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Die Verfassungstheorie von Buchanan und Tullock

 

Inhalt:

Einleitung
Die Voraussetzung bestehender Eigentumsrechte
"Externe Kosten privater Verfügung"
Ungewissheit über die langfristige eigene Lage
Kritik an der Annahme der Ungewissheit über die langfristige eigene Lage
"Externe Kosten kollektiver Entscheidungen"
"Entscheidungskosten"
Das Kostenkalkül eines rationalen Individuums bei der Verfassungsentscheidung
Die Schlussfolgerungen von Buchanan und Tullock
Kritik an der Argumentation von Buchanan und Tullock

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Textanfang


Einleitung

Ein Beispiel für die moderne Vertragstheorie ist die Arbeit "The Calculus of Consent" (was man etwa mit: "Das Kalkül der Zustimmung" übersetzen könnte), die von den beiden US-amerikanischen Ökonomen James Buchanan (Nobelpreisträger) und Gordon Tullock stammt. (Alle Seitenangaben beziehen sich auf die amerikanische Ausgabe Ann Arbor 1962. Eigene Übersetzungen.)

Die Arbeit trägt den Untertitel "Logical Foundations of Constitutional Democracy (Logische Grundlagen der konstitutionellen Demokratie)" und macht damit die Absicht der Autoren deutlich, "eine Erklärung (zu liefern) für das Entstehen einer politischen Verfassung aus dem Diskussionsprozess freier Individuen, die versuchen, in ihrem eigenen langfristigen Interesse allgemein anerkennbare Entscheidungsregeln zu formulieren". (S. 7)

Dabei sind Buchanan/Tullock der Meinung, dass sich aus einem solchen Einigungsprozess eine politische Ordnung ergeben würde, die weitgehend den bestehenden demokratischen Verfassungsstaaten entspricht, mit bestimmten Bereichen, die privater Verfügung vorbehalten bleiben, mit Bereichen, in die gar nicht oder nur mit qualifizierten Mehrheiten eingegriffen werden kann, neben Bereichen, über die durch einfache Mehrheiten entschieden werden kann, mit parlamentarischen Vertretungskörperschaften, einem Zwei-Kammer-System der Legislative usw.

Dabei machen die Autoren keinen Hehl aus ihrem Bedenken gegenüber dem einfachen Mehrheitsprinzip, und sie sind z. B. der Meinung, dass in den USA der Staat bereits zu weit in die privaten Eigentumsrechte der Bürger eingreift.


Voraussetzung bestehender Eigentumsrechte

Wie begründen die Autoren ihre politisch im rechts-liberalen Spektrum angesiedelten politischen Zielvorstellungen?

Analog der Vertragstheorie, die sie allerdings nicht ausdrücklich erwähnen, ist ihre generelle Antwort: eine derartige politische Verfassung lässt sich rechtfertigen, insofern sie das Ergebnis einer Übereinkunft freier und rational ihre Interessen verfolgender Individuen ist.

Im Unterschied zur traditionellen Vertragstheorie nehmen sie als Ausgangssituation der Übereinkunft jedoch keinen Naturzustand an, sondern gehen bereits von einem elementaren Rechtszustand aus, in dem die "anfängliche Bestimmung von Persönlichkeits- und Eigentumsrechten und die Durchsetzung von Sanktionen gegen eine Verletzung dieser Rechte" (S. 46) bereits gegeben ist.

Sie schreiben: "Offensichtlich wird es zum Vorteil jedes Individuums in der Gruppe sein, diesen minimalen Grad von Kollektivierung zu unterstützen und es ist schwierig, die Probleme der Verfassungsentscheidung des Individuums auch nur zu diskutieren, bevor nicht der Bereich individueller Verfügungsmacht über menschliche und nicht menschliche Ressourcen bestimmt ist." (S. 47).

Ähnlich wie bei Locke ist der Ausgangspunkt der vertraglichen Übereinkunft also eine Gruppe von Eigentümern, wobei die Verteilung der vorhandenen Ressourcen auf die Individuen nicht weiter problematisiert wird: "Für unsere Zwecke bietet jede Abgrenzung von Eigentum, die unterscheidbare individuelle oder gruppenbezogene Anteile beinhaltet, eine geeignete Grundlage." (S. 345, Fußn. 3)
 

"Externe Kosten privater Verfügung"

Buchanan/Tullock sind nun der Meinung, dass es für jedes Mitglied einer solchen reinen Eigentümergesellschaft vorteilhaft ist, bestimmte Bereiche nicht dem autonomen Handeln der Eigentümer bzw. ihrer freiwilligen Kooperation zu überlassen, sondern durch kollektive Entscheidung zu regeln. Je nach Gegenstandsbereich sind dabei unterschiedliche Entscheidungsregeln anzuwenden.

Der Grund für eine derartige Übereinkunft hinsichtlich einer kollektiven politischen Regelung liegt in dem, was Buchanan/Tullock "externe Kosten privater Verfügung" nennen. Damit sind diejenigen Nachteile gemeint, die einem Eigentümern durch das autonome Handeln anderer Privateigentümer entstehen, über das er keine Kontrolle hat.

Beispiele für "externe Kosten privater Verfügung" wären die Beeinträchtigung durch den Rauch eines fremden Schornsteins oder die entgangenen Vorteile einer gemeinschaftlichen Feuerwehr.

Hier ergeben sich nach Meinung von Buchanan/Tullock für jedes Individuum Vorteile einer kollektiven Regelung gegenüber einer Autonomie der Privateigentümer. Die Frage ist, wie es in diesen Fällen zu einer Übereinkunft aller Individuen kommen kann. So wird ein Eigentümer mit stark rauchenden Schornsteinen kein Interesse an einer politischen Gesetzgebung auf dem Gebiet der Luftverschmutzung haben.


Ungewissheit über die langfristige eigene Lage

Buchanan/Tullock lösen das Problem des Zustandekommens einer Übereinkunft trotz im Einzelfall widerstreitender individueller Interessen dadurch, dass sie scharf zwischen der Ebene von Entscheidungen über konkrete Einzelfälle und der Ebene der Verfassungsentscheidungen über Entscheidungsregeln unterscheiden.

Dabei gehen Sie davon aus, dass die Individuen in der verfassungsgebenden Situation in Ungewissheit darüber sind, welche sozialen Positionen sie selbst bzw. ihre Nachkommen später einmal einnehmen werden und ob sie persönlich deshalb eher Nachteile oder Vorteile durch eine bestimmte Entscheidungsregel haben werden.

"Die Verfassungsentscheidung für eine Entscheidungsregel wird unabhängig von irgend einer besonderen Einzelentscheidung getroffen ... und basiert ... auf einer langfristigen Perspektive, die viele verschiedene Zeitabschnitte und viele verschiedene kollektive Handlungen" (S. 95) umfasst. D. h. dass z. B. bei der Verfassungsentscheidung über die zu wählende Entscheidungsregel auf dem Gebiet der Luftverschmutzung noch niemand sicher sein kann, ob er oder seine Nachkommen häufiger zu den Verursachern oder zu den Opfern einer Luftverschmutzung gehören werden. "Auf der Ebene der Verfassung ist ein identifizierbares Eigeninteresse aufgrund äußerer Merkmale nicht vorzufinden. Das Eigeninteresse des individuellen Teilnehmers auf dieser Ebene bringt ihn dazu, die Position eines 'repräsentativen' oder nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Individuums einzunehmend. Deshalb dürfte er - aus Eigeninteresse - zu einem solchen Handeln neigen, als ob er das beste System von Entscheidungsregeln für die soziale Gruppe auswählt. Hier können das völlig egoistische Individuum und das völlig altruistische Individuum in ihrem Verhalten ununterscheidbar werden." (S. 96)

Buchanan/Tullock gehen also - ähnlich wie Rawls - davon aus, dass bei der Wahl der Entscheidungsregeln die gezielte Verfolgung von Partikularinteressen aufgrund von Ungewissheit über die eigene zukünftige Lager (bzw. der Lage der eigenen Nachkommen) praktisch ausgeschlossen ist. Damit wäre jedoch auch die gezielte Ausnutzung von Verhandlungsmacht auf der Ebene der Beschlussfassung über die Verfassung ausgeschlossen und ein wichtiger Einwand gegen den vertragstheoretischen Ansatz wäre damit ausgeräumt.


Kritik an der Annahme der Ungewissheit über die langfristige eigene Lage

Allerdings erscheint die Annahme der völligen Ungewissheit der verfassunggebenden Individuen in Bezug auf ihre spätere Interessenlage als wenig realistisch. Niemand wird sich zum Beispiel über sein Geschlecht, seine Sprachzugehörigkeit oder seine Hautfarbe im Unklaren sein. Deshalb kann jeder bei der Beschlussfassung über die Entscheidungsregeln der Verfassung gezielten Einfluss nehmen, um seine geschlechts-, sprach- oder ethnospezifischen Interessen durchzusetzen.

Hinzukommt der Umstand, dass Buchanan/Tullock bereits von einer bestimmten Verteilung des Eigentums auf die Individuen ausgehen, so dass die für moderne Gesellschaften zentralen Besitzinteressen bereits auf der Verfassungsebene voll eingebracht werden können.

Wenn dem jedoch so ist, wenn also die Annahme einer Brechung des Eigeninteresses durch Ungewissheit faktisch nicht erfüllt ist, dann läuft die Forderung, dass Verfassungsentscheidungen und Verfassungsänderungen einstimmig vorgenommen werden, auf ein Vetorecht derjenigen hinaus, für die die Beibehaltung des gesellschaftlichen Status Quo am vorteilhaftesten ist, denn diese werden keine Änderungen zulassen.

Damit wird aus der schön klingenden Formel von der "freien Zustimmung aller" unversehens das Vetorecht jedes Einzelnen. Denn bei fehlender Zustimmung eines einzigen  Individuums bleibt verfassungsmäßig alles unverändert. Im Extremfall bleibt es also beim Ausgangspunkt der reinen Eigentümergesellschaft, wo die Aufgabe des Staates nur in der Garantierung der Persönlichkeits- und Eigentumsrechte besteht.

Allerdings könnte man das Postulat der Ungewissheit der Verfassungsgeber über ihre spätere individuelle Lage auch normativ auffassen, also nicht als eine Aussage über tatsächliche Zustände, sondern als eine zu realisierende Forderung. In diesem Sinne ist z. B. unter Berufung auf Buchanan/Tullock vorgeschlagen worden, verfassungsändernde Beschlüsse erst mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Jahren in Kraft treten zu lassen, um es den gerade regierenden Mehrheiten zu erschweren, durch Verfassungsänderungen die Machtfülle der von ihnen besetzten Exekutive zu verstärken und so selber in den Genuss der eigenen Verfassungsänderungen zu gelangen. Durch das verzögerte In-Kraft-treten von Verfassungsänderungen würde eine eigeninteressierte Umgestaltung der Verfassung sicherlich erschwert. Allerdings kann eine Verfassungsänderung auch dringend sein, so dass eine derartige Regelung auch nachteilig sein kann. Im Folgenden soll jedoch einmal vorausgesetzt werden, dass das Wirksam werden von Partikularinteressen auf der Ebene der Gestaltung der Verfassung tatsächlich verhindert werden kann und dass die Individuen im Sinne eines repräsentativen Individuums die kollektiv beste Entscheidungsregel für die Verfassung wählen.

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"Externe Kosten kollektiver Entscheidungen"

Buchanan/Tullock unterscheiden die Entscheidungsregeln danach, wie groß der Prozentsatz derjenigen Individuen ist, die jeweils zustimmen müssen, um einen kollektiv verbindlichen Beschluss zu fassen. Denkbar wären z. B. Regeln, dass mehr als 50% (Regel der absoluten Mehrheit), mehr als 66% (Regel der Zwei-Drittel-Mehrheit) oder 100% (Einstimmigkeits- oder Veto-Regel) der Abstimmungsberechtigten einen kollektiv verbindlichen Beschluss fassen können.

Bei der Wahl der für einen bestimmten Bereich besten Entscheidungsregel muss ein rationales Individuen nach Buchanan/Tullock zwei Arten von Kosten berücksichtigen:

Zum einen muss es die "externen Kosten kollektiver Entscheidungen" berücksichtigen, die dadurch entstehen, dass später Entscheidungen gegen den Willen und zum Nachteil des betreffenden Individuums gefällt werden.

Buchanan/Tullock sind der Meinung, dass diese "externen Kosten der kollektiven Entscheidung" umso niedriger sind, je höher der für das Zustandekommen eines Beschlusses erforderliche Stimmenanteil ist. Die externen Kosten kollektiver Entscheidungen gehen gegen Null, wenn Einstimmigkeit, also 100% der Stimmen gefordert wird. Denn dann kann ein Individuum jede kollektive Entscheidung verhindern, die ihm Nachteile bringen würde.

Wenn man den Zusammenhang zwischen den zu erwartenden externen Kosten der kollektiven Entscheidung und der Anzahl der für eine kollektive Entscheidung erforderlichen Stimmen als Funktion in einem Koordinatenkreuz abbildet,  ergibt sich die folgende Kurve:

 Abbildung 1

 

Buchanan/Tullock sind deshalb der Meinung, dass unter dem Gesichtspunkt der "externen Effekte kollektiver Entscheidungen" die Einstimmigkeitsregel ideal wäre.

"Entscheidungskosten"

Allerdings muss das rationale Individuum bei Verfassungsentscheidungen über Entscheidungsregeln noch eine andere Art von Kosten berücksichtigen, nämlich die "Entscheidungskosten" (decision costs). Damit meinen Buchanan/Tullock diejenigen Kosten, die notwendigerweise mit der Organisierung der kollektiven Entscheidung und dem Zu-Stande-bringen des erforderlichen Stimmenanteils verbunden sind.

Buchanan/Tullock nehmen an, dass diese Entscheidungskosten mit steigendem Anteil der erforderlichen Stimmen aus organisationstechnischen Gründen ebenfalls ansteigen.

Wenn annähernde oder vollständige Einstimmigkeit erforderlich ist, werden die Entscheidungskosten sogar dramatisch ansteigen, da die einzelnen Individuen erfolgreich versuchen können, sich ihre erforderliche Zustimmung teuer bezahlen zu lassen.

Abbildung 2


Das Kostenkalkül eines rationalen Individuums bei der Wahl der Entscheidungsregeln der Verfassung

Beide Kostenverläufe lassen sich grafisch darstellen, wenn man in einem Diagramm auf der senkrechten Achse die Größe der Kosten und auf der waagerechten Achse den erforderlichen Stimmenanteil abträgt.

Da das rationale Individuum diejenige Entscheidungsregel wählt, bei der die Summe beider Kostenarten am kleinsten ist, muss es beide Kurven addieren und diejenige Entscheidungsregel wählen, bei der die entstehende Kurve ihr Minimum hat. In der Abbildung 3 ist das der Punkt K.

 

Abbildung 3

 

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese Kosten niedriger liegen als die externen Kosten, die zu erwarten wären, wenn dieser Bereich der privaten Verfügung überlassen bliebe.


Die Schlussfolgerungen von Buchanan/Tullock

Die Schlussfolgerungen, die Buchanan/Tullock aus dieser "ökonomischen Verfassungstheorie" ziehen, sind von erheblicher politischer Brisanz.

Zum einen macht ihrer Ansicht nach die Analyse deutlich, dass die Mehrheitsregel keine Sonderstellung als Entscheidungsregel besitzt (S. 81). Sie ist - so wie alle anderen Regeln - eine Abweichung von der eigentlich idealen Regel der Einstimmigkeit, die nur deshalb erforderlich ist, weil die Kosten, die mit der Organisierung einer Entscheidung verbunden sind, hier niedriger liegen als bei der Regel der Einstimmigkeit: "Die anderen möglichen Entscheidungsregeln werden als Abweichungen von der Einstimmigkeitsregel eingeführt. Diese Varianten werden rational gewählt, nicht weil sie 'bessere' kollektive Entscheidungen hervorbringen (das tun sie nicht), sondern eher, weil im Endeffekt das bloße Gewicht der Kosten, die mit dem Zustandekommen einstimmiger Entscheidungen verbunden sind, eine gewisse Abweichung von der 'idealen' Regel diktiert." (S. 96)

Diese Abwertung der Mehrheitsregel zu Gunsten der Einstimmigkeitsregel erscheint auf den ersten Blick plausibel, denn bei Anwendung der Mehrheitsregel ist das Risiko relativ groß, dass Beschlüsse gegen den eigenen Willen getroffen werden, während diese Gefahr bei Anwendung der Einstimmigkeitsregel ausgeschlossen ist.

zum Anfang

Kritik an der Argumentation von Buchanan/Tullock

Bei dieser Argumentation bleibt jedoch völlig unberücksichtigt, dass u. U. für ein Individuum vorteilhafte Beschlüsse deshalb nicht zustande kommen, weil die von der Entscheidungsregel geforderte Stimmenzahl nicht erreicht wird.

Diese Gefahr ist am größten bei Anwendung der Einstimmigkeitsregel. Wenn die Regel der Einstimmigkeit mit einer Status-Quo-KLausel verbunden wird ("Wenn die erforderliche Stimmenzahl nicht erreicht wird, bleibt normativ alles, wie es ist") handelt es sich genau genommen um eine Veto-Regel gegen jegliche Veränderung des Status.

Dagegen ist die Gefahr eines entgangenen Nutzens, weil keine absolute Mehrheit der Stimmen zusammen kam, vergleichsweise gering.

Im Rahmen der von Buchanan/Tullock gemachten Annahmen kann man auch zu einem ganz anderen Schluss kommen:

Ein rationales Individuum, das im Ungewissen darüber ist, auf welcher Seite es bei späteren Einzelentscheidungen einmal stehen wird, wählt als Entscheidungsregel das Mehrheitsprinzip, denn damit maximiert es die Wahrscheinlichkeit, sowohl bei den zu Stande gekommenen Entscheidungen als auch bei den nicht zu Stande gekommenen Entscheidungen auf der Seite der Gewinner zu stehen.


Dass die von Buchanan/Tullock vertretene Variante der Vertragstheorie auf eine extreme Bevorzugung des Status Quo hinsichtlich der Besitzverhältnisse hinausläuft, wird auch an einer anderen Schlussfolgerungen deutlich. Sie meinen nämlich, dass das rationale Individuum bei Entscheidungen über Persönlichkeits- und Eigentumsrechte den erforderlichen Stimmenanteil besonders hoch ansetze, denn hier seien die möglichen "externen Kosten kollektiver Entscheidungen" besonders hoch, während die Entscheidungskosten weniger ins Gewicht fallen.

Dabei scheint es Buchanan/Tullock gar nicht in den Blick zu kommen, dass bei einer sehr ungleichen Vermögensverteilung das "repräsentative" Individuum auch ein sehr starkes und rationales Interesse an kollektiven Eingriffen in diese Vermögensverteilung haben könnte. Auch hier führt ihr "calculus of consent" in die Irre, weil die Autoren die Kosten einer Beibehaltung des Status Quo überhaupt nicht berücksichtigen.

Die Zusammenfassung der Persönlichkeitsrechte und der Eigentumsrechte in einer Kategorie, wie sie von Buchanan/Tullock vorgenommen wird, verhindert notwendige Differenzierungen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht zu vergleichen mit dem Eigentumsrecht an irgendeiner Sache: Wenn die freie Meinungsäußerung und Argumentation unterdrückt wird, liegt das Problem nicht in den damit für mich verbundenen Nachteilen oder Kosten, sondern in dem viel grundsätzlicheren Problem, dass damit jegliche Wahrheitsfindung - einschließlich der Kostenbestimmung von Entscheidungsregeln - verhindert wird.

Hier zeigen sich die methodischen Grenzen einer "ökonomischen" normativen Verfassungstheorie.

 

Literatur:

Buchanan, James / Tullock, Gordon: The Calculus of Consent. Logical Foundations of Constitutional Democracy. Ann Arbor 1969 (1.Aufl. 1962)

Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
    Einzelinteresse und Gesamtinteresse


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Letzte Bearbeitung 08.05.2008 / Eberhard Wesche

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