabelle bedeutet zum Beispiel: Beim Paarvergleich zwischen den zwei Alternativen z und x erhält z 1 Stimme und x erhält 2 Stimmen. 


Die Veto-Regel (Einstimmigkeits-Regel mit Status-quo-Klausel)

Die Veto-Regel wird wie folgt definiert:

"Eine Alternative x gilt dann als kollektiv gewählt, wenn x bei paarweisen Abstimmungen mit jeder der übrigen Alternativen in jedem Fall einstimmig (ohne Gegenstimme) gewählt wird. Erfüllt keine der Alternativen diese Bedingung, so gilt der Status quo (der bestehende Zustand) als kollektiv gewählt."

Angenommen, die 3 Individuen A, B und C wenden bei der kollektiven Entscheidung zwischen den 3 Alternativen x, y und z die Veto-Regel an. Ihre (fiktiven) Präferenzen in Bezug auf die Alternativen ergeben sich aus den individuellen Rangordnungen der folgenden Tabelle:


Präferenzordnungen

A

B

C

x

x

x

y

z

y

z

y

z

Tabelle 2

Aus Tabelle 2 ist z. B. zu ersehen, dass die Wahl der Alternative z für Individuum A das schlechteste aller Ergebnisse  ist.

Wenn jedes Individuum bei den paarweisen Abstimmungen zwischen den Alternativen jeweils für die von ihm bevorzugte Alternative stimmt, kommt es zu folgenden Ergebnissen:

Wahlmatrix zu Tabelle 2

 

x

y

z

x

---

3:0

3:0

y

0:3

---

2:1

z

0:3

1:2

---

Tabelle 3

In diesem Fall gilt x als kollektiv gewählt gemäß der Veto-Regel, denn A, B und C stimmen sowohl bei der Abstimmung zwischen x und y als auch bei der Abstimmung zwischen x und z jeweils einstimmig, d. h. ohne Gegenstimme für x.

 

Angenommen, die Präferenzordnungen aus Tabelle 2 werden dahingehend geändert, dass Individuum B jetzt die Alternative z gegenüber der Alternative x vorzieht:

Präferenzordnungen

A

B

C

x

z

x

y

x

y

z

y

z

Tabelle 4


Nun ergibt sich die folgende Wahlmatrix, vorausgesetzt, die Individuen stimmen "aufrichtig" für ihre Spitzenalternative:

Wahlmatrix zu Tabelle 4

 

x

y

z

x

---

3:0

2:1

y

0:3

---

2:1

z

1:2

1:2

---

Tabelle 5

In diesem Fall gilt der Status quo als kollektiv gewählt, da keine der Alternativen ohne Gegenstimme geblieben ist. Der Status quo würde selbst dann beibehalten, wenn er für jeden der Beteiligten das schlechteste aller möglichen Resultate wäre, wie bei den Präferenzordnungen der folgenden Tabelle 6:

Präferenzordnungen unter Einbeziehung des Status quo

A

B

C

x

z

x

z

x

y

y

y

z

(sq)

(sq)

(sq)

Tabelle 6

Dies für alle schlechteste Ergebnis in Gestalt des Status quo kann allerdings durch die Vereinbarung eines bestimmten Abstimmungsverhaltens verhindert werden, wobei mehrere Möglichkeiten bestehen (alle stimmen für x oder für z oder für y).

Man könnte das suboptimale Ergebnis auch dadurch vermeiden, dass nur Paarvergleiche zwischen dem Status quo und irgendeiner anderen Alternative x, y, z durchgeführt werden. Allerdings hängt das Resultat dann von der Reihenfolge der Paarvergleiche ab. Wenn z. B. als erstes ein Vergleich des Status quo mit der Alternative z durchgeführt wird, bleibt es bei z. Wenn dagegen zuerst x mit dem Status quo nach der Veto-Regel verglichen wird, bleibt es bei dem Resultat x. 
 

Beurteilung der Veto-Regel

Die Veto-Regel benötigt für eine Entscheidung nur die individuellen Präferenzordnungen. Eine interpersonal vergleichbare Messung der individuellen Nutzen ist nicht erforderlich.

Dem Vorteil der einfachen Praktizierbarkeit der Regel stehen jedoch erhebliche Einwände gegenüber. Wie der Name "Veto-Regel" bereits deutlich macht, kann ein einziges Individuum jegliche Veränderung des Status quo blockieren.

Auch in dem folgenden Fall würde der Status quo gewählt:

Präferenzordnungen

A

B

C

D

E

F

G

x

x

x

x

x

x

sq

sq

sq

sq

sq

sq

sq

x

 Tabelle 7

Die Interessen des Individuums G würden sich bei Anwendung der Veto-Regel gegen die Interessen aller andern Beteiligten durchsetzen.

Außerdem kann es zu suboptimalen Ergebnissen kommen, wenn nicht strategisch zum eigenen Vorteil abgestimmt wird, sondern jedes Individuum jeweils für die von ihm bevorzugte Alternative stimmt.

Suboptimalität einer Entscheidungsregel soll hier bedeuten,  dass die Anwendung dieser Regel zur Wahl von Alternativen führen kann, zu denen es Alternativen gibt, die für alle Individuen besser sind.

Das Problem kann veranschaulicht werden anhand eines Beispiels mit 3 Individuen A, B und C , die zwischen den zwei Alternativen x und y zu entscheiden haben.

Über den Status quo (sq) wird nicht abgestimmt, aber er setzt sich durch, wenn es zu keiner Entscheidung zwischen x und y kommt.

In diesem Beispiel und den folgenden werden die Alternativen durch unterschiedliche Mengen eines Gutes dargestellt. Je nach der Alternative, die kollektiv gewählt wird, bekommen die Individuen unterschiedlich viele naturale Einheiten eines Gutes hinzugefügt oder weggenommen.

Dabei wird angenommen, dass jedes Individuum lieber mehr als weniger Einheiten dieses Gutes besitzen möchte. Dadurch lassen sich aus den Gütermengen, die den Alternativen entsprechen, die Präferenzen der Individuen in Bezug auf diese Alternativen ableiten.

In der folgenden Tabelle geben die Zahlen also die naturalen Einheiten eines Gutes und nicht wie üblich irgendwelche Nutzeneinheiten an:

Präferenzordnungen -  Alternativen in Gütereinheiten

 

A

B

C

x

2

1

2

y

1

2

1

Tabelle 8


Aus der Tabelle 8 ist z. B. zu ersehen, dass Individuum B bei kollektiver Wahl von y mehr Gütereinheiten (2 Einheiten) bekommt als bei der Wahl von x (1 Einheit). Individuum B zieht also y gegenüber x vor.

Da im Status quo die Zahl der Gütereinheiten unverändert bleibt, hat die Beibehaltung des Status quo für jedes der Individuen den Wert Null (sq = 0). Individuum B zieht deshalb auch die Alternative x mit einer zusätzlichen Gütereinheit gegenüber sq vor, wie aus der folgenden Tabelle abzulesen ist.

Präferenzordnungen zu Tabelle 8

A

B

C

x

y

x

y

x

y

(sq)

(sq)

(sq)

Tabelle 9

Bei einer Abstimmung zwischen x und y ergibt sich die folgende Wahlmatrix, vorausgesetzt die Individuen stimmen in jedem Fall für die von ihnen vorgezogene Alternative:

Wahlmatrix zu Tabelle 9

 

x

y

x

---

2:1

y

1:2

---

Tabelle 10

Da keine Alternative ohne Gegenstimme bleibt, wird nach der Veto-Regel in diesem Fall der Status quo (sq) gewählt, obwohl sowohl x als auch y gegenüber dem Status quo pareto-überlegen sind.

Dies suboptimale Ergebnis hätte vermieden werden können, wenn Individuum B für die Alternative x anstelle der eigentlich bevorzugten Alternative y gestimmt hätte.

Die Veto-Regel kann auch bei Serien voneinander unabhängiger Entscheidungen zu suboptimalen Ergebnissen führen.

Im folgenden Beispiel treffen die 3 Individuen A, B und C  2 Entscheidungen zwischen jeweils 2 Alternativen (sq und x sowie sq und y).


Präferenzordnungen - Alternativen in Gütereinheiten
Entscheidung 1                                         Entscheidung 2

 

A

B

C

   

A

B

C

sq

0

0

0

 

sq

0

0

0

x

1

-1

2

 

y

1

2

-1

Tabelle 11


Eine Abstimmung zwischen sq und x führt in Entscheidung 1 zum Ergebnis 1:2. Da es keine Alternative ohne Gegenstimme gibt, gilt sq (der Status quo) als kollektiv gewählt.

Eine Abstimmung zwischen sq und y führt in Entscheidung 2 ebenfalls zum Ergebnis 1:2. Da es keine Alternative ohne Gegenstimme gibt, gilt auch hier der Status quo als kollektiv gewählt.

Wie jedoch die folgende Tabelle 12 zeigt, wäre eine Bündel x/y aus den Alternativen x und y dem Status quo pareto-überlegen. (Anmerkung: Dabei werden hier wie im Folgenden Nutzeninterdependenzen zwischen den Alternativen ausgeschlossen.)

Präferenzordnungen - Alternativenbündel in Gütereinheiten

 

A

B

C

sq/sq

0

0

0

x/y

2

1

1

Tabelle 12

Die Veto-Regel ist also "bündelungs-empfindlich", d. h. dass sich die Ergebnisse ändern können je nachdem, wie die Einzelentscheidungen gebündelt werden.

Die Mehrheitsregel besagt: "Es gilt diejenige Alternative als kollektiv gewählt, die im paarweisen Vergleich mit jeder anderen Alternative jeweils von einer Mehrheit vorgezogen wird."

Die Mehrheitsregel stellt an die Interessenbestimmung
ebenfalls relativ geringe Anforderungen. Auch bei ihr ist keine interpersonal vergleichbare Gewichtung der Interessen erforderlich. Es muss beim paarweisen Vergleich aller Alternativen nur festgestellt werden, welche der beiden Alternativen dem Interesse eines Individuums mehr entspricht. Gewählt ist dann diejenige Alternative, die im paarweisen Vergleich eine Mehrheit gegenüber jeder anderen Alternative erhält. Dies ist die sogenannte "Mehrheitsalternative".

Ein Problem der Mehrheitsregel besteht darin, dass nicht immer eine Mehrheitsalternative existiert. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Paarvergleiche zirkulär verlaufen (x > y > z > x). Somit garantiert die Anwendung der Mehrheitsregel noch kein Ergebnis. Auch wenn beim Paarvergleich Stimmengleichheit auftritt, bedarf es eines zusätzlichen Entscheidungskriteriums.

Außerdem kann auch bei Anwendung der Mehrheitsregel auf eine Serie unabhängiger Entscheidungen Suboptimalität der Ergebnisse eintreten. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Angenommen es handelt sich um die 3 Individuen A, B und C, die nacheinander 3 Entscheidungen zwischen jeweils 2 Alternativen x und y, r und s sowie v und w zu treffen haben. Den Alternativen entsprechen folgende fiktive Stückzahlen eines Gutes:

Werte der Alternativen für die Individuen in naturalen Gütereinheiten

Entscheidung 1

A

B

C

x

0

0

0

y

-1

3

-1

Entscheidung 2

     

r

0

0

0

s

3

-1

-1

Entscheidung 3

     

v

0

0

0

w

-1

-1

3

Tabelle 13

Aus Tabelle 13 ist z.B. ersichtlich, dass die Alternative w für das Individuum C einen Wert von 3 zusätzlichen Gütereinheiten besitzt. Da die Alternative v für C zu keiner Veränderung der Gütermenge führt, zieht C die Alternative w gegenüber v vor.

Wie aus Tabelle 13 ersichtlich ist, würden bei isolierten Entscheidungen nach der Mehrheitsregel die Alternativen x, r und v gewählt: 

Wie aus der folgenden Tabelle 14 jedoch ersichtlich ist, ist das Alternativenbündel y/s/w dem Alternativenbündel x/r/v pareto-überlegen, d. h. y/s/w ist für jedes der Individuen besser als x/r/v:
 

Entscheidung zwischen Alternativenbündeln

 Alternativenbündel in Gütereinheiten

 

A

B

C

x/r/v

0

0

0

y/s/w

1

1

1

Tabelle 14


Derart suboptimale Ergebnisse stellen sich bei Anwendung der Mehrheitsregel auf Serien unabhängiger Entscheidungen immer dann ein, wenn sich die Individuen bei den für sie wichtigen Entscheidungen in der Minderheit befinden und bei den für sie weniger wichtigen Entscheidungen der Mehrheit angehören.

Man kann das Problem natürlich dadurch mildern, dass man die Mehrheitsregel von vornherein auf umfassende Bündel von Alternativen anwendet. Aber letztlich lässt sich nicht der gesamte Entscheidungsbedarf in einer einzigen allumfassende Gesamtfrage komprimieren. Diese wäre in ihrer Komplexität auch nicht zu bewältigen. Es bleiben deshalb voneinander zeitlich und sachlich unabhängige Einzelfragen oder Teilkomplexe, die auch als solche zu entscheiden sind. Damit ist das aufgezeigte Problem der möglichen Suboptimalität von Entscheidungsserien bei Anwendung der Mehrheitsregel unvermeidlich.

Die Minimax-Regel besagt: "Es gilt diejenige Alternative als kollektiv gewählt, die im paarweisen Vergleich mit jeder anderen Alternative dem Interesse des jeweils am stärksten betroffenen Individuums entspricht."

Diese Regel konzentriert sich auf das jeweils am stärkste betroffene Individuum und wählt diejenige Alternative aus, bei der der Nachteil bzw. der entgangene Vorteil irgendeines Individuums vergleichsweise am geringsten ist. Wie stark ein Individuum von einer Entscheidung betroffen ist, ergibt sich aus der Nutzendifferenz zwischen der für das betreffende Individuum besten und schlechtesten Alternative.

Die Minimax-Regel minimiert den maximalen Nachteil, den eines der beteiligten Individuen durch die kollektive Entscheidung erleiden kann.

Die Anwendung dieser Regel erfordert eine interpersonal vergleichbare quantitative Nutzenmessung bzw. Interessenbestimmung, denn es müssen die möglichen Nachteile bzw. entgangenen Vorteile verschiedener Individuen miteinander verglichen werden.

Bei Anwendung der Minimax-Regel auf Serien von einzelnen Entscheidungen kann es zu suboptimalen Ergebnissen kommen. Dazu ein Beispiel mit 3 Individuen A, B und C, die 3 Entscheidungen zwischen jeweils zwei Alternativen (x und y, r und s, v und w) zu treffen haben:

 Werte der Alternativen in naturalen Gütereinheiten
 

Entscheidung 1

A

B

C

x

0

0

0

y

2

2

-3

Entscheidung 2

     

r

0

0

0

s

2

-3

2

Entscheidung 3

     

v

0

0

0

w

-3

2

2

Tabelle 15


Wie aus der Tabelle 15 ersichtlich ist, würden bei isolierten Entscheidungen nach der Minimax-Regel die Alternativen x, r und v gewählt.

Die folgende Tabelle 16 zeigt jedoch, dass zum Alternativenbündel x/r/v ein pareto-überlegenes Alternativenbündel in Form von y/s/w existiert:

Entscheidung zwischen 2 Alternativenbündeln
Werte der Alternativenbündel in Gütereinheiten

 

A

B

C

x/r/v

0

0

0

y/s/w

1

1

1

Tabelle 16

Die Minimax-Regel kann also bei der Anwendung auf Serien von Entscheidungen zu suboptimalen Ergebnissen führen. Dieser Fall tritt vor allem dann ein, wenn die Interessen des am stärksten betroffenen Individuums in eine andere Richtung weisen als die der übrigen Individuen und wenn jedes Individuum einmal in die Rolle des am stärksten Betroffenen kommt.

Die Nutzensummen-Regel besagt: "Diejenige Alternative gilt als kollektiv gewählt, die im paarweisen Vergleich mit jeder anderen Alternative bei einer Gewichtung und Aufsummierung der Vor- und Nachteile aller Individuen jeweils den größeren Gesamtnutzen besitzt." Hier ist ebenfalls eine interpersonal vergleichbare quantitative Nutzenmessung bzw. Interessenbestimmung erforderlich.

Im Unterschied zur Mehrheits- und zur Minimax-Regel kann die Anwendung der Nutzensummen-Regel nicht zu zirkulären Ergebnissen führen. Möglich ist aber die Gleichwertigkeit verschiedener Alternativen, so dass ein zusätzliches

Entscheidungskriterium erforderlich ist.

Die Nutzensummen-Regel kann auch bei der Anwendung auf Entscheidungsserien nicht zu suboptimalen Ergebnissen führen.

Zu einem schrittweise gewählten Alternativenbündel x kann es kein pareto-überlegenes Bündel y geben.

Der Beweis hierfür lässt sich folgendermaßen führen:

(1)   Wenn die Nutzensummen-Regel angewandt wird, wird bei jeder Entscheidung diejenige Alternative gewählt, deren Nutzensumme am größten ist.

(2)   Bei Additivität der Nutzen ist dann auch das aus einer Serie von Entscheidungen resultierende Alternativenbündel x dasjenige, dessen Nutzensumme von allen Bündeln am größten ist.


(3)   Damit ein anderes Bündel y gegenüber x pareto-überlegen ist und für jedes Individuum einen größeren Nutzen hat, müsste aber auch seine Nutzensumme größer sein als die von x.

Folglich kann die Anwendung der Nutzensummen-Regel auf Entscheidungsserien nicht zu suboptimalen Resultaten führen
.

 

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Letzte Bearbeitung 17.04.2008 / Eberhard Wesche

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